Björn Larsson – Der Keltische Ring

Die romantische Suche nach einem antiken Schatz mündet für einen unternehmungslustigen aber naiven Seefahrer in lebensgefährlicher Flucht, als er zwischen eine Terroristengruppe stolpert … – „Ein nautisches Abenteuer“ nennt der Verlag diesen Roman, der in der Tat dem Thriller-Element die Schilderung eines winterlichen Segeltörns ebenso meisterhaft wie spannend gleichstellt: eine inhaltlich und sprachlich überdurchschnittliche, zeitlose Lektüre.

Das geschieht:

Im Hafen des dänischen Ostsee-Städtchens Dragør überwintert der dänische Tauchlehrer Ulf Berntson an Bord des Seglers „Rustica“. Obwohl ihn das Fernweh plagt, hat er nie den Mut aufgebracht, tatsächlich auf große Fahrt zu gehen. Auf seiner täglichen Fahrt ins ungeliebte Büro lernt Berntson den Schotten MacDuff kennen, der ebenfalls ein passionierter Segler ist – und ein Geheimnis hütet: Er suche den Finnen Pecca, der mit seinem kleinen Katamaran, der „Sula“, die stürmische winterliche Nordsee befahre; ein gefährliches Unternehmen, zumal Pecca an Bord eine (unbekannte) Frau beherberge.

Berntson erinnert sich an MacDuffs Worte, als die „Sula“ in den Hafen von Dragør einläuft. Neugierig stattet er dem Schiff einen Besuch ab. An Bord findet er Pecca und Mary, die Frau, beide verängstigt und am Ende ihrer Kräfte. Als die Polizei auftaucht, drückt Berntson Pecca das Logbuch der „Sula“ in die Hand und bittet ihn, es verborgen zu halten. Natürlich liest Berntson das Logbuch. Es beschreibt Peccas Seereisen auf den Spuren des „Keltischen Rings“. Berntson hält diesen für ein uraltes Schmuckstück, denn die Kelten herrschten vor 2000 Jahren über beinahe ganz Europa.

Mitten im Winter schickt sich Berntson an, den Spuren Peccas zu folgen. Er bittet einen alten Freund, den belesenen Freigeist Torben, ihn zu begleiten, und sticht in See. Bald merken die eher unbedarften Abenteurer, dass sie sich auf eine gefährliche Mission eingelassen haben. Über Funk erfahren sie von Peccas schrecklichem Ende: Die Polizei fand seine Leiche an Bord der „Sula“ – allerdings ohne Kopf! Mary ist spurlos verschwunden. Erst jetzt findet Torben heraus, dass der „Keltische Ring“ eine obskure Geheimorganisation ist, deren Mitglieder die mystische Pracht und Herrlichkeit des Keltenreiches restaurieren wollen. Dabei schrecken sie vor der Zusammenarbeit mit Terrororganisationen und brutaler Gewalt offensichtlich nicht zurück: Die Kelten waren bekannt und gefürchtet für die (Un-) Sitte, ihren Feinden die Köpfe abzuschlagen.

Berntson und Torben beschließen, die Reise trotzdem fortzusetzen. Nach einer turbulenten Nordseefahrt erreichen sie Schottland. Hier erregen sie durch ihre ungeschickten Nachforschungen die Aufmerksamkeit des „Rings“, können aber Mary finden und retten. Damit haben sie aus Sicht des „Rings“ ihr Todesurteil unterschrieben. Eine Hetzjagd auf Leben und Tod führt abermals über raue See …

Abenteuer und Verschwörung

Mit „Der Keltische Ring“, eine Mischung aus Thriller und Seefahrer-Abenteuer, tritt Autor Larsson in den Fußspuren eines grossen Vorbilds: Robert Erskine Childers (1870-1922) und sein Roman „The Riddle of the Sands“ (1903; dt. „Das Rätsel der Sandbank“/„Das Rätsel von Memmert Sand“) haben sichtlich Pate gestanden für sein Buch. Der schwedische Autor macht daraus gar keinen Hehl und lässt seinen abenteuerlustigen Skipper Berntson selbst über die Parallelen sinnieren.

Larsson ist allerdings nicht Erskine Childers. Lobenswert ist sein Entschluss, eigene Wege zu gehen. Von einer Neuauflage der alten Spionage- und Schmugglergeschichte ist „Der Keltische Ring“ weit entfernt. Wie es sich für einen modernen Thriller gehört, geht es um nichts Geringeres als eine groß angelegte Verschwörung. Das alte Reich der Kelten soll wiedererstehen. Die Idee ist nicht absurder als andere Plots in diesem Genre, und Larsson entwickelt sie recht geschickt.

Der „Keltische Ring“ ist dabei mehr als der berühmte Hitchcocksche „McGuffin“, der als Katalysator die Handlung in Gang setzt und hält, ohne ansonsten von Bedeutung zu sein. Larsson ist bei Recherchen zu dem erstaunlichen Ergebnis gekommen, dass sich mehr als eine Million Menschen zu Verbänden, Orden, Kulten und ähnlichen Gemeinschaften zusammengefunden haben, die sich mehr oder weniger eng an der keltischen Kultur orientieren. Das mag man glauben oder nicht – und sich daran erinnern, dass man hier einen Roman liest.

Aberwitz auf ‚realer‘ Basis

Die Rückschau auf eine scheinbar ‚bessere‘ Zeit, in der die Menschen im vermeintlichen Einklang mit der Natur und ihren diversen Geistern lebten, ist den meisten jener esoterischen Zirkel gemeinsam, die unter dem Eindruck eines angeblichen „New Ages“ wie (Gift-) Pilze aus dem Boden geschossen sind. Praktischerweise haben die echten Kelten darauf verzichtet, ihre Kultur schriftlich niederzulegen, was ihren selbsternannten Nachfolgern – sowie dem Schriftsteller Larsson – die Möglichkeit gibt, das Bild der verschwundenen Vorfahren nach Belieben zu formen: Wer (außer ein paar spielverderbenden Wissenschaftler, auf die niemand hört) könnte ihnen das Gegenteil beweisen?

Larsson nutzt die Chance und extrapoliert die Realität der keltischen Wiedergeburt, indem er für seine modernen Druidenjüngern eine straffe und zentralisierte Führung erfindet, die im Hintergrund die Fäden zieht. Die Realität sieht glücklicherweise anders aus. Die angebliche ‚Bewegung‘ besteht aus tausend Splittergruppen, die einander spinnefeind sind; ohnehin ist jeder Neo-Druidenorden fest davon überzeugt, den alleinseligmachenden Weg zum Heil gefunden zu haben. Aus dieser Ecke ist also keine Gefahr für den Weltfrieden zu erwarten.

Die Hintergrundgeschichte spielt vor der Kulisse eines Segeltörns über die winterliche Nordsee, die in den hohen Norden der britischen Inseln führt. Vielleicht muss man selbst eine solche Fahrt unternommen haben, um tatsächlich würdigen zu können, worauf Larsson die Faszination schöpft, der einem solchen Abenteuer innewohnt. Allerdings gerät das Rätsel des „Keltischen Rings“ dabei über viele Seiten in den Hintergrund des Geschehens. So packend der Kampf der „Rustica“-Crew gegen die Naturgewalten der See ist: Hier gerät die Geschichte aus dem Tritt, weil zwei unabhängige Handlungsstränge nebeneinanderlaufen, ohne wirklich zusammenzukommen.

Etwas wässrige Figuren

Auch mit der Figurenzeichnung liegt einiges im Argen. Wenn der „Keltische Ring“ sich auf die Dienste von Männern verlässt, wie Berntson und Torben sie immer wieder treffen, muss man sich nicht wundern, wieso das ‚neue‘ keltische Reich so lange auf sich warten lässt. Da müssen potenzielle Opfer schon aus Leibeskräften „Hierher!“ brüllen und dazu ein Feuerwerk abbrennen, bevor die angeblich so gefährlichen Druidenkrieger in der Lage sind, ihre Spur aufzunehmen.

