Kauffahrer-Zukunft: Erwachsenwerden im Raumschiff
Achtzehn Jahre nach dem offiziellen Ende der Company-Kriege will die Kauffahrerfamilie Neihart, die die Allianz im Krieg unterstützt hat, endlich wieder Handel treiben. Doch zunächst muss sich die Familie von den persönlichen Verlusten, die sie während des Krieges erlitten hat, erholen. Zu den Opfern zählt auch Francesca Neihart, die als Schwangere auf Pells Station zurückgelassen wurde. Sie bekam einen Sohn, Fletcher, nahm sich jedoch das Leben, als sie nach fünf Jahren immer noch auf der Station festsaß.
Fletcher wuchs bei liebevollen hisa-Zieheltern, den mystischen Ureinwohnern von Downbelow, auf. Als das Schiff seiner Familie, die Finity’s End, von einer Fernfahrt zurückkehrt, muss Fletcher gegen seinen Willen an Bord gehen. Doch schon bald stellt er fest, dass er sich dem Ruf der Sterne nicht entziehen kann … (Verlagsinfo)
Dieser Kauffahrer-Roman aus C. J. Cherryhs Allianz-Union-Universum spielt zeitlich zehn Jahre hinter „Pells Stern“ und „Kauffahrers Glück“, aber vor „Tripoint“ (siehe meine Berichte zu diesen drei Romanen). „Mit Pells Ruf“ („Finity’s End“) schrieb Cherryh 1997 eine indirekte Fortsetzung zu „Pells Stern“.
Die Autorin
Caroline Janice Cherryh, geboren 1942 in St. Louis, ist von Haus aus Historikerin und lebt in Oklahoma. Sie erhielt schon 1980 ihren ersten Science-Fiction-Preis für ihre umwerfende Novelle „Kassandra“***. 1983 folgte der erste HUGO Award für „Pells Stern“, später ein weiterer für „Cyteen“. Beide Romane gehören zu ihrem Allianz-Union- bzw. PELL-Zyklus, der eine Future History darstellt, wie sie schon von anderen Größen des Science-Fiction-Feldes geschaffen wurde, darunter Robert A. Heinlein oder Isaac Asimov.
***: Die Story ist jetzt im Sammelband „The short fiction of C.J. Cherryh“ (Januar 2004) zu finden.
Wichtige Romane und Trilogien des Allianz-Union- bzw. PELL-Zyklus:
„Downbelow Station“ („Pells Stern“): PELL 1
„Merchanter’s Luck“ („Kauffahrers Glück“): PELL 2
„40.000 in Gehenna“ (dito): PELL 3
„Rimrunners“ („Yeager): PELL 4
„Heavy Time“ („Schwerkraftzeit“): PELL 5
„Hellburner“ („Höllenfeuer“): PELL 6
„Finity’s End“ („Pells Ruf“): PELL 7
„Tripoint“ (dito): PELL 8
„Cyteen“ (3 Romane im Sammelband „Geklont“)
Hintergrund und Vorgeschichte des Alliance-Union-Universums
In „Pells Stern“ (PELL #1) schildert die Autorin, wie es zur Entstehung von Kauffahrer-Allianz und Kolonien-Union kam. Die Union besteht aus selbständig gewordenen Kolonien, die sich gegen die Flotte der Erde zur Wehr setzen, die die Earth Company gegen die abtrünnigen Kolonien in Marsch gesetzt hat. Der Verlauf des Konflikts erinnert in bestimmten Merkmalen an den Unabhängigkeitskrieg der amerikanischen Kolonien gegen das Mutterland England.
2005 bis 2352 n.Chr.
Im 21. Jahrhundert hatte die Earth Company nur eine Station nach der anderen gebaut, die um andere Welten nach dem Vorbild der erdnahen Sol Station kreisten. Die einen Großen Kreis fliegenden Frachter versorgten die Stationen mit Waren, die nur die Erde herstellen konnte, v.a. Lebensmittel. Sie lieferten dafür Rohstoffe, v.a. Erze. An den Profiten wurde die Company fett, satt und träge. Dann gewannen die Isolationisten großen Einfluss, die der Company den Einfluss neideten. In der Folge entfremdeten sich die Stationen von der Company, und umso mehr dann, nachdem eine lebensfreundliche Welt entdeckt worden war: Pells Welt, die von den Stationsleuten „Downbelow“ genannt wird.
