Archiv der Kategorie: Fantasy / Science-Fiction

Hohlbein, Wolfgang u. a. – Flammenflügel. Fantastische Drachengeschichten

Unter dem Titel „Flammenflügel“ hat Wolfgang Hohlbein Drachengeschichten zusammengetragen, geschrieben von den „renommiertesten und erfolgreichsten Jugendbuchautoren Deutschlands“ – so der Verlagstext. Von außen sieht das Buch ja schon mal nicht schlecht aus, mir zumindest gefällt die Darstellung eines Drachens als Schmuckstück vor dem grüngeschuppten Hintergrund.

Also schauen wir mal zwischen die Buchdeckel: Neun Geschichten finden sich da. Neun? Waren es laut Verlagstext nicht zehn Autoren? Wer fehlt denn da? Jenny May-Nuyen. Ausgerechnet die Autorin, deretwegen ich das Buch hauptsächlich lesen wollte! Sehr ärgerlich! Aus welchem Grund auch immer keine Geschichte dieses vielversprechenden Nachwuchstalents dabei ist – trotzdem mit ihrem Namen Werbung zu machen, finde ich irgendwie ein wenig irreführend! Na gut, lesen wir halt das, was da ist …

Die erste Geschichte trägt den Titel „Reyvigur“ und stammt von _Ulrike Schweikert_: Sie erzählt von zwei verschiedenen Stämmen in einem Land aus Eis und Frost. Sowohl die Einheimischen als auch die Flüchtlinge aus dem Süden sind auf ihre Drachen angewiesen, die ihre Behausungen mit ihrer Flamme wärmen. Als beider Drachen sich paaren und das Weibchen ein Ei legt, kommt es zum Konflikt, zumal der männliche Drache im Sterben liegt. Die Grundidee der Geschichte sowie der knappe Entwurf der Welt haben mir gar nicht mal schlecht gefallen. Sogar die Kampfbeschreibung zwischen den beiden menschlichen Hauptprotagonisten war recht gelungen. Der Rest der Erzählung ist allerdings ein wenig flach geraten und konnte mich nicht wirklich gefangen nehmen. Geradezu als störend empfand ich die Hinweise auf die körperliche Kondition des einheimischen Jägers; sie sind im Grunde überflüssig und wirken, als wäre es der Autorin nicht ganz gelungen, ihre heimliche Schwärmerei für den Jungen zu verbergen. Die Konfliktlösung am Ende war zwar naheliegend, ging mir aber doch ein wenig zu glatt und problemlos vonstatten. Ich fand diese Geschichte eher durchschnittlich.

Als nächstes erzählt _Kai Meyer_ „Komm, schweb mit mir, mein Amethyst“: Diese Geschichte ist mit nur fünfzehn Seiten die kürzeste der Sammlung, zum Glück, denn ich konnte nicht wirklich viel mit ihr anfangen. Es geht um das erste Mal, zugegebenermaßen für Jugendliche ein hochinteressantes Thema. Für Zwölfjährige ist der Text stellenweise allerdings schon ziemlich erotisch ausgefallen. Die Erzählung ist zwar einerseits durchaus stimmungsvoll und glaubwürdig geraten, andererseits spielen spielen die Drachen, die eigentlich in dieser Anthologie die Hauptpersonen sein sollten, lediglich eine kleine Rolle ganz am Rande, sozusagen als Dekoration. Irgendwie war mir das zu wenig.

„Tombola“ von _Nina Blazon_ ist die dritte Erzählung: Sie spielt in Ljubljana, wo alle zehn bis zwölf Jahre das Drachenfest veranstaltet wird. Was die Touristen für pittoreskes Brauchtum halten, ist in Wirklichkeit ein Kampf um Leben und Tod. Denn in dieser Nacht erwachen die vier Statuen der Drachenbrücke zum Leben und fordern von der Stadt ihren Tribut. Schon allein die Schilderung des Auswahlverfahrens auf dem Marktplatz zog mich in ihren Bann. Nicht nur der Zorn und die Angst des Protagonisten wirken überaus lebendig, auch die von ihm reflektierten Hintergründe des Festes sind interessant dargestellt. Richtig spannend wird es, als der Kampf beginnt. Das überraschende Ende allerdings setzt der Geschichte die Krone auf, es macht das gesamte Geschehen zu einem grausamen Spiel, umso mehr, als es vollkommen sinnlos scheint. Um es gleich vorweg zu sagen: Nina Blazons Beitrag zu dieser Anthologie war der mit Abstand fesselndste und intelligenteste unter den neun.

_Peter Schwindt_ hat „Drachenwinter“ geschrieben: Auch diese Geschichte ist mit nur siebzehn Seiten ziemlich kurz geraten, enthält aber – zusammen mit „Tombola“ – die ungewöhnlichste Idee. Ein Junge liegt im Krankenhaus und hofft, dass er seine schwere Krankheit überwunden hat. Doch die Krankheit ist unheilbar … Peter Schwindts Drache ist eine allegorische Figur, sie steht zum einen für Zerstörung, für die Krankheit und letzten Endes für den Tod. Im Laufe der Geschichte wandelt sich der Drache jedoch vom Feind zum Freund, obwohl er noch immer für den Tod steht. Eigentlich könnte man meinen, dass diese Erzählung eigentlich viel zu kurz geraten ist, um den Übergang von einem verzweifelten Überlebenskampf hin zur Akzeptanz des Unvermeidlichen zu beschreiben. Das Thema scheint viel zu umfangreich und vielschichtig dafür. Andererseits bin ich mir da gar nicht so sicher. Und dass ich mich diesbezüglich nicht wirklich entscheiden kann, sondern immer noch darüber nachdenke, spricht eigentlich nur für den Autor.

„DragonLand“ stammt von _Peter_ und _Florian Freund_: Ein Teenager fährt in den Ferien zum wiederholten Mal mit seinen Eltern in die Berge. Einziger Lichtblick scheint eine Einladung ins nahe DragonLand, einen Vergnügungspark kurz vor der Neueröffnung. Wenn da nur nicht kurz vorher das Treffen mit diesem merkwürdigen Mädchen gewesen wäre und das deutliche Gefühl, dass irgendetwas an diesem Park nicht stimmt … Zur Abwechslung spielt diese Geschichte mal in der Zukunft, ist aber trotzdem Fantasy. Die Grundidee ist zwar nicht ganz neu, sie erinnert deutlich an „Westworld“, die Figur des skrupellosen Geschäftemachers klingt dafür äußerst realistisch, und der Handlungsverlauf an sich ist auch recht lebendig gestaltet. Der Schluss allerdings ist etwas abrupt geraten und auch die Rahmenhandlung – kursiv gedruckt – glitt gegen Ende etwas ins Unglaubwürdige ab. Abgesehen davon hatte ich mit ein paar logischen Problemen zu kämpfen, zum Beispiel dem der unbekannten Insel, die der Oberbösewicht überraschend entdeckt hat, und das im Zeitalter von Google Earth. Auch sprachlich wirkt die Geschichte stellenweise etwas unausgegoren. Ankleiden statt anziehen klingt vielleicht in einem Historienroman gut, hier klingt es eher geschwollen. Damit fällt dieser Beitrag wieder eher ins Mittelfeld.

Der nächste Beitrag heißt „Silberschatten“ und stammt aus der Feder von _Katja Brandis_: Hier haben wir es mit Fantasy in ihrer klassischen Form zu tun. Der junge Held ist zu Hause ein Außenseiter, den niemand wirklich ernst nimmt. Als er den Thronfolger des Reiches daran hindert, einen schlafenden Drachen zu erschlagen, muss er fliehen. Kein leichtes Unterfangen, so ganz ohne Ausrüstung, in den Wäldern lauern gefährliche Geschöpfe und außerdem Räuber, und er wird überall gesucht. Trotzdem schafft er es beinahe, die Grenze zum Nachbarland zu erreichen. Aber nur beinahe … Diese Geschichte hat nicht gerade das Genre neu erfunden, aber immerhin ist sie nett erzählt. Der Kronprinz ist ein wenig trocken geraten, die Mitglieder der Räuberbande dagegen sind ganz gut getroffen, und die sich anbahnende Freundschaft zwischen dem Jungen und dem Drachen ist elegant eingeflochten. Nur dass der Drache Stahlseile durchgebissen hat, fand ich ein wenig übertrieben.

„Das versteinerte Herz“ hat _Ralf Isau_ geschrieben: Die Geschichte spielt in China zum ungewöhnlichen Zeitpunkt der Kulturrevolution. Eine junge Frau, deren Mutter eine berühmte Geschichtenerzählerin ist, träumt davon, das Rätsel der Drachen zu lösen, was in dieser Zeit allerdings ziemlich suspekt und damit gefährlich ist. Trotzdem lässt sie sich nicht davon abhalten und geht als Ausgrabungshelferin ins Gebirge, wo versteinerte Drachenskelette ausgegraben werden. Dort macht sie durch reinen Zufall einen erstaunlichen Fund … Als Erstes fiel mir die stellenweise recht saloppe Ausdrucksweise auf. Nicht, dass sie gestört hätte, sie bildete nur einen deutlichen Kontrast zu den bisherigen Schreibstilen und erzeugte einen Effekt, als hätte mir jemand auf die Schulter getippt, um meine Aufmerksamkeit zu erringen. Im weiteren Verlauf fällt der lockere Ton dann weg. Übrig bleibt eine sehr warmherzige Geschichte über Freundschaft und wahre Berufung, auch wenn das Verhalten der beiden Parteifunktionäre Chen und Sun stellenweise doch ein klein wenig weit hergeholt wirkte.

_Monika Felten_ hat „Die Legende der weißen Drachen“ beigesteuert: Ein junges Mädchen kämpft um das Leben seines Bruders, der im Kampf mit einem Drachen vergiftet wurde. Doch keiner der vielen Ärzte und Heiler weiß Rat. Da taucht eine schwer bewaffnete Frau im Palast auf und erklärt, nur ein weißer Drache könne ihren Bruder retten. Mit neu erwachter Hoffnung folgt die junge Prinzessin der Frau in die Berge … Auch diese Erzählung wirkt zunächst wie klassische Fantasy in Reinform. Gut gefallen haben mir der Schöpfungsmythos, den die Fremde der Prinzessin erzählt, sowie die Kehrtwendung am Schluss, die der Sache etwas Pfiff verleiht. Ansonsten tut sich innerhalb der Handlung nicht allzu viel, das Intermezzo mit dem Bären ist zu kurz geraten, um echte Spannung zu erzeugen. Übrig bleibt am Ende die Erkenntnis, dass die besten Lügen zu 98 Prozent aus Wahrheit bestehen.

Den Schluss macht _Wolfgang Hohlbein_ mit „Drachenträume“: Der Sohn des Khan hat nicht den besten Ruf, die meisten halten ihn für einen Feigling. Der Schwurbruder seines Vaters allerdings scheint irgendetwas an ihm zu finden, er bietet ihm seine Tochter zur Frau. Der Junge ist sich allerdings zunächst einmal gar nicht sicher, ob er dieses Mädchen mit dem scharfen Verstand und der spitzen Zunge wirklich will! Gut, dass er einen Drachen zum Freund hat, der ihn in seinen Träumen besucht, auch wenn Drachenweisheiten manchmal etwas unverständlich daherkommen. Diese Erzählung ist mit achtzig Seiten mit Abstand die längste des Buches. Es geht darum, was genau eigentlich feige und was mutig ist. Am Ende stellt sich heraus, dass der sogenannte Feigling den meisten Mumm hat, und das ganz ohne Kampf oder heldenhafte Rettungsaktion oder Ähnliches, sondern auf fast alltägliche und doch dramatische Weise. Angenehm ist auch, dass der Text zu keiner Zeit schulmeisterlich wirkt, sondern immer nahe am Protagonisten und deshalb ehrlich bleibt. Ich muss zugeben, mit dieser Geschichte hat Herr Hohlbein, von dessen Büchern ich bisher nicht viel hielt, mich sehr positiv überrascht.

Wenn ich jetzt für jede Geschichte Sterne von 1 bis 5 vergeben müsste, dann käme für die Anthologie insgesamt eine Bewertung von 3,7 heraus. Zwar haben mich nur zwei Geschichten wirklich begeistert, die meisten anderen waren aber immerhin nett zu lesen, wenn auch nicht gerade mitreißend. Die verschiedenen Szenarien waren vielfältig und abwechslungsreich, und die sprachliche Gestaltung größtenteils flüssig und gut lesbar. Nicht so gut war das Lektorat, vor allem Zeitfehler sind mir begegnet. Kurz gesagt: Das Buch ist durchaus eine nette Lektüre, das Prädikat „Extra-Klasse“ allerdings ist meiner Meinung nach ein wenig übertrieben.

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Finn, Thomas – Letzte Flamme, Die (Die Chroniken der Nebelkriege 3)

Band 1: [„Das unendliche Licht“ 2646
Band 2: [„Der eisige Schatten“ 3610

Die Trilogie „Die Chroniken der Nebelkriege“ ist abgeschlossen. „Die Letzte Flamme“ nennt sich der dritte Band aus der Feder von Thomas Finn und muss, um den Erwartungen gerecht zu werden, den beiden Vorgängern zumindest gleichkommen, diese wenn nicht sogar übertrumpfen. Ein nicht ganz einfaches Unterfangen, denn nachdem der Auftakt „Das unendliche Licht“ einen fulminanten Start hingelegt hatte und abseits der ausgelutschten Klischees eine durch und durch spannende Fantasy-Geschichte mit sympathischen Hauptfiguren bot, legte der zweite Teil „Der eisige Schatten“ noch einen drauf, wurde rasanter und, in der Figurenkonstellation bereits von Beginn an angelegt, vielschichtiger. Nun wollen in Band Drei nicht nur alle noch offenen Handlungsfäden zusammengeführt und alle offenen Fragen um die Charaktere beantwortet werden. Band Drei muss auch ein Finale bieten, das die Trilogie mindestens ebenso stark abschließt wie sie begonnen hat.

_Inhalt_

Aus dem jungen Irrlichtfänger Kai ist mit der Zeit ein junger Mann geworden, der trotz bisher eingeschränkter Handlungsmöglichkeiten niemals aufgegeben und weitergekämpft hat. Kai weiß mittlerweile um seine Bestimmung als letzte Flamme, als letzter lebender Feuermagier. Nach einer Prophezeiung ist er dazu bestimmt, die Finsternis abzuwenden. Morgoya, die dunkle Nebelkönigin, die aus ihrer Residenz auf der Insel Albion regiert, hat die Brisanz dieser Prophezeiung mittlerweile ebenfalls erkannt und schickt ihre Schergen, eine ganze Armee blutrünstiger Krieger, auf den Kontinent. Es liegt nun an Kai und seinen Freunden, Morgoya aufzuhalten.

Kai hat sich mit Fi, einer hübschen Elfe, und Dystariel, einer auf den ersten Blick groben, im Herzen jedoch gutmütigen Gargyle, nach Colona zurückgezogen, um über die weiteren Schritte im Kampf gegen Morgoya zu beraten. Die Nebelkönigin hat die Hafenstadt Hammaburg überrannt und steht kurz davor, auch die übrigen Städte des Landes einzunehmen. Die Hexen, Magier, Menschen und Zwerge, die sich Morgoya entgegenstellen, stehen zwar alle auf einer Seite, wollen jedoch ihre eigenen Interessen durchsetzen. Und so findet sich Kai zwischen den streitsüchtigen Parteien wieder und muss zu schlichten versuchen. Die Zeit rennt der letzten Flamme jedoch davon, denn die Nebelkönigin rückt weiter unbehelligt vor.

Obwohl die Situation schon paradox genug ist, kommt es noch schlimmer. Von Falkenhain, seines Zeichens oberster Stadtmagier Hallas, taucht plötzlich in Colona auf, will Kai zu Zucht und Gehorsam erziehen und seine weitere Ausbildung übernehmen. Den kleinen Däumlingszauberer Eulertin, in dessen Lehre Kai bisher gestanden hat, hat der Magier mit Hilfe einer eigenen kleinen Armee einfach aus dem Weg räumen lassen. Schnell wird Kai klar, dass von Falkenhain in ihm als letzter Flamme, nach dessen eigener Interpretation der Prophezeiung, einen Schlüssel sieht, mit dem Morgoya vernichten werden könnte – dass es Kai das Leben kosten kann, ist von Falkenhain dabei herzlich egal.

Gut, wenn man in solch einer Situation seine Freunde in der Nähe weiß. Im letzten Moment wird Kai nämlich von den Hexen aus den Klauen des Magiers gerettet und findet Zuflucht im Kreis einer kleinen Gemeinschaft, die zwar auf dem Schlachtfeld nicht viel ausrichten kann, aber immerhin zu einem schnellen Handeln bereit ist. Auf die Streitmacht Colonas, die nun unter der Führung der Magier steht, dürfen Kai und seine Freunde im Kampf gegen die Nebelkönigin nicht mehr hoffen. Daher schmieden sie einen neuen, wenn auch tollkühnen und gefährlichen Plan: Sie wollen sich durch die feindlichen Linien nach Albion begeben, um die böse Hexe in ihrem eigenen Refugium zu vernichten.

Schon der Weg in den Norden, in Richtung Meer, ist gefährlich. Schließlich kommen Kai, sein kleiner Drachen Olitrax, Fi, Dystariel und – endlich wieder befreit – Magister Eulertin und dessen Geist Quiiiitsss aber in der Hafenstadt Hammaburg an, wo sie sich im Verborgenen mit dem Klabautermann Koggs treffen. Er besorgt ein Schiff und bringt die Mannschaft übers Nordmeer nach Albion hinüber. Die Sonne dort ist von dicken Nebelschwaden bedeckt, das Land ist grau und trist und die Menschen sind von der Schreckensherrschaft gezeichnet. Immerhin eine weitere Motivation für die letzte Flamme und seine Freunde, Morgoya endlich Einhalt zu gebieten. Bis dies allerdings geschieht, wartet noch die ein oder andere Überraschung auf die ungleiche Truppe – leider nicht nur im Guten.

_Bewertung_

Um es vorweg zu nehmen: „Die Letzte Flamme“ kann die Erwartung erfüllen und „Die Chroniken der Nebelkriege“ zu einem würdigen Abschluss führen. Damit ist Thomas Finn eine Seltenheit gelungen, nämlich seine Trilogie auf konstant hohem Niveau zu halten, die zu keiner Zeit sprachlich abfällt, den Spannungsbogen gekonnt auszureizen weiß und am Ende ein Finale bietet, das nach allen Regeln der Kunst in Szene gesetzt worden ist. Wo andere Autoren Probleme haben, wenn sie zwar den Anfang und das Ende ihres Romans konzipieren, aber den Mittelteil als notwendiges Übel hinnehmen und dort in der Regel schwächeln, beweist Finn, dass er seine Handlung von A bis O durchgeplant hat. Einem schnellen, spannenden Einstieg folgt eine ruhigere Szene. Dann ist wieder Action (auf einem leicht angehobenen Level) angesagt, bis sich erneut eine ruhige, im Vergleich zur ersten aber wiederum gesteigerte Passage anschließt, die neue Details über einen der Charaktere enthüllt. Diese sind für ein späteres Kapitel wichtig und verknüpfen so, über die chronologische Erzählweise hinweg, den gesamten Roman.

Trotz allem wirkt „Die Letzte Flamme“ aber nicht konstruiert, ganz im Gegenteil, der Roman ist flüssig zu lesen, zu jeder Zeit äußerst unterhaltsam und fällt durch sein tragfähiges Erzählgerüst nie in sich zusammen – sowohl was die Handlung, als auch die Darstellung der Charaktere angeht. Anderen Autoren mag es gelingen, ihr Werk am Ende doch noch durch ein geschicktes Stilmittel zu retten und die abgestürzte Handlung nach oben zu ziehen. Finn muss hingegen an keiner Stelle seines Buches zu solchen Mitteln greifen. Der Vorteil liegt auf der Hand, denn so kann er sich auf die Geschichte konzentrieren und das grobe Gerüst mit Leben ummanteln. Und dies tut er auch ausgiebig. Märchenmotive verknüpft er mit Elementen aus Sagen, Legenden und – man merkt, dass er sich hier zu Hause fühlt – mit Elementen der Fantasy.

Neuartig ist das sicher nicht, doch es kommt eben auf die Mischung an. Die weiß nämlich zu gefallen, umgeht die bekannten Klischees und variiert gekonnt das Märchen- und Fantasysetting. Obwohl als Jugendbuch konzipiert, ergeht sich Thomas Finn nicht in einer neuen Version der Blümchenfantasy, sondern folgt der Tradition von Märchen und Sagen und fügt jedem Charakter (und vielen Schauplätzen) eine graue, mitunter schwarze Seite hinzu. Die Elfe Fi umgibt ein Geheimnis, ebenso wie die Gargyle Dystariel. Auch Kai ist nicht immer nur der strahlende junge Held, der er gerne wäre, obwohl er als klassische Identifikationsfigur angelegt ist.

Dazu kommt mit Albion ein für die Handlung zentraler Ort, der mit seinen Nebelbänken und mürrischen Bewohnern herrlich düster daherkommt. Doch ebenso wie die Helden eine dunkle Seite haben, haben auch dunkle Orte Licht zu bieten. Es bleibt natürlich alles kind- und jugendbuchgerecht, doch sollte dies auch erwachsene Leser nicht davon abhalten sollte, einen Blick zu wagen. Ganz im Gegenteil, so mancher Erwachsenenroman kann sich hier noch etwas abgucken.

Wenn man in diesem Buch etwas bemängeln möchte, dann sind es Nebensächlichkeiten, die in keinem Verhältnis zu seinen Vorzügen stehen. Auffallend ist höchstens das wie schon erwähnt packende Finale, das vielleicht etwas zu lang ausgefallen ist. Allerdings muss auch dies wieder in Relation zur gesamten Trilogie gesehen werden, und da hat die Einführung Kais im ersten Band auch ein paar Seiten mehr veranschlagt.

„Die Letzte Flamme“ von Thomas Finn ist ein rundum überzeugender Abschluss einer grandiosen Trilogie geworden, die zu den besten Fantasy-Veröffentlichungen der letzten Jahre zählt. „Die Chroniken der Nebelkriege“ ist ein ambitioniertes Projekt eines deutschen Autors geworden, von dem man in Zukunft noch viel erwarten kann. Eine Altersempfehlung erübrigt sich, denn hier werden Jung wie Alt wunderbar unterhalten.

http://www.ravensburger.de
http://www.thomas-finn.de
[Unser erstes Interview mit Thomas Finn]http://www.buchwurm.info/artikel/anzeigen.php?id=59
[Unser aktuelles Interview mit Thomas Finn]http://www.buchwurm.info/artikel/anzeigen.php?id=85
[„Der Funke des Chronos“ 2239
[„Das Greifenopfer“ 1849
[„Das Greifenopfer“ 2844 (Hörbuch)

Trudi Canavan – Priester (Das Zeitalter der Fünf 1)

Das Zeitalter der Fünf

Band 1: „Priester“
Band 2: „Magier“ (Januar 2008)
Band 3: „Götter“ (März 2008)

Schon als Kind wollte Auraya gern Priesterin werden. Doch mit einer kranken Mutter, die auf ihre Pflege angewiesen war, schien dieser Traum unerfüllbar. Dass er letztlich doch wahr wurde, verdankt Auraya unter anderem ihrem früheren Lehrmeister Leiard, einem Traumweber.

Jetzt ist Auraya nicht nur eine ausgebildete Magierin, sie wurde sogar von den Göttern in den Kreis der Weißen berufen, jener fünf Unsterblichen, die als die unmittelbaren Vertreter der Götter in der Welt auserwählt wurden. Seither besteht ihr Leben fast ausschließlich aus Diplomatie. Denn die Götter wünschen, ganz Nordithania durch Bündnisse zu vereinen. Keine leichte Aufgabe, denn in anderen Ländern haben die Traumweber noch wesentlich mehr Einfluss und ihr Misstrauen gegenüber den Weißen ist schier unüberwindbar. Auraya bittet ihren früheren Lehrmeister Leiard um Hilfe, mit schwerwiegenden Folgen …

Während Auraya und Leiard versuchen, ihre unmögliche Situation auf die Reihe zu kriegen, tauchen immer öfter schwarz gekleidete Fremde aus den Ländern des südlichen Ithania auf. Und sie scheinen nichts Gutes vorzuhaben. Schon bald kursieren die ersten Gerüchte von einem drohenden Krieg …

Auraya ist ein bemerkenswertes Mädchen. Schon in jungen Jahren beweist sie großes Einfühlungsvermögen in fremde Denkweisen und ein ungewöhnliches Geschick für Verhandlungen, abgesehen natürlich von ihrem ausgeprägten Mut. Ihr diplomatisches Geschick ist für die Weißen einerseits von unschätzbarem Wert, andererseits bedeutet ihr ausgeprägtes Verständnis und Mitgefühl für andere Kulturen auch sozialen Sprengstoff. So hat Auraya zum Beispiel überhaupt kein Verständnis für die restriktive Politik den Traumwebern gegenüber, und auch andere Minderheiten wie die Siyee, die geflügelten Bewohner der Berge, liegen ihr besonders am Herzen. Und genau das ist ihr Dilemma: Auraya macht keine halben Sachen. Bei allem, was sie tut, engagiert sie sich auch emotional sehr stark. Schmerzliche Erfahrungen sind da unausweichlich.

Leiard ist weit schwieriger einzuschätzen. Zunächst will er nichts weiter als bessere Lebensbedingungen für die Traumweber erreichen. Da er Auraya seit ihrer Kindheit kennt und ihr vertraut, ist er bereit, mit ihr zusammenzuarbeiten. Allerdings muss er dazu eine tiefsitzende Angst überwinden, die übertrieben scheint, denn obwohl Juran und Dyara, die beiden ältesten Weißen, ihm äußerst kühl begegnen, wird er zu keiner Zeit bedroht oder diskriminiert. Die Traumweberälteste Arleej bemerkt als Erste, dass Leiard ungewöhnlich viele und deutliche Erinnerungen an Mirar, den einstigen Traumweberältesten, besitzt. Und je näher Auraya und Leiard sich kommen, desto stärker werden diese Erinnerungen. Bis irgendwann ein fremdes Bewusstsein Leiard dreinzureden beginnt. Und bald begnügt es sich nicht mehr damit zu reden … Wo kam dieses Bewusstsein her? Und wieso hat es solche Macht über Leiard? Wer ist Leiard wirklich?

Emerahl hat von all dem nichts mitbekommen. Sie ist eine Wilde, eine Unsterbliche und eine Zauberin. Jahrelang hat sie im Verborgenen gelebt, bis sie dem Vorsteher des benachbarten Dorfes in die Quere kam. Nun suchen die Priester nach ihr, und Emerahl bleibt nichts anderes übrig als zu verschwinden. Ein schwieriges Unterfangen, denn sie muss feststellen, dass die Zahl der Priester enorm zugenommen hat! Emerahl muss auf all ihre Fähigkeiten zurückgreifen, um ihnen auszuweichen, und sie darf dabei nicht auffallen. So kommt es, dass das Versteckspiel sie letztlich dazu zwingt, im Tross eines Bordells den Truppen Nordithanias in den Krieg zu folgen, wo sie die größte Überraschung ihres langen Lebens erwartet.

Trudi Canavan hat für ihre neue Trilogie durchaus interessante Charaktere entworfen. Sie sind auch klar gezeichnet und ihre Handlungen nachvollziehbar. Trotzdem konnte ich mit keiner von ihnen richtig warm werden. Zwar ist keine von ihnen unsympathisch oder langweilig, es ist aber auch keiner von ihnen gelungen, mich wirklich zu fesseln und mit ihr fiebern zu lassen, zu vorhersehbar ist die Entwicklung geraten. Das betrifft sowohl die wachsenden Fähigkeiten Aurayas als auch Leiards wachsende Labilität.

Dasselbe gilt für die Handlung. Die Autorin lässt es extrem langsam angehen. Langsamer, als es für die Ausarbeitung der verschiedenen Beziehungen zwischen den Protagonisten nötig wäre. Ausführlich schildert sie Aurayas diplomatische Bemühungen zunächst in Somrey, später bei den Siyee. Dazu kommt die Entwicklung von Tryss‘ Fluggeschirr und seiner Beziehung zu dem Mädchen Drilli. All dies wirft zwar ein sehr deutliches Licht auf die Kultur der Siyee, trotzdem wäre es mir gelegentlich lieber gewesen, das Erzähltempo wäre etwas höher angesetzt. Denn der eigentliche Konflikt mit den schwarzen Magiern aus den Südlanden kommt dadurch erst extrem spät zum Tragen. Lediglich zwei kurze Zwischenfälle deuten darauf hin, worauf das Ganze zusteuert, doch danach versinkt die Handlung jedes Mal erneut in Diplomatie. Irgendwie ist Trudi Canavan diesmal nicht so richtig in die Gänge gekommen. Als es dann endlich ernst wird, kommt sie dagegen ziemlich rasch zur Sache, und der Höhepunkt, auf den eigentlich ein Spannungsbogen hätte zulaufen sollen, ist erstaunlich kurz geraten und auf eine Weise entschieden worden, die ich ein wenig enttäuschend fand.

Zu diesem etwas blassen Gesamteindruck hat sicherlich auch die starke Zurückhaltung der Autorin in Bezug auf Antworten beigetragen. Dass sie bisher nicht verraten hat, wie es kommt, dass Leiard diesen ungebetenen Gast mit sich herumträgt, kann ich ja verstehen. Dem geschichtlichen Hintergrund hätte es allerdings gutgetan, die Autorin hätte an der Diplomatie ein wenig Ausführlichkeit abgezwackt und sie in ein paar Details über die Vergangenheit ihrer Welt investiert. So hat sie den Konflikt zwischen den Weißen und den Traumwebern zwar mit ein paar trockenen Worten erklärt, sodass der Leser wenigstens die Grundlagen versteht. Aber nachvollziehbar wird die Vergangenheit dadurch nicht. So erfährt der Leser zum Beispiel nicht, warum Mirar so gegen die Götter gewettert hat, dass Juran sich gezwungen sah, ihn zum Schweigen zu bringen. Immer wieder wird ein Krieg der Götter erwähnt, aber niemand verliert ein Wort über die Ursache und die Konsequenzen dieses Krieges. Auch Emerahls Rolle in dieser Vergangenheit bleibt bisher noch ein Geheimnis.

Auch den Gegnern der Weißen, den Südländern, hat die Autorin kaum Beachtung geschenkt. Einerseits scheinen sie ziemlich grausam zu sein, andererseits zeigen sie Züge von Freundlichkeit, etwa, wenn eine ihrer Zauberinnen bedauert, gegen die Siyee kämpfen zu müssen, als täten diese ihr leid. Eine Erklärung für diese ungewöhnliche Diskrepanz gibt es bisher nicht, auch nicht, warum die schwarzen Magier einen so ausgeprägten Hass auf die Götter der Weißen haben. Der Feind wirkt fast wie eine Kulisse; er hat zwar ein Ziel, aber keine Kultur, keine Geschichte, keine Beweggründe.

So bleiben unterm Strich nicht viel mehr als eine akzeptable Charakterzeichnung sowie ein recht gelungener Entwurf einer Kultur von Flügelwesen und der einer Theokratie. Dabei hat die Geschichte durchaus noch eine Menge Potenzial: die Meermenschen, die Dunweger, die Südländer, die Vorgeschichte, Mirar und Emerahl … aber offenbar hat sich die Autorin all das für die Fortsetzungen aufgehoben. Ich für mein Teil hätte diesen ersten Teil interessanter gefunden, wenn Trudi Canavan all diese Aspekte in gleichem Umfang weiter ausgebaut hätte, anstatt sich so sehr auf die Diplomatie der Weißen und das Volk der Siyee zu konzentrieren, dass für die anderen fast nichts mehr übrig blieb. Nach der Lektüre der abwechslungsreichen und lebendigen Magiertrilogie hatte ich durchaus mehr erwartet. Ich hoffe, das rappelt sich noch.

Trudy Canavan stammt aus Australien, wo sie nach einem Studium am Melbourne College of Decoration als Designerin, Illustratorin und Kartenzeichnerin für verschiedene Verlage tätig war, ehe sie zu schreiben begann. 1999 gewann sie mit ihrer Kurzgeschichte „Whispers of the Mist Children“ den Aurealis Award for Best Fantasy Short Story. 2001 erschien dann ihr erster Roman, der erste Band der Trilogie Die Gilde der schwarzen Magier. „Priester“ ist der erste Band der Trilogie Das Zeitalter der Fünf, dessen Folgebände „Magier“ und „Götter“ im Januar beziehungsweise im März nächsten Jahres erscheinen sollen. Die Autorin arbeitet derweil an „The Magician’s Apprentice“, einem Prequel zur Magiertrilogie. Auch ein dreibändiges Sequel ist in Arbeit.

Broschiert 832 Seiten
Originaltitel: Priestess of the White (Age of the Five 1)
Deutsch von Michaela Link
ISBN-13: 978-3-570-30432-7

http://www.trudicanavan.com/
http://www.randomhouse.de/cbt/

Der Autor vergibt: (3.5/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (1 Stimmen, Durchschnitt: 3,00 von 5)

Fisher, Catherine – Schneewanderer

Catherine Fisher ist eine seit vielen Jahren aktive Autorin von Jugendfantasybüchern, auch wenn sie in Deutschland sicherlich noch nicht die Bekanntheit erreicht hat, die sie in England vorweisen kann. Dort wurde sie bereits mehrfach ausgezeichnet und war unter anderem für den |Whitbread Children’s Book Award| nominiert. |Heyne| veröffentlicht nun „The Snow-Walker Trilogy“, allerdings nicht in drei, sondern in einem Band.

Die Snow-Walker, zu deutsch Schneewanderer, sind ein magisches Völkchen, das die normalen Bewohner der nordisch anmutenden Fantasywelt von Fisher verängstigt und Stoff für Gerüchte und Legenden liefert. Grund dafür ist Gudrun, die Frau des Jarl. Man sagt ihr nach, dass sie eine böse Hexe sei, und für die junge Jessa erhärtet sich der Verdacht, als Gudrun sie und ihren Freund Thorkil nach Thrasirshall schickt.

Jessas und Thorkils Väter sind beim Jarl in Ungnade gefallen, und nun sollen auch die beiden Kinder darunter leiden. Gudrun möchte sie außer Reichweite haben und schickt sie deshalb an diesen sagenumwobenen Ort, an den sie einst ihren eigenen Sohn Kari verbannte. Über Kari gibt es die schauerlichsten Märchen. Angeblich ist er ein Monster, doch niemand glaubt, dass er das lange Exil überhaupt überlebt hat. Die Reise der Kinder ist folglich eine Reise ins Ungewisse …

Weiteres zum Inhalt zu sagen, wäre unfair gegenüber potenziellen Lesern, obwohl nur die Geschehnisse des ersten Buches angerissen wurden. Da das Buch drei voneinander unabhängige publizierte Geschichten vereint, fällt es schwer, einen Gesamtüberblick zu geben.

Im Mittelpunkt von „Schneewanderer“ steht der Kampf gegen Gudrun. Die Handlungen der einzelnen Geschichten sind dabei sehr einfach und kindgerecht geschnitzt. Verworrene Intrigen oder großartige Überraschungen darf man nicht erwarten, dafür aber eine wunderschöne Kulisse und eine konsistente, manchmal vorhersehbare Handlung. Was positiv auffällt, ist, dass in dem Buch zwar oft gereist wird, so dass man ständig neue Eindrücke bekommt, diese Reisen aber sehr gerafft dargestellt werden. Fisher begeht nicht den Fehler, sich in seitenlangen Schilderungen von Strapazen in den eisigen Landstrichen zu ergehen, sondern konzentriert sich auf die tatsächliche Handlung. Zusammen mit dem simplen Hintergrund – es gibt wenig Magie und auch nur wenige Fantasywesen und Ähnliches – gelingt es ihr dadurch, packend und interessant, wenn auch nicht besonders innovativ zu erzählen.

Hauptperson in den drei Geschichten ist Jessa, ein starrköpfiges Mädchen, das dem Leser den Zugang zu sich erschwert. Fisher greift zwar immer wieder auf ihre Gedanken und Gefühle zurück und erzählt in der dritten Perspektive aus ihren Augen, aber trotzdem steht sie nicht wirklich im Vordergrund. Ihre Charaktereigenschaften oder sogar ihr Aussehen offenbaren sich dem Leser erst im zweiten Band richtig, was schade ist. Gerade Kinder und Jugendliche haben es gerne, wenn sie sich mit den Hauptfiguren im Buch identifizieren können, was in diesem Fall etwas schwerfällt.

Die anderen Personen sind gut ausgearbeitet. Sie ähneln von Namen und Wesen her am ehesten Wikingern oder Menschen aus der nordischen Geschichte. Fisher etabliert verschiedene Charaktere, die den Leser das ganze Buch hindurch begleiten. Leider zeichnet sie diese oft etwas zu sehr schwarzweiß. Die Bösen haben kaum gute Seiten, während die Guten wenige schlechte haben. Diese Tatsache passt zu der Einfachheit des Plots und wird den erwachsenen Leser vielleicht etwas enttäuschen.

Was ebenfalls für herabhängende Mundwinkel sorgt, ist die Übersetzung, die an einigen Stellen hängt beziehungsweise sogar den einen oder anderen Grammatikfehler aufweist, wie eine Textstelle auf Seite 390 zeigt.

|“Es war kein Tier. Aber auch nicht eigentlich ein Mensch, dachte Jessa, nur sehr ähnlich.“|

Hier hätte man sich ein strafferes Lektorat gewünscht, das solche Fehler ausmerzt. Insgesamt ist das Buch auf Kinderniveau geschrieben, was aber nichts Negatives ist. Fisher erzählt klar und nüchtern, geradezu objektiv, was die eigene Phantasie des Lesers anspricht. Umständliche Erklärungen findet man selten, doch die Autorin schafft es auch mit wenigen, simplen Worten, ihre Welt und die darin befindlichen Menschen anschaulich darzustellen.

Insgesamt ist „Schneewanderer“ ein Buch, das nicht nur Stärken aufweist. Es ist anfangs gewöhnungsbedürftig, dass die Hauptfigur Jessa, aus deren Perspektive erzählt wird, nicht im Mittelpunkt steht. Außerdem tauchen immer wieder vermeidbare Grammatik- oder Ausdrucksfehler auf und die Einfachheit des Buches hat auch seine negativen Seiten. Die Handlung ähnelt anderen Fantasybüchern an manchen Stellen, gefällt aber auch dank des flotten Erzähltempos und des klaren Aufbaus. Der Schreibstil ist anschaulich und verstrickt sich nicht in Nebensächlichkeiten, die Personen gefallen durch geschickte Ausarbeitung. Für Kinder und Jugendliche ist dieses Buch sicherlich ein schönes Weihnachtsgeschenk, dennoch sollte man nicht zu viel davon erwarten.

|Originaltitel: The Snow-Walker Trilogy (The Snow-Walker’s Son/ The Empty Hand/ The Soul Thieves)
Originalverlag: RED FOX/ Random House
Aus dem Englischen von Beate Brammertz
Mit Illustrationen von Animagic
Paperback, 656 Seiten|
http://www.heyne.de

Cory Doctorow – Backup



Ein langes Leben?
Ein langes gesundes Leben?
Ein langes gesundes Leben ohne Krankheit?
Ein langes gesundes Leben ohne Krankheit und Tod?
Ein endloses Leben.

Ein Leben aus dem Backup. Keine Gefahr für den Geist und die Seele, Mord sinnlos. Der Körper aus der Retorte mit allen Modifikationen, die man sich wünscht. Zum Beispiel an den Weltraum angepasst oder mit einem zweiten Kniegelenk für den eleganten Schritt oder dem Gesicht eines berühmten Schauspielers (dessen Gesicht wiederum nicht sein eigenes sein muss). Oder alles das – und viel mehr.

Und das Beste: Alles kostenlos! Jedenfalls auf den ersten Blick, denn man ist auf die Achtung seiner Mitmenschen angewiesen, und mit der Achtung steigen die eigenen Whopple-Punkte. Den Punktestand kann jeder Mensch anpingen und entscheiden, ob man es würdig ist, beachtet zu werden oder in welcher Suite eines Hotels man würdig ist zu übernachten oder welche Klonmodifikationen man sich leisten kann.

Das ist die Bitchun-Society. Man legt an entsprechenden Terminals in individuellen Abständen Backups seiner Persönlichkeit an, um im Falle des eigenen Ablebens mit einem möglichst aktuellen Erinnerungsstand wiederbelebt werden zu können. Natürlich kann man auch ältere Backups nutzen, um unangenehme Erfahrungen nicht nur aus dem Gedächtnis, sondern auch aus der Persönlichkeit zu streichen. Sehr praktisch, zum Beispiel wenn man ein Verbrechen begehen will und sich danach an nichts mehr erinnert …

Cory Doctorow sagt von sich selbst, er lebe im Internet. Und so gestaltet sich auch die Geschichte: Es begann als Revolution des Internets. Die Bitchun-Society, die Gesellschaft größten Glücks, entsteht und stürzt die alten Lehrstrukturen an den Universitäten. Das Internet findet in den Köpfen der Mitglieder statt, der Informationszugriff ist optimiert. Daraus entwickelt sich die scheinbar einzig gerechte Währung, die Whopple-Punkte gegenseitigen Respekts und Achtung, in der jeder Mensch unabhängig von seiner Herkunft die gleichen Chancen hat. Grundlage ist natürlich auch die Weiterentwicklung künstlicher Arbeitskräfte, so dass grundsätzlich jeder Mensch der Gesellschaft Zugriff auf alles Lebensnotwendige hat, und zwar in für unseres Verständnis luxuriösen Maßen. Es gibt Arbeiten, die weiterhin von Menschen erledigt werden müssen (wie Putzen oder kreative Programmierung), und die entsprechenden Menschen sammeln mit dieser Arbeit enorme Punkte.

Natürlich gibt es Feinde und Neider dieser Gesellschaft, aber sie hat ein schlagendes Argument: Ihre Gegner sterben aus, während ihre Mitglieder beliebig oft aus einem Backup neu erstellt werden können. Man kann sich trotz der perfekt sozialistisch anmutenden Idee der Whopple-Punkte ausmalen, dass es Betrugsmöglichkeiten in diesem System gibt. Und hinter den Kulissen ist alles viel komplizierter, als sich in wenigen Sätzen sagen lässt. Zentrales Thema des Romans ist zum Beispiel die Langeweile, die bei den fast unsterblichen Mitgliedern der Gesellschaft häufig aufkommt. Man hat schon alles erlebt, jedes Risiko genossen, jede Anstrengung vollbracht, jede Möglichkeit der Entspannung und des Nichtstuns genutzt – was kann einem dann das Leben noch bieten? Man lässt sich einfrieren, um vielleicht in hundert Jahren zu erwachen und etwas Neues zu erleben. Oder ein Computer wacht über die Ereignisse und weckt einen, wenn interessante Neuigkeiten greifbar sind. Oder man lässt sich auf unbestimmte Zeit einfrieren, sagen wir, bis zum Kollaps unseres Universums. Denn das bietet auf jeden Fall noch Unerlebtes.

Was aber passiert mit einem Menschen, der durch Fehlfunktionen seiner Implantate aus dem Netz fliegt? Normaler Weise kann er sich aus einem Backup neu erstellen lassen, aber wenn er die Erlebnisse seit dem Backup nicht vergessen will? Er wird zum Außenseiter, der keinen Zugriff mehr auf die sphärische Kommunikation seiner Mitmenschen hat, sondern auf die normale Sprache angewiesen ist. Dessen Whopple nicht mehr angepingt werden kann, der also völlig vom guten Willen seiner Mitmenschen abhängig ist. Und hinter dessen Rücken man eins-a intrigieren kann, ja, in dessen Beisein man an ihm vorbei kommunizieren und sich über ihn lustig und ihn betrügen kann.

»Backup« ist mit seinen 285 Seiten für heutige Verhältnisse ein erfrischend dünner Roman, dessen flotte Gangart seinem Thema entspricht und Lesevergnügen »in einem Rutsch« liefert. Er ist spritzig, witzig, tiefgründig – uneingeschränkt zu empfehlen.

Originaltitel: Down and out in the Magic Kingdom, 2003
287 Seiten
Aus dem US-Englischen von Michael K. Iwoleit

Der Autor vergibt: (4.5/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (No Ratings Yet)

Irvine, Ian – Turm von Katazza, Der (Die drei Welten 3)

Band 1: [„Der Spiegel der Erinnerung“ 3928
Band 2: [„Das magische Relikt“ 4217

In Thurkad herrscht Chaos. Yggurs Armee steht vor den Toren der Stadt und Tensor hat das Große Konklave angegriffen, um den Spiegel von Aachim an sich zu bringen. Während Tensor mitsamt dem widerstrebenden Llian im Schlepptau aus der Stadt Richtung Norden flieht und Karan von Shand aus der Ratshalle geborgen wird, hat sich Mendark mit Tallia und dem Straßenmädchen Lilis vorerst in der Feste verbarrikadiert. Die Lage ist aussichtslos, und Mendark weiß das. Während die Altstadt fällt, plant er seine Flucht. Doch er wird verraten …

Faelamor und Maigraith sind zwar ebenfalls aus der Ratshalle entkommen, Faelamor hat jedoch all ihre Kräfte verloren und keinen Verbündeten in der Stadt. Da entschließt sich Maigraith zu einem folgenschweren Schritt …

_Der dritte Band_ des Drei-Welten-Zyklus trägt den Titel „Der Turm von Katazza“. Dieser Turm wurde von Mendark bereits erwähnt, als er Llian in die Keller der Feste schickte, um nach Informationen über den Spiegel zu suchen. Wer jetzt allerdings glaubt, irgendjemand hätte sich auf den Weg nach Katazza gemacht und in dem Turm womöglich sogar ein paar Antworten gefunden, der wird enttäuscht sein. Offenbar hat derjenige, der den Titel für diesen Band vergeben hat, sich vorher nicht die Mühe gemacht, ihn auch zu lesen. Dabei wäre eine solche Reise eine durchaus logische Entwicklung für die Handlung gewesen. Stattdessen konzentriert sich alles auf die Eroberung Thurkads und die verzweifelten Versuche der verschiedenen Protagonisten, ihren Hals zu retten.

Das Hauptaugenmerk liegt dabei auf Mendark. Außer seinem Gold und seinem eigenen Leben liegt diesem Mann nur die Stadt Thurkad am Herzen. Oder besser: seine Macht über Thurkad, denn die Stadt selbst und ihre Bewohner sind ihm herzlich gleichgültig. Er nutzt jeden aus, der ihm begegnet, Tallia eingeschlossen. Damit ist auch schon so ziemlich alles über diesen Mann gesagt, was es bisher zu sagen gibt.

Durch die starke Gewichtung von Mendarks Person rückt auch seine getreue Gefolgsfrau Tallia etwas mehr ins Rampenlicht, was allerdings auch nicht viel heißt. Zwar wird deutlich, dass sie nicht viel von Mendarks Rücksichtslosigkeit hält, aber sie steht trotzdem in jeder Situation treu zu ihm. Lediglich im Bezug auf Lilis ist sie diejenige, die sich durchsetzt. Da Tallia alles andere als dumm ist, stellt sich die berechtigte Frage, warum sie diesem selbstsüchtigen Kerl so treu ergeben ist!

Leider geizt Ian Irvine immer noch mit Antworten, und das gilt nicht nur für die Charaktere. Der Spiegel, der die ganze Sache erst ins Rollen brachte und eigentlich so außerordentlich wichtig für das Schicksal Santhenars sein soll, fristet nur noch ein kümmerliches Randdasein. Das einzige Wort, das darüber verloren wird, ist Tensors Feststellung, dass er keine Ahnung hat, was seit dem Diebstahl durch die Charon genau mit dem magischen Artefakt angestellt wurde. Und er hat offenbar auch keinerlei Anstrengungen unternommen, seine Flucht in eine Gegend zu lenken, wo er eventuell Antwort auf diese Frage erhalten könnte …

Auch an neuen Ideen tut sich nicht viel. Neu waren allein die Kaistadt und ihre Bewohner, die Hlune und die Telt. Um frischen Wind in die Geschichte zu bringen, blieben sie aber zu nebensächlich und die Ausarbeitung zu oberflächlich. Über die historischen Ereignisse, die zu der momentanen Situation führten, erfährt der Leser überhaupt nichts Neues. Die Aachim Malien, die Llian nach der Vergangenheit fragt, lässt sich lediglich zu einer vagen Andeutungen herab.

Auch diesmal ist also der Handlungsverlauf der Hauptträger der Geschichte. Und auch diesmal bestand sie zu meinem großen Leidwesen ausschließlich aus Flucht. Der einzige Unterschied zu den Vorgängerbänden ist der, dass jetzt nicht nur Karan und Llian, sondern auch noch die Gruppen um Mendark und Tensor auf der Flucht sind. Die Schilderung, wie Yggur die Schlinge um die in der Kaistadt Versteckten immer enger zieht, sollte den Spannungsbogen straffen, was aber nicht wirklich gelungen ist.

Dasselbe gilt für die kurze Szene, in der die Gâshâd beschließen, Karan zu fangen und zu benutzen, denn sie bleibt ohne Zusammenhang oder gar Folgen – zumindest in diesem Band. Erst als Mendarks Gruppe sich endlich auf dem Wasser befindet, zieht die Handlung vorübergehend so weit an, dass der Leser sich nicht langweilt. Besonders spannend kann man aber auch diesen Teil des Buches nicht nennen.

_Mit anderen Worten:_ Im Grunde bewegt sich die Geschichte überhaupt nicht weiter! Und so bleibt unterm Strich bei diesem Band sogar noch weniger als beim zweiten: Die Handlung kommt nicht über ein wirres Hin- und Hergerenne hinaus; der Mangel an Spannung, Abwechslung und Weiterentwicklung bewirkt bestenfalls ein Gefühl von Überdruss und Unzufriedenheit. Die Charakterzeichnung von Mendark und Tallia ist ziemlich blass geraten und die Figur des Mendark zudem nicht übermäßig sympathisch und damit eher ungeeignet, die Sympathien der Leser zugewinnen, sodass eine Identifikationsfigur fehlt, mit der man mitfiebern könnte. Ian Irvine ist es nicht gelungen, seinem vielversprechenden Anfang den entscheidenden Impuls zu geben und seine Charaktere und seine Handlung lebendig zu erhalten. Falls ich mich tatsächlich dazu durchringen sollte, einen weiteren Band aus diesem Zyklus zu lesen, dann muss der einiges mehr an Intensität, Bewegung und Einfallsreichtum aufbieten, denn sonst wird er der letzte sein, zumindest für mich.

_Ian Irvine_ ist Doktor für Meeresbiologie und hat einen Großteil des südpazifischen Raums bereist. Die Idee zu seinem Drei-Welten-Zyklus entstand bereits während des Studiums. Die damals entstandenen Karten und Skizzen dienten später als Basis für die Ausarbeitung, die inzwischen zwei Tetralogien umfasst und noch weiter ausgebaut werden soll. Abgesehen davon hat Ian Irvine den Öko-Thriller „Human Rite“ geschrieben sowie den Zyklus „Runcible Jones“. Der nächste Band des Drei-Welten-Zyklus „Die Festung der Macht“ erscheint Anfang Dezember 2007.

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Sandemo, Margit – Zauberbund, Der (Die Saga vom Eisvolk 1)

_Ein lange verborgenes Juwel_

Es gilt gemeinhin als ungeschriebenes Gesetz, dass die magischsten Momente der Fantasy-Literatur ausschließlich dem englischsprachigen Raum entstammen. Es sind Autoren wie Martin, Tolkien und auch moderne Schreiberlinge wie Jordan und Barclay, die in der Vergangenheit die anerkannten Maßstäbe setzten und das Kaufverhalten der Leserschaft durch ihre fabelhaften Geschichten maßgeblich beeinflussten.

In diesem Zusammenhang mag die schwedische Schriftstellerin Margit Sandemo, immerhin Jahrgang 1924, zunächst einmal eine unscheinbare Persönlichkeit im nach wie vor aufstrebenden Genre sein, hat aber gerade die phantastische Literatur im europäischen und speziell im skandinavischen Raum in den vergangenen Dekaden richtungsweisend geprägt. Ihre |Saga vom Eisvolk| entwickelte sich zum steten Bestseller und brachte es zwischen 1982 und 1989 auf insgesamt 47 Ausgaben. Seltsamerweise hat man hierzulande niemals eine offizielle Kostprobe des historischen Fantasy-Epos‘ zu Gesicht bekommen, auch wenn vor geraumer Zeit schon einmal der Versuch gestartet wurde, die ersten neun Bände in einer Kleinauflage zu etablieren – wirklich viel Rummel haben die Veröffentlichungen nämlich nicht ausgelöst.

Gottlob wird nun via |Blanvalet| ein zweiter Versuch gestartet, diese in Insider-Kreisen hoch gehandelte Reihe in einer deutschen Übersetzung landesweit zu manifestieren – drücken wir also die Daumen, dass es diesmal funktionieren wird!

_Story_

Im Jahre 1581 wird ganz Norwegen von der heimtückischen Pest heimgesucht und mit fürchterlicher Konsequenz getroffen. Ein Großteil der Bevölkerung erliegt dem schwarzen Tod, hoffnungs- und schutzlos ausgeliefert und vor Angst schier ohnmächtig. Unter der armen Bevölkerung ist auch die Familie der jungen Silje, die mit einem Mal ihre gesamten Angehörigen verliert. Verbittert und völlig ausgehungert tritt sie die Flucht an und nimmt sich auf ihrer Reise in die Zuflucht Trondheims zweier weiterer Waisenkinder an, die ohne Hoffnung auf Überleben der Kälte und Armut alleine ausgesetzt sind.

Der Großbauer Benedikt nimmt das Mädchen auf seinem Hof auf und schenkt ihr und den Kindern Liebe und Nahrung, ohne dafür jedwede Gegenleistung zu erwarten. Allerdings ist die Freude über die neue Geborgenheit nur von kurzer Dauer, denn die intrigante Cousine des Bauern macht sich alsbald auf dem Hof breit und verscheucht alle störenden Elemente unter gemeinen Vorwänden von Benedikts Gut.

In jenen Tagen macht Silje die Bekanntschaft des verrufenen Tengel, dem Mann, dessen Bekanntschaft tödlich sein kann, und der ihr auf ihrer vorherigen Reise bereits mehrere Male in mysteriösen Situationen begegnet war. Unter seiner Obhut erfährt sie von der geheimen Sippe des Eisvolkes, seinem Heimatstamm, dessen Urvater sich einst an den Teufel verkauft hatte. In einer versteckten Berglandschaft führen die wenigen Überlebenden seiner Gemeinschaft ein zurückgezogenes Leben, stets in großer Angst, eines Tages entdeckt und alleine für ihre Herkunft mit dem Tode bestraft zu werden.

Während Silje mit ihren unverhofften Mutterpflichten zu kämpfen hat, reift die junge Dame langsam aber sicher zur selbstbewussten Erwachsenen heran und kann auch ihre geheimen Gelüste nicht mehr zurückhalten. Ausgerechnet der schroffe Tengel hat ihr Herz erobert – doch seine Nähe ist verboten, da eine Partnerschaft möglicherweise eine weitere Teufelsbrut hervorbringt. Und die Angst hiervor ist so groß, dass beide Seiten schweren Herzens auf ihre Liebe verzichten. Vorerst …

_Persönlicher Eindruck_

Der erste Teil der „Saga vom Eisvolk“ ist sicherlich ein gelungener Auftakt der Mammutserie und liefert bereits einen ziemlich detaillierten Überblick über die Protagonisten und das allgemeine Setting der Handlung. Allerdings fordert er auch sogleich zur Korrektur auf, dass es sich bei diesem Epos nur bedingt um eine echte Fantasy-Geschichte handelt, denn im Grunde genommen unterwirft sich der Plot doch recht deutlich den Gegebenheiten eines historischen Dramas, verknüpft mit den Sehnsüchten und heimlichen Gelüsten einer unerlaubten Liebesbeziehung.

Insofern ist auch der Aufbau alles andere als fantasytypisch; der Rahmenschauplatz beschreibt nämlich ein allzu realistisches Standbild im Europa der Pestepoche, welches auch atmosphärisch sehr stimmig und authentisch wiedergegeben wird. Die gesamte Stimmung des Romans ist recht beklemmend ob der anhaltenden Todesgefahr und der wachsenden Armut und Verwahrlosung des gemeinen Volkes. Das gesamte skandinavische Gebiet welkt langsam dahin, und währenddessen klafft die Schere zwischen Reich und Arm bereits zu diesen Zeiten unheimlich stark auseinander.

In dieser Zeit kämpfen auch drei Waisen kaum unterschiedlicher Generationen ums nackte Überleben, unwissend bzw. intellektuell noch gar nicht fähig, realistische Zukunftsvisionen zu spinnen. Die erst 17-jährige Silje steht im Mittelpunkt des Ganzen, übernimmt für einen ausgesetzten Säugling sowie eine hinterlassene Zweijährige die nötige Verantwortung und hilft ihnen in letzter Not, nicht selber von der Pest dahingerafft zu werden. Allerdings wird das ungleiche Trio in der Folgezeit nur herumgeschubst; nirgendwo scheint man richtig willkommen, und auch wenn einige wenige ihnen die vermisste Liebe entgegenbringen, so scheint ihr Aufenthalt nirgendwo sicher.

Aus einem Trieb heraus, gleichzeitig aber auch aus Furcht vor dem Landvogt, der ihr den verbotenen Kontakt mit dem geheimnisvollen Tengel nachsagt, steuert sie schließlich auf die Welt des Eisvolkes zu und folgt ihrem heimlichen Geliebten, der sich jedoch aus großer Furcht vor den Konsequenzen nicht eingestehen kann, dass er ebenfalls der Liebe verfallen ist. Verkrampft, verzweifelt und in ihrem Handeln zumeist ohnmächtig kämpfen sie für- und gegeneinander, wohl wissend, dass das Schicksal für beide ein Buch mit sieben Siegeln ist, ganz gleich, wie sie ihre Beziehung gestalten werden.

Bereits in „Der Zauberbund“ bestätigt sich, dass Margit Sandemo eine fantastische Geschichtenerzählerin ist; ihre detailreichen Darstellungen von Szenarien und Hintergründen bringen den Leser alsbald in das Norwegen des späten 16. Jahrhunderts und lassen ihn sofort eins werden mit dieser beklemmenden Stimmung innerhalb der Bevölkerung. Gleichzeitig gelingt es ihr auch auf faszinierende Weise, einige packende Charakterzeichnungen zu entwerfen, unter denen vor allem Tengel und die Hauptakteurin Silje hervorragende Eindrücke hinterlassen. Ihr steter Wechsel aus Bestimmtheit und Unentschlossenheit beherrscht einen großen Teil des Buchs und markiert die nicht abklingende Spannung, die sich trotz der vergleichsweise nur langsam voranschreitenden Story sofort auf den ersten Seiten entwickelt.

Andererseits ist das schleppende Tempo auch ein geringfügiger Kritikpunkt, der zwar insofern fast schon widerlegt werden muss, als man es hier erst mit dem ersten Band einer Mammut-Saga zu tun hat und eine diesbezügliche Drosselung zugunsten der Detailfülle fast schon wieder erforderlich ist, insgesamt aber doch mehrfach zu einigen kleinen Längen führt, gerade im letzten Drittel des Buches, welches nur noch die unterdrückte Liebelei der beiden Protagonisten thematisiert. Hier hätte Sandemo sicherlich etwas kompakter agieren können, was man ihr aber aufgrund des begeisternden Erzählstils (der auch in der Übersetzung sehr schön zum Tragen kommt) kaum übelnehmen darf.

Daher muss man den Einstieg in diese stilistisch vermischte „Saga vom Eisvolk“ auch als durchweg gelungen und entsprechend auch als empfehlenswert bezeichnen. Zwar wollen sich noch keine magischen Gefühle einstellen, doch fühlt man sich in der Welt von Tengel, Silje und ihren beiden Waisenkindern auf Anhieb wohl, ist bereit, ihr Schicksal zu teilen und es mit ihnen gemeinsam zu bestreiten. Beste Voraussetzungen also, um die Serie endgültig auf dem deutschen Markt zu etablieren!

|Originaltitel: Sagan om Ísfolket 1: Trollbunden
Originalverlag: Boknöje ab 1982
Aus dem Norwegischen von Dagmar Mißfeldt
Mit einem Nachwort von Gabriele Haefs
Taschenbuch, 320 Seiten|
http://www.blanvalet.de
http://www.margitsandemo.se/

Ruckley, Brian – Winterwende (Die Welt aus Blut und Eis 1)

Wir schreiben das Jahr 1102 des Dritten Zeitalters. Der Clan des Schwarzen Pfads, vertrieben aus seiner Heimat, durchquert das Land Car Criagar. Verfolgt von Stämmen der Wahren Geschlechter tritt der abtrünnige Clan die Flucht in den Norden an. Doch der Weg ist beschwerlich und nur die Stärksten haben eine Chance. Verwundete und Schwache müssen zurückgelassen werden, damit die letzten standhaften Krieger den Frauen und Kindern die Zuflucht in den Norden, in das Tal der Steine ermöglichen können. Viele tapfere Männer lassen ihr Leben, und als der Clan endlich sein Ziel erreicht, ist er auf wenige hundert Männer, Frauen und Kinder dezimiert.

150 Jahre später. Es ist viel passiert, die Länder und Herrschaftshäuser haben sich stark verändert. Die Wanderung des Schwarzen Pfads ist zur Legende geworden, die Geschichte wird nur noch am Kamin erzählt. Das Reich ist nun aufgeteilt in große Stämme, über die der Hoch-Than Gryvan oc Haig herrscht. Wer es wagt, seinen Herrschaftsanspruch in Frage zu stellen, muss mit einer harten Strafe rechnen. Wer sich nicht seinem Willen beugt, muss um sein Leben fürchten. Der Clan des Schwarzen Pfades jedoch ist längst aus dem Blickfeld des Thans und seiner Häuser geraten. Die einst Vertriebenen haben ihr Exil im hohen Norden angenommen. Seitdem herrscht Ruhe, an den nördlichen Grenzen zumindest ein stabiler Waffenstillstand.

Doch die Zeichen stehen auf Sturm und eine Rückkehr des Clans, der sich für die Vertreibung in den Norden nach all den Jahren rächen will, steht kurz bevor. Der Than hat die Exilanten aus dem Blickfeld verloren und bemerkt erst viel zu spät, dass sie sich erheben – aus einem Land aus Stein, Schnee und Eis.

„Winterwende“ nennt sich der Auftakt der neuen Saga „Die Welt aus Blut und Eis“, das schriftstellerische Debüt des Autors Brian Ruckley. Ganz im Stil George R. R. Martin versucht sich Ruckley an einer epischen Erzählung, die rau, brutal und erbarmungslos daherkommt. Doch kann „Winterwende“ dem Vergleich zum Genrekönig „Das Lied von Eis und Feuer“ standhalten?

_Inhalt_

Orisian nan Lannis-Haig ist zu Besuch bei seinem Onkel Croesan auf der Burg Anduran, als er zusammen mit seinem Neffen Naradin auf die Jagd geht. Orisian ist erst 16 Jahre alt, doch bereits ein geschickter Jäger und gewandt auf dem Rücken eines Pferdes. Mit der Erfahrung seines Neffen, der erst kürzlich geheiratet und einen Sohn gezeugt hat, der eines Tages als auf der Burg Anduran herrschen soll, kann es der Junge aber noch nicht aufnehmen. Doch auch Naradin hat sich den Kampf mit dem Eber, den er und Orisian schließlich stellen, wesentlich einfacher vorgestellt. Denn das Tier sucht nicht, wie üblich, sein Heil in der Flucht, sondern geht zum Angriff über. Als Naradin es schließlich erlegt, entdeckt dieser den Grund für dessen eigenartiges Verhalten. Eine abgebrochene Pfeilspitze, die noch im Fleisch steckt, muss es zum aussichtslosen Kampf getrieben haben. Auch die Pfeilspitze gibt Rätsel auf, denn Naradim kann sie den Kyrinin zuordnen, den Waldelfen. Doch es ist lange her, dass sie sich so weit in die Nähe der Menschen gewagt haben. Was muss in dem rauen, schneebedeckten Land hoch im Norden vor sich gehen, dass sich Tiere wie auch Kyrinin so dicht an die Grenzen der Menschen heranwagen?

Orisian kehrt einige Tage später wieder nach Kolglas zu der Burg seines Vaters zurück. Dort beginnen bereits die Vorbereitungen für das große Fest zur Winterwende. Um Orisians Vater Kennent steht es allerdings schlecht. Denn seit vor vielen Jahren eine Krankheit Kennets Ehefrau und seinen ältesten Sohn dahinscheiden ließ, hat der Herrscher über Kolglas jeden Lebenswillen verloren. Orisian und Anyara, seine Tochter, sind das Einzige, was Kennet noch geblieben ist. Das Winterfest, so hoffen Orisian und seine Schwester, wird nicht nur die Stadt und die Burg, sondern auch Kennet, zumindest für ein paar Tage, die dunklen Stunden der Trauer vergessen lassen. Doch es kommt zu einem unerwarteten Angriff, bei dem die Burg in Schutt und Asche gelegt wird und Orisian und Anyara gefangen genommen werden.

Zur selben Zeit belagert Hoch-Than Gryvan oc Haig weit im Süden die Feste An Caman, um Abtrünnige des Dargannan-Clans, die sich seiner Herrschaft widersetzt haben, auszubluten. Mit Männern aller ihm unterstehenden Häuser hat er die besten Kämpfer aus den nördlichen Landen abgezogen. Und während der Hoch-Than kurz davorsteht, einen leichten, aber unbedeutenden Sieg einzufahren, bemerkt er nicht, wie der Norden überrannt wird.

_Bewertung_

Brian Ruckley fährt mit „Winterwende“ ein wahrlich beachtliches Debüt auf. Der Prolog zieht den Leser direkt in die Geschehnisse hinein und lässt ihn bis zum Schluss nicht mehr los. „Winterwende“ ist grausam und brutal ist, ergeht sich allerdings nicht in blutigen Schilderungen, sondern lässt den Leser durch die raue und umbarmherzige Umgebung am harten Leben der Protagonisten teilhaben. Sprachlich versiert vermischt Ruckley den rauen Ton der Geschichte mit der eisigen Winterwelt. Die Kombination gelingt und ergibt ein stimmungsvolles Ganzes.

Obwohl Ruckley darauf achtet, nur kleine Ausschnitte zu zeigen, wird die Welt bereits nach wenigen Seiten plastisch, als wäre sie historisch mit der Zeit gewachsen. Das gelingt den meisten Autoren selbst nach seitenlangen Beschreibungen über historische Hintergründe nicht. Wo andere sich verzweifelt bemühen, ihre Geschichte plausibel rüberzubringen, aber lediglich die Welt um die viel zu konstruiert wirkende Handlung anlegen, schafft es Ruckley, seine Geschichte als Teil eines großen Ganzen darzustellen. Gerade dadurch vermittelt „Winterwende“ Realismus, der zu fesseln weiß, ohne die fantastischen Elemente in den Hintergrund zu drängen.

Ruckley richtet seine Erzählung, obwohl er keine geringe Anzahl an Personen einführt und die Schicksale vieler Charaktere über die Grenzen ihrer Völker hinweg miteinander verbindet, auf einige wenige Personen und Schauplätze. Er lässt bewusst weiße Flecken auf der Landkarte, die er erst mit der Zeit (und vermutlich erst mit den nächsten Bänden) allmählich gestalten wird. Im Gegensatz zu George R. R. Martin, der aufgrund der epischen Breite und Erzählstruktur tatsächlich als Referenz herangezogen werden kann, erzählt Ruckley jedoch nicht aus der Sicht vieler Personen, sondern beschränkt sich auf zentrale Figuren. Gerade dadurch wird ihr Überlebenskampf im hereinbrechenden Winter(krieg) umso deutlicher und bietet Identifikationsmöglichkeiten für den Leser.
Ruckley nimmt keine Einteilung in Gut und Böse vor, schafft es jedoch noch nicht, seine Charaktere so bunt und tiefgründig zu zeichnen, wie es ein Martin vermag. Das fällt aber nicht weiter ins Gewicht, vor allem nicht angesichts eines bis zum Ende hin steigenden Spannungsbogens, der bis zum Finale gehalten wird.

Weniger geglückt, aber nicht dem Autor zuzuschreiben ist die eher zweckmäßig zu bezeichnende Karte, welche die Länder und Orte abbildet. Die wichtigsten Städte, Burgen und Regionen sind eingezeichnet, hübsch sieht das allerdings nicht aus. Hilfreich ist sie trotzdem, ebenso wie die Zeittafeln und Namensregister, die die Orientierung erleichtern. Vor allem die Namen sind anfangs gewöhnungsbedürftig, tragen jedoch unweigerlich zur Atmosphäre der miteinander in Verhältnissen stehenden Herrschaftshäusern bei.

Bewusst verzichtet wurde auch auf die klassischen Fantasyelemente. Fantastische Wesen gibt es schon einmal gar nicht. Obwohl Elfen auftauchen, allerdings in der Bezeichnung der Kyrinin, unterscheiden sie sich deutlich von ihren herkömmlichen Artgenossen. Dem Grundtenor des Romans angemessen sind sie ebenso unbarmherzig, rau und kalt wie die Wälder um sie herum. Magie wirken die Kyrinin daher ebenso wenig, und wenn überhaupt von Magie die Rede ist, dann in einer unklaren, mysteriösen Form, die eher unserem weltlichen, im Mittelalter üblichen Verständnis für Zauberei nahekommt.

Brian Ruckley gelingt mit „Winterwende“ ein rundum gelungenes Debüt. Die Erzählung ist vielschichtig, die Welt komplex und nicht einfach in Schwarz und Weiß eingeteilt und die Charaktere besitzen Profil. Hie und da merkt man dem Autor an, dass es sein Erstlingswerk ist, doch das fällt angesichts der überzeugenden Gesamtleistung kaum ins Gewicht. Bis zum Ende mag man das Buch nicht mehr aus der Hand legen und hofft darauf, dass diesem Werk möglichst bald weitere aus der Feder Ruckleys folgen. Diesen Autor sollte man im Auge behalten – sein Stil ist frisch, klar und stimmungsvoll.

http://www.piper-verlag.de/fantasy

Wichert, Alex – Fatimas Tränen

_Story_

Als Anführer der Wolverines hat Jari in den letzten Jahren schon einige brisante Aufträge erfolgreich zu Ende gebracht. Nun jedoch soll seine Söldnereinheit in eines der größten Krisengebiete auf dem Globus eingeschleust werden, um ein muslimisches Artefakt zu bergen und zu retten. Unter seiner Leitung wird der einst gefangene Adlerschamane Voiata zusammen mit dem naiven, noch jugendlichen Nachwuchsrunner Reynard und der mysteriösen Flechette hinter die Grenzen Afghanistans eingeschleust, von wo aus die Jagd nach ‚Fatimas Tränen‘ beginnen soll.

Doch noch bevor der Auftrag in die ernste Phase kommt, gerät das Team in interne Schwierigkeiten. Voiata muss sich unfreiwillig seiner bedrückenden Vergangenheit stellen und dabei realisieren, dass sein Wandel zum Schamanen die düsteren Flecken auf seiner Seele nicht hat verdrängen können. Immer häufiger bringt der unberechenbare Adler seine Mitstreiter in Gefahr – und verurteilt die Mission aufgrund seiner persönlichen Egotrips gleich mehrfach beinahe zum Scheitern. Doch was verbirgt sich hinter Voata wirklich?

_Persönlicher Eindruck_

Zeichneten sich gerade die vergangenen Romane aus der großen Fantasy-Welt von „Shadowrun“ vor allem durch einem großen Hang zur rücksichtslosen Action aus, fokussiert Stammschreiber Alex Wichert seine Gedanken in „Fatimas Tränen“, einem aktuellen Beitrag zur Serie (Roman Nr. 79), vordergründig auf die Darstellung seiner Charaktere. Nicht die Story an sich ist über weite Strecken das zentrale Element des Romans, sondern ihre äußerst lebendigen Träger, allen voran der faszinierende Voiata, aus dem Wichert einen echten Vorzeige-Schamanen gebastelt hat. Unglaublich jedenfalls, wie authentisch und leidenschaftlich der Autor die Emotionen und verstörten Gedanken des eigentlichen Protagonisten aufarbeitet, ohne dabei an den Rand jedweden Klischees zu stolpern. Dies ist im Hinblick auf das ungewöhnlich Setting gleich umso erstaunlicher, da der Verfasser sich insgesamt doch recht weit vom klassischen „Shadowrun“ entfernt.

Die Welt der Schatten ist gekennzeichnet von ihren finsteren Helden, und dazu gehört natürlich auch besagter Schamane, von Gesetzlosigkeit, Intrigen und blutiger Action. All die typischen Themengebiete, die diesen breiten Zweig der internationalen Fantasy mittlerweile markant verwurzelt haben, werden in „Fatimas Tränen“ zugunsten einer unkonventionellen, allerdings stilistisch sehr angenehmen, erfrischenden Herangehensweise weit hinten angestellt. Wichert gönnt seinen Figuren ungeheuer viel Zeit zur persönlichen Reife und neigt gerade im ersten Drittel zu einer deutlichen Temporeduzierung, die zuerst einmal geschluckt werden muss. Inwiefern das Buch später von diesem Vorgehen profitieren wird, ist zu diesem Zeitpunkt natürlich noch nicht abzusehen, so dass manch einer sich sicherlich wundern wird, warum das Setting erst in aller Ausführlichkeit, bisweilen auch ein bisschen kompliziert aufgebaut wird. Nach geraumer Zeit – sobald die Dynamik der Geschichte ins Rollen kommt und für den Außenstehenden ersichtlich ist – schließt sich diesbezüglich jedoch der Kreis. Die persönlichen Merkmale der Schicksalsträger gewinnen inhaltlich Gewicht und forcieren schließlich auch die Entwicklung des Romans, der mit dem undurchschaubaren Spiel Voiatas einerseits an Würze und Spannung gewinnt, aufgrund der intelligent konstituierten Action schließlich aber auch wieder den Anschluss zum bekannten, geliebten „Shadowrun“-Universum gewinnt.

Brisant bleibt die Story jedoch allemal, nicht zuletzt weil Wichert wagemutig über den eh schon breiten Tellerrand des Genre-Kosmos hinausschaut und auch Themen anschneidet, die auf den ersten Blick gar nicht so recht in eine solche Story hineinpassen wollen. Voiatas merkwürdige sexuelle Neigungen sind hier zum Beispiel ein wesentliches Element, das perspektivisch eher in einen Thriller einzuordnen wäre, sich aber überraschend gut in die Entwicklung der Geschichte einbinden lässt, unterdessen sogar die Dramaturgie noch einmal wesentlich erweitert. Von den toll inszenierten Flashbacks des Hauptdarstellers und der generell sehr prickelnden Erzähl-Atmosphäre mal ganz zu schweigen …

Insofern darf man dem populären Autor zweifelsohne bescheinigen, die Grenzen des Genres innovativ ausgedehnt und einen Beitrag zum Themenkomplex „Shadowrun“ geleistet zu haben, der durch eine ganze Reihe interessanter Neuerungen auch komplett neuen Schwung in die bisweilen durchaus limitierte Serie gebracht hat. „Fatimas Tränen“ gehört auf jeden Fall zu den besten Titeln, die parallel zum erfolgreichen Rollenspiel in den letzten beiden Jahren veröffentlicht wurden, und überzeugt vor allem mit einer Palette überaus faszinierender Charaktere.

http://www.fanpro.de

James Tiptree jr. – Beam uns nachhaus

Mission durch Fission: Die Welt wird bekehrt

Dieser zweite deutsche Tiptree-Band versammelt die ersten Geschichten der Autorin, die sie veröffentlichte und die in der SF-Gemeinde zwischen 1968 und 1971 für Furore sorgten. Zusammen mit dem Band „10.000 Lichtjahre von zuhaus“ (|Heyne| SF-Band 3462) erschienen die Geschichten unter dem Titel „10.000 Lichtjahre von zuhaus“ später in der SF-Bibliothek des |Heyne|-Verlags.

Die Autorin

James Tiptree jr. – Beam uns nachhaus weiterlesen

Baxter, Stephen – Eroberer (Die Zeit-Verschwörung 2)

|Die Zeit-Verschwörung|:
Band 1: [„Imperator“ 3516
Band 2: _“Eroberer“_
Band 3: „Navigator“ (2008)
Band 4: „Weaver“ (2008/09)

Britannien, im Jahre 607 nach Christus: Der Halleysche Komet zieht über den blassen Himmel über London und erschreckt die Sachsen, die sich über die Hinterlassenschaften der Römer hermachen und das Land in Besitz nehmen. Der junge Sachsenkrieger Wuffa erfährt von einer uralten Prophezeiung, dem Menologium der Isolde, die der „der letzte Römer“ genannte Ambrosias im Norden bewahrt. Dieser teilt die Prophezeiung mit ihm und seinem Freund Ulf sowie Sulpicia, einer hübschen Britannierin, die sie zu Rivalen um ihre Gunst macht.

Die Prophezeiung erschreckt ihn, denn Teile davon sind anscheinend bereits eingetreten: Der Wolf des Nordens, der den Bären erlegt, muss sich auf die Sachsen und Nordmänner beziehen, die König Artus besiegten. Doch was ist die Insel, die doch nicht Insel ist, Schild und doch nicht Schild? Was sind die Drachenklauen aus dem Osten, welches Blut mischt sich, welcher Drache muss das Haupt neigen?

Bis hin ins Jahr 1066, dem Datum der Eroberung Englands durch Wilhelm den Eroberer, reicht die Prophezeiung. Doch hier versagt die Prophezeiung des geheimnisvollen „Webers“ zum ersten Mal – das zehntausendjährige „Arierreich reinen Blutes aus dem Norden zu Christi Ruhm“ entsteht nicht, Wilhelm ist 1066 siegreich in der Schlacht von Hastings. So sinnieren der Wikinger Orm und der Priester Sithric bei der Krönung Wilhelms: |“Das hier ist falsch. Wir sind in der falschen Zukunft, mein Freund. Und nun werden wir sie nicht mehr los.“ „Hätte es denn anders kommen können?“ „Du warst doch dabei, Wikinger. Du weißt, wie wenig gefehlt hat …“|

_Stephen Baxter_

Der Engländer Stephen Baxter (* 1957) ist bekannt für seine naturwissenschaftlich fundierten Science-Fiction-Romane. Seit 1995 arbeitet Baxter hauptberuflich als Autor und wurde seitdem mit zahlreichen renommierten SciFi-Preisen wie dem |Philip K. Dick Award| und unter anderem auch dem deutschen |Kurd-Laßwitz-Preis| ausgezeichnet.

Doch Baxter ist kein Technomane, er ist vielmehr ein Visionär. Er scheut sich nicht, Handlungsbögen aus tiefster Vergangenheit über die Gegenwart bis hin in die ferne Zukunft zu schlagen, wie er es bereits in seiner |Kinder des Schicksals|-Trilogie getan hat.

Dies tut er auch in der |Zeit-Verschwörung|, die ich treffender dem Genre Alternate History denn der Science-Fiction zuordnen möchte. Das Zeitalter der Römer in Britannien und seinen Niedergang behandelte er im ersten Band, in „Eroberer“ zeigt er den Aufstieg und Fall der germanischen und nordischen Stämme. Dabei macht er die Schlacht bei Hastings 1066 als den Dreh- und Angelpunkt der Prophezeiung fest; Harold Godwinson hat es in der Hand, die Prophezeiung des Webers zu erfüllen und die Tür für die prophezeite zehntausendjährige glorreiche nordische Zukunft Britanniens aufzustoßen. Doch der Normanne Wilhelm siegt, der Plan des ominösen „Webers der Zeit“, von dem die Prophezeiung stammt, erfüllt sich nicht. Oder etwa doch?

_Britannische Geschichte häppchenweise_

Das Menologium der seligen Isolde gibt verschlüsselt Auskunft über bedeutende geschichtliche Ereignisse. Anhand der Wiederkehr des Halleyschen Kometen werden exakte Datumsangaben gemacht, zum Beispiel über das Jahr der Plünderung von Lindisfarne durch die Wikinger. Das sorgt für einen sehr episodischen Charakter des Buchs; mit Ausnahme der abschließenden Episode um Wilhelm den Eroberer sind die anderen eher kurz gehalten. So wechseln sich die Hauptcharaktere recht schnell ab; interessanterweise fallen ihre Nachkommen wie bereits im Vorgänger der Sklaverei anheim, können aber dennoch die Prophezeiung bewahren und weitergeben. Besondere Sympathien für die Handlungsträger können sich so leider nicht entwickeln, dafür wird man mit einer kurzweiligen Rundreise quer durch Höhepunkte der britannischen Geschichte verwöhnt, die Baxter sorgfältig recherchiert hat.

Nach wie vor bleiben jedoch die Motive des „Webers“ im Dunklen. Das großartige britannische Reich der Zukunft unter Harold Godwinson ist gescheitert, Wilhelm regiert jetzt das Land. Die Prophezeiung fällt einem maurischen Sklaven in die Hände, der sie nach Spanien bringt, wo der nächste Band des Zyklus („Navigator“) zum ersten Mal außerhalb Englands spielen wird, mit Kolumbus‘ Entdeckung der Neuen Welt als zentralem Thema. Es stellt sich jedoch, insbesondere für Science-Fiction-Leser, die Frage, ob hier nicht Etikettenschwindel betrieben wird. Für einen Thriller reicht der mysteriöse „Weber“ im Hintergrund nicht aus, Science-Fiction-Elemente sind auch nicht vorhanden, stattdessen liefert Baxter einen reinrassigen historischen Episodenroman.

_Fazit:_

Quo vadis, Baxter? Die Prophezeiung entspricht exakt den historischen Tatsachen, Überraschungen gibt es keine. Auch der Grad der Beeinflussung der Hauptcharaktere durch die Kenntnis der Prophezeiung wird in diesem Buch im Unterschied zu „Imperator“ nicht thematisiert, gewisse Elemente wie der Abstieg in die Sklaverei und die Bewahrung der Prophezeiung trotz aller Widrigkeiten hingegen wiederholen sich.

Im Vergleich zum Vorgänger bietet Baxter nichts Neues, die Charaktere sind weniger memorabel und bis auf die Wilhelm-Episode erzählt er auch kaum eine eigene Geschichte, sondern käut nur bekannte Historie wieder. Das ist mir einfach zu wenig. Baxter scheint erpicht darauf zu sein, ein kleines bisschen historischen Roman in jeder Epoche der britannischen Geschichte unterzubringen, wirklich interessante Aspekte wie einen möglichen Sieg Harold Godwinsons bei Hastings, was diesen Roman zu einer Alternate History Novel machen würde, verkneift er sich jedoch. Im Genre des historischen Romans muss sich Baxter jedoch mit anderen Autoren messen, denen er mit diesen von einer Prophezeiung zusammengehaltenen historischen Episoden-Häppchen meiner Ansicht nach, trotz vorzüglicher Recherche, nicht das Wasser reichen kann. Und alleine diese reicht bei weitem nicht aus, diese Serie als Science-Fiction zu klassifizieren. Hoffentlich lässt der „Weber“ im nächsten Band ein wenig mehr von seinen Absichten erkennen – das Episoden-Schema alleine kommt nicht über Mittelmaß hinaus.

Einzig die Übersetzung (insbesondere der Prophezeiung, unter Beibehaltung des Akrostichons) verdient ein Extralob: Peter Robert leistet, mittlerweile fast schon wie gewohnt, exzellente Arbeit.

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Whitfield, Kit – Wolfsspur

Die Bevölkerung unserer Erde besteht zu über neunzig Prozent aus Werwölfen, den so genannten Lykos. Die Nicht-Lykos, die „Nons“, werden abschätzig als Glatthäute bezeichnet und als Missgeburten angesehen. Sämtliche Nicht-Werwölfe müssen später bei der ASÜLA arbeiten, dem Amt zur ständigen Überwachung lykanthropischer Aktivitäten.

Zu dieser Behörde gehört auch Lola Galley, die als Anwältin und Fängerin bei ASÜLA tätig ist. Jetzt muss sie die Verteidigung eines gewissen Ellaway übernehmen, der es als Werwolf angeblich nicht mehr schaffte, bei Einbruch der Vollmondnacht einen geeigneten Schutzbunker aufzusuchen. Als Lyko überfiel er Lolas Partner Johnny Marco und biss ihm eine Hand ab. Doch der Fall erhält eine völlig neue tragische Dimension, als Johnny plötzlich erschossen wird – mit einer silbernen Kugel! Bricht hier der schon lange unterschwellig gärende Hass der Lykos gegen die Minderheit der Nons an die Oberfläche?

Kurz darauf wird bei einem Fängereinsatz, bei dem in Vollmondnächten streunende Werwölfe aufgriffen werden, auch Lolas neuer Partner, ein Praktikant, schwer verwundet. Der Täter Seligmann wird von Lola und einem weiteren Auszubildenden verhört. Wenig später wird auch dieser Azubi mit einer Silberkugel erschossen.

Lola Galley verstrickt sich nicht nur in den Machenschaften ihres eigenen Amtes, sondern muss auch die innere Kluft zwischen Nons und Lykos überwinden, um den Fall zu lösen. Dass sie sich in den Lyko Paul Kelsey, einen Sozialarbeiter, verliebt, scheint ihr zunächst dabei zu helfen. Doch dann gehört Paul plötzlich zu den Hauptverdächtigen und Lolas Welt bricht endgültig zusammen …

Eine höchst interessante alternative Realität hat Kit Whitfield hier in ihrem Debütroman entworfen, der am ehesten zur Social-Fantasy gerechnet werden muss. Die Handlung spielt in einer Großstadt in der Gegenwart, in welcher alles so ist, wie wir es kennen, nur mit dem Unterschied, dass die meisten Menschen Lykanthropen sind.

Einfühlsam versteht es Whitfield, die Kluft zwischen den Werwölfen und den „Nons“ herauszuarbeiten, und benutzt die Lykanthropie als gelungene Metapher auf unsere eigene Gesellschaft, nur dass bei Whitfield die „normalen“ Menschen die Minderheit bilden. Wurde der Werwolf bislang in der phantastischen Literatur meistens als Einzelgänger oder Verfluchter dargestellt, so dreht die Autorin dieses Mal den Spieß um und zeigt dem Leser eine Welt, in der es von Nachteil ist, ein gewöhnlicher Mensch zu sein. Wobei diese Normalität gänzlich im Auge des Betrachters liegt und in Whitfields Vision eben darin besteht, die Gabe der Metamorphose zu besitzen. Allerdings können die Werwölfe ihre Verwandlung nicht steuern, sondern sind gänzlich dem Mondzyklus ausgeliefert.

Gekonnt zeigt die Schriftstellerin auf, wie paradox eine Gesellschaft auf Andersartigkeit reagieren kann. Obwohl die „Nons“ verpönt und geächtet werden, sind sie ein wichtiger Bestandteil des gesellschaftlichen Systems. Damit sich die Lykanthropen während der Vollmondnächte nicht gegenseitig zerfleischen oder Nons anfallen, müssen sie sich bei Vollmond in Schutzbunker flüchten, wo sie sich in Ruhe austoben können. Vereinzelte Streuner werden von Angehörigen der ASÜLA eingefangen. Gerade deshalb ist die Minderheit der Nicht-Werwölfe für eine Gesellschaft, die sich bei Vollmond fast komplett in eine Horde wilder Tiere verwandelt, von unermesslichem Wert. Hier zeigt die Schriftstellerin realitätsnah die Schizophrenie dieser Gesellschaft. Da die Mehrheit sich in Werwölfe verwandelt, wird abschätzig auf jene hinabgeschaut, die diese Fähigkeit nicht besitzen und somit unnormal sein müssen. Verhaltensweisen, die auch auf unsere Lebensgemeinschaft durchaus zutreffend sind und immer wieder beobachtet werden können.

Die Protagonistin des Romans, Lola Galley, ist eine solche „Non“ und bei der ASÜLA als Anwältin und Fängerin beschäftigt. Als Nicht-Werwölfin hat sie wie alle Nons keine leichte Kindheit gehabt, und auch in ihrem Berufsleben leidet sie unter ihrer Andersartigkeit. Whitfield hat es hervorragend verstanden, den zynisch-depressiven Charakter von Lola glaubhaft herauszuarbeiten. Lola berichtet ihre Erlebnisse aus der Ich-Perspektive, was die Suche nach dem Täter spannender gestaltet, da der Leser genauso im Dunkeln tappt wie die Protagonistin selbst, dafür wird er aber auch mit den düsteren und schwermütigen Gedanken Lolas hautnah konfrontiert. Das macht die Lektüre bisweilen ein wenig langatmig und trostlos, denn Optimismus gehört nicht zu den Eigenschaften von Whitfields Hauptfigur.

Wer aufgrund von Titel, Cover oder auch dem Klappentext einen reißenden Werwolf-Schocker im Stil von „Der Mr.-Hyde-Effekt“ oder „Underworld“ erwartet, wird sicherlich enttäuscht sein. Dieses Buch lotet das gesamte Spektrum der Möglichkeiten aus, die ein solches alternatives Szenario zu bieten hat, und vermeidet die simple Darstellung von Gewalt und Action. Der Roman ist stellenweise sehr beklemmend, wenn die Verhörmethoden der ASÜLA geschildert werden, die stellenweise starken Gestapo-Charakter aufweisen. Auch hier wird die Ohnmächtigkeit der Minderheit der Nons gegenüber der Mehrheit der Werwölfe deutlich. Die Angehörigen der ASÜLA nutzen die Verhöre oftmals, um Frust und Hilflosigkeit abzubauen. Der Leser wird direkt mit der dunklen Seite der menschlichen Seele konfrontiert, wenn sich selbst die Ich-Erzählerin Lola solcher Methoden bedient, auch wenn sie mit Gewissensbissen zu kämpfen hat.

Die Eingliederung in ein Genre war selten so schwer wie bei diesem Werk, und die oben erwähnte „Social-Fantasy“ wird diesem Buch nicht ganz gerecht. Es ist kein Horror-Roman, keine Kriminalgeschichte und auch keine „Fantasy“. Es steckt sowohl ein Liebesroman als auch eine gelungene Gesellschafsstudie in diesem Werk. Ein hochaktueller und sehr brisanter Roman, der mit Sicherheit nicht verfilmt werden wird.

Die Aufmachung ist dem Verlag hervorragend gelungen. Als Relief erhebt sich der Titel unter einem vollen, strahlenden Mond, über den sich die blutigen Kratzer eines wilden Prankenhiebs erstrecken. Hier wird dem Leser vielleicht eine gänzlich andere Story suggeriert, aber im Nachhinein ist das Motiv dennoch passend ausgewählt worden und funktioniert als Gleichnis zur angeschlagenen Seele einer Nicht-Werwölfin.

_Fazit:_ Ein faszinierender Erstling aus der Feder von Kit Whitfield. Die alternative Realität, in der die meisten Menschen in den Vollmondnächten zu Werwölfen mutieren, wird hier als gelungene Metapher auf die heutige Gesellschaft und ihre Reaktion auf Minderheiten angewendet. Wolfsspur ist kein Horror-Roman, sondern vereint vielmehr die Hauptgenres der Literatur zu einem düsteren, pessimistischen Werk voller Gefühl und Spannung. Dem innerlich zerrissenen Charakter der Protagonistin wird dabei viel Aufmerksamkeit geschenkt.

„Wolfsspur“ ist ein Buch für Freunde anspruchsvoller Fantasy- und Horrorliteratur; Fans von Kriminal- und Liebesgeschichten kommen ebenfalls auf ihre Kosten. Allerdings hat der Roman auch seine Längen, und der Zynismus und Pessimismus der Hauptfigur bleiben nicht ohne Wirkung auf den Leser.

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_Florian Hilleberg_

Wolfgang Jeschke, Robert Silverberg – Titan-6

Mit Tweel durch die Wüsten des Mars

Die Großen der Science-Fiction werden mit ihren Meisterwerken bereits in der sogenannten „Science Fiction Hall of Fame“ verewigt, welche natürlich in Buchform veröffentlicht wurde (statt sie in Granit zu meißeln). Daher können Freunde dieses Genres noch heute die ersten und wichtigsten Errungenschaften in der Entwicklung eines Genres nachlesen und begutachten, das inzwischen die ganze Welt erobert und zahlreiche Medien durchdrungen hat.

In der vorliegenden Ausgabe des Auswahlbandes Nr. 6 von „Titan“, der deutschen Ausgabe der „SF Hall of Fame“, sind Novellen von Heinlein, Lester del Rey und Stanley G. Weinbaum und John W. Campbell gesammelt.

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Andreas Eschbach – Die steinernen Schatten (Das Marsprojekt 4)

In nicht allzu ferner Zukunft existiert auf dem Mars eine Siedlung, die Menschen haben eine Art Weltregierung und sind bis zum Asteroidengürtel im Sonnensystem vorgedrungen. In der Marssiedlung gibt es sogar Kinder, die weltbekannten Marskinder, die gerade zu Jugendlichen und jungen Erwachsenen werden. Seit Neuestem gibt es ein fünftes Kind: Urs, den Sohn des Siedlungsverwalters Pigrato, gerade frisch von der Erde eingetroffen.

Die Kinder entdeckten unter anderem gigantische Blaue Türme, Artefakte außerirdischer Besucher oder Bewohner des Mars, die der menschlichen Technik bislang unzugänglich bleiben. Doch seit der eine Turm durchsichtig geworden ist und das Bild einer fremden Umgebung zeigt, hat sich die Situation geändert. Scheinbar stellt er eine Passage auf einen fremden Planeten dar und gilt damit als potenzielle Gefahr, da die Außerirdischen durchaus feindlich gesinnt sein könnten. Zumal die Passage bisher nur Carl, dem Ältesten der Marskinder, von einem anderen Marsbereich her möglich war.

Was die Erwachsenen noch nicht wissen, ist, dass inzwischen neue Artefakte aufgetaucht sind. Diese anfangs von Carls jüngerer Schwester Ellin gefundenen »Steine« tragen mittlerweile die Namen der Marskinder Urs, Carl und Ellin, während Arianas Artefakt bei der ersten Berührung zerbröselte. Ronny, der Jüngste der Marssiedler, hat bislang noch kein Artefakt mit seinem Namen entdeckt, dafür gibt es eines für »Curly«. Wer sich dahinter verbirgt, ist bisher unbekannt. Und was die Erwachsenen daher auch nicht wissen, ist, dass diese Artefakte demjenigen, dessen Namen sie tragen, die Passage durch die blauen Türme gestatten. Und natürlich treiben widrige Umstände die Kinder durch dieses Tor, das sich anschließend schließt und den Rückweg verwehrt …

Eschbachs Marsprojekt geht langsam in die finale Phase. Mit diesem vierten liegt der vorletzte Band um die Marssiedlung und ihre Kinder vor. Kinder: Ein teilweise unglücklicher Begriff, wenn man die Zielgruppe im gleichen Alter sucht wie das der jüngsten Marsbewohner. Carl, Ariana und Urs sind inzwischen »beziehungsreif« und damit in einem Alter, in dem man ungern als Kind bezeichnet wird. Für die Welt des Marsprojekts ist es jedoch ein gewachsener Begriff, dem die Betroffenen langsam entwachsen.

Die Spannung steigt. War im ersten Band noch gar nicht von Außerirdischen auszugehen, entwickelte sich über die nächsten Romane die Gewissheit ihrer Anwesenheit, so dass die Marssiedlung zwar noch eine extrapolierte Möglichkeit darstellt, mit dem Verlauf ihrer Geschichte inzwischen aber deutlich fantastische Züge angenommen hat. Wir stellen uns jetzt die Fragen: Wer sind die Aliens, woher kommen sie? Warum kennen sie die Marskinder, und warum gerade jene, die zur Zeit des verschollenen Vaters von Carl schon bekannt waren? Wer ist Curly? Vielleicht der Spitzname für Ellins Mutter. Ellin selbst hat einen Moment lang den vollen Durchblick, doch reißt ihr gedachter Faden im Chaos ihrer Atemnot und verschwindet wieder in die Tiefe ihres Unterbewusstseins. Schade, oder zum Glück, denn so kommen wir in den Genuss des finalen Bandes dieser spannenden Serie.

Streckenweise fragt man sich, ob Eschbach wirklich für die hypothetische Zielgruppe der Teenager schreibt oder ob nicht in Wahrheit seine Fans die Zielgruppe sind. Er verschweigt keineswegs physikalische Zusammenhänge, sondern holt sie auf ein allgemein verständliches Niveau herab, lässt die Kinder als DAU agieren und benutzt Professoren, Präsidenten oder einfach Erwachsene als Decoder für die wissenschaftlichen Erklärungen. Aber Ronny ist etwa 13. Ob all dies für einen hypothetischen Dreizehnjährigen auch verständlich ist, ist schwer einzuschätzen. Wahrscheinlich muss in diesem Fall einfach nur die Geschichte fesseln und fließen, und das tut sie.

Bleibt als Abschluss
nur zu sagen, dass »Die steinernen Schatten« eine schöne, spannende, flüssig und flott zu lesende wunderbar leichte Unterhaltung ist, die hoffentlich auch den Teenies gefällt – warte auf das nächste Jahr zum Finale!

gebunden, 347 Seiten
Originalausgabe

Der Autor vergibt: (3.5/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (1 Stimmen, Durchschnitt: 5,00 von 5)

Golden, Christie – Aufstieg der Horde (World of WarCraft, Band 2)

Band 1: [„Teufelskreis“ 3021

_Story_

In der idyllischen Welt Draenor lebten die Clans der Orcs einst in Frieden mit den Draenei. Doch eine alte Fehde zwischen dem Dämonen-Lord Kil’jaeden und seinem ehemaligen Stammesgefährten Velen zerstört die trügerische Harmonie und verheißt den Untergang des gesamten Landes. Kil’jaeden macht seinen dämonischen Einfluss geltend und becirct die mächtigsten Orc-Shamanen mit verheißungsvollen Versprechen. Macht und Ruhm sollen denen gebühren, die sich dem Lord anschließen und als orcischer Zusammenschluss die schlagkräftigste Horde aller Zeiten bilden.

Lediglich Durotan, Häuptling der Frostwölfe, ist von den teuflischen Plänen Kil’jaedens wenig angetan und widersetzt sich seiner Propaganda. Aber auch ihm bleibt keine Wahl: Die höllische Bastion fordert die endgültige Vernichtung der Draenei. Und wer der Horde nicht folgt und an den Traditionen festhält, scheint ebenso dem Untergang geweiht wie Kil’jaedens größtes Feindbild. Durotan steht vor der schwierigsten Entscheidung seines Lebens: Soll er mit der Masse schwimmen oder als einziger für die wahren Werte der ursprünglichen Orc-Clans eintreten?

_Persönlicher Eindruck_

Ähnlich wie auch schon im vorangegangenen Roman der neuen „World of WarCraft“-Buchreihe handelt es sich auch bei „Aufstieg der Horde“ um einen eher spannungsarmen, wenig spektakulären Titel, der zwar einige weniger erwartete Wendungen als Qualitätsmerkmal für sich beanspruchen kann, davon abgesehen jedoch auch für den verbissenen Fan nur wenig Brauchbares aufbieten kann. Derlei Problematik äußert sich gleich auf mehreren Ebenen. Zunächst einmal ist die Erzählform fast schon dazu verdammt, die Spannung ausbluten zu lassen. Christie Golden wählt gerade in der ersten Hälfte eine Art Berichterstattung mit recht großen Zeitsprüngen, in deren Verlauf man lediglich einige Informationen über die tragenden Charaktere erhält, infolge des betont langweiligen Vortrags aber dennoch kaum Zugang zu den wichtigsten Figuren findet. Einzig Durotan bleibt als ehrenvoller Orc-Häuptling mit hehren Ambitionen im Gedächtnis, wohingegen die übrigen Orcs entweder den Rang von manipulierbaren Dummköpfen oder aber teuflischen Machtstrebern erreichen und in sich nur noch wenig Improvisationsspielraum zulassen. Dies wird der Geschichte schließlich auch im actionreichen zweiten Teil deutlich zum Verhängnis. Der Kampf zwischen Gut und Böse, personifiziert von Durotan respektive allen anderen Beteiligten, avanciert immer mehr zur völlig durchschaubaren Farce und wirkt später nur noch wenig glaubwürdig. Zum einen mutet es seltsam an, dass Durotan sich in steter Beharrlichkeit gegen die Vielzahl der übrigen Orc-Stämme sowie Kil’jaeden und dessen Mittelsmänner behaupten kann und den mentalen Kampf sogar überlebt, andererseits lockt die sprunghafte Aneinanderreihung neuer Bösartigkeiten mit wachsender Lesedauer nur noch ein müdes Gähnen hervor, welches vor allem in den schlappen Kampfdarstellungen kaum mehr abzustellen ist.

Unterdessen reißen die Fragezeichen ob des Inhalts und der merkwürdigen Ideen nicht ab. So wollen die philosophischen Einleitungen zu den einzelnen Kapiteln nicht wirklich zum plumpen Handlungsablauf passen, nerven zudem noch, weil sie schon vorab recht viel über spätere Ereignisse und Geheimnisse verraten. Aber auch die unverbesserliche Blindheit nahezu aller verführter Charaktere kauft man der Autorin spätestens nach der zehnten Manipulation nicht mehr ab, zumal Golden diesbezüglich auf permanente Wiederholungen zurückgreift und in Sachen Innovation wie so oft auf der Stelle tritt. Um das überaus mäßige Bild zu komplettieren, ist auch die Beschreibung des Settings sehr, sehr dürftig geraten. Es mag zwar schwierig sein, in einem schmal bemessenen Rahmen von gerade mal 266 Seiten und dazu in einer abgeschlossenen Handlung eine berauschende Fantasy-Welt zu erschaffen und weiterhin eine umfassende Story darin einzubetten, doch ein kleines bisschen Liebe zum Detail hätte gerade hier vielleicht in manchem Szenario wahre Wunder gewirkt, bleibt jedoch ebenso aus wie so viele brauchbare Elemente zur Aufwertung der Handlung.

Nun, es ist schade, dass so viele literarische PC-Adaptionen trotz hervorragender Voraussetzungen so gnadenlos scheitern, gerade was den Fantasy- und Science-Fiction-Bereich betrifft. Die Welt des wohl derzeit populärsten Online-Games scheint hiervon nun ebenfalls betroffen: Gab es in „Teufelskreis“ zumindest noch einige positive Ansätze, die der Überschrift „World of WarCraft“ gerecht wurden, so ist in „Aufstieg der Horde“ hiervon kaum mehr etwas übrig geblieben. Der zweite Part der neuen Romanreihe ist ein ziemlich dürftiger Titel um den hilflosen Kampf für Normen und Werte, als solcher indes inhaltlich derart ausgelutscht, dass ein komplett fader Geschmack zurückbleibt. Fans sollten sich das Geld sparen und es doch besser ins Online-Abo investieren.

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Canavan, Trudi – Priester (Das Zeitalter der Fünf 1)

Fantasybücher gibt es wie Sand am Meer, doch nach guten Geschichten und Serien, die einen von der ersten bis zur letzten Seite in den Bann ziehen, sucht man doch etwas länger. Trudi Canavans „Gilde der Schwarzen Magier“ war hier eine höchst erfreuliche Entdeckung, die allerdings nach dem dritten Band ein ziemliches Loch hinterlassen hat. Bevor Canavan nun Prequel und Sequel nachliefert, muss diese Zeit überbrückt werden, und da kommt ihre zweite Fantasyreihe „Das Zeitalter der Fünf“ gerade recht.

_Frauenpower_

Im Mittelpunkt der gesamten Erzählung steht Auraya, die mit dem Traumweber Leiard befreundet ist und von diesem einiges über die Heilkunst der Traumweber lernt. Doch diese Freundschaft wird auf eine harte Probe gestellt, als Aurayas erstaunliche magische Fähigkeiten entdeckt werden und sie fortan als Priesterin lebt. Denn als Priesterin gehört sie einem anderen Glauben an als die Traumweber; sie ist den weißen Göttern unterstellt, die sich fünf Vertreter auf der Erde erwählt haben, nämlich die weißen Priester.

Auraya wird schließlich die fünfte Auserwählte und muss fortan die weißen Götter vertreten, die es allerdings verbieten, die Heilkunst der Traumweber anzunehmen, obwohl deren Heilkunst deutlich mächtiger ist als diejenige der Priester von Ithania. Auraya versucht zwischen den beiden Völkern zu vermitteln und beruft Leiard zu ihrem Berater, der die Vermittlerrolle auf Seiten der Traumweber übernehmen soll. Obwohl die Verbindung vielen ein Dorn im Auge ist, fühlen sich Auraya und Leiard immer mehr zueinander hingezogen und beginnen bald eine leidenschaftliche Affäre.

Diese wird jedoch unterbrochen, als schwarze Magier auftauchen, die dem Volk der Pentadrier gehören. Diese glauben an andere Götter und sind deswegen mit Nord-Ithania verfeindet, dessen Bewohner davon ausgehen, dass sie an die einzig wahren Götter glauben. Die weißen Priester stellen sich den schwarzen Magiern und müssen erschrocken feststellen, dass sie ihnen kräftemäßig unterlegen sind. Ein Krieg zwischen den verfeindeten Völkern bahnt sich an, für den die Anhänger der weißen Götter dringend Verbündete brauchen.

Zu diesem Zweck reist Auraya, die auf der Flucht vor einem Pentadrier die Kunst des Fliegens erlernt hat, zum Volk der Siyee. Die Siyee sind ein kleines, zartes Völkchen, das von der Göttin Huan erschaffen wurde und nun im unwirtlichen Land Si lebt, das zu Fuß nur schwer zu erreichen ist. Doch nun werden die Siyee von Landgängern bedroht, die Si erreichen und die Siyee bedrohen. Diese können sich allerdings nur schlecht wehren, denn ihre Körper sind so zart und ihre Flügel so zerbrechlich, dass sie kaum fliegen, geschweige denn dabei mit Waffen hantieren können. Der Siyee Tryss will dies allerdings ändern; er entwirft einen Harnisch, der so leicht ist, dass er damit immer noch fliegen kann, der ihm aber das Mitführen einer Waffe ermöglicht. Doch besonders seine Cousins verspotten Tryss und glauben nicht an seinen Erfolg. Nur die hübsche Drilli, in die nicht nur Tryss, sondern auch seine verhassten Cousins verliebt sind, glaubt an Tryss und unterstützt ihn sogar mit eigenen Ideen. Was die beiden noch nicht ahnen, ist allerdings, dass ihnen bald ein Krieg drohen könnte, der den Harnisch erforderlich machen wird. Auraya fliegt also zu den Siyee und gewinnt nach und nach die Sympathien des Volkes, das sie schließlich von einer Allianz mit dem Volk der Weißen überzeugen kann. Ein weiteres Volk, das im Wasser lebt, soll Auraya vor Ausbruch des Krieges noch zu einer Allianz überzeugen, doch bei ihnen nützt ihr die Fähigkeit des Fliegens nicht, sodass ihr Auftrag noch deutlich schwieriger ist als bei den Siyee.

In einem weiteren Handlungsstrang lernen wie eine Zauberin kennen, die den Traumwebern angehört. Emerahl ist eine mächtige Heilerin, die sich aber bald von den Priestern verfolgt findet. Nur knapp kann sie ihren Widersachern entkommen, indem sie ihren eigenen Tod vortäuscht. Um ihr Leben wieder aufnehmen zu können, verzaubert sie sich in eine junge, gutaussehende Frau mit feurigen roten Haaren. Da sie nun nicht länger Heiltränke verkaufen kann, um die Priester nicht erneut auf ihre Spur zu locken, beschließt Emerahl, als Prostituierte zu arbeiten. Dank ihres neuen verjüngten Äußeren wird bald die Besitzerin des renommiertesten Bordells auf sie aufmerksam, die Emerahl – die ihren Namen bald in Jade ändern muss – davon überzeugt, im Bordell zu arbeiten. Dort avanciert sie schnell zur beliebtesten Prostituierten, aber insgeheim plant sie längst ihre Flucht, die jedoch vom Krieg noch erschwert werden wird …

_Krieg und Frieden_

Die Messlatte liegt hoch; Trudi Canavan hat bereits bewiesen, dass sie hervorragende Fantasybücher schreiben kann, dass sie Fantasie besitzt, interessante Charaktere mit Ecken und Kanten zeichnen und eine ganz eigene Welt entwerfen kann. Umso spannender war für mich die Frage, ob sie dies auch in ihrer zweiten Serie schafft und ob diese sich dann auch noch von der Gilde der Schwarzen Magier abheben kann, wo all die Charaktere mitspielen, die mir im Laufe von drei Büchern so sehr ans Herz gewachsen sind.

Zunächst fallen allerdings die Parallelen auf: Auraya ist genau wie ihre „Vorgängerin“ Sonea rebellisch, sie verfügt zwar über außergewöhnliche magische Fähigkeiten, aber trotzdem lässt sie sich nicht in einen Käfig zwängen; sie will sich ihre Freunde selbst aussuchen und nimmt es dabei auch in Kauf, anzuecken und sich Feinde zu machen. Gegen den Willen der Götter und der anderen weißen Priester lässt sich Auraya auf eine Affäre mit Leiard ein, die sie zwar anfangs noch geheimhalten kann, die aber natürlich zwangsläufig auffliegen muss und dann für einen großen Skandal sorgt. Die Parallelen hören allerdings glücklicherweise bald auf: Bei Auraya überspringen wir die Jugend, sodass nahezu das gesamte Buch in einer Zeit geschrieben ist, in der sie zwar noch viel lernen muss, in der sie aber bereits über große Fähigkeiten verfügt und die Götter sie unsterblich gemacht haben. Dass sie allerdings immer noch verwundbar ist, muss Auraya schnell schmerzhaft erfahren, als sie dem ersten Pentadrier gegenübertritt.

Obwohl der vorliegende Band erst der Einstieg in die Reihe „Das Zeitalter der Fünf“ ist, droht schon früh ein großer Krieg zwischen den Weißen und den Pentadriern. Die Vorstellung der verschiedenen fantastischen Völker und die Zeichnung der Charaktere ist folglich geprägt von der nahenden Kriegsgefahr, in der die handelnden Figuren auf der Jagd nach Verbündeten sind, die das Zünglein an der Waage sein könnten. Besonders hervorzuheben sind hier die Siyee, die Canavan ausgesprochen liebevoll und zeitintensiv präsentiert. Schon lange, bevor Auraya sich nach Si aufmacht, lernen wir Tryss und sein Volk kennen, das an der Macht der Götter zu zweifeln beginnt, weil Huan sie so verletzlich und schwach gemacht hat, dass sie eher eine verunglückte Ausgeburt der Götter zu sein scheinen. Doch Auraya ist sofort fasziniert von den Siyee, die zwar nie große Krieger sein können, allerdings ihren Beitrag leisten wollen (und werden!). Das Wasservolk dagegen, das Canavan anschließend vorstellt, erreicht lange nicht die Faszination der Siyee und spielt im weiteren Verlauf des Buches auch keinerlei Rolle; warum Auraya dieses Volk also aufsuchen musste, ist mir bis zum Schluss des ersten Bandes ein großes Rätsel geblieben, und ich kann mir auch kaum vorstellen, dass sich das noch einmal ändern wird.

_Auf in den Kampf_

Verwundert hat mich, dass Trudi Canavan die Weichen so früh stellt und Nord-Ithania so schnell von dunklen Magiern bedroht wird, denn in der |Gilde der Schwarzen Magier| hat es deutlich länger gedauert, bis schwarze Magie zum großen Thema wurde. Allerdings kommt so trotz der ausschweifenden Beschreibungen und all der vielen Details, die Canavan in ihre Geschichte hineinstrickt, kaum Langeweile auf. Denn zwischendurch verlangt die Autorin zugegebenermaßen einen ziemlich langen Atem von ihren Lesern. Ihre Erzählung teilt sie ein in drei Haupthandlungsstränge, von denen nur einer Auraya begleitet. Der zweite Handlungsfaden handelt von Tryss und seiner Erfindung, seinen Problemen mit seinen Cousins und der aufkeimenden Liebe zwischen ihm und Drilli. Der dritte Handlungsstrang widmet sich der Traumweberin Emerahl, die so alt ist, dass sie sogar noch den berühmt-berüchtigten Traumweber Mirar kennt, der bereits vor einiger Zeit von den weißen Göttern besiegt wurde. Doch auch Mirar findet seinen Eingang in die Geschichte, denn in Leiards Person schlummert noch eine zweite, nämlich die von Mirar. Oftmals spricht Mirar wie ein zweites Ich zu Leiard, allerdings wird Mirar im Laufe der Zeit immer stärker, sodass er später sogar die Kontrolle über Leiard übernehmen, für ihn sprechen und handeln kann.

Welche Rolle Mirar und Emerahl in der weiteren Geschichte einnehmen werden, ist bislang unklar; Trudi Canavan nimmt sich zwar viel Zeit, um Emerahl detailliert vorzustellen und ihre Geschichte zu erzählen, doch am eigentlichen Geschehen ist sie niemals beteiligt, sodass wir auf ihren großen Auftritt noch warten müssen.

_Fantasievoller Einstieg_

Ähnlich wie bei der |Gilde der Schwarzen Magier| nimmt Trudi Canavan sich viel Zeit, um ihre Figuren vorzustellen, die verschiedenen Völker, das unbekannte und fantastische Land, und um ihre Leser auf die Geschichte einzustimmen. So war der gut 800-seitige erste Band kein wirklicher Pageturner, auch wenn wegen des drohenden Krieges früh viel Spannung aufgebaut wird. Was Canavan aber wieder einmal hervorragend gelingt, ist die Tatsache, dass man praktisch sofort weiterlesen möchte, weil man seine neuen Fantasyhelden mitten in der Geschichte verlassen musste.

Dank der liebevollen Charakterzeichnung, einer sympathischen Auraya, die eine sehr unglückliche Beziehung zu Leiard führt, und dank der spannungsgeladenen Atmosphäre animiert „Priesterin“ definitiv dazu, auch gleich zum zweiten Band und dann zum abschließenden dritten zu greifen. Zwar reicht der Einstiegsband dieser Reihe nicht an den dritten Teil der |Gilde der Schwarzen Magier| heran, doch auch Canavans erste Fantasyreihe begann erst ganz gemächlich und steigerte sich dann zu einem unglaublichen Tempo, sodass ich davon ausgehe, dass Canavan auch bei „Das Zeitalter der Fünf“ in den Folgebänden noch ein paar Briketts auflegen wird, denn natürlich wollen wir wissen, wie es mit Auraya weitergeht, ob Leiard Mirar in sich besiegen kann, ob die weißen Götter gegen die Pentadrier gewinnen können und welche Rolle Emerahl im Gesamtgefüge spielt. All diese Fragen sind offen geblieben und ich brenne darauf, die Antworten zu erfahren.

http://www.cbj-verlag.de

|Originaltitel: Priestess of the White (Age of the Five 1)
Originalverlag: Orbit / [Blanvalet]http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/344224479X/powermetalde-21
Aus dem Englischen von Michaela Link
Ab 12 Jahren
Taschenbuch, 832 Seiten, 12,5 x 18,3 cm|

_Trudi Canavan auf Buchwurm.info:_
[„Die Rebellin“ 3041 (Die Gilde der Schwarzen Magier 1)
[„Die Novizin“ 2989 (Die Gilde der Schwarzen Magier 2)
[„Die Meisterin“ 3065 (Die Gilde der Schwarzen Magier 3)

Meaney, John – Tristopolis

_Gedankenakrobatik Made In Britain._

John Meaney hat in England das Licht der Welt erblickt und akademische Auszeichnungen in den Bereichen Physik und Computerwissenschaft erlangt. Seine erstes Sci-Fi-Lebenszeichen gab er 1992 von sich, als er die Kurzgeschichte „Spring Rain“ veröffentlichte. Es folgten einige weitere Kurzgeschichten sowie Kurznovelle „Sharp Tang“, ehe 1995 dann Meaneys Debütroman erschien: „To Hold Infinity“ – eine abgefahrene Geschichte über eine Welt, in der die Gehirne der herrschenden Schicht miteinander vernetzt sind, was einen Schurken auf den Plan ruft, dessen Ziel es ist, die neuronale Speicherkapazität der Herrschenden via „Vampir-Software“ für sich selbst zu „saugen“ (einen Euro in die Kalauer-Kiste, ich weiß …) Und zu missbrauchen.

2000 servierte der Brite die Trilogie „Nulapeiron Sequence“, und auch das ist ein exotisch aufregendes Geschichten-Gelage: „Nulapeiron“ spielt in einer bizarren Welt verflochtener Untergrundstädte, die von einem strikten Hierarchiesystem bestimmt werden. Es wurde bewiesen, dass das Universum deterministisch ist; so genannte Orakel können voraussagen, was wann geschieht, und für die Menschen dort gibt es keine schlimmeren Schimpfworte als „Chaos“ oder „Unsicherheit“. Der Protagonist dieser Trilogie will sich von der Sklaverei der festgelegten Zukunft befreien und beschließt deswegen, das Orakel umzubringen. Doch wie tötet man ein Orakel, das seinen Todeszeitpunkt weit in der Zukunft vorausgesagt hat?

_Ideen im Maschinengewehr-Takt._

2007 schließlich hat Meaney sich erneut ein abgefahrenes Universum überlegt und in „Tristopolis“ zum Leben erweckt: Donal Riordan ist Polizist in Tristopolis, einer Stadt, in welcher der Tod allgegenwärtig ist, und bekommt es dort mit einem seltsamen Fall zu tun. Irgendwer scheint es auf die Künstler dieser Zeit abgesehen zu haben, inmitten ihrer Vorstellungen werden die Künstler ermordet und vom „schwarzen Zirkel“ verschleppt.

Die Ermittlungen führen Donal in das Energiezentrum der Stadt, wo riesige Nekrofusionsmeiler Energie aus den Knochen der Verstorbenen ziehen. Malfax Cortindo, Leiter des Energiezentrums, zeigt dem Polizisten, was so verlockend ist, an den Knochen der Künstler: Ihr Genie vibriert noch in den Knochen und führt jeden, der sie berührt, zu Visionen von ekstatischer Schönheit.

Riordan hat keine Zeit weiterzurecherchieren, da eine Diva in die Stadt kommen soll, ein weiteres willkommenes Opfer für den „schwarzen Zirkel“. Donal ergreift alle Maßnahmen, die nötig sind, um sie zu schützen, aber von irgendwoher fällt ein Bann auf alle Besucher, dem Riordan selbst verfällt, während er die Diva zu schützen versucht.

Als er im Krankenhaus erwacht und sich einer „thaumaturgischen Reha“ unterzogen hat, um die Folgen des Banns loszuwerden, verändert sich alles für ihn: Eine Fremde bittet ihn, Mitglied einer geheimen Abteilung der Polizei zu werden. Riordan willigt ein und bekommt es fortan mit erotischen Zombies zu tun, mit lebendigen Motorrädern, telepathiebegabten Katzen, kriminalistisch versierten Geistern, gewalttätigen Zwergen und mit einer Verschwörung, die bis in oberste Schichten der Politik zu reichen scheint.

_Morbider Genre-Crossover._

In „Tristopolis“ sind die Ideen die Hauptfiguren. John Meaney hat ein Universum geschaffen, das es in dieser Form noch nicht gegeben hat: Tristopolis ist ein städtischer Moloch, der seine Energie aus den Knochen der Toten bezieht – und der Tod ist auch sonst allgegenwärtig: In den Flüchen seiner Bürger („blutiger Tod!“, „Thanatos!“ oder „Hades!“), in den Ortsbezeichnungen, in der Technik, in der Stimmung – einfach alles ist eine Metapher auf den Tod. Alles ist dunkel, grau, glänzend, trist und überaus morbide, es gibt Todeswölfe, versklavte Geister, Menschen, die nach Landessitte an Schlangen verfüttert werden, es gibt regelmäßigen Quecksilberregen und die Sonne scheint niemals.

Die Magie ist ein wichtiges Element, aber man sollte sich darunter kein kauziges Zauberstabgeschwenke vorstellen: Meaney hat seine Magie Regeln unterworfen, pseudowissenschaftlich natürlich, aber faszinierend und irgendwie „technikähnlich“. Wie soll man sich das vorstellen? Ein Beispiel mag der Erhellung dienen:

|Cortindo erklärte, dass die Mikrostrukturen lebendiger Knochen von den Wahrnehmungen und Handlungen des Körpers verändert werden, der sie umschließt. Doch nach dem Tod, wenn selbige Knochen Bestandteil des Meilers sind, heult und stöhnt der Nekroflux, dessen Wellen von der inneren Struktur der Knochen gebeugt werden, und erweckt die Erinnerungen der Toten wieder zum Leben.

„Aber nicht in einem zusammenhängenden Ganzen“, sagte Malfax Cortindo. „Es sind nur buntgemischte Erinnerungsfragmente von zweitausend Individuen. Dieses Konglomerat denkt und empfindet in Wahrheit gar nichts.“

Donal blieb stehen und schaute zu den langen, geraden Reihen der Reaktoren zurück.

„Nicht einmal Schmerz?“

„Nein.“ Malfax Cortindo sah ihn lange an, dann tippte er mit seinem Stock auf den Boden. „Das erzähle ich zumindest jedem, der mich offiziell fragt. Verstehen Sie, Lieutnant?“|

Das ist gleichzeitig auch ein wunderbares Beispiel für die kalte und beklemmende Welt von „Tristopolis“, die einen nicht mehr loslässt. Dazu trägt auch das tolle Cover bei, das tatsächlich einen Bezug zum Inhalt des Textes hat! Franz Vohwinkel hat hier hervorragende Arbeit geleistet und die Stimmung von Tristopolis eingefangen – das englische Originalcover kommt da nicht ansatzweise heran. Vohwinkels Cover erzeugt eine herrlich düstere Resonanz zur Story und unterstreicht die intensive Stimmung. Wenn ich ein Synästhet wäre, würde ich die Geschichte wahrscheinlich in der Farbe von schwarzem Chrom wahrnehmen: dunkel, kalt, makellos, mit einem bösen Glanz von Purpur.

Es sei noch erwähnt, dass Meaney ein paar überaus rasante und knackige Kampfszenen geschrieben hat, wobei ihm sein schwarzer Gürtel im Shotokan-Karate sicherlich sehr weitergeholfen hat.

_Eine große Kulisse überleuchtet ihre Akteure._

Leider erreicht das Loblied nicht jeden Winkel von „Tristopolis“. Die Story wird nämlich ziemlich zurückgedrängt von dieser grandiosen Kulisse, und Donal Riordan, ein recht gewöhnlicher Held, muss einen eher biederen Kriminalfall lösen, der mit keinen allzu großen Überraschungen aufwarten kann. Auch Zwischenmenschliches ist nicht unbedingt Meaneys Stärke, ebenso wenig wie die Erschaffung von Figuren mit Tiefe: Selten treten echte Konflikte auf, und wenn doch, lösen diese sich ebenso schnell in Wohlgefallen auf, wie sie aufgetaucht sind.

Außerdem schießt Meaney stellenweise über das Ziel hinaus, wenn er versucht, eine düstere Stimmung zu vermitteln: Immer wieder hat jemand Schmerzen, die über das „Zigfache dessen hinausgehen, was ein normaler Mensch je ertragen könnte“, und als ob das nicht schon genug wäre, kann es schon einmal vorkommen, dass diese Höllenqualen subjektiv erlebte Jahrhunderte andauern.

Das Gleiche muss leider auch über die Fantasy-Elemente gesagt werden. Oft hat Meaney die Gratwanderung gemeistert, lässt Geister Fahrstühle bedienen oder an Flughäfen die Passagiere durchsuchen, aber wer kann sich ein Schmunzeln verkneifen, wenn Autos plötzlich Fledermausflügel ausfahren oder wenn „Überwachungselfen“ im Krankenhaus über ihren Patienten schweben und ein EKG mimen, indem sie „Zwitscher-, Pieps- und Seufzlaute“ von sich geben …

Aber genug des Gemeckers. Auch wenn die Story fast schon Statistencharakter hat, das Universum von „Tristopolis“ ist einen Besuch allemal wert. Besonders der mutige Genre-Crossover hat Unterstützung und Bewunderung verdient; Meaney hat hier Pionierarbeit geleistet und diese mit einer Unmenge solider Ideen zementiert. Außerdem schickt uns Meaney schon 2008 zum nächsten Mal nach Tristopolis, um uns von „Dark Blood“ zu berichten, und wer weiß: Vielleicht hat sich Meaney zum tollen Universum auch noch eine tolle Geschichte ausgedacht! „Tristopolis“ jedenfalls dürfte sich in jedem gut sortierten Phantasten-Regal recht wohlfühlen.

http://www.heyne.de
http://www.johnmeaney.com

Vaughn, Osanna – Im Auge des Falken (Das Erbe der Runen)

Band 1: [„Der Schrei des Falken“ 2136

_Story_

Zwei Jahre nach der Errettung der Nebelsängerin Kirstie ist Alduin mit sich und seiner Welt endgültig ins Reine gekommen. Der junge Falkner wächst an der Seite seines majestätischen Gefährten Rihscha langsam aber sicher zu einer echten Persönlichkeit heran und genießt den Sommer in Nymath. Eines Tages jedoch soll sein Leben ein weiteres Mal die geordneten Bahnen verlassen; Alduin findet vor den Toren seiner Heimatstadt einen völlig desolaten Mann, der sich nur noch mit Mühe und Not hat dorthin schleppen können. Doch wie der Jugendliche alsbald feststellen muss, scheint diese mysteriöse Person sein vermisster, totgeglaubter Vater Cal zu sein.

Geschockt von dieser Gewissheit, beschließt Alduin, die Ursache für den Zustand seines offensichtlichen Erzeugers zu erforschen und nach Methoden zu suchen, die ihn aus seiner Trance befreien können. Seine Reise ist jedoch nur von kurzer Dauer; Alduin wird am Kopf verletzt und verliert sein gesamtes Gedächtnis. Allerdings ist ihm hierbei eine Gabe geblieben: Er kann nach wie vor durch die Augen des Falken sehen. So schöpft er aus den Visionen von Krath, dem Falken seines Vaters, Mut, wird jedoch gleichzeitig immer mehr eins mit Cal. In dieser geistigen Umnachtung eröffnet sich dem jugendlichen Falkner schließlich ein unfassbares Geheimnis. Alduin erfährt von der potenziellen Unsterblichkeit seines Geschlechts – und beginnt mit einem Mal die tatsächlichen Hintergründe für die Ereignisse der letzten Tage zu begreifen.

_Persönlicher Eindruck_

Während Monika Felten vor nicht allzu langer Zeit an ihrer Geschichte aus der Welt Nymaths weiterbastelte und nach der etwas enttäuschenden Anfangshandlung ihre Geschichte um „Das Erbe der Runen“ überaus zufriedenstellend ausbauen konnte, befand sich ihre Kollegin Osanna Vaugh von Beginn an auf der inhaltlichen Überholspur. Nach dem durchweg überzeugenden Auftaktband ihrer Serie legt Vaughn jetzt mit einem weiteren eindrucksvollen Roman nach und zieht ihre Leser einmal mehr in die Welt Alduins, den man wohl jetzt schon als einen der sympathischsten Charaktere der phantastischen Jugendliteratur bezeichnen kann – und der sich in „Im Auge des Falken“ einmal mehr bemerkenswert präsentieren darf. Kein Wunder also, dass auch im zweiten Band der unabhängigen Geschichte zügig wieder Begeisterung beim Leser einkehrt.

Dabei sind die Motive, welche die Autorin im aktuellen Falken-Roman unterbringt, auf den ersten Blick gewöhnlich und im weiteren Verlauf, so glaubt man jedenfalls, vorhersehbar. Die Zweifel an Cals tatsächlicher Existenz scheinen insofern ebenso unbegründet wie diejenigen an Alduins Geschick und Potenzial, sich und das Schicksal seines Vaters zum Guten zu wenden. Zu häufig liefert Vaughn ihren Lesern nämlich Gelegenheit zur übermäßigen Zuversicht, was sich besonders im Mittelteil des Buches, in der die dezenten Konflikte anwachsen, als nicht allzu kluger Schachzug herausstellt.

Ähnliches lässt sich auch zum Entschluss einwenden, eine relativ große Anhäufung grundverschiedener Elemente in die Story einzubauen. Allein schon das plötzliche Auftauchen von Alduins Vater hätte als Basis für ein potenziell starkes Buch völlig ausgereicht, ganz zu schweigen vom etwas künstlich aufgebauschten Gedächtnisverlust, der schließlich auch ein Stück weit das Tempo aus der Handlung nimmt. Aus der Draufsicht betrachtet, scheint die Geschichte also schon von einigen äußeren Konflikten bestimmt zu sein, an denen die Entwicklung bisweilen sogar zu scheitern droht. Dass dem aber bei weitem nicht so ist, verdankt sich dem Geschick der Autorin, all diese differenzierten Aspekte harmonisch unterzuordnen und der befürchteten Überfrachtung der Teilelemente mit raschen, teils auch unerwarteten Wendungen vorzubeugen. Zwar scheint auf inhaltlichem Level die grundsätzliche Tendenz klar vorgegeben, doch lässt Osanna Vaughn sich innerhalb dieser Begrenzung einen doch relativ großen Spielraum, in dessen geweitetem Feld die einzelnen Bruchstücke homogen zusammenwachsen können. Letztendlich findet damit auch der zunächst nicht vollends akzeptierte Gedächtnisverlust seinen Platz im übergeordneten Puzzle und wird – so empfindet man es zumindest rückblickend – als ein wichtiger, vorab jedoch völlig unterschätzter Part sogar begrüßt.

Unterdessen werden auch die Entwicklungsfreiräume in den übrigen Handlungsebenen genutzt, überdies sogar mit einer ausgesprochenen Detailverliebtheit gefüllt. Die fortgesetzte Beziehung zwischen den Falken und dem komplett verwirrten Alduin ist hierbei zum Beispiel ein wirklich wunderschön inszenierter, wechselseitiger Vorgang, der Vaughns Hingabe fürs Phantastische mitunter auch am besten beschreibt und das gesamte Potenzial der Autorin sowie der Geschichte präzise auf den Punkt bringt – und dabei handelt es sich hierbei wirklich nur um einen Bruchteil dessen, was „Im Auge des Falken“ respektive Osanna Vaughns Beiträge zu „Das Erbe der Runen“ tatsächlich ausmacht.

In diesem Sinne kann man der Autorin also zur sehr schön gelungenen Fortführung des Projektes gratulieren, auch wenn es sicherlich noch einige wenige ausbaufähige Punkte im Bezug auf die strukturelle Strategie des Romans gibt. An sich ist „Im Auge des Falken“ jedoch ein sehr angenehmes, jugendlich frisches Fantasy-Buch, das sich einerseits harmonisch in die bereits bestehende Serie eingliedert, andererseits aber völlig unabhängig vom Vorgänger und den übrigen Beiträge zu „Das Erbe der Runen“ funktioniert. Gerade jüngere Leser sollten die sich hier bietende Gelegenheit nutzen!

http://www.arena-verlag.de

|Ergänzend dazu:|

[„Die Nebelsängerin“ 635 (Das Erbe der Runen 1)
[„Die Feuerpriesterin“ 2017 (Das Erbe der Runen 2)
[„Die Schattenweberin“ 3729 (Das Erbe der Runen 3)
http://www.daserbederrunen.de/

Philip Pullman – Der Goldene Kompass, Der (His Dark Materials 1)

Magier und Elfen sucht man in Philip Pullmans Trilogie |His Dark Materials|, die mit „Der Goldene Kompass“ ihren Anfang nimmt, vergebens. Trotzdem, oder gerade deswegen gehört das Buch zu den populärsten fantastischen Kinderbüchern der letzten Jahre, die durch den Erfolg von „Harry Potter“ ins Rampenlicht gerückt sind. Obwohl oft mit diesem verglichen, haben die Romane kaum etwas gemeinsam, davon einmal abgesehen, dass sie beide in England spielen und einen jugendlichen Hauptcharakter aufweisen. Während Rowlings Zauberlehrling nämlich an einer Magierschule aufwächst, die in die normale Welt der Gegenwart integriert ist, beginnt Pullmans Geschichte an einem Internat in Oxford – einem gewöhnlichen Handlungsschauplatz in einer alternativen Realität. Dies wird dem Leser aber erst allmählich klar, denn die Welt funktioniert nach ähnlichen, allerdings im Detail doch anderen Regeln. Und der vielleicht größte Unterscheid: Diese noch stark an die Wirklichkeit angelehnte Welt ist nicht die einzige, sondern eine von vielen, die Lyra, die Hauptfigur in diesem Buch, nach und nach erkundet.

Inhalt

Philip Pullman – Der Goldene Kompass, Der (His Dark Materials 1) weiterlesen

Wilson, Robert Charles – Quarantäne

Spätestens seit sein Roman „Spin“ im Jahr 2006 den |Hugo Award| gewann, ist der 1953 in Kalifornien geborene Robert Charles Wilson auch in Deutschland in aller Munde; der direkte Nachfolger „Axis“ erscheint im April 2008 in deutscher Übersetzung. Als „Das neue phantastische Abenteuer vom Autor des Bestsellers ‚Spin'“ wird „Quarantäne“ etwas zu vollmundig auf dem Buchrücken angepriesen, auch in der Gestaltung des Umschlagbildes zeigt man sich sichtlich von diesem inspiriert. Hingegen handelt es sich nur um die Übersetzung des bereits 2003 erschienen Romans „Blind Lake“, der immerhin für den |Hugo| 2004 nominiert war, sich aber nicht gegen Lois McMaster Bujolds [„Paladin der Seelen“ 973 durchsetzen konnte.

Die Handlung von „Blind Lake“ / „Quarantäne“ lässt sich schnell zusammenfassen; sie teilt sich in einen eher geringen Science-Fiction-Anteil und ein weitaus größeres Beziehungsdrama, das durch die Quarantäne der im Norden Minnesotas am namensgebenden Blind Lake gelegenen Forschungsstation verschärft wird. Dort beobachtet die Xenobiologin Marguerite Hauser eine fremde (als „das Subjekt“ bezeichnete) Lebensform auf UMa47/e. Das „Auge“ genannte Gerät besteht aus drei heliumgekühlten Zylindern, in denen sich Einstein-Bose-Kondensate befinden. Diese Quantencomputer wurde ursprünglich eingesetzt, um Rauschen und Verzerrungen des Galileo-Arrays (ein Riesenteleskop im Orbit um den Jupiter) auszugleichen, was sie mit unheimlicher Brillanz zu leisten vermochten. Eines Tages schaltete man das Array ab – und die um eine organische Komponente angereicherten O/BEK genannten Quantencomputer lieferten trotzdem noch perfekte Bilder ferner Welten. Wie das funktioniert, bleibt ein Rätsel, niemand versteht die O/BEKs wirklich, dennoch nutzt man sie, um ferne Welten zu beobachten. Man hat es sogar geschafft, das „Auge“ darauf zu trainieren, dem von Marguerite beobachteten Subjekt zu folgen.

Urplötzlich wird Blind Lake unter Quarantäne gestellt, niemand erfährt wieso. So wird der aufgrund eines kritischen Artikels zu Unrecht in Verruf geratene und verbitterte Journalist Chris Carmody mit Marguerite Hauser, ihrer Tochter Tess und ihrem tyrannischen, fiesen und paranoiden (ja, ein Unsympath, wie er im Buche steht …) Ex-Mann Ray Scutter, der ebenfalls an dem Projekt beteiligt ist, eingeschlossen. Ray ist jedes Mittel recht, Marguerite zu verunglimpfen, um Punkte im schwelenden Sorgerechtstreit um Tess zu sammeln. Diese bereitet ihrer Mutter Sorgen, denn sie sieht wieder „Mirror Girl“, ein Spiegelbild ihrer selbst, das mit ihr redet und sie seltsame Dinge tun lässt. Deswegen war sie schon einmal in psychologischer Behandlung – für Ray der Beweis, dass Marguerite sich mehr um das außerirdische „Subjekt“ kümmert als um ihre Tochter. Mit zunehmender Dauer der Quarantäne entwickelt sich Chris zum Ersatzvater für Tess, es knistert zwischen ihm und Marguerite, was den überreizten Ray zur Weißglut bringt.

_Zu viel Quarantäne-Thriller, viel zu wenig Science-Fiction_

Von Wilson bin ich ein Übermaß an Ideen und scharfsinnigen Beobachtungen gewohnt, wie in den [„Chronolithen“ 1816 oder in „Spin“, bei denen das persönliche Schicksal der Helden eng mit der Handlung verbunden ist. Doch „Quarantäne“ bricht mit diesem Schema und setzt andere Schwerpunkte. Der Science-Fiction-Anteil ist geradezu erbärmlich, die auch von Wilson verständlicherweise kaum erklärten, O/BEKs genannten „Quantencomputerteleskope“, mit denen man Aliens sogar auf der Toilette beobachten kann, werden bei weitem nicht so sehr genutzt, wie der Klappentext reißerisch mit „Lebewesen, die eines Tages bemerken, dass sie beobachtet werden – und sich erheblich gestört fühlen …“ suggerieren möchte. Das „Subjekt“ hat einen festen und sehr langweiligen Alltagsrhythmus, zudem beobachtet Wilson nicht die Aliens oder kümmert sich darum, wie diese Beobachtung funktionieren könnte. Er zielt darauf ab, dass Menschen mit Geräten herumspielen, die sie nicht im Geringsten verstehen, und beobachtet stattdessen das Verhalten verschiedener Charaktere in Extremsituationen, wie eben einer unbegründeten Quarantäne; etwas Ähnliches hat er in größerem Maßstab bereits in den „Chronolithen“ getan.

Der Roman ist eher aufgebaut wie ein Thriller – wie und was beobachtet wird, worum es überhaupt geht und warum Chris Carmody von vielen Wissenschaftlern wie ein Aussätziger behandelt wird, das wird alles erst nach und enthüllt. Vielleicht etwas zu langwierig, denn ich konnte dem Beziehungsdrama um Marguerite, Ray, Chris und Tess wenig abgewinnen und wartete vergeblich auf einen Schwenk in Richtung Science-Fiction. Obwohl die Charaktere relativ glaubwürdig gezeichnet werden, wirken sie schablonenhaft; insbesondere Ray wird von vorneherein als unsympathischer Mensch mit Hang zur Paranoia dargestellt. Tess und „Mirror Girl“ stellen das Element des Unheimlichen in dieser Dreiecksbeziehung dar, denn Letztere ist, wie unschwer zu vermuten, mehr als nur das Phantasieprodukt eines Kindes.

Die Übersetzung ist Karsten Singelmann insgesamt sehr gut gelungen; Wilsons recht schlichter und umgangssprachlicher Stil wurde perfekt in sein deutsches Äquivalent übertragen. Eine „muskrat“ wörtlich mit „Moschusratte“ anstelle von „Bisamratte“ zu übersetzen, sollte dennoch nicht passieren, hier hätte er ruhig einmal zum Wörterbuch greifen sollen.

_Fazit:_

„Quarantäne“ ist ein gut gelungener Thriller mit nur sehr wenigen SciFi-Elementen. Für Wilson untypisch, können die Charaktere in der Regel überzeugen und erregen Anteilnahme, mit Ausnahme des überzeichneten Ray Scutter. Leider geht in dem Beziehungsdrama der ohnehin geringe und sehr magere Science-Fiction-Anteil der Geschichte völlig unter. Ein klarer Fall von Etikettenschwindel – wer einen Nachfolger von [„Spin“ 2703 oder ganz allgemein Science-Fiction erwartete, wird mit diesem Beziehungsthriller wenig Freude haben.

http://www.heyne.de

_Robert Charles Wilson auf |Buchwurm.info|:_
[„Spin“ 2703
[„Die Chronolithen“ 1816
[„Darwinia“ 92
[„Bios“ 89