Gregory Benford – Eater. SF-Roman

Die Erde am Abgrund

Als Wissenschaftler im selben Abschnitt des Weltraums kurz hintereinander zwei Gammastrahlen-Blitze beobachten, sind sie sicher, dass sie von einem Schwarzen Loch von der Masse unseres Mondes verursacht werden, das einen Stern nach dem anderen verschlingt.
Berechnungen zufolge wird dieser unersättliche „Eater“ auch der Erde gefährlich nahe kommen.
Und das Befremdliche an diesem Objekt ist, dass irgendjemand – oder irgendetwas – es zu steuern scheint.
Ist es eine Waffe?
Oder ein außerirdisches Raumschiff?
Spekulationen, die Wissenschaftler und Militärs ebenso auf den Plan rufen wie Weltuntergangspropheten … (Verlagsinfo)

Der Autor

Gregory Benford, Jahrgang 1941, ist nicht nur einer der besten Science-Fiction-Autoren, sondern auch renommierter Physikprofessor und einflussreicher Berater der US-Regierung in Sachen Raumfahrt und Energieversorgung. Diese Tätigkeit hat ihm sicherlich wertvolle Erkentnnisse vermittelt, die er in Romanen wie „Eater“ und [„Das Rennen zum Mars“ 1223 verarbeitet hat.

Benford forscht und lehrt noch heute an der Uni von Kalifornien in Irvine bei L.A. Sein wichtigster früher Roman war „Zeitschaft„. Darin stellte er erstmals überzeugend die wissenschaftliche Arbeit in der Physik dar. Mit seinem sechsbändigen CONTACT-Zyklus, in dem eine Expedition die Tiefen des Alls erforscht, und dem in der nahen Zukunft angesiedelten Roman „Cosm“ hat er der naturwissenschaftlich ausgerichteten Science-Fiction einen höheren Stellenwert verschafft, als ihr in den 70er und frühen 80er Jahren zugestanden wurde.

Ich wünschte, der |Heyne|-Verlag würde auch den interessanten Abenteuerroman „Wider die Unendlichkeit“ (Against Infinity) wiederauflegen, der 1985 bei |Knaur| erschien. Das Monster ist diesmal ein Wesen, das im Untergrund eines Eisplaneten lebt und Expeditionen in Todesgefahr bringt.

Handlung

Eines Tages, irgendwann nach dem Jahr 2010, registriert eine Forscherin im Observatorium für Hochenergie-Astrophysik auf Hawaii ein äußerst seltenes Ereignis am Rande unseres Sonnensystems (rund 50 Astronomische Einheiten von der Sonne entfernt): einen Gammastrahlenblitz, wie er entsteht, wenn zwei Neutronensterne kollidieren oder ein Stern durch ein Schwarzes Loch verschluckt wird. Kurz darauf beobachtet Amy einen weiteren Blitz.

In einem Gespräch mit ihrem Professor, Benjamin Knowlton, und mit weiteren Aufnahmen stellt sich heraus, dass es sich bei dem Phänomen tatsächlich um ein Schwarzes Loch von der Masse unseres Mondes handelt. Es verschlingt Eisasteroiden. Diese „Nahrung“ dient ihm als Energieaufnahme. Was noch könnte es verschlingen?

Etwas beunruhigt sind Amy und Benjamin, als sie herausfinden, dass sich das Schwarze Loch auf dem Weg ins Innere des Sonnensystems befindet. Zusammen mit einem britischen Konkurrenten namens Kingsley Dart muss Benjamin miterleben, was das Schwarze Loch, das seinen Kurs steuern kann, mit Jupiter anstellt: Erst ein kleines Frühstück – schwupps, ist einer der Monde weg. Dann die Hauptmahlzeit in drei Gängen: Happs, und schon ist der Riesenplanet um einen beträchtlichen Teil seiner Atmosphäre ärmer. Eins ist klar: Zeit, die Polizei zu rufen.

