Andreas Brandhorst – Das Artefakt

Der Buchrücken verspricht wie eigentlich bei jedem seiner Romane „Brandhorst schreibt Space-Operas, wie man sie sich nur wünschen kann“ – so zitiert man dort Wolfgang Hohlbein. Der Titel ist immerhin so nichtssagend, dass man einfach den Haufen Geld für das aufgeplusterte Trade-Paperback hinlegen muss oder es eben sein lässt.

Andreas Brandhorst schreibt zahlreiche Übersetzungen und tritt seit seiner Kantaki-Serie nun auch verstärkt als Autor in Erscheinung. Man kann sagen, er ist der einzige deutsche Schriftsteller, der regelmäßig Space-Operas bei einem großen Verlag unterbringt. Was durchaus auch für den Unterhaltungswert seiner Romane spricht.

Die Geschichte beginnt mit der Wiedererweckung Rahil Tennerits, eines Missionars der „Ägide“, der während seiner wichtigsten Mission den Tod fand. Nun gibt es mehrere Probleme: Tennerits „Image“ ist fehlerhaft und zu alt, so dass er sich nicht an die Geschehnisse seines Todes, noch an die Einzelheiten seiner Mission erinnert. Die Raumstation, auf der er erweckt wird, ist menschenleer und wird von unbekannten Aggressoren heimgesucht, so dass Tennerit überstürzt aufbrechen muss, ohne sich vorbereiten zu können. Und seine Mission ist entscheidend für den weiteren Weg der Menschheit, denn die Hohen Mächte stehen vor der Entscheidung, die Menschheit an ihrem Wissen teilhaben zu lassen oder sie endgültig auszuschließen.

Für Tennerit beginnt eine irre Reise durch die Galaxis, immer knapp vor ominösen Verfolgern her, auf einer unmöglich anmutenden Mission und mit einer Vergangenheit belastet, die ihn stückweise einholt und auf einen Entscheidungspunkt zustrebt, der zugleich die Entscheidung für die Menschheit bringt.

Es ist eine typische Vorgehensweise, mitten in einer prekären Situation zu starten und die Hintergründe nach und nach aufzudecken. Typisch für Brandhorst ist außerdem, die Protagonisten mit einer ausschlaggebenden Vergangenheit auszustatten und über Schlaglichter in die Vergangenheit einzutauchen, um die Ursache für eine Wirkung aufzuzeigen, die schlussendlich die Entscheidung, die Wendung der Geschichte, dominiert. Das Ganze bettet er in eine spannende Verfolgungsjagd, über deren Verlauf man die Situation der Jetztzeit erfährt und im Fall einer neuen Weltenschöpfung die Gegebenheiten kennenlernt. Dadurch benötigt Brandhorst ein paar Seiten mehr, bis er zum Punkt kommt, doch das verleitet ihn zum Glück in diesem Roman nicht zu weitschweifenden Texten, wie dies in anderen heute üblichen Romanen im Ziegelsteinformat praktiziert wird.

Im Gegenteil liest sich „Das Artefakt“ zügig und durchweg flüssig, auch wenn sich die sich wiederholenden Situationen, aus denen der Protagonist keinen Ausweg zu haben scheint, mit der Zeit sammeln und die Spannung dann nicht mehr durch die Frage danach, ob, sondern höchstens wie überlebt wird, erzeugt wird.

Die Intrigen der Hohen Mächte untereinander und die Ursachen dafür liefern ein ganz eigenes interessantes Spannungsfeld, das auch ganz in typischer Souveränität von Brandhorst erzeugt wird. Spürbar ist hier ein erfahrener Erzähler am Werk, der bei diesem großformatigen Weltenspiel auch den „Sense of Wonder“ nicht vergisst.

Leider ist ein recht wichtiger Aspekt der Auflösung etwas konstruiert: Die Macht und die Fähigkeiten des Vaters Tennerits, der sich eigentlich von den höheren Zivilisationen abkapselte, kommen etwas plötzlich zum Tragen und haben größeren Einfluss auf das Geschehen als glaubwürdig wäre. Immerhin schaffen es die Ereignisse, ihn schließlich doch nur als Strohfigur im Spiel der intriganten Mächte zu entlarven.

Die technischen Aspekte bringen einige interessante Anwendungen von bekannten Vokabeln ein, innovative Neuerfindungen zeigen sich nicht. Doch aus dem mittlerweile ausgefeilten und umfangreichen Vokabular der Science-Fiction filtriert Brandhorst ein abgestimmtes, rundes Element für dieses Universum. So fällt es einem Science-Fiction-Fan leicht, sich in den Begrifflichkeiten zurechtzufinden, und auch der Neuling findet keine unüberwindbaren Barrieren.

So bleibt die Frage: Lohnt sich der Kauf oder lohnt er sich nicht? Hier gibt es kein einfaches Ja oder Nein zu nennen, denn da hinein zählt auch der Aspekt der Aufblähung durch das Format. Typischerweise erscheint ein erfolgreiches Tradepaperback bei |Heyne| in recht naher Zukunft auch als Taschenbuch, so dass es sich auch lohnen kann, noch etwas zu warten. Inhaltlich gesehen bekommt dieser Roman aber ein klares Ja, denn er bietet flotte Unterhaltung, ein interessantes Setting, eine unprofane Lösung und ein stimmiges Gesamtbild. Zwischen den deutschen Genreveröffentlichungen des Jahres wird „Das Artefakt“ mit Sicherheit einen guten Platz belegen.

Tradepaperback, 656 Seiten
ISBN: 978-3-453-52865-9

ORIGINALAUSGABE
Leseprobe
www.heyne.de

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