C. J. Cherryh – Hestia

Zwischen zwei Welten: Besucher, Verräter, Vermittler

Der Ingenieur Sam Merritt soll auf dem Planeten Hestia einen Damm bauen. Die menschlichen Kolonisten versprechen sich davon, endlich dem engen Flusstal, in dem sie unter ärmlichen Bedingungen leben, zu entkommen. Schnell stellt Merritt fest, dass ein Damm die katzenartigen Ureinwohner des Planeten zur Umsiedlung zwingen würde.

Als bei einem Unfall eine junge Eingeborene verletzt wird, kümmert Merritt sich um sie. Nach und nach lernt er ihre Kultur kennen – und sieht, welche Bedrohung ihr Bauprojekt für die Aliens darstellt. Dier Kolonisten bestehen jedoch darauf. Sam muss sich etwas einfallen lassen, wenn er beide retten will … (Verlagsinfo)

Der Kurzroman „Hestia“ (1979) erschien auf Deutsch im Heyne Science Fiction Jahresband 1982, illustriert mit Zeichnungen von John Stewart. Hestia war die griechische Göttin des Herdes und des Herdfeuers, wie die Historikerin Cherryh sehr wohl wusste. Hestia wurde bei jedem Essen zuerst mit einem Gebet bedacht, auch von Gästen. Im Gegensatz zu ihrer römischen Nachfolgerin Vesta, einer Staatsgöttin, war Hestia eine Familien- und Hausgöttin. Allerdings gibt es zu ihr keine Mythen.

Die Autorin

Caroline Janice Cherryh, geboren 1942 in St. Louis, ist von Haus aus Historikerin und lebt in Oklahoma. Sie erhielt schon 1980 ihren ersten Science-Fiction-Preis für ihre umwerfende Novelle „Kassandra“***. 1983 folgte der erste HUGO Award für „Pells Stern“, später ein weiterer für „Cyteen“. Beide Romane gehören zu ihrem Allianz-Union- bzw. PELL-Zyklus, der eine Future History darstellt, wie sie schon von anderen Größen des Science Fiction-Feldes geschaffen wurde, darunter Robert A. Heinlein oder Isaac Asimov.

***: Die Story ist jetzt im Sammelband „The short fiction of C.J. Cherryh“ (Januar 2004) zu finden.

Wichtige Romane und Trilogien des Allianz-Union- bzw. PELL-Zyklus:

„Downbelow Station“ („Pells Stern“): PELL 1
„Merchanter’s Luck“ („Kauffahrers Glück“): PELL 2
„40.000 in Gehenna“ (dito): PELL 3
„Rimrunners“ („Yeager): PELL 4
„Heavy Time“ („Schwerkraftzeit“): PELL 5
„Hellburner“ („Höllenfeuer“): PELL 6
„Finity’s End“ („Pells Ruf“): PELL 7
„Tripoint“ (dito): PELL 8

„Cyteen“ (3 Romane im Sammelband „Geklont“)
„Serpent’s Reach“ („Der Biss der Schlange“)
„Cuckoo’s Egg“ („Das Kuckucksei“)
Die DUNCAN-Trilogie „Die Sterbenden Sonnen“: Kesrith; Shon’jir; Kutath.
Der CHANUR-Zyklus: Das Schiff der Chanur; Das Unternehmen der Chanur; Die Kif schlagen zurück; Die Heimkehr der Chanur; Chanurs Legat.

Handlung

Der Name des regelmäßig überfluteten Planeten Hestia weist auf die Notwendigkeit der ersten Voraussetzung für erfolgreiche menschliche Ansiedlungen hin: das Herdfeuer, Trockenheit, schützende Wärme. Leider wird die menschliche Bevölkerung, die sich hauptsächlich im Hauptstromtal niedergelassen hat – weil die einheimische intelligente Spezies ihr das Vordringen auf die Höhen verwehrt – jeden Frühling beinahe weggeschwemmt: Die Schmelzwasser des Stroms spülen die Haustiere und Hütten ebenso weg wie die Bodenkrume.

Sam

Nach 100 Jahren Siedlung sieht es für Hestia ziemlich mies aus. Die Kolonialbeamten der Erde machen sich „vom Acker“. Als ihr Chef, Sam Merritt, die Gelegenheit nutzen will, die ein Sternenschiff mit seiner früheren Geliebten Lilith bietet, verwehrt ihm der lokale Gouverneur Lee die (illegale) Abreise und zwingt ihn, noch mindestens ein Jahr Hestia sein Ingenieurswissen zur Verfügung zu stellen. Merritt muß widerwillig mitmachen und fährt den Strom hinauf, in einem Boot, das von Amos Selby und seinem unehelichen Sohn Jim gesteuert wird.