Die Jungs aus der Regierungszentrale (oder vom CIA?), die sich die U-Agency nennen, sind gewieft: Sie verhängen erst einmal eine totale Nachrichtensperre. NASA, UNO und der US-Präsident werden eingeschaltet. Es ist zwar nett, mit diesem großartigen Schauspieler zu besprechen, wie es mit der Erde, auf die der Kurs des „Eindringlings“ nun weist, weitergehen soll. Doch so wahnsinnig konstruktiv ist das nicht: Es mangelt an Ideen: Ist der Eater (= Fresser) ein Alien-Raumschiff (sagt Benjamins Frau Channing), eine Waffe (sagt die Air Force) oder der Zorn Gottes (sagen die Propheten und Sekten)? Kingsley, der lakonische Brite, bringt es auf den Punkt: „Das Problem mit den Aliens ist, dass sie uns so fremd sind.“

Da empfängt man auf Hawaii eine Botschaft des Eindringlings: „Ich wünsche zu konversieren.“ Das ist doch schon mal ein netter Anfang, der Auftakt zu einem regen Datenaustausch. Der Eater ist seit über sieben Milliarden Jahren im Universum unterwegs, wobei er offenbar schon etliche Zivilisationen verschlungen und deren Relikte in sich aufbewahrt hat: Was wohl bitteschön die Erdlinge zu bieten hätten?

Da ist guter Rat teuer, im wahrsten Sinne des Wortes. Channing, Benjamins geliebte Frau, eine ehemalige NASA-Astronautin und jetzige Astrophysikerin, ist an Lymphdrüsenkrebs erkrankt. Die Parallele zwischen dem Ausbreiten des Krebses in ihrem Körper und dem Eindringen des Eaters in den Erdraum entgeht ihr zwar, ist für den Leser aber offensichtlich. Da sie nur noch Tage zu leben hat – was Benjamin ebenso wie Kingsley ziemlich fertig macht – bietet sie sich an, ihren Gehirninhalt, also ihre Persönlichkeit, digitalisieren zu lassen und mit einer Sonde zum Eindringling schicken zu lassen. Auch sie möchte „konversieren“.

Kann eine einzelne Frau den Untergang der Erde abwenden? Und zu was ist der Eater alles fähig?

Mein Eindruck

Der Plot ist von geradezu altehrwürdiger Tradition. Schon Fritz Leiber schrieb in „Der Wanderer“ (1964) von einer Hohlwelt, das durch die Weiten des Alls zieht und unserer Welt einen kurzen Besuch abstattet. In Arthur C. Clarkes „Rendezvous with Rama“ (1973) ist die Hohlwelt relativ verlassen und Vehikel, um menschliche Forscher zu einer galaktischen Kultur zu entführen. Wesentlich exotischer ist das besuchende Objekt in Robert L. Forwards Hardscience-Roman „Das Drachenei“ von 1980: ein bewohnter Neutronenstern – etwas Exotischeres kann man sich kaum vorstellen, denn die Dichte dieses reisenden Sterns erzeugt die milliardenfache Anziehungskraft der Erde. Entsprechend platt sind seine Bewohner.

Und nun also Eater, das Milliarden Jahre alte, intelligente Wesen, das ganze Planeten aussaugen kann und auch der Erde einen verhängnisvollen Besuch abstattet. Mehrmals hat mich das Auftauchen dieses fremdartigen Monsters an uralte Star-Trek-Episoden (jetzt Classics genannt) erinnert. Natürlich bedeutet das Ungeheuer wieder einmal den Untergang von etwas: Menschheit, Erde, Zivlisation usw. Das war schon im Heldenepos „Beowulf“ so. Und so wie dort ein Held in der Not entsteht, so muss auch diesmal dem Monster begegnet werden.

