Josh Bazell – Schneller als der Tod (Lesung)

Mit seinem Romandebüt mischt sich Josh Bazell in den überquellenden Markt der Mafia-Thriller ein. Was langweilig klingt, da man meint, zu diesem Thema schon jegliche Nuance gehört zu haben, entpuppt sich als ein Roman nach dem Humor eines Quentin Tarantino, böse und zugleich aufs Äußerste komisch. Dabei vergleicht Bazell den Profikiller mit einem Klinikarzt und es fällt schwer, Sympathie für einen der beiden Berufe zu entwickeln. Bazells Protagonist jedoch, der Ich-Erzähler Peter Brown alias Piedro Brnwa, vereint beide Aspekte der Brutalität in sich und wird dadurch zu einem perfekten Sympathieträger …

Ein Arbeitstag für den Arzt Peter Brown beginnt mit einer brutalen Konfrontation mit seiner Vergangenheit: Ein armseliger Penner bedroht ihn mit einer billigen Pistole. Brown erledigt ihn medizinisch exakt und als perfekt ausgebildeter Profikiller, wobei er (wie er in seiner trockenen Erzählweise mitteilt) seinen tödlichen Hieb im letzten Moment von der Kehle weg zur Nase richtet und den Angreifer so nur K. o. schlägt.

In seinem vom Drogenentzug verwirrten Zustand nimmt er die Waffe an sich und sucht dann im Krankenhaus fieberhaft nach einem Versteck, das so schnell niemand außer ihm finden soll. Im Aufzug trifft er eine junge, unerfahrene Vertreterin pharmazeutischer Produkte, die sich treu nach dem Motto richtet: Sex sells! Von ihr bekommt er einen kleinen Schub der richtigen Drogen, ehe er sich reichlich unkonzentriert, aber trotzdem offenbar mit gehörigem Sachverstand, ins unerbittliche Tagesgeschäft der Ärzte wirft.

Seine Vergangenheit holt ihn endgültig ein, als ihn ein todkranker Patient erkennt und als „Bärentatze“ anspricht, ein Kosename seiner alten Verbindung in der Mafia, aus der er sich über ein Zeugenschutzprogramm freigekauft hat. Und während Brown noch mit der krankenhausinternen Bürokratie kämpft, informiert der schmierige Mafiosi die Bande über den Aufenthaltsort des Ehemaligen …

Christoph Maria Herbst liest und erzählt diese Geschichte mit einer typisch rauen Gangster-Stimme, die ähnlich eindrucksvoll ist wie Robert de Niros deutscher Synchronisator Christian Brückner. An manchen Stellen stöhnt er sich durch einen Absatz, um dann wieder trocken und leidenschaftslos über die medizinischen Aspekte des Tötens zu sprechen. Übrigens ist dies eine interessante und lehrreiche Verbindung, der Killer und der Arzt. Man lernt einiges über den menschlichen Körper, auch wenn es schließlich im Showdown etwas zu weit führt, aber dazu weiter unten.

Die Geschichte spielt sich auf zwei Ebenen ab. Peter Brown erzählt neben seinem Bericht über seinen erneuten Mafiakontakt im Krankenhaus (den er dem Stil seiner Erzählung nach in einer Anhörung wieder gibt), wie er überhaupt zur Mafia kam und was er dort erlebte, was ihn schließlich umkrempelte und zu einem ackernden Arbeitstier im Zeugenschutzprogramm machte. Das sind gleich zwei spannende Geschichten parallel, die jede für sich spannend und echt fesselnd erzählt werden. Zwischen ihnen gibt es eigentlich lange keine weiteren Berührungspunkte, bis sich die persönlichen Reibereien der Vergangenheit explosiv entladen und zu einem gewissenlosen Mordanschlag führen, der in letzter Konsequenz für Piedros endgültigen Wandel ausschlaggebend ist. Hier schlägt Bazell dann die Brücke in die erzählte Gegenwart, wo sich die Kontrahenten unter anderen Vorzeichen erneut begegnen und ihren Zwist zu einem Ende bringen.