Meg

In Burns Station lernt er die Tochter des Hauses, die hübsche Meg, kennen. Er erklärt ihr jedoch, dass aus ihnen beiden wohl nichts unter den aktuellen Umständen werden würde. Sie ist Hestianerin, und er hat seinen Platz noch nicht gefunden. An der Grenze zum wilden Teil Hestias soll Sam mit einem Damm die Wasser des Stromes zähmen. Der Bau des Damms wird jedoch von den intelligenten Ureinwohnern sabotiert, so dass der Bau zahlreiche Opfer an Menschen, Vieh, Hunden und Material fordert.

Sazhje

Eines Tages gelingt es Sam und Jim, ein Weibchen einzufangen. Sie nehmen Sazhje gegen den Widerstand der Grenzsiedler in ein Zimmer des Haupthauses mit und ketten sie an. Eine Art inter-rassischer Kommunikation sowie Verständnis kommt in mehreren Wochen zustande. Als der Widerstand zu groß wird, muss Sam Sazhje wieder freilassen, obwohl die anderen sie lieber tot sehen würden. Er trifft sie weiterhin im Wald und schläft mit ihr. Meg ist ebenso abgestoßen von Sams Verhalten wie die anderen Grenzer.

Sprengstoff

Beim Versuch, Sazhjes Volk vor den Folgen des Damms zu warnen – der Stausee wird seinen Lebensraum überfluten – wird er von ihrem Volk gefangengenommen. Heftige Diskussionen und Mordversuche bedrohen sein Leben. Man nimmt ihn zu der Truppe von Ghair mit, der zahlreiche Grenzer getötet hat. Ghair hat Sprengstoff erbeutet und will den Damm sprengen, so dass die Grenzer am Strom ertrinken würden. Es geht also auf beiden Seiten um „Sie oder wir“.

Sam kann zurück zu den Menschen fliehen. Zusammen mit Amos und Jim kann er fast den Anschlag auf den Damm vereiteln, doch der Damm bricht und ertränkt dabei Ghairs Volk. Sazhjes Stamm bietet jedoch den Grenzern nun Land am ungefährdeten Oberlauf an. Eine friedliche Koexistenz liegt im Bereich des Möglichen.

Epilog

Sam verzichtet in Hestias Hauptstadt auf das Recht auf den Abflug in einem Sternenschiff und reist mit Meg und Jim zurück zur früheren Grenze, nach Burns Station. Sie kommen an einem angelnden Ureinwohner vorbei, der sich in die nunmehr verlassenen Menschengebiete vorgewagt hat. Genau ein Jahr ist vergangen, seitdem Sam diesen Strom erstmals hinauffuhr.

Mein Eindruck

„Hestia“ zeigt ganz klar bereits in den Anfangskapiteln die krassen Unterschiede zwischen Erdgeborenen, Hestiasiedlern und Sternenfahrern auf. Ihr geistigen Einstellungen sind inkompatibel. Sternenfahrer würde niemals mit den verachteten Weltlingen siedeln, und Erdgeborene sind zu vernünftig und finanzbewusst, um die heimatverbundenen, sturen Hestianer wirklich verstehen zu können. Und für die Hestianer sind die Sternenfahrer entweder Ausbeuter oder völlig Fremde, die bald wieder verschwinden.

Und dann sind da noch die Nichtmenschen. Für sie geht es ebenso wie für die Kolonisten um das nackte Überleben, sollte Sam den Damm fertigstellen. Erst als Sam gegen alle Widerstände die Verständigung mit Sazhjes Volk gelingt, gibt es für die Grenzer wie auch für das Volk wieder eine Perspektive, an die vorher niemand zu glauben gewagt hat.

Schwache Übersetzung

Zwischen den Kapitel 4 und 5 gibt es eine auffällige Lücke in der Entwicklung der Beziehung zwischen Sam und Meg. Begrüßten sie sich in Kap. 4 noch oberflächlich, so küssen und umarmen sie sich in der nächsten Szene bereits wie ein Liebespaar. Hier wurde anscheinend gekürzt. Auch der Stil der Übersetzung weist einige – typisch deutsche – Fehler auf.

Unterm Strich

In „Hestia“ ist Cherryh eine spannende Grenzer-Story gelungen, in der die Sackgasse der gewaltsamen Konfrontation überwunden wird. Die Grenzer-Atmosphäre gelang ihr nochmals in den Romanen „Rider at the Gate“ (1995) und „Cloud’s Rider“ (1996). Die Übersetzung wird der Vorlage nur unvollkommen gerecht.

E-Book
Dateigröße: 724 KB
Seitenzahl der Print-Ausgabe: 186 Seiten
www.heyne.de

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