Archiv der Kategorie: Fantasy / Science-Fiction

Clemens, James – Hinterland (Die Chroniken von Myrillia 2)

Nach den Ereignissen in [„Schattenritter“ 1794 ist Tylar zwar rehabilitiert, das heißt aber nicht, dass er deshalb keinen Ärger mehr hätte! Als Rogger von seinem letzten „Spionagegang“ zurückkehrt, hat er einen Schädelknochen dabei, der offenbar an mehreren Stellen Begehrlichkeiten weckt. Um das Ding untersuchen zu lassen, schickt Tylar Rogger damit nach Tashijan. Er selbst folgt auf seinem Luftschiff, gerät aber in einen Schneesturm, dem er nur knapp entkommt. Schon bald zeigt sich, dass dieser Schneesturm kein natürliches Phänomen ist. Er belagert die Festung! Und als wäre das noch nicht genug, stellt sich heraus, dass die ehemalige Kastellanin Mirra kurz davor steht, ihre finsteren Kreaturen aus der Tiefe der Festung zum Angriff zu führen …

Was die Charaktere angeht, hat sich in „Hinterland“ nicht viel Neues getan. Die Hauptprotagonisten sind lauter alte Bekannte: Rogger, Tylar, Kathryn, Garrod, Argent, Delia …

Neu dazu kommen lediglich Brant, Malhumalbaen und Liannora. Liannora und Malhumalbaen bleiben eher Randerscheinungen. Letzterer ist ein Erdriese, der sich vor allem durch seine Treue zu Brant auszeichnet. Erstere ist ein richtiges Biest, und es ist fast schade, dass sie nur eine Nebenrolle spielt, denn sie besitzt genug Potenzial, um eine Größe unter den Bösewichten zu werden. Aber was nicht ist, kann in diesem Fall ja noch werden. Das Hauptaugenmerk liegt in diesem Band jedoch hauptsächlich auf Brant. Der dunkelhäutige Junge aus dem Dschungel von Saysh Mal ist ein Jäger, erzogen nach einem Ehrenkodex, der auf Fairness und Respekt basiert. Er ist geschickt, zäh und intelligent, aber auch traurig. Denn seine Göttin hat ihn verbannt, und er weiß nicht mal, warum. Alles, was er weiß, ist, dass das irgendwie mit der brennenden Gestalt zu tun haben muss, die ihm einst mit ihrem letzten Atemzug einen schwarzen Stein vor die Füße warf. Ein Stein, der massiv auf den geheimnisvollen Schädel reagiert, den Rogger gefunden hat …

Die Götter, die diesmal auftauchen, sind allerdings andere: Brants Göttin, die Jägerin, ist offenbar während seiner Abwesenheit dem Wahnsinn verfallen, und ein Teil ihres Volkes konnte nur überleben, weil die Göttin Takaminara ihn beschützte. Gott Ulf aus dem Eisland ist derweil damit beschäftigt, Tashijan einzufrieren und bis auf die Grundmauern niederzureißen. Er will das Böse in der Tiefe der Festung ausmerzen. Und er will den Gottesmörder!

Was Mirra eigentlich genau will, erfährt man nicht. Mirra tauchte schon im ersten Band nicht allzu häufig auf, weil sie irgendwann einfach verschwand. Als sie im zweiten Band wieder auftaucht, ist sie eine Hexe. Da der Handlungsstrang, der sich mit der Hexe beschäftigt, aus Sicht von Kathryns Verbündeten erzählt wird und Mirra selbst kein Wort über ihre Absichten und Motive verliert, bleibt diese Frau vorerst ein ungelöstes Rätsel. Und sie ist nicht das einzige: Was ist zum Beispiel mit Wyrherr Bennifren, dessen Leute außerhalb aller Interessen stehen und doch überall ihre Finger mit drin haben?

Letztlich hat der Leser jedoch nicht allzu viel Zeit, um sich mit diesen Fragen herumzuschlagen. Dafür passiert einfach zu viel. Tashijan ist zwischen zwei Bedrohungen geraten wie ein Eisen zwischen Hammer und Amboß. Unter dem extremen Druck raufen sich die zerstrittenen Parteien unter Kathryn und Argent tatsächlich wieder zusammen, um die Festung und die Menschen darin zu retten. Ganz allmählich verschiebt sich der Blickwinkel. Argent, ehrgeizig und bis zu einem gewissen Grad auch skrupellos, scheint doch nicht der eigentliche Feind zu sein. Wenn die Gefährten jetzt vom Verschwörerzirkel sprechen, meinen sie nicht mehr die Partei des flammenden Kreuzes. Wen sie stattdessen meinen, wissen sie allerdings selbst noch nicht. Vorerst sind sie damit beschäftigt, die unmittelbaren Bedrohungen abzuwenden, und damit sind sie wahrhaftig beschäftigt genug!

Clemens hetzt seine Protagonisten wieder mal von einem Kampf in den nächsten. Oder auch vom Regen in die Traufe, wie man es nimmt. Das Erzähltempo nimmt zum Ende hin dramatisch zu und lässt den Leser kaum noch zu Atem kommen. Und als endlich alles ausgestanden ist, kommt der Epilog, um die Erleichterung des Lesers sogleich wieder verpuffen zu lassen. Eine von Clemens‘ Spezialitäten … Auch fließen in diesem Band wieder Ströme von Blut, allerdings nicht mehr so harmlos wie im ersten Teil. Die Geschehnisse in Saysh Mal sind ziemlich starker Tobak! Außerdem ist Mirras Lieblingswaffe ein extrem unangenehmes Gift, und die Machenschaften der Wyr waren bereits im letzten Band ziemlich abstoßend.

Mit anderen Worten: Clemens ist sich in jeder Hinsicht treu geblieben. Der Plot ist ein gutes Stück verzwickter als in |Banned and the Bannished|, der wahre Feind geschickt versteckt hinter einer Wand von Bedrohungen, die zwar aus verschiedenen Richtungen kommen, aber immer mehr auf eine gemeinsame Wurzel hindeuten. Damit hat der Autor auch seiner Handlung einen Gefallen getan, es gibt viel mehr Möglichkeiten für unerwartete Wendungen. Die Geschichte ist gewohnt rasant und fesselnd erzählt. Wer Wert auf Action und Spannung legt, ist hier richtig, und auch Freunden von Rätseln und Geheimnissen wird diesmal einiges geboten. Wer allerdings einen schwachen Magen hat, sollte die Finger von dem Buch lassen!

James Clemens ist gebürtiger Amerikaner, wuchs aber in Kanada auf. Er studierte Veterinärmedizin und eröffnete schließlich eine Praxis in Californien. Von 1998 bis 2003 erschien der Fünfteiler |Banned and the Banished|. Danach gönnte sich der Autor eine Pause, ehe er mit seinen |Chroniken von Myrillia| begann. Leider war auf der neu aufgebauten Homepage des Autors kein Hinweis auf den dritten Band zu finden. Aber allen Ungeduldigen sei gesagt, dass die deutsche Ausgabe von „Hinterland“ vor der englischen erschienen ist.

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Brandis, Katja – Prophet des Phönix, Der (Kampf um Daresh 2)

Der |Kampf um Daresh| geht weiter! Nachdem die Heldinnen von Katja Brandis‘ Triologie es im [ersten Band 2909 mit einer intriganten Regentin und deren Versuch, die vier Gilden in Daresh gegeneinander aufzubringen, zu tun hatten, droht nun Gefahr von anderer Stelle. Eine Sekte scheint sich in Tassos, dem Gebiet der Feuer-Gilde, zu formieren. Ihr Anführer ist Cano, auch genannt „Der Prophet des Phönix“, und er hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Feuer-Gilde zur Macht zu führen. Dass er dafür alle anderen, in seinen Augen schwächeren Gilden entfernen muss, hat er wohlwollend eingeplant.

Rena ke Alaak lebt mittlerweile auf der Felsenburg der Regentin und fungiert dort als Beraterin, nachdem sie ihre Vermittlertätigkeiten in „Der Verrat der Feuer-Gilde“ unter Beweis gestellt hatte. Ihre Beziehung zu Rowan ist leider nicht mehr ganz so harmonisch wie zu Anfang und sie verdächtigt ihn sogar, dass er sie mit dem Dienstmädchen Derrie, das wie er aus der Luft-Gilde kommt, betrügt. Hinzu kommt, dass Alix, ihre Weggefährtin, wie vom Erdboden verschluckt scheint, und auch das macht ihr Sorgen. Außerdem fühlt sie sich in den steinernen Mauern der Felsenburg gefangen.

Da kommt es ihr nur recht, als der Gildenrat beschließt, dass ein Spion in den Phönixkult geschmuggelt werden soll, damit man erfährt, was der Anführer dieser gefährlichen Sekte plant. Rena schlägt Alix für diese Tätigkeit vor und macht sich gleich darauf auf die Suche nach ihrer Freundin. Sie ist froh, wieder unterwegs zu sein, auch wenn es bitter ist, als sie Alix, die einst stolze Schwertkämpferin, völlig verwahrlost und auf Drogen in einem Gasthof entdeckt. Doch Alix weigert sich, die ihr zugeschriebene Aufgabe wahrzunehmen. Stattdessen muss nun Rena, die eigentlich zur Erd-Gilde gehört, diese Aufgabe übernehmen und trotz des Feuer-Gilden-Chrashkurses, den sie von Alix bekommt, kann sie ihre Verkleidung nicht lange wahren …

Katja Brandis‘ Zweitling fehlt eine ganz wichtige Komponente: Ein zugstarkes Anfangsmotiv. Alle Ereignisse bis zu Renas Abreise wirken eher wie ein reines Mittel zum Zweck anstatt wie ein triftiger Grund für ihre Wanderung. Diese Schwäche in der Handlung, dass Ereignisse anscheinend keinen richtigen Anlass haben, setzt sich durch das ganze Buch fort. Deshalb kommt es nur zu wenig Spannung. Die Handlung kränkelt an manchen Stellen geradezu vor sich hin, was sehr schade ist, wenn man bedenkt, was Brandis mit ihrem tollen Debüt gelungen ist.

Überhaupt steht „Der Prophet des Phönix“ sehr im Schatten seines [Vorgängers. 2909 Die Personen haben sich nicht wirklich weiterentwickelt und die neu hinzugekommenen sind teilweise schwach ausgearbeitet. Dieses Manko trägt wiederum dazu bei, dass es dem Buch auf weiten Strecken an Tiefe mangelt. Das Interesse des Lesers wird einfach nicht geweckt, die Sogwirkung fehlt.

„Der Orden des Phönix“ kann diese Wirkung noch nicht mal anhand des Schreibstils entwickeln, der auch in diesem Buch zwar gut, aber nicht besonders ausgefeilt ist. Geradlinige, flüssige Sätze und ab und an ein paar humorvolle Brocken aus Alix‘ Mund – solide, aber einen Preis wird Brandis dafür sicherlich nicht gewinnen.

Warum müssen Fantasyautoren eigentlich immer und überall Triologien veröffentlichen? Manchmal wäre es vielleicht wirklich besser, ein Buch als solches stehen zu lassen und nicht noch zwei Fortsetzungen mit den gleichen Personen zu schreiben. Wo das hinführen kann, sehen wir an Katja Brandis‘ „Der Prophet des Phönix“. Ein wenig uninspiriert, zu wenig Spannung und ein wenig zu viel des gewohnten, soliden Schreibstils. Schade.

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McDermott, Will – Monde von Mirrodin, Die (Magic: The Gathering – Mirrodin #1)

Mirrodin ist eine Welt aus Metall. Quecksilber-Ozeane, Steppen rasiermesserscharfer Gräser, Bäume aus Chrom, Kupfer, Eisen prägen ihr Antlitz; Lebewesen -Tiere und Humanoide – tragen über ihrem Fleisch metallene Panzer, die den ganzen Körper oder auch nur Teile davon bedecken; mechanische Konstrukte suchen Länder und Städte heim und hinterlassen nur zu oft eine Spur der Verwüstung.

Mirrodin ist die Heimat der Elfin Glissa. Je näher die Zeremonie des Zurechtweisens rückt, einer Konditionierung, welche die Elfen ihrer Träume beraubt, desto stärker plagen die Kriegerin Visionen von grünen Bäumen, lebendiger Natur, einem Körper ganz aus Fleisch und sie spürt eine undefinierbare Falschheit in ihrer Existenz. Die Entscheidung, diese Visionen zu behalten und nicht an der Zeremonie teilzunehmen, wird Glissa abgenommen, als die Gleichmacher, insektoide, voll mechanische Tötungsmaschinen, ihr Zuhause, das Knäuel, überfallen und ihre Familie töten; ihr selbst gelingt es im letzten Moment, schwer verletzt in die ihr unbekannte Welt außerhalb ihres Heims zu fliehen.

Der einsiedlerische, von seinem Volk verstoßene Goblin Slobad findet die verletzte Elfin. Da er ihre Wunden nur unzureichend versorgen kann, bietet er an, sie zu einem Heiler in die Stadt der Leoniden, Taj Nar, zu bringen. Doch der Empfang in Taj Nar ist alles andere als herzlich, denn erstens liegen die Leoniden im Krieg mit dem Volk der Nim und zweitens prophezeit die Schamanin Ushanti, Glissa werde die Welt vernichten. Dennoch kann die Elfin schließlich den Herrscher der Löwenmenschen von ihren lauteren Absichten überzeugen. Geheilt bricht sie auf, um zuerst den Krieg mit den Nim zu beenden und danach den Verantwortlichen für den Mord an ihren Eltern, einen geheimnisvollen Mann mit schwarzer Kutte und einer Spiegelmaske, zu suchen, der – wie sich herausstellt – auch für die Morde an vielen aufstrebenden Kriegern anderer Völker verantwortlich zeichnet.

Gleich zu Beginn ihrer Reise finden Glissa und der Goblin in den Sümpfen des Mephidross einen versunkenen und fast zerstörten Golem, der dank Slobads mechanischen Fähigkeiten zu neuem Leben erweckt wird und die beiden Gefährten fortan unter dem Namen Bosh auf ihrer Suche begleitet. Nachdem sie den Herrscher der Nim höflich aber bestimmt davon überzeugen konnten, seine Angriffe auf die Stadt der Leoniden zu beenden, führt sie die Spur des maskierten Kuttenträgers zu den Menschen Mirrodins, wo sich ihnen die Magierin Bruenna anschließt. Die nächste Station der Reise ist die Stadt Lumengrid, die Heimat der Vedalken. Jene humanoiden, vierarmigen Kreaturen halten sich für die überlegene Rasse Mirrodins und scheinen aus machtpolitischen Motiven tatsächlich hinter all dem Morden und den Verwüstungen zu stecken. Doch auch die Vedalken dienen nur einer größeren Macht: Memnarch, dem wahnsinnigen Wächter Mirrodins.

Der Text auf dem Buchrücken verheißt wahrhaft exotische Fantasy in einer Welt, die ihresgleichen sucht. Aber Versprechen wollen gebrochen werden, und so hält der Roman nicht einmal annähernd, was die Werbung vollmundig in Aussicht stellt.

Dabei lässt sich das Versagen an drei Punkten festmachen. Erstens haut der Autor dem Leser Orts-, Personen- und Figurennamen um die Ohren, dass es kracht. Auf Leute, die sich nicht mit der Mirrodin-Edition des Sammelkartenspiels auskennen – solche soll es tatsächlich geben -, nimmt McDermott keine Rücksicht und verzichtet konsequent auf mehr als nur oberflächliche Beschreibungen der Welt, von Fauna, Flora oder dem spezifischen Magie-System, welches „Magic the Gathering“ auszeichnet. Nach dem Motto „Keine Zeit! Muss weiter, muss weiter!“ hetzt er den Leser durch das Setting, Zeit zum Verweilen und Staunen lässt er ihm nicht. Eine fesselnde, greifbare Atmosphäre kann angesichts solcher Ignoranz selbstverständlich nicht erwartet werden.

Zweitens stoßen die zahlreichen, oft unmotiviert wirkenden Kämpfe der Helden sauer auf, mangelt es ihnen doch a) an fantasievoller Ausgestaltung und b) einer nachvollziehbaren, inneren Glaubwürdigkeit. Spannung lässt sich nicht dadurch erzeugen, dass man von Mal zu Mal lediglich mehr Gegner aufs Schlachtfeld schmeißt, wenn gleichzeitig Glissa & Co. wie Götter durch den größten Energieblitzhagel und andere Widrigkeiten spazieren und stets zur rechten Zeit einen hilfreichen Zauber aus ihren Ärmeln zu ziehen wissen.

Der dritte Kritikpunkt betrifft die Protagonisten und lässt sich in drei Worten subsumieren: unglaubwürdig und oberflächlich. Unter den zahlreichen Personen, die auftauchen, um gleich darauf im Nebel der Geschichte wieder zu verschwinden, schenkt der Autor lediglich Glissa und Slobad etwas mehr Aufmerksamkeit – rein quantitativ versteht sich, denn von einer qualitativen Charkterentwicklung kann keine Rede sein. Anfangs wird Glissa als eine Person eingeführt, für die die Welt jenseits des Knäuels vollkommen unbekanntes Terrain darstellt. Im Fortgang der Geschichte erweist sich diese Tatsache als ebenso wenig prägend wie ihre anfängliche Trauer über den Tod der Eltern, der Schwester und – später – des Geliebten. Ähnlich oberflächlich verfährt der Autor mit Slobad: Eingeführt als mürrischer Einzelgänger, verstoßen, gezeichnet durch bittere Erfahrungen und Verluste, erweist sich der Goblin überraschend schnell als kontaktfreudiger Technikfreak (mit komischem Akzent). Als Ergebnis dieser Inkonsistenz scheinen sämtliche Emotionen und Verhaltensweisen der Protagonisten aufgesetzt, sodass dem Leser die Befindlichkeiten der Charaktere letztendlich egal bleiben.

Über die sprachlichen und stilistischen Qualitäten des Buches möchte ich mich nicht groß auslassen. Einige Begriffe scheinen etwas angestrengt eingedeutscht und klingen merkwürdig (bspw. Lakune, Gleichmacher, Knäuel, Mephidross, u. a.), was ich aber in Unkenntnis des Originals nicht abschließend werten will. Unterm Strich ist der Roman – stellt man keine allzu hohen Ansprüche – lesbar und erträglich geschrieben, was ihn von Band 2, „Das Nachtstahlauge“, signifikant positiv unterscheidet. Aber das ist eine andere Rezension …

Ein Roman mit einem interessanten Grundkonzept, dessen Potenzial der Autor jedoch zu keinem Zeitpunkt auch nur näherungsweise auszuschöpfen vermag. Was bleibt, sind ein Haufen seelenlos anmutender Action, plumpe Figuren und die vage Ahnung, dass eine große Chance vertan wurde, „Magic the Gathering“ auch für Nicht-Spieler genießbar zu machen.

© _Frank Drehmel_
|Diese Rezension wurde mit freundlicher Genehmigung unseres Partnermagazins [X-Zine]http://www.x-zine.de/ veröffentlicht.|

Brandis, Katja – Verrat der Feuer-Gilde, Der (Kampf um Daresh 1)

Die Reihe „Meister der Fantasy“ im |Ueberreuter|-Verlag verspricht Qualität. Schließlich werden hier auch die jeweiligen Gewinner des Wolfgang-Hohlbein-Preises verlegt. Katja Brandis‘ „Der Verrat der Feuer-Gilde“ muss also hohe Erwartungen erfüllen …

Bevor man den Inhalt des Buches erläutert, lohnt es sich, einen Blick auf das Land Daresh zu werfen, in dem die Geschichte spielt. Es ist eine bunte Fantasywelt mit magischen Geschöpfen, wie man sie ähnlich auch von der amerikanischen Fantasyautorin Tamora Pierce (u. a. „Die schwarze Stadt“) kennt. Da gibt es zum Beispiel Dathlas, echsenartige Reittiere, die sich bei Gefahr eingraben, und jede Menge so genannter Halbmenschen. Iltismenschen, Storchmenschen, Nattermenschen … Brandis fehlt es auf jeden Fall nicht an Fantasie.

Im Mittelpunkt des Buches stehen allerdings die vier Gilden – benannt nach den vier Elementen Feuer, Wasser, Erde, Luft -, in denen der Großteil der Bevölkerung organisiert ist. Jede Gilde lebt unter sich und ihre Mitglieder haben jeweils bestimmte Eigenschaften, die sie dazu benutzen können, um nach einer Lehre Meistertitel verschiedenen Grades zu erwerben.

Die fünfzehnjährige Rena ke Alaak gehört zur Erd-Gilde und macht gerade eine Ausbildung bei ihrem Onkel im Weißen Wald. Eines Tages nimmt er sie mit zur Felsenburg, in der die Regentin residiert, deren Regierungsstil nicht gerade beliebt ist bei der Bevölkerung. Sie unterdrückt ihre Untertanen, und anstatt dafür zu sorgen, dass die Gilden in Frieden zusammenleben, scheint sie deren Zwistigkeiten sogar noch zu unterstützen.

Als Rena einen Streifzug durch die Felsenburg unternimmt, wird sie von einer magischen Kraft in einen Raum gelockt, wo die „Quelle“ liegt, ein weißer, unscheinbarer Stein. Doch nachdem sie ihn berührt hat, verändert sich einiges. Die Iltismenschen, die gegen ihren Willen als Diener missbraucht werden, zetteln eine Revolte an und Rena versteht die Sprachen der Halbmenschen. Um für ihre Tat nicht zur Rechenschaft gezogen zu werden, muss sie fliehen.

Auf ihrer Reise begegnet sie dem offenen Hass, den die einzelnen Gilden untereinander pflegen, und wird Zeugin mehrerer Gildenfehden. Um ihren lang gehegten Wunsch, Mitglied in der Feuergilde zu werden, zu erfüllen, wird sie Dienerin bei der raubeinigen Alix ke Tassos, die im Dienst ihres Rates den Spion finden soll, der die geheimen Formeln der Feuer-Gilde verbotenerweise an die Regentin weitergibt. Als ihre Mission misslingt, geht sie murrend auf Renas Vorschlag ein, vor den Räten der anderen Gilden vorzusprechen und um den Frieden zu bitten. Sie begeben sich auf eine lange Reise durch Daresh, die zuerst von Erfolg gekrönt ist, doch dann werden sie verraten …

Katja Brandis‘ Debüt ist von der ersten Seite an packend. Das hängt damit zusammen, dass sie auf einen langen, einleitenden Vorspann verzichtet und stattdessen Rena sofort ins Verderben schickt. Danach geht es Schlag auf Schlag, was dem Buch nur guttut. Es gibt kaum Verschnaufpausen. Im Gegenteil passiert am Ende so viel auf einmal, dass es beinahe ein wenig unübersichtlich wird. Doch ansonsten zieht sich ein schnurgerader Strang Spannung durch das Buch, wie man es gerne bei jedem sehen würde.

Ein weiterer, wichtiger Grund für den mitreißenden Charakter des ersten Bandes der „Kampf um Daresh“-Triologie ist das Zusammenspiel der beiden Hauptcharaktere Rena und Alix, die zehn Jahre Altersunterschied zwischen sich haben. Während Rena das leicht naive, aber dennoch entschlossene Mädchen in der Pubertät ist, mimt Alix die raubeinige Kämpferin mit eisernem Willen und feurigem Charakter. Gegensätze ziehen sich an und nachdem Alix ihre Dienerin am Anfang nicht wirklich ernst genommen hat, entwickelt sich eine Freundschaft zwischen den beiden.

Auch sonst spart Brandis nicht mit frischen Gesichtern. Eine ganze Fülle von Charakteren baut sie in ihre Geschichte ein und es ist ihr und dem Personenverzeichnis zu Gute zu halten, dass der Leser dadurch nicht verwirrt wird. Stattdessen beleben die Nebenpersonen den Roman ungemein und bringen beständig frischen Wind in die Angelegenheit. Es ist zwar nicht jede Person zu hundert Prozent perfekt ausgearbeitet, aber alle sind immerhin so gut erdacht, dass sie ihren eigenen Platz in der Geschichte haben.

Der Schreibstil ist solide, aber nicht herausragend, auch wenn Alix ein wenig trockenen Humor in die Dialoge bringt. Ansonsten erfüllen die Buchstaben ihren Zweck: Sie tragen die Geschichte und unterstützen deren packende Wirkung mit ihrer klaren, nüchternen Struktur. Anderweitig lassen sich wenig Eigenheiten ausmachen, jedoch auch keine negativen Punkte.

„Der Verrat der Feuer-Gilde“ ist ein Debüt, das sich sehen lassen kann. Figuren, Handlung und die Atmosphäre gefallen wirklich sehr, doch leider wirkt der Schreibstil recht beliebig, was verhindert, dass das Buch zur Crème de la crème gehören könnte.

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McGarry, Terry – Zauberin des Lichts

Liath hat gerade ihre Prüfung bestanden und ihre [Triskele]http://de.wikipedia.org/wiki/Triskele erhalten. Als sie jedoch helfen soll, einen verletzten jungen Mann zu heilen, versagt sie kläglich. Zutiefst erschrocken über diese Blockade, macht Liath sich zusammen mit einem Boten der Ennead auf den Weg zur Feste. Sie hofft, dass die Ennead, die obersten Magier Eiden Myrs, ihr helfen können. Aber auch ihnen gelingt es nicht, die Blockade zu durchbrechen! Deshalb schicken sie Liath auf die Suche nach Torrin, dem Magier mit dem hellsten, mächtigsten Licht. Nur mit Hilfe seiner Macht, so sagen sie, kann Liath geheilt werden. Die Suche ist allerdings eine gefährliche Angelegenheit, denn Torrin ist ein Schwarzmagier und wird Liath nicht freiwillig in die Feste folgen. Dennoch macht Liath sich auf den Weg. Schon bald muss sie feststellen, dass die wirkliche Gefahr nicht dort lauert, wo sie diese erwartet …

Liath ist nicht unbedingt naiv. Aber aufgrund ihrer Erziehung zur Illuminatorin ist sie fest verankert in der Weltsicht und Lebensweise, die Eiden Myr seit Jahrhunderten prägen. Deshalb, und weil man sie vor der versilberten Zunge des Schwarzmagiers gewarnt hat, wehrt sie sich mit aller Macht dagegen, sich „umdrehen“ zu lassen. Dennoch geht ihre Wanderschaft nicht spurlos an ihr vorüber. Obwohl sie das Töten verabscheut, erlernt sie den Schwertkampf. Um zu überleben, lernt sie zu lügen. Am Ende des Buches, nach vielen Verlusten und grausamen Schmerzen, ist sie eine ernüchterte und vernarbte Frau.

Heff, ihr Wandergefährte, ist bereits vor ihr gezeichnet. Ein Brand hat ihn entstellt, er kann nicht mehr sprechen. Liath scheint die Einzige zu sein, die seine Gesten versteht. Heff beschließt, sie zu beschützen, und folgt ihr überall hin. Nur die Feste der Ennead betritt er nicht. Er ist ein schweigsamer, ernsthafter Mann mit einem tiefen Gespür für die Erde, auf der er geht, für Pflanzen und Tiere. Erdweisheit nennt Liath diese Fähigkeit.

Torrin dagegen ist ein zerissener Mann. Er beschäftigt sich mit Schriften, die nicht für Beschwörungen gebraucht werden und sich folglich nicht in der Magie auflösen, sondern dauerhaft sind! Er bringt Kindern das Lesen bei, ganz gleich, ob sie ein magisches Licht besitzen oder nicht, und das, obwohl diese Kunst den Wortschmieden vorbehalten ist! Aber er ist nicht von der Überzeugung abzubringen, dass er das Richtige tut. Man könnte ihn als Ketzer bezeichnen.

Das Buch bietet noch eine wahre Fülle weiterer Charaktere, die jedoch eher am Rande mitlaufen, als dass sie detailliert ausgearbeitet wären. Auch die Charakterzeichnung der drei Hauptpersonen geht nur bei Liath weiter in die Tiefe. Heff und Torrin bleiben eher blass. So erfährt man zum Beispiel nicht, warum Heff die Magie so sehr ablehnt, oder welche Erfahrungen und Geschehnisse dazu führten, dass Torrin sein Licht abschirmt. Die Autorin lässt ihre Protagonisten diese Themen zwar anschneiden, gibt aber niemals konkrete Antworten. Dadurch wirken viele Passagen diffus und nebelhaft, lassen sich nicht recht fassen. Auf der anderen Seite gelingt es ihr hervorragend, im Laufe der Zeit die Motive der einzelnen Ennead herauszuarbeiten.

Abgesehen von der diffusen Charakterzeichnung der Hauptakteure trägt auch die massive Anzahl an Personen, die im Grunde nicht wirklich wichtig sind, zu Verwirrung bei. Vor allem am Anfang wird der Leser mit einer regelrechten Flut an Namen und Begriffen überschwemmt. Im besten Fall wird im Zusammenhang mit einem Namen beiläufig der Beruf der Person erwähnt. Trotz meines guten Namensgedächtnisses hatte ich massive Schwierigkeiten, die Leute auseinander zu halten. Die Spezialbegriffe im Zusammenhang mit Magie und der Hierarchie der Magier in der Feste muss der Leser erst durch Geduld und Ausdauer im Laufe des Textes zuordnen. Es sei denn, er stößt zufällig auf das Glossar, das irgendwo ganz hinten im Buch, kurz vor der Werbung, versteckt ist …

Interessant fand ich die Art und Weise, wie hier Magie gewirkt wird. Einer schreibt die Worte nieder, einer illustriert das Pergament mit magischen Symbolen und kunstvollen Umrandungen, und einer summt die Melodie der Beschwörung. Die Magier sind stets zu dritt, eine Triade, denn Drei ist die Zahl des Gleichgewichts. Das schlägt sich auch in anderen Bereichen nieder: Die Enneade besteht aus drei Triaden. Entfernungen werden in Dreifuß gemessen, das Alter in Neunjahren.

Die Idee einer Insel, die vor dem Rest der Welt verborgen ist, ist allerdings nicht unbedingt neu, auch nicht die Tatsache, dass Torrin Schwarzmagier nicht das eigentliche Problem Eiden Myrs ist, was ziemlich früh absehbar ist.

Warum nach der Aufhebung von Galandras Schild die Magie in Eyden Myr erlöschen sollte, ist mir dagegen nicht ganz klar! Schließlich war Galandra nicht der Ursprung der Magie, sondern nur eine von vielen Magiern …

Die Verlauf der Handlung erinnert ein wenig an ein widerborstiges Maultier. An manchen Stellen hält die Autorin sich ertaunlich lange auf, zieht kurz darauf das Erzähltempo drastisch an, um dann plötzlich wieder langsamer zu werden. Im Grunde ist das nichts Besonderes, irritierend ist die Auswahl der Stellen, die sie getroffen hat.

So verwendet sie eine Menge Zeit auf die Szene im Wirtshaus an dem Abend, als Liath ihre Trikele erhält. Diese recht lange Sequenz ist gespickt mit Andeutungen, die der Leser erst sehr viel später verstehen kann, als einige Dinge aus Liaths Kindheit näher erklärt werden. Auch der Teil, den Liath bei den Berufenen, sozusagen den Magier-Azubis, verbringt, ehe sie die Ennead um Hilfe bittet, ist weit ausführlicher als nötig und trägt mit seinen Erklärungen über die verschiedenen Kleiderfarben der Festenbewohner eher zur Verwirrung bei als zur Erläuterung. Der Prolog ist von der eigentlichen Geschichte unabhängig und wird erst spät in den Kontext eingebunden. All das macht die Geschichte am Anfang ziemlich langatmig.

Auf Liaths Reise dagegen huscht die Handlung von einem Ziel zum nächsten. Manche werden lediglich erwähnt, andere etwas genauer ausgeführt, doch die Informationen innerhalb dieser Abschnitte sind für den eigentlichen Zusammenhang im Grunde unerheblich. Fast die gesamte Reise Liaths durch Eiden Myr ist gekennzeichnet durch kurze, schnappschussartige Eindrücke, als hätte McGarry versucht, einen kurzen Überblick über die verschiedenen Landstriche und die Eigenheiten ihrer Bewohner zu geben. Der Gesamteindruck ist aber eher bruchstückhaft. Einerseits verständlich, denn für mehr war einfach kein Platz, andererseits aber fehlt der Darstellung so die Intensität, um sie wirklich interessant zu machen. Es entsteht der Eindruck, als hätte die Autorin einmal mit weit ausholender Geste über die Landkarte gewischt.

Bei Liaths zweitem Besuch in der Feste hingegen überschlagen sich die Ereignisse regelrecht! Wie auf einer Achterbahn wechseln Gefangennahmen und Flucht mit Revolten und Befreiungen. Innerhalb dieser kurzen Zeit – grob gesehen, knapp ein Drittel des Buches – findet auch Liaths Verwandlung von der gläubigen Schülerin zur kritischen, selbstständig denkenden Frau statt. Nachdem die Handlung sich erst ziemlich hinzog, wird hier das Erzähltempo drastisch angezogen.

Der Schluss hingegen wirkte ein wenig konstruiert, vor allem die Sache mit Jonnula.

Eine recht durchwachsene Mischung, die Terry McGarry da geschrieben hat. Die Grundidee fand ich durchaus gelungen, wenn auch nicht alle Einzelheiten wirklich neu waren. Die Ausarbeitung war dagegen noch etwas unausgewogen. Ein wenig mehr Konzentration auf den eigentlichen Handlungsstrang und weniger Verzettelung in nebensächlichen Details käme der Spannung zugute. Rätsel und Andeutungen machen Geschichten durchaus interessanter, solange sie sich nicht auf so viele verschiedene Sachverhalte beziehen, dass der Leser den Überblick verliert.

Bleibt abzuwarten, in welche Richtung sich der Folgeband entwickelt. Eigentlich ist es kaum vorstellbar, dass die Magie im weiteren Verlauf keine Rolle mehr spielen sollte, immerhin handelt es sich immer noch um Fantasy.

Terry McGarry war nach dem College in den verschiedensten Berufen tätig und ist letztlich im Verlagswesen hängen geblieben. Sie schrieb schon seit längerem Kurzgeschichten, ehe sie „Zauberin des Lichts“ schrieb. Die Fortsetzungen zu diesem Roman, „The Binder’s Road“ und „Triade“, sind auf Deutsch noch nicht erschienen.

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Weber, David – dunkle Göttin, Die (Schwerter des Zorns 4)

„Die dunkle Göttin“ ist der zweite Teil des für die deutsche Übersetzung aufgeteilten Romans „Wind Rider’s Oath“ von David Weber und schließt den „Schwerter des Zorns“-Fantasyzyklus um den Barbaren Bahzell Bahnakson vorläufig ab.

Der sonst eher für seine Science-Fiction-Romane um Honor Harrington bekannte Weber entführt den Leser in die urige, barbarische Fantasywelt Norfressa, in der gute und böse Götter durch ihre sterblichen Diener ihre Kriege austragen. Der sture Hradani Bahzell wurde ein wenig widerstrebend zum Paladin des Kriegsgottes Tomanâk und konnte sich gegenüber Monstren und Schergen des Bösen durchsetzen, aber auch Vorurteile gegenüber sich und seinem Volk, den als blutrünstig und primitiv verschrienen Hradani, abbauen.

In den letzten beiden Bänden konnte er einen Krieg zwischen Hradani und den Sothôii verhindern, traditionellen Erzfeinden. Gewarnt durch die Erfolge der Paladine Tomanâks, haben die dunklen Götter jedoch ihre Strategie geändert und schlagen nun an mehreren Fronten offen oder verdeckt zu. Während Bahzell sich um die von einer unbekannten Macht gejagten Windrenner der Sothôii kümmert, klärt Paladina Kaeritha ungewöhnliche Vorgänge im Reich der Axt auf, die den Kriegsbräuten (eine Art Amazonen) der Göttin Lillinara, eine Schwester des Kriegsgottes Tomanâk, schaden könnten.

_Von den Windreitern zu den Kriegsbräuten_

Die von der Göttin Krahana im letzten Band fast ausgerotteten intelligenten magischen Rösser der Sothôii, die Windrenner, verdanken Bahzell ihr Überleben. Mehr noch, der Hengst Walsharno erwählt Bahzell zum ersten Hradani-Windreiter der Geschichte. Der reiterisch völlig unbegabte Barbar gewinnt mit dem Hengst einen mächtigen Verbündeten, mit dem er gemeinsam gegen die „Shardohn“ genannte Dämonenbrut Krahanas vorgehen kann. Diese zweite Hälfte des Doppelbands konzentriert sich auf Kaeritha und die Kriegsbräute Lillinaras, deren Tempel vom Bösen entweiht wurde, wie Kaeritha fast zu spät herausfindet.

Die Kriegsbräute werden aus der Sicht der Tochter Baron Trellians geschildert, die so einer ungewollten politischen Hochzeit entgehen will. Neben Kaeritha erzählt sie den größten Teil der Geschichte, der so leider der bissige Humor und die spritzigen Dialoge Bahzells mit dem Kriegsgott oder seinen Freunden fehlen. Stattdessen wird eine verwirrende Unzahl von Nebencharakteren eingeführt, die blass bleiben und wenig zur Fortführung der Handlung beitragen. Selbst Kaeritha wirkt ohne Bahzell nur wie ein Schatten ihrer selbst. Zu viel wollte Weber in diesen Roman packen; so faszinieren auch die Kriegsbräute bei weitem nicht so sehr wie der Orden des Tomanâk oder die Windrenner, trotz betont knapp und kurz, bauchfrei gehaltenem Habit.

Im Gegensatz zu den ersten Bänden ist leider auch ein in der Rollenspielwelt als „Power Creep“ bekanntes Phänomen festzustellen: Die Todesgöttin Krahana reicht nicht mehr aus als Gegner, Weber greift im Pantheon der dunklen Götter bis an die Spitze … und Kaeritha kämpft an der Seite des Kriegsgottes selbst, greift durch ihn auf einen „Ozean aus Macht“ zu und dergleichen mehr. Der gelungene Humor und die spritzigen Dialoge der ersten Bände leiden ein wenig darunter, auch neigt Weber leider wieder zu simpleren, recht eindimensional gezeichneten Charakteren, die er unnötigerweise |en masse| einführt.

_Fazit_

David Weber erweitert seine Welt Norfressa in diesem zweiten Teil des aufgeteilten „Wind Rider’s Oath“ um einen weiteren Kriegerorden und zahlreiche Charaktere, bauscht Konflikte immer weiter auf verfällt damit leider auf einen Irrweg, von dem die Serie bislang verschont geblieben ist. Anstelle neuer Ideen versucht es Weber mit einer Steigerung bereits bekannter Konflikte und treibt die Action in geradezu metaphysische Sphären, die nicht begeistern können. Bei der Schilderung Kaerithas und der zur Kriegsbraut gewordenen Tochter Baron Trellians hätte er punkten können, leider versäumt er dies und führt viel zu viele neue und relativ blasse, eindimensionale Charaktere ein. Ein relativ unspektakuläres vorläufiges Ende für die „Schwerter des Zorns“. Die große und liebevoll ausgearbeitete Welt Norfressa, ihr griechisch-nordisch inspiriertes Götterpantheon und die exzellenten Karten machen jedoch Hoffnung auf eine Fortsetzung. Die beiden ersten Bände dieser Saga gehören zu den besten Werken Webers überhaupt; es wäre schön, wenn er in möglichen Fortsetzungen an deren Qualität anschließen könnte.

Der „Schwerter des Zorns“-Zyklus bei |Buchwurm.info|:

1. [„Der Schwur“ 2093
2. [„Der Kriegsgott“ 2889
3. [„Der Windreiter“ 2890
4. [„Die dunkle Göttin“ 2891

Weber, David – Windreiter, Der (Schwerter des Zorns 3)

Mit „Der Windreiter“ setzt der gewöhnlich eher mit Science-Fiction und seiner starken Kommandantin Honor Harrington verbundene Autor David Weber seinen „Schwerter des Zorns“-Fantasyzyklus fort. Das Original „Wind Rider’s Oath“ wurde für die deutsche Übersetzung in die Einzelbände „Der Windreiter“ und „Die dunkle Göttin“ aufgeteilt.

Der sture Hradani-Barbar Bahzell Bahnakson erkämpfte sich in den ersten beiden Bänden der Serie die Achtung des Kriegsgottes Tomanâk, wurde gar zu einem seiner Paladine und bewahrte seine Heimat vor einem Krieg mit dem Reitervolk der Sothôii. Gegen alle Widerstände und Vorurteile auch in den eigenen Reihen (Hradani sind nicht ganz zu Unrecht als blutrünstige Barbaren bekannt, außerdem essen sie Pferde, was den Sothôii ein Gräuel ist) konnte er viel Unheil verhindern und sich behaupten, doch die bösen Götter Norfressas greifen nun zu subtileren Mitteln und greifen an mehreren Fronten an. Ausgerechnet der „pferdefressende“ Hradani Bahzell muss sich mit den Sothôii auseinandersetzen, deren von ihnen verehrte magische Rösser, die Windreiter, von einem unbekannten Feind gejagt werden. Kaeritha hingegen wird von Tomanâk zur Untersuchung von Rechtsstreitigkeiten der Kriegsbräute Lillinaras im Reich der Axt geschickt, hinter denen sich weit mehr als nur ein juristisches Problem steckt …

Bahzell ist ein Barbar im Stile Conans, jedoch mit einem gutmütigem Humor gesegnet, was sich auch in seinen Dialogen widerspiegelt. Egal, ob er mit dem Kriegsgott Tomanâk selbst oder seinem Freund Brandark spricht, sie sind stets eine gelungene Mischung aus an David Eddings erinnernder Schnoddrigkeit und Gutmütigkeit, gepaart mit dem passend rauen, herzlichen Humor der Hradani-Barbaren.

Standen in der umfangreichen und detaillierten Fantasywelt Norfressa, in der sich Zwerge, Elfen und Halbelfen (genannt „Rote Lords“) sowie das Reitervolk der Sothôii neben den barbarischen Hradani tummeln, im Vorgängerband „Der Kriegsgott“ neben dem Kampf gegen dunkle Götter und ihre Schergen die Überwindung von Vorurteilen im Mittelpunkt, wendet sich Weber in diesem Doppelband den an Amazonen erinnernden Kriegsbräuten der Lillinara sowie den magischen Rössern der Sothôii, den Windrennern, zu.

_Die Windrenner_

Die Windrenner sind den für ihre leichte Kavallerie berühmten Sothôii heilig. Die intelligenten Pferde leben in Herden auf den weiten Ebenen und kehren im Winter in der Art von Ehrengästen an den Höfen der Sothôii Fürsten ein. Körperlich größer und stärker, schneller und ausdauernder als normale Pferde, wählen sie sich ihre Reiter selbst aus. Diese können sich telepathisch mit ihrem Windrenner verständigen. Als Windreiter auserwählt zu werden, ist für jeden Sothôii die größte denkbare Ehre.

Das Konzept hinter dieser intelligenten Pferderasse ist eine vereinfachte Version der „Nighthorses“ in C.J. Cherryhs „Finisterre“-Zyklus, von dem Weber sichtlich inspiriert wurde. Wieder einmal spielt er mit Vorurteilen, denn gerade den aus dem Stamm der Pferdediebe stammenden Barbaren Bahzell ihren traditionellen Erzfeinden, den Sothôii, und ihren Windreitern zur Hilfe zu schicken, garantiert Konfliktpotenzial. Dieses wird jedoch bei weitem nicht ausgereizt wie in den vorherigen Bänden, stattdessen konzentriert sich Weber auf die Beschreibung der neuen Pferderasse. Kaerithas Abenteuer im Reich der Axt wird man erst im Folgeband lesen können.

