Canavan, Trudi – Priester (Das Zeitalter der Fünf 1)

Fantasybücher gibt es wie Sand am Meer, doch nach guten Geschichten und Serien, die einen von der ersten bis zur letzten Seite in den Bann ziehen, sucht man doch etwas länger. Trudi Canavans „Gilde der Schwarzen Magier“ war hier eine höchst erfreuliche Entdeckung, die allerdings nach dem dritten Band ein ziemliches Loch hinterlassen hat. Bevor Canavan nun Prequel und Sequel nachliefert, muss diese Zeit überbrückt werden, und da kommt ihre zweite Fantasyreihe „Das Zeitalter der Fünf“ gerade recht.

_Frauenpower_

Im Mittelpunkt der gesamten Erzählung steht Auraya, die mit dem Traumweber Leiard befreundet ist und von diesem einiges über die Heilkunst der Traumweber lernt. Doch diese Freundschaft wird auf eine harte Probe gestellt, als Aurayas erstaunliche magische Fähigkeiten entdeckt werden und sie fortan als Priesterin lebt. Denn als Priesterin gehört sie einem anderen Glauben an als die Traumweber; sie ist den weißen Göttern unterstellt, die sich fünf Vertreter auf der Erde erwählt haben, nämlich die weißen Priester.

Auraya wird schließlich die fünfte Auserwählte und muss fortan die weißen Götter vertreten, die es allerdings verbieten, die Heilkunst der Traumweber anzunehmen, obwohl deren Heilkunst deutlich mächtiger ist als diejenige der Priester von Ithania. Auraya versucht zwischen den beiden Völkern zu vermitteln und beruft Leiard zu ihrem Berater, der die Vermittlerrolle auf Seiten der Traumweber übernehmen soll. Obwohl die Verbindung vielen ein Dorn im Auge ist, fühlen sich Auraya und Leiard immer mehr zueinander hingezogen und beginnen bald eine leidenschaftliche Affäre.

Diese wird jedoch unterbrochen, als schwarze Magier auftauchen, die dem Volk der Pentadrier gehören. Diese glauben an andere Götter und sind deswegen mit Nord-Ithania verfeindet, dessen Bewohner davon ausgehen, dass sie an die einzig wahren Götter glauben. Die weißen Priester stellen sich den schwarzen Magiern und müssen erschrocken feststellen, dass sie ihnen kräftemäßig unterlegen sind. Ein Krieg zwischen den verfeindeten Völkern bahnt sich an, für den die Anhänger der weißen Götter dringend Verbündete brauchen.

Zu diesem Zweck reist Auraya, die auf der Flucht vor einem Pentadrier die Kunst des Fliegens erlernt hat, zum Volk der Siyee. Die Siyee sind ein kleines, zartes Völkchen, das von der Göttin Huan erschaffen wurde und nun im unwirtlichen Land Si lebt, das zu Fuß nur schwer zu erreichen ist. Doch nun werden die Siyee von Landgängern bedroht, die Si erreichen und die Siyee bedrohen. Diese können sich allerdings nur schlecht wehren, denn ihre Körper sind so zart und ihre Flügel so zerbrechlich, dass sie kaum fliegen, geschweige denn dabei mit Waffen hantieren können. Der Siyee Tryss will dies allerdings ändern; er entwirft einen Harnisch, der so leicht ist, dass er damit immer noch fliegen kann, der ihm aber das Mitführen einer Waffe ermöglicht. Doch besonders seine Cousins verspotten Tryss und glauben nicht an seinen Erfolg. Nur die hübsche Drilli, in die nicht nur Tryss, sondern auch seine verhassten Cousins verliebt sind, glaubt an Tryss und unterstützt ihn sogar mit eigenen Ideen. Was die beiden noch nicht ahnen, ist allerdings, dass ihnen bald ein Krieg drohen könnte, der den Harnisch erforderlich machen wird. Auraya fliegt also zu den Siyee und gewinnt nach und nach die Sympathien des Volkes, das sie schließlich von einer Allianz mit dem Volk der Weißen überzeugen kann. Ein weiteres Volk, das im Wasser lebt, soll Auraya vor Ausbruch des Krieges noch zu einer Allianz überzeugen, doch bei ihnen nützt ihr die Fähigkeit des Fliegens nicht, sodass ihr Auftrag noch deutlich schwieriger ist als bei den Siyee.

In einem weiteren Handlungsstrang lernen wie eine Zauberin kennen, die den Traumwebern angehört. Emerahl ist eine mächtige Heilerin, die sich aber bald von den Priestern verfolgt findet. Nur knapp kann sie ihren Widersachern entkommen, indem sie ihren eigenen Tod vortäuscht. Um ihr Leben wieder aufnehmen zu können, verzaubert sie sich in eine junge, gutaussehende Frau mit feurigen roten Haaren. Da sie nun nicht länger Heiltränke verkaufen kann, um die Priester nicht erneut auf ihre Spur zu locken, beschließt Emerahl, als Prostituierte zu arbeiten. Dank ihres neuen verjüngten Äußeren wird bald die Besitzerin des renommiertesten Bordells auf sie aufmerksam, die Emerahl – die ihren Namen bald in Jade ändern muss – davon überzeugt, im Bordell zu arbeiten. Dort avanciert sie schnell zur beliebtesten Prostituierten, aber insgeheim plant sie längst ihre Flucht, die jedoch vom Krieg noch erschwert werden wird …

_Krieg und Frieden_

Die Messlatte liegt hoch; Trudi Canavan hat bereits bewiesen, dass sie hervorragende Fantasybücher schreiben kann, dass sie Fantasie besitzt, interessante Charaktere mit Ecken und Kanten zeichnen und eine ganz eigene Welt entwerfen kann. Umso spannender war für mich die Frage, ob sie dies auch in ihrer zweiten Serie schafft und ob diese sich dann auch noch von der Gilde der Schwarzen Magier abheben kann, wo all die Charaktere mitspielen, die mir im Laufe von drei Büchern so sehr ans Herz gewachsen sind.

Zunächst fallen allerdings die Parallelen auf: Auraya ist genau wie ihre „Vorgängerin“ Sonea rebellisch, sie verfügt zwar über außergewöhnliche magische Fähigkeiten, aber trotzdem lässt sie sich nicht in einen Käfig zwängen; sie will sich ihre Freunde selbst aussuchen und nimmt es dabei auch in Kauf, anzuecken und sich Feinde zu machen. Gegen den Willen der Götter und der anderen weißen Priester lässt sich Auraya auf eine Affäre mit Leiard ein, die sie zwar anfangs noch geheimhalten kann, die aber natürlich zwangsläufig auffliegen muss und dann für einen großen Skandal sorgt. Die Parallelen hören allerdings glücklicherweise bald auf: Bei Auraya überspringen wir die Jugend, sodass nahezu das gesamte Buch in einer Zeit geschrieben ist, in der sie zwar noch viel lernen muss, in der sie aber bereits über große Fähigkeiten verfügt und die Götter sie unsterblich gemacht haben. Dass sie allerdings immer noch verwundbar ist, muss Auraya schnell schmerzhaft erfahren, als sie dem ersten Pentadrier gegenübertritt.

Obwohl der vorliegende Band erst der Einstieg in die Reihe „Das Zeitalter der Fünf“ ist, droht schon früh ein großer Krieg zwischen den Weißen und den Pentadriern. Die Vorstellung der verschiedenen fantastischen Völker und die Zeichnung der Charaktere ist folglich geprägt von der nahenden Kriegsgefahr, in der die handelnden Figuren auf der Jagd nach Verbündeten sind, die das Zünglein an der Waage sein könnten. Besonders hervorzuheben sind hier die Siyee, die Canavan ausgesprochen liebevoll und zeitintensiv präsentiert. Schon lange, bevor Auraya sich nach Si aufmacht, lernen wir Tryss und sein Volk kennen, das an der Macht der Götter zu zweifeln beginnt, weil Huan sie so verletzlich und schwach gemacht hat, dass sie eher eine verunglückte Ausgeburt der Götter zu sein scheinen. Doch Auraya ist sofort fasziniert von den Siyee, die zwar nie große Krieger sein können, allerdings ihren Beitrag leisten wollen (und werden!). Das Wasservolk dagegen, das Canavan anschließend vorstellt, erreicht lange nicht die Faszination der Siyee und spielt im weiteren Verlauf des Buches auch keinerlei Rolle; warum Auraya dieses Volk also aufsuchen musste, ist mir bis zum Schluss des ersten Bandes ein großes Rätsel geblieben, und ich kann mir auch kaum vorstellen, dass sich das noch einmal ändern wird.

_Auf in den Kampf_

Verwundert hat mich, dass Trudi Canavan die Weichen so früh stellt und Nord-Ithania so schnell von dunklen Magiern bedroht wird, denn in der |Gilde der Schwarzen Magier| hat es deutlich länger gedauert, bis schwarze Magie zum großen Thema wurde. Allerdings kommt so trotz der ausschweifenden Beschreibungen und all der vielen Details, die Canavan in ihre Geschichte hineinstrickt, kaum Langeweile auf. Denn zwischendurch verlangt die Autorin zugegebenermaßen einen ziemlich langen Atem von ihren Lesern. Ihre Erzählung teilt sie ein in drei Haupthandlungsstränge, von denen nur einer Auraya begleitet. Der zweite Handlungsfaden handelt von Tryss und seiner Erfindung, seinen Problemen mit seinen Cousins und der aufkeimenden Liebe zwischen ihm und Drilli. Der dritte Handlungsstrang widmet sich der Traumweberin Emerahl, die so alt ist, dass sie sogar noch den berühmt-berüchtigten Traumweber Mirar kennt, der bereits vor einiger Zeit von den weißen Göttern besiegt wurde. Doch auch Mirar findet seinen Eingang in die Geschichte, denn in Leiards Person schlummert noch eine zweite, nämlich die von Mirar. Oftmals spricht Mirar wie ein zweites Ich zu Leiard, allerdings wird Mirar im Laufe der Zeit immer stärker, sodass er später sogar die Kontrolle über Leiard übernehmen, für ihn sprechen und handeln kann.

Welche Rolle Mirar und Emerahl in der weiteren Geschichte einnehmen werden, ist bislang unklar; Trudi Canavan nimmt sich zwar viel Zeit, um Emerahl detailliert vorzustellen und ihre Geschichte zu erzählen, doch am eigentlichen Geschehen ist sie niemals beteiligt, sodass wir auf ihren großen Auftritt noch warten müssen.

_Fantasievoller Einstieg_

Ähnlich wie bei der |Gilde der Schwarzen Magier| nimmt Trudi Canavan sich viel Zeit, um ihre Figuren vorzustellen, die verschiedenen Völker, das unbekannte und fantastische Land, und um ihre Leser auf die Geschichte einzustimmen. So war der gut 800-seitige erste Band kein wirklicher Pageturner, auch wenn wegen des drohenden Krieges früh viel Spannung aufgebaut wird. Was Canavan aber wieder einmal hervorragend gelingt, ist die Tatsache, dass man praktisch sofort weiterlesen möchte, weil man seine neuen Fantasyhelden mitten in der Geschichte verlassen musste.

Dank der liebevollen Charakterzeichnung, einer sympathischen Auraya, die eine sehr unglückliche Beziehung zu Leiard führt, und dank der spannungsgeladenen Atmosphäre animiert „Priesterin“ definitiv dazu, auch gleich zum zweiten Band und dann zum abschließenden dritten zu greifen. Zwar reicht der Einstiegsband dieser Reihe nicht an den dritten Teil der |Gilde der Schwarzen Magier| heran, doch auch Canavans erste Fantasyreihe begann erst ganz gemächlich und steigerte sich dann zu einem unglaublichen Tempo, sodass ich davon ausgehe, dass Canavan auch bei „Das Zeitalter der Fünf“ in den Folgebänden noch ein paar Briketts auflegen wird, denn natürlich wollen wir wissen, wie es mit Auraya weitergeht, ob Leiard Mirar in sich besiegen kann, ob die weißen Götter gegen die Pentadrier gewinnen können und welche Rolle Emerahl im Gesamtgefüge spielt. All diese Fragen sind offen geblieben und ich brenne darauf, die Antworten zu erfahren.

http://www.cbj-verlag.de

|Originaltitel: Priestess of the White (Age of the Five 1)
Originalverlag: Orbit / [Blanvalet]http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/344224479X/powermetalde-21
Aus dem Englischen von Michaela Link
Ab 12 Jahren
Taschenbuch, 832 Seiten, 12,5 x 18,3 cm|

_Trudi Canavan auf Buchwurm.info:_
[„Die Rebellin“ 3041 (Die Gilde der Schwarzen Magier 1)
[„Die Novizin“ 2989 (Die Gilde der Schwarzen Magier 2)
[„Die Meisterin“ 3065 (Die Gilde der Schwarzen Magier 3)