Diane Carey – Neuer Ärger mit den Tribbles (Star Trek: DS9)

Das geschieht:

105 Jahre ist es her, dass der klingonische Spion Arne Darvin von Captain Kirk entlarvt wurde. Von seiner düpierten Regierung fallen gelassen, fristet der Ex-Agent sein Dasein als erfolgloser Kaufmann; Kirk hat er blutige Rache geschworen. Nun bietet sich ihm unverhofft eine Möglichkeit. Darvin erfährt, dass die „Doppelkugel der Zeit“, das Artefakt einer unbekannten Zivilisation, auf den Planeten Bajor gebracht werden soll. Der Auftrag, die Doppelkugel von Cardassia Prime abzuholen, geht an die „Defiant“ unter Captain Sisko von der Föderations-Raumstation „Deep Space Nine“.

Unbemerkt kann sich Darvin Zugang zur Doppelkugel verschaffen. Wie ihr Name bereits verrät, ermöglicht sie Zeitreisen. Darvin aktiviert sie und lässt sich ein Jahrhundert zurück in die Vergangenheit versetzen. Kurz bevor es auf der Raumstation „K-Sieben“ zu dem für sein jüngeres Ich verhängnisvollen Zusammentreffen mit Captain Kirk kommen wird, gedenkt er seinem Feind eine Falle zu stellen.

Inzwischen stellt Sisko fest, was geschehen ist. Um das von Darvin geplante Zeitparadoxon zu verhindern, folgt er ihm mit seiner Crew in die Vergangenheit. Auf der Raumstation „K-Sieben“ gilt es, sich unter den Menschen des 23. Jahrhunderts unauffällig zu benehmen. Dies erweist sich als höchst problematisch; die Tücke des Objekts lässt Sisko und seine Leute immer wieder in brenzlige Situationen geraten.

Die Lage spitzt sich zu, als die „Enterprise“ die Raumstation erreicht. Die Suche nach Darvin entwickelt sich zu einem Wettlauf mit der Zeit. Kirk muss geschützt werden, darf dies freilich nicht bemerken. Sisko hat Glück, denn der misstrauische Kirk ist abgelenkt: Eine Klingonen-Mannschaft auf Landurlaub sorgt für Unruhe auf „K-Sieben“ – und dann sind da noch die Tribbles, jene kleinen, anschmiegsamen Pelztiere, deren phänomenale Vermehrungsrate für zusätzliche Aufregung sorgt …

Legendenbildung auf humorvolle Weise

Im Jahre 1967 schrieb der hoffnungsvolle Nachwuchs-Schriftsteller David Gerrold, der gerade seinen College-Abschluss machte, ein Drehbuch für eine beliebte aber nicht besonders erfolgreiche Fernseh-Serie. Dass „Star Trek“ – die „klassische“ Serie – heute kultisch verehrt wird, sich zu einem modernen Mythos entwickelte und den Grundstock für ein milliardenträchtiges Franchise legte, ist zu einem guten Teil auch Gerrolds Verdienst. Originalität und Witz gingen in seiner Geschichte, die in der zweiten Saison als Folge 45 unter dem Titel „The Trouble with Tribbles“ („Kennen Sie Tribbles?“) ausgestrahlt wurde, eine glückliche Verbindung ein und sorgten dafür, dass diese Episode bei allen Befragungen immer weit oben auf der Liste der beliebtesten Folgen rangierte.

So bot sich dieser Klassiker geradezu an, als es drei Jahrzehnte später darum ging, 30 Jahre „Star Trek“ auf eine ganz besondere Weise zu feiern: Die Crew von „Deep Space Nine“, der 1996 aktuellen Inkarnation der Serie, sollte auf den legendären Captain Kirk und seine nicht minder berühmten Gefährten treffen – freilich nicht auf die gealterten Veteranen des 24. Jahrhunderts, sondern auf die jungen Helden zum Zeitpunkt der ersten Fünf-Jahres-Mission.

