Archiv der Kategorie: Abenteuer

Daniel Defoe – Robinson Crusoe

Handlung:

Entgegen dem Rat seines Vaters, gibt der Teenager Robinson Crusoe seinem Fernweh nach und schifft sich aus England in die weite Welt ein. Nachdem es ihn nach Afrika in die Gefangenschaft verschlagen hat, gelingt ihm die Flucht, und mit Hilfe eines netten Kapitäns, der ihn aufgreift, anschließend die Überfahrt nach Brasilien. Hier wird er zum Plantagenbesitzer; bald aber treibt ihn das Fernweh wieder aufs Meer hinaus und er macht sich auf den Weg nach Afrika, um sich neue Sklaven für seine Plantage zu besorgen. Bei dieser Fahrt gerät sein Schiff in ein Unwetter und sinkt.

Crusoe ist der einzige Überlebende, der sich auf eine in der Nähe gelegene unbewohnte Insel retten kann. Er schlachtet das gesunkene Schiff aus und verbringt die nächsten 28 Jahre auf dieser Insel. Die letzten davon begleitet ihn sein Diener Freitag; ein Ureinwohner einer Nachbarinsel, den er vor dem Tod durch Verspeisung durch Mitglieder eines feindlichen Stammes rettet. Später bringen Crusoe und Freitag einen Spanier und einen weiteren Ureinwohner, der sich als Freitags Vater herausstellt, vor Kannibalen in Sicherheit. Die beiden werden zurück zur Nachbarinsel geschickt, von der sie kamen, um die restlichen dort verbliebenen Spanier zu holen.

Währenddessen landet eine meuternde Schiffsmannschaft auf der Robinson-Insel, um ihren Kapitän hier abzusetzen. Crusoe und Freitag stehen ihm bei und helfen ihm, das Kommando zurückzuerlangen. Als Dank dafür nimmt er die beiden wieder mit zurück nach Europa. Hier angekommen, ordnet Crusoe seine Finanzgeschäfte, heiratet, zeugt drei Kinder und wird trotzdem weiterhin vom Fernweh geplagt. Nach dem Tod seiner Frau zieht es ihn daher wieder hinaus. Er lässt seinen Neffen zum Kapitän ausbilden, kauft ihm ein Schiff und lässt sich zu seiner Insel zurückbringen, um zu erfahren, wie es den Zurückgebliebenen ergangen ist.

Auf der Insel gab es zwischenzeitlich etliche Streitereien zwischen den nach der Meuterei hier ausgesetzten Matrosen und den von der Nachbarinsel hinzugekommenen Spaniern. Auf dem anschließenden Weg zum Festland wird Freitag bei einem Gefecht von angreifenden Ureinwohnern getötet. Jetzt folgt eine Reise, die Crusoe von Madagaskar über Kambodscha, Taiwan, China und durch Russland führt. Letztendlich kehrt er nach zehn Jahren wieder nach England zurück.

Mein Eindruck:

Den meisten wird der Name Robinson Crusoe geläufig sein. Die wenigsten haben hingegen das gleichnamige Buch gelesen. Und der geringste Teil wird dies in der ungekürzten Version getan haben. Wobei auch dieses Buch – obwohl sich der Verlag auf der Rückseite rühmt, diese Ausgabe enthalte nicht nur den ersten, sondern auch den zweiten Teil des Klassikers von Daniel Defoe vollständig – immer noch nicht komplett ist. Es gibt nämlich noch einen dritten Teil ‚von‘ und mit Robinson Crusoe, der einen ähnlich langen Titel trägt wie die beiden Vorgänger: „Ernstliche und wichtige Betrachtungen des Robinson Crusoe, welche er bei den erstaunungsvollen Begebenheiten seines Lebens gemacht hat.“ Schade, „vollständig“ heißt in diesem Fall leider nicht „komplett“.

Die Übersetzung hat einige Jahrzehnte auf dem Buckel. Das hat den Vorteil, dass sie nicht politisch korrigiert wurde. Hier heißt es noch „Negersklave“ und nicht „afro-amerikanischer Zwangsarbeiter“. So erkennt auch der Laie im Zusammenhang, dass Freitag zwar ein lieber netter Kerl ist, aber immer nur ein Diener bleiben wird. Klar, er ist ja auch schwarz. Oder die weiblichen Ureinwohner, welche die zurückgelassenen Spanier und Engländer auf der Insel befreit hatten und sich zur Frau nahmen, wären in England durchaus als schön bezeichnet worden – wenn sie nicht schwarz wären. Das klingt für den heutigen Leser so seltsam, dass es schon fast zum Lachen anregt. Aber damals hat man sich halt einfach in Afrika ein paar Neger geholt, damit sie für einen arbeiten, weil man es konnte und weil es alle so machten.

Der Nachteil des Alters der Übersetzung ist die alte und oft auffallend falsche Rechtschreibung. Das macht diese Ausgabe für schulische Zwecke nicht sehr reizvoll. Vermutlich war eine Überarbeitung für den Verlag nicht interessant, weil schlichtweg zu teuer.

Natürlich dreht sich im ersten Robinson-Buch so gut wie alles um seine Zeit auf der Insel; schließlich war er ja auch 28 Jahre dort. Eine richtige Handlung aber scheint weder das erste noch das zweite Robinson-Crusoe-Buch zu besitzen. Es ist ein Reisebericht, und dementsprechend ist alles teilweise ausführlichst detailliert geschildert. Und immer, wenn die Langeweile des Lesers schon nicht mehr zu steigern ist, weil sich der Autor in Schilderungen verfängt, die an Spannung einem Beipackzettel gleichen, schreibt Defoe, dass er den Leser ja nicht langweilen will. Das klappt allerdings nur selten. Zu ausufernd wird beschrieben, wie Crusoe auf seiner Insel Getreide anbaut, Boote und Hütten zimmert.

Interessant wird es erst wieder, als er sich mit Freitag gegen die Eindringlinge der Nachbarinsel zur Wehr setzt und gegen Ende des ersten Buches die Meuterer bekämpft, um im Anschluss wieder nach Hause gebracht zu werden. Und das gesamte zweite Buch ist eigentlich nur noch ein reiner Reisebericht. Auch wird Crusoe übrigens nicht, wie im Titel angekündigt, von Seeräubern gerettet – die spielen in diesem Buch keine Rolle.

Worauf Defoe sein Augenmerk bei seinen Erzählungen legt, habe ich mich oft gefragt. Da schreibt er seitenweise über ein völlig belangloses Ereignis, bei dem er mit Freitag auf dem Weg zurück nach England auf einen Bären und ein paar Wölfe trifft, aber handelt in einem einzigen Satz seine Hochzeit, seine Kinder (von denen er im Anschluss nicht wieder spricht) und den Tod seiner Frau ab. Auch macht er immer wieder einfach Zeitsprünge von teilweise mehreren Jahren, was manchmal schon irritiert – gerade weil es in diesem Buch keine Absätze und keine Kapitel gibt und der Leser von der Textmasse teilweise erschlagen wird.

Was den religiös uninteressierten Leser erheblich stören könnte, sind die ständigen Bezüge auf die Bibel, die Crusoe bei sich auf seiner Insel hatte, und die Anrufungen Gottes. Auch, dass er Freitag keine Religionsfreiheit einräumt, sondern ihn so lange einer christlichen Gehirnwäsche unterzieht, bis dieser seinen eigenen Glauben ablegt, weil Robinsons Gott ja viel besser und stärker ist als seiner, könnte unangenehm aufstoßen. Im zweiten Buch gibt es überdies ein weiteres ermüdend langes Gespräch mit einem Geistlichen.

Den Abschluss des Buches bildet ein 40-seitiger Essay zu Leben und Werk von Daniel Defoe mit speziellem Augenmerk auf „Robinson Crusoe“, gefolgt von einer zweiseitigen Zeittafel, die das Leben und Schaffen des Autors zeigt.

Fazit:

Muss man „Robinson Crusoe“ ungekürzt gelesen haben? Wenn dem Leser vorher bewusst ist, dass ihn ein Reisebericht erwartet, der ausschließlich aus Handlungsbeschreibungen besteht, dann kann er sich durchaus die Zeit nehmen; denn der Autor will ja nach eigenen Angaben nicht nur erzählen, sondern auch belehren. Und was 1719 als belehrend verstanden wurde, ist schon interessant für Neuzeitler.

Wenn man aber schnell gelangweilt ist, weil man eigentlich die ganze Zeit nur im „Big Brother“-Stil Crusoe dabei beobachtet, wie er seine Hütten und Boote baut und seine Felder bestellt und anschließend um die Welt reist, dann reicht auch eine gekürzte Jugendausgabe. Denn auch so kann man erfahren, was der Autor durch Robinson Crusoe zum Ausdruck bringen will: Wenn der Mensch nur will, dann kann er alles schaffen!

Und hier noch mal die unfassbar langen Titel der beiden in dieser Ausgabe abgedruckten „Robinson Crusoe“-Bücher im Original:

Band 1:
„Das Leben und die seltsamen Abenteuer des Robinson Crusoe, eines Seemanns aus York, 28 Jahre lang ganz allein auf einer unbewohnten Insel an der amerikanischen Küste nahe der Mündung des Orinoko-Stromes lebte, wohin er nach einem Schiffbruch, bei dem die ganze Besatzung außer ihm umkam, verschlagen wurde, nebst dem Bericht, wie er auf wunderbare Weise durch Seeräuber gerettet wurde. Geschrieben von ihm selbst.“

Band 2:
„Die weiteren Abenteuer des Robinson Crusoe, die den zweiten und letzten Teil seines Lebens bilden, sowie die erstaunlichen Berichte von seinen Reisen um drei Viertel der Erde. Geschrieben von ihm selbst.“

Taschenbuch: 720 Seiten
Aus dem Englischen von Franz Riederer
Mit einem Essay von Hans-Rüdiger Schwab und einer Zeittafel
Mit den Illustrationen der Amsterdamer Ausgabe von 1726/1727
ISBN-13: 978-3423138819
www.dtv.de

Dieses Buch bildet den Anfang der Reihe „Klassiker der Abenteuerliteratur“ vom dtv:

Jules Verne: „Reise zum Mittelpunkt der Erde“ (Juni 2010)
Mark Twain: „Tom Sawyers Abenteuer“ (Juli 2010)
Robert L. Stevenson: „Die Schatzinsel“ (August 2010)
Karl May: „Der Schatz im Silbersee“ (September 2010)
Jack London: „Lockruf des Goldes“ (Oktober 2010)

Der Autor vergibt: (3.5/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (35 Stimmen, Durchschnitt: 4,97 von 5)

Porsche, Dieter – Weiße Berg, Der: Überlebenskampf am Dhaulagiri

Mit mehreren Achttausendern in der Hinterhand gehört Dieter Porsche zu den erfolgreichsten Höhenbergsteigern der Moderne. Dabei gelangte der Alpenvereins-Aktivist erst relativ spät zum Bergsteigen und widmete sich diesem Hobby erst im Alter von 30 Jahren (1985) intensiver. Seither gilt Porsche als erfahrener Ansprechpartner geschätzter Ausbilder und fanatischer Extremsportler, für den das steigende Alter kein Hindernis für neue Herausforderungen mehr ist.

Im April 2003 startete er schließlich eine seiner dramatischsten Expeditionen. Im Rahmen einer |AMICAL alpin|-Reise sollte der Aufstieg zum Weißen Berg, dem Schneefleck des Himalaya, realisiert werden. Doch der Dhaulagiri erwies sich im steten Schneetreiben und während der zahlreichen Frühjahrsstürme als harte Nuss, die Porsches Expedition teuer bezahlen sollte. Sechs Jahre später erzählt er nun als Autor seines persönlichen Erlebnisberichtes von dieser knapp zweimonatigen Tour, von den Freuden, den Gefahren, den Ausnahmesituationen und schließlich vom dramatischen Unglück, das sich kurz nach dem Erreichen des Gipfels zutrug.

In „Der Weiße Berg: Überlebenskampf am Dhaulagiri“ schildert Porsche aber bei weitem nicht nur das tragische Ende dieser Gipfelepisode, sondern präsentiert ein ausgedehntes Gipfeltagebuch, das bereits mit den Vorbereitungen zur Nepalreise startet, die langen Tage in den Basislagern ausführlich beschreibt, aber auch sonst die ganzen Eigenheiten des Höhenbergsteigens mit viel Hintergrundwissen nahebringt. Der Autor pflegt hierbei einen sehr familiären, sympathischen Schreibstil und vermittelt dem Leser relativ bald das Gefühl, er sei selber ebenfalls an der Expedition beteiligt und würde in der Seilschaft mit den Scherpas gen Gipfel stürmen.

Nichtsdestotrotz sind seine Beschreibungen nicht selten emotional, gerade wenn die gesamte Tour mal wieder vor einem großen Fragezeichen steht und das unberechenbare Wetter den Teilnehmern eine unsichere Zukunft beschert. Sehr gelungen ist dabei das Gefühl des Ausgesetztseins, der Hilflosigkeit in der exponierten Landschaft des Himlaya, beschrieben, welches Porsche und seine engen Vertrauten immer wieder bekämpfen müssen. Mangels technischer Möglichkeiten ist eine Wettervorhersage beispielsweise vor Ort nicht exakt durchzuführen, so dass per komplexem Satellitenfunk und Recherchearbeit am mitgeschleppten Laptop die vagen Prognosen aus dem europäischen Raum herhalten müssen.

Unterdessen sind die Erlebnisse vor dem Nordostgrad des Dhaulagiri für alle prägend. Ein Hochgefühl ob der überraschend hellen Morgensonne wird durch den folgenden Sturm, der die Depots begräbt und die Zelte in Stücke reißt, wieder getrübt. Immer wieder erschüttern neue Extreme die Situation und zwingen die Leitung zu steten Planänderungen. Zum Glück für die deutschen Teilnehmer ist ihre Expedition nicht die einzige, die den Dhaulagiri als Ziel auserkoren hat. Vier Teilnehmer aus Sachsen sowie ein bekannter französischer Solobergsteiger (Jean-Christophe Lafaille, wird seit 2006 vermisst) sind ebenfalls in den schneebedeckten Wänden unterwegs und können mit Erfahrung, Fixierungsarbeiten und Spurarbeiten unterstützen.

Dennoch steht das gesamte Projekt auf der Kippe, als sich Mitte Mai, zwei Wochen vor dem eigentlichen Abreisetermin, eine Schlechtwetterfront ankündigt und die Frage aufwirft, ob man das (unter anderem auch finanzielle) Risiko eingehen und die Gipfelbesteigung noch um einige Tage aufschieben oder doch besser das Lager räumen und sich den Widrigkeiten geschlagen geben soll. Die ehrgeizigen Bergsteiger um Dieter Porsche entscheiden sich schließlich für die zweite Variante, nutzen die beiden Sonnentage für den Gipfelgang und stürzen beim Abstieg in eine beinahe tödliche Tragödie. Porsches Freund Christoph stürzt gemeinsam mit einem der Sachsen 600 Meter in die Tiefe, überlebt den Sturz aber ebenso wie sein Mitopfer.

Doch die Rettungsaktion fordert ihren Tribut – auch bei Porsche, der später noch Wochen an den Folgen des unfreiwilligen nächtlichen Biwaks laboriert und auf dieser Tour zum ersten Mal am eigenen Körper erfahren hat, was es heißt, der Bedrohung in der Todeszone ausgeliefert zu sein. Und was er dabei durchlebt hat, das schildert er in den sehr intensiven letzten Kapiteln eines umfassenden Tourtagebuchs, welches durch seine Detailverliebtheit und die mitreißende persönliche Note vor allem eines bewirkt hat: Die Faszination fürs Höhenbergsteigen auf den Achttausendern noch auszubauen.

Unterdessen klärt Porsche auch die sich in diesem dramatischen Zusammenhang erst recht aufdrängende Frage, was Leute wie ihn in diesen vermeintlichen Wahnsinn treibt. Und dies gelingt dem Autor nicht durch die Darstellung irgendwelcher Heldentaten oder dergleichen, sondern mit Kraft seiner begeisterungsfähigen Worte und den leidenschaftlich erzählten Landschaftsdokumentationen. Hinzu kommt, dass der Mann zeitgleich passionierter Fotograf ist und seine Touren stets mit seinem Equipment festhält. Unzählige Fotos von allen Tagesetappen und dem gewaltigen Panorama des Dhaulagiri und den umliegenden Bergmonstern vervollständigen die Nachlese dieser Expedition und sind alleine schon Grund genug, sich mit „Der Weiße Berg“ auseinanderzusetzen.

Dass das Geschriebene den Bildern jedoch mindestens ebenbürtig ist, ehrt Porsche als Autor und zeugt letzten Endes auch davon, wie glaubwürdig der Mann diese Schicksalsreise für die Nachwelt festgehalten hat. Einen letzten Schliff verpassen die penibel aufgearbeitete Historie um die bisherigen Besteigungen des Dhaulagiri sowie ein kleines Bonus-Lexikon, das sich mit den Gefahren des Höhenbergsteigens beschäftigt – gerade für diejenigen, die sich überhaupt kein Bild von den möglichen Krankheitsbildern in der Höhe machen können, eine sinnvolle, lesenswerte Ergänzung und schließlich der aufschlussreiche Abschluss eines grandiosen Bergsteigerbuchs, geschrieben von ‚einem von uns‘.

|256 Seiten, gebunden
mit zahlreichen Farbfotos
ISBN-13: 3-613-50610-6|
http://www.paul-pietsch-verlage.de

Kaltenbrunner, Gerlinde / Steinbach, Karin – Ganz bei mir: Leidenschaft Achttausender

Als Extrembergsteiger ständig in den Medien präsent zu sein, war vor drei Jahrzehnten noch undenkbar. Seien es Kammerlander, Messner oder jüngst die Huber-Brüder: Sobald neue Extreme erprobt oder Erstbesteigungen im unkonventionellen Stil durchgeführt wurden, waren die entsprechenden Meldungen auch jenseits der Fachpresse von Interesse. Dennoch ist es erstaunlich, dass die Leistungen der österreichischen Bergsportlerin Gerlinde Kaltenbrunner nicht in größerem Rahmen gewürdigt wurden. Immerhin ist die in Kirchdorf aufgewachsene Profi-Bergsteigerin auf dem besten Weg, als erste Frau alle 8000er bestiegen zu haben – und das wohlgemerkt ohne Unterstützung durch zusätzlichen Sauerstoff und dergleichen.

Für Kaltenbrunner waren die Erfolge aber nicht alleine ausschlaggebend, ihren harten Weg, der seinerzeit in den Alpen begonnen hat, für die Nachwelt festzuhalten. Ihre Grenzerfahrungen, die Dramen, aber auch die Leidenschaft für die Extreme haben in den vergangenen zwei Dekaden genügend Inspiration hinterlassen, das Leben in der Welt der höchsten Gipfel der Welt zu dokumentieren und zu beschreiben, woher die Faszination rührt bzw. wie selbst plötzliche Todesfälle niemals die Motivation stoppen konnten. In „Ganz bei mir“ analysiert Kaltenbrunner letzten Endes nicht nur die Bergwelten des Karakorum und des Himalaya – sie reflektiert auch ihr eigenes Tun, ihre Entscheidungen, potenziellen Leichtsinn, andererseits aber auch die Entschlossenheit und den Ehrgeiz, der nötig ist, um an der Schwelle zwischen Leben und Tod die Nerven zu behalten.

Dabei offenbart der Lebenslauf der unscheinbaren Österreicherin schon eine ständige Suche nach dem eigenen Ich. In einer großen Familie aufgewachsen, schnell auf sich selbst gestellt und schließlich fest entschlossen, der großen Schwester nachzueifern, machte Kaltenbrunner früh die Ausbildung zur Krankenschwester und lernte unterdessen auch ihren ersten Lebensgefährten kennen, mit dem sie erstmals auch im höheren Alpenraum unterwegs war. Dessen Erfahrung und vor allem die Erzählungen von den asiatischen Gebirgen trieben sie sehr früh dazu, nach Pakistan zu reisen, um dort eine größere Expedition zum Broad Peak zu begleiten, die zwar nur bis zum Vorgipfel führte, aber zum ersten Mal – im zarten Alter von 23 Jahren – das Gefühl von bestiegenen 8000 Metern offenbarte.

Kaltenbrunner war infiziert, trainierte hart und entschloss sich, ihre Stelle als Krankenschwester langfristig aufzugeben, um weitere Expeditionen in ihren Zeitplan einflechten zu können. Nach einigen finanziellen Startschwierigkeiten wurden erste Sponsoren gefunden, der Job in einen Outdoor-Vertrieb angeboten und die Rahmenbedingungen geschaffen, weitere Gipfel zu stürmen. Doch schon die ersten Expeditionen zeigten der jungen Dame die Schattenseiten des Extrembergsteigens. Der Tod in Gestalt von Höhenkrankheit, überraschenden Abstürzen, Lawinen und Erschöpfung wurde zum unangenehmen Begleiter ihrer neuen Herausforderungen, und spätestens mit der Dhaulagiri-Expedition 2006, bei der sie hauchdünn am Tod vorbeischlidderte, ist das Bewusstsein eingetreten, dass Schicksal und Bestimmung im Akutfall die Oberhand behalten.

Die Art und Weise, wie Kaltenbrunner und ihre Co-Autorin Karin Steinbach die letzten zwei Dekaden im Gebirge beschreiben, ist allerdings erst das, was „Ganz bei mir“ zusätzlich zu allen Erfolgsdokumentationen und grenzwertigen Erfahrungen auszeichnet. Kaltenbrunner glorifiziert weder ihr eigenes Können, noch verschönert sie die dramatischen Situationen. Es ist der stete Kampf am Berg, gegen das Wetter, gegen den inneren Schweinehund, gegen Schmerzen, Kälte und Willenlosigkeit und zuletzt gegen die Vernunft. Dass zwischendrin sehr detaillierte Beschreibungen über die extremsten Gipfel der Erde stehen, viele persönliche Anekdoten Platz finden und schließlich auch das innige Verhältnis zwischen der Autorin und ihrem langjährigen Wegbegleiter und mittlerweile Ehemann Ralf Duijmovits erwähnt werden, macht die gesamte Lebensgeschichte greifbarer. Anders als bei den Ausführungen eines Reinhold Messner verkommt das Ganze außerdem nicht zum Politikum, sondern bleibt Erlebnisbericht, Kulturreise und atemberaubende Biografie in einem – eben das, was man erwartet und lesen will, wenn ein Mensch schildert, was er auf mittlerweile zwölf Achttausendern erlebt hat!

Doch am Ende ist es vielleicht noch ein bisschen mehr als all das, insbesondere für diejenigen, die das Bergsteigen selber aktiv praktizieren, in den höheren 3000er-Gebieten Erfahrungen gesammelt haben, sich aber mangels Ideen zur Umsetzung nie mit den gewaltigsten Gesteinsmassiven beschäftigt haben. In diesem Fall sind Worte hier mindestens genauso aussagekräftig und ehrfurchterweckend wie ein Diavortrag Kammerlanders oder eine Lesung Messners – und das über eine Krankenschwester zu sagen, die irgendwann die Passion für die Berge entdeckt und angefangen hat, sie zu leben, ist fast schon mehr, als man sich von einem solchen Unterfangen erhoffen kann. Wer sich im Anschluss dabei ertappt, selber Informationen einzuholen, welche Voraussetzungen nötig sind, was technisch gefragt ist und wie der finanzielle Kraftakt Achttausender bewältigt werden kann, der ist nicht nur vom Himalaya und Karakorum infiziert, sondern bei dem hat Kaltenbrunner alles herausgeschlagen, was „Ganz bei mir“ zu bewirken imstande ist!

|320 Seiten, gebunden
ISBN-13: 978-3890293325|
http://www.piper-verlag.de/malik/

Messner, Reinhold – Westwand

In beinahe fünf Jahrzehnten hat Reinhold Messner das Klettern und Extrembergsteigen geprägt wie kaum ein zweiter auf diesem Planeten. Er war Vorbild für historische Alpinisten wie Kammerlander und Krakauer, brach Rekorde, probierte stets Revolutionäres und lebte das von ihm propagierte Prinzip Abgrund 24 Stunden am Tag. Dennoch hat auch die in Südtirol lebende, aufgrund der gelegentlich extremen Meinungen häufig polarisierende Kultfigur in ihrem Leben Situationen erlebt, die bei aller Euphorie über das Geleistete zur persönlichen Einkehr motivierten. Es war sicherlich jener schicksalhafte Abstieg am Nanga Parbat, bei dem Messner seinen Bruder Günther verlor, der hier als prägendes Ereignis und großer Schatten über den Erfolgen stand. Doch auch allerhand kleine Niederlagen machten Messner zu dem, was er heute ist, und was er über Jahre verkörpert hat – so zum Beispiel der Aufstieg über die Westwand des Ortlers, der im Sommer 2004 beinahe zur persönlichen Tragödie geworden wäre.

Als Messner vor mehr als fünf Jahren die gefährliche Route zum König des Vinschgaus wählte, war er sich der Risiken sicher bewusst, nicht jedoch der Dramatik, die das Erlebte später beschreiben sollte. Und es war definitiv einer dieser Momente, in denen der Mix aus Risikofreude und Vernunft ein weiteres Mal zum gesunden Mittelweg fand und Schlimmeres verhinderte. In seinem neuen Buch „Westwand“ schildert der legendäre Alpinist nun die Erfahrungen dieses Aufstiegs und das drohende Ende unter einem bedrohlichen Serac unterhalb des Gipfels. Doch dieses Grenzerlebnis ist schließlich nur der Aufhänger für einen sehr kritischen Blick auf den Leichtsinn im Extrembergsteigen und die, in Messners Augen, Fehlinterpretationen dessen, was das Klettern und den Alpinismus im Allgemeinen ausmacht.

Messner wettert hierbei in erster Linie gegen die widersprüchlichen Schein-Idealisten, die gegen die Erschließung romantischer Bergregionen angehen, während sie hierbei selber die Herrlichkeit der großen Blumenwiesen zertrampeln. Eine Menge Aktionismus und Propaganda für den Umweltschutz ist es auf der einen Seite, eine fehlinterpretierte Umsetzung dieser Projekte auf der anderen, die den Autor und erfahrenen Bergsteiger beunruhigen. Die Berge sind für jeden da, haben aber nach Messners Ermessen ebenfalls das Recht darauf, ihre Mythen zu wahren, nicht von jedem erkundet und erschlossen zu werden – und das ausgerechnet aus dem Mund desjenigen, der seit den 60ern aktiv daran beteiligt ist, dass Erstbegehungen in schwierigsten Gebieten keine Unmöglichkeit mehr darstellen.

Die Frage stellt sich nun, was Messner mit „Westwand“ erreichen möchte. Sicher, eines der elementaren Ziele besteht darin, aufzuwecken, Missstände anzuklagen und auch kräftig auszuteilen. Der Autor spart mit Seitenhieben nicht und hält mit seiner sehr direkten Meinung nicht hinterm sinnbildlichen Berg. Doch wo sind die Lösungen? Statt den selbst gewählten Idealismus auch zielgerichtet zu vertreten und ihn auch konsequent zu transferieren, bleibt Messner ausschließlich auf der anklagenden Spur. Gleichzeitig wird er nicht müde, seine persönlichen Errungenschaften im Berg demonstrativ in den Vordergrund zu stellen und sein bisheriges Handeln als Optimum herauszukehren – und genau dieser Aspekt macht das Geschriebene über weite Strecken unsympathisch und überheblich. Der Finger wird gehoben und eine fast schon politische Debatte zum alpinistischen Umweltschutz initiiert. Und genau dieses Element nimmt „Westwand“ einen großen Teil des erhofften Unterhaltungswertes.

Letztgenannter ist nur selten wirklich ausgeprägt, nämlich genau dann, wenn Messner mal etwas tiefer in seinen Erinnerungen schwelgt und auch jene Mission zum Nanga Parbat anschneidet. Es sind die Erlebnisberichte, die weitaus bewegender sind und als Appell spürbar mehr bewirken als die wiederholte Analyse des permanenten Fehlverhaltens des hiesigen wie extremen Bergsteigers. Und selbst dort ist Messner mit seiner persönlichen Meinung nicht im Reinen. Er verurteilt die Leichtsinnigkeit, schätzt aber die Protagonisten des Free-Climbings, allen voran die Huber-Brüder, für ihre Leistungen und das, was sie für das moderne Bergsteigen bewirkt haben. Doch wo ist da die klare Linie?

„Westwand“ hat seine interessanten Momente und verfügt über die wertvollen, unvergleichlichen Erfahrungen eines Menschen, der seine eigenen Grenzen ebenso ausgelotet hat wie die Grenzen des menschlichen Schweinehunds. Doch das Prinzip Abgrund als Devise funktioniert in Messners neuem Roman nicht wirklich. Zu viel Zeigefinger, zu wenig Entertainment vor extremem Hintergrund – dieser Mann weiß grundsätzlich, wie man ein solches Projekt angeht. Doch in diesem Fall ist die bereits öfter aufgeblitzte Engstirnigkeit wieder einmal ein Hindernis, das für Messner größer zu sein scheint als mancher Achttausender. Und dennoch: Man sollte mal einen Blick riskieren, denn die zahlreichen Bildaufnahmen in „Westwand“ machen das Buch schon wieder fast unersetzlich. Was für ein Zwiespalt …

|224 Seiten, gebunden
ISBN-13: 978-3100494160|
http://www.fischerverlage.de

Clive Cussler/Dirk Cussler – Geheimcode Makaze [Dirk Pitt 18]

Durch die Verbreitung einer Super-Seuche will der Schurkenstaat Nordkorea die US-amerikanische Schutzmacht in die Knie zwingen, doch da seien Dirk Pitt, seine Kinder und die Unterwasser-Fexe der NUMA vor … – Rasanter Thriller (= Band 18 der Dirk-Pitt-Serie), der seine „America-first!“-Plattitüden so naiv präsentiert, dass sie sich kaum störend in die Ablauf dieses nach Schema F zusammengerührten, aber unterhaltsamen Rettet-die-Welt-Spektakels fügen: altmodischer Action-Spaß, der recht gut funktioniert.
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Bonné, Mirko – eiskalte Himmel, Der

Es gab eine Vielzahl von Expeditionen in die Antarktis. Das Ewige Eis wurde von vielen Abenteuern und Entdeckern, die nach Ruhm strebten, unterschätzt, viele fanden den Tod oder blieben verschollen. Plötzliche Witterungsänderungen, Schneestürme, Mangel an Nahrung und die großen Entfernungen, die zurückzulegen sind, forderten zahlreiche Opfer. Neben Roald Amundsen und Robert Falcon Scott zählt auch Ernest Henry Shackelton zu denjenigen, die als Polarforscher in die Geschichte eingegangen sind.

Auch im 21. Jahrhundert ist die Polarforschung noch lange nicht abgeschlossen. Zwar verfügen die Wissenschaftler und Forscher inzwischen über eine ganz andere Ausrüstung als ihre Vorgänger, doch die Wetterbedingungen und die Gefahren sind dennoch nicht zu unterschätzen. Die Polargebiete (Arktis und Antarktis) bergen weiterhin viele Geheimnisse, nicht nur an Bodenschätzen, sondern auch an klimatischen Besonderheiten und weiteren Sonderheiten.

„Der eiskalte Himmel“ des deutschen Autors Mirko Bonné ist dessen dritter Roman, den man im historischen Genre ansiedeln kann. In diesem Roman beschreibt der Autor detailliert und akribisch die Shackleton-Expedition in die Antarktis im Jahre 1914. Das Ziel von Ernest Henry Shackleton war es, den antarktischen Kontinent zu Fuß zu durchqueren. Ein ziemlich verwegenes und eigentlich überflüssiges Wagnis des Briten, da dies längst von dem Norweger Amundsen gewagt worden war.

Mirko Bonné erzählt das Drama aus der Perspektive des 17-jährigen Merce Blackboro, der sich bei dieser historischen Expedition als blinder Passagier beteiligte. Schnell wurde er allerdings zum Maskottchen am Bord der |Endurance|.

_Die Geschichte_

Drei Tage bevor die Briten 1914 den Deutschen den Krieg erklären und der erste Weltkrieg beginnt, startet der britische Polarforscher Ernest Henry Shackleton eine Expedition in das Ewige Eis. Mit seiner 27-köpfigen Besatzung und einen blinden Passagier an Bord bricht er im August mit seinem Schiff, der |Endurance|, auf. Als sie den 17-jährigen Merce Blackboro aus New Port finden, ist es zu spät umzukehren, also fährt dieser als Küchenjunge angeheuert mit.

In den Antarktischen Gewässern durch Eis, Schnee und unmenschlicher Kälte steuert die |Endurance| mit ihrer entschlossenen Besatzung den südgeorgischen Walfangort Grytviken an. Der Leiter dieser Walfangstation rät aufgrund des vielen Packeises von einer Weiterfahrt ab. Auch der Pastor bekniet das Expeditionsteam, Gott nicht herauszufordern und die Unternehmung abzubrechen.

Am 5. Dezember 1914 verlässt die Endurance allen Warnungen und Ahnungen zum Trotz den Walfangort in Richtung der Südsandwichinseln. Schnell umgibt das Schiff eine unendlich erscheinende Eisdecke. Es ist still am Bord, still auf der See – nur meterhohe Eisberge und Eisfelder bewegen sich knirschend um das Expeditionsschiff. Eine dunkle Kälte umgibt die Mannschaft,und besonders spüren sie diese mit dem Einbruch der Nacht, wenn die so genannte Rattenwache stattfindet, die von Mitternacht bis zum frühen Morgen gehalten wird. Am ersten Weihnachtstag sind sie noch weit von ihrem gewünschten Zielpunkt entfernt und wissen, dass es bis Ende Januar hart werden wird.

Als sie Coatsland erreichen, sind sie umringt von steilen Eisküsten, ein Schneesturm bricht über sie herein; sie suchen Schutz in einer Bucht und werden vom Packeis eingeschlossen. Die Strömung treibt die |Endurance| noch weiter von der Küste weg, so dass sie schließlich am 25. Februar 1915 eingeschlossen sind.

Monate der Einsamkeit stehen der Expedition bevor. Der antarktische Winter hat vorerst gesiegt und die Unternehmung kann als gescheitert betrachtet werden. Die Besatzung ist nun auf sich allein gestellt und wird durch eisige Temperaturen, die Dunkelheit der Polarnacht und die endlose Langweile auf eine schwere Probe gestellt. Die Stimmung der Mannschaft sinkt, und als die mitgebrachten Schlittenhunde verenden, liegen alle Nerven bloß.

Die |Endurance|, eingeschlossen vom Eis, wird zerstört, doch die Männer retten sich auf die drei Beiboote und eine Eisscholle. In ihrem Lager aus Eis verharren sie und müssen zusehen, wie die |Endurance| mit dem zurückkehrenden Sommer versinkt. Geschockt und fassungslos versinkt zugleich die Hoffnung auf Rettung in den Fluten des Eismeeres. Mit ihren kleinen Beibooten gelingt es ihnen dennoch, der Gefahr vorerst zu entfliehen, und so landen sie im April 1915 auf einer von Sturmwinden umtosten Insel.

Doch sie wissen, dass ihr Proviant sich dem Ende zuneigt und sie einen weiteren antarktischen Winter keinesfalls überleben können. Ernest Henry Shackleton trifft eine konsequente Entscheidung. Zusammen mit fünf seiner Männer bricht er auf, um Hilfe zu holen. Das Ziel ist die bereits besuchte Walfangstation Grytviken …

_Eindrücke_

Mirko Bonné beschreibt in „Der eiskalte Himmel“ das Drama dieser Expedition und benutzt dafür den blinden Passagier als Beobachter und Erzähler. Die Geschichte ist ein klassischer historischer Abenteuerroman und weist viele Elemente im Stil eines Jack London auf. Mirko Bonné schafft es sprachlich gut, die britische, sehr kultivierte Umgangssprache, die unter der Mannschaft Verwendung findet wird, einzufangen. Trotz aller dramatischen Situationen kommen diese Umgangsformen ernst, aber unterhaltsam zu lesen daher. Ob dies nun als authentisch zu werten ist, kann ich allerdings nicht bestätigen. In den Beschreibungen erkennt man jedenfalls ganz klar den Lyriker, der in Mirko Bonné schlummert.

Persönlich empfand ich den Roman als zu schwerfällig, vielleicht auch aufgrund des erwähnten Sprachstils, den der Autor verwendet hat. Die Dramaturgie wurde zwar ausgearbeitet, aber die Hoffnungslosigkeit und die Ängste der Mannschaft wurden mir zu wenig greifbar. Vielleicht liegt diese Wahrnehmung auch darin begründet, dass die Geschichte aus der Sicht eines 17-jährigen Jungen beschrieben wird. Der Leser benötigt schon recht viel Geduld und Ruhe zur Lektüre, aber er findet diese Ruhe auch in der Geschichte selbst, die manchmal belanglos dahinplätschert.

Die ganze Erzählung verströmt dafür einen schon viel zu humoristischen Grundton. Der Autor erzählt zwar faszinierend und mit viel Fantasie von den endlosen Weiten der arktischen Wildnis und man spürt förmlich die klirrende Stimmung dieser für uns fremden und trostlosen Welt, doch bleibt diese unterm Strich nur eine Illusion. Denn in solch einem Drama, in dem es um Leben und Tod geht, hat Humor für meine Begriffe nicht viel zu suchen.

_Der Autor_

Mirko Bonné (* 1965 im oberbayerischen Tegernsee) ist ein deutschsprachiger Schriftsteller. Nach dem Abitur 1986 jobbte Mirko Bonné unter anderem als Taxifahrer und Altenpflegehelfer. Seit 1994 ist er als Autor, Feuilleton-Publizist und Übersetzer tätig. Mirko Bonné lebt in Hamburg und ist Mitglied des Internationalen P.E.N.-Clubs.

Gegenstände des Alltagslebens werden insbesondere in seinen Lyrikbänden in eine „sinnliche Schwebe“ (Literaturwissenschaftlerin Maike Albarth) gehoben. Geschärft hat Mirko Bonné seine Wahrnehmung in der Übersetzung englischsprachiger Lyriker wie Keats, Cummings und Yeats sowie französischsprachigen wie dem rumänisch-jüdischen Surrealisten Ghérasim Luca. Neben drei eigenen Romanen hat er das Hörspiel „Roberta von Ampel“ (1992) verfasst. In der |FAZ| und anderen Zeitungen veröffentlichte er Gedichte, Essays und Artikel.

http://www.heyne.de

Kern, Claudia – Anno 1701: Kampf um Roderrenge

Nach den Adaptionen zahlreicher Ego-Shooter und Fantasy-Spiele folgt nun endlich auch der Strategie-Bereich in einer lebendigen Roman-Aufarbeitung. „Anno 1701“, neben den berüchtigten „Siedlern“ der wohl erfolgreichste Genre-Beitrag des endenden Jahres, lieferte Claudia Kern die Inspiration für einen überraschend spannenden Abenteuerroman, der sich sphärisch dicht an die PC-Welt anlehnt und dennoch als eigenständiger Plot abseits gewohnter Schemen funktioniert. „Anno 1701“ – scheinbar nicht nur am Bildschirm ein Hit!

_Story_

Der junge Arbor schlägt sich nach dem Tod seiner Eltern als Handlanger des Piraten Rodriguez mehr schlecht als recht durchs Leben. Derzeit hat er an Bord der |Windemeer| des wohlhabenden Gouverneurs Marten von Rallingen angeheuert, um dort zu intrigieren und die Besitztümer des Adligen in die Hände seiner Auftraggeber zu befördern. Da er jedoch nicht imstande ist, für seine Ziele zu töten, entgeht er Rodriguez und dessen Häschern und sticht mit von Rallingen in See.

Als die |Windemeer| Tage später einem heftigen Sturm ausgesetzt ist, fliehen ihr Besitzer und Jon als letzte Überlebende auf das Beiboot des Seglers, jedoch gelingt es nur dem jungen Matrosen, sich zu retten. Gemeinsam mit der Schatztruhe des Gouverneurs wird er von einem Händler entkräftet aufgefunden und nach Roderrenge, eine Kolonie von Rallingens, gebracht und dort tatsächlich für den verstorbenen Schiffseigner gehalten. Jon lässt sich alsbald auf das Spiel ein und schlüpft in die Scheinrolle des Gouverneurs, erlernt die Geschicke seiner Position und verändert das negative Gesamtbild, das die arme Bevölkerung Roderrenges von ihrem Regenten hat.

Doch just in dem Moment, in dem das Leben und der Handel auf Roderrenge florieren wie schon lange nicht mehr, sieht sich Jon einer neuen Bedrohung ausgesetzt; die Insel wird von Unbekannten angegriffen, die Ernte ruiniert und die Behausungen der meisten zerstört. Dies lässt der Inselherr aber nicht lange auf sich sitzen; auf der Suche nach den Urhebern lässt er sich auf einen unmoralischen Deal ein, enttarnt die unverhofften Betrüger in seinen Reihen und schwört, seine dahingeschiedenen Freunde zu rächen. Doch je weiter seine Reise führt, desto unschlüssiger ist sich der einstige Pirat, wer nun tatsächlich hinter den Anschlägen auf Roderrenge steckt …

_Persönliche Meinung_

Die Aufgabe, sich sowohl an den Vorgaben des Spiels als auch an den Erwartungen der kritischen Fans zu orientieren, war mitunter die schwierigste, die die Autorin zu meistern hatte. Einerseits galt es sicherlich, die Atmosphäre des Insel-Strategie-Klassikers aufrechtzuerhalten, andererseits war aber sicher auch eine gewisse Distanz vonnöten, damit die Story auch als eigenständig und zumindest im Rahmen des Möglichen als innovativ erachtet werden darf. Diesen Balanceakt hat Claudia Kern im Laufe der relativ knappen Story jedoch weitestgehend überzeugend gemeistert, wobei die stringente Linearität des Plots manchmal noch ein wenig mehr Detailfülle verlangt hätte. Gerade im zweiten Teil, als sich die Szenen geradezu überschlagen und die Geschichte mit vielen raschen Wendungen fortschreitet, fehlt es an Entfaltungsspielräumen, die gerade im Bezug auf Jons obskure Planungen etwas besser ausstaffiert hätten sein müssen. So nämlich steuert die Erzählung auf ein allzu flott überwundenes Finale zu, welches leider nicht gänzlich das Potenzial der eigentlichen Handlung auszuschöpfen vermag.

Dass Kern indes durchaus in der Lage ist, ein spannendes, umfassendes Abenteuer-Setting zu kreieren, beweist die Autorin besonders auf den ersten hundert Seiten, die einerseits nicht weniger wechselfreudig sind als die zweite Halbzeit, andererseits aber jeglichen Freiraum nutzen, um die Charaktere und ihre Motivationen etwas näher zu beleuchten. Außerdem ist der Plot zu diesem Zeitpunkt noch von einigen Mysterien umgeben, die sich vor allem um die Personen auf Roderrenge ranken, allesamt Leute, die nicht weniger zu verbergen haben als der falsche Gouverneur Jon Arbor. Speziell dieser Aspekt heizt die Spannung im Gesamtverlauf immer wieder deutlich an und ermöglicht eine Vielzahl überraschender Begebenheiten, die selbst die erprobte Spürnase nicht dringend durchschaut hätte. In diesem Sinne ist „Kampf um Roderrenge“ auch ein erstklassiger Roman!

Derweil zehrt die Story weiterhin von den zahlreichen Lügen und Intrigen, von Täuschungen und Scheinrealitäten, wobei schlussendlich wirklich niemand mehr um die wahre Identität des jeweils anderen weiß. Bedingt dadurch wird das Erzähltempo auf einem gewissen Höchstmaß festgehalten und erst auf den letzten, leider nicht ganz so befriedigenden Seiten rapide abgesenkt. Auch diesbezüglich gilt der Autorin ein deutliches Lob, da die Materie definitiv nicht jederzeit das Potenzial bietet, diesen Geschwindigkeitslevel fortwährend zu halten.

Der einzige Kritikpunkt dieses überraschend starken Buches bezieht sich auf die teils zu kompakte Schreibweise und den mangelnden Facettenreichtum. „Kampf um Roderrenge“ verdient etwas mehr Ausschmückung bzw. ein kleines bisschen mehr Liebe zum Detail in den jeweiligen Szenensprüngen. Ansonsten darf man dem Projekt eine durchaus gelungene, nicht nur für eingeschworene Fans empfehlenswerte, alles in allem überzeugende Umsetzung attestieren, die direkt nach einer Fortsetzung verlangt. Entsprechende Voraussetzungen liefert das PC- und Konsolenspiel jedenfalls ausreichend!

http://www.paninicomics.de/anno-1701-s10512.html

Mark Hebden – Geisterstadt am Amazonas

Hebden Geisterstadt Cover kleinDrei Abenteurer begeben sich auf eine moderne Schatzsuche in den Norden Perus. In einer verfallenen Geisterstadt geraten sie nicht nur aneinander, sondern müssen sich auch vor der gefährlichen Natur in Acht nehmen … – ‚Kleiner‘ aber gelungener Abenteuerroman, der aus dem uralten Plot von der riskanten Suche nach dem versunkenen Schatz spannend das Beste macht.
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Jules Verne – Die geheimnisvolle Insel

Fünf Männer stranden auf einer einsamen Pazifikinsel. Sie kämpfen gegen die Elemente und hungrige Tiere. Später machen ihnen Piraten zu schaffen, und zu allem Überfluss ist die Insel Sitz einer geheimnisvollen Macht mit überirdischen Kräften … – Abenteuer, Triumphe des menschlichen Geistes & Mysterien: Dies ist ein Jules Verne in Hochform, der seine (dem heutigen Leser vermutlich zu ausschweifende) Geschichte über die gesamte Distanz fesselnd und mit immer neuen Überraschungen erzählt. Der zeitlose, oft verfilmte Klassiker ist endlich wieder greifbar, auch wenn es sich nur um eine „überarbeitete“ Uralt-Übersetzung handelt.
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Quincy, Paul – Schwarze Flagge – Rote Segel

Die Piratengeschichten haben seit „Pirates of the Caribean – Fluch der Karibik“ wieder Konjunktur. Ruhmreiche Seeschlachten, verwegene Gestalten, romantische Liebe und nicht zuletzt das Mystische, Geheimnisvolle wollen spannend und unterhaltsam erzählt werden.

Piraten gab es damals aus jeder Nation. Für die einen waren sie gefürchtete und erfahrene Seeleute, die nichts mehr zu verlieren hatten und demnach jedes Risiko eingegangen sind, für die anderen waren es Nationalhelden, die die Seewege sicherten bzw. feindlich gesinnte Schiffe anderer Nationen aufbrachten, plünderten und oftmals keine Gefangenen machten – wo kein Kläger, da auch kein Richter. Besonders die Karibik mit ihren Unmengen an unerforschten Inseln, aber auch wirtschaftlich wichtigen Gütern war nicht nur das Ziel von Piraten, sondern hier erschlossen sich für handelnde Nationen wahre Goldgruben exotischer und einmaliger Waren.

Im Jahre 1776 herrscht ein brüchiger und unruhiger Frieden. England beherrscht mit seinen Kolonien in Nordamerika das politische Geschehen. Die fernen Kolonisten in Amerika wirken aufrührerisch und möchten sich der englischen Besatzung entledigen, um eine eigene Nation zu bilden. Sie stehen damit nicht alleine da, denn die französische Nation unterstützt die junge, sich noch im Entstehen befindliche Nation. Frankreich hatte zu diesem Zeitpunkt zu England über Jahrhunderte bereits eine Erzfeindschaft.

Der Autor Paul Quincy erzählt in seinem Roman „Schwarze Flagge – Rote Segel“ von den Geschehnissen jener Epoche.

_Die Geschichte_

1776 befindet sich der europäische Kontinent in einem ungewohnten Zustand des Friedens. Eine unruhige Zeit, in der jede Nation versucht, ihre Kolonien in Übersee zu stabilisieren, um den Handel mit Waren zu kontrollieren, die Wohlstand und ein gewisses Monopol gewährleisteten. Doch selbst England hat es nicht einfach in seinen Kolonien. Zwar haben sie den Krieg gegen Frankreich um die Vorherrschaft in Nordamerika gewonnen, doch nun sehnen sich die Kolonisten aus allen Ländern nach Unabhängigkeit und der Eigenständigkeit einer eigenen Nation.

Die große Entfernung macht die Kontrolle nicht unbedingt einfach; über Seewege müssen die Truppen auf dem amerikanischen Kontinent versorgt werden, doch diese werden von Freibeutern immer wieder aufgebracht und vernichtet. Oftmals gibt es keine Überlebenden, die Zeugnis vom Geschehen ablegen können – ein unhaltbarer Zustand für das britische Empire. Trotz aller Vorsichtsmaßnahmen kennen die Freibeuter erschreckend genaue Details über die Pläne und Versorgungslinien der englischen Flotte.

Der junge Leutnant William Turner wird von der britischen Admiralität aufgefordert, den Verräter innerhalb der Flotte zu finden und zu beseitigen – ein legitimierter Auftragsmord der englischen Krone. Turner ist von diesem Befehl hin- und hergerissen. Einerseits wäre es das erste eigene Kommando für den jungen Offizier, andererseits weiß er, dass dieses Kommando eine tödliche Mission sein kann.

Sein Schiff wird ein kleines, aber mit hochmodernen Waffen ausgerüstetes Schiff sein – das Kriegsschiff |Shark|. Seine eigenen Offiziere haben mit den aufrührerischen Rebellen noch viele offene Rechnungen zu begleichen, und für Turner ist dies die Chance, zu Amt und Würden zu gelangen. Sein Name ist nicht unbekannt in der englischen Flotte, viele kennen ihn auch unter den Namen „Wild Bull“, weil er kein Risiko scheut und oftmals seine Befehle etwas zu draufgängerisch sind.

In wenigen Monaten hat sich der junge Leutnant Turner einen Namen gemacht, aber auch die Gefahr steigt, damit selbst ein Ziel für die Freibeuter zu werden, denn die Übergriffe und die Brutalität eines bestimmten Freibeuterschiffes mit schwarzen Segeln nehmen immer mehr zu …

_Kritik_

Dem Leser werden die Parallelen bekannter Persönlichkeiten zu „Fluch der Karibik“ auffallen. Der Name William Turner und ebenso der weibliche Part der Elisabeth sind vielleicht eine Hommage an die berühmte Piraten-Trilogie, vielleicht auch eine an den Marinemaler William Turner (1775 – 1851). Der Roman ist das Erstlingswerk des Autors Paul Quincy und weist noch so einige Schwächen auf, die, wie ich hoffe, in den nächsten Romanen weiter abgebaut werden.

Die Handlung ist recht flach und vorhersehbar gehalten und der Autor schafft es nicht wirklich, Spannung aufkommen zu lassen. Einzig und allein die Seeschlachten sind wirklich spannend erzählt, wenn auch an manchen Stellen zu blutig und brutal geschildert. Zum Glück unterlässt es der Autor, mit nautischen Begriffen die Handlung in die Länge zu ziehen.

Die Charaktere sind nicht unbedingt vielschichtig. Turner und Elisabeth erinnern so manches Mal an ihre Originale in „Fluch der Karibik“. Vielleicht gedachte der Autor, mit diesen bekannten Filmfiguren einen gewissen Wiedererkennungsgrad zu bewirken und Leser dazu zu verführen, den Roman eher zu kaufen. Ich hätte durchaus gerne mehr gelesen über den Hauptcharakter mit seiner Vergangenheit, die gar nicht uninteressant gestaltet ist.

Leider reiht sich Klischee an Klischee; für einen Erstlingsroman allerdings bedingt entschuldbar. Auch die historischen Begebenheiten werden mir zu wenig erklärt, denn gerade in diesem Konflikt ist die Thematik für das Verstehen der Handlungen unabdingbar. Und gerade dieser Konflikt birgt den Stoff für viele unzählige Abenteuergeschichten, um gleich mehrere Handlungen verstrickt erzählen zu können. Paul Quincy lässt die Handlung jedoch viel zu schnell voranschreiten und vieles bleibt unerwähnt der Interpretation des Lesers überlassen.

_Fazit_

Es wird deutlich, dass die Geschichte um den jungen William Turner noch stark ausbaufähig ist. Die Charaktere alleine bergen schon mächtig viel Potenzial, was sicherlich auch darauf zurückzuführen ist, dass die Reihe auf mehrere Teile ausgelegt sein wird.

Für Freunde von Seeschlachten und Freibeutern ist dieser Roman sicherlich unterhaltsam und macht Lust auf mehr. Seien wir gespannt auf die nachfolgenden Romane des Autors, der hoffentlich noch an seinem handwerklichen Können arbeiten wird.

_Der Autor_

Paul Quincy startete als Schiffsjunge auf einem Frachter in der Nordsee und wechselte dann als Matrose auf einen Stückgutfrachter der Handelsmarine. Nach mehreren Jahren in der Karibik befuhr er mit dem Steuermanns- und Kapitänspatent in der Tasche alle Ozeane der Welt. Zurzeit verdient er seinen Lebensunterhalt vorwiegend als Skipper auf Yachten in der Ostsee und im Mittelmeer.

http://www.ullsteinbuchverlage.de/listtb/

Schröder, Rainer M. – Labyrinth der schwarzen Abtei, Das (Die Bruderschaft vom Heiligen Gral 3)

|Die Bruderschaft vom Heiligen Gral:|
Band 1: [Der Fall von Akkon 2324
Band 2: [Das Amulett der Wüstenkrieger 2727
Band 3: _Das Labyrinth der schwarzen Abtei_

Paris im August 1306: Die vier Gralshüter Gerolt, Tarik, Maurice und McIvor haben den Gral aus Akkon retten und nach einer abenteuerlichen Flucht aus Ägypten, quer durch die Sahara und verfolgt von den Häschern des ersten Knechts des Teufels, Sjadú, sicher in den Gewahrsam der Templerburg im Herzen Frankreichs bringen können.

Im Schutz des Templerordens verweilt der Gral lange Zeit sicher vor dem Zugriff der Iskaris, während die vier Gralshüter im Streit auseinandergegangen sind. Tarik arbeitet an einer Übersetzung des Koran, der Stein des Anstoßes für den Zwist. So kommt es, dass Gerolt in Deutschland weilt und seinen verhassten Bruder aufsucht, während Maurice vom Ordensobersten Antoine einen Bußgang auferlegt bekommen hat, da er einfach nicht weiblichen Reizen widerstehen kann. Tarik selbst ist als Stellvertreter Antoines in der Ordensburg zurückgeblieben, während McIvor diesem geflissentlich aus dem Weg geht. So kommt es auch, dass er alleine in einer Schänke über einen Krug Bier brütet, als er in der Nacht vom 12. auf Freitag, den 13. Oktober, von Männer des Königs belästigt wird.

McIvor ist gezwungen, sich gegen die unverhohlene Aggression zur Wehr zu setzen. Er findet ein versiegeltes Dokument mit Befehlen, die eine unverzügliche Verhaftung aller Templer in Frankreich anordnen. Ihnen wird Ketzerei, Sodomie und Götzendienst vorgeworfen. Obwohl McIvor sofort aufbricht, um seine Brüder zu warnen, ist es zu spät: Tarik und Antoine werden mitsamt der gesamten Besatzung der Ordensburg eingekerkert, nur wenige Templer können der perfekt organisierten Polizeiaktion des Königs von Frankreich entkommen.

Für den Plan Philipp des Schönen zeichnet sein Vertrauter Wilhelm von Nogaret verantwortlich, Sjadú hat die günstige Gelegenheit ergriffen, um den König und seinen Stellvertreter zu manipulieren und bereits vorhandenen Hass in seinem Sinne zu nutzen. Der König braucht Geld, welches der Orden im Übermaß besitzt. Zudem musste Philipp sich erst kürzlich schmachvollerweise vor einem Aufstand der eigenen Bürger in der Pariser Ordensburg verstecken, die zu einem Distrikt von beachtlicher Größe gewachsen ist. Das Missfallen des Königs gegen einen mächtigen Staat im Staat und die Tatsache, dass sein Mitgliedsantrag im Templerorden abgelehnt wurde, führen schließlich dazu, dass Philipp IV. nur zu gerne Sjadú und Nogaret sein Ohr leiht …

Es liegt in den Händen McIvors, die Gefährten wieder zu vereinen und den Gral zu retten. Doch ist es damit alleine nicht getan; der Gral muss erneut vor den Iskaris verborgen werden. Die Flucht führt die Gruppe fort aus Frankreich, man beschließt, nach Portugal zu reisen, wo die Templer nicht verfolgt werden. Auf ihren Weg durchziehen die Gralshüter das Gebiet der Katharer, wo es zu einem Wiedersehen mit Beatrice und Heloise kommt, die in die Hände der Inquisition geraten sind und ihrer Hilfe bedürfen.

_Der Autor_

Rainer M. Schröder (* 1951) beschreibt sich selbst als Mann mit vielen Neigungen und Talenten. Bevor er im Jahr 1977 zum Schriftsteller wurde, studierte er Gesang, später Jura und Theaterwissenschaften, arbeitete als Lokalreporter für rheinische Lokalzeitungen und den Rundfunk. Beeinflusst von Autoren wie Jack London und Joseph Conrad, unternahm er zusammen mit seiner Frau abenteuerliche Reisen, von den Everglades über den stürmischen Nordatlantik bis in die australische Wildnis. Zusammen mit dem berühmten Schatztaucher Mel Fisher tauchte er nach der spanischen Schatzgaleone Atocha; diese Erlebnisse verarbeitete er in seinem Abenteuerroman „Das Goldriff“. Heute lebt er in Palm Coast, Florida.

Während Rainer M. Schröder in Deutschland vor allem als Jugendbuchautor mit Schwerpunkt auf historischen Themen bekannt ist, veröffentlichte er unter dem Pseudonym Ashley Carrington umfangreiche historische Gesellschaftsromane für ein erwachsenes Publikum. „Der Fall von Akkon“ stellte den ersten Band der Trilogie „Die Bruderschaft vom Heiligen Gral“ dar, mit der Rainer M. Schröder sowohl jugendliches als auch erwachsenes Publikum erreichen will. Es folgten „Das Amulett der Wüstenkrieger“ und „Das Labyrinth der schwarzen Abtei“.

_Die Zerschlagung des Templerordens_

|“Nun legte Sjadú dem Fürsten der Finsternis ausführlich dar, wie er sich diesen vernichtenden Schlag gegen den mächtigen Orden der Templer vorstellte und wie er ihn in die Wege zu leiten gedachte. Und es war ein wahrhaft überzeugender, teuflischer Plan (…)“|

So unheilvoll deutete Rainer M. Schröder bereits am Ende des letzten Bandes an, was der Leser in „Das Labyrinth der schwarzen Abtei“ zu erwarten hat. Allerdings beschränkt er sich auf die historische exakte Wiedergabe einer der ersten Großrazzias der Geschichte; Sjadú kommt hier nur die Rolle eines Einflüsterers zu. Der Fokus liegt auf den vier Gralshütern, bei denen Gerolt und Maurice weitab vom Geschehen sind und ihre eigene kleine Geschichte erzählen, bis McIvor sie zur Rettung des Grals und Tariks wieder einsammelt. So verspielt Schröder leider die Chance, der Verschwörung etwas mehr Biss zu geben. Vielleicht ging er davon aus, dass die Fakten bereits hinlänglich bekannt sind, dennoch hätte ich mir hier mehr gewünscht.

Schröder wechselt die Erzählperspektive nicht, sie bleibt stets starr auf die Gralshüter fixiert. So erlebt Tarik die Befragungen beziehungsweise Folter der Inquisition nur aus der Sicht eines Gefangenen im Kerker mit, der mit fast zu Tode gefolterten, standhaften Templern und weniger standhaften Geständigen die Zelle teilt. Die Aussagen Großmeister Jacques von Molays, Konflikte zwischen Papst und König sowie die unterschiedliche Verfolgung der Templer außerhalb Frankreichs (nur in Frankreich gelang eine vollständige Zerschlagung des Ordens, in England, Spanien und insbesondere Portugal wurden die Templer oft von den gegen sie erhobenen Scheinvorwürfen freigesprochen) werden nicht direkt erlebt, sondern nur berichtend nacherzählt.

Stattdessen erzählt Schröder in diesem geschichtlichen Rahmen seine eigene Mantel- und Degengeschichte, verbunden mit der Befreiung eines gefangenen Mitbruders, die qualitativ aber nicht an eine ähnliche Situation im zweiten Band „Das Amulett der Wüstenkrieger“ heranreicht. Hier hätte ich mir wirklich mehr erwartet; eine so erfreulich gelungene Verbindung von Historie und Geschichte wie im ersten Band hat er hier leider nicht einmal versucht.

_Im Land der Katharer_

Angenehm überrascht war ich von den Wendungen, die die Flucht der Hüter im Languedoc nimmt. Dort wütet die Inquisition nach wie vor unter den Katharern, sehr zur Freude des Teufels und seiner Knechte, die dort mit ihren Verlockungen viele Diener gewinnen können. Die Gebräuche der Katharer werden dem Leser unterhaltsam nahegebracht und geschickt mit der Story verwoben. Maurice hat den Fluchtweg mit Absicht so geplant, dass sich ihre Wege mit dem der mittlerweile verwitweten Beatrice kreuzen. Diese befindet sich unter dem Verdacht der Ketzerei; gemeinsam mit ihrer mittlerweile zu einer schönen jungen Frau herangewachsenen Schwester Heloise planen die Gralshüter ihre Befreiung, bei der sie mit Hilfe ihrer besonderen Fähigkeiten ein positives Gottesurteil fingieren, um Beatrice der Inquisition zu entreißen. Doch zwei schöne, junge Frauen und vier Gralshüter, von denen einer erwiesenermaßen ein Schürzenjäger ist, schreien nach Problemen. Die Iskaris nützen gnadenlos menschliche Schwächen aus, um sich des Grals zu bemächtigen …

_Das Labyrinth der schwarzen Abtei_

Der Teufel selbst residiert in dieser Festung am Fuße der Pyrenäen. Der Vordereingang ist schwer bewacht von seinen Jüngern, der Hintereingang liegt unter dem „Atem des Todes“; niemand kann dieses Tal betreten und dort überleben. Bis auf Iskaris und Gralshüter. Die vier Hüter müssen sich durch ein zur Bestrafung versagender Teufelsjünger angelegtes Labyrinth voller trickreicher Fallen und gefährlicher Monster vorankämpfen, um den Teufel, seinem ersten Knecht Sjadú und einer Unzahl seiner Jünger zuvorzukommen, die den Gral in einer unheiligen Zeremonie vernichten und ewige Nacht über die Menschheit bringen wollen.

Hier hat Schröder sich viel einfallen lassen; die Rätsel und Gefahren, denen sich die Gralshüter stellen müssen, übertreffen alles, was Steven Spielberg in „Indiana Jones und der letzte Kreuzzug“ geboten hat. Der große Showdown selbst fällt etwas antiklimatisch aus, insbesondere Sjadú wird recht unrühmlich und unspektakulär abserviert. Dafür hat der Autor eine sehr interessante Idee, wie der Gral in Zukunft gehütet werden soll, und vor allem: Wo er versteckt wird.

_Fazit_

Mit „Das Labyrinth der schwarzen Abtei“ findet die Trilogie um die Bruderschaft des Heiligen Grals ein gelungenes Ende. Insbesondere jüngeren Lesern wird mit den gut kommentierten Fußnoten und der Handlung an sich viel spannendes geschichtliches Hintergrundwissen vermittelt. Auch für ältere Leser bietet Schröder eine spannende Abenteuergeschichte; mein einziger großer Kritikpunkt ist die etwas fantasielose und unspektakuläre, recht nebensächlich wirkende Abwicklung des Untergangs des Templerordens, die viel mehr Potenzial geboten hätte.

Die gewohnt edle Ausstattung der Trilogie – ausgezeichneter Druck, hervorragendes Kartenmaterial und ein sehr gelungener goldener Umschlag des Hardcovers mit Lesebändchen – runden erneut das vorzügliche Gesamtbild der Trilogie ab. Der auf der Umschlagvorderseite gezeigte Gral entspricht exakt der Schilderung Schröders im Roman – so etwas sieht man heute viel zu selten!

Auch wenn ich mir wegen des ersten Bands etwas mehr Stoff für erwachsene Leser erhofft hatte, werden diese nicht enttäuscht sein. Für Kinder und Jugendliche ist diese Trilogie jedoch uneingeschränkt empfehlenswert.

Offizielle Homepage von Rainer M. Schröder:
http://www.rainermschroeder.com/

Homepage des Arena Verlags:
http://www.arena-verlag.de/

Moers, Walter – Stadt der Träumenden Bücher, Die

Im Alter von nur 77 Jahren verliert der junge Lindwurm und Dichter Hildegunst von Mythenmetz seinen geliebten Dichtpaten Danzelot von Silbendrechsler. Dieser hinterlässt ihm nicht mehr als ein Manuskript (abgesehen von einem Garten), welches er vor Jahren von einem jungen Talent zugesandt bekam. Und tatsächlich entpuppt sich dieses Manuskript als das wertvollste, schönste und vollkommenste, was Hildegunst je gelesen hat. Er begibt sich auf die Suche nach dem Schöpfer dieses Werkes. Und welcher Ort wäre besser dafür geeignet, einen Autor ausfindig zu machen, als Buchhaim, die Stadt der Träumenden Bücher?

Dort angekommen, überwältigt diese Stadt Hildegunst mit ihrem ganz besonderen Charme, dem er sofort verfällt. Alles ist der Literatur und der Dichtkunst gewidmet. An jeder Ecke finden sich Antiquariate, Lektorate, Büchereien und gemütliche Cafés, in welchen regelmäßig Dichterlesungen gehalten werden. Kurzum, diese Stadt ist eine einzige Ode an das Lesen. Hildegunst möchte nicht mehr fort und vergisst kurzfristig, weshalb er überhaupt nach Buchhaim kam.

Doch die Stadt hat auch ihre Schattenseiten in Form eines riesigen unterirdischen Höhlenlabyrinthes. Angeblich lebten dort die ersten Bewohner von Buchhaim, bevor die Stadt erbaut wurde. Und so befinden sich dort die wahren Schätze Buchhaims. Bücher von unermesslichem Wert. Gehoben werden diese Schätze von skrupellosen Buchjägern. Die Labyrinthe sind kein Ort, an welchem sich Hildegunst gerne aufhalten würde. Doch genau dorthin verschlägt es den Helden dieser Geschichte, als er mit seinen Nachforschungen bezüglich des Manuskriptes beginnt.

Welches Geheimnis verbergen die dunklen Schatten? Welche Gefahren lauern dort unten außer Spinxxxen, Harpyren und den schrecklichen Buchlingen? Und welches Geheimnis umgibt den mysteriösen Schattenkönig?

|“Von den Sternen kommen wir, zu den Sternen gehen wir. Das Leben ist nur eine Reise in die Fremde.“| Dieses Zitat eines gewissen Danzelot von Silbendrechsler beschreibt treffend genau, in welche Welt Walter Moers den Leser entführt. Eine Welt voller Mysterien, in der die Fantasie des Autors in allen nur denkbaren Facetten dem Leser entgegenschwappt.

Walter Moers versteht es wie kein anderer, vor dem inneren Auge des Lesers eine Welt zu erschaffen, die so unmöglich, so fantastisch, so farbenfroh, so erheiternd und gleichzeitig so grausam sein kann. Mit seiner unbeschwerten Art des Schreibens entführt er den Leser auf eine leichtfüßige Reise durch Zamonien. Selten habe ich bei der Lektüre eines Buches im einen Moment so herzhaft gelacht, nur um Augenblicke später vor Spannung fast zu erstarren.

Dieses Buch ist eine Hommage für alle Buchliebhaber. Die bildhaften Beschreibungen Walter Moers‘ ließen mich das alte Pergament förmlich riechen. Inhaltlich setzt sich Walter Moers mit allerlei Klischees auseinander, und wirklich jeder der Branche bekommt sein ‚Fett weg‘; vom Autor über den Verleger bis zum Kritiker. Niemand wird verschont, doch dies immer auf eine liebenswerte Art und Weise. Ein weiteres Highlight des Buches sind die vielfach verwendeten Namen bekannter Zamonischer Dichter und Autoren, die nahezu alle Anagramme bekannter Größen der Literatur sind und auch diesen somit die Ehre erweisen.

„Die Stadt der Träumenden Bücher“ war mein erster Zamonien-Roman bislang, und ich denke, der Ausflug nach Zamonien hat sich gelohnt. Weder hatte ich als ‚Quereinsteiger‘ Schwierigkeiten, mich in diese mir unbekannte Welt hineinzudenken, noch fiel es mir schwer, mich auf das Abenteuer einzulassen. Einzig und allein das Trompaunenkonzert war für meinen Geschmack etwas zu langatmig ausformuliert. Doch auch das kann nicht über die Klasse des Autors, der ja eigentlich nur der Übersetzer war (Leser des Buches werden wissen, was ich meine), hinwegtäuschen.

Ich bin mir sicher, dass Walter Moers das Orm erworben hat. Anders kann ich mir die Qualität des Buches nicht erklären. Dieses Werk kann uneingeschränkt denjenigen empfohlen werden, die gerne auf fantastischen Pfaden wandeln und sich auf ein unvergleichliches Abenteuer einlassen möchten. Auch Zamonien-Einsteigern sei das Buch sehr ans Herz gelegt.

http://www.piper-verlag.de

_Frank P. Albrecht_

Napier, Bill – 77. Grad, Der

Als mäßig erfolgreicher Antiquar und Fachmann für historische Karten fristet Harry Blake sein bescheidenes Einkommen. Für den reichen Sir Toby Tebbit soll er ein verschlüsseltes Tagebuch auf seine Echtheit überprüfen, das diesem angeblich ein Verwandter im fernen Jamaica vererbte. Blake schlägt ein, doch der scheinbare Routineauftrag entpuppt sich als Spießrutenlauf: Noch hat er keinen genauen Blick auf das Werk werfen können, da tritt schon eine erste Unbekannte drohend an ihn heran und fordert die Herausgabe. Blake weigert sich selbstverständlich und informiert Sir Toby, der sich etwas zu offensichtlich unwissend gibt. Weitere und immer bedrohlicher werdende Attacken erschrecken Blake, der das Tagebuch übersetzt und herausfindet, wieso es für seine Gegner von solchem Wert ist.

Es erzählt von den Erlebnissen des James Ogelvie, eines Schotten, der 1585 – zur Zeit der anglikanisch-protestantischen Königin Elisabeth I. – mit dem berühmten Seefahrer Sir Walter Raleigh auf eine Reise in die Karibik geht. Ziel ist es, den „Längengrad Gottes“ zu finden und dort eine Kolonie zu gründen. Doch der (katholische) Feind schläft nicht. Mörder gehen auf dem Schiff um und wollen das Unternehmen sabotieren. Sie führen heimlich eine christliche Reliquie von unerhörter Kraft mit sich, die besagte Kolonie im Namen von Maria Stuart, Elisabeths Erzkonkurrentin und Rivalin um den Thron, zu einem Zentrum der katholischen Bewegung umwerten soll.

In der Gegenwart wird Sir Toby umgebracht. Der entsetzte Blake setzt sich mit dessen Tochter Debbie in Kontakt und sucht die Unterstützung der Historikerin Zola Khan. Gemeinsam bemüht man sich das Rätsel der Ogelvie-Aufzeichnungen zu lüften, bevor dem mysteriösen Gegner dies gelingt. In der Vergangenheit wie in der Gegenwart hören die Gewalttaten nicht auf, sodass sowohl der junge James als auch Harry, Zola und Debbie in Lebensgefahr geraten …

Vorab ein Wort der (Ent-)Warnung: „Ein packender Mysterythriller für die Fans von Scott McBain und Dan Brown“, dröhnt die Werbetrommel auf dem Backcover. Man beachte die Reihenfolge: Dan Brown kennt und liest bekanntlich jede/r, und Scott McBain ist einer seiner (sogar noch) minderbegabteren Nachahmer, der seine Trash-Thriller hierzulande recht erfolgreich im |Knaur|-Verlag (Aha!) veröffentlicht; möge das Publikum den Hieb mit dem Zaunpfahl verstehen und auch Bill Napier durch reichliche Buchkäufe würdigen …

Aber Napier verdient den Vergleich mit gleich zwei tonfüßigen Bestseller-Fabrikanten nicht. Sein Werk kann für sich selbst stehen. Wer’s mag (oder braucht), darf die Schubladen „Literatur“ und „Unterhaltung“ aufziehen: „Der 77. Grad“ gehört in Letztere. Als solche kann dieser Roman nicht nur gut mithalten in der Flut der meist grässlichen Copy-Thriller um biblische & historische Mysterien, sondern schwimmt sogar an der Oberfläche auf.

Das Rätsel des 77. Grads wird bereits recht früh gelüftet – eine gute Entscheidung, denn vermutlich hätte es ins Finale verlegt die meisten Leser irritiert und unzufrieden aus der Geschichte entlassen. Ohne an dieser Stelle Entscheidendes zu verraten, darf immerhin erwähnt werden, dass es um den Streit zwischen katholischer und anglikanisch-protestantischer Kirche geht, der zu den prägenden Ereignissen des 16. Jahrhunderts gehört. Die Intensität dieses Kampfes, der zugleich hochpolitisch war und mehrfach in Kriege ausartete, lässt sich heute vom historischen Laien schwer nachvollziehen. Doch damals war diese Auseinandersetzung eine Grundsatzfrage, deren Entscheidung unzählige Menschen das Leben kostete.

Nur in diese Welt passt ein kompliziertes Komplott, wie es Autor Napier entwirft. Es geht um Kartografie, Kalender, Kolonien. Realpolitik und Religion finden eng miteinander verknüpft statt. Aus heutiger Sicht wirkt das wie gesagt abstrakt. Napier gleicht dies aus, indem er zusätzlich eine christliche Super-Reliquie ins Geschehen bringt, die auch im 21. Jahrhundert enorme Begehrlichkeiten wecken kann. So schafft er eine einleuchtende Verbindung zwischen den beiden im Wechsel geschilderten Handlungsebenen: Quasi parallel kommen James Ogelvie 1585 und Harry Blake & Co. in der Gegenwart dem Mysterium auf die Spur – ein geschickter Kunstgriff, der die Spannung verdoppelt – und einen „modernen“ Thriller immer wieder mit dem Historienroman kreuzt: zwei beliebte Genres in nur einem Roman!

Die rasante Handlung folgt recht ausgefahrenen Pfaden. Im Ausknobeln eines Plots ist der Verfasser eindeutig besser. Vor allem jener Strang, der im 21. Jahrhundert spielt, gleicht den Schnitzeljagden, die heute in allen Unterhaltungsmedien zum Thema „Rätsel und Schätze der Vergangenheit“ stattfinden. Napiers Jamaica ist beispielsweise eine karibisch knallige Rastafari-Insel, auf der lässige Lebensfreude und schonungslose Gewalt nahtlos ineinander übergehen.

Es ist objektiv schwer zu entscheiden, wie eine originellere Handlung aussehen könnte, da wir nie mit einer solchen konfrontiert werden. Immerhin ist Napier Routinier genug, den Spannungsbogen nicht abreißen zu lassen, während er immer wieder in die Vergangenheit zurückkehrt, die er mit Einfallsreichtum und Fachwissen zu beleben weiß.

Bill Napier mag es klassisch: Sein „Held“ ist ein Jedermann, der zwar über gewisse intellektuelle Fähigkeiten, nicht jedoch über (körperliche) Kräfte gebietet, die ihn über den Durchschnitt erheben bzw. ihm helfen, sich gegen seine skrupellosen, brutalen, schwer bewaffneten Feinde durchzusetzen. Harry Blake – schon der Namen symbolisiert Alltäglichkeit – ist ein beruflich und privat wenig erfolgreicher Antiquar, also ein weltfremder und schwächlicher Zeitgenosse, wie ihn das Klischee für Romane wie diesen fordert.

„Klischee“ ist ein wichtiges Wort, denn Blake trifft auf Böslinge, die wohl nur in der Märchenwelt des „77. Grades“ Angst und Schrecken verbreiten können, mimen sie doch so drastisch die chronischen Möchtegern-Weltherrscher, dass es schon wieder lächerlich wirkt. Da haben wir also den irrsinnig-fanatischen Superschurken, dem selbstverständlich eine ebenso schöne wie zutiefst verdorbene weibliche Schönheit (die hier auch noch auf den Namen „Cassandra“ hört) zur Seite steht. Sie und diverse vertierte Helfershelfer gieren förmlich danach zu foltern und zu morden; alle orientieren sich in Wort und Tat an den kindischen James-Bond-Thrillern der Vor-„Casino-Royale“-Ära. Wie es diesen Knallchargen gelingt, einen weltweit aktiven Geheimbund zu gründen und zu führen, ist das wahre Rätsel dieser Geschichte …

Auch im Spiegel stimmt das Bild: Wie es sich gehört, kann sich Harry auf einen kleinen Kreis ergebener Helfer stützen, zu denen erwartungsgemäß eine hübsche, tatkräftige (Reihenfolge beachten!) Frau gehört. Hier sind es derer sogar zwei, denn neben die tatkräftige Fachfrau Zola Khan (was für ein Name!) tritt – als Identifikationsfigur für jüngere Leser? – die erst süße 19 Jahre zählende Anbeißmaus Debbie; keine der guten Ideen des Verfassers.

Siehe da, irgendwann lässt Napier plötzlich durchblicken, dass Harry nicht immer ein Antiquar gewesen ist. Düster fallen Namen von Orten, die Großbritanniens Einsätze in diversen Kriegen der näheren Vergangenheit dokumentieren, an denen Harry anscheinend als Soldat teilgenommen hat. So wirkt es einleuchtender, wenn er den Schurken, die ihn ständig überfallen, Saures geben kann.

Wesentlich „lebensechter“ wirken die Figuren des Ogelvie-Handlungsstrangs. Der Verfasser profitiert hier von der Tatsache, dass er Personen schildert, deren Äußerungen und Verhalten schwer oder gar nicht nachgeprüft werden können: Wer kennt sich als Leser so genau im Jahre 1585 aus, dass ihm (oder ihr) Verstöße gegen die historische Realität bewusst werden? Dem besser mit der Materie vertrauten Kritiker fällt jedenfalls auf, dass sich auch die Bewohner der Vergangenheit primär so verhalten, wie es uns Lehrfilmen wie „Fluch der Karibik“ oder „Master and Commander“ nahebrachten. Zumindest der fiktiven Vergangenheit steht das Klischee jedoch besser als der Realität. Oder anders ausgedrückt: Dieses Garn ist dick genug, dass wir alle unser Lieblingsfädchen daraus zupfen können.

William Napier wurde 1940 im schottischen Perth geboren. Er wuchs im Städtchen Strathaven im Westen auf, studierte an der Universität zu Glasgow und verließ sie mit einem Doktortitel in Astronomie, bevor er für ein Jahr am Royal Holloway College in Surrey lehrte. Er übernahm dann einen Posten am Royal Observatory in Edinburgh, den er 25 Jahre innehatte, bis er 1992 in den vorzeitigen Ruhestand trat. Nach einem kurzen Gastspiel als Dozent in Oxford ging Napier als Astronom ans Observatorium in Armagh, wo er noch heute tätig ist.

Erst in Armagh begann Napier sich ernsthaft als Unterhaltungsschriftsteller zu versuchen. Der Science-Thriller „Nemesis“, der sich um den drohenden Einschlag eines Riesenmeteoriten auf die Erde dreht, brachte ihm auf Anhieb den Durchbruch. Den sicheren Boden der Astronomie verließ Napier 2000 mit seinem Thriller „Revelation“ (dt. [„Die Offenbarung“). 3387 Noch ein Stück weiter ging er mit „The Lure“, in dem er die Konsequenzen einer klassischen „Begegnung der Dritten Art“ beschreibt.

2003 sprang Napier auf den Dan-Brown-Express auf und trug seinen Teil zur aktuellen Bestseller-Verschwörungstheorie bei, nach der die christliche Kirche seit zwei Jahrtausenden mit Hilfe vorzeitlicher Super-Hightech, albinotischer Meuchelmörder oder maskierter Außerirdischer klammheimlich die Welt regiert & die Menschheit für dumm verkauft. „Shattered Icon“ (dt. „Der 77. Grad“) war einfalls- und erfolgreich genug, um vom Originalverlag mit einer ebenso werbeträchtigen wie marktschreierischen aber witzigen Website begleitet zu werden: http://www.splinteredicon.com.

http://www.droemer-knaur.de

Cornwell, Bernard – Erzfeind, Der (Auf der Suche nach dem Heiligen Gral 3)

Band 1: [„Der Bogenschütze“ 3606
Band 2: [„Der Wanderer“ 3617

In der ersten Phase des Hundertjährigen Krieges der beiden Kontrahenten England und Frankreich und nach verlustreichen Schlachten auf beiden Seiten war es das primäre Ziel von König Eduard III., die großen und bedeutungsvollen Städte der Franzosen anzugreifen, um sie entweder zu vernichten oder zu erobern.

1346. Nach der Schlacht und dem Sieg des englischen Heeres bei Crècy begann im gleichen Monat noch die Belagerung der Hafenstadt Calais. Nach elfmonatiger Belagerung versuchte das französische Heer mit einem Entsatzangriff, die Stadt zu retten. Vergeblich, der Angriff wurde abgewendet und das Schicksal der Stadt war scheinbar besiegelt. Eine Plünderung und Brandschatzung hätte Calais vernichtet; das wussten auch die wichtigsten Ratsherren der Stadt und beschlossen, vor dem englischen König zu kapitulieren.

Eduard stellte allerdings eine Bedingung: Die sechs wichtigsten und vornehmsten Bürger sollten in einem Büßerhemd und mit einem Strick um den Hals vor ihn treten und ihm den Schlüssel der Stadt persönlich übergeben. Die Königin setzte sich für die sechs Geiseln ein und bat ihren Mann um Nachsicht, denn dieser hätte wohl ansonsten ein Exempel statuiert; die sechs Geiseln wurden freigelassen.

Diese Belagerung der Stadt Calais bildet den Prolog des dritten und letzten Romans „Der Erzfeind“ zu Bernard Cornwells Trilogie |Auf der Suche nach dem Heiligen Gral|.

_Die Geschichte_

Die elfmonatige Belagerung von Calais geht zu Gunsten des englischen Königs aus. Nach schier endlosen Schlachten und großen Opfern auf beiden Seiten wird nun ein Waffenstillstand vereinbart.

Diesen brüchigen kleinen Frieden soll der junge Bogenschütze Thomas von Hookton ausnutzen und weiter sein Ziel verfolgen – die Suche nach dem Heiligen Gral. Sein Weg führt ihn in die Gascogne, zu der ehemals kleinen Grafschaft Astarac seiner Familie. Das Schloss seiner Vorfahren existiert noch, und der Sage nach soll man hier zuletzt den Heiligen Gral gesehen haben. In diese Gegend kommt auch sein Vetter und Erzfeind Guy Vexille, der dem katharischen Glauben abgeschworen und sich selbst auf der Suche nach dem Gral gemacht hat, diesmal für die Heilige Römische Kirche. Eine Konfrontation zwischen Thomas und dem Mörder seines Vaters ist unausweichlich.

Als Thomas mit seinen Freunden und Vertrauten den Sitz seiner Familie erreicht und erobert, findet er in dem Verlies einer junge Frau, die der Ketzerei beschuldigt wird. Auf Befehl der Kirche soll sie den reinigenden Flammen übergeben werden. Doch Thomas, nun Herrscher über die Burg und das Land, erbarmt sich ihrer und rettet sie vor dem qualvollen Tod.

Durch diesen Entschluss macht sich Thomas gerade unter seinem ersten Kommando über eine Abteilung von englischen Bogenschütze in seinen eigenen Reihen Feinde. Viele seiner eigenen Männer sind gottesfürchtig, und aus Angst vor dem Höllenfeuer und ewiger Verdammnis sind sie nicht einverstanden mit der Entscheidung ihres Anführers. Selbst die engsten Freunde von Thomas sind seiner Entscheidung gegenüber skeptisch und wenden sich von ihm ab.

Thomas kann sie zwar durch stichhaltige Argumentationen zum Bleiben bewegen, aber die Lage eskaliert, als der Bischof Thomas exkommuniziert. Thomas muss fliehen und ist zusammen mit der Ketzerin, die er lieben gelernt hat, in Feindesland auf sich selbst gestellt.

Gehetzt von Räubern, die sich das Kopfgeld für einen englischen Bogenschützen verdienen wollen, verraten von seinen eigenen Freunden und verfolgt von seinem Vetter, dem schwarzen Ritter Guy Vexille, den man auch überall als „Harlekin“ fürchtet und kennt, bleibt ihn nur die direkte Konfrontation …

_Mein Eindruck_

„Der Erzfeind“ von Bernard Cornwell bildet den Abschluss der Gralstrilogie. Anders als in den ersten beiden Teilen „Der Bogenschütze“ und „Der Wanderer“ ist dieser Roman fast rein fiktiv und stützt sich nur im Prolog – die Schlacht um Calais – und am Ende – der Ausbruch der Pest – auf historische Ereignisse. Der überwiegende Teil der handelnden Personen, Orte und Ereignisse ist frei vom Autor erfunden. Zwar bediente sich Bernard Cornwell des Hundertjährigen Krieges als Schauplatz seiner Geschichte, aber enttäuschend ist es dennoch, dass die Geschichte viel zu abenteuerlich und keinesfalls glaubwürdig erscheint.

Bernard Cornwell bedient sich eines modernen erzählerischen Stils, und die Umgangssprache seiner Charaktere bildet hier auch keine Ausnahme. Wie schon in den beiden vorherigen Romanen, wird hier schnell und brutal gemordet, gefoltert, verraten und geliebt. Alles schnell hintereinander, ohne wirklich einen tieferen Sinn für die Geschichte übrig zu haben. „Der Erzfeind“ basiert eigentlich viel mehr auf der Darstellung von brutalen Schlachten und Toden einem von Dialogen getragenen Stil.

Auch die Story ist dermaßen unglaubwürdig und vorhersehbar, dass ich mich fragen muss, ob der Autor nicht unter Zeitdruck stand. Verrat und gebrochene Eide, eine Kirche, die zumeist als böse dargestellt wird, ein Glaube, der zu diesem Zeitpunkt eigentlich überhaupt keine Rolle mehr spielen dürfte, und ein Held, der es immer wieder schafft zu überleben und meiner Meinung nach völlig unzulänglich charakterisiert ist – das kann mich nicht davon überzeugen, diese Trilogie wirklich zu empfehlen.

Weniger Schlachten, weniger Gemetzel und viel mehr inhaltliche Dialoge hätten dieser Serie gut getan. Natürlich hat die literarische Welle um Geheimnisse und Verschwörungen im Zusammenhang mit der Kirche Hochkonjunktur, und jeder Schriftsteller möchte sicherlich an diesem Erfolg teilhaben, doch muss ich sagen, dass es in dieser Richtung inhaltlich dichtere Werke gibt.

Die Trilogie von Bernard Cornwell und nicht zuletzt „Der Erzfeind“ ist für Liebhaber von Blut und Schlachten genau die richtige Lektüre. Wer aber wirklich einen gut recherchierten Roman aus dem historischen Genre lesen möchte, dem rate ich eher ab. So bleibt unterm Strich eine Reihe von Abenteuerromanen übrig, unterhaltsam und für den einen oder anderen spannend beschrieben, aber nicht mehr.

|Originaltitel: Heretic
Aus dem Englischen von Claudia Feldmann
Gebunden, 400 Seiten|
http://www.ullsteinbuchverlage.de/ullsteinhc

|Ergänzend:|
[„Stonehenge“ 113
[„Die Galgenfrist“ 277

Cornwell, Bernard – Wanderer, Der (Auf der Suche nach dem Heiligen Gral 2)

Band 1: [„Der Bogenschütze“ 3606

Der Hunderjährige Krieg zwischen England und Frankreich forderte viele Opfer. Auf beiden Seiten wurde ein Zermürbungskrieg mit unvorstellbarer Brutalität geführt, und Opfer waren nicht nur die Soldaten und Ritter, sondern vielmehr die zivile Bevölkerung, die in wenigen Augenblicken alles verlor, oftmals das Leben selbst.

Der größte Truppenanteil des englischen Heeres kämpfte in Frankreich gleich an verschiedenen Fronten, in der Bretagne, der Normandie und natürlich wurde auch daran gedacht, Paris zu belagern. Diese vermeintliche Schwächung des englischen Königreiches brachte beim schottischen König David II. den Plan hervor, England zu überfallen, um mehrere große und einflussreiche Städte zu plündern und zu erobern. Dies geschah nicht zuletzt auf das Drängen der Franzosen.

Doch diese Schlacht hatte für die Schotten einen katastrophalen Ausgang; durch die hervorragenden Bogenschützen aus England wurde das schottische Heer vernichtet und selbst ihr König und Anführer David II. geriet in Gefangenschaft. Die einzige Möglichkeit, sich dieser unerfreulichen Lage wieder zu entziehen, war eine Lösegeldzahlung des schottischen Adels, und diese war gewaltig für die damalige Epoche. Außerdem mussten bei solchen Verhandlungen im Austausch Geiseln gestellt und eine „Ratenzahlung“ vereinbart werden. Das Absurd-tragische an dieser Begebenheit war aber: Als für den König das Lösegeld aufgebracht wurde, stand zu diesem Zeitpunkt Schottland im Krieg an der Seite Englands. Die Fronten wurden also
gewechselt.

Das ist nur eine Nebengeschichte des Fortsetzungsromans von „Der Bogenschütze“. Im zweiten Roman „Der Wanderer“ aus dieser Trilogie von Bernard Cornwell geht es wieder um die Suche nach dem Heiligen Gral und die Identität des Thomas von Hookton, der noch immer seine Vergangenheit und die seiner Familie erforscht.

_Die Geschichte_

1346: Inmitten des Hundertjährigen Krieges zwischen den Königreichen England und Frankreich kämpft Thomas von Hookton noch immer als Bogenschütze auf der Seite des englischen Königshauses. Die Jahre des Krieges haben ihn geformt und seelisch altern lassen. Der Krieg ist ein sehr guter Lehrmeister, wenn es darum geht, Mord, Vergewaltigung und Plünderung als legitim und rechtens anzuwenden. Die Erlebnisse sind nicht spurlos an dem jungen Mann vorübergegangen.

Inzwischen hat auch der englische König davon gehört, dass der legendäre Gral irgendwo in greifbarer Nähe liegen muss, und natürlich will er sich die Reliquie für seinen Feldzug nutzbar machen. Auch der Erzfeind und Vetter von Thomas, der schwarz gekleidete und gerüstete Ritter mit dem Namen „Harlekin“, sucht nach dem Heiligen Gral und ebenso nach seiner eigenen Vergangenheit, denn seine Familie hat ihre Wurzeln im Glauben der Katharer, die Hüter des Grals waren und von der päpstlichen Macht vernichtet wurden.

Im Auftrage des Königs wird Thomas auf die Suche nach dem Heiligen Gral geschickt. Doch Thomas, den die Gräuel des Krieges nicht ruhen lassen, wird von Zweifeln geplagt. Kann ein Gott solche Grausamkeit auf dem Schlachtfeld akzeptieren? Und kann der Gral, wenn er tatsächlich existiert, dieser grausamen Welt Erlösung bringen? Als Sohn eines Priesters, aber auch als Bogenschütze existiert er zwischen den Glaubenswelten.

Thomas weiß, dass sein Vater der älteste Sohn des Grafen von Astarac war und seine Familie als die Hüter des Grals galt, bis sie dem Glauben der Katharer abschworen. Seine Zweifel beginnen zu verschwinden, als er sich den persönlichen Aufzeichnungen seines Vaters widmet, doch eine unheilvolle Begegnung mit der päpstlichen Inquisition und durch Folter erpressten Geheimnissen lässt Thomas wieder an Gott und dem Gral zweifeln.

Genesen und von Rachsucht geplagt, trifft er seinen Vetter, den Harlekin, auf dem Schlachtfeld wieder und dieser bittet Thomas darum, sich ihm anzuschließen, um gemeinsam der Welt den Gral und mit diesem Frieden und Freiheit zu bringen …

_Meine Meinung_

„Der Wanderer“ ist solide recherchiert, stützt sich aber hauptsächlich wie sein Vorgänger auf die Techniken, Strategien und Taktiken des Krieges zur damaligen Zeit. Das bunte Leben und Treiben der spätmittelalterlichen Bevölkerung findet leider kaum die Beachtung des Autors. Dadurch wirkt die Story nicht unbedingt ganzheitlich ansprechend und die Wirrungen und Irrungen der Protagonisten allein konnten die Erzählung nicht bereichern. Einzig und alleine der Lebenslauf des Hauptcharakters Thomas von Hookton wurde erzählerisch umfassend ausgearbeitet. Seine Zweifel und Gewissenskonflikte retten den zweiten Teil der Gralstrilogie über seine Längen hinweg und lassen den Leser mit der dürftigen und auch wieder zu vorhersehbaren Handlung fiebern.

Eher unglaubwürdig und ein wenig verwirrend sind die anderen Charaktere beschrieben, die sich wohl nicht entschließen können, auf welcher Seite sie denn jetzt kämpfen sollen und wollen. Immer dem eigenen Vorteil als Ziel folgend, sind diese Nebenfiguren leider nur Schemen. Bernard Cornwell hätte sich viel mehr auf historische Persönlichkeiten stützen sollen, anstatt sein ganzes literarisches Talent auf die Figuren des Thomas von Hookton und den „Harlekin“ zu konzentrieren.

Auf historischer Ebene hat mich „Der Wanderer“ enttäuscht. Ich hätte gerne mehr vom Glauben der Katharer erfahren, mehr über die politischen Interessen der Kontrahenten Frankreich und England gelesen. Das bleibt Cornwell leider seinen Lesern schuldig, und selbst im Nachwort konzentriert er sich nur auf den Verlauf der Schlachten und auf Waffentechnik und Taktik. Auch die Inquisition und ihre brutalen Methoden bleiben nebulös und werden schlechthin als die „Bösen“ dargestellt.

„Der Wanderer“ soll ebenso wie sein Vorgänger dem Anspruch gerecht werden, ein historischer Roman zu sein. Diese beiden Romane sind jedoch zweifelsfrei zu abenteuerlich, um in dieses Genre eingeordnet werden zu können. Wer aber eine blutige und brutale Handlung in allen Details lesen möchte, dem seien „Der Bogenschütze“ und „Der Wanderer“ empfohlen. Interessierte Leser, die ihre Motivation eher im gesellschaftlichen und politischen Leben des ausgehenden Mittelalters suchen, wird die Erzählung rund um den Hundertjährigen Krieg dagegen schnell langweilen.

|Originaltitel: Vagabond
Gebunden, 464 Seiten|
http://www.ullsteinbuchverlage.de/ullsteinhc/

|Weitere Titel von Bernard Cornwell bei Buchwurm.info|:

[„Die Galgenfrist“ 277
[„Stonehenge“ 113

Cornwell, Bernard – Bogenschütze, Der (Auf der Suche nach dem Heiligen Gral 1)

Das Mittelalter fasziniert noch immer. Auf mittelalterlichen Märkten erwacht diese Epoche noch einmal zum Leben und jedermann fühlt sich beim Besuch solcher Feste in die Vergangenheit versetzt. Zwischen Marktständen, an denen die Kaufleute laut feilschend ihre Waren anpreisen, und defilierenden Rittern und Adligen bringt diese Vergangenheit eine romantische Atmosphäre hervor.

Doch das Mittelalter war durchaus düsterer, als romantisierte Vorstellungen es uns vorgaukeln wollen, aber auch vielschichtiger und geheimnisvoller. Besonders die Kriege und die Techniken sowie Taktiken sind uns oftmals als heroische Schlachtengemälde in Film und Fernsehen gezeigt worden. Erst in den letzten Jahren können die Archäologen und Geschichtsforscher mithilfe neuester Technik das frühere Leben aber auch die Kampftechniken analysieren und erforschen.

Im Hundertjährigen Krieg zwischen England und seinem langjährigen Erzfeind Frankreich war das Zeitalter des Rittertums in seinem Niedergang begriffen, das Mittelalter ging dem Ende entgegen und zur Renaissance über. Neue Waffen wie Kanonen, Armbrüste und nicht zuletzt der englische Langbogen forderten im Krieg ihren Tribut von den schwerfällig gepanzerten Rittern aus aller Welt.

Bernard Cornwell erzählt im ersten Teil seiner Trilogie |Auf der Suche nach dem Heiligen Gral|, „Der Bogenschütze“, vom Verlauf dieses Hundertjährigen Krieges, der von 1337 bis 1453 andauerte.

_Die Geschichte_

Ostern 1342: Vier französische Schiffe überfallen das friedliche, abgelegene Dorf Hookton an der englischen Küste. Der Raubzug wird heimlich, aber mit brutaler Härte durchgeführt. Die Einwohner des Küstendorfes werden grausam niedergemetzelt, die Häuser geplündert und verbrannt. Angeführt werden die Soldaten von einem geheimnisvollen schwarzen Ritter, der sich Harlekin nennt. Sein Ziel sind nicht die dürftigen Geldwerte der Einwohner; zielgerichtet sucht und plündert er die Dorfkirche und stiehlt eine geheimnisvolle, alte Lanze. Diese soll dem heiligen Georg gehört haben – einem der Schutzheiligen – und über Gottes Kraft verfügen.

Auch der Pfarrer, der sein Gotteshaus schützen möchte, bezahlt mit seinem Leben. Sein Sohn Thomas von Hookton, einer der wenigen Überlebenden, kann fliehen und findet seinen Vater wenig später sterbend vor. Der alte Pfarrer vertraut Thomas an, dass er adligen Geblüts ist, und der Mann, der „Harlekin“, der ihn niedergestochen hat, der Sohn seines eigenen Bruders ist. Seinen wahren Namen verheimlicht er aber vor seinem Sohn und nimmt ihm das Versprechen ab, die Lanze wiederzuholen und sein eigenes Schicksal zu bestimmen.

Thomas, gerade 18 Jahre jung, geht als Bogenschütze in die Bretagne. Unter dem Befehl des Earl of Northhampton kämpft und tötet er im englischen Heer. Der Schrecken des Krieges lässt Thomas schnell erwachsen werden, und sein Geschick mit dem gefürchteten Langbogen macht ihn bald zu einem Krieger, dem man Respekt zollen muss.

Die Gräuel des Krieges sind unaussprechlich. Aber nicht nur auf dem Schlachtfeld wird gekämpft, auch die französische Zivilbevölkerung wird attackiert; Felder und Bäume, Ernten und Dörfer gezielt vernichtet, die Bevölkerung ohne Erbarmen getötet – ein Zermürbungskrieg, der auf beiden Seiten unzählige Opfer fordern wird.

Thomas wird getrieben durch seinen Schwur und verfolgt nur das eine Ziel, den Tod seines Vaters zu rächen. In Frankreich entdeckt Thomas die Flagge der französischen Schiffe, die Hookton überfallen und vernichtet haben, und er kommt so dem Mörder seines Vater näher und damit der Vergangenheit seiner Familie.

_Meine Meinung_

Bernard Cornwell erzählt „Der Bogenschütze“ in sehr abenteuerlicher Manier. Das Ende des Rittertums wird farbenprächtig und ausschweifend, aber auch sehr, sehr blutig und brutal dargestellt. Letztlich waren die Schlachten aber sicherlich noch brutaler, als es uns Cornwell berichten kann.

Die Ritter hatten den Distanzwaffen – Bogen oder Armbrust – nichts entgegenzusetzen. Mit dem Einsatz dieser Kriegswaffen waren die Tage des Rittertums gezählt. Selbst schwere Panzerung eines Ritters konnte von einem guten Pfeil, der gezielt abgeschossen wurde, durchschlagen werden. Der ritterliche Zweikampf fand meist nur noch auf den Turnierplätzen in ganz Europa statt. Der Krieg war seit dem Einsatz der Fernwaffen nur noch ein wildes Gemetzel. Genau dieser Szenerie beschreibt der Autor recht eindrucksvoll und geschichtlich einwandfrei recherchiert.

Es bleibt wenig übrig von Ritterlichkeit, Höflichkeit oder Tapferkeit. Bernard Cornwell schreibt über Brutalität, Rach- und Mordlust. Über das Leben im späten Mittelalter erfährt der Leser hingegen nur sehr wenig. Primär geht es in diesem Roman um das Schicksal des jungen Bogenschützen Thomas, der in den verschiedenen Schlachten zu überleben versucht, um seiner Identität nachzuspüren.

Schockierende Grausamkeiten auf dem Schlachtfeld aus der Sicht eines englischen Bogenschütze bilden im Wesentlichen die Grundlage dieses Abenteuerromans. Dem historischen interessierten Leser wird eine völlig neue Sicht des Mittelalters geschildert – Strategie, Taktik, Waffentechnik und Ausrüstung werden detailliert vor ihm ausgebreitet. Hervorragend und spannend erzählt, entführt Cornwell den Leser in die Zeit dieses mehr als hundert Jahre andauernden Krieges.

Die Hauptfigur Thomas von Hookton wird in ihrer Unreife und inneren Zerrissenheit behutsam in die Geschichte eingeführt, so dass der Charakter sich wohl erst in den beiden späteren Romanen wirklich entwickeln kann. Manchmal fand ich diese Darstellung zu eindimensional, mit viel zu wenig Potenzial erzählt. Auch die weiblichen Charaktere sind nicht sonderlich gut der Geschichte eingepasst und fast schon klischeehaft in Szene gesetzt.

Bernard Cornwells Erzählung selbst birgt auch leider keine unterhaltsame oder geschickte Wendung. Bedauerlicherweise mangelt es hieran und die Geschichte wirkt daher sehr vorhersehbar. „Der Bogenschütze“ ist dennoch informativ und gut erzählt, ein unterhaltsamer historischer Roman, den ich gern gelesen habe und der mir eine militärische Sichtweise des Hundertjährigen Kriegs zwischen England und Frankreich vermitteln konnte.

Im Nachwort spricht Cornwell zwar die historische Genauigkeit des Romans an, aber vermisst habe ich dennoch ein Personenregister, aus dem man entnehmen könnte, welche Person nun wirklich lebte und wirkte, sowie eine Land- bzw. Regionskarte, um die Schlachten und deren Verlauf greifbarer werden zu lassen.

_Der Autor_

Bernard Cornwell wurde in London geboren. Aufgewachsen in Wessex, arbeitete er viele Jahre für den Fernsehsender BBC. 1980 folgte Bernard Cornwell seiner Frau in die USA und begann, Romane zu schreiben. Seine historischen Abenteuerromane sind weltweit sehr erfolgreich und erreichen immer wieder die oberen Plätze der internationalen Bestsellerlisten. Er lebt auf Cape Cod in Massachusetts, USA.

|Originaltitel: Harlequin, HarperCollins 2001
Aus dem Englischen von Claudia Feldmann
448 Seiten, gebunden 21,5 x 13,5 cm|
http://www.ullsteinbuchverlage.de/ullsteinhc/

Ernest Haycox – Goldstaub aus Ophir

haycox goldstaub cover kleinDas geschieht:

Ophir ist eine jener kurzlebigen Siedlungen, die im Nordosten des US-Staates Oregon entlang des John Day River entstanden. Recht und Gesetz sind hier, wo Gold aus dem Flusswasser gewaschen wird, besonders fern. Seit einiger Zeit treibt eine Bande ihr Unwesen, die auf weniger mühsame Weise reich werden will. Ihr jüngstes Opfer ist der Postkutschenfahrer Tom Rawson. Einen Monat hat er auf Leben und Tod im fernen Portland gelegen, nachdem man ihn auf seiner letzten Tour vom Kutschbock geschossen hat. Eine Kiste mit Goldstaub verschwand, aber Tom ist wieder da. Er will es den Strolchen heimzahlen.

Toms Rückkehr wird mit gemischten Gefühlen quittiert. Da ist Jack Mulvey, sein Chef und Freund, der sich freut, dass der junge Mann zurück ist, doch nicht grundlos fürchtet, er könnte erneut zur Zielscheibe werden. Das denkt auch Ed Carrico, Leutnant des 3. Kavallerieregiments, der gerade den Lynchmord an einem möglichen Gold-Dieb verhindern musste und weiß, wie gespannt die Situation in Ophir ist. An seiner Seite weiß Tom immerhin die furchtlosen Kutscherkollegen Barney Rheinmiller und Bart Lennon. Ernest Haycox – Goldstaub aus Ophir weiterlesen

Thiemeyer, Thomas – Magma

Südtiroler Alpen, Mai 1954: Professor Mondari entdeckt auf einem privaten Bildungsausflug zufällig eine Anomalie in einem Riff-Fazies des beginnenden Jura. Mitten im Kalzit steckt eine perfekte Kugel aus einem grauen, metallischen Material, das seine Kompassnadel verrückt spielen lässt. Selbst seinem Diamantschleifer widersteht das Material, es lässt das kostbare Werkzeug platzen. Der wütende Professor bearbeitet die Kugel mit Hammer und Meißel – bis ein leuchtender Riss entsteht. Gleißendes Licht und sengende Hitze verbrennen Montari zu Staub.

|50 Jahre später …|

Etwas tickt. Im Pazifik, genauer gesagt im Challenger-Tief, einer der tiefsten Stellen des Marianengrabens (ca. 10900 m). Bisher waren mehr Menschen auf dem Mond als in diesen tödlichen Tiefen. Das Bedrohliche daran ist, dass es sich bei dieser Gegend um eine Subduktionszone handelt, in der sich kontinentale Platten reiben und vulkanische Aktivitäten häufen.

Das Ticken ist mit heftigen Beben verbunden; Tsunamis drohen, die verheerende Folgen für Pazifikstaaten haben würden. Die Ursache ist mysteriös, Anlass zur Sorge ist gegeben: Die Erdstöße sind regelmäßig. Alle zwei Stunden und achtundvierzig Minuten bebt es im Pazifik, und das Epizentrum ist nicht wie zu erwarten unter dem Challenger-Tief, sondern direkt auf dessen Grund!

Die amerikanische Marine ist besorgt, in Zusammenarbeit mit Japan will man die |Shinkai 11.000| hinabschicken, um die Ursache zu erkunden. An Bord befindet sich die risikobereite und privat in komplizierten Verhältnissen lebende Geologin Dr. Ella Jordan, die das Office of Naval Research mitten aus ihrer Vorlesung geholt hat. Mit Joacquin Esteban ist auch der Geheimdienst an Bord, aus gutem Grund: Er weiß von dem anonymen Drohanruf, den Ella erhalten hat, der ihr rät, nicht an Bord zu gehen, denn das U-Boot werde untergehen. Wie passt der unsympathische und fachlich offensichtlich unqualifizierte Schweizer Geologe Konrad Martin in das Bild, ein Mann mit einer wasserdichten Identität, der aber scheinbar keinerlei Vergangenheit besitzt?

Die Fahrt der |Shinkai| scheitert tatsächlich beinahe an Sabotage und man kann sich nur mit Mühe und Not retten, doch Ella kann zuvor noch etwas entdecken: Eine 200 Meter große Kugel am Grund der Challenger-Tiefe, von der die Erdstöße ausgehen.

Professor Martin offenbart sich schließlich Ella und lädt sie in zu einem Besuch bei Helène Kowarski am Lago Maggiore ein, der Leiterin der streng geheimen Kowarski-Labors, die dem CERN (Lew Kowarski war ein Atomphysiker und am Aufbau des CERN beteiligt) nahestehen. Versteckt tief unter der Erde in einem Berg wird die Kugel aus dem nach griechischer Mythologie „Adamas“ (das Unbezwingbare) genannten Material untersucht, die Francesco Montari vor Jahrzehnten entdeckt hat. Man scheint einen Weg gefunden zu haben, sie gefahrlos zu öffnen, ohne den Verteidigungsmechanismus zu aktivieren. Doch nicht alle Mitwisser sind damit einverstanden. Der seit der Erfindung der Atombombe verbitterte Atomphysiker Elias Weizmann warnt davor, diese Kugel zu öffnen. Er hält sie für ein Krebsgeschwür, das man besser nicht anrühren sollte, für die Büchse der Pandora; er hat noch das Grauen in Erinnerung, das Oppenheimers Bau der Atombombe auslöste.

Doch die Zeit drängt. Überall auf der Welt, von der Antarktis über Costa Rica, von Neuseeland bis ins russische Tunguska findet man dutzende kleiner Kugeln, die Beben auslösen und beginnen, sich mit der großen am Grund des Challengertiefs zu synchronisieren. Ein Wettlauf mit der Zeit beginnt, denn die Beben werden immer stärker, Vulkane brechen aus und schleudern Staub in die Atmosphäre. Der Effekt dieser Synchronisierung würde dem des Gleichschritts über eine Brücke entsprechen und fatal enden: Der Weltuntergang steht bevor.

Zeitgleich zu Beginn der Beben registrierte das Radioteleskop von Effelsberg eine Supernova im Orion, der Beteigeuze zum Opfer fiel. Marten Enders und seine Assistentin Jan Zietlow entdecken, dass die von dem explodierten Stern ausgehenden Neutrinos in einem bestimmten Rhythmus eintreffen: Zwei Stunden und achtundvierzig Minuten. Eine außerirdische Macht scheint hinter den Ereignissen zu stecken – und scheinbar kann man die Kugeln auch deaktivieren! Es scheint ein Intelligenztest zu sein, mit der gesamten Menschheit als Einsatz. Das Ei des Kolumbus zu finden, liegt an Ella Jordan, die von Konrad Martin unterstützt wird, der offensichtlich mehr über die Kugeln weiß als jeder andere Mensch. Der Countdown läuft …

_Von Afrika in die Tiefen des Pazifik_

Thomas Thiemeyer (* 1963) hat den Schauplatz seiner Romane gewechselt. Aus dem in der Sahara spielenden Bestseller [„Medusa“ 482 und dem dunklen Dschungel im finstersten Herzen Afrikas in „Reptilia“ stößt er in „Magma“ in die ebenso fantastischen und abenteuerlichen Tiefen des Ozeans vor, die letzten noch weitgehend unerforschten, geheimnisvollen Flecken unserer Erde. Mehr noch als bei seinen Vorgängern kann er hier mit dem seinem Studium der Kunst und der Geologie zu verdankenden Wissen glänzen. „Magma“ ist dennoch eher ein Abenteuerroman denn ein Wissenschaftsthriller; der Leser lernt auf angenehme Weise nebenbei noch ein wenig über Geologie und Tektonik.

Schriftstellerisch ist „Magma“ ebenso ein Sprung ins kalte Wasser, der aber geglückt ist. Im Gegensatz zu „Medusa“ wurde das Spielfeld auf den gesamten Erdball und viele unterschiedliche Personen ausgeweitet, von der in [„Reptilia“ 1615 verwendeten Ich-Perspektive hat sich Thiemeyer ebenso verabschiedet. Aus den Blickwinkeln vieler über alle zahlreichen Handlungsorte verteilter Personen treibt er die Handlung voran und erlaubt dem Leser so zu kombinieren und gleichzeitig am Schicksal der betreffenden Person teilzuhaben. So meint Marten Enders, seine attraktive Studentin Jan Zietlow wäre in ihn verliebt, und hält ihr gegenüber eine etwas peinliche Rede, dass er ein verheirateter Mann wäre und sich kein Abenteuer erlauben dürfe. Dummerweise ist diese Verliebtheit nur Einbildung; aus Jans Sicht erfahren wir, dass sie ihn lieber in diesen Glauben lässt, da sie nicht riskieren will, vom Observatorium versetzt zu werden, weil sie Enders auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt hat, denn ihre Verliebtheit ist nur eine Wunschprojektion Enders.

Auch die anderen Charaktere, allen voran Ella Jordan, haben ihre jeweilige persönliche Geschichte, die in den großen Rahmen des Rätsels der unzerstörbaren Kugeln eingebettet ist. Ein wenig erinnert diese Erzählweise an die beliebte Serie „Akte X“, wobei die Charaktere Thiemeyers wesentlich glaubhafter und weniger getrieben erscheinen, einschließlich des verbitterten Weizmann, ein Bösewicht, dessen Motive weitgehend nachvollziehbar sind; er ist vielmehr eine tragische Figur, denn seine Versuche, das Schlimmste zu vermeiden, enden stets in einem Desaster, kosten Menschenleben und verhindern dennoch keine weitere Erforschung der Kugeln, was Weizmann nur noch verzweifelter und gefährlicher macht. Nicht alles ist jedoch so gut gelungen; die geschiedene und problematische Figur Ella wird am Ende ein geradezu traumhaftes und bemühtes Happy-End erleben, bei dem nur noch der Hund zu einer stereotypisch glücklichen Familie fehlt.

Davon abgesehen können die Charaktere jedoch durchweg überzeugen, sie fügen sich nahtlos in die Handlung ein und ergänzen sie vortrefflich um eine persönliche Komponente im großen Ganzen. Hier punktet der Autor erneut, denn die Geschichte ist gut durchdacht und abwechslungsreich. Dabei verliert man nie die Handlung aus dem Blick; ich konnte das Buch nicht aus der Hand legen, kein Kapitel war langweilig und ich habe es in einer Nacht förmlich verschlungen. Anspielungen auf die griechische Mythologie (im Prolog erzählt Hesiod von der Nachkommenschaft des Uranos, den Titanen, Kyklopen und Hekatoncheiren, die Uranos verhasst sind und deshalb von ihm in der Tiefe der Erde im Tartaros gefangen gehalten werden, bis Gaia ihnen eine Sichel aus dem grauen Metall Adamas gibt, mit der sie entkommen und ihren Vater Uranos entmannen können) und Teile der Handlung, die an in Mystery-Serien beliebten Orten wie der Tunguska spielen, runden ein rundum gelungenes Mystery-Abenteuer ab. Beängstigend und faszinierend zugleich ist auch die Verwandlung, die einer der Charaktere an diesem Ort durchmacht – Lovecraft hätte es nicht besser gekonnt. Einen humorvollen Seitenhieb auf den beliebten Governator Kaliforniens konnte sich Thiemeyer nicht ersparen: |“Es ist soeben eine Meldung hereingekommen, dass an der Westküste der USA eine Kugel gefunden wurde. Der Gouverneur von Kalifornien hat Befehl gegeben, sie zu zerstören. Und das, obwohl ich die Warnung herausgegeben habe, die Kugeln in Ruhe zu lassen. Eine unerhörte Schlamperei. Kommen Sie, das Ereignis wird live im Fernsehen übertragen.“|

_Fazit:_

Thomas Thiemeyer hat sich selbst übertroffen. Ein höherer Spannungs- und Mysteryfaktor als in den Vorgängern gekoppelt mit einem unglaublichen Erzähltalent machen „Magma“ zu einem Pageturner erster Güte. Das Titelbild hat er als Illustrator selbst beigesteuert; im Gegensatz zu vielen seiner Konkurrenten kann er sowohl mit gefälliger Verpackung als auch zum Inhalt passender Umschlaggestaltung punkten.

In einem [Interview]http://www.buchwurm.info/artikel/anzeigen.php?id=74 mit |Buchwurm.info| hat Thiemeyer bereits sein nächstes Projekt angekündigt: Es wird eine Fortsetzung zu „Medusa“ geben.

Website des Autors: http://www.thiemeyer.de/
Website zu „Magma“: http://www.droemer.de/magma/

Schröder, Rainer M. – Amulett der Wüstenkrieger, Das (Die Bruderschaft vom Heiligen Gral 2)

Ägypten im Jahr 1291: Mit Akkon ist die letzte Bastion der Christenheit im Heiligen Land gefallen. In letzter Sekunde ist es den frisch zu Gralshütern geweihten Templern Gerold, Tarik, Maurice und McIvor gelungen, den Heiligen Gral aus der untergehenden Stadt zu retten. Während der alte Gralshüter Abbé Villard den Tod durch die Hände Sjadús erwartet, dem Anführer der Iskaris genannten Satansjünger, werden die Gralshüter in Kairo gefangen genommen. Einzig Tarik kann entkommen und muss seine Gefährten sowie die schöne Beatrice und ihre Schwester aus dem Harem beziehungsweise dem Kerker des Emirs befreien.

Der Gral und die beiden Mädchen müssen in Sicherheit gebracht werden, nach Paris, in die Ordensburg der Templer. Doch die Häfen werden von den Iskaris überwacht; den Hütern bleibt nur die Flucht quer durch die lybische Wüste. Neben glühender Hitze, Iskari-Verfolgern und gefährlichen Sklavenhändlern bedrohen interne Konflikte die Gruppe. Der ewige Spötter Maurice hat sich ernsthaft in Beatrice verliebt, die diese Gefühle erwidert. Gerold ist besorgt darüber, ob Maurice seinen Eid als Gralshüter halten wird. In Frankreich angekommen, werden die Gralshüter mit der ganzen Macht der Satansjünger konfrontiert, die ihre Reise nach Paris verzögert. Statt mit blanker Gewalt versuchen sie nun mit List und Tücke des Grals habhaft zu werden …

_Der Autor_

Rainer M. Schröder (* 1951) beschreibt sich selbst als Mann mit vielen Neigungen und Talenten. Bevor er im Jahr 1977 zum Schriftsteller wurde, studierte er Gesang, später Jura und Theaterwissenschaften, arbeitete als Lokalreporter für rheinische Lokalzeitungen und den Rundfunk. Beeinflusst von Autoren wie Jack London und Joseph Conrad, unternahm er zusammen mit seiner Frau abenteuerliche Reisen, von den Everglades über den stürmischen Nordatlantik bis in die australische Wildnis. Zusammen mit dem berühmten Schatztaucher Mel Fisher tauchte er nach der spanischen Schatzgaleone Atocha; diese Erlebnisse verarbeitete er in seinem Abenteuerroman „Das Goldriff“. Heute lebt er in Palm Coast, Florida.

Während Rainer M. Schröder in Deutschland vor allem als Jugendbuchautor mit Schwerpunkt auf historischen Themen bekannt ist, veröffentlichte er unter dem Pseudonym Ashley Carrington umfangreiche historische Gesellschaftsromane für ein erwachsenes Publikum. „Das Amulett der Wüstenkrieger“ stellt den zweiten Band der Trilogie „Die Bruderschaft vom Heiligen Gral“ dar, mit der Rainer M. Schröder sowohl jugendliches als auch erwachsenes Publikum erreichen will.

_Quer durch die Wüste nach Frankreich_

„Das Amulett der Wüstenkrieger“ setzt nahtlos die Handlung des ersten Bandes fort. Tarik darf raffinierte Befreiungspläne schmieden, während Gerold und Maurice im Kerker schmoren und dasselbe versuchen. Besonders die Rettung McIvors drängt; der Schotte ist als Arenasklave in Lebensgefahr. Schröder beschreibt sehr schön die Verhältnisse am Hofe des Emirs, in den Kerkern und Sklavenarenen Ägyptens, wobei er wie bereits im ersten Teil nicht mit ausführlich erläuternden Fußnoten zu historischen Daten oder fremdländischen Begriffen wie alten Maßeinheiten geizt. So unterhaltsam dieser Abschnitt auch beschrieben ist, kann er nicht ganz die Stimmung und geballte Fülle an geschickt eingebundenen historischen Details bieten wie der erste Teil, was sich leider auch in der folgenden Flucht durch die Wüste fortsetzt. Auch Schröder kann der kargen Landschaft und ihren harten, stolzen und ehrenhaften Bewohnern nur einen begrenzten Unterhaltungsfaktor abgewinnen.

Interessanter sind die Episoden aus der Sicht des bösen Sjadú, dessen Ehrgeiz und Gewissenlosigkeit nur noch von seiner teuflischen Schläue übertroffen werden. Ein hervorragend charakterisierter Antagonist, der den Leser um die Gruppe bangen lässt. Seine List und Finesse zeigen sich im in Frankreich spielenden dritten Handlungsabschnitt des Buches, der mir am besten gefallen hat. Scheinbar fühlt auch Schröder sich im europäischen Mittelalter eher zu Hause als in der Wüste, denn hier zündet er wieder ein Ideenfeuerwerk, das in ein spannendes Finale mündet. Obwohl Sjadú und der Leser zwei Worte Satans höchstpersönlich vernehmen dürfen, hält sich Schröder mit übernatürlichen Dingen und insbesondere den Fähigkeiten, die er Iskaris und Gralshütern verliehen hat, angenehm zurück. Die Macht der Iskaris, Menschen zu verführen, und jene der vier Gralshüter, je eines der vier Elemente zu manipulieren, wird nur dezent eingesetzt und lässt sie nicht zu Superhelden mutieren.

Mit einem viel versprechenden Ausblick auf Kommendes endet der Roman: Sjadú realisiert, dass, solange der mächtige Templerorden der Gralshüterbruderschaft der Arimathäer Unterschlupf gewährt, der Gral nicht zu erringen ist. Die legendäre Nacht- und Nebelaktion, die zum Untergang des Templerordens führte, dürfte im Mittelpunkt des nächsten Bands |“Das Labyrinth der Schwarzen Abtei“| stehen, in dem es die vier Gralshüter in besonderer Mission nach Spanien verschlagen wird:

|“Nun legte Sjadú dem Fürsten der Finsternis ausführlich dar, wie er sich diesen vernichtenden Schlag gegen den mächtigen Orden der Templer vorstellte und wie er ihn in die Wege zu leiten gedachte. Und es war ein wahrhaft überzeugender, teuflischer Plan (…).“|

_Fazit_

Die wunderschöne und aufwändige Umschlaggestaltung sowie das Lesebändchen und das ausgezeichnete Kartenmaterial im Anhang heben dieses Buch wie bereits den Vorgänger weit aus der Masse vergleichbarer Veröffentlichungen heraus. Schröder setzt die Schlacht um den Gral spannend fort, wobei das Wüstenszenario dieses Romans mir leider nicht ganz so gut gefiel die grandiose, historisch reichere Belagerung Akkons. Dafür kann die Schilderung Sjadús begeistern – ein würdiger Gegner der Gralshüter für die nächsten Bände.

Der abschließende Band der Trilogie verspricht ein grandioses Finale, das Schröders entgegen kommen dürfte: Die Verquickung von historischen Details wie der Verschwörung, die zum Untergang der Templer führte, mit seiner Fiktion der Gralshüter und Satansjünger dürfte seine Stärken besser zur Geltung bringen als die leider etwas dürre Flucht durch die Wüste. Trotzdem ist auch dieser Roman eine Empfehlung wert; wer ein Faible für Wüstenromane hat, wird ihn vermutlich sogar etwas höher einschätzen.

Band 1: [Der Fall von Akkon 2324

Offizielle Homepage von Rainer M. Schröder:
http://www.rainermschroeder.com/

Homepage des Arena Verlags:
http://www.arena-verlag.de/

Hohlbein, Wolfgang & Rebecca – Fluch der Karibik 2 – Dead Man\’s Chest

Derzeit beschäftigt nur ein Thema die hiesigen Lichtspielhäuser: der zweite Teil des erfolgreichen Piraten-Abenteuers „Fluch der Karibik“. Seit ein paar Tagen kämpft Jack Sparrow alias Johnny Depp auch wieder auf deutschen Leinwänden um große Schätze und schon die ersten Statistiken verraten, dass Regisseur Jerry Bruckheimer auch drei Jahre nach dem ersten Teil wieder mitten ins Herz der Fans getroffen hat. Und da man mit bewährten Traditionen nicht brechen soll, hat sich Wolfgang Hohlbein auch wieder um die literarische Umsetzung des Kino-Spektakels gekümmert. Was er diesmal aber besser nicht getan hätte …

_Story_

Will Turner und seine Geliebte Elizabeth stehen kurz vor ihrer Hochzeit, als sie von Lord Cutler Beckett von der East India Trading Company wegen der Beihilfe zur Flucht des Piraten Jack Sparrow verhaftet werden. Beiden droht wegen dieser Tat der Tod am Galgen, es sei denn, sie erklären sich bereit, ihrem ehemaligen Weggefährten seinen geheimnisvollen Kompass abzunehmen und ihn Beckett auszuhändigen. Weil beide keinen anderen Ausweg sehen, nimmt Will diese letzte Chance wahr und begibt sich auf die Suche nach Sparrow. Jener ist tatsächlich damit einverstanden, den Kompass zu entbehren, verlangt aber von Will im Gegenzug einen weiteren Gefallen: Jack sucht nach der so genannten Truhe des Todes, dessen mysteriöser Inhalt ihm dabei helfen soll, Davy Jones, den Herrscher der Meere, auf ewig zu bezwingen. Turner hat keine Wahl und sticht mit dem eigenartigen Piraten in See. Währenddessen sucht Elizabeth in den Weiten der Weltmeere ihren angehenden Gemahl …

_Meine Meinung_

In der Regel ist es ja ein ungeschriebenes Gesetz, dass die Buchversion einer Geschichte immer besser ist als der zugehörige Film; zumindest wenn die cineastische Fassung auf der literarischen Vorgabe beruht. Anders hingegen sieht es bei Begleitbüchern zu aktuellen Kinofilmen aus, bei denen ja zumeist nur kurz und knapp der Inhalt des Movies wiedergegeben wird. Bei Autoren wie Wolfgang Hohlbein, der die Fortsetzung zu „Fluch der Karibik“ gemeinsam mit Rebecca Hohlbein geschrieben hat, darf man aber getrost ein wenig mehr erwarten als eine Nacherzählung, denn immerhin gehört der Mann zu den weltweit besten seines Faches. Gerade im Fantasy-Bereich gilt Hohlbein als unantastbar und bestätigt seinen guten Ruf auch permanent mit neuem, genialem Lesefutter. Womöglich besteht darin auch die Ursache für die eher unspektakuläre Erzählweise dieser Filmadaption. Im Grunde genommen konnte Hohlbein nämlich nur verlieren.

„Dead Man’s Chest“ wurde vom deutschen Schriftsteller von der ersten bis zur letzten Sequenz eins-zu-eins wiedergegeben. Hohlbein gelingt es an keiner Stelle, seinen eigenen träumerischen Stil einzubringen, was dazu führt, dass die Handlung ruckartig fortschreitet und ohne jegliche Ausschmückung – eigentlich die große Stärke des Autors – die Ziellinie überquert. Derjenige, der bereits das Vergnügen im Kino hatte, wird wissen, was Hohlbein an dieser oder jener Stelle genau meinte, wohingegen die Fantasie des Lesers detaillierterer Umschreibungen oft nur unscheinbar angeregt wird. Okay, es ist das Buch zum Film, aber darf man deswegen nicht trotzdem ein wenig erfinderisch sein?

Die Buchvariante indes macht kaum neugierig auf das große Kinospektakel – und das vor allem, weil dieses Spektakel nicht adäquat übersetzt wurde. Hohlbein macht aus dem Monster namens „Fluch der Karibik“ eine nette Abenteuergeschichte, bei der die einzelnen Schritte der Protagonisten gar vorhersehbarer sind als in der Leinwandfassung. Ich persönlich war richtig erschrocken, als ich vor einigen Tagen erleben musste, wie viel spannender und professioneller Jerry Bruckheimer mit dem Drehbuch umgegangen ist. Doch warum hat Hohlbein dies nicht getan? Gab es zu strenge Vorgaben? War die Motivation, einen bekannten Plot zu umschreiben, nicht sonderlich groß? Lag ihm die simple Piraten-Thematik nicht? Oder ist es tatsächlich ein Fehltritt, der von fehlenden Ambitionen zeugt? Spekulieren darf man im Nachhinein viel, konstatieren jedoch nur eines: „Fluch der Karibik – Dead Man’s Chest“ ist dem überwältigen Kinoereignis in allen Belangen haushoch unterlegen.

Eines muss man Hohlbein zum Schluss aber noch zugute halten: Das Charisma der Hauptdarsteller kann man selbst als absoluter Profi kaum treffend wiedergeben. Johnny Depp ist und bleibt ein absoluter Blickfang, dessen mysteriöse Aura oftmals zu hypnotisieren vermag, wohingegen Jack Sparrow im Buch lediglich eine simple Figur in der Vorstellungskraft des Lesers ist. Ähnliches gilt für Orlando Bloom alias Will Turner, der im Film einmal mehr bewiesen hat, dass er einer derart gewaltigen Hauptrolle gewachsen ist.

In Schutz nehmen möchte ich die Hohlbeins ob dieser Tatsachen allerdings nicht. Denn wer sich an ein solches Projekt heranwagt, sollte auch dafür sorgen, dass es der geläufigeren Vorgabe gewachsen ist. Und das gilt für das über |vgs| erschienene Taschenbuch ganz klar nicht. Das Fazit ist deswegen auch ganz eindeutig: Entweder man geht in den nächsten Tagen ins Kino und lässt sich dort vom Effekt-Feuerwerk berauschen oder spart sich die hart verdienten zehn Euro für die sicherlich zum Weihnachtsgeschäft erhältliche DVD.

http://www.vgs.de/