Hier ist auch der große Haken dieses Buchs zu finden: Es endet in der Mitte abrupt mit der Heilung einer verwundeten Windrenner-Stute durch Bahzell. Die Aufteilung ist gründlich misslungen, denn so hat die Geschichte keinen Anfang und kein Ende, bleibt völlig offen und es mangelt an Höhepunkten. So fehlt der Bezug zu Kaeritha und der ins Reich der Axt geflohenen Tochter Baron Trellians, die sich den Kriegsbräuten anschließen will, um einer politischen Hochzeit zu entgehen. Der Handlungsbogen um Selbstbestimmung und Emanzipation geht so völlig unter. Auch an der sonst üblichen und gelungenen Action wird diesmal leider arg gespart.

_Fazit_

Die Aufteilung hat diesem Roman schwer geschadet. „Der Windreiter“ und „Die dunkle Göttin“ haben mit 351 beziehungsweise 366 Seiten fast nur die Hälfte des Umfangs der 559 Seiten von „Der Kriegsgott“. Die Handlung baut sich langsam auf und kommt erst im Folgeband in die Gänge, dessen Verständnis durch die Aufteilung erheblich erschwert wird. Die sieben Seiten lange Auflistung der wichtigsten Personen, die diesem Roman zusätzlich zu dem exzellenten Kartenmaterial und dem detaillierten Anhang zum kompletten griechisch-nordisch inspirierten Götterpantheon Norfressas hinzugefügt wurde, kann da leider auch nicht helfen.

Denn die sonst so zahlreichen humorvollen Dialoge Bahzells werden zugunsten einer Unzahl neu eingeführter und eher blasser Charaktere vernachlässigt, die schreckliche Bedrohung der Windreiter bleibt diffus. Dennoch ist dieser Roman lesenswert – man muss ihn nur zusammen mit dem Folgeband „Die dunkle Göttin“ lesen. Denn die neue Schwerpunktsetzung Webers auf Themen wie Emanzipation und Selbstbestimmung wird klarer und die Handlung unterhaltsamer, sobald sich der Handlungsstrang Bahzells mit dem der in diesem Roman nahezu nicht erwähnten Kaeritha im Reich der Axt verbindet.

Der „Schwerter des Zorns“-Zyklus bei |Buchwurm.info|:

1. [„Der Schwur“ 2093
2. [„Der Kriegsgott“ 2889
3. [„Der Windreiter“ 2890
4. [„Die dunkle Göttin“ 2891

W. J. Stuart – Alarm im Weltall

stuart-alarm-im-weltall-cover-kleinEine Suchaktion führt den Raumkreuzer C-57-D auf den Planeten Altair 4, doch der einzige Überlebende eines vor Jahren dort havarierten Forschungsschiffs will gar nicht gerettet werden. Statt Dankbarkeit erwartet die Ankömmlinge ein unsichtbares Ungeheuer, das sie in Stücke reißen will … – Angelehnt an Shakespeares Drama „Der Sturm“ entstand dieses solide geschriebene und übersetzte Buch zum Filmklassiker von 1956, das sich erstaunlich spannend und wie ein Kompendium der Science Fiction seiner Entstehungszeit liest.
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Lukianenko, Sergej – Wächter des Zwielichts

Band 1: [„Wächter der Nacht“ 1766
Band 2: [„Wächter des Tages“ 2390

Sergej Lukianenko lädt uns in seinem dritten Teil der Wächter-Serie erneut dazu ein, mit ihm die verschiedenen Schichten des Zwielichts zu erkunden. Dieses Mal werden wir mit den Anderen bis in die fünfte Schicht des Zwielichts eintreten, die wir bislang nie kennen lernen durften. Ins Zwielicht können nur die so genannten Anderen eintreten, nämlich Menschen mit besonderen Kräften. Die Anderen teilen sich in die Dunklen und die Lichten ein, die einst einen Waffenstillstand geschlossen haben, der nun von der Tagwache und der Nachtwache kontrolliert wird. In diesem Waffenstillstand müssen sich die Kräfte der beiden Wachen stets ausgleichen, doch haben bereits die ersten beiden Bände der Wächter-Serie gezeigt, dass dieses Kräftegleichgewicht mehr als wackelig ist. Im vorliegenden Teil geht es jedoch nicht so sehr um die Zwistigkeiten zwischen den beiden Wachen, sondern um den Konflikt zwischen Menschen und Anderen, denn was sind überhaupt Andere? In diesem Buch verrät es uns Sergej Lukianenko …

_Tritt ein ins Zwielicht_

Im dritten Teil steht erneut der Lichte Anton im Mittelpunkt, mit dem in „Wächter der Nacht“ einst alles begonnen hat. Anton lebt inzwischen mit der mächtigen Anderen Swetlana zusammen, die ihm zuliebe aus der Wache ausgetreten ist. Die beiden haben eine kleine Tochter zusammen, deren Schicksal im ersten Teil bereits vorbestimmt worden ist und die voraussichtlich die mächtigste Andere aller Zeiten werden wird. Während Anton von seinem Chef Geser zu einem Auftrag weggeschickt wird, verbringt Swetlana mit ihrer Mutter und ihrer Tochter ihren Urlaub und fürchtet gleichzeitig um Antons Leben, da sie in die Zukunft schauen kann und spürt, dass er in eine Falle tappen könnte.

Mysteriöse Dinge sind aufzudecken, denn die beiden Moskauer Wachen und auch die Inquisition haben Briefe erhalten von jemandem, der sie darüber hinformieren will, dass ein Anderer einem Menschen alles über die Anderen verraten hat und diesen Menschen zu einem Anderen machen will. Wer hat aber diese Briefe geschrieben, denn die Adresse der Inquisition kennen alleine Geser und Sebulon?! Anton geht dem auf den Grund und trifft dabei auch auf seinen alten Freund Kostja, der inzwischen zu einem hohen Vampir geworden ist. Aber auch die Inquisition ist wieder durch einige Magier vertreten, um herauszufinden, wer einen Menschen zu einem Anderen machen möchte.

„Wächter des Zwielichts“ teilt sich wie schon die Vorgänger in drei Geschichten ein, die in diesem Fall allerdings eng miteinander verknüpft sind und immer Anton als Bezugsperson haben. Nachdem die mysteriöse Geschichte um die anonymen Briefe gelöst ist, fährt Anton nämlich zu Swetlana und seiner Tochter und trifft dort im Urlaub auf eine überaus mächtige Hexe, die sich jedoch nie hat registrieren lassen. Schon gehen die Ermittlungen also weiter, sodass Anton keinen Urlaub haben wird.

_Die faszinierende Welt der Anderen_

Sergej Lukianenko hat mit seiner Wächter-Serie eine Geschichte erschaffen, die auch weit über Russland hinaus erfolgreich ist, und dies nicht ohne guten Grund. Lukianenkos Welt der Anderen ist einfach nur faszinierend. Obwohl die Idee an sich einfach ist und wir Magier, Vampire und Werwölfe schon aus zahlreichen anderen Romanen kennen, hebt Lukianenko sich dennoch von der Masse der Fantasy-Schreiber positiv ab. Unter anderem liegt das darin begründet, dass seine Zeichnungen nicht schwarz-weiß sind. Die Lichten sind zwar die offiziell Guten und die Dunklen die Bösen, doch haben wir bereits in den ersten beiden Teilen der Wächter-Reihe gelernt, dass auch die Lichten ihre dunklen Seiten haben und sogar der mächtige Geser, der die Nachtwache anführt, immer wieder neue Intrigen spinnt und seine eigenen Wächter für seine egoistischen Zwecke benutzt oder sogar missbraucht.

Dass der Leser dennoch eher mit den Lichten mitfiebert als mit den Dunklen, liegt sicherlich in der Person des Anton begründet, der immer wieder auftaucht und in einigen der Geschichten unsere Bezugsperson ist, die wir auf Schritt und Tritt begleiten. Anton wird zu einem guten Bekannten, der uns nur allzu menschlich erscheint. Antons Schicksal ist dadurch vorbestimmt, dass er nie ein ganz mächtiger Anderer werden wird, immer wird er im Schatten seiner Freundin Swetlana stehen, die schon jetzt mächtiger ist als er. Aus Liebe zu Anton ist Swetlana zwar aus der Wache ausgetreten, dennoch nagt es immer wieder an Anton, dass sowohl Swetlana als auch seine Tochter über höhere Kräfte verfügen werden als er selbst. Dass dies Antons Stolz verletzt und ihn an sich selbst zweifeln lässt, ist nur natürlich, auch wenn sich Antons Zorn dadurch oft genug gegen seine eigene Freundin richtet, die ihn in dieser Hinsicht immer wieder übertreffen wird. Wir lernen im Laufe der Erzählung immer neue Seiten von Antons Charakter kennen, der für uns dadurch immer vollständiger wird. Doch das Schicksal hält auch für Anton dieses Mal noch einige Überraschungen bereit, die ihn einen großen Schritt nach vorne machen lassen.

Ein sehr interessanter Konflikt ist in „Wächter des Zwielichts“ der zwischen Anton und seinem früheren Nachbarn Kostja, der zu einem mächtigen Vampir aufgestiegen ist. Anton weiß, auf welche Weise ein Vampir zu solcher Macht gelangt, nämlich dadurch, dass er Menschen aussaugt. Aus Angst vor den möglichen Enthüllungen ist Anton daher bisher davor zurückgeschreckt, Kostjas Akte zu lesen, in der festgehalten ist, wie viele Menschen zu seinen Opfern geworden sind. Obwohl Anton und Kostja auf unterschiedlichen Seiten stehen, haben sie ihre frühere Freundschaft noch nicht vergessen und hängen daher ihren eigenen wehmütigen Erinnerungen nach. Lukianenko nutzt diese alte Freundschaft aus und spinnt darum einen Konflikt, der in „Wächter des Zwielichts“ zu weit reichenden Konsequenzen führen könnte.

_Faszinosum Lukianenko_

Sergej Lukianenko spinnt in diesem dritten Band „Wächter des Zwielichts“ seine Geschichte der Anderen weiter und bedient sich wieder seiner erfolgversprechenden Elemente: Auch in diesem Teil streut Lukianenko Gerüchte und Verdachtsmomente ein, die die Protagonisten, aber auch die Leser zum Nachdenken bringen. Besonders Geser und Sebulon bleiben in ihrer Charakterzeichnung stets undurchsichtig, auch wenn Sebulon in diesem Buch nur eine kleine Nebenrolle spielt. Immer wieder gibt es Momente, in denen die anderen das Gefühl haben, dass jemand hinter all den mysteriösen Ereignissen steckt, der eigene Ziele verfolgt und die Anderen dafür missbraucht. Aber Lukianenko lässt uns stets so lange wie möglich im Unklaren, sodass genug Gelegenheit bleibt, eigene Vermutungen anzustellen. Durch diese „Hinhaltetaktik“ animiert uns Lukianenko natürlich dazu, seine Geschichte immer weiter zu verfolgen und seine Bücher weiter zu lesen, da wir auf eine echte Aufklärung für manche Geschehnisse hoffen, die bislang ausgeblieben ist.

Wie schon in den beiden ersten Bänden der Wächter-Reihe ist auch „Wächter des Zwielichts“ in drei Geschichten unterteilt, die jeweils ein anderes „Problem“ thematisieren, doch in diesem Buch sind die Geschichten eng miteinander verwoben und gehen direkt ineinander über. Es sind keine Zäsuren eingebaut, sodass kaum Zeit zum Durchatmen bleibt. Die Lektüre erleichtert uns Lukianenko dieses Mal dadurch, dass stets Anton im Mittelpunkt steht und wir uns nicht immer neue Figuren kennen lernen, wie es im zweiten Teil „Wächter des Tages“ der Fall gewesen ist.

Lukianenko ist inzwischen zu einem Faszinosum geworden, seine Bücher verkaufen sich auch in der westlichen Welt hervorragend, sodass sicherlich schon wieder zahlreiche Buchfans sehnsüchtig auf die „Wächter der Ewigkeit“ warten, also auf den vierten Teil der Reihe. Lukianenko hat eine fantastische Welt geschaffen, in der Menschen und Andere zusammenleben, und in diesem dritten Teil wagt Lukianenko erstmals eine Erklärung, was Andere überhaupt sind. Dabei bedient er sich einfacher Grundsätze der Thermodynamik, die ich hier etwas merkwürdig fand, aber glücklicherweise hält er sich mit physikalischen Spekulationen weitgehend zurück, sodass man darüber hinwegsehen kann. Wer also wissen möchte, was Lukianenko sich unter den Anderen vorstellt, sollte unbedingt zu den „Wächtern des Zwielichts“ greifen.

_Und wieder heißt es warten_

Ungeduldig habe ich auf das Erscheinen des dritten Teils der Wächter-Reihe gewartet, doch habe ich es wieder nicht geschafft, den Lesegenuss hinauszuzögern. Dies macht Lukianenko praktisch unmöglich, da er genau an den richtigen Stellen Cliffhanger einbaut und seine Hauptfiguren immer wieder in gefährliche Situationen geraten lässt, die dringend überwunden werden müssen. Das Erzähltempo in „Wächter des Zwielichts“ empfand ich als noch höher als bei den beiden Vorgängerbänden. Die Übergänge zwischen den einzelnen Geschichten waren fließend, sodass ich dieses Buch praktisch nicht aus der Hand legen konnte, was mit Sicherheit aber auch auf die gelungene Figurenzeichnung zurückzuführen ist. Von allen auftretenden Figuren lernen wir neue Seiten und Eigenarten kennen, sodass sich langsam aber sicher ein immer detaillierteres Bild der Hauptcharaktere zusammensetzt.

„Wächter des Zwielichts“ überzeugt auf ganzer Linie und führt überzeugend fort, was Lukianenko in „Wächter der Nacht“ und „Wächter des Tages“ bereits begonnen hat. Diese Wächter-Serie ist zu Recht so erfolgreich und ich warte schon jetzt wieder sehnsüchtig auf das Erscheinen der [„Wächter der Ewigkeit“! 3594

http://www.heyne.de
http://lukianenko.ru/eng/

|Anm.: Zuvor erscheint bei Heyne Anfang 2007 noch die 700-seitige Space-Opera [„Spektrum“.]http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3453522338/powermetalde-21 Man darf gespannt sein.|

S. L. Viehl – Stardoc – Die Seuche (Band 1)

Story

Dr. Cherijo Grey Veil, Tochter des angesehenen und berühmten Joseph Grey Veil, möchte nur noch fliehen. Weg von Terra, und vor allem weg von ihrem tyrannischen Vater, dessen Einfluss sie nicht mehr länger ertragen kann. Während eines Bar-Besuchs lernt sie den Piloten Dhreen kennen, der mit seinem Schiff alsbald nach Kevarzangia Zwei reist und anbietet, die junge Ärztin mitzunehmen. Cherijo willigt ein und startet gemeinsam mit ihrer Hauskatze Jenner auf dem Kolonieplaneten ein völlig neues Leben.

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Weber, David – Kriegsgott, Der (Schwerter des Zorns 2)

David Weber wird gewöhnlich eher mit Science-Fiction und seiner starken Kommandantin Honor Harrington verbunden, in „Der Kriegsgott“, dem zweiten Band der „Schwerter des Zorns“-Trilogie (der dritte Band wurde für den deutschen Markt zweigeteilt), entführt er seinen Leser jedoch in urig barbarische Fantasygefilde.

Bahzell Bahnakson, Prinz von Hurgrum, ist stark, sehr stark – und mit viel gutmütigem Humor gesegnet. Zwar ist der fuchsohrige (im wörtlichen Sinne!) Hradani-Barbar wie die meisten Conan-Archetypen nicht gerade der hellste, aber dafür ein ausgesprochen moralischer Charakter. Das muss er auch sein, denn am Ende des ersten Bandes „Der Schwur“ ist der sture Bahzell, wenn auch widerstrebend, zum Paladin des Kriegsgottes Tomanâk geworden.

Leider muss der jüngste und wohl auch starrsinnigste Paladin Tomanâks erkennen, dass er mit seinem Rang auch eine ganze Menge an Pflichten aufgebürdet bekommen hat. So ist er wie die anderen Paladine ein Führer des Ordens des Tomanâk, einer militärischen Organisation, die überall in Norfressa für das Gute streitet.

Doch der Orden ist selbstgefällig und eitel geworden, viel zu viele Ritter sind wie Vaijon von Almerhas, der stets in schillernder Wehr und voller Standesdünkel aufgrund seiner adeligen Herkunft droht, die nötige Demut und Bodenhaftung zu verlieren. Dass ein stinkender Hradani-Pferdedieb von Tomanâk selbst zum Paladin auserwählt wurde, ist für ihn und viele andere Ritter ein Schlag ins Gesicht. Kaeritha, der zweite Paladin, der das Kapitel aufsucht, entpuppt sich als eine ehemalige Bauerntochter. Die beiden Paladine haben einige Erziehungsarbeit zu leisten, bevor das Kapitel in die Schlacht ziehen kann. Die Intrigen der dunklen Götter sehen vor, die von internen Konflikten zerrissenen Hradani in einen Krieg mit den Sothôii, ihren Erzrivalen, zu verwickeln.

Hier zu vermitteln, strapaziert die beschränkten diplomatischen Fähigkeiten Bahzells auf das Äußerste, die kluge und besonnene Kaeritha ist ihm dabei eine große Hilfe.

_Vorurteile sind härter als stählerne Fäuste_

Dem Kriegsgott bereitet es offensichtlich großen Spaß, seinen jüngsten Paladin vor eine Aufgabe zu stellen, für die er so scheinbar gar nicht geeignet ist. Bahzell lernt Verantwortung für mehr als nur sich selbst zu übernehmen. Das Thema Vorurteile gegenüber anderen Rassen/Hautfarben oder gegenüber Frauen hat Weber bereits in der Honor-Harrington-Serie aufgegriffen, dieses Mal wird es jedoch vielschichtiger und interessanter behandelt als die recht eindimensionalen und groben Vorurteile der Graysons gegenüber Frauen.

Dabei zeichnet er die durch ihre Vorurteile geblendeten Charaktere differenzierter als sonst üblich, gute und böse Charaktere sind in dieser Saga sonst von vornherein klar definiert. Hier jedoch beschreibt er sehr interessante Entwicklungen, einige Figuren werden ihre Vorurteile überwinden und gar vom Saulus zum Paulus werden, während andere von ihnen zu an Verrat grenzenden Handlungen getrieben werden.

Wie bereits im ersten Teil spart Weber nicht mit gelungenen, humorigen Dialogen, die ein wenig an den schnoddrigen Stil von David Eddings erinnern, aber passend zu der Figur des starken Hradani und seines Freunds Brandark rauer, hart aber herzlich sind. Die Paladina Kaeritha trägt dazu ebenso ihren Teil bei, sie ist mehr als nur eine Quotenfrau. Interessant ist, dass Weber wie bereits im ersten Teil auf eine Liebesgeschichte völlig verzichtet, er belässt es bei sehr zart angedeuteten Romanzen.

Action und Abwechslung satt werden geboten. Von den Höhlen der technisch sehr bewanderten Zwerge über die weiten Ebenen der Sothôii und ihren mystischen „Windrenner“-Pferden bis hin zu den Kapiteln des Ordens des Tomanâk und den Tempeln dunkler Götter voller entsprechender Monstren reicht das Spektrum. Dabei präsentiert sich Bahzell nie so archaisch wie Robert E. Howards Ur-Conan; schwarze Magie, Blutlachen und abgetrennte Gliedmaßen und vom Kampfschweiß geschwängerte Luft gibt es dennoch reichlich.

Der Weltentwurf Webers ist detailliert und liebevoll. Zwar ist der Kampf guter Götter gegen böse Götter klischeehaft, aber das Götterpantheon ist umfangreich und sorgfältig geplant. Im Anhang befinden sind zahlreiche Karten der Welt Norfressa und eine Auflistung und Beschreibung aller ihrer Gottheiten. Auf einen historischen Abriss der Weltgeschichte, der zum Verständnis einiger Details nötig ist und im ersten Band geschildert wird, wurde leider verzichtet. Der Krieg der Götter wird von auserwählten sterblichen Stellvertretern wie den Paladinen Tomanâks und ihren dunklen Gegenspielern geführt, direktes Eingreifen ist den Göttern untersagt, sie wirken durch ihre Diener.

_Fazit_

Bahzell erlebt unterhaltsame und actionreiche Abenteuer in einer detaillierten und faszinierenden Fantasywelt, Esprit und Humor zeichnen ihn aus. Besonders gelungen sind die Dialoge des sturen Hradani mit seinem Freund Brandark, Kaeritha oder dem Kriegsgott selbst. Die Übersetzung von Wolfgang Thon ist sehr gut gelungen, leider haben sich wie in allen Bänden der Serie viele kleine Setzungsfehler eingeschlichen.

„Der Kriegsgott“ stellt gegenüber dem ersten Band „Der Schwur“ sogar noch eine Steigerung dar, und bereits diesen kann ich uneingeschränkt empfehlen.

Der „Schwerter des Zorns“-Zyklus bei |Buchwurm.info|:

1. [„Der Schwur“ 2093
2. [„Der Kriegsgott“ 2889
3. [„Der Windreiter“ 2890
4. [„Die dunkle Göttin“ 2891

Brandis, Katja – Feuerblüte – Im Reich der Wolkentrinker (Band 2)

Auf ihrer Website erzählt Katja Brandis, dass ihr neues Buch „Feuerblüte – Im Reich der Wolkentrinker“ davon beeinflusst wurde, dass sie zum Zeitpunkt des Schreibens ein Buch über die amerikanische Geschichte gelesen hat.

Daraus ist schließlich das Grundkonzept von Dienern und Denkern in der Stadt Rhianna entstanden. Rhianna ist im wahrsten Sinne des Wortes ein Fest für die Sinne, als Alena, Heldin des [ersten Bandes 2876 der „Feuerblüte“-Serie, mit ihren Freunden dort ankommt. Nachdem am Rande von Daresh, ihrer Heimat, die magische Grenze, die das Land abschirmt, gefallen ist, beschließt die wagemutige Schwertkämpferin zu erforschen, was jenseits von Daresh liegt.

Nach einer beschwerlichen Reise werden sie in der fremden Stadt nicht gerade freundlich empfangen. Im Gegenteil möchte man sie zuerst im Gefängnis versauern lassen, doch mit einer kleinen Kostprobe der magischen Kräfte von Jorak, einem gildenlosen Streuner aus der Stadt Ekaterin, der Alena im ersten Band kennen und lieben gelernt hat, erlangen sie genug Respekt des alten Stadtvorsitzenden Ydra, um wie Ehrengäste behandelt zu werden. Ydra sieht in Jorak sogar einen würdigen Nachfolger und er spinnt den jungen Mann, der nie ein Zuhause gehabt hat, weil keine Gilde ihn, der Eltern aus zwei verschiedenen der vier Gilden in Daresh hat, aufgenommen hat, so sehr ein, dass er nicht merkt, was in Rhianna wirklich läuft. Denn die Bewohner der Stadt leben in Saus und Braus und permanentem Müßiggang. Die Künste werden groß geschrieben und man fröhnt ihnen in verschiedenen Tempeln in der Stadt.

Doch wer ist dafür verantwortlich, dass alles so reibungslos und sauber läuft? Alena ahnt schnell, dass hier etwas nicht stimmt. Die gleichgültig wirkenden Diener, Miks genannt, werden in ihren Augen ausgebeutet, damit die Denker ein schönes Leben haben. Zu spät merkt sie, wie die Herrschaftsverhältnisse wirklich sind …

Katja Brandis hat etwas verwirklicht, das man so nicht erwartete. Während der [erste Band 2876 der Triologie um die Schwertkämpferin Alena recht durchschnittlich und spannungsarm war, steigert sie sich mit „Im Reich der Wolkentrinker“ erheblich. Dichter und atmosphärischer ist die Schreibe dieses Mal und weiß dadurch eine Menge Spannung zu erzeugen. Der geschickte Schachzug, die Reisegesellschaft an einem gewissen Punkt zu trennen und sie mit unterschiedlichem Wissensstand in Bezug auf die Miks alleine zu lassen, sägt an den Nerven des Lesers, während er dem Showdown entgegenfiebert.

Die Figuren haben ebenfalls an Tiefe gewonnen, auch wenn ihr Potenzial noch nicht völlig ausgeschöpft ist. Es gefällt wirklich sehr, dass Alena, die im ersten Band noch ein ziemlicher Hitzkopf war, ihr Temperament mittlerweile im Griff hat. Die Bewohner der Stadt Rhianna sitzen zwar ein wenig in einem Schwarzweißraster und dieser Typ von Mensch, der vom prallen Leben so verwöhnt ist, dass er die Wahrheit nicht sieht, ist auch nicht gerade innovativ. Dieses Motiv war schon sehr oft da und Brandis lässt hier zu wenig eigene Ideen einfließen, auch wenn sie sonst beim Aufbau ihrer Welt überzeugen kann. Dieses Mal spielen zwar die vier Gilden aus Daresh, die immer einen Grund für Streitereien geben, nur eine untergeordnete Rolle, aber das Land hinter Daresh kann sich sehen lassen. Brandis füllt ihre Fantasywelt zwar nicht bis unter die Decke mit magischen Gestalten und Co., aber sie schafft ein gutes Gleichgewicht zwischen Fantasie und der Geschichte, die sie erzählen möchte.

Die Art und Weise, wie sie diese erzählt, hat sich entgegen der Verbesserungen nicht wirklich geändert. Sie sorgt zwar dafür, dass der Roman dichter wirkt, aber die Wortwahl, der Satzbau weisen noch immer keine Besonderheiten auf, die man in einer Rezension vermerken könnte. Der Schreibstil ist Mittel zum Zweck, mehr auch nicht.

Glück für Brandis also, dass ihr dieses Mal der Aufbau und die Personen besser gelingen, denn sonst hätte es wieder nicht so gut für sie ausgesehen. Trotzdem: Wenn ich richtig zähle, enthält eine Triologie drei Bände und wir sind ja erst bei Band zwei angekommen. Deshalb harren wir einfach der Dinge, die noch kommen. Im Fall von „Im Reich der Wolkentrinker“ hat sich das schließlich auch gelohnt.

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Fallon, Jennifer – Erbin des Throns (Die Chroniken von Hythria 1)

Elezaar ist gerade knapp einem Massaker entronnen. Was nicht heißt, dass er in Sicherheit wäre! Zwar ist es ihm gelungen, das Haus des Sklavenhändlers Venira zu erreichen, doch so lange er nicht an eine neue Familie verkauft ist, hat er keinen Beschützer. Da kommt es ihm gerade recht, dass Großfürst Lernen Wulfskling just eine passende Heirat für seine Schwester Marla aushandelt. Nur dumm, dass Marla auf ihrer Suche nach einem geeigneten Court’esa ausgerechnet Alija Aarspeer dabeihat …

Marla Wulfskling legt keinerlei Wert auf den Kauf eines Court’esa, denn der Mann, den ihr Bruder für sie ausgewählt hat, ist leider nicht der, in den sie sich gerade frisch verliebt hat. Dennoch – oder vielleicht gerade deshalb – weckt Elezaar ihr Interesse, denn er hat offenbar mehr zu bieten als die üblichen Schönlinge, die nur fürs Bett gut sind. Zu Alijas Entsetzen entscheidet sie sich für den Zwerg …

Deshalb macht Alija ihrer naiven, dummen, romantischen, kleinen Nichte einfach den Court’esa Corin zum Geschenk. Sie braucht dringend einen Spion in Marlas Umgebung. Da von Marlas Bruder kein Nachwuchs zu erwarten ist, wird Marlas Erstgeborener der Erbe des Großfürsten sein. Wenn es nach Alija geht, wird Marla keinen Sohn haben, denn nur dann hat ihr eigener Mann Barnardo Aussichten, sich selbst den Thron zu sichern. Zu dumm, dass der Großmeister der Magiergilde von dieser Aussicht überhaupt nicht begeistert ist und mit allen Mitteln gegen sie arbeitet …

Kagan Palenovar ist zwar von der Aussicht, Marla mit dem König von Fardohnja zu verheiraten, keineswegs erbaut, doch ist ihm bisher kein besserer Gedanken gekommen, um den unfähigen Lernen auf dem Thron zu halten. Das aber will er unbedingt, denn die Alternative für Hythrias Thron wäre ein schwacher Dummkopf mit einer ehrgeizigen Zauberin an seiner Seite, und das erscheint ihm als das größere Übel …

Da stirbt Glenadal Ravenspik, der Kriegsherr der Provinz Morgenlicht, und setzt zu aller Überraschung seinen Stiefsohn Laran, den Kriegsherrn von Krakandar, zu seinem Erben ein. Plötzlich gibt es eine hythrische Alternative zu Hablet von Fardohnja! Doch die Partei Alijas weigert sich, einer solchen Machtkonzentration zuzustimmen …

Auch Larans Familie macht Schwierigkeiten. Seine selbstsüchtige Halbschwester Darilyn und sein Halbbruder Mahkas fühlen sich durch Glenadal Rabenspiks Entscheidung übergangen und zurückgesetzt. Um auf irgendeine Weise zu Geld zu kommen, liefern sie ihre jüngste Schwester Riika, die Marla Wulfskling ähnlich sieht, gegen Lösegeld an Fardohnja aus. Allerdings erkennt der Obereunuch Hablets auf den ersten Blick, dass die Ausgelieferte nicht Marla ist. Da er nicht weiß, daß sie statt dessen Larans Schwester ist, lässt er sie kurzerhand töten! Als Mahkas von Riikas Tod erfährt, ist ihm sofort klar, dass, wenn er am Leben bleiben will, Laran keinesfalls von dem Verrat seiner Geschwister erfahren darf. Doch Darilyn verliert die Nerven …

|Themen und Charaktere|

In „Erbin des Throns“ geht es um dieselben Themen wie in der Dämonenkind-Trilogie: Macht, Intrigen, Mord. Nur der Kampf gegen einen übermächtigen Gott fehlt diesmal, die Bedrohung durch Xaphista ist lediglich eine Randerscheinung, was ich nicht unbedingt als Manko empfand. Auch spielt die Geschichte fast ausschließlich in Hythria, während R’shiel hauptsächlich in Medalon unterwegs war. Karien wird lediglich mal erwähnt … Das macht aber überhaupt nichts! Hythria allein bietet genug Stoff für Ränke und Verwicklungen!

Elezaars einziges Ziel ist, sich seiner Herrin so unentbehrlich zu machen, dass sie ihn keinesfalls irgendwann verkauft, denn das wäre sein Todesurteil. Alija will unbedingt ihren Mann auf dem Thron sehen und dann an seiner Statt herrschen. Kagan will auf jeden Fall Alija vom Thron fernhalten, gleichzeitig aber irgendwie erreichen, dass der Thronerbe aus Hythria stammt. Laran will einfach nur das Beste für Hythria. Mahkas will nicht immer nur Larans Gefolgsmann sein, sondern eine eigene Aufgabe. Darilyn will ein eigenes Vermögen. Und Marla will zunächst einfach nur den Mann heiraten, den sie liebt, und mit ihm bis an ihr Ende glücklich sein. Völlig klar, dass das alles nicht unter einen Hut zu bringen ist!

Am meisten hat Marla unter all den Machtkämpfen zu leiden. Kaum hat sie sich in Naschan Falkschwert verliebt, erfährt sie, dass sie Hablet von Fardohnja heiraten soll. Damit will und kann sie sich nicht abfinden. Als Nasch auf der Burg ihrer Tante auftaucht, wo Marla sich aufhält, flammt neue Hoffnung in ihr auf, doch einziges Ergebnis ist, dass sie nun auf einmal Laran heiraten soll! Der Ärger darüber, dass sie von den Männern lediglich als politisches Mittel benutzt wird, ärgert sie maßlos und macht sie zugänglich für Elezaars politische Lehren. Von ihm lernt sie, die geringen Möglichkeiten zu nutzen, die ihr in einer patriarchalischen Gesellschaft zur Verfügung stehen. Aus dem naiven, romantischen Kind wird eine erwachsene Frau. Natürlich kann Elezaar nicht verhindern, dass seine Herrin hartes Lehrgeld zu zahlen hat. Doch Marla, angetrieben von dem Wunsch, ihr Schicksal künftig selbst zu entscheiden und vor allem ihre Kinder zu beschützen, geht gestärkt aus diesen Kämpfen hervor und wird zu einem echten Machtfaktor in Hythria.

Ihre Gegenspielerin Alija zeichnet sich vor allem durch Machtgier und Skrupellosigkeit aus. Ursprünglich mit Laran Krakenschild verbandelt, hat sie ihm den Laufpass gegeben, weil sie glaubte, eine Ehe mit Barnardo Aarspeer böte ihr mehr Möglichkeiten, an die Macht zu gelangen. Neben ihrem Mann, den sie lediglich benutzt, hat sie noch eine Menge Liebhaber, die sie genauso benutzt. Überhaupt ist ihr jedes Mittel recht. Spionage, Lüge und Hinterlist sind dabei noch die harmlosen Varianten. Abgesehen davon liest sie Gedanken und manipuliert den Willen anderer, ihre Mordmethoden reichen von bezahlten Killern über Gift bis hin zur Magie.

Kagan Palenovar wirkt gegen Alija ziemlich fad. Da er auf der Seite der „Guten“ ist, darf er natürlich keine krummen Touren drehen. Aber obwohl er politisch hochaktiv ist und zwangsläufig auch Personen für seine Zwecke benutzt – zum Beispiel Marla und Laran -, wirkt er ansonsten fast ein wenig verschlafen. Sein Lehrling Wrayan hat mehr Zugriff auf die Macht der Götter als jeder andere in der Magiergilde, doch Kagan macht sich nicht die Mühe, ihn auch nur ansatzweise im Gebrauch seiner Fähigkeiten auszubilden. Seinen Aufgaben als Gildenmeister kommt er nur widerwillig nach. Fast scheint es, als würden ihn die Belange der Götter und Harshini langweilen.

Mahkas dagegen wirkt fast aktivistisch. Einerseits neigt er zur Oberflächlichkeit, andererseits ist er ziemlich ehrgeizig und durchaus nicht unfähig. Hätte er einen Kriegsherrn zum Vater gehabt, hätten sich seine Charaktermängel womöglich gar nicht ausgewirkt. Irgendwann hätte er seine eigene Provinz geerbt und alles wäre in Butter gewesen. So, wie die Dinge liegen, macht er allerdings eine eher klägliche Figur: ein Mann mit dem Willen zur Macht, aber zu wenig kaltschnäutzig, um zu den Bösen zu gehören, und zu schwach, um zu den Guten zu gehören, geplagt von Gewissensbissen und einer rasenden Angst vor Entdeckung. Stellenweise tat er mir regelrecht leid.

|Gesamteindruck|

Die Charakterzeichnung gefiel mir in diesem Band besser als in der Dämonentrilogie. R’shiel war in ihrem Zorn manchmal regelrecht blindwütig, und sie war fast ständig zornig. Auch Marla hat so manchen Grund, zornig zu sein, aber sie ist beherrschter als R’shiel, überlegter und damit wahrscheinlich gefährlicher, obwohl sie nicht über Magie verfügt. Alija kann mit Frohinia durchaus mithalten, auch wenn ihre Mittel gelegentlich etwas plumper sind als die der ehemaligen Ersten Schwester. Und während in der Dämonentrilogie Frohinia zu meinem großen Bedauern bereits am Ende des ersten Bandes außer Gefecht gesetzt wurde, bleibt Alija dem Leser noch erhalten, zumindest vorerst.

Auch der Handlungsverlauf lag mir mehr. Zwar scheinen die ständigen Enttäuschungen, die Marla nacheinander mit den verschiedenen Männern erlebt, sich auch irgendwann zu wiederholen, jedoch nicht so auffällig und nicht so oft wie es in „Kind der Magie“ der Fall war. Die Harshini tauchen nur in äußerst geringem Maß auf, was ich allerdings auch nicht sonderlich vermisste. Da sie nicht nur unfähig sind, Gewalt anzuwenden, sondern offenbar auch sonst in keinerweise Einfluss auf irgendetwas nehmen außer dadurch, dass sie mit jemandem ins Bett steigen, bleiben sie ziemlich farblos und eindimensional.

Was ich allerdings immer noch vermisse, ist ein stärkerer Ausbau der Magie. Alija wendet sie an, Brakandaran und Wrayan wenden sie an, R’shiel wandte sie an, aber der Leser weiß immer noch nicht, was genau in einem solchen Fall passiert. Jennifer Fallon kommt in diesem Punkt einfach nicht über Andeutungen hinaus. Sie erklärt nicht einmal, was genau ein Angeborener ist.

|Unterm Strich|

Alles in allem hat die Autorin in diesem Fall einen besseren Start gehabt als bei ihrer Dämonentrilogie. Marla hat sich zu einer willenstarken, klugen und mutigen Frau entwickelt, was ein interessantes Duell mit Alija verspricht. Auch Wrayan ist ein interessanter Charakter: Der von Kagan hauptsächlich in Diplomatie und Politik geschulte junge Mann hat offenbar von seinem Aufenthalt bei den Harshini etwas über Magie gelernt – wenn auch mit keinem Wort erwähnt wird, von wem und wie! – und durch seine Rückkehr auf die Straße noch zusätzlich an Potenzial gewonnen. Und auch Mahkas dürfte noch für einigen Wirbel sorgen, und sei es nur durch die Entdeckung seiner Schandtaten. Keine schlechte Ausgangsposition für die Fortsetzung „Retter des Throns“, die im Februar nächsten Jahres erscheinen soll.

Jennifer Fallon stammt aus einer großen Familie mit zwölf Geschwistern. Sie hat in den verschiedensten Jobs gearbeitet, unter anderem als Kaufhausdetektivin, Sporttrainerin und in der Jugendarbeit. Letzteres scheint ihr immer noch nachzuhängen, unter ihrem Dach leben außer drei eigenen Kindern einige obdachlose Jugendliche als Pflegekinder. Schreiben tut sie nebenher. Die Trilogie |DemonChild| war ihre erste Veröffentlichung. Außerdem stammt die Trilogie |Second Sons| aus ihrer Feder.

http://www.jenniferfallon.com/
http://www.heyne.de

_Jennifer Fallon bei |Buchwurm.info|:_

[„Kind der Magie“ 1328 (DemonChild Band 1)
[„Kind der Götter“ 1332 (DemonChild Band 2)
[„Kind des Schicksals“ 1985 (DemonChild Band 3)
[„Ritter des Throns“ 3327 (Die Chroniken von Hythria 2)

Brandis, Katja – Feuerblüte (Band 1)

Der „Kampf um Daresh“ ist mittlerweile beendet, doch Katja Brandis, die die gleichnamige Triologie geschrieben und in der |Ueberreuter|-Reihe „Meister der Fantasy“ veröffentlicht hat, ist noch nicht fertig mit der Welt, in der sich die Menschen in vier Gilden gruppieren. Mit „Feuerblüte“ beginnt sie einen neuen, dreibändigen Zyklus um die junge Schwertkämpferin Alena, die Tocher der verstorbenen Alix, eine der Protagonisten in „Kampf um Daresh“.

In Daresh teilen sich die Menschen in vier Gilden, die nach den vier Elementen benannt sind, auf. Die fünfzehnjährige Alena ist Mitglied der Feuergilde, das heißt, sie kann Schwerter schmieden und im Kampf sehr gut mit dieser Waffe umgehen. Sie steht gerade vor einem wichtigen Schritt, denn obwohl sie noch keine siebzehn ist, wird sie zur Meisterprüfung zugelassen. Ihr ungestümes Temperament verhindert allerdings, dass sie die Prüfung zur Meisterin besteht. Trotzdem beschließt sie, ihr Meisterschwert widerrechtlich zu tragen, was auch dringend notwendig ist, denn in Daresh treiben sich Gestalten herum, denen man nicht schutzlos gegenüber stehen möchte.

Ein Mann, der sich der „Heiler vom Berge“ nennt, zum Beispiel, und der seine mitreißende Predigt über die Liebe in der Handelsstadt Ekaterin hält, als sich Alena zusammen mit ihrer Tante Rena dort befindet. Rena erkennt in dem Heiler ihren Erzfeind Cano wieder, Alenas Onkel, der in Renas Jugend versucht hatte, Daresh unter seine Gewalt zu bringen. Beunruhigt meldet sie ihre Beobachtung dem Rat, doch dort nimmt man sie nicht ernst.

Zur gleichen Zeit ereilt Alena die Nachricht, dass ihr Vater im Koma liegt, nachdem er einen weißen Panther gesehen hat. Nachdem auch Renas Gefährte von dem Tier verzaubert wird, sehen die beiden ein, dass sie handeln müssen. Doch Cano, den sie verdächtigen, ist den beiden immer einen Schritt voraus und sorgt dafür, dass sie aufgrund seiner Intrigen in Ekaterin zu Geächteten werden. Nachdem er ihnen einen Mord angehängt hat, geht es nicht nur darum, Alenas Vater und Renas Gefährten zu retten, sondern auch Cano zu vernichten und ihren Namen reinzuwaschen …

Die Fantasywelt von Daresh begeistert vielleicht nicht gerade durch Originalität, aber sie ist schön ausgearbeitet, und die Idee mit den unterschiedlichen Gilden weiß zu gefallen. Trotzdem wird man mehr als einmal ein wenig an die Bücher von Tamora Pierce erinnert, allerdings gelingt der Weltentwurf hier nicht ganz so gut, da an der einen oder anderen Stelle noch ein wenig der Feinschliff fehlt. Ekaterin ist zwar hübsch dargestellt, doch es fehlt an wirkungsvollen Beschreibungen, die einen bleibenden Eindruck hinterlassen.

Selbiges gilt für die Personen. Alena ist eine wunderbar kratzbürstige Pubertierende, doch auch ihr fehlt es an einigen Ecken und Kanten, die ihr die nötige Tiefe verliehen hätten. Das Gleiche gilt für Rena, die leider ein wenig oberflächlich bleibt. Die beiden wechseln sich mit den Perspektiven ab, doch leider werden sie teilweise sogar im selben Absatz vermischt, was ein wenig verwirrend ist.

Oben genannte Kritikpunkte könnten auch damit zusammenhängen, dass der Schreibstil an und für sich kaum Zauber entwickelt. Er erzählt flüssig und ohne Stolpersteine, aber auch ohne besondere Sogwirkung. Dabei hätte der an und für sich durchaus spannenden Handlungen mit einem schönen Aufbau und überraschenden Wendungen ein wenig Absorbationskraft nicht geschadet.

Katja Brandis‘ „Feuerblüte“ hat einen netten Hintergrund und eine nette Handlung, doch leider ist der etwas unmotivierte Sprachstil schuld daran, dass kaum wirkliche Spannung aufkommt, die den Leser so sehr in den Bann zieht, dass er das Buch nicht mehr aus der Hand legen kann.

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|Siehe ergänzend dazu die Rezension zu Band 2:| [„Feuerblüte – Im Reich der Wolkentrinker“ 2887

Feiler, Marion – Faron – König von Callador (Band 1)

Zumeist wird in Fantasyromanen das Zusammenspiel von Gut und Böse thematisiert und das aus der Sicht des Guten. Marion Feiler wagt den Schritt, mit „Faron – König von Callador“ einmal aus der Sicht des Bösen zu schreiben.

Faron ist der Sohn des milden und erfolgreichen Königs Adrónis, doch bereits bei der Geburt wird klar, dass mit Faron etwas nicht stimmen kann. Er scheint durch und durch böse zu sein, deshalb wird er mit zehn Jahren in den Tempel gegeben, wo er zum Priester ausgebildet werden soll. Allerdings dient der Priester Nathon nicht der Friedensgöttin Jishta, die in Callador verehrt wird, sondern dem Kriegsgott Ashtor, der seine Hand über Faron hält und ihn zur Erde geschickt hat, um die Überlegenheit über Jishta zu gewinnen. Dadurch bekommt Faron eine Extrausbildung in Kampfkunst und schwarzer Magie.

Durch mysteriöse Umstände kommen der König und der rechtmäßige Thronfolger Garwin, Farons Bruder, auf der Jagd ums Leben und die Krone geht an Farador. Mit seinem Charme und seiner Ausstrahlung schafft er es, das Volk um den Finger zu wickeln, und er verbannt Jishta aus dem Tempel, um Ashtor dort seinen Platz zu geben. Mit dessen Hilfe und seinem kriegerischen Geschick schafft er es, die Nachbarreiche zu unterwerfen, doch plötzlich ergeht die Kunde, dass Garwin noch lebt und seinen rechtmäßigen Thronplatz einfordert …

Was sehr interessant klingt, nämlich die Sicht des Bösen, wird auch erfüllt. Faron ist tatsächlich böse und besitzt doch noch die Gefühle eines Menschen. Trotzdem hätten ihm ein paar Tiefen nicht geschadet, wobei er der noch am besten ausgearbeitete Charakter ist. Sämtliche Nebendarsteller sind sehr blass neben ihm, abgesehen von der trotzigen Amazone Naira, die unsterblich in Faron verliebt ist, wobei er diese Gefühle auch bei sich entdeckt.

Was aber noch viel schwerer wiegt, sind die Kritikpunkte an der Handlung. Es fehlt ein linearer Strang mit einem erkennbaren Ziel. Außer der Unterwerfung des gesamten Reichs Soramenis scheint Faron kein Ziel zu haben, und das wirkt sich negativ auf die Spannung aus. Selbige kommt beinahe gar nicht auf, da es, wie gesagt, keinen Handlungsstrang gibt, der eine konstante Steigerung beinhaltet.

Ansonsten bietet Feiler soliden Fantasystoff, der nicht gerade besonders innovativ ist. Die Welt, in der sie ihre Geschichte einbettet, ist mittelalterlich angehaucht und wirkt eher wie schmückendes Beiwerk denn als Grundlage für einen Roman.

Allerdings gewinnt das Buch durch den ausbaufähigen Schreibstil an Fahrt. Feiler schreibt sehr einfach und stringent, ohne Ausschweifungen oder großartige Nebenhandlungen. Das Buch lässt sich flüssig herunterlesen, auch wenn es am Anfang wegen der einen oder anderen Unsicherheit, die zumeist in fantasytypischem Geschwülste mündet, etwas hakt. Die ständige Verwendung von archaischen Wörtern, Satzstellungen und Zeiten (Imperfekt) machen es manchmal nicht einfach, Zugang zu finden, doch hat man sich erstmal zurecht gefunden, kann man „Faron – König von Callador“ in einem Zug herunterlesen.

Marion Feilers Fantasygeschichte ist sicherlich nicht der große Wurf. Besonders in der Ausarbeitung des Reiches Soramenis und der Handlung besteht noch Verbesserungsbedarf, aber der Schreibstil präsentiert sich als sehr ausgereift, auch wenn er am Anfang ein wenig gewöhnungsbedürftig ist.

http://www.marion-feiler.de/

Charles Stross – Accelerando

Nahe Zukunft:

Die irdische Zivilisation hat sich merklich gewandelt. Die uns bekannten politischen Verhältnisse sind weitgehend in Auflösung begriffen oder regressiv, so gibt es im Osten eine Neuauflage des Kommunismus mit KGB, und die USA haben ihren Status als führende Weltmacht eingebüßt.

In der Gesellschaft ist ein ausgeprägter Trend zum Cyberspace zu bemerken; so hat jeder fortschrittliche Mensch ständig Zugriff auf das Internet, sei es über Konsolen oder Brillen, die ihre Informationen direkt in das Sichtfeld des Benutzers einblenden. Microsoft ist aus dem Rennen, nur die russischen Kommunisten setzen noch auf ihre Software, nach dem Motto „Was ich bezahlen muss, ist auch höchster Standard“. Doch ansonsten überwiegt die open source und es bilden sich idealistische Gruppierungen, die auch das Leben zu einer echten open source machen wollen. Ihr Vorreiter ist Manfred.

Manfred besitzt eine Datenbrille von höchster Bandbreite, die ihn ständig mit den aktuellsten Informationen konfrontiert. Aus diesem Brei filtert er für sich Interessantes heraus und fügt es seinem externen Speicher hinzu, der sein Gedächtnis erweitert. Er ist ein Infonaut, der seine Informationen an Kunden verschenkt, die es möglicherweise interessieren könnte. Außerdem entwickelt er aus dem Gehalt seiner Recherchen ständig profitable Ideen, die er sofort patentieren lässt und einer Stiftung für freies Gedankengut zur Verfügung stellt, die alle neuen Ideen zu open source macht.

Manfred besitzt sozusagen keinerlei Zahlungsmittel. Aber seine genialen Ideen, die er weltweit verschenkt, um andere Leute reich zu machen, verschaffen ihm eine Kreditwürdigkeit, die allgemein kaum noch zu übertreffen ist. Daraus folgt für ihn, dass er ständig und an jedem Ort der Welt von irgendeinem durch ihn reich gewordenen Menschen oder einer Firma gesponsort wird.

Mit dem Upload einer Hummerspezies in den Cyberspace nimmt die Entwicklung eine neue Richtung an: Im Netz existiert nun eine künstliche Intelligenz, basierend auf den Neuronen der Hummer, die sich an Manfred wendet. Er kann auch ihr zu Menschenrechten verhelfen und schafft damit einen Präzedenzfall, der in der Zukunft der Menschheit noch eine bedeutende Rolle spielen wird, denn im Zuge ihres Strebens nach einem Leben nach dem Tod nehmen ab nun immer mehr Menschen die Möglichkeit eines Uploads in Anspruch.

Damit erhält auch die Raumfahrt neuen Aufwind. Durch die Möglichkeit, Massenspeicher in Form von Miniaturraumschiffen zu den Sternen schicken zu können – als Passagiere hochgeladene Zustandsvektoren von den betreffenden Menschen – erhält diese Form der Reise mehr Effizienz als bis dato vorstellbar. Manfreds geschaffener Präzedensfall bezüglich der Menschenrechte einer KI treibt einen Rückgang der realen Bevölkerung voran und fördert den Zuwachs künstlicher Intelligenzen. Um die Informationsdichte des Sonnensystems bestmöglich auszunutzen, beginnt eine neue Art der Eroberung: Die solaren Planeten werden – beginnend mit Merkur – abgebaut und zu Nanorechnern umstrukturiert, die in einer Wolke um die Sonne kreisen. Damit steigt die Informationsdichte – MIPS, Millionen Informationseinheiten pro Sekunde – rapide an. Die innerste Schale der Wolke nutzt die direkte Sonneneinstrahlung als Energie, ihre Abwärme wird von der nächsten Schale genutzt und so weiter: Eine Dyson-Sphäre entsteht.

Manfreds Tochter macht sich derweil auf, einer außerirdischen Form von systemumfassender Dysonsphäre auf die Spur zu kommen, und lädt sich mit ihren Freunden in das System eines galaxisumspannenden Netzwerks hinein. Sie stellt fest, dass dieser Weg eine ebensolche Sackgasse ist wie die Beschränkung auf einen Planeten …

„Accelerando“ erzählt die Geschichte einer Familie auf dem Weg in die Zukunft, eine Zukunft, die rasanter auf die Menschheit zugestürmt kommt als für möglich gehalten wird. Stross schreibt von einer Singularität, einem Ereignis, nach dem sich die Menschheit in eine Richtung entwickelt, die ein Mensch vor Eintreten des Ereignisses nicht hätte vorhersehen können. Er lässt seine Protagonisten auch darüber spekulieren, zu welchem Zeitpunkt diese Singularität anzusiedeln ist. Möglichkeiten findet er einige: Die Inbetriebnahme des Internet, den erfolgreichen Upload der Hummer und weitere, nicht nur aus seiner Fantasie entspringende Ereignisse aus der Geschichte der Menschheit.

Die beobachtete Familie erlebt diese Entwicklung aus verschiedenen Perspektiven mit, ist unterschiedlich involviert. Manfred zum Beispiel ist in hohem Maße mitverantwortlich für Teile des Geschehens, und ihm, als äußerst schnelllebigem Mann, immer auf der Jagd nach Informationen, fällt ein großer Teil der Last des Fortschritts zu, des Zukunftsschocks, den diese Entwicklung mit sich bringt. Zu einem Zeitpunkt, als er noch auf seine Brille beharrt, hat sich in der Bevölkerung bereits der Einsatz von Implantaten durchgesetzt, die ihr eine viel größere Bandbreite bieten, als es äußeren Hilfsmitteln ohne direkten Zugang zum Hirn eines Menschen möglich ist.

Es ist ein Fortschritt, der nicht einmal vergleichbar ist mit dem Fortschritt von der ersten bewussten Feuermachung bis zum alltäglichen Gebrauch des Internet, denn er richtet sich nicht nur auf die äußeren Lebensbedingungen, sondern in größter Weise auf das Innere, den Informationsgehalt der Seele eines Menschen. Und im Hintergrund steht immer die Idee, dass es eine intergalaktische Sphäre, einen Cyberspace gibt, in dem sich die hochstehenden Zivilisationen tummeln. Trotzdem stimmt diese Idee den Autor nicht optimistisch, sondern er nutzt sie, um den absoluten Weg in den Cyberspace ad absurdum zu führen. Denn wie oben erwähnt, ist Stross klar, dass der eigentliche Weg der Menschheit nicht vorhersehbar ist, durch eine Singularität vom Vorstellungsvermögen der präsingularen Menschen getrennt. Er führt die Idee der Dyson-Sphäre bis zum apokalyptischen Ende und sägt damit an einer Vorstellung, die in vielen Science-Fiction-Lesern vorherrscht: Die Erde als Heimat der Menschheit fiele diesem Fortschritt zum Opfer und geht in seiner Vision sogar weitgehend unbeachtet den Weg in ihre Einzelteile.

Was bei diesem Roman noch stärker als bei den anderen beiden in Deutschland veröffentlichten Romanen deutlich wird, ist Stross‘ umfassende Recherche und seine ebenso umfassende Allgemeinbildung. Er handhabt kulturelle und gesellschaftliche Details aus vielen verschiedenen Ländern und Bereichen mit einer Selbstverständlichkeit, die zumindest suggeriert, dass sie zu seinem Wortschatz und seinem Wissensspeicher gehören. Das macht es dem Leser in manchen Fällen natürlich schwer, seinen Gedanken zu folgen. Es bleiben immer Details, die ohne eigene Recherche nicht einordenbar sind, aber im Grunde sind all diese Dinge ohne Belang für das Verständnis der eigentlichen Geschichte, die sich sehr spannend und unterhaltsam vor dem Leser ausbreitet. Relevante Begriffe benutzt er dagegen entweder sehr häufig oder erklärt sie im Folgenden ausreichend, um zumindest eine Vorstellung vom Sachverhalt zu vermitteln, die den Leser zufrieden stellt und dem Lesefluss nicht im Weg steht.

Natürlich ist der Roman schon an sich für Leser, die entweder ganz andere Interessengebiete haben oder deren erster Ausflug in das utopische Genre dieser Roman ist, schwer verdaulich. Glücklicherweise hat es diese Thematik auf der Kinoleinwand zu einem breiteren Publikum gebracht als auf Papier; gerade in diesen Jahren wurden einige hochwertige SF-Romane verfilmt. Es fällt also kaum jemand völlig unbedarft ins kalte Wasser, denn gerade die Cyberspace-Thematik ist spätestens seit „Matrix“ allgemein zugänglich.

Bemerkung

Durch die Gestaltung des Layouts suggeriert Heyne, „Accelerando“ wäre ein weiterer Roman aus dem Universum des Eschaton und würde in irgendeiner Weise in Verbindung zu „Singularität“ und „Supernova“, den beiden vormals erschienenen Romanen von Charles Stross, stehen. Hier muss gewarnt werden, denn trotzdem durchaus das Eschaton erwähnt wird, steht „Accelerando“ völlig eigenständig da und hat keinerlei Beziehung zu den oben genannten Romanen. Marketing.

„Accelerando“ ist meiner Meinung nach der bisher beste Roman von Stross und ein Highlight des Jahres 2006. Er birst vor Ideen und zieht den Leser in seinen Bann. Er leidet weder unter seiner Komplexität, die auch nur den Hintergrund der Geschichte bildet, noch wirkt er überladen. Es scheint ein Merkmal Stross’scher Schreiberei zu sein, dass jeder seiner Romane fast unter Ideenüberschuss leidet. Charles Stross schreibt einen Roman mit einem Hintergrund, auf dem andere Autoren ihre gesamte Karriere aufbauen würden – und das macht er jedes Mal so.

Der Autor vergibt: (4.5/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (No Ratings Yet)

Koushun Takami – Battle Royale

Um die Kampfbereitschaft der Jugend zu testen, müssen sich Schüler gegenseitig umbringen. … – „Japans Antwort auf ‚Der Herr der Fliegen‘“, dröhnt die Werbung, dieses Mal nicht gänzlich die Tatsachen verdrehend; in der Tat geht es darum, wie sich ‚zivilisierte‘ Menschen in einer lebensbedrohlichen Krise verhalten. Die möglichen Reaktionen werden durchgespielt, das Ergebnis ist ein spannendes und grimmiges Werk, das seine Leser ungemütlich distanzeng ans Geschehen bindet.
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Charlie Fletcher – Stoneheart – Die Suche (Band 1)

Stell dir vor, du machst einen Schulausflug in ein Londoner Museum. Es ist ein regnerischer Tag und du bist zwölf Jahre alt, schüchtern und deine Mitschüler hänseln dich. Stell dir vor, du wirst durch eine Intrige von deinem Lehrer in die Ecke gestellt, und nachdem du aus Wut eine Statue beschädigt hast, bist du plötzlich nicht mehr in dem London, das du kennst, sondern in einem, in dem man von lebendig gewordenen Wasserspeiern verfolgt wird.

Es klingt unglaublich, aber tatsächlich passiert das dem nicht gerade heldenhaften George, der seit dem Tod seines Vater seinen Platz in der Welt noch nicht wieder gefunden hat. Und nun steckt er plötzlich in diesem Albtraum fest. Hinter ihm ein steinerner Flugsaurier und neben ihm lauter Londoner im Feierabendverkehr, die komischweise nicht das sehen können, was er sieht. Dabei ist die Gefahr des Wasserspeiers für ihn gerade sehr real.

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Harrison, M. John – Centauri-Maschine, Die

In ferner Zukunft hat die Menschheit bei ihrer Expansion in das All viel Schuld auf sich geladen und eine Spur der Zerstörung hinterlassen. So wurde die Rasse der Centaurier nahezu vollständig ausgerottet. Die Ursachen und Motive sind weitgehend vergessen, die zerstörte Heimatwelt der Centaurier ist die einzige Erinnerung an diese Zeit.

Doch tief unter der Oberfläche des toten Planeten entdeckt man in einem Bunker eine „Maschine“ der Centaurier. Bei dieser scheint es sich um eine Waffe unglaublicher Schlagkraft zu handeln. Alle rätseln, warum die Centaurier sie nicht eingesetzt haben, doch schon bald streiten sich vier Machtblöcke um die Maschine: Die Israelische Weltregierung (IWG) vertreten durch Generalin Alice Gaw, die Vereinigung Arabischer Sozialistischer Republiken (UASR) durch Colonel Gadaffi ben Barka, ein gewisser Grishkin von der religiösen Sekte der so genannten „Öffner“ und der Drogenkönig Veronica.

Nicht hinter der Maschine ist man jedoch her, vielmehr hinter Raumcaptain John Truck. Truck ist mütterlicherseits ein halber Centaurier, der letzte bekannte lebende Mischling. Ohne seine centaurischen Gene kann man die Maschine nicht aktivieren.

Doch Truck möchte sich nicht vor den Karren irgendeiner Ideologie spannen lassen und verweigert sich. Auf der Flucht durch heruntergekommene und abgelegene Lokalitäten werden seine Freunde nach und nach getötet, es gelingt ihm jedoch, die Maschine an sich zu bringen.

„Die Centauri-Maschine“ von M. John Harrison (* 1945, Nordengland) ist einer der umstrittensten Romane der Siebzigerjahre, damals wie heute schlug dem Roman viel Unmut und Feindseligkeit entgegen. Seine Aufnahme in die Reihe der Meisterwerke der Science-Fiction verdankt er somit wohl auch eher der negativen Resonanz, mit keiner Auszeichnung kann er sich schmücken.

Einer der Gründe für die vor allem in den Siebzigern ablehnende Haltung war sicher, dass der Konflikt zwischen Israelis und Arabern, aber auch der Holocaust (Ausrottung der Centaurier) in die Zukunft verlagert wurden. Die klischeehafte Zeichnung der Figuren trug ebenfalls dazu bei: Gadaffi ben Barka ist das Paradebild des bösen Arabers mit blitzend weißen Zähnen und einem schwarzen, verotteten, den er bei jedem fiesen Grinsen zeigt. Eine ganze Flut von rassistischen Vorurteilen und Klischees muss auch Alice Gaw über sich ergehen lassen, eine hässliche Frau, die den amerikanischen Kapitalismus verkörpert.

Dass es geradezu lächerlich ist, Kommunismus und Islam in dieser Form miteinander zu vereinen, sollte klar sein. Denn Harrison überzeichnet bewusst, weist mehrfach darauf hin, dass weder IWG noch UASR überhaupt noch wissen, warum sie sich bekämpfen. Auch ist an Alice Gaw nicht viel Jüdisches, außer einer an den israelischen General Mosche Dajan erinnernden Augenklappe. Sie steht für eine autoritäre, kapitalistische Demokratie und maßt sich an, die IWG als Wächter der Freiheit und Demokratie der ganzen Galaxis zu sehen. Ben Barka ist ein pragmatischer Kommunist stalinistischer Prägung extremster ideologischer Härte, allerdings fehlt jeglicher arabischer Fundamentalismus, während Grishkin die zur Karikatur gewordene Rolle der Religion repräsentiert. Die Öffner haben operativ eingearbeitete Plastikfenster im Körper, um ihr Innerstes zu offenbaren, und halten die Centauri-Maschine für ein Behältnis des göttlichen Geistes, mit dem sie Kontakt zu Gott aufnehmen können. Dabei verkommen sie jedoch zur Freakshow. Der kriminelle Drogenbaron Veronica steht für das organisierte Verbrechen, das von den Machtblöcken geduldet und oft instrumentalisiert wird, aber weitgehend nach seinen eigenen Gesetzen lebt.

John Truck wirkt in diesem Chaos verloren und weniger als durchschnittlich, er sieht sich selbst als „Loser“ an, ein Lebensgefühl, das der Roman sehr deutlich ausstrahlt. Zerstörte Gegenden, Ruinen, verkommene Raumhäfen – Harrison offenbart als einer der ersten Science-Fiction-Autoren eine sehr pessimistische und nihilistische Einstellung, die sich erst viel später in den Achtzigerjahren in Cyberpunk-Romanen widerspiegelte.

Anspruchsvoll ist Harrisons Ausflug in die literarische Dekadenz; er setzt dieser verkommenen Welt eine sphärische, übermäßig ästhetisierte Raumstation voller avantgardistischer Randexistenzen gegenüber. Auf seiner Flucht findet sich Truck in dieser unwirklichen Welt voller ekrü getönter Wände, Hokusai-Drucken unglaublicher Feinheit und ätherisch ingwerfarbenen Porzellankrügen wieder. Zusätzlich haben diese Dekadents goldene Raumschiffe, die mit überlegener Technologie und einem intergalaktischen Antrieb ausgestattet sind. Doch leider wissen sie sich dieser nicht zu bedienen, ihr Geheimnis ging mit dem Tod des letzten gestrandeten Aliens verloren. Man konnte nicht ausreichend mit ihm kommunizieren. Mit dem sinnigerweise |Driftwood of Decadence| genannten goldenen Raumschiff zieht Truck los, doch auch dieses letzte Überbleibsel verlorenen Wissens wird zu Klump geschossen. Hier kontrastieren Hedonismus und Luxus mit den vorherrschenden trostlosen Manifestationen des ökonomischen und sozialen Verfalls.

Dieser Verlust der Erinnerung zeichnet auch den Genozid an den Centauriern und andere Konflikte aus: Nur noch rauchende Trümmer und Schlacke erinnern daran, dass etwas geschehen ist. Sinn und Zweck, Ursachen und Gründe sind schon lange hinter Ideologien zurückgetreten. Interessanterweise präsentiert Harrison auch ein entvölkertes, zerstörtes Deutschland auf der Erde, das bar jeglichen Lebens ist und gemieden wird. Warum dies geschehen ist, wird jedoch genauso wenig beantwortet wie der Massenmord an den Centauriern. Genozid und Dekadenz werden als Ausgeburten der menschlichen Natur dargestellt, unausweichlich und eine Tatsache, deren Gräuel wir nicht rational erklären können. Angesichts dieser Tendenzen kann man bereits erahnen, wie dieser Roman enden wird.

_Fazit:_

Ein nachdenklich machender Roman, der jedoch schwer zu lesen ist, gerade wegen der symbolhaften und zweidimensionalen, unrealistischen, klischeehaften Charaktere und der starken Bezüge zur Politik und Situation der Mittsiebzigerjahre. Auch aus heutiger Sicht irritiert diese Projektion realweltlicher Verhältnisse im Roman. Andererseits geht Harrison in positiver Weise über die Grenzen einfach zu konsumierender Science-Fiction und Unterhaltung hinaus.

Der negative, nüchterne Nihilismus des Romans karikiert unsere reale Welt und zeigt ihre Schwächen und die alarmierende Sinnlosigkeit historischer Grausamkeiten. Eine unglaublich dichte Atmosphäre nimmt den Leser dieses Romans gefangen, allerdings ist diese Welt so frustrierend und einseitig negativ, dass man davon erdrückt wird. Der weitgehend zusammenhanglose Plot ist wahrhaft apokalyptisch. Beeindruckend und anspruchsvoll zu lesen, konnte mir dieser Roman dennoch nicht gefallen. Er ist einfach zu dekadent und hoffnungslos, oft zu simplifizierend und von einer ausschließlich negativen Weltsicht geprägt. Wie anders kann man einen Roman nennen, in dessen Epilog über John Truck zu lesen ist: |“Man muss aber ebenso zugeben, dass er das Leben zwar unerfreulich, den Tod aber noch weit unerfreulicher fand. Er verabscheute das Morden und das absichtliche Peinigen, er verabscheute Heuchelei und Frömmelei und die wohlfeilen Lippenbekenntnisse der Ideologen, wenn es um die Linderung menschlichen Elends ging – aber ihm fehlten die Mittel, diesen Abscheu zu artikulieren. Diese redlichste Unredlichkeit kam nur in Bärbeißigkeit, Prahlerei und der dauernden Suche nach kurzzeitigem Vergessen zum Ausdruck.“|

Ein Meisterwerk, das man nur schwerlich lieben kann und dessen Aussage fragwürdig ist. Die Übersetzung vom Hendrik P. und Marianne Linckens hingegen ist ausgezeichnet und wird der Atmosphäre des Romans und dem Stil des Autors mehr als gerecht.

|Mit einem Vorwort von Adam Roberts|

Homepage von M. John Harrison:
http://www.mjohnharrison.com/

http://www.heyne.de

Ergänzend: Unsere [Rezension 907 zum zuletzt bei |Heyne| erschienenen SF-Roman „Licht“.

Bond, Nelson – Lancelot Biggs’ Weltraumfahrten

Im frühen 22. Jahrhundert sind die inneren Planeten des Sonnensystems längst von blühenden Kolonien des Mutterplaneten Erde bewohnt. Ein reger Verkehr herrscht vor allem zwischen Erde, Mars und Venus. Eines der zahlreichen Schiffe, die hier Dienst tun, ist der Raumfrachter |Saturn|. Seine besten Tage hat er lange hinter sich, doch unter dem Kommando des erfahrenen Käptn Waldemar Hanson leistet der alte Kahn gerade noch genug, um der Außerdienststellung und Verschrottung einen Schritt voraus zu bleiben.

Die Routine auf der |Saturn| verwandelt sich in Chaos, als eines Tages der berüchtigte Lancelot Biggs als Vierter Offizier an Bord kommt. Er ist der Neffe des Vizepräsidenten der Gesellschaft, welcher auch der |Saturn| gehört, und kann dafür von Hanson nicht zum Teufel gejagt werden, obwohl dieser sich genau dies schon nach kurzer Zeit sehnlich wünscht: Biggs ist ein Tolpatsch, der ständig fatale Zwischenfälle in Gang setzt, die dem Käptn und seinen Leuten das Leben außerordentlich schwer machen.

Allerdings ist Biggs auch ein Genie. In Fällen von Raumnot, Piratenattacken, Zeitschleifen, Dimensionsrissen oder ähnlichen Unerfreulichkeiten, denen sich der moderne Raumfahrer immer wieder ausgesetzt sieht, fällt ihm stets eine unkonventionelle Methode ein, dem Schicksal ein Schnippchen zu schlagen. So könnte sich sogar der strenge Hanson an den Neuling gewöhnen, würden dessen fabelhaften Einfälle nicht stets von unverhofften und peinlichen Nebenwirkungen begleitet, die in der Regel zunichte machen, was Biggs Taten an Ruhm und Belohnung zunächst erwarten lassen …

Da gab es einst eine Zeit, naiv und charmant zugleich, in der die Zukunft grenzenlos verheißungsvoll erschien. Naturwissenschaften und Technik würden sehr bald die wirklich allerletzte Grenze – die zum Weltraum – fallen lassen, man würde fremde Planeten nicht nur bereisen, sondern buchstäblich erobern und besiedeln.

Der II. Weltkrieg ließ solche Träumereien schwinden bzw. bescherte ihnen einen militaristischen Unterton. Aufgegeben wurden sie indes noch lange nicht. Auch heute werden sie offenbar, wenn auf irgendeinem Fernsehsender Filme aus den 1950er Jahren wiederholt werden. Da sind sie, die schlanken, stromlinienförmigen Raketen, die in ihrem Inneren fatal an ein U-Boot erinnern. Auch ihre Besatzungen benehmen sich, als ob sie sich an Bord eines Schiffes befänden, das einen der irdischen Ozeane kreuzt. Computer werden manchmal erwähnt, doch selten als solche bezeichnet, zumal man sie in den primitiven Stahlkästen kaum vermuten mag. Stattdessen berechnet der Steuermann mit Sextant und Rechenschieber den Kurs zum Mars oder zur Venus; die Reise gestaltet sich anschließend so: |“Bisher haben die Piloten einfach so lange die Düsen laufen lassen, bis sie an ihr Ziel herankamen, und haben dann für die Landung die Bremsvorrichtungen wirken lassen.“| (S. 74) Zwischendurch schaut der Kapitän durch die “Peri[skop]linse” in Fahrtrichtung und prüft nach, ob man auf Kurs geblieben ist.

Genau dies ist die Welt von Lancelot Biggs. Ende der 1930er Jahre startete Nelson Bond eine Serie von Science-Fiction-Storys mit ihm als „Helden“. Mehr als ein Jahrzehnt später fasste er diese zu einem Roman zusammen, dessen Episodenhaftigkeit indes seinen Ursprung deutlich erkennen lässt. Nur grob schuf Bond einen roten Faden, der vage Biggs absonderliche Taten in chronologischer Reihenfolge verbindet. Schon Bonds Zeitgenossen aus dem „Goldenen Zeitalter der SF“ konnten Romane schreiben, die diese Bezeichnung eher verdienten!

Doch sie sind oft vergessen, während Lancelot Biggs als Klassiker seines Genres gilt. Der Unterschied liegt zum einen darin, dass Bond sein Handwerk verstand, während er sich andererseits wenig um die Regeln der SF scherte. Diese wurde in den Jahren um 1940 von den meisten Verfassern bitterernst genommen. Galaxisweite Kriege tobten da, während glotzäugige Monster die Erde (und vor allem – wieso auch immer – die Erdfrauen) ins Visier nahmen und von granitkinnigen Männerhelden ins All zurückgeprügeln wurden. Dabei erfanden die Autoren praktisch alle klassischen Topoi der Science-Fiction und dekliniert sie durch. Nelson Bond gehörte zu jenen, die sie umgehend durch den Kakao zogen.

Die angemaßte „Wissenschaftlichkeit“ der frühen SF-