Libba Bray – Kartiks Schicksal (Der geheime Zirkel 3 – Hörbuch)

Trilogie-Finale: Entscheidungsschlacht in der Winterwelt

England anno 1894: Die 16-jährige Gemma wird auf der „Spence-Akademie“ zur heiratsfähigen jungen Dame erzogen. Um dem strengen Schulalltag zu entkommen, gründet sie mit ihren Freundinnen einen geheimen Zirkel. Als die Mädchen das Tagebuch einer ehemaligen Schülerin finden und darin lesen, wird Gemma von unerklärlichen Visionen heimgesucht, die sie in das magische REICH entführen.

Das REICH ist wunderschön und von großer Anziehungskraft, so dass auch Gemmas Freundinnen Felicity, Ann und Pippa Zutritt begehren. Nur Gemma als Vermittlerin kann ihnen den Übergang ins REICH gestatten. Als die Lehrerin Miss Moore das Tagebuch einer früheren Schülerin findet, erfährt Gemma, welche Rolle sie für das REICH spielt: Sie ist die Gebieterin. Doch ihre Widersacherin ist Circe, die Zauberin.

Band 2:

Inzwischen ist Gemma 17 Jahre alt und schon in heiratsfähigem Alter. Nach dem Verschwinden Pippas im REICH und Gemmas Zerschlagen der Runen ist das Gleichgewicht des REICHES zerstört, die Magie ist frei und für jeden Missbrauch empfänglich. Zusammen mit ihren Freundinnen und Miss Moore versucht Gemma, das Gleichgewicht wiederherzustellen, indem sie den Tempel aufsucht und die Magie erneut bindet.

Doch der geheimnisvolle Orden der Rakshana und der weibliche Orden des aufgehenden Mondes trachten danach, dass Gemma die Magie für ihre jeweils eigenen Zwecke bindet. Gemma muss sehr viel lernen, um die richtige Entscheidung treffen zu können. Unterdessen versucht Circe, sie im REICH zu täuschen und zu Fall zu bringen, bevor sie den Tempel erreicht. Doch wer ist diese Zauberin überhaupt? Gemma unterläuft ein folgenschwerer Irrtum.

Band 3:

Gemma hat Circe gebannt, und dennoch dauern ihre Visionen an. Eine geheimnisvolle Frau lässt ihr darin verschlüsselte Botschaften zukommen. Auch die verstorbene Eugenia Spence versucht, auf diese Weise mit ihr in Kontakt zu treten. Gemma verschließt sich den Botschaften. Doch die Visionen werden immer drängender, und als die Rakshana-Sekte Gemmas Bruder Tom in ihren Kreis aufnimmt, hat sie keine Wahl mehr: Sie muss in die magische Winterwelt reisen und das Gleichgewicht des Reiches wiederherstellen. Eugenia Spence verspricht, ihr zur Seite zu stehen. Doch kann Gemma ihr vertrauen?

Die Autorin

Libba Bray, geboren 1964 in Alabama/Texas, schreibt Theaterstücke, Romane und Kurzgeschichten. Ihr erster Roman „Der geheime Zirkel – Gemmas Visionen“ sowie dessen Fortsetzungen sind in den USA laut Verlag sehr erfolgreich. Die Autorin lebt mit ihrer Familie in Brooklyn / New York.

Der Gemma-Zyklus:

1) Gemmas Visionen
2) Circes Rückkehr
3) Kartiks Schicksal

Libba Bray auf |Buchwurm.info|:

1) Gemmas Visionen
2) Circes Rückkehr
3) Kartiks Schicksal

Sprecherin & Produktion

Julia Nachtmann, geboren 1981 in Filderstadt bei Stuttgart, absolvierte von 2001 bis 2005 ihr Schauspielstudium an der Hochschule für Musik und Theater in Hamburg. Nach Gastspielen am Volkstheater München, am Nationaltheater Weimar, am Schauspielhaus Stuttgart und einem Engagement am |Thalia Theater Hamburg| gehört sie seit 2005 zum Ensemble des Schauspielhauses Hamburg. Sie tritt außerdem in TV-Produktionen auf. Julia Nachtmann erhielt den Boy-Gobert-Preis der Körber-Stiftung. Sie lebt in Hamburg und liest eine von Anke Thiemann bearbeitete Audiofassung.

Regie führten Uticha Marmon, Jonas Engelke und Jens Kronbügel. Den Ton steuerten Jonas Engelke und Jens Kronbügel. Die Aufnahme fand im |WunderWelt Studio|, Hamburg, statt.

Handlung

London im Jahr 1893. Auf der Themse suchen Männer mit ihren Booten nach Verunglückten, die in den Fluss gefallen sind, um sie auszuplündern. Archie und Rupert finden die treibende Leiche einer Lady, die ein feines Kleid und eine Halskette trägt. Der Anhänger sieht aus wie ein Auge mit einem Halbmond darin. Sie wissen es nicht, aber es ist das Zeichen eines geheimen Ordens der Magie. Archie entdeckt in der Hand der Toten einen Zettel mit der mysteriösen Botschaft: „Der Baum aller Seelen lebt.“ Rupert wirft die Leiche wieder ins Wasser, worin sie versinkt.

März 1896, die Spence-Akademie nahe London

Gemma ist inzwischen fast 17 Jahre alt, aber der höfische Knicks fällt ihr immer noch schwer. Wie gerne wäre sie wieder im magischen Reich, wo hoffentlich alles in Ordnung ist. Sie macht sich Sorgen, denn sie ist die Einzige, die über die Magie dort gebietet, und das hat ihr viele Anfeindungen verschafft. Nur die treue Asha und die wahrheitsliebende Medusa mit dem Schlangenkopf scheinen dort zu ihr zu halten.

Auch ihre Freundin Felicity ist erpicht darauf, ihre ehemalige Freundin Pippa wiederzusehen, die nun über einen Anhang von früheren Fabrikmädchen verfügt. Doch nur Gemma kann das Tor ins Reich öffnen. Sie muss die Magie vor dem Orden der Rakshana und früheren Mitgliedern des Orden des aufgehenden Mondes verteidigen. Wenigstens konnte Gemma die Zauberin Circe, die über die Winterwelt im REICH gebietet, entmachten. Doch Circe ist nicht tot, wie sie entdecken muss, als sie mühsam versucht, das Tor zu öffnen.

Träume und Visionen von drei Frauen suchen Gemma heim. Miss Moore, ihre verstorbene Freundin, versichert ihr, dass es ein anderes Tor gebe. Auch Eugenia Spence, die Gründerin der Akademie und verstorbene Hohepriesterin des Orden des aufgehenden Mondes, lockt sie zu sich ins REICH. Die letzte Stimme gehört einer jungen Frau, die ihr viele Szenen zeigt, so etwa von einem großen Baum und einem Dolch: „Wir sind verraten; der Baum aller Seelen lebt, und du bist die einzige, die uns retten kann.“

Nachdem Gemma das neue Tor ins REICH benutzt hat, finden sie, Felicity und Ann Bradshaw das Land beunruhigend verändert vor. Vieles ist im Verfall begriffen, und sie machen sich schleunigst ans Werk, um der Schönheit und Fülle wieder zu ihrem Recht zu verhelfen. Mit etwas Mühe finden sie auch Pippa und ihre Fabrikmädchen, doch Pippa hat an Gemma eine Bitte, von der Felicity nichts erfahren darf: Sie will endlich hier weg und endgültig ins Jenseits. Bei einem späteren Besuch hilft Gemma Pippa, auf den Grenzfluss zum Jenseits zu fahren, doch durchschwimmen muss Pippa ihn alleine. Ihre Freundin scheitert und droht zu versinken. Offenbar wurde ihr das Überqueren nicht erlaubt. Die Medusa erklärt, dass Pippa Beeren vom REICH gegessen habe und nun hierbleiben müsse. Pippa ist verbittert und sinnt auf Vergeltung.

Bei ihrer treuen Asha schaut Gemma wieder mal in den Brunnen der Ewigkeit und erblickt zu ihrer Bestürzung Circe. Die Zauberin ist doch nicht tot! Sie warnt Gemma vor einem Komplott, das der Orden gegen sie, die Hohepriesterin der Magie, schmiede. Wem kann sie noch trauen? Die Medusa erinnert Gemma daran, dass das Waldvolk der Zentauren unter Philon schon lange um ein Bündnis der Magie gebeten habe, und Gemma ist auch gewillt, die Magie zu teilen, aber noch nicht jetzt. Und dieses Zögern wird sie sehr viel kosten.

April 1896, Spence und London

Kartik, der Zigeunerjunge, den Gemma insgeheim immer noch liebt, ist wieder in der Gegend. Zuerst läuft er ihr beim Fahrradfahren – eine brandneue Erfindung – in den Weg, dann auf einem Jahrmarkt am Fluss. Er schließt eine Heuer auf einem Dampfer ab, der ihn in sechs Wochen zurück in seine Heimat Indien bringen soll. Er lehnt ihre Einladung ab, mit ihr ins Reich zu kommen. Will er nichts mehr von ihr wissen, fragt sich Gemma. Hat er noch mit den Rakshana zu tun, oder warum haben sie ihn gehen lassen?

Der Fluch

Bei den Bauarbeiten zur Restaurierung des vor 25 Jahren abgebrannten Ostflügels und seines Turmes kommt ein uralter Stein zum Vorschein, bei dessen Anblick die alte Zigeunerin Elena sich bekreuzigt und prophezeit: „Der Fluch wird über uns alle kommen!“ Der Tag ist nahe, an dem sich dies bewahrheiten wird. Erneut lehnt Gemma die Forderung von Philons Waldvolk-Zentauren ab, die Magie mit ihnen zu teilen. Dass sie diese im gleichen Atemzug mit Felicity teilt, ist in den Augen des Waldvolks der endgültige Beweis dafür, dass Gemma in Wahrheit gar keine Hohepriesterin ist, sondern überhaupt keine Kontrolle hat. Sie verteilt Magie nach Lust und Laune. Eines Tages wird sie sie der Falschen geben. Und so kommt es auch.

Teufelspakt mit Circe

Um herauszufinden, was mit der Magie passiert ist und was es mit dem Komplott auf sich hat, kontaktiert Gemma am Brunnen der Ewigkeit Circe. Doch die verlangt einen Preis für ihre Auskunft. Dreimal darf man raten, um was es sich handelt: Magie. Gemma gewährt sie ihr widerwillig und erfährt nur wenig Neues. Doch Ashas Volk hat Angst: Etwas Schlimmes bahnt sich an. Gemmas verstorbene Freundin Miss Moore ermahnt sie, sie soll in die dunkelsten Winkel ihres Ichs schauen, um mehr über die Natur der Magie zu erfahren. Denn die Magie habe ihren Preis.

Kartik erzählt ihr, er habe von seinem Bruder Amar geträumt. Er sei ein Ungeheuer, das er nie einholen könne, bis er an einen kalten Ort (die Winterwelt) gelangt, an dem Gemma zu finden sei. Dort sterbe Gemma. Erneut lehnt Kartik ihre Einladung, ins REICH zu kommen ab. Sie werden von einem Raben beobachtet, der ins REICH verschwindet. Pippas Elfen triezen Gemma: Wie könne sie überhaupt im ganzen REICH herrschen, wo sie doch bloß die Hälfte davon kenne? Sie war ja noch nie in der Winterwelt, wo der Baum aller Seelen auf sie warte …

Düstere Warnungen

In London entdeckt Gemma endlich, wer es ist, der ihr ständig vom Baum der Seelen und dem Dolch Visionen schickt: Wilhelmina Wyatt, einst eine verwaiste Schülerin der Spence-Akademie und Nichte von Eugenia Spence, der Gründerin. Die Autorin des Buches „Die Geschichte der Geheimbünde“ hat offenbar einen schrecklichen Plan aufgedeckt, das REICH zu vernichten oder, noch schlimmer, den Wesen des REICHes einen Weg in unsere Welt zu bahnen. Aus Furcht vor ihrer „Schwester“ (sie meinte wohl Eugenia) habe Mina Kokain genommen.

In Minas Buch, das Gemma & Co. (in Band 2) gekauft haben, findet Gemma mehrere rätselhafte Bilder, die gar nicht zum Text passen. Sie entdeckt, dass es sich um Bilderrätsel handelt, aber sie braucht lange, um ihre Bedeutung zu enträtseln. Was mag es wohl mit dem Wasserspeier auf sich haben, der als „Wächter der Nacht“ bezeichnet wird? Von Minas ehemaligem Arbeitgeber, einem Bühnenzauberer, ersteht sie Minas Schiefertafel, auf der die Stumme stets schrieb. An der Tafel scheint nichts Ungewöhnliches oder Verstecktes zu sein. Erst später findet sie, was darin verborgen ist …

In die Winterwelt

Als sie wieder eine Vision von Mina hat, die einen Dolch gegen Eugenia Spence erhebt, weiß Gemma, dass es an der Zeit ist, in die Winterwelt zu gehen, wo die schrecklichen Wesen lauern, die Gemma und Kartik bereits kennengelernt haben: die Klatschmohnkrieger, die Todesschergen, den schrecklichen Jäger Amar, die Untoten – und natürlich Circe. Circe ist es auch, die ihr im Austausch für mehr Magie den Weg in die Winterwelt beschreibt. Gemma und ihre Freundinnen müssen eine Prüfung bestehen, bevor sie eingelassen werden.

Die Winterwelt ist grausiger, als es sich die Mädchen je ausgemalt hätten, aber endlich erblickt Gemma dort den Baum aller Seelen. Die Esche beherbergt eine alte Bekannte aus Gemmas Träumen …

Mein Eindruck

In der Folge steigern sich die Ereignisse an Dramatik. Kartik will stets wissen, wie es seinem toten Bruder Amar geht, und Gemma verrät ihm schließlich, dass Amar zu einem Anführer der Krieger der Winterwelt geworden ist und eigene Magie ausübt. Sie bringt Amar beispielsweise Menschen aus unserer Welt in die Winterwelt, um sie dem Baum der Seelen zu opfern, der dadurch immer machtvoller wird.

Da die Magie des Baumes ihre eigene zunehmend beeinträchtigt und ihre Freundinnen gefährdet, muss es zu einer Entscheidung kommen. Doch Gespräche führen bekanntlich zu nichts. Gemma muss als Herrin des REICHes ihre Widersacher wie etwa Philon bekehren und auf ihre Seite ziehen, bevor sie es mit Amar und dem Baum aufnehmen kann. Auch Kartik zieht mit Gemma in die finale Entscheidungsschlacht, in der die Zauberinnen an Gemmas Seite große Opfer bringen müssen. Es kommt zu einem sehr tragischen Höhepunkt – siehe den Titel. Doch ob sie schlussendlich die Oberhand behalten, soll hier nicht verraten werden. Wer also ab und zu einen geflügelten „Wächter der Nacht“ oder einen Todesschergen sichtet, braucht sich nicht zu wundern …

Im Grunde geht es nun für Gemma darum, ihre ihr mehr oder wenig zufällig per Vererbung zugefallene Herrschaft über das REICH gegen diverse Widersacher zu verteidigen. Die wichtigste Rivalin ist die Herrin über den Baum der Seelen, der sie selbst Macht verliehen hat. Wenn Gemma ihre Herrschaft behalten will, muss sie die Vergangenheit besiegen – darauf läuft alles hinaus. Dieser Sieg bedeutet auch den Schutz unserer Welt vor den Wesen der Winterwelt und wilden Jägern wie Amar. Die Logik der traditionsreichen Heldengeschichten verlangt, dass sie dabei ein großes Opfer bringt – das ist der Preis für ihre Herrschaft. Nur dann ist das Gleichgewicht wieder hergestellt und ihre Macht legitimiert. Denn das Maß der Magie ist eines Menschen Maß.

Langatmig

Dieser Band ist im Original äußerst umfangreich, und so verwundert es nicht, wenn die Geschichte fast keinen Schluss mehr finden will. Auch im Hörbuch ist die Geschichte langatmig, voller Rätsel und schrittweiser Entwicklungen. Wer soll da noch den Überblick behalten? Das geht nur, wenn man wie ich Notizen anfertigt. Ich weiß nicht, ob das Buch ein Personenverzeichnis enthält, aber im Booklet des Hörbuchs fand ich jedenfalls keines. Zum Glück ist der Personenkreis auf etwa ein Dutzend begrenzt. Das ist, wie sich erweist, mehr als genug.

Was mich besonders nervte, was das ständige Hin und Her zwischen unserer Welt mit den zwei Zentren Spence-Akademie und London sowie dem REICH, das selbst wiederum mehrere Zentren hat. Es herrscht zwar jede Menge Bewegung, aber häufig fragte ich mich, ob die immer nötig ist. In Realzeit vergehen nur etwa über vier Wochen, und doch kommen sie einem am Schluss so lang vor wie ein halbes Jahr.

Lektionen?

So manche junge Leserin mag sich fragen, ob das Erwachsenwerden wirklich so langwierig ist, wie es bei Gemma abzulesen ist. Gemma sehnt sich nach der Liebe mit Kartik und bekommt sie auch, doch gleichzeitig muss sie auch ihre Herrschaft des REICHes aufrechterhalten, um Schlimmes zu verhindern, das hier wie dort aus der Winterwelt droht. Kann sie wirklich durch das ganze Hin und Her zur Frau werden, ist vielleicht eine der Grundfragen des Buches, aber wenn Erwachsenwerden in Opferbereitschaft und der Übernahme von Verantwortung besteht, ist das zwar eine wichtige Lehre für junge Damen der Spence-Akademie, aber vielleicht keine so lustige für die junge Leserin.

Die Sprecherin

Julia Nachtmann verfügt über eine junge, aber nicht mädchenhafte Stimme, die sie energisch erheben, aber auch zu einem Flüstern senken kann. Besonders die Direktorin des Internats, eine Dame mit dem bezeichnenden Namen Nightwing (= Nachtflügel), klingt äußerst befehlshaberisch und duldet keinen Widerspruch. Auch Miss McChenmine hat einen herrischen Ton an sich, der zugleich etwas roboterhaft und einstudiert klingt.

Nur Felicity, das mutigste Mädchen des geheimen Zirkels um Gemma Doyle, kann ihr das Wasser reichen. Alle anderen Mädchen sind weitaus zurückhaltender und drücken sich zaghafter aus. Dies geht bis hin zu einem Stottern der armen Ann Bradshaw. Das zischende Flüstern Circes „Komm zu uns!“ ist sicherlich nicht als Zeichen von Zaghaftigkeit zu mißdeuten. Wirklich im Gedächtnis bleibt mir die Stimme der Medusa, rau, tief und heiser, so dass ich mich wunderte, wie die Sprecherin diese Stimme zustande brachte. In dieser Folge der Trilogie gibt es noch eine Reihe weiterer solcher Figuren mit besonderen Stimmen. Doch sie alle aufzuführen, würde zu weit führen und zu keinen weiteren Erkenntnissen.

Die männlichen Figuren sind recht unterschiedlich gezeichnet. Tom Doyle hat eine tiefe Stimmlage und er redet mit autoritärer Überzeugung. Ganz anders hingegen Kartik, der Hindu aus Bombay. Er spricht zögerlich vor allem, weil er in einer Fremdsprache (Englisch) reden muss. Am schwächsten klingt naturgemäß Gemmas drogensüchtiger Vater, der durch geistige Abwesenheit nicht gerade glänzt. Kartiks zwielichtige Auftraggeber, etwa der Narbengesichtige, sind da von ganz anderem Kaliber und wirken bedrohlich wie Schurkengestalten in einem Dickens-Roman.

Geräusche

Es gibt zwar keine Musik, aber ein einziges Geräusch. Es ist ein tiefes Rumpeln oder Grollen, und es wird stets dann eingesetzt, wenn die Magie Gemmas eine Rolle spielt und sie eine Vision hat. Aber auch im Reich der Magie selbst erklingt dieses Geräusch. Vermutlich soll es so etwas wie eine Gefahr oder Bedrohung signalisieren. Das leuchtet ein, denn an einer Stelle begleitet es das Auftauchen von Circes Ungeheuern.

Unterm Strich

Insgesamt haben mir Story und Buch sehr gut gefallen. Dies ist nicht das übliche Fantasygeschwurbel, sondern eine auf das wachsende Selbstbewusstsein der Hauptfiguren setzende Auseinandersetzung mit Schuld, Vergangenheit und Sterblichkeit. Hier wird nicht weggesehen und die Heldin durch ein literarisches Videogame gejagt, sondern Gemma muss sich innerlich rasch weiterentwickeln, um überleben zu können.

Die Geschichte pendelt, wie ich es gewohnt bin und erwartet habe, ständig zwischen Gemmas eigener Welt und dem REICH hin und her. Dabei muss die Autorin ein wackeliges Gleichgewicht aufrechterhalten, um weder dem REICH ein Übergewicht an Action und Fantasy zu geben, noch den Szenen in London ein Übermaß an historischem Realismus zuzugestehen.

Während Gemma in London Minas Bilderrätsel löst, sieht sie sich im REICH einem an Schärfe zunehmendem Konkurrenzkampf ausgeliefert, der früher oder später in einer Konfrontation enden muss. Doch wer sind ihre Widersacher und womit und mit wem kann sie sie bekämpfen? Das ist die spannende Frage, die man nicht aus dem Auge verlieren darf. Gemma ist im Prozess der Erwachsenwerdens begriffen, bekommt ihre Liebe erwidert, doch der Preis für Liebe und Macht ist hoch, so dass nur ein großes Opfer das Gleichgewicht wiederherstellen kann. Die finale Entscheidungsschlacht ist durchaus packend und tragisch.

Das Hörbuch

Leider dauert es diesmal äußerst lange, bis dieser Höhepunkt erreicht ist. Das ist vielleicht für viele Hörer zu lange, um noch interessiert zu bleiben. Die Sprecherin Julia Nachtmann gestaltet die Handlung jedoch mit energischer und flexibel eingesetzter Stimme, um den Hörer so bei der Stange zu halten. Besonders gelungen ist ihre Charakterisierung der vier Freundinnen, die ins REICH gelangen: Gemma, Felicity, Ann Bradshaw (der eine ganze, sehr humorvolle Nebenhandlung gewidmet ist) und die unglückselige Pippa.

Besonders beeindruckt hat mich ihr perfekte Beherrschung des Französischen, die sie mehrfach unter Beweis stellt. Es wäre schön, wenn sie ihr Talent noch mehr in Richtung Charakterisierung von Einzelpersonen ausbauen würde, denn noch sind ihre Figuren recht typisiert. Aber diese Typen passen zumindest genau in die viktorianische Ära.

Das Geräusch, das mehrmals zu hören ist, um Gefahr und Magie zu signalisieren, wird nur hinsichtlich der Lautstärke variiert, was ich wenig gelungen finde. Sicherlich stand der Aufnahmeleitung noch eine breitere Palette von Toneffekten zur Verfügung, oder?

Originaltitel: The sweet far thing, 2007
Aus dem Englischen übersetzt von Ingrid Weixelbaumer
568 Minuten auf 8 CDs
ISBN-13: 978-3-8337-2199-1

http://www.libba-bray.de
http://www.jumboverlag.de

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