Was lässt sich über die Charaktere sagen: Der Ich-Erzähler ist Piedro Brnwa, der eigentlich über seine Zeit als Peter Brown berichtet. Man erfährt über den engen Kontakt zu ihm (und wahrscheinlich gelingt das im Hörbuch noch besser als im Roman, da man scheinbar ihm direkt zuhört und seine Regungen in der Stimme erfährt), wie er denkt und fühlt und wie er sich zu dem entwickelte, was er zu seiner Zeit als Killer war. Dabei rückt er seine Motive in ein zwiespältiges Licht von Moralität, da er sich nie ohne eingehende Information über seine Opfer zu einem Mord kaufen ließ, sondern immer erst von ihrer Schuld überzeugt sein wollte. Außerdem zeigt der intensive Tag, den man mit Brown im Krankenhaus erlebt, wie er nach seiner Zeit als Killer zu einem Arzt wurde, der zwischen den Mühlsteinen der Bürokratie versucht, Menschenleben zu retten, Leiden zu lindern und sich zum Teil von seiner Schuld als Mörder frei zu arbeiten. Dabei klingt sowohl in Herbsts Stimme als auch durch den Text selbst immer die Müdigkeit des täglichen Kampfes, die Resignation und der Wille, sich gegen die tumbe Geistlosigkeit der Mitmenschen und des Systems durch zu setzen, an und gibt dem Menschen Brnwa/Brown weitaus mehr Rückgrat und Sympathie, als es ein bloßer Profikiller der einschlägigen Literatur sonst erreichen kann.

Durch den Blickwinkel bleiben die anderen Figuren fremder, doch die Ereignisse und Browns Erzählung entwickeln zumindest seinen Jugendfreund und späteren unerbittlichen, geistlosen und brutalen Gegner Skinflick auf glaubhafte Art, wenn sie auch nicht sehr kreativ ist: Unfähiger Sohn eines erfolgreichen Mafiosos hängt sich an einen gleichaltrigen Freund des Vaters, der der perfekte Sohn sein könnte, um Zugang zu den Kreisen des Vaters und dessen Respekt zu ergattern. Schließlich wird er enttäuscht und gedemütigt und startet einen Rachefeldzug, an dessen Ende es höchstens einen Überlebenden geben kann.

Die Sprecherleistung ist weitgehend überzeugend, mehr noch, fesselnd, denn Herbst versetzt sich hervorragend in Brnwa hinein und intoniert auch die anderen männlichen Protagonisten gekonnt. Schwachpunkt sind nur die Frauen. Hier zeigt sich, dass wirklich nicht jeder Mann die hohen Stimmen von Frauen nachahmen kann. Dadurch verliert Brnwas einzige Liebe, der Herbst zwar mit besten Möglichkeiten versucht, eine angenehme Stimme zu verleihen, die überzeugende Darstellung als eben diese einzigartige Frau, die sie dem Text nach ist.

Wie oben gesagt, entwickelt sich die Geschichte auf faszinierende Weise realistisch und trotz aller Brutalität sympathisch, bis Skinflick und Brown sich zu ihrem finalen Zweikampf treffen. Die Inszenierung ist sehr gut gemacht, und wieder überzeugt Brown mit fundiertem medizinischen Wissen, doch der Knackpunkt, die Selbstverstümmlung, ist der einzige Schwachpunkt der Geschichte. Hier wird ein absoluter Höhepunkt angestrebt, der dieser Geschichte gerecht wird, und damit schießt Bazell übers Ziel hinaus.

Insgesamt ist das Hörbuch uneingeschränkt empfehlenswert. Ein Romandebüt der Extraklasse, von dem sich einige etablierte Autoren getrost eine Scheibe Überzeugungskraft abschneiden können.

6 Audio CDs
Originaltitel:
Beat the Reaper
Gelesen von Christoph Maria Herbst
Deutsch von Malte Krutzsch
ISBN-13: 978-3867175401

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