Bernard Cornwell – Das letzte Königreich (Uhtred 1)

Schlachten und Intrigen in Englands finsterer Zeit

Nordengland im 9. Jahrhundert: Die christlichen Sachsen versuchen ihr Land gegen die heidnischen Wikinger zu verteidigen. Der zehnjährige Fürstensohn Uhtred kämpft gegen die einfallenden Eroberer. Ragnar, der Anführer der Dänen, ist vom Mut des Jungen in der Schlacht so beeindruckt, dass er ihn verschont und als Ziehsohn aufnimmt. Einige Jahre später droht auch Wessex, das letzte der fünf angelsächsischen Königreiche, an die Fremden zu fallen. Da wechselt Uhtred die Seiten und der Kampf um Wessex beginnt. (Verlagsinfo)

Der Autor

Der Brite Bernard Cornwell teilt seine schriftstellerische Tätigkeit auf. Einerseits verfasst er erfolgreiche historische Romane aus der Zeit der Napoleonischen Kriege, in deren Mittelpunkt ein gewisser Sharpe steht, der als eine James-Bond-Figur der Epoche an allen möglichen Brennpunkten auftaucht, so etwa in der Seeschlacht von Trafalgar, aus der Admiral Nelson sowohl als Sieger als auch Leiche hervorging.

Andererseits weiß Cornwell aber auch ziemlich gute Fantasy zu schreiben. Mit „Winterkönig“ begann er eine Trilogie über den legendären König Artus, die komplett bei Blanvalet vorliegt. Inzwischen hat er eine weitere Fantasy-Trilogie veröffentlicht.

Der Saxon-Zyklus (Uhtred-Zyklus)

Die Uhtred-Saga wurde als Serie mit dem Titel The Last Kingdom umgesetzt und startete im Oktober 2015 zuerst auf BBC America und kurz darauf auf BBC Two. Seit Dezember 2015 wird die erste Staffel in Deutschland von Netflix per Streaming angeboten.

1. The Last Kingdom, 2004 (dt. Das letzte Königreich, 2007)
2. The Pale Horseman, 2005 (dt. Der weiße Reiter, 2007)
3. The Lords of the North, 2006 (dt. Die Herren des Nordens, 2008)
4. Sword Song, 2007 (dt. Schwertgesang, 2008)
5. The Burning Land, 2009 (dt. Das brennende Land, 2010)
6. Death of Kings, 2011 (dt. Der sterbende König, 2012)
7. The Pagan Lord, 2013 (dt. Der Heidenfürst, 2014)
8. The Empty Throne, 2014 (dt. Der leere Thron, 2015)
9. Warriors of the Storm, 2015 (dt. Die dunklen Krieger, 2016)
10. The Flame Bearer, 2016 (dt. Der Flammenträger, 2017)

Der Sprecher

Gerd Andresen war 2009 künstlerischer Sprecher und Moderator beim SWR-Rundfunk und Fernsehen (z. B. ARTE), Schauspieler und Kabarettist.

Regie führte Lisa Bitzer, für den Ton war Acoustic Media zuständig.

Handlung

Im Jahr 866 ist die Welt noch in Ordnung, als König Egbert über Northumbrien, das Land zwischen Tweed und Tyne, herrscht. Sein Vasall Osbert herrscht im Westen von der Bebbanburg aus, zusammen mit seinem Bruder Aelfric und zwei Söhnen namens Uhtred und Osbert. In dieser Situation tauchen dänische Drachenschiffe vermehrt vor der Ostküste aus: Dänen aus Jütland. Eines Tages kehrt von Prinz Uhtred leider nur sein Kopf zurück, der prompt von einem Dänen vor das Burgtor geworfen wird. Uhtred ist ihnen in die Falle gegangen und musste seinen Leichtsinn mit dem Leben bezahlen.

Yorks Fall

Nun geht die Erbfolge auf Osbert junior über, der erst zehn Jahre alt ist. Er wird kurzerhand in Uhtred umgetauft. Natürlich sinnen der König im Bischofssitz York (damals Eoferwic) und Uhtreds Vater, der Fürst, auf Vergeltung für diese Herausforderung. Doch die Dänen haben York bereits eingenommen, so dass der König sich erst mit dem Rebellen Ella einig werden muss, wie und wann die befestigte Stadt erstürmt werden kann. Dass die Northumbrier uneins sind, wird ihnen zum Verhängnis. Kaum dringen sie in die fast leere Stadt ein, umgehen die Dänen die Reihen der Krieger und machen sie von hinten nieder.

Die Wikinger

Der Anführer der Dänen ist ein Graf namens Ragnar Ragnarsson. Auf seinem Pferd reitend macht er einen sächsischen Soldaten nach dem anderen nieder. Dieser Anblick erbittert Uhtred derart, dass er wutentbrannt den Krieger angreift. Lachend wehrt Ragnar den Angriff des Jungen ab, lässt ihn aber wegen seines Mutes am Leben. Ja, er nimmt ihn sogar als Ziehsohn in seine Reihen auf. Denn die Dänen haben Großes vor und können jede Hand und jeden schlauen Kopf gebrauchen: Das erste der fünf angelsächsischen Königreich haben sie bereits unter ihre Kontrolle gebracht, die restlichen vier werden folgen. Dann können sie in England eine zweite Heimat errichten und sie gerecht untereinander aufteilen. Denn Ragnar ist mit den Söhnen von Ragnar Lothbrok verbündet. Zwei der Brüder lernt Uhtred bald kennen. Durch den blinden Skalden Ravn erfährt so manches Wissenswerte über Ubba, den korpulenten Axtschwinger, und Ivar den Knochenlosen, den verschlagenen Krieger. Nur Halfdan fehlt noch.

Kriegszüge

Uhtred hat immer das Leben in der Burg ärgerlich gefunden. Die ganze Zeit musste er von dem Mönch Beorca Lesen und Schreiben lernen, aus Büchern, die von heiligen Märtyrern handelten. Nun endlich kann er von Ragnars Leuten Kampftechnik lernen und körperliche Ertüchtigung erlangen. Er nimmt den Thorshammer bzw. Donnerkeil als Glaubenszeichen an. Zugleich beobachtet er die Dänen ganz genau. Ihr Plündern und Brandschatzen von Küstensiedlungen hat Methode: So locken sie die Soldaten des jeweiligen Königs hervor und geradewegs in eine passende Falle. So fällt Ost-Anglien, und Mercien folgt wenig später. Stets wird ein Marionettenregent eingesetzt, damit es nicht zu großen Aufständen kommt.

Ragnar und Lothbroks Söhne lassen Familien nachkommen. Zu Ragnar kommen Gudrun, Sigrid, zwei Söhne und eine Tochter, Thyra. Sie richten sich auf einem eroberten Anwesen häuslich ein. Mit den Söhnen, dem kräftigen Ragnar jr. und dem kränklichen Rorik, freundet sich Uhtred bald an. Schon früh verbünden sie sich gegen den Raufbold Swen, den Sohn des Schiffsbauers Kjartans, mit dem Uhtred zeit seines Lebens Ärger haben wird. Swen hat es auf Thyra abgesehen.

Verrat

Fürst Aelfric, Uhtreds Onkel, kommt mit Pater Beorca nach York, um Uhtred auszulösen. Er hat inzwischen den Besitz der Bebbanburg an sich gerissen. Beorca verrät Uhtred insgeheim, dass Aelfric ihn töten wolle, um einen eigenen Erben an seine Stelle zu setzen. Die Dänen unter Ragnar wollen lieber einen Getreuen in der Bebbanburg als Aelfric, daher lehnen sie den gebotenen Preis ab und kaufen Uhtred selbst, wodurch sie ihm sicherlich das Leben retten. Aber es ist klar, dass Ragnar nicht nach Süden kann, solange er einen Verräter im Rücken sitzen hat.

Zum Julfest zeigt sich, auf wessen Seite Weland, ein Neuankömmling an Ragnars „Hof, wirklich steht. Aelfric hat ihn geschickt – und seine Botschaft ist einfach: eine kalte Klinge aus Eisen…


Mein Eindruck

Nach dem Abzug der Römer im 5. Jahrhundert herrschte erst einmal Chaos auf den britischen Inseln, doch schon bald folgte die Invasion der Sachsen, Angeln, Jüten und Belger. Sie übernahmen das Land zwischen Hadrianswall, Wales und Cornwall, um es zu besiedeln. Fünf Königreiche bildeten sich, die Uhtred in seiner Jugend noch kennt. Doch unter der Invasion der Wikinger bzw. Jüten im 9. Jahrhundert zerbricht eines nach dem anderen, und nur Wessex im Südwesten hält noch Stand.

Denn Wessex wird nach dem Ableben des aktuellen Königs von dessen Quasi-Erben Alfred regiert (Regentschaft 871-899). (Damals wurde bei der Erbfolge heftig gemauschelt, und Uhtred kann davon ein Lied singen.) Alfred will Uhtred an sich binden. Erst zeigt er ihm die Schätze des Wissens und der christlichen Frömmigkeit, die er in Winchester, seiner Hauptstadt, versammelt hat und täglich weiter von Kopisten vermehren lässt. Uhtred ist nicht beeindruckt, denn er zieht die Tat dem Wort vor. Aber Alfred ist viel schlauer als er, muss er bald zu seinem Verdruss erkennen.

Alfred gelingt es, Uhtred in einen Konflikt der Loyalität zu stürzen, so dass der Krieger die Seiten wechselt und zu Alfreds Admiral der Flotte wird. Er muss viele Abenteuer gegen die Dänen bestehen. Dann gelingt Alfred ein zweiter Coup: Er verheiratet ihn mit einer jungen Frau namens Mildrith, die in Devonshire lebt und eine gewisse Mitgift bringt: Land. Und Land – Boden, Vieh und Sklaven – ist das Wichtigste, was ein aufstrebender Krieger in Alfreds landen haben muss, will er was mitzureden haben. Dann ist da noch die Frage der Erben: Uhtred kann noch so viel verdienen, schließlich muss er das Geld doch jemandem hinterlassen. Er braucht von Mildrith Kinder.

Genau dies scheinen die Dänen jedoch zu vereiteln. Sie erobern Exeter, das auf Rettung durch Alfreds Truppen hofft. Doch solange will Uhtred nicht warten: Er umgeht die Stadt mit seinem Kriegertrupp und folgt den Entführern seiner Frau. Diese Dänen schlagen sich zum Severn durch, einem westlichen Meeresarm, der tief ins englische Herzland hineinragt. Dort, auf der Küstenseite, liegt die schwach befestigte Burg Cynuit. Hier will sich Uhtred Ubba Lothbroksson entgegenstellen, obwohl der Skalde Ravn ihn immer vor dem Axtschwinger gewarnt hat. Doch König Alfred hat Uhtred gelehrt, wie man einen Schlachtplan ausarbeitet und kühn in die Tat umsetzt…

Der Sprecher

Die Lesung verfügt weder über mehrere Sprecher noch über Musik oder Geräusche. Dennoch gelingt es dem hervorragenden Sprecher Gerd Andresen, die Figuren zum Leben zu erwecken und folglich ihr Schicksal für den Hörer spannend zu machen. Graf Ragnar ist ein kerniger Wikinger, der mal wütend auftreten kann, mal fröhlich lacht. Pater Beorca ist, ähnlich König Alfred, ein sanftmütiger, leiser Redner, der den Hörer nötigt, ihm zuzuhören.

Aber auch verschlagene Typen wie Ivar der Knochenlose oder Weland können leise auftreten, aber das macht sie umso gefährlicher. Der Sprecher bemüht sich nicht um Exaltiertheit, wie etwa eine betont heisere Aussprache oder gar eine weiblich-hohe Tonlage. Ihm liegt eher das männliche Idiom, was am markigsten klingt, wenn Ragnar bei der Opferung seines Lieblingspferdes am Julfest (= Weihnachten) den Obergott Odin anruft. Er klingt laut und ungewöhnlich tief.

Befehle wie etwa „Schildwall!“ ertönen nahezu mit Stentorstimme, und was darauf häufig folgt, ist die Beschreibung eines Schlachtengetümmels. Mit frohlockender Stimme beschreibt der Sprecher die Freude Uhtreds, des Kriegers, am „Schwertgesang“. Nun, alles andere als Enthusiasmus würde der Hörer verdächtig finden, denn die Kampfszenen gehören zu den wichtigsten in der ganzen Geschichte, insbesondere im Finale.

Unterm Strich

Schon im ersten Sechstel des Buches kommt es zu einer großen Schlacht für den erst zehnjährigen Uhtred, und Schlachten sollen sein künftiges Leben bestimmen. Die finale Schlacht, die das Buch krönt, findet an der Küste des Severn statt, und ob Uhtred dabei den gefürchteten Dänenherrscher Ubba besiegt oder nicht, darf hier nicht verraten werden.

Diese Action findet ihren Kontrast in fiesen Intrigen, sowohl durch Swen und Kjartan, die in York nicht ohne Grund zu Herrschern werden, und König Alfred, der wirklich ein Schlaukopf ist. Er lieferte das Vorbild für all die höfischen Artus-Legenden, die die Franzosen im 13. Jahrhundert in die Welt setzten. Aber Uhtreds und Alfreds Welt könnten unterschiedlicher nicht sein, denn sie spiegeln einen Religionskrieg wider. Uhtred hängt dem „heidnischen“ Glauben an die Götter der Wikinger an, Alfred ist tief im christlichen Glauben verwurzelt, verfügt in Sankt Swintan sogar über einen Lokalheiligen – wie praktisch. Nach Swintan ist Alfreds Hauptstadt Winchester benannt, die in der Gotik eine der wichtigsten Kathedralen Englands erhält.

Letzten Endes zählen für Uhtred jedoch nicht abstrakte religiöse Glaubenssätze, sondern ganz konkrete Verhältnisse von Treue und Feindschaft. Es gibt aber eine Szene, in der Uhtred sich en Aberglauben Ubbas zunutze macht. Der Däne ist unter dem Einfluss von Skalden und Runenwerfern, also Wahrsagern, aufgewachsen. Nun flunkert Uhtred allerlei böse Vorzeichen vor, um Ubba zu verunsichern. Tatsächlich stürmen dessen Krieger die Burg Cynuit keineswegs, sondern belagern sie in großem Abstand. Das macht sich Uhtred für seinen Schlachtplan zunutze.

Es gibt großartige Szenen des Heldenmutes, so etwa in der Szene, als Uhtreds Flotte an der Südküste, wie Jahrhunderte später die spanische Armada, bei der Verfolgung von Dänen in einen fürchterlichen Sturm gerät und alle Männer ums nackte Überleben kämpfen müssen. Den Kontrast bilden private, gerade intime Szenen des jungen Uhtred, der sich mit einer burschikosen Beutefrau namens Brida einlässt. Mit ihr zieht er später durch die fünf Königreiche, bis sie ihn für einen der Wikingerfürsten verlässt.

Dem Autor gelingt es, durch Detailreichtum das versunkene Zeitalter zwischen dem Abzug der Römer (ca. 440) und der normannischen Invasion (1066) zum Leben zu erwecken, als sei er selbst dort gewesen und zurückgekehrt, um uns davon zu berichten. Viele Funde aus Ausgrabungen und Forschungen haben ihm sicherlich unzählige Indizien geliefert, wie das Leben damals ausgesehen haben könnte. Prof. JRR Tolkien lieferte ihm den sprachlichen Schlüssel, wie jeder Leser des „Herrn der Ringe“ bezeugen: Die Reiter von Rohan stammen genau aus jener Epoche, in der der junge Uhtred aufwuchs. Dann kamen die Wikinger und stellten alles auf den Kopf, bevor sie im Danelag siedelten, den Königreichen an der Ostküste.

Der Autor erzählt in diesem ersten Roman der Uhtred-Reihe noch nicht, wie es König Alfred gelang, die Wikinger schließlich zu stoppen und zurückzudrängen. Ich hoffe, der zweite Band erzählt davon.

Das Hörbuch

Obwohl dies lediglich eine Lesung ist und daher sowohl Geräusche als auch Musik fehlen, gelingt es dem Sprecher, die Geschichte spannend, anrührend und interessant zu gestalten. Ich habe die Lesung in nur einer Sitzung genossen, denn ich wollte unbedingt wissen, wie die Geschichte weitergeht. Zwar hat auch die Kürze von lediglich 400 Minuten verlockend gewirkt, aber die Hauptmotivation bezog ich aus dem gekonnten Vortrag des Sprechers. Dass der Text offenbar erheblich gekürzt wurde, störte mich nicht, eher im Gegenteil. Gestrichene Figuren wie König Alfreds Gattin, die Uhtred ablehnt, habe ich nicht vermisst.

Der CD-Box ist ein Einleger beigefügt, der wichtige Informationen liefert: eine Landkarte des damaligen Britanniens und ein Verzeichnis der im Text benutzten Ortsnamen mitsamt ihren heutigen Entsprechungen. So taucht York hier als Eoferwic auf und London als Lundene, einem von sieben möglichen, historisch verwendeten Namen. Die „alten“ Namen stellen also eine Auswahl aus den Quellen dar. Welche Quellen dies waren, wird im Booklet angegeben.

6 CDs mit 400 Minuten.
Info: The Last Kingdom, 2004
Aus dem Englischen übersetzt von Michael Windgassen
www.audiobuch.com

Der Autor vergibt: (4.5/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (2 Stimmen, Durchschnitt: 5,00 von 5)