Dan Brown – Sakrileg

Sakrileg (US-Titel: „The Da Vinci Code“) ist der neueste Thriller des durch „Illuminati“ bekannt gewordenen Autors Dan Brown. Wie bereits in seinem Bestseller spielt der Symbologie-Professor Robert Langdon die Hauptrolle. Er wird nichts ahnend von der französischen Polizei in den Louvre zitiert, der Museumsdirektor Jacques Saunière wurde dort ermordet aufgefunden.

Bevor dieser an einem Bauchschuss verstarb, konnte er einige merkwürdige Hinweise geben: So liegt er in seltsamer Pose nackt in einem aus Blut gezeichneten Kreis, ein Pentagramm ist auch vorhanden und folgendes seltsame Gedicht:

13-3-2-21-1-1-8-5
O, Draconian devil!
Oh, lame saint!

Langdon ist nicht so ganz klar, was das alles bedeuten soll. Erst als Sophie Neveu, die Enkeltochter des Ermordeten und Codeknackerin bei der französischen Polizei, beim Tatort eintrifft, wird ihm klar, was gespielt wird. Sie zeigt ihm eine fehlende Zeile, die Komissar Fache weggewischt hat:

P.S. Robert Langdon suchen!

– Langdon ist in den Augen der Polizei der Hauptverdächtige! Die beiden müssen fliehen, denn Fache ist zwar kein dummer Beamter, aber mit extrem langen und dennoch perfekten Anagrammen, der Fibonacci-Reihe, den Werken Leonardo Da Vincis und der Proportionsstudie nach Vitruv sowie einem Hinweis in genanntem Anagramm der 2. und 3. Zeile auf ein Bild Leonardos dürfte er wohl ziemlich überfordert sein. Die 4. Zeile is offensichtlicher, und die Flucht Sophies und Roberts ist in den Augen des Gesetzes ein Schuldeingeständnis…

Doch nicht nur die Polizei ist hinter den beiden her. Der Albino Silas von der ultrakonservativen katholischen Sekte Opus Dei und die sagenumwobene Prieuré de Sion sind auch mit von der Partie. Manch einer mag jetzt schon erahnen, um was es geht – die Jagd nach diesem „Schatz“ wird Robert und Sophie von Paris bis nach London führen. Die Rätsel, Symbole, geschichtlichen Geheimnisse versteckt in Kunst und Kultur bis hin zu Bezügen zu „Arielle, der kleinen Meerjungfrau“ werden, so unglaublich es klingt, verblüffend stimmig und unterhaltsam präsentiert und nacheinander aufgelöst.

Wie schon bei „Illuminati“ muss man kein Kunstprofessor sein, um das Buch genießen zu können; ich kann mich rühmen, fast die Lösung des ersten Kryptex von Leonardo gefunden zu haben. Brown gelingt es, sowohl in Verschwörungen Bewanderte als auch den unerfahrenen Leser zu unterhalten und auf angenehme Weise weiterzubilden. Wie schon in „Illuminati“ gibt es am Ende wieder eine absolut unerwartete Wende… Lasst euch überraschen.

Eine Frage möchte ich gleich beantworten: Kann „Sakrileg“ „Illuminati“ toppen? Geschmackssache, würde ich sagen – der Titel könnte auch gut und gerne „Illuminati 2“ lauten, denn gewisse Stilmittel und Storyelemente sowie einige Figuren wurden nahezu eins-zu-eins übernommen. Allerdings fand ich die Rätseldichte und Qualität dieses Mal etwas höher. Das Einzige, was mich gestört hat, waren die zu große Ähnlichkeit mit „Illuminati“ und ein Schnitzer im Vorwort: Dan Brown beginnt anscheinend grundsätzlich jeden Roman mit der Beteuerung, dass alle seine Fakten und Aussagen in dem Buch auf wahren Begebenheiten basieren. So bringt er informierte Leser mit dem Ausdruck „Prieuré de Sion“ und dem Hinweis auf die erzkatholische Gruppierung „Opus Dei“ gleich auf eine heiße Spur, um was es in der anfangs undurchsichtigen Geschichte gehen könnte… Zum Glück führt er damit gleichzeitig auch ein wenig auf einen Holzweg.

Bemerkenswert ist auch, wie sehr Brown stets seiner Linie treu bleibt: In „Illuminati“ waren Robert Langdon und die Tochter des ermordeten Wissenschaftlers, Vittoria, die Hauptpersonen. In „Meteor“155 Rachel Sexton und der Meeresbiologie Michael… In „Sakrileg“ wieder Robert Langdon und die Enkelin des ermordeten Museumsdirektors Saunière.

Um die Analogien weiterzuführen: Der Albino-Attentäter Silas ist das Pendant zu dem durchtrainierten arabischen Assassinen aus „Illuminati“. Ebenso gleichen sich die Romane im Aufbau: Alle drei haben kurz vor Schluss noch eine überraschende Wende, wobei allerdings die von „Sakrileg“ mir noch am besten gefallen hat, sie ist nachvollziehbarer und nicht so sehr an den Haaren herbeigezogen wie der Schluss von „Illuminati“. Browns Erzählkunst unterhält, man liest seine Romane wie hypnotisiert zuende, so dass einem kaum auffallen dürfte, dass die Personen nur sehr grob charakterisiert werden und sich deutlich der rätsellastigen Geschichte unterordnen – dafür werden Spannung und Geheimnisse pur geboten.

Die Übersetzung (diesmal von Piet van Poll) ist tadellos, die Umschlaggestaltung des nun mittlerweile von Lübbe geadelten Brown – „Sakrileg“ erscheint zuerst als Hardcover – ist eng an den gefälligen Stil von „Illuminati“ und „Meteor“ mit dem leicht erhabenen Titelschriftzug angelehnt. Leider erwischte ich ein Exemplar, bei dem die Seiten 16-32 fehlten und dafür das Kapitel Vier zweimal abgedruckt war, in solchen Fällen („versteckter Fehler“) kann man jedoch sein Buch bei jedem beliebigen Buchhändler umtauschen lassen. Es scheint sich um keinen Einzelfall zu handeln, mehrere der ersten Drucke scheinen genau denselben Mangel aufzuweisen. Davon abgesehen: Auch wenn Brown gewissermaßen immer dasselbe Grundgerüst für seine Storys verwendet, die Charaktere eigentlich nebensächlich und eher flach sind, seine Rätsel, Erzählkunst und der hohe Unterhaltungswert seiner Romane können mich immer wieder begeistern. Ich kann „Sakrileg“ allen Fans von „Illuminati“ nur empfehlen. Ich würde „Sakrileg“ wegen der komplexeren Zusammenhänge und dem überzeugenderen Ende einen knappen Punktsieg zugestehen.

Gebundene Ausgabe: 605 Seiten
Originaltitel: The Da Vinci Code

Homepage des Autors: http://www.danbrown.com/
Dan-Brown-Homepage bei Lübbe: http://www.dan-brown.de/