Dramaturgisch, vor allem aber technisch stellte diese Jubiläumsfolge (die als „DS9“-Episode 104 mit dem Titel „Trials and Tribble-ations“/„Immer die Last mit den Tribbles“ auf Sendung ging) alle Beteiligten vor enorme Herausforderungen. Zwar war es inzwischen durchaus möglich, alte und neue Film-Szenen zu ‚mischen‘, aber es war noch niemals in diesem Umfang und vor allen nicht im Rahmen einer Fernseh-Serie mit begrenztem Budget und engem Dreh-Plan gemacht worden.

Erfolg und Zweitauswertung

Der Versuch gelang; die aus diversen „Classic“-Episoden ‚herausgestanzte‘ Crew der Original-„Enterprise“ agierte harmonisch und scheinbar gleichzeitig mit der buchstäblich aus der Zukunft stammenden „DS9“-Mannschaft; sogar ein Zwiegespräch zwischen Kirk und Sisko konnte realisiert werden.

Der Beifall des Publikums führte dazu, dass „Trials and Tribble-ations“ als „Buch zum Film“ recycelt wurde. Als Autorin wurde Diane Carey beauftragt, eine Franchise-Veteranin, die zahlreiche Romane für alle Serien geschrieben hatte. Sie kannte sich aus und schaffte es, jenes ‚Feeling‘ zu kreieren, das „Star Trek“ zu einem modernen Populär-Mythos werden ließ.

Ein „Roman zum Film“ („tie-in“ genannt) lehnt sich naturgemäß eng an seine Drehbuch-Vorlage an. Das merkt man dem Endprodukt, das zudem nicht selten unter großem Zeitdruck entsteht, leider oft an. Diane Carey ist eine mittelmäßige Schriftstellerin, deren selbst erfundene „Star-Trek“-Geschichten unter einem fatalen Hang zu kitschigen leiden. Glücklicherweise kann die fleißige Autorin auch anders, wenn sie denn will. Dieses Mal leistet sie gute Arbeit.

Geschickt ‚aufgepolsterte‘ Handlung

„Neuer Ärger mit den Tribbles“ beschränkt sich nicht auf die Nacherzählung der TV-Episode, was wegen der Kürze des Drehbuchs ohnehin nicht möglich gewesen wäre. Stattdessen verquickt Carey auf gekonnte Weise die alte Tribble-Geschichte von David Gerrold (die übrigens selbst – von James Blish – in eine Kurzgeschichte verwandelt wurde) mit der neuen Vorlage von Ronald D. Moore und René Echvarria, die sie sparsam aber geschickt mit eigenen Ergänzungen abrundet. So konnte es in der Fernseh-Folge naturgemäß keine echte Interaktion zwischen den Figuren geben. Im Roman steigert Carey die komödiantische Verwirrung an Bord der „Enterprise“ und von „K-Sieben“, indem sie Kirk, Spock, Scott & Co. ahnen lässt, dass abseits von Klingonen- und Tribble-Ärger etwas Seltsames vorgeht, bevor die Turbulenz der Ereignisse die Gefahr einer Entdeckung von der „Defiant“-Crew immer wieder abwendet.

Auch den Kontrast zwischen Kirk, der historischen Legende des 24., und Kirk, dem Menschen des 23. Jahrhunderts, nimmt Carey mehrfach zum Anlass für humorvolle Exkurse zum Thema Heldenverehrung. Die Autorin steigert die Wirkung, indem sie Kirks oft allzu menschliche Reaktionen auf einige peinliche Zwischenfälle quasi durch die Augen seiner ‚Verehrer‘ aus der Zukunft betrachtet, die staunend zur Kenntnis nehmen, dass auch einer Legende längst nicht alles gelingt.

Gestern und heute – Legende und Realität

Die ironischen Brüche zwischen den „Star-Trek“-Welten der 1960er und 1990er Jahre hat Carey in ihren Roman retten können. Schon klassisch ist die Konfrontation der ‚neuen‘ mit den ‚alten‘ Klingonen, deren ‚Maske‘ sich in den Pappkulissen der „Classic“-Serie auf eine wilde Haar- und Barttracht und einen kuriosen Brustharnisch beschränkte. Zwar wird der Widerspruch nicht aufgelöst, aber er wird mit einer Offenheit, der im „Star-Trek“-Franchise eher selten ist, angesprochen und als Grundlage für einen gelungenen Gag genutzt.

Ebenso verblüffend ist der Anblick von Miles O`Brien und Dr. Bashir inmitten einer Reihe ‚originaler‘ „Enterprise“-Raumfahrer, die von einem wütenden Captain Kirk zusammengestaucht werden. Auch die Rahmenhandlung mit den „Scully“- und „Mulder“-Anagrammen Lucsly und Dulmur von der „Abteilung für Temporale Ermittlung“ der Föderation hat Carey übernommen.

So kann sich Diane Carey zugutehalten, eine gut funktionierende und ‚runde‘ Geschichte aus der hervorragenden Vorlage destilliert zu haben. Ihre Leistung ist umso höher einzuschätzen, als sie auf einen entscheidenden Bonus verzichten musste: Die Rückkehr in die knallbunte, politisch herrlich unkorrekte (man beachte nur die Kostüme der weiblichen Raumfahrer!) Zeit, als „Star Trek“ noch nicht zur Geldmaschine (mit tribblesker Rendite-Rate) mutiert war, kann seine volle Wirkung nur auf dem Bildschirm entfalten.

Eingeleitet wird „Neuer Ärger mit den Tribbles“ durch einen amüsant zu lesenden, längeren Bericht des Tribble-Vaters David Gerrold, der sich an seine Besuche am Set der originalen TV-Episode von 1967 erinnert und (mit typisch amerikanischem Überschwang) von seiner Rückkehr in die Paramount-Studios dreißig Jahre später berichtet; in „Trials and Tribble-ations“ konnte Gerrold endlich nachholen, was man ihm einst verwehrt hatte: ein Auftritt als Statist in ‚seiner‘ Serie!

Autorin

Diane Carey wurde 1954 in Flint, US-Staat Michigan, geboren. Sie besuchte das Alma College und später die University of Michigan, die sie mit einem Master of Arts abschloss. Ihre schriftstellerische Laufbahn begann sie mit Historienromanen und Romanzen, bevor sie Mitte der 1980er Jahre eine besondere, noch junge Nische für sich eroberte und sich auf „tie-in“- Romane zu Filmen und TV-Serien – spezialisierte. Im Rahmen standardisierter Exposés, eines fest stehender Handlungsrahmens und vorgegebener Charakterzeichnungen setzt sie die Abenteuer bekannter und beliebter Figuren fort.

Careys frühen Werke zeigen, dass sie ein Nachtschattengewächs der Fanszene ist. Das „Star-Trek“-Doppel-Debüt „Fortunes of War“ trägt alle Züge einer sog. „Mary-Sue“-Schmonzette: Carey projiziert spätpubertären Mädchenträume in die „Star-Trek“-Welt, wo sie die Rolle eines jungen Lieutenants übernimmt, die den großen Kapitän Kirk anschmachtet, ihn aus mancher Bredouille rettet und dafür mit seiner Liebe belohnt wird.

Diesen Drang hat sie unter Kontrolle bekommen. Heute ist Carey ein Rädchen, das rund und ohne Blockaden läuft, wie es das hochkommerziell ausgerichtete Franchise schätzt. Sie hat Romane zu allen Fernsehserien geschrieben und einige neue, speziell für den Buchmarkt entworfene „ST“-Mini-Serien (u. a. „New Earth“ und „Gateways“) mitgestaltet. Carey liefert termingerecht sauber gedrechselte Texte ab, die niemals originell sind, weil sie es nicht sein dürfen, um die „arcline“ – die fiktive Chronologie und Chronik des „Star-Trek“-Universums – zu wahren.

Ein zweites berufliches Standbein besitzt Carey, die seit 1993 mit ihrer Familie (Gatte Gregory Brodeur liefert ebenfalls „Star-Trek“-Romane) in Owosso, Michigan, lebt, in ihrer Firma „Falconbane Historic Events and Weddings“.

Taschenbuch: 186 Seiten
Originaltitel: Trials and Tribble-ations (New York : Pocket Books 1996)
Übersetzung: Uwe Anton
http://www.randomhouse.de/heyne

eBook: 592 KB
ISBN-13: 978-3-641-11552-4
http://www.randomhouse.de/heyne

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