Das eigentliche Thema und Problem

Das Problem aber macht Benford sehr deutlich: Jede Organisation, die für die Rettung der Welt zuständig ist, verfolgt eigene Interessen, deren Verfolgung der Erreichung des Zieles, der Rettung, zuwiderlaufen. Klartext: Jeder stellt dem anderen ein Bein. Folge: Alle gehen drauf.

Anschaulichstes Beispiel dafür ist das Vorgehen der Regierungagentur U-Agency: Statt die Astronomen ihre Daten untereinander austauschen und vergleichen zu lassen, versucht sie, die Forscher voneinander abzuschotten, natürlich nur im Interesse der Geheimhaltung, der „nationalen Sicherheit“ etc. pp. Dabei ist es ja gerade die Kooperation der Forscher, die zur Erkenntnis der rettenden Möglichkeiten führen würde.

Benford macht es überdeutlich, was passieren würde, wenn die Wissenschaft der Astronomie zu einem Politikum würde: Zwei Welten prallen aufeinander, von denen die eine die andere nicht versteht. Und Gott sei Dank für jene Leute, die wissen, wie man sich in beiden Welten bewegt, Leute wie Kingsley Dart (und wie ein gewisser G. Benford).

In seinem Nachwort weist der Autor auf dieses Anliegen seines Buches hin. Er habe versucht, „vor dem Hintergrund einer extremen Situation möglichst wahrheitsgetreu darzustellen, wie Wissenschaftler denken, arbeiten und sich mit dem Unbekannten auseinandersetzen.“ Das ist ihm – wie schon damals in „Zeitschaft“ – wieder einmal hervorragend gelungen. Aber das ist nicht alles, was er tut.

Die menschliche Dimension

Channing Knowlton ist eine wunderbare Lady: selbstironisch, nicht unterzukriegen, liebevoll und zärtlich. Es fällt schwer, sie zu vergessen. Der Autor breitet vor uns mit köstlicher Ironie ihre Gedanken, Empfindungen und Erkenntnisse aus (so etwa, als sie das Innere ihrer Handtasche als einen Blick in ihr Unterbewusstsein bezeichnet). In der Viererbande Benjamin, Kingsley, Amy bildet sie die zurückgezogene Denkerin, die sich das Wesen des die Erde bedrohenden Monsters als einzige wirklich vorstellen kann. Weil nämlich der Krebs ihr Inneres in ein Trümmerfeld verwandelt, wie sie sagt, und sie ebenfalls mit der Nichtexistenz konfrontiert ist. (Unnötig zu sagen, dass es zu herzzerreißenden Situationen kommt, wenn die anderen an ihren nahen Tod erinnert werden und sich schließlich damit abfinden müssen.)

Diese Dimension, der Handlungsstrang um Channing, ergänzt und transzendiert die beide anderen Aspekte: das Monster und die Reaktion auf sein Erscheinen. Channing wird schließlich zum eigentlichen „Helden“ der Geschichte. (Und ich werde mich hüten zu verraten, wie diese ausgeht.)

Unterm Strich

Ich hätte es am Anfang nicht gedacht, dass ich dieses Buch verschlingen würde (Eater!). Ich dachte, es würde so technophil wie viele Romane der Hard-Science-Fiction sein. Das Gegenteil ist der Fall: Ich kann mich nur an wenige Science-Fiction-Romane erinnern, die so human und psychologisch plausibel sind wie dieses Buch. Und dabei bleibt es spannend bis zum Schluss.

Das umfangreiche Glossar erklärt zahlreiche, auch unbedeutend erscheinende Fachbegriffe wie „Schwarzes Loch“ und „Neutronenstern“ auf verständliche Weise. So können auch Laien, die Physik nur aus der Schule kennen, das Buch und seine Figuren, sein eigentliches Thema, verstehen und die Lektüre gewinnbringend genießen.

Taschenbuch: 508 Seiten
Originaltitel: Eater, 2000
Aus dem US-Englischen übertragen von Irene Holicki,
ISBN-13: ‎978-3453213487
www.heyne.de

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