Mit Pell und seiner Station änderten sich die Regeln des Spiels. Denn nun konnten sich die Stationen selbst versorgen und waren nicht auf Nachschub von der Erde angewiesen. Einige schlossen sich zur „Union“ zusammen, insbesondere auf Betreiben der Regierung, die auf der neu entdeckten und autarken Welt Cyteen herrschte und Unmengen von Klonen herstellte, um die umliegenden Welten und Stationen zu bevölkern (man lese dazu die „Cyteen“-Trilogie). Pell gehört nicht zur Union und deshalb sehr begehrt – von allen Seiten. Hier regiert die Familie Konstantin: Angelo und Alicia sowie ihre Söhne Damon und Emilio.
Die auf Pells Welt lebenden Fremdwesen, die sich „hisa“ nennen, sind friedliche Kreaturen auf der Stufe von intelligenten Primaten. Sie stellen keine Gefahr dar, und ein Vorarbeiter namens Bennett genießt ihr Vertrauen ebenso wie die Konstantins. Pells Welt lässt sich daher – bislang – leicht ausbeuten. Weil man auf Cyteen auch die Raumsprung-Technologie erfunden hatte, ließen sich die Reisezeiten von Jahren auf Monate, Wochen oder gar Tage reduzieren. Das Draußen rückte enger zusammen.
Die Earth Company sah nun ihre Felle davonschwimmen. Zuerst versuchte sie es mit Steuern, genau wie seinerzeit die Engländer des 18. Jahrhunderts. Und manche Stationen und Kauffahrer zahlten, doch andere, rebellischere weigerten sich. Also baute die Earth Company eine Kriegsflotte. Die „America“, die „Europe“, die „Australia“ und die „Norway“ waren die größten ihrer Schlachtkreuzer, allesamt Sprungschiffe. Die erdnahen Stationen zahlten Steuern nun wie einen Tribut, doch die rebellische Union breitete sich immer weiter erdabgewandt aus und verweigerte die Zahlungen. So manches ungeschützte Ziel wurde abgeschossen.
Dann änderte sich die Erdpolitik abermals, und die Earth Company stellte die Unterstützung für ihre eigene Flotte ein: Sie war ihr zu teuer geworden. Der erneute Isolationismus zwang die Flotte, sich selbst zu versorgen, und aus 50 Schiffen wurden nur noch fünfzehn, die sich als Piraten betätigten. Nach einem ihrer Befehlshaber, Conrad Mazian, wurden sie Mazianni oder Mazianer genannt. Sie verbreiten Furcht und Schrecken, wo sie auftauchen.
Die Raumflotte der Erde unter der Führung Conrad Mazians besetzt die Station, um ein letztes Bollwerk gegen die heranrückende Flotte der Union zu bilden. Doch die Flottenkapitänin Signy Mallory wird von Gewissensbissen geplagt und desertiert, um mit Pells Station und der Händlervereinigung eine dritte Macht im Universum der Menschen zu bilden: die Allianz der Kauffahrer. Es kam zu einem Krieg, den Mazians Flotte verlor. Dabei spielte die „Finity’s End“ eine zentrale Rolle.
Die Handlung von „Finity’s End / Pells Ruf“ setzt zehn Jahre nach der Schlacht um Pell in „Downbelow Station / Pells Stern“ ein.
Handlung
Die „Finity’s End“ ist das älteste Kauffahrer-Schiff im Universum, und ihr Kapitän James Robert Neihart ist schon 149 Jahre alt. In einem Zeitalter von Spionen, Piratenhändlern und unsicheren Allianzen haben die Company-Kriege geendet, und das Schiff kehrt nach Pell zurück, um seine angestammten Handelsrouten zurückzuerlangen. Doch weil in den Kriegen eine komplette Generation ausgefallen ist oder verloren wurde, müssen sich die jüngsten Mannschaftsmitglieder, die schon für den Krieg ausgebildet wurden, der größten Aufgabe stellen: Überleben in einer Zeit dauernden Friedens.
Fletcher Neihart
Nachdem der Frieden von Pell erklärt wurde, kehrt Captain James Robert Neihart mit der „Finity’s End“ als Kriegsheld zur Allianz-Station von Pell (s.o.) zurück. Während des Krieges musste er mit Francesca Neihart ein schwangeres Crewmitglied dort zurücklassen, wo sie starb. Ihren verwaisten Sohn Fletcher konnte die „Finity’s End“ nicht mitnehmen. Fletcher wuchs bei wechselnden Pflegefamilien auf – bis er die Downer auf Pells Station kennenlernte. Sie brachten ihm Sympathie entgegen. Er begann ein Studienprogramm, das ihn nach Downbelow bringen sollte, damit er dort die Downer Patch und Melody wiedersehen konnte. Es ist ihm hervorragend gelungen, so sehr, dass er gar nicht mehr wegwill: die Downer / Hisa sind seine Ersatzfamilie geworden.
Rückkehr
Neihart hat noch ein zweites Anliegen, das er mit Elene Quen, der maßgeblichen Stationsvorsteherin, und ihrem Mann Damon Konstantin bespricht. Er will dem Schmuggel ein Ende bereiten, der die Erdflotte Mazians mit Gütern versorgt. Um den Kauffahrer-Schmugglern einen entsprechenden Anreiz zu liefern, sollen alle Stationen ihre Steuern um zehn Prozent senken – ein Haufen Geld. Elene Quen verlangt von ihm im Gegenzug, den Bau eines Pell-Handelsschiffes zu unterstützen. Denn wenn Pell es nicht tut, wird es die Union tun. Sie kommen ins Geschäft und sogar der Prozess um Fletcher Neihart wird beigelegt – für 14 Mio. Verrechnungseinheiten – einen Haufen Geld also.
Denn die Neiharts wollen ihren verlorenen, inzwischen verwaisten Vetter Fletcher wieder zurückhaben. Er soll die leeren Ränge wieder auffüllen – er ist geradezu wertvoll. Doch der siebzehnjährige Downer-Spezialist ist nun glücklich bei der Arbeit mit Downbelows Ureinwohnern, den sanften, mystisch veranlagten Hisa. Er hat sogar eine Freundin aus den Stationsfamilien, Bianca.
In den Weltraum gezerrt zu werden, ist echt das Letzte, was er will. Deshalb haut er erst einmal drei Tage lang ab. Als man ihn endlich auf die Station geschafft hat, muss die „Finity“ fünf Tage Liegegebühren zahlen – ein hübscher Batzen Geld, den sich der Kapitän Fletchers Rückkehr kosten lässt. Nur weil ihm Elene Quen in einem Jahr die Rückkehr nach Pell verspricht, geht Fletcher halbwegs freiwillig an Bord.
Auf der Finity’s End
Es wird eine Wiedervereinigung mit einem Zuhause, das er nie gekannt hat. Nach einer familienlosen Zeit ist er nun umgeben von Verwandten, allesamt schlachtenerprobte Fremde, die andersartiger als die nichtmenschlichen Hisa sind, waren sie doch noch nie auf einem Planeten zu Hause.
Da ist beispielsweise sein einen Monat älterer Cousin Jeremy, ein heldenverehrender „Zwölfjähriger“ (der aber in Wahrheit schon 17 ist) mit einem Killerinstinkt; oder JR, der Juniorkapitän, der auf die Nachfolge des Captains vorbereitet wird; und Madelaine, die Schiffsanwältin, und zugleich Fletchers Urgroßmutter.
Und umgekehrt müssen sich die Neiharts mit einer widerspenstigen Geisel abfinden, die ihren Namen und ihre Gesichtszüge trägt, aber nichts von ihrer Geschichte, ihren Bräuchen oder Leben weiß. JR warnt Fletcher eindringlich, sich querzulegen. Wird sich Fletchers Verstand unter dem Einfluss der „Sprungdroge“, die den Übergang in den Hyperraum ermöglicht, ebenso verändern wie bei seiner davon abhängig gewordenen Mutter, die daran schließlich zugrundeging?
Risiko
Inzwischen fliegt die „Finity’s End“ in eine Zone voller Konflikt und Gefahr. Nach seinem Bündnis mit Elene Quen schmiedet Kapitän James Robert Neihart ein Abkommen zwischen den Welten, Stationen und Kauffahrern. Die Gegner des Abkommens – die Erd-Flotte und ihre Schmuggler – versuchen mit Hinterhalt und Sabotage, ihn aufzuhalten. Scheitert Neiharts Mission, ist ein zweiter Krieg um Pell unausweichlich.