Mary, die somnambule Hohepriesterin, die nie genau weiß, ob sie sich nun opfern lassen will oder lieber nicht, passt gut in dieses Bild. Wie sie es schafft, zunächst Pecca und später MacDuff in ihren Bann zu ziehen, bleibt rätselhaft; anscheinend haben die Kelten doch etwas von Magie verstanden. MacDuff ist einer jener Bilderbuchschotten, über die man in den Highlands vermutlich schon lange nicht mehr lachen kann: Zu jedem Stein in seiner geliebten Heimaterde weiß er eine Geschichte zu erzählen, ist schnell wütend aber genauso schnell wieder fröhlich, schneidet gern auf, trinkt seinen Whisky (ohne „e“), ist mutig und verflucht die Briten, weil sie vor zweihundert (oder fünfhundert oder tausend) Jahren ins gelobte Land seiner Ahnen einmarschiert sind; einen Dudelsack hat er seltsamerweise nicht an Bord.

Larsson kennt sich mit der Segelschifffahrt aus. Wie Ulf Berntson lebte er (zumindest im Sommer) auf einem Segelboot in Dänemark, als er sein Buch schrieb; es trug – wie könnte es anders sein – den Namen „Rustica“ trägt. Larsson hat sich seine Brötchen früher als Tauchlehrer verdient, und die winterlichen Gewässer Irlands und Schottlands sind ihm bekannt. Ende der 1980er Jahre verbrachten er und seine Frau dort ein ganzes Jahr auf besagter „Rustica“. Kein Wunder, dass ihm diese Passagen seines Romans quasi aus der Feder flossen!

„Der Keltische Ring“ ‚outet‘ sich in diesen Punkten als typisches Erstlingswerk: zu viele Erklärungen und ‚Atmosphäre‘, zu wenig Stringenz und innere Logik. Nichtsdestotrotz überträgt sich auf den Leser, was Larsson ihnen vor allem vermitteln wollte – die Präsenz einer Art Gegenwelt, die sich auch dem modernen Menschen auf hoher See eröffnet. Die Lektüre lohnt sich deshalb auch (oder gerade) für Landratten!

Autor

1953 wurde Björn Larsson in Mittelschweden geboren. Nach seiner Schulzeit im südschwedischen Jönköping ging er 1968 für ein Jahr an eine Highschool in Arizona. Sobald Larsson seine Prüfungen absolviert hatte, siedelte er nach Paris um. Dort blieb er vier Jahre, lernte die französische Sprache und begann ein (Fern-) Studium, das er 1988 mit einer Promotion über die Autorin Simone de Beauvoir abschloss.

Larsson wurde als Assistent und später Professor für Französische Sprache und Literatur an die Universität Lund berufen. Schriftstellerisch wurde er erstmals 1980 mit einer Sammlung von Kurzgeschichten tätig. Sein Romandebüt wurde 1992 „Der Keltische Ring“, eine Mischung aus Seefahrer-Abenteuer und Thriller. Mit der fiktiven Lebensgeschichte des einbeinigen Piratenkochs „Long John Silver“ aus Robert Louis Stevensons unsterblichem Klassiker „Die Schatzinsel“ gelang Larsson 1995 endgültig der internationale Durchbruch. Dem Meer blieb Larsson, auch in weiteren Romanen treu: „Träume am Ufer des Meeres“ (1997) vermischt Seefahrer-Romantik mit phantastischen Elementen, während der Autor in „Der böse Blick“ (2004) und „Was geschah mit Inga Andersson?“ (2006) das Spannungselement in den Vordergrund schob. Seine Freizeit verbringt Larsson weiterhin segelnd und veröffentlicht seine entsprechenden Erlebnisse als Reiseberichte.

Taschenbuch: 384 Seiten
Originaltitel: Den Keltiska Ringen (Stockholm : Albert Bonniers förlag 1992)
Übersetzung: Jörg Scherzer
http://www.unionsverlag.com

E-Book: 4489 MB
ISBN-13: 978-3-293-30954-8
http://www.unionsverlag.com

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