Will C. Brown – Der Fluch von Massacre Bend

Ein Viehtrieb durch das gesetzlose Indianerterritorium wird zur Bewährungsprobe für einen jungen Ex-Soldaten, der sich rehabilitieren möchte, falls er und die ihm anvertrauten Männer (und eine Frau) den Kampf gegen Comanchen, Schmuggler und Armeefunktionäre überleben … – Klassischer Western mit allen bekannten und bewährten Klischees; spannend, flott und mit sparsam aber kundig eingebrachten historischen Fakten erzählt: kein Muss aber ein deutliches Kann.

Das geschieht:

Im Jahre 1867 herrscht in den im Bürgerkrieg besiegten US-Südstaaten bittere Not. Verzweifelt haben sich einige texanische Viehzüchter zusammengetan, um Rinder über den Chisholm Trail ins 800 Kilometer entfernte Kansas zu treiben, wo sie mit einem guten Kaufpreis rechnen können. Der Treck ist freilich hart und gefährlich, und der schwierigste Teil steht den Männern noch bevor: der Weg durchs Indianerterritorium, das spätere Oklahoma, in das die nordamerikanischen Ureinwohner unter Zwang umgesiedelt wurden. Sie lieben den weißen Mann nicht, und seit einiger Zeit schmuggeln skrupellose ‚Geschäftsleute‘ Waffen und Alkohol ins Territorium. Unter ihrem Anführer Querro haben sich die Comanchen erhoben und terrorisieren die Viehtreiber, die ihnen wenig entgegenzusetzen haben.

Die Männer setzen ihre Hoffnung auf Jim Hart, der die Gegend wie seine Westentasche kennt. Allerdings hütet er ein düsteres Geheimnis: Der einst hoch dekorierte Leutnant der Nordstaatenarmee wurde als Feigling ausgestoßen, nachdem er am Massace Bend angeblich seine Abteilung im Stich ließ, die von den Indianern niedergemetzelt wurde. Dies trifft nicht zu, doch ohne Zeugen blieb Hart machtlos. Seither versucht er sich als Viehzüchter; mit seinem Kompagnon Bud Elliot treibt auch er eine kleine Herde.

Eigentlich hatte Hart auf die Begleitung einer Armee-Einheit gehofft. Doch sein alter Feind Captain Griswold verweigert ihm jede Unterstützung. Der Treck muss schutzlos das Territorium passieren. Nachdem die anderen Viehtreiber die ‚Wahrheit‘ über Jim Hart erfahren haben, entziehen sie ihm ihr Vertrauen. Zu allem Überfluss schließen sich die Geschwister Bill und Maria Murphy dem Zug an. Eine junge Frau auf einem Viehtreck! Hart rechnet mit Problemen und behält Recht.

Der Trieb beginnt, und Querro wartet schon. Hart muss seine ganze Erfahrung aufbieten, um eine Katastrophe zu verhindern. Tief in der Einsamkeit des Indianerterritoriums kommt es zum erbarmungslosen Duell …

Das historische Umfeld unserer Geschichte

„Der Fluch von Massacre Bend“ trägt im US-Original den viel treffenderen Titel „Guns Along the Chisholm“, denn genau dieser Chisholm Trail bildet die historische Kulisse für Browns Roman. Die Fakten stimmen: Nach dem Bürgerkrieg (1861-1865) waren die Preise für Vieh im Süden zusammengebrochen, während im Norden Fleisch benötigt und gut bezahlt wurde. Der Viehhof-Baron Joseph G. McCoy garantierte die Abnahme von Rindern aus dem Süden. 1867 trieben O. W. Wheeler und einige Partner 2400 Tiere über nach Abilene in Kansas. Sie nutzten die westliche Route der „Texas Road“, die 1865 der Händler und Scout Jesse Chisholm (um 1805-1868) erschloss; ca. 5 Mio. Rinder gingen diesen Weg, bis ab 1885 die Eisenbahn den Viehtransport übernahm.

Ein Viehtrieb über 800 Kilometer durch ein Land ohne Infrastruktur war mehr als ein Abenteuer oder eine Plackerei, sondern ein lebensgefährliches Unternehmen. Das Klima der südwestlichen USA ist rau, Texas-Rinder lassen sich schwer hüten, und die Indianer bildeten eine sehr reale Bedrohung, die man sich selbst geschaffen hatte, als die Regierung unter dem Beifall auch der Viehzüchter die Ureinwohner des Landes ab 1830 aus ihren Stammesgebieten vertrieb und ins unfruchtbare „Indianerterritorium“ abschob. Nicht nur die Cherokee vergaßen keineswegs den „Pfad der Tränen“, der 4000 ihrer Stammesangehörigen das Leben kostete. Solche grausamen Erfahrungen mussten fast alle Indianerstämme machen.

Nicht alle ließen sich dies gefallen. Immer wieder schlossen sich unzufriedene Ureinwohner zusammen und holten sich gewaltsam, was sie als ihnen zustehend erachteten. Sie überfielen Farmer und Viehzüchter, die ihrerseits die Armee zur Hilfe riefen, die mit Gewehr und Säbel für ‚Ruhe‘ sorgte und ihren Teil dazu beitrug, dass die Spirale der Gewalt sich stetig weiterdrehte.

Stahlhart sind die Männer des Westens

Jim Hart: Ein Name ist Programm. Vor allem im Wilden Westen tragen Helden Namen mit höchstens zwei und dann kurzen Silben. „Jim“ weist auf einen ehrlichen Mann aus dem Volk hin, „Hart“ suggeriert Charakterstärke. Unterm Strich kann dieser Jim Hart also nur ein Guter sein, auch wenn sich das Schicksal so einfallsreich gegen ihn verschworen hat. Aus seiner geliebten Armee gejagt, als Feigling geächtet, von der Braut verschmäht, heimatlos, finanziell auf dem Nullpunkt, nun auch noch als Mörder gesucht, von Indianern, Schmugglern, einem eifersüchtigen Schlagetot und einer anhänglichen Frau verfolgt: Es kann nur noch aufwärts gehen.

Wie jeder anständige Mann glaubt Jim Hart an den „Amerikanischen Traum“ und rappelt sich deshalb unverdrossen wieder auf, so dicht die Schläge auch auf ihn niederprasseln. Obwohl Will C. Brown sicherlich nicht zu den besten Schriftstellern gehört, gelingt ihm eine Darstellung, die nie allzu tief im Schmalztopf versinkt. Das Genre hilft ihm; der Western verträgt holzschnittartige Figurenzeichnungen, denn er reduziert auf das Wesentliche: das Land, die Herde, der Colt. Alles andere wird sich finden, für städtische Raffinesse (und Verworfenheit) ist im rauen Westen kein Platz. Die Wahrheit wird ans Licht kommen, die Gerechtigkeit siegen.

Allerdings bleibt ein ungewöhnlich bitterer Nachgeschmack: Von der oft beschworenen Solidarität des Westens ist in „Der Fluch …“ wenig zu spüren. Die Viehzüchter, die sich Jim Hart als Scout gewählt haben, sind tief zerstritten und zaghaft, ihre Cowboys müssen nicht selten mit Waffengewalt zur Arbeit getrieben werden, die Armee klebt an ihren Vorschriften und ist blind für den Schmuggel, der sich unter ihren Augen abspielt, der Indianeragent ist korrupt, überall sitzen von ihm geschmierte Spitzel: So eindimensional ist Welt des Westens nicht, macht uns Autor Brown deutlich!

Eisern klammern die Frauen des Westens

Die Leserin des 21. Jahrhunderts könnte diese Begeisterung nicht teilen, ist doch die Frau in Browns Wildem Westen vor allem Störfaktor. Als Mutter und Ehefrau (und mit Einschränkungen als Braut) wird sie zwar bis zum letzten Blutstropfen verteidigt und verehrt, doch lieber in weiter Ferne gesehen. Ist sie vor Ort, so muss sie ständig gerettet werden, schwächelt in Sand und Schnee und liegt dem Mann, der doch zu tun hat, was ein Mann halt tun muss, ständig mit Vorhaltungen in den Ohren: Bleib bei mir, jag dem Fiesling keine Kugel zwischen die Augen, Rache & Ehre sind keine Gründe, das Herdfeuer zu verlassen.

Der arme Jim gerät erst recht zwischen die Fronten, als seine alte Flamme Louise wieder auf der Bildfläche erscheint und sich ganz und gar nicht abgeneigt zeigt, die Liaison aufleben zu lassen, was Maria, die ihre eigenen Zukunftspläne schmiedet, nicht unkommentiert lässt, sodass sich Hart fast erleichtert in den Kampf mit Querros Bande wirft. Der ‚Fluchtversuch‘ misslingt selbstverständlich, und da die Männer dieser Geschichte im Finale entweder tot oder arg lädiert sind, steht Maria als eigentliche Siegerin fest.

Autor

Will C. Brown ist nur eines von vielen Pseudonymen des Autors Clarence Scott Boyles, jr. (1905-1995). Er schrieb zwar vor allem für die Pulps und später für billige Taschenbuch-Reihen, doch sind seine Western-Romane keineswegs Groschenhefte. Für „The Nameless Breed“ wurde er 1960 mit einem |Spur Award| für den besten Western-Roman des Jahres ausgezeichnet. Zwei Jahre zuvor hatte Hollywood seinen Roman „The Border Jumpers“ unter dem Titel „Man of the West“ (dt. „Der Mann aus dem Westen“) mit der Starbesetzung Gary Cooper, Lee J. Cobb und Julie London verfilmt.

Taschenbuch: 171 Seiten
Originaltitel: Guns Along the Chisholm (New York : Popular Library 1955)
Übersetzung: Frank Parker

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