Am Ende der Reise hängt die Hoffnung auf Frieden an einem seidenen Faden: Ob es JR, Jeremy und der Crew gelingen wird, die Kauffahrer-Ehre zu erhalten? Ob Fletcher, der von einem Geschenk der Hisa geleitet wird, lernen kann, ihnen zu vertrauen und seinen wahren Platz im Universum zu finden? Als die Schmuggler dieses Geschenk der Hisa stehlen, glaubt Fletcher, niemandem mehr vertrauen zu können. Doch er findet Verbündete in eben der Besatzung, der er misstraut hat.
Mein Eindruck
Es ist ungewöhnlich, das eine Romanfigur von Cherryh überhaupt nicht in den Weltraum möchte. Sonst immer wollten sie nicht an Bord des Schiffes bzw. der Station sein, auf dem/der sie sich gerade befanden. Doch die äußere Reise Fletchers korrespondiert mit seiner inneren Reise, da er sich ja abmühen muss, mit der Mannschaft, die seine wahre Familie ist, zurechtzukommen. Hinzukommen noch die Zwänge und Ereignisse an Bord eines Schiffes und auf Raumstationen. Für ihn gibt es kein Happy-End, nur ein Gefühl dafür, wohin er eigentlich gehört – jedenfalls nicht hierher.
Natürlich werden die Probleme des Erwachsenwerdens behandelt: Wegziehen von zu Hause, sich abnabeln – diesmal von Alien-Freunden -, von Gleichaltrigen getriezt werden, eine Nische finden, Verantwortung übernehmen. Die Beziehung zwischen Fletcher und seinem Kabinengenossen ist besonders genau gezeichnet. Und wir lernen die Arbeiten und Bräuche der jungen Besatzungsmitglieder ziemlich genau kennen.
Rückblenden
Während der Raumsprünge, die „Finity“ vollführt, um ihre Waren von Raumstation zu Raumstation zu transportieren, durchlebt Fletcher, der eine von zwei jugendlichen Hauptfiguren, seinen Abschied von Downbelow, Pells Planet, noch einmal. Dabei erfahren wir alles Wesentliche über die Bedeutung des Geisterstocks (siehe Titelbild), den Fletcher von der Ältesten der Hisa geschenkt bekommen hat. Damit hat Satin einen Auftrag verbunden: Fletcher soll in den Weltraum gehen, den sie als einzige Hisa gesehen hat, und dort zum Frieden beitragen. Denn Satin verabscheut wie alle Hisa den Krieg.
Frieden finden
Doch wie soll Fletcher, der wegen des Diebstahls des Geisterstocks voller Zorn und Misstrauen ist, selbst Frieden finden? Mehrere harte Schlägereien, in die er sich verwickelt, geben dazu nicht gerade großen Anlass. Als sich zeigt, dass an der Aufklärung dieses Diebstahls nicht nur der innere Schiffsfrieden, sondern die äußere Ehrbarkeit und Glaubwürdigkeit des Schiffes hängen, erhält der Geisterstab eine symbolhafte Bedeutung, die zwingend erforderlich macht, dass der Dieb gefunden und der Stab wiederbeschafft wird, sollen die separaten Missionen Fletcher und der „Finity“ von Erfolg gekrönt sein.
Finale
In einem actionreichen, dramatischen Finale auf der Esperance-Station fallen die Enden dieser beiden Missionen überein, so dass die Spannung, die bis zuletzt geherrscht hat, endlich aufgehoben wird – und Fletcher einen wertvollen Beitrag zu James Roberts Unterfangen, die Allianz zu einen, liefern kann.
Der zweite Held
Der Roman wäre ein simples Jugendbuch, dessen Handlung in ferner Zukunft spielt, gäbe es da nicht auch JR, also den Juniorkapitän, der der Nachfolger des Alten Mannes werden soll. JR hat das Kommando über die „Seniorjunioren“, die unter Verdacht stehen, den Geisterstab gestohlen zu haben. Doch keiner von ihnen gibt sich als Dieb zu erkennen, was JRs Position keineswegs vereinfacht.
Mit JR erhalten wir Einblick in die schwierigen Verhandlungen der „Finity“ mit vielen Parteien: den anderen Kauffahrern, den Stationen, der Union – und schließlich mit zwielichtigen Elementen, die möglicherweise für Mazians Flotte arbeiten. Folglich wimmelt es in den JR-Kapiteln von Namen, die dem Leser an den Kopf geworfen werden. Da heißt es den Überblick behalten. Mehrere Male bin ich an dem ersten solcher Kapitel gescheitert und musste das Buch neu anfangen. So dauerte das Lesen – mit langen Pausen – rund 16 Jahre, von 1997, als ich das Buch in USA kaufte, bis heute.
Hinzukommt, dass die inhaltlichen Ähnlichkeiten zu dem Jugendroman „Tripoint“ und zu der Mini-Space-Opera „Kauffahrers Glück“ unübersehbar sind. Das steigert nicht gerade die Neugier auf den Inhalt. Doch letzten Endes lohnt sich die Lektüre für den geduldigen leser, der herausfinden möchte, ob Fletcher überlebt – oder ob er jemals seine Bianca in die Arme schließen wird.
Schwächen
Die weit ausgebreitete Zivilisation, die Cherryh beschreibt, erscheint irgendwie altmodisch, wie aus den 50ern oder 60ern. Man erinnert sich an „Denn sie wissen nicht, was sie tun“ und ähnliche Rebellenfilme mit verknöcherten Familienwerten und -strukturen. Fletcher muss sich mit den Werten und Bräuchen der Spacer und Kauffahrer auseinandersetzen, er muss seinen Platz finden – will er zurück nach Downbelow bzw. auf eine Station, oder gehört er ins All zu den Kauffahrern?
Das Allianz-Union-Universum wirkt technisch zwiegespalten. Einerseits stammt Cherryhs EDV-Technik aus der IBM-Ära, mit Zentralrechnern und Terminals, von Kognitionswissenschaft und Neurologie findet sich hier nichts. Dagegen hat sie das weite Feld der Gentechnik intensiv in „Cyteen“ und „Regenesis“ beackert, wo Klone in Massen produziert werden – nicht ohne erhebliche Probleme zu zeitigen.
Die von Medikamenten geförderte Verjüngung spielt eine wichtige Rolle, um Leuten wie James Robert Neihart sr. zu einer Lebenszeit von 149 Jahren zu verhelfen – hinzukommt noch die Zeit, die durch die Sprünge im Verhältnis zu den Stationen gewonnen wird. In vielerlei Hinsicht existieren die Raumfahrer nach eigenen Gesetzen. Fletcher weiß, dass nach sechs Monaten relativer Zeit sein Kontakt zur lieben Bianca nur noch sehr dünn ist.
Was dem Roman völlig fehlt, ist eine Hoffnung gebende Liebesgeschichte. In einem Prozess der Abnabelung und Reifung entwickelt Fletcher vielmehr eine Zuneigung zu seinem Schiff und den Juniorjunioren, über die er die Aufsicht hat. Aber selbst JR hätte doch eine Liebesaffäre beginnen können, kann man fordern. Doch eine Liebesaffäre unter lauter Cousins hat leider etwas ziemlich Anrüchiges an sich.
Unterm Strich
Wenn man schon – mit langen Pausen – 16 Jahre für ein Buch wie dieses braucht, sollte man auch ordentliche Unterhaltung erwarten dürfen. Damit ist es allerdings nicht weit her. Es gibt keine Raumschlachten, keine Überfälle, und Action gibt es entweder nur in Faustkämpfen oder ganz am Schluss.
Mit dem jugendlichen Helden Nr. 1, Fletcher Neihart, konnte ich ob seines geringen Alters nur begrenzt identifizieren; hier werden junge leser sicherlich besseren Zugang haben. Was die Handlung richtig komplex und erwachsen macht, ist indes der Handlungsstrang, den JR, der Juniorkapitän, bestreitet. Er hat keine eigene Agenda außer dem Aufstieg im Rang, sondern reagiert zunehmend auf das, was Fletcher und dessen Freund Jeremy anstellen. Das wirft kein gutes Licht auf ihn, und dass er keine Liebesgeschichte anfängt (die das Buch NOCH länger gemacht hätte), lässt JR emotional ziemlich blass erscheinen.
Der Eindruck einer quasi schizophrenen Handlung, deren zwei Ebenen einander hätten ergänzen sollen, verhalf mir nicht gerade zu gesteigertem Interesse. Am Schluss wollte ich das Buch nur noch hinter mich bringen und quälte mich in 50-Seiten-Sprüngen wie ein Raumfahrer von Station zu Station. Das letzte Kapitel ist mit guter Action vollgepackt, aber zuwenig, um für den mühseligen Rest zu entlohnen.
Gebundene Ausgabe: 471 Seiten
Sprache: Englisch
Der Autor vergibt: