Die Dreiflüssestadt nach dem Day After
Nach einer großen Seuche hat die uns bekannte Zivilisation aufgehört zu existieren. Nur wenige Menschen überlebten, und einige von ihnen verschanzten sich in der strategisch gut gelegenen Stadt Passau um die entscheidenden Weichenstellungen vorzunehmen, die das Überleben der Menschheit sichern. (Verlagsinfo)
Wie wäre die Entwicklung der Zivilsation verlaufen, wäre Mitteleuropa durch eine große Seuche entvölkert worden? Hätte man die Dampfmaschine neu erfunden? Oder wäre alles den Bach runtergegangen? Carl Amery erzählt seine eigene humorvolle Variante, die gespickt ist mit ironischen Seitenhieben auf bayerische Eigenarten und mit witzigen Einfällen.
Anlässe
Ich hatte das Vergnügen, Carl Amery 1987 in Esslingen am Neckar lesen zu hören. Mein Exemplar seines Buches ist daher wohl eines der ältesten signierten. Er selbst damals bereits 65 Jahre alt, sah aber aus wie 50. Diese seine Novelle entstand, weil er sich nach der Lektüre des Romans „Lobgesang für Leibowitz“ von Walter M. Miller angeregt fühlte, ebenfalls ein Post-doomsday-Thema anzugehen, natürlich auf seine unnachahmlich bayerische Weise.
Der Autor
Carl Amery (Pseudonym von Christian Anton Mayer; * 9. April 1922 in München; † 24. Mai 2005 ebenda) war ein deutscher Schriftsteller und Umweltaktivist.
Er war Mitglied der Gruppe 47, 1976/77 Vorsitzender im Verband deutscher Schriftsteller (VS) und von 1989 bis 1991 Präsident im PEN-Zentrum Deutschland. Von 1967 bis 1974 war Amery Mitglied der SPD, nachdem er zuvor der GVP angehört hatte. Später war Amery Gründungsmitglied der Partei Die Grünen beim Bundeskongress der Grünen in Karlsruhe am 13. Januar 1980 und Schirmherr der Wasserallianz München. Als Initiator und Mitbegründer war Amery von 1980 bis 1995 Präsident der E-F-Schumacher-Gesellschaft für Politische Ökologie (München). (Quelle: Wikipedia.de & ff)
Hinweis: Seine Kindheit verbrachte Carl Amery vorwiegend in Passau und Freising, was bedeutet, dass er sich dort wohl gut auskannte und ein kompetentes Buch darüber schreiben konnte.
Im Vorwort nennt Amery den Roman eine „Fingerübung“, zu deren Ausarbeitung ihn der Roman A Canticle for Leibowitz (deutsch: Lobgesang auf Leibowitz) des amerikanischen SF-Autors Walter M. Miller inspiriert habe.
Romane und Erzählungen
Der Wettbewerb. Roman. Nymphenburger Verlagshandlung, München 1954
Die Große Deutsche Tour. Heiterer Roman. Nymphenburger Verlagshandlung, München 1958; mit einem Nachwort 1986: List, München 1986, ISBN 3-7991-6305-0; Heyne, München 1989, ISBN 3-453-03641-7
Das Königsprojekt. Roman. Piper, München/Zürich 1974, ISBN 3-492-02074-7; dtv, München 1978, ISBN 3-423-01370-2
Der Untergang der Stadt Passau. Science Fiction-Roman. Heyne, München 1975, ISBN 3-453-30332-6
An den Feuern der Leyermark. Roman. Nymphenburger, München 1979, ISBN 3-485-00369-7; Heyne, München 1981, ISBN 3-453-30738-0
Im Namen Allahs des Allbarmherzigen. In: Peter Wilfert (Hrsg.): Tor zu den Sternen. Goldmann, München 1981, ISBN 3-442-23400-X
Nur einen Sommer gönnt Ihr Gewaltigen. In: Science-fiction-Jubiläums-Band. Das Lesebuch. Heyne, München 1985, ISBN 3-453-31112-4 (erhielt den Kurd-Laßwitz-Preis)
Die starke Position oder Ganz normale MAMUS. Acht Satiren. List, München 1985, ISBN 3-7991-6247-X; Heyne, München 1990, ISBN 3-453-04196-8
Die Wallfahrer. Roman. List, München 1986, ISBN 3-7991-6241-0; Heyne, München 1989, ISBN 3-453-03276-4
Das Geheimnis der Krypta. Roman. List, München 1990, ISBN 3-471-77019-4; Heyne, München 1992, ISBN 3-453-05650-7
Mehr Infos in der Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Carl_Amery
Handlung
Eine nicht näher bezeichnete Seuche hat weltweit fast alles menschliche Leben vernichtet. Nur etwa fünfzigtausend Menschen sind in Europa am Leben geblieben. Die Stadt Passau, zentral am Zusammenfluss dreier Flüsse gelegen, wird zum neuen Machtmittelpunkt, in dem der „Scheff“ mit seinen Leuten die Reste der Zivilisation zu bewahren versucht. Es herrscht eine konservative Belagerungsstimmung.
Allein in Passau gibt es bald wieder elektrischen Strom und andere Annehmlichkeiten. Aber dies beruht auf der Ausbeutung der Bauern der Umgebung, und man ist auf dem besten Wege, den Feudalismus neu zu etablieren. Die Bauern jedoch schließen sich zusammen und kommen einem geplanten Eroberungsfeldzug der Städter zuvor.
Clevere Burschen, diese Bauerntrampel! Sie verbünden sich mit heranziehenden Nomaden, erobern und schleifen die Mauern der Stadt. Ihre erst als primitiv angesehenen Waffen erweisen sich in Verbindung mit ihrer den lokalen Verhältnissen angepassten Lebensweise als der überholten Technik überlegen.
Und wie erfahren wir von diesen epochalen Ereignissen? Alles wird von dem Kaplan Egid (Aegidius) im nachhinein einer Chronik zwecks Erbauung nachfolgender Generationen anvertraut. Es klingt wie der Schluss von Umberto Ecos Roman „Der Name der Rose“, in der sich Adson von (Kloster) Melk als Chronist verabschiedet. Ebenso mittelalterlich mutet auch ein Großteil der Handlung an.
Mein Eindruck
Dem Autor gelang mit diesem schmalen Werk (nur knapp 130 Seiten), das ursprünglich im Taschenbuch erschien, eine der originellsten Erzählungen über die Situation von Menschen, die in einer Welt leben, in der die Zivilisation unseres Zuschnitts zerstört ist: die Zeit nach dem „day after“.
Neben der gedanklich klaren und folgerichtigen Handlung haben mich vor allem seine vielen witzigen Einfälle und seine sprachliche Kunst beeindruckt. So lässt er seine Figuren des öfteren in bayerischer Mundart und neumittelalterlichem Deutsch – also ein Mischmasch aus Latein und Deutsch, in gotischen Lettern gedruckt – reden. All dies verleiht der Lektüre einen besonderen Reiz. Ich halte dieses Buch noch heute in Ehren.
Mehr zum Buch in der Wikipedia unter https://de.wikipedia.org/wiki/Der_Untergang_der_Stadt_Passau.
Taschenbuch: 128 Seiten
ISBN-13: 9783453303324
www.heyne.de
Der Autor vergibt: