Cajus Bekker – Verdammte See. Ein Kriegstagebuch der deutschen Marine

Tragödien und Possenspiele

In diesem »Kriegstagebuch der deutschen Marine«, das 1971 viele Monate lang an der Spitze der Bestsellerlisten stand, werden die Höhepunkte des Marine-Kampfes im Zweiten Weltkrieg geschildert. Dabei stützt der Autor sich auf die amtlichen Kriegstagebücher, von denen viele erst in jüngerer Zeit an deutsche Stellen zurückgegeben wurden… (Verlagsinfo)

Der Autor

Cajus Bekker (* 12. August 1924 in Düsseldorf; † 10. März 1975; eigentlich Hans Dieter Berenbrok) war ein deutscher Journalist und Marine-Schriftsteller. (Quelle: Wikipedia.de)

Hans Dieter Berenbrok wuchs in Hamburg auf und trat 1943 in die Kriegsmarine ein, wo er als Marine-Nachrichtenoffizier (Funkoffizier) diente und bei Kriegsende den Rang eines Oberfähnrichs innehatte. Nach dem Kriege arbeitete Berenbrok als Nachrichtenredakteur und Reporter für verschiedene Zeitungen und Zeitschriften. 1953 veröffentlichte er unter dem Pseudonym Cajus Bekker sein erstes Buch, Kampf und Untergang der Kriegsmarine. Ein Dokumentarbericht in Wort und Bild, dessen Inhalt er aus zahlreichen, in Privathand befindlichen Aufzeichnungen und unzähligen persönlichen Befragungen zusammengetragen hatte, da deutsche Akten sich damals noch im Gewahrsam der Siegermächte befanden.

Das Buch wurde 1956 im Rahmen einer Propagandakampagne der Regierung Adenauer zusammen mit weiteren Werken an 460 Jugenddörfer und Jugendheime kostenlos verteilt, um „bei der Jugend den Wehrgedanken zu fördern und ihr die Einordnung der neuen deutschen Streitkräfte in die Verteidigungsallianz der Atlantischen Gemeinschaft verständlich zu machen.“

Ab 1955 war Berenbrok Lektor und Redakteur für das Marine-Programm des Gerhard Stalling-Verlages (Oldenburg/Hamburg), wo er auch als Autor Cajus Bekker aktiv blieb. Berenbrok nutzte auch seine Reserve-Übungen (als Korvettenkapitän d. Res.) bei der Bundesmarine, um sich im Militärgeschichtlichen Forschungsamt bzw. im Bundesarchiv-Militärarchiv in Freiburg mit den von Großbritannien zurückgegebenen deutschen Kriegsmarineakten zu beschäftigen. (dito)

Publikationen

Sponholtz-Verlag, Hannover

1953: „Kampf und Untergang der Kriegsmarine. Ein Dokumentarbericht in Wort und Bild“, 278 S.
1956: „… und liebten doch das Leben. Die erregenden Abenteuer deutscher Torpedoreiter, Froschmänner und Sprengbootpiloten“, Hannover, 236 S.

Stalling Verlag, Oldenburg/Hamburg

1958: „Radar – Duell im Dunkel. Dramatische Höhepunkte der wissenschaftlichen und technischen Kriegführung“, 352 S. (2. verb. Aufl. 1964 unter dem Titel „Augen durch Nacht und Nebel“)
1959: „Ostsee – Deutsches Schicksal 1944/45. Der authentische Bericht vom letzten Einsatz der Kriegsmarine“, 319 S. (2. verb. Aufl. 1964 unter dem Titel „Flucht übers Meer“)
1964: „Angriffshöhe 4000. Ein Kriegstagebuch der deutschen Luftwaffe“, 484 S. (4. Aufl. 1972)
1961: „Die versunkene Flotte. Deutsche Schlachtschiffe und Kreuzer 1925–1945“ (Bildband)
1962: „Flugzeugträger. Giganten der Meere“ (Bildband)
==> 1971: „Verdammte See. Ein Kriegstagebuch der deutschen Marine“
1972: „Das große Bildbuch der deutschen Kriegsmarine“ (Bildband)

Inhalt

In dramaturgisch geschickt eingesetzten Szenen führt Bekker den Leser dicht an das Geschehen heran, der sich somit bereits bald in einem spannenden Roman wähnt. Das ist aber „Verdammte See“ mitnichten. Im ersten Kapitel „Offensiver Anfang“ führt Bekker das Schicksal der „Graf Spee“ vor Augen, blendet dann aber unvermittelt über auf den geopolitischen Hintergrund, vor dem sich das Drama des todgeweihten Panzerschiffes abspielt. (Gleiches passiert beim Untergang der „Bismarck“. Der Autor verweist auf die entsprechende Literatur.)

Hintergrund

Der politische Hintergrund umfasst vor allem das Zusammenspiel der Marineleitung (zunächst Admiral Raeder) einerseits und Oberbefehlshaber (Hitler bis 30.4.45) andererseits sowie den einzelnen Marinegattungen, wie etwa U-Boote und Überwasserschiffe. Schon bald weiß der Leser die einzelnen Kampfhandlungen vor einem Zusammenhang zu sehen, der ihm die Beurteilung erlaubt, ob das Geschehen Erfolg versprechen dürfte oder nicht, ob die gefällten Entscheidungen klug und angemessen waren oder nicht. So erhält man etwa Antworten auf das Rätsel, warum die Invasion von England im Jahr 1940, das großangelegte „Unternehmen Seelöwe“, nicht gestartet wurde.

Am Schluss jedes Kapitels rekapituliert der Autor „Erfahrungen und Lehren“, die aus den dargestellten Ereignissen zu ziehen seien. Ob man diese übernehmen kann, sei dahingestellt. Aber sie verschaffen weiteren Überblick und bieten einen kritischen Ansatzpunkt.

Bloß keine U-Boote!

Zunächst nämlich würgt der Landkrieger Hitler den forcierten Ausbau der U-Boot-Flotte ab, zugunsten des wahnwitzigen „Z-Plans“, der Schlachtschiffe, Kreuzer und sogar Flugzeugträger vorsieht. Schon 1941 ist es mit dem Plan Essig, weil einerseits alle Kräfte für den Russlandfeldzug gebraucht werden und zum anderen die Alliierten den Nachschub abschneiden, vor allem im Mittelmeer. Den wenigen U-Booten gelingt es daher nicht, Englands Lebenslinie, die Konvois aus den USA, sowie den Nachschub nach Russland abzuschneiden. Als genügend U-Boote gebaut werden, 1943, ist die „Schlacht im Atlantik“ aufgrund der technischen Überlegenheit der Alliierten bereits verloren, so die These des Autors.

Bismarck & Co.

Und die Überwasserschiffe? Nach Anfangserfolgen der Kreuzer und Zerstörer legt Hitler nach der Versenkung der „Bismarck“ die Schlachtschiffe an die Kette, wo sie in Frankreich und später in Norwegen Opfer von britischen Luftangriffen werden. Der Untergang der „Scharnhorst“ an Weihnachten 1943 – ihr Wrack wurde erst im Herbst 2000 entdeckt – ist das Tüpfelchen auf dem I. Der Autor lässt kaum ein gutes Haar an der Zusammenarbeit zwischen Luftwaffe (Aufklärung) und Marine (Ausführung), deren Folge Fehlplanung und sogar Selbstzerstörung waren: Ein deutscher Bomber versenkte in der Deutschen Bucht zwei eigene Zerstörer.

Mein Eindruck

Cajus Bekker versuchte 1971, dem Ersterscheinungsjahr dieses Buches, die erste halbwegs zuverlässige und zugleich populäre (!) Geschichte der deutschen Marine im Zweiten Weltkrieg vorzulegen. (Er hatte schon 15 Jahre zuvor eine entsprechende Historie vorgelegt, s.o..) Populär und breiten Massen verständlich ist dieses Buch durchaus, doch ob es auch zuverlässig ist, kann nur der Experte bestimmen.

Immerhin hat sich Bekker in diesem Buch eingestandenermaßen mehrmals gegenüber seinen früheren Publikationen (s.o.) korrigiert, denn ihm war weiteres Material zugänglich geworden, aus englischen Akten und aus Kriegstagebüchern. Wünschenswert wäre nun ein Update nach weiteren 50 Jahren, möglicherweise ergänzt durch Material aus russischen Quellen und Quellen des amerikanischen Geheimdienstes.

Unterm Strich

„Verdammte See“ ist auf weite Strecken spannende Lektüre von Kampfeinsätzen, auf deren anderen Seite auch kluge und kenntnisreiche Reflexion über die historische Entwicklung, vor allem über das Scheitern der meisten Kampfeinsätze („Bismarck“, „Blücher“, „Scharnhorst“ usw.). Den Schluss dieses informativen Buches bilden in einem Anhang von rund 20 Seiten Dokumente über bestimmte Gattungen (Zerstörer, U-Boote), Gefechte (Eismeer etc.), zum „Z-Plan“ usw. Ein Literaturverzeichnis und Namensregister bilden einen nützlichen Abschluss.

Taschenbuch: 383 Seiten
ISBN-13: 9783548030579

www.ullstein.de

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