Ulrich Beck – Entgrenzung und Entscheidung. Was ist neu an der Theorie reflexiver Modernisierung?

Schonungslos, kritisch, erleuchtend!

Etwas Neues kann nur entdecken, wer Grenzen kreuzt oder verlässt – wer quer denkt und an den Grenzen entlang denkt. Gerade ein Grenzwissenschaftler sollte sich nicht vor Modernitätskonzepten und aktuellen Meinungen verschließen. Doch wo finden wir Überlegungen zu relevanten Modernitätskonzepten? Wo können wir Theorien der Grenzen entdecken? Die Antwort ist klar: in diesem Buch.

In „Entgrenzung und Entscheidung“ findet man Ansätze zu einer Theorie der Entgrenzung. Zu einer Politik der Entgrenzung. Gekennzeichnet ist Ulrich Becks Theorie durch Reflexion. Doch wie ist das gemeint? Wie strukturiert sich das Buch?

Bevor Beck zum Modell der Reflexiven Moderne übergeht, offenbart er dem Leser einen Blick in die klassischen Modernitätsauffassungen westlicher Industrienationen. Er geht dabei auf die „klassische Moderne“ ein, von der gemeinhin im Kontext der Gesellschaftswissenschaften gesprochen wird. Über die „Struktureigenschaften unserer Zeit“ kommt Beck schließlich zu den verschiedenen Lösungsansätzen der „Probleme unserer Zeit“.

Das Konzept der reflexiven, zweiten Moderne nach Beck legitimiert sich durch die Erforschung der Folgeprobleme der (ersten) radikalisierten Moderne. Die Strukturveränderungen „unserer Zeit“ beruhen demnach nicht nur auf ihrer eigenen Entwicklungsdynamik, sondern scheinen auch nichtintendierte Ergebnisse einer kontinuierlich vorangetriebenen Modernisierung zur Ursache zu haben. Die Wandlungsdynamik der so genannten „entwickelten Industrieländer“ Europas und Nordamerikas scheint ganz allgemein durch eine Erosion von Grenzen gekennzeichnet zu sein, so Becks These.

Es geht Beck nicht um eine Kritik an Grenzen im Allgemeinen. Er ist sich bewusst, dass gerade plurale Gesellschaftskonzepte nur dann stabil sein können, wenn gleichzeitig die Entscheidungsfähigkeiten und -möglichkeiten der Subjekte ausgebildet werden. Es muss aber um die Setzung von (freien) Formen gehen, die auf der Basis von Reflektion und Evaluation zustande kommen. Und es müssen neue Formen sein, die sich im pluralen Milieu entwickeln und sich den jeweiligen kulturellen Fundamenten und Veränderungen anpassen.

Die Hauptleistung einer Reflexiven Moderne besteht laut Beck in der Forderung nach einer Politik der Grenzen. Seine These setzt bei fortschreitender Entgrenzung auf die Dringlichkeit einer Entscheidung. Nicht die Norm, der Standard oder formalisierte Prozesse begünstigen die Entscheidungsfindung einerseits und die Herausarbeitung eines Standpunktes andererseits, sondern eine reflexive, sich selbst stets evaluierende Politik der Grenzen.

Zusammenfassend kann ich dieses Werk nur empfehlen. Es beleuchtet kollektive und individuelle Denkweisen unserer westlichen Hemisphäre und hält unserem Handeln den Spiegel vor. Schonungslos, kritisch, erleuchtend!

Taschenbuch: 516 Seiten
www.suhrkamp.de