Lars Baumgart – Das Konzept Emma Peel. Der unerwartete Charme der Emanzipation: The Avengers und ihr Publikum

Diana Rigg als Emma Peel ist der Charme, Patrick Macnee als John Steed der Schirm, aber auch die Melone. Glücklicherweise wiegt Emma diese ungerechte Doppelwertigkeit des Mannes im deutschen Titel der Fernsehserie „The Avengers“ wieder auf. Das ist jetzt (endlich …) auch wissenschaftlich erwiesen.

„Mit Schirm, Charme und Melone“ (beim noch heute allseits bekannten Titel wollen wir hier bleiben) gehört bis heute zu den populärsten Phänomenen der 1960er Jahre. Das geht über das Fernsehen weit hinaus. Peel & Steed sind Ikonen der Pop-Kultur, so abgehoben von der schnöden Wirklichkeit bierernst moralisierender „Verbrechen lohnt nicht“-Krimis und gleichzeitig Repräsentanten einer modernen, besseren Welt (deren Versprechen nie eingelöst wurden), dass sie ohne die Nachhilfe fixer Werbestrategen, sondern verdient aus eigener Kraft Kultfiguren wurden.

Emma Peel stand naturgemäß mehr im Rampenlicht als ihr männlicher Kollege. Die Emanzipation der Frau in den vergangenen Jahrzehnte hat John Wickham Gascone Berresford Steed ein wenig verdrängt. Dabei ist er es, der die umfassende Entwicklung hinter sich bringen musste. Das weiß hierzulande nur kaum jemand, weil wir stets nur die letzten drei Staffeln von „Mit Schirm, Charme und Melone“ gezeigt bekommen. Tatsächlich begann Patrick Macnee – damals wirklich noch als „Rächer“ – bereits 1960 den John Steed zu spielen. Erst fünf Jahre später begleitete ihn Diana Rigg als Emma Peel.

Es sind diese beiden Staffeln, die den eigentlichen Ruhm der Serie begründeten. Recht konventionell noch begann es mit klassischen Kriminalfällen, doch bald schon wandelte sich das Bild. Immer verdrehter wurden die mit Elementen der Science-Fiction und des Horrors reich bedachten, von geistreichem und schwarzem Humor getragenen Geschichten, die zudem unendlich vom wunderbaren Zusammenspiel der Hauptdarsteller und einem unerschöpflichen Reservoir exzentrischer Nebenfiguren profitierten. Rigg und Macnee wurden wiederum von inspirierten Drehbuchautoren durch zunehmend bizarre Kulissen gelenkt. Der berühmt-berüchtigte Zeitgeist floss reichlich ein – in seiner Essenz, die erstaunlich alterungsbeständig ist: „Mit Schirm, Charme und Melone“ mag vielleicht technisch veraltet sein, wirkt aber nicht altmodisch.

Wieso dies so ist bzw. auf welche Weise dies gelang, zeichnet Lars Baumgart in seiner Studie nach. Er beschränkt sich in seiner Betrachtung nicht auf die Serie, sondern weitet den Blick darüber hinaus auf die Rezeptionsgeschichte – mit einem besonderen Schwergewicht auf die bewegte und leidvolle Vergangenheit der „Rächer“ im deutschen Fernsehen, deren Vertreter die Kluft zwischen der Leichtigkeit des Peelschen/Steedschen Seins und der bleischweren Realität der konservativpolitischen Beamtenrepublik Deutschland mit der ihnen üblichen Gründlichkeit durchexerzierten.

Ein weiteres Schwergewicht liegt auf der Entschlüsselung der raffinierten Methoden, durch die Emma Peel zur frühen und auf ihre Weise singulären Vorreiterin der Emanzipation werden konnte. Diese beschränkte sich eben nie darauf, dass „Leder-Emma“ Muskelstrolche durch die Luft wirbelte, wie die dumpfe Presse es immer wieder vorbetete. Der entscheidende Unterschied liegt im vorsätzlichen Verzicht auf fast sämtliche Stereotypen, die mit der gleichberechtigten Behandlung von weiblichen mit männlichen Rollen einher gehen und diese aushebeln können.

Das erforderte einen durchaus komplizierten dramaturgischen Mechanismus, den Baumgart hier analysiert, für uns auseinandernimmt und wieder zusammensetzt. Anschließend verstehen wir, was uns noch immer so modern an Mrs. Peel und Mr. Steed anmutet, wieso ihre zahllosen Nachahmungen quasi scheitern mussten (Welches Desaster ist z. B. die „Avengers“-Neuverfilmung von 1998!), wie und warum sie ihren Schatten bis in die Gegenwart werfen.

Unterm Strich

„Das Konzept Emma Peel“ lautet der etwas bedrohliche Titel dieses Buches. Tatsächlich haben wir es hier wohl mit einer Abschlussarbeit zu tun, die im Rahmen des Baumgartschen Studiums am Institut für Neuere Deutsche Literatur und Medien der Kieler Universität entstand. Obwohl der Autor sich bemüht hat, die wissenschaftliche Strenge zugunsten der Lesbarkeit aufzubrechen, ist ihm das nur bedingt gelungen. Feines Seminardeutsch prägt den Stil; es dauert lange, bis man es sich wieder abgewöhnen kann. Das sollte man aber, denn außerhalb universitärer Elfenbeintürme hemmt es den Informationsfluss zum Leser.

Auch das denkbar Einfache möglichst kompliziert auszudrücken, ist ein alter Kniff, denn hinter solchem Wortgedonner lässt sich so manche Argumentationsschwäche verstecken. Davon sollte man sich nicht schrecken lassen. Selbst wenn manches ein wenig zu weit hergeholt bzw. schon längst bekannt sein mag, kann Baumgart Erstaunliches aufdecken. Zwischen den Bildern einer reinen Unterhaltungs-Serie gibt es andere Ebenen, die dem Kundigen die Zeitgeschichte besser als eigens für die Nachwelt formulierte Überlieferungen nahe bringen können. Um dies verfolgen zu können, aktiviert man bei der Feierabendlektüre gern einmal den Schwurbelfilter und übersetzt sich im Geiste, was der Autor eigentlich meint.

Gebunden: 184 Seiten
ISBN-13: 978-3933598400

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