Andreas von Bülow – Die CIA und der 11. September

Der 11. September 2001 – so ganz werden wir wohl nie fassen können, was an diesem Tag geschah. Fast zeitgleich werden vier Passagierflugzeuge entführt. Zwei stürzen in die Türme des World Trade Centers in New York, eines rast in das Pentagon in Washington und ein weiteres bohrt sich in der Nähe von Shanksville, Pennsylvania, in den Boden.

Doch dem Schock folgten Fragen, den Fragen folgten erste Zweifel: Wie kann es sein, dass ein Land, das über einen so gut ausgebauten geheimdienstlichen Apparat verfügt, nichts von den Vorbereitungen eines so groß angelegten Terroraktes mitbekommt? Und wie kann man dann aus dieser Ahnungslosigkeit heraus innerhalb von nur drei Tagen schon alle 19 Täter ermittelt haben? Wieso funktionierte die perfekt trainierte Luftabwehr der Amerikaner nicht einmal ansatzweise?

Auf Antworten warten wir auch heute immer noch, denn die Bush-Administration hat nicht einen Finger gekrümmt, um der Welt zu beweisen, dass Al-Quaida und Osama bin Laden hinter den Anschlägen stecken. Ganz im Gegenteil: Beweismittel wurden beiseite geschafft, ehe sie gesichert werden konnten und die offizielle Untersuchungskommission wurde mit so lächerlich wenig Geld ausgestattet, dass man sich nur an den Kopf fassen kann.

Von einer Aufklärung der Hintergründe also keine Spur, und wer aufgrund dessen anfängt nachzuhaken, wird mit bösen Blicken bestraft. Kritische Fragen sind eben nicht gerne gehört, schließlich müssen wir in diesen schweren Zeit voll und ganz hinter unseren amerikanischen Freunden stehen. So scheint die allgemeine Auffassung auch in den deutschen Medien zu sein, die auch mehr als drei Jahre nach den Anschlägen noch immer überraschend unkritisch, fast schon gleichgeschaltet wirken.

Aber es gibt Leute, die Fragen stellen, eine Untersuchung fordern und ganz nebenbei ihre eigene Theorie zu den Vorkommnissen am 11. September 2001 haben. Einer von ihnen ist Andreas von Bülow, der in den frühen 80ern Bundesforschungsminister der SPD und langjähriges MdB war. Außerdem war er zeitweilig in der Parlamentarischen Kontrollkommission für die „Geheimdienste“ tätig.

Die Vorgeschichte des 11.09.2001

Inhaltlich befasst von Bülow sich zunächst kurz mit den Geschehnissen am Terrortag und wirft dann im zweiten Kapitel einen Blick zurück auf die Vorgeschichte des 11. September. Er analysiert die Spur des Terrors, die bereits im Laufe der 90er immer wieder auf islamistische Terroristen zurückgeführt wurde. Von Bülow zeigt anhand von Beispielen die Verbindungen zu den Geheimdiensten und die Ungereimtheiten bei den Ermittlungen auf.

Darüber hinaus geht er auf die außenpolitischen Pläne des amerikanischen Weltordners und früheren Sicherheitsberaters von Präsident Carter, Zbigniew Brzezinski, ein und erläutert die politische Entwicklung Afghanistans in den letzten Jahren, vor allem mit Blick auf die Rolle der Geheimdienste. Afghanistan spielt geopolitisch für die USA eine sehr wichtige Rolle, vor allem mit Blick auf die gigantischen Ölvorkommen des kaspischen Beckens. Schon deswegen wurden im Krieg gegen die Sowjetunion die Söldnertruppen um bin Laden mit CIA-Hilfe ausgebildet. Ein Umfeld, aus heraus dem später dann die Al-Quaida entstanden ist.

Neben diesen politischen Ausgangsbedingungen beleuchtet von Bülow auch die Vorbereitung der 19 Selbstmordattentäter und die Spuren, die sie dabei hinterließen. Allesamt Spuren, die vom FBI ebenso unbeachtet blieben wie die auf Insiderwissen hindeutenden Börsenspekulationen im Vorfeld der Anschläge.

Das Kaninchen aus dem Zylinder

Im dritten Kapitel befasst sich Andreas von Bülow mit Osama bin Laden als dem bereits am Tag der Anschläge in den Medien präsentierten Hintermann der Terroristen. Er erläutert den Hergang der Ermittlungen unmittelbar nach den Anschlägen und die Reaktionen in der Welt. Auch auf die Scheuklappenmentalität bei den Ermittlungen und in der Presse geht von Bülow ein, die dafür sorgte, dass Zweifel an der Täterschaft bin Ladens kaum an die Oberfläche drängen konnten. Thematisiert werden dabei auch die Bin-Laden-Videos.

Die offizielle Darstellung und ihre Lücken

An den Beginn des Kapitels zur offiziellen Darstellung des 11. Septembers stellt von Bülow eine ausführliche Passagierliste und die FBI-Liste der 19 Attentäter, wobei die Passagierlisten nur wenig aufschlussreich und somit irgendwie überflüssig sind. Im Folgenden widmet der Autor sich dann seiner nur sehr schwach belegten These von den sieben Attentätern, die nach den Anschlägen noch gelebt haben sollen. Die dürftigen „Beweise“, die er dafür liefert, lassen erste Zweifel an der Glaubwürdigkeit von Bülows aufkommen. Eigentlich schade, denn bis hierher hat das Buch noch einen recht soliden Eindruck hinterlassen. Hier driftet er aber erstmals zu tief ins Spekulative ab und verspielt den Vertrauensbonus, den er als ausgewiesener Geheimdienstexperte hatte.

Im weiteren Verlauf pickt von Bülow sich verschiedene kleinere Details heraus, die zumindest Zweifel an der offiziellen Darstellung zulassen. Nicht alles belegt er dabei besonders plausibel. Aspekte, die von Bülow sich herausgreift sind: der beim Anschlag unversehrt vor dem WTC gefundene Pass von Mohammed Atta, Attas Testament, Briefe der Attentäter, die auffälligen Spuren im Vorfeld des 11. Septembers und der Gegensatz zwischen Fundamentalismus und verwestlichter Lebensart der Attentäter.

Auch die Ungereimtheiten an Bord der Flugzeuge und an den Tatorten zeigt von Bülow im Folgenden auf und zumindest hier wirken die Argumente dann schon etwas überzeugender. Aspekte sind: die ausbleibenden Notsignale aus allen vier Maschinen, Flugschreiber und Stimmaufzeichnungsgeräte, die teilweise ohne Aufnahme, unauffindbar oder geheim sind, die nicht funktionierende Flugabwehr, die fehlenden Flugzeugteile an der Einschlagstelle am Pentagon, die beseitigten Beweismittel und vieles mehr.

Auch der Zusammensturz des WTC wird unter die Lupe genommen und es zeigen sich auf jeden Fall einige Schwachpunkte in der offiziellen Darstellung, die mal mit mehr und mal mit weniger guten Argumenten betrachtet werden. Für manche der Thesen, die von Bülow aufstellt, lassen sich sicherlich auch andere Gründe finden und nicht alles was er schreibt, hält der gesunden Skepsis stand – nur, dass die US-Regierung alle Versuche der Wahrheitsfindung bislang blockiert hat und damit Spekulationen wie denen Andreas von Bülows Tür und Tor öffnet.

Der amerikanische Regierungsapparat

Im fünften Kapitel stellt von Bülow die Frage einer möglichen Mitwisserschaft der Geheimdienste. Eine zufriedenstellende Antwort darauf vermag er nicht zu geben, doch er sammelt Anhaltspunkte, die die amerikanischen Behörden in keinem guten Licht erscheinen lassen. Er geht auf die Warnungen ausländischer Dienste im Vorfeld der Anschläge ein, auf die Skandale um Enron und Anthrax, die unkritischen Medien als Bushs Mitläufer und noch einmal genauer auf die amerikanische Luftverteidigung.

Das ganze Puzzle

Das sechste Kapitel ist schließlich das abgedrehteste im ganzen Buch. Hier tobt Andreas von Bülow sich mit seinen Spekulationen so richtig aus und erklärt ohne große Umschweife die Theorie der 19 Selbstmordattentäter zu einer geheimdienstlich ausgelegten Fehlspur. Großartig begründet wird das aber nicht. Von Bülow sammelt Indizien und schustert sich daraus seine Beweise zurecht.

Von Bülow geht so weit, eine elektronische Außensteuerung der Flugzeuge als Tathergang anzunehmen. Diese Fernsteuerung soll angeblich von WTC-Gebäude 7 vorgenommen worden sein. Eine Theorie, die auf sehr wackeligen Füßen steht. Von Bülow stützt sich nur auf sehr wenige Quellen und versucht nicht einmal weitere Belege für seine Theorie zu finden. Einer kritischen Überprüfung kann er damit auf keinen Fall standhalten. Und was ist seine These dann mehr wert als die offizielle Darstellung? Gar nichts.

Die Theorien das Pentagon betreffend, formuliert von Bülow dagegen schon vorsichtiger. Hier weist er lediglich auf Ungereimtheiten hin, stellt Fragen und fordert eine Untersuchung. Vielleicht hätte er sich bei seinen Äußerungen zum WTC auch darauf beschränken sollen. Im weiteren Verlauf des Kapitels zeigt von Bülow wieder einmal die Möglichkeit auf, dass es vor dem Anschlag Warnungen gegeben hat. Er geht einigen Spuren nach, die darauf hindeuten könnten, dass der Mossad im Vorfeld über die Anschläge informiert war, gibt aber selbst zu, dass dabei einige Aspekte höchstens Anhaltspunkte sein können, aber keine Beweise.

Bush nutzt die Gunst der Stunde

Nach diesen wilden Spekulationen kommt von Bülow im siebten Kapitel wieder auf den Teppich zurück. Er setzt sich mit dem „großen Spiel um die Weltherrschaft“ und dem politischen Umfeld des 11. September auseinander. Er analysiert geopolitische Faktoren und geht auf Terror als Mittel der psychologischen Kriegsführung ein. Auch die Folgen des 11. Septembers spielen eine wichtige Rolle. Von Bülow zeigt, wie die Anschlägen einen Katalysatoreffekt für die amerikanische Außenpolitik darstellen, der es ermöglicht, die zuvor in den Think Tanks konstruierten Pläne für das „neue amerikanische Jahrhundert“ in die Tat umzusetzen.

Die Rolle Afghanistans als „Scharnier im Machtgeflecht Asiens“ wird dabei ebenso dargelegt wie der aufkeimende Patriotismus in der amerikanischen Bevölkerung. Was dieses Kapitel zeigt, ist wieder einmal, dass von Bülow umso glaubwürdiger und nachvollziehbarer ist, je mehr er sich auf das politische Umfeld konzentriert und je mehr er sich von wilden Spekulationen zum eigentlichen Tathergang fern hält. Schade, dass er nicht sein ganzes Buch darauf ausgerichtet hat, denn so verspielt er leider über weite Strecken seine Glaubwürdigkeit.

Gefährliches Halbwissen oder eine neue Wahrheit?

Von der Presse (besonders von der ARD-Sendung „Panorama“ und dem SPIEGEL) musste sich von Bülow kurz nach Veröffentlichung seines Buches den Vorwurf schlampiger Recherche gefallen lassen, der sich bei näherer kritischer Betrachtung durchaus bestätigt. Besonders trifft dies auf die These der noch lebenden Attentäter zu. Von Bülows Belege dafür kamen mir schon beim ersten Lesen viel zu schwammig vor. Und so kam es wenig überraschend, dass der SPIEGEL (Nr. 37/08.09.03) die Behauptung recht schnell entkräften konnte. Von Bülow beruft sich offensichtlich auf die erste (noch fehlerhafte und unbebilderte) Fahndungsliste des FBI und ist somit einer plumpen Namensverwechslung auf den Leim gegangen. Wer solche Fehler begeht und es versäumt, Quellen genauer zu überprüfen, der darf sich über harte Kritik nicht wundern.

Man muss letztendlich ganz klar differenzieren. Auf der einen Seite ist es unheimlich wichtig, dass Autoren wie Andreas von Bülow die Schwachpunkte der offiziellen Version der amerikanischen Regierung aufzeigen. Andererseits fehlt von Bülow zu seinen eigenen Thesen teilweise die kritische Distanz. Es ist ebenso wichtig, Fragen zu stellen, sich nicht mit den spärlichen Informationen zufrieden zu geben, mit der die amerikanische Regierung die Welt abzuspeisen versucht. Aber wenn man schon selbst nach Antworten auf diese Fragen sucht, dann sollten sie auch möglichst plausibel und belegbar sein. Wilde Spekulationen nützen niemandem und machen es der Gegenseite viel zu leicht, die Argumente in der Luft zu zerreißen. In der Luft zerreißen kann man sicherlich auch so manche Quelle, auf die Andreas von Bülow sich stützt. Wirken Pressetexte großer Zeitungen noch recht seriös, so sehen manche Quellen daneben etwas blass aus. Vom Netz genommene Internetseiten und E-Mail-Adressen sind nicht wirklich das, was man sich unter nachvollziehbarer vertrauensfördernder Recherche vorstellt. Auch erweckt die geringe Anzahl der Quellen, auf die sich einzelne Aussagen (besonders die sehr gewagten) stützen, nicht gerade Vertrauen.

Dabei hat von Bülows Buch durchaus seine starken Seiten. Insbesondere was das politische Umfeld des 11. September angeht, die Philosophie des „Neuen amerikanischen Jahrhunderts“, die Grundlage der amerikanischen Außenpolitik ist, und die Frage nach den Nutznießern der Anschläge, wirkt von Bülows Buch sehr sachlich und professionell. Viele der angesprochenen Punkte tauchten auch an anderen Stellen in den Medien auf – bezeichnenderweise teilweise auch bei denen, die von Bülow nach Veröffentlichung seines Werkes pauschal als Spinner hingestellt haben. Was mich dabei irritiert ist, dass überall, wo das Thema aufgegriffen wird, von Bülows Thesen ganz pauschal und undifferenziert schlecht gemacht werden. Eine kritische Auseinandersetzung findet nicht statt. Und so entsteht wieder einmal der Eindruck, dass es verpönt ist, an der offiziellen Darstellung des 11. Septembers zu zweifeln. Seltsam, dass gerade die, deren Aufgabe die kritische Auseinandersetzung mit dem Thema wäre, so unkritisch sind. Eine Tatsache, die mehr als denkwürdig ist.

Die Wahrheit stirbt im Krieg zuerst …

Taschenbuch: 304 Seiten
www.piper.de