Ben Bova – Saturn

Weltraumhabitate, kryonischer Schönheitsschlaf, fundamentalistische Weltregierungen, Nanotech und bizzarre Kristallringe … Das neue Werk Ben Bovas auf dem Weg durch unser Sonnensystem – nach den Erfolgen „Mars“, „Jupiter“ und „Asteroidenkrieg“ nun der Sprung zum Saturn. Kann diese Reise erfolgreich sein?

Der Autor

Ben Bova wurde 1932 in Philadelphia geboren und ist einer der bekanntesten Science-Fiction-Autoren unserer Zeit. In Philadelphia studierte er Journalismus und wurde Redakteur mehrerer wissenschaftlicher Zeitschriften, die sich dem Raumflug widmeten. In seinen Geschichten vorhersagte er einige technische Entwicklungen, wie solarbetriebene Satelliten oder die Entstehung internationaler Friedenstruppen. Vor allem mit seiner Reihe um die Planeten unseres Sonnensystems feierte er große Erfolge. Er lebt mit seiner Familie in Florida. Er ist emeritierter Präsident der |National Space Society| und ehemaliger Vorsitzender der Vereinigung amerikanischer Science-Fiction- und Fantasy-Autoren. 1996 verlieh ihm die |California Coast University| einen Doktorgrad in Erziehungswissenschaften.

Inhalt

Susan Lane ist eine naive junge Frau, die trotz ihres kalendarischen Alters von über vierzig Jahren körperlich und geistig noch in den |tweens| steckt – sie erkrankte auf der Erde an Krebs und wurde von ihrer Schwester injektiv getötet und in flüssigem Wasserstoff gefroren, in der Hoffnung, ihr später helfen zu können. Tatsächlich wird sie geheilt. Nun verfügt sie über ein fotografisches Gedächtnis, aber über keine Erinnerungen aus ihrem ersten Leben.

Das Habitat |Goddard| ist auf dem Weg zum Saturn, vordergründig, um das Saturn-System wissenschaftlich zu erforschen. Im Hintergrund ziehen aber ganz andere Organisationen als das wissenschaftliche Komitee die Fäden: Auf der Erde etablierten sich nach den großen Klimakatastrophen drei neue Regierungsformen, die aus den großen irdischen Religionen hervorgingen und nun uneingeschränkt über die Erde herrschen. |Das Schwert des Islam| im Orient, |Die Jünger Gottes| und |Die neue Moralität| teilen sich den Rest. Die beiden letzteren Organisationen sind die heimlichen Hauptfinanzierer der Saturn-Mission; ihr Interesse daran ist einfach: Fernab von der Erde soll ein ebenfalls fundamentalistisches Regime aufgebaut werden, um die armen Seelen zu retten.

Die Bevölkerung Goddards besteht aus Freidenkern und Säkularisten, die auf der Erde in Ungnade fielen und aus religiösen Gründenverurteilt wurden. Sie sehen ihre Chance in der Mission, unabhängig von irdischer Vormundschaft leben zu können. Nur der Verwaltungsleiter des Habitats, Professor Wilmot, kennt die wirkliche, hinter allem stehende Aufgabe: Es soll ein Laborversuch mit menschlichem Material sein! Doch auch er weiß nicht, welche Bestrebungen die irdischen Geldgeber über eine kleine eingeschleuste Gruppe fanatischer Fundamentalisten verfolgt.

Susan Lane, intelligent, aber blauäugig verliebt in den hinterhältigen Malcolm Eberly, gerät unwillentlich zwischen die Fronten. Und der Mord an Don Diego war der einzige Fehler …

Kritik

Don Diego, der väterliche, alte Spanier – einziger Freund bis dato von Susan Lane, die sich Holly nennt. Malcolm Eberly, von der |neuen Moralität| aus dem Gefängnis geholt für den Auftrag, eine religiöse Regierung zu etablieren; er ist herzlos und berechnend. Professor Wilmot, Leiter des Habitats, lässt sich fasziniert die Kontrolle aus den Händen nehmen und beobachtet seine |Laborratten|. Oberst Kananga, brutaler Sicherheitschef des Habitats und darauf aus, die absolute Kontrolle ausüben zu können. Frau Rosenthau, heimlicher Spion der |Moralität| und lenkende Macht im Hintergrund. Und schließlich Holly, die sich von Malcolm einwickeln lässt und nicht bemerkt, dass sie sich zum Werkzeug der Intrige macht.

Was sind das für Charaktere? Bova versteht es, die Ränke und Eigenheiten deutlich zu machen, indem er den Blickwinkel zwischen den Figuren wechselt, so dass man beispielsweise sieht, wie sich Eberly und Wilmot gegenseitig beeinflussen und jeder den anderen verachtet und für dumm hält. Auch die Entwicklung der Wahlkampagne ist gut dargestellt; die Leute im Habitat interessieren sich größtenteils nicht für politische Entwicklungen. Trotzdem wirkt einiges konstruiert. Der Unfall bei der Treibstoffübernahme. Er bringt zufällig eine Hauptperson ins Spiel. Oder der Stuntman Gaeta. Der strahlende Held, vordergründig Macho, aber mit weichem Kern. Klar, dass er die Entscheidung bringt. Die Nanotech-Expertin. Sie konnte nicht von vornherein an Bord sein, da sie auf der Erde – trotz Nobelpreis – geächtet war. Also stieß sie erst bei Ceres dazu.

Einsame Spitze ist aber Holly Lane. Glücklicherweise scheint sie in ihrem ersten Leben diverse Kampfsportarten trainiert zu haben, denn wo es hart auf hart kommt, verliert sie plötzlich ihre Naivität und wird zum Kämpfer. Das ist vor allem darum so auffällig, da sie als Hauptfigur den ganzen Roman begleitet und ihrer Rolle als verliebtes, ausgenutztes Mädchen sehr gerecht wird. Und was wäre passiert, wenn Professor Wilmot nicht sein kleines Laster mit den Sado-Maso-Pornos hätte?

Interessant ist der Aspekt der religiös-fanatischen Weltregierung, die ihre Macht auch auf das Habitat ausweiten möchte. Doch da es dort ohne die kleinen psychologischen Sticheleien durch Eberly gar keine anderen Ambitionen gegeben hätte, wirkt die ganze Entwicklung, die sich eigentlich nur um Eberly’s Probleme, die Führung zu übernehmen, dreht, etwas schal. Er brauchte eine Mehrheit, da sich aber niemand interessierte, musste er Gegenspieler aufbauen. Die dann dankbar waren, den Wahlkampf zu verlieren.

Außerhalb dieser internen Schwierigkeiten versucht der Stuntman, einen spektakulären Flug im Raumanzug durch die Saturn-Ringe zu inszenieren. Und hier kommt über höchstens ein Kapitel ein faszinierender Gedanke ins Spiel, dem Bova wahrlich hätte mehr Aufmerksamkeit schenken sollen: Neben dem bakteriellen Leben auf Titan sind die rätselhaften, da dynamischen Ringe des Saturn anscheinend |Tiefsttemperatur-Lebewesen|!

_Fazit_

Der Roman liest sich schnell, aber bis auf die Idee der Saturn-Lebewesen ist er ebenso unerheblich. Der Schwerpunkt ist unglücklich gewichtet, denn die hervorgehobene Darstellung interessanter Charaktere und menschlicher Schwächen wirkt hier konstruiert. Als leichte Unterhaltung ist der Roman aber allemal geeignet.