Eine Geschichte, die einem alten Menschheitswunsch nachjagt. Ein Geheimnis, das über Jahrhunderte gehütet wurde. Ein rätselhaftes Buch, das ein mysteriöses Geheimnis trägt, das die Weltordnung bedroht. Das sind die vielversprechenden Zutaten des spanischen Bestsellers „Das Geheimnis der Schwarzen Bibel“.
Die Geschichte beginnt im 15. Jahrhundert in Toledo. Ein Fremder betritt den Laden des Amtschreibers und Buchhändlers Santiago Díaz und verkauft ihm ein Buch mit einem sonderbaren Messingeinband. Wenig später wird der Fremde ermordet aufgefunden. Santiago Díaz ahnt, dass ein Zusammenhang zwischen dem Tod und dem Buch besteht und stellt zusammen mit Freunden Nachforschungen an. Wenig später ist auch der Buchhändler tot. Doch einem Freund gelingt es, das Buch zu verstecken und sein Geheimnis zu entschlüsseln: Es enthält eine hochkomplizierte Anleitung, die erklärt, wie sich aus einfachem Blei reinstes Gold herstellen lässt.
Das Geheimnis wird innerhalb der Familie weitergereicht, von einer Generation zur nächsten, bis im 17. Jahrhundert die Inquisition darauf aufmerksam wird. Die Familie wird zum Tode verurteilt, doch das Buch bleibt verschollen, bis es fünf Jahrhunderte später bei den Bauarbeiten zu einer Tiefgarage in Toledo wieder auftaucht. Ein spektakulärer Fund, auf den schon bald Geheimdienste und Mafia aufmerksam werden. Jeder jagt dem Buch hinterher und einige sind sogar bereit, dafür über Leichen zu gehen …
Die Rahmenhandlung klingt zunächst ausgesprochen vielversprechend und scheint alle Zutaten zu enthalten, die es für einen spannenden Roman braucht. Ein näherer Blick relativiert das Ganze dann allerdings schon wieder ein wenig. Ein Aspekt, der im ersten Moment noch recht reizvoll erscheint, nämlich das Ausdehnen der Handlung über mehrere Jahrhunderte, sorgt in der Praxis für einen etwas unangenehmen Nebeneffekt. Es gibt haufenweise Figuren, die sich über unterschiedliche Handlungsebenen verteilen.
Drei verschiedene Epochen mit jeweils unterschiedlichen Handelnden, da entsteht natürlich leider auch kaum eine Bindung zwischen Figuren und Leser, auch wenn sich mit Blick auf die Zeitebenen durchaus ein Schwerpunkt ausmachen lässt. Der größte Teil der Geschichte spielt in der Gegenwart, Handlungen aus der Vergangenheit werden eher in Form von ausgiebigen Rückblenden eingeschoben. Dennoch bleiben die unterschiedlichen Handlungsebenen auch eine leichte Schwäche. Bevor man die Figuren richtig kennen lernt, ist die Handlung auch schon eine Epoche weitergewandert, die vermeintliche Hauptfigur aus dem Blickfeld des Lesers verschwunden. Das geht ein wenig zu Lasten der Spannung, denn mit den Figuren mitfiebern kann man auf diese Art nicht so sehr, wie es bei einem richtigen Spannungsroman vielleicht sein sollte.
Der Reiz des Buches liegt sicherlich in seiner Thematik. Man kann sich durchaus lebhaft vorstellen, was passieren würde, wenn irgendwo auf der Welt eine Anleitung auftauchen würde, mit deren Hilfe sich (ohne teure und energiefressende Druck-Hitze-Apparaturen) aus Blei Gold herstellen ließe. Es geht letztendlich um einen der Kernpunkte der Alchimie und José Calvo Poyato spinnt daraus eine Geschichte, die (mal abgesehen von der Möglichkeit, Blei wirklich zu Gold werden zu lassen) gar nicht so unwahrscheinlich klingt.
Er setzt nicht auf übertriebene Action, sondern inszeniert seinen Plot so, dass man sich vorstellen kann, dass die Verhaltsweisen der Figuren und die Entwicklung der Geschichte durchaus im Rahmen des Möglichen liegen. Weder Handlung noch Figuren wirken überzeichnet. Dem entspricht auch die Auflösung der Geschichte. Der ganz große Knalleffekt bleibt aus, aber eben zugunsten eines durchaus zufriedenstellenden und glaubwürdigen Endes.
Dennoch gibt der Plot auch Anlass zur Kritik. Insgesamt wirkt die Geschichte, bzw. wirken die Verwicklungen zwischen den Figuren ein wenig zu einfach gestrickt. Dementsprechend gibt es nur wenige Überraschungen. Einiges lässt sich vorausahnen und man vermutet fast schon intuitiv, wer welche Rolle spielt. Das geht natürlich ebenfalls ein wenig zu Lasten der Spannung. Es ist durchaus interessant, den Verlauf der Geschichte weiterzuverfolgen, aber dennoch fehlt mit Blick auf den Spannungsbogen immer wieder das gewisse Etwas. Durch die vielen Figuren und die Einfachheit des Plots steckt man als Leser letztlich nicht so tief in der Geschichte drin. Man ist nicht so sehr gefesselt, auch wenn es gerade zum Ende hin natürlich schon recht spannend wird.
Sprachlich betrachtet, wird „Das Geheimnis der Schwarzen Bibel“ durchaus den Erwartungen gerecht. Es zählt eindeutig in die Kategorie leichter Unterhaltungsliteratur und lässt sich flott durchlesen. José Calvo Poyato hält es in sprachlichen Dingen recht einfach und nüchtern, zeigt aber eine Schwäche im Schildern von Emotionen. Manchmal neigt er zu einer etwas abgedroschenen Bildhaftigkeit und zu etwas übertriebenen Steigerungen, wenn seine Figuren emotional werden. Aber da der Roman ziemlich eindeutig zur Kost der leichten Sorte zu zählen ist, kann man das halbwegs verschmerzen.
Was ebenfalls hier und da negativ auffällt, ist die Übersetzung. Alchimie und Alchemie sind zwar zwei zulässige Schreibweisen für ein und dasselbe Wort, aber deswegen sollte man sie vielleicht trotzdem nicht abwechselnd benutzen. Auch Redewendungen wie „eilig herbeigeeilt“ klingen etwas ungeschickt. Glücklicherweise tauchen solche stilistischen Patzer nicht allzu oft auf.
Was bleibt, ist ein durchwachsener Eindruck. Einerseits eine interessante und vielversprechende Thematik, die Neugier weckt, andererseits ein Buch, das die Erwartungen nicht in jeder Hinsicht erfüllen kann. Der Spannungsbogen fällt stellenweise etwas flach aus und durch die zeitlichen Sprünge und die wechselnden Figuren fehlt es ein wenig an Potenzial zum Mitfiebern.
José Calvo Poyatos Geschichte liest sich zwar locker und das Weiterspinnen der Gedanken und Fragen, die das Buch aufwirft, hat durchaus seinen Reiz, dennoch fehlt aufgrund der Einfachheit des Plots irgendwie das gewisse Etwas. Alles in allem ein solider Unterhaltungsroman. Für Freunde historisch angehauchter Spannungsliteratur sicherlich nicht ohne Reiz, dennoch kein Buch, das man so ohne weiteres reinen Gewissens uneingeschränkt empfehlen mag. Ein Buch, das man gerne lesen kann, aber ganz bestimmt nicht unbedingt lesen muss.