Ein selbst ernannter Dealer-König und eine schöne aber stets in Schwierigkeiten steckende Frau entfesseln in New York einen Krieg zwischen der Drogenmafia, der irischen IRA, der Polizei und diversen Psychopathen … – Hart an der Grenze zur Parodie pfeift dieser Trash-Krimi auf Moral oder Logik und setzt eine Kettenreaktion absurder und gewaltreicher Zufälle in Gang: witzig in Handlung und Stil, aber nichts für nervenschwache Gemüter.
Das geschieht:
Nachdem ihre Beziehung nach einer Kette spektakulärer Kapitalverbrechen (vgl. „Flop“, Hard Case Crime Nr. 003) zerbrach, haben sich Max Fisher und Angela Petrakos getrennt. Mit dem Geld, das sie Max stahl, setzte sich Angela in ihr Heimatland Irland ab. Dort verprasst sie ihre Beute und landet schließlich in den Armen des Psychopathen, Mörders und erfolglosen Kidnappers Slide. Nachdem die Entführung des „Rolling-Stones“-Veteranen Keith Richards als blutiges Desaster endete, verlassen Angela und Slide eilig Irland. In New York versuchen sie einen Neuanfang, der für Slide darin besteht, sich als Serienkiller einen Namen zu machen.
Auch Max macht eine harte Zeit durch. Er verliert seine IT-Firma und verfällt dem Alkohol. Dann fädelt er einen neuen Coup ein und wird Crack-Dealer in New York. Weil er selbst der Droge verfallen ist, wird Max zunehmend paranoider. Ihm entgeht, dass seine alte Nemesis, Detective Joe Miscali, der durch Max‘ Machenschaften den Partner verlor, sich rachsüchtig auf seine Fährte gesetzt und die schöne Felicia, die Max sich als Liebesspielzeug anheuerte, als Spitzel angeheuert hat. Die von Max längst angewiderte Felicia lässt sich zum Schein darauf ein, plant aber Miscali zu täuschen und sich mit einem möglichst großen Batzen von Max‘ Geld aus dem Staub zu machen.
Ein anstehender Großdeal mit kolumbianischen Drogenschmugglern scheint dafür die ideale Gelegenheit zu bieten. Felicia heuert ihren Cousin Sha-Sha an, der dumm genug ist, sich mit der südamerikanischen Drogenmafia anzulegen, doch viel zu blöd, es richtig zu machen. Viele Morde später fragen sich sowohl Max als auch Angela, wie sie schon wieder in einen solchen Schlamassel geraten konnten …
Was schiefgehen kann …
Da sind sie wieder: der skrupellose und dreiste, aber in strafwürdiger Hinsicht ungemein findige Max Fisher und die moralfreie, nymphomanische und abgebrühte Angela Petrakos. Nachdem sie einander nach Kräften ausgenutzt und betrogen haben, gehen sie getrennte Wege – und das buchstäblich, denn immerhin trennt sie der Atlantische Ozean. Obwohl sie solo sind, vermindert dies ihre strafwürdigen Aktivitäten in keiner Weise. Noch wichtiger ist ihre weiterhin uneingeschränkte Tauglichkeit als Katalysator des Bösen: Meist ungewollt und ungeahnt setzten Max und Angela eine Kettenreaktion der Gewalt in Gang, die sich höher und höher aufschaukelt und in wahrhaft apokalyptischen Höhepunkten gipfelt.
Wie „Flop“, der erste Band der Fisher/Petrakos-Serie, ist „Crack“ ein Krimi hart an der Grenze zur Parodie. Tatsächlich wird diese Linie immer wieder überschritten, denn nichts, was das Autorenduo Bruen & Starr sich einfallen lässt, erfüllt den Tatbestand des Realistischen. Im Zentrum steht die ausgeklügelte Konstruktion einer Handlung, deren Elemente so ineinander verzahnt sind, dass der eigentliche Plot bedient werden kann: Wie ist es zu bewerkstelligen, dass zwei Menschen das höchstmögliche Chaos auslösen?
… wird definitiv noch viel schlimmer scheitern
Sobald die Story auf ihre Schienen sowie die Weichen gestellt sind, was etwa die erste Romanhälfte in Anspruch nimmt, nimmt die Geschichte ihren Lauf. Die Streckenführung ist stark abschüssig, sodass die Handlung immer stärker an Geschwindigkeit zunimmt. Am Ende wartet eine solide Wand, an der nach dem Aufprall die Fetzen fliegen werden.
Bis es soweit ist, überstürzen sich die Ereignisse. Ohne Hemmungen bieten Bruen & Starr auf, was das Genre an Spektakulärem zu bieten hat: vertierte Drogendealer, moralisch verkümmerte Terroristen, völlig verrückte Serienkiller und ein Cop auf privater Rache-Mission bilden nur die Spitze dieses Eisbergs. Sie alle träumen vom großen Schnitt, und alle werden sie scheitern, denn in der hier geschilderten Welt gibt es nur eine Garantie: Jede/r wird jede/n übers Ohr hauen.
Wobei diese Amoralität immer nach hinten losgeht, denn mit allzu großer Intelligenz sind die mit- und gegeneinander agierenden Figuren nicht geschlagen. Sie legen einander und sich selbst herein. Für den Leser entsteht die Spannung aus der Frage, wie ein gerade gescheiterter ‚genialer Plan‘ sich auf die Hinterlisten der anderen Akteure auswirken wird. In atemberaubendem Tempo können sich die Verhältnisse ändern und gänzlich neue Absurditäten auslösen.
Zwei Stützen des kriminellen Chaos‘
Im Auge des Sturms und ihn doch entfesselnd stehen Max Fisher und Angela Petrakos. Sie wirken entwaffnend durch die absolute Abwesenheit moralischer Bedenken oder Gedanken um die Folgen ihrer Missetaten. Eigentlich wollen sie nur ihren Zipfel von der Wurst und den Amerikanischen Traum verwirklichen. Weil ihnen dies auf legalem Weg nicht gelingen wird, versuchen sie es mit Abkürzungen, die sich freilich als Sackgassen erweisen.
Die bösen Taten von Max und Angela können auch deshalb nie wirklich schockieren, weil sie selbst zu ihren Opfern gehören. Nie gelingt ihnen ein Coup auf Dauer. Max ist kein Drogenkönig, sondern er spielt ihn nur; die Anregungen holt er sich aus diversen Hollywood-Filmen. Angela ist die Sklavin ihrer Triebe. Mit traumwandlerischer Sicherheit gerät sie stets an den falschen Mann und damit noch tiefer in die Patsche. Das macht sie grundsätzlich zur idealen Partnerin für Max, denn beiden gemeinsam ist die Unfähigkeit, aus ihren Fehlern zu lernen. Sie reiten sich unverdrossen in immer neue Schwierigkeiten. Der Kollateralschaden in Gestalt meist grausig zu Tode gekommener Komplizen und Gegner ist dabei gewaltig.
Man kann dies dem Paar nicht übel nehmen, weil Bruen & Starr es in eine Welt versetzt, die von Gewinnlern des globalen Wirtschaftskriegs und anderen arroganten Widerlingen und Heuchlern bevölkert wird. Mit den zahlreichen Opfern, die Max und Angela zwar selten selbst ums Leben bringen, ihr Ende aber mit verschulden, kann man deshalb kein Mitleid haben, zumal ihr Tod von den Autoren comichaft übertrieben inszeniert wird.
Natürlich ist „Crack“ kalkulierter Krimi-Trash. Die abwegige Handlung, die überzeichneten Figuren, die bizarren und übertriebenen Bluttaten erwachsen nicht aus jenem verwirrten, gequälten, von der Welt missverstandenen Autorenhirn, das die Literaturkritik so liebt, sondern wurde als großer, grober Spaß verwirklicht. Ernst nehmen wird „Crack“ höchstens der politisch korrekte und humoristisch eingeschränkte Gutmensch. Dem ist allerdings generell nicht zu helfen. Die in dieser Beziehung weniger durch Skrupel belasteten Leser werden an diesem „Crack“-Genuss ihr (gesundheitlich folgenfreies) Vergnügen finden und auf eine weitere Fortsetzung hoffen!
Autoren
Ken Bruen wurde 1951 in der westirischen Stadt Galway geboren. Bevor er ein ungemein fleißiger Autor von Kriminalromanen wurde, arbeitete er 25 Jahre als Englischlehrer in Afrika, Japan, Südostasien und Südamerika. Bekannt wurde Bruen durch seine vielfach preisgekrönten Krimi-Serien um das Gespann Detective Sergeant Tom Brant/Chief Inspector James Roberts (ab 1998) und den Privatermittler Jack Taylor (ab 2001), die über ‚kriminelle‘ Unterhaltung hinaus ein oft kritisches Bild der modernen irischen Gesellschaft liefern.
Jason Starr wurde 1966 in New York City, Stadtteil Brooklyn, geboren, wo er noch heute lebt. Zwar studierte er ein Wirtschaft an der Binghampton University, schrieb aber schon in dieser Zeit mehrere Theaterstücke. 1998 erschien „Cold Caller“ (dt. „Top Job“, ein erster Krimi im Stil der „Noir“-Klassiker James Cain und Jim Thompson, denen Starr inhaltlich und stilistisch nacheifert.
Obwohl sie 5.000 km und ein Ozean voneinander trennen, begannen Bruen und Starr 2006 die Max Fisher/Angela Petrakos-Serie, in der sie nicht nur den Krimi der „Pulp“-Ära erfolgreich wieder aufleben ließen, sondern ihn durch drastische, aber durch Übertreibung ‚entschärfte‘ Sex-and-Crime-Einlagen in die Gegenwart transportierten.
Websites:
– Ken Bruen
– Jason Starr
Taschenbuch: 219 Seiten
Originaltitel: Slide (New York : Dorchester Publishing/Hard Case Crime 2007)
Übersetzung: Richard Betzenbichler
Cover: R. B. Farris
http://www.rotbuch.de
Der Autor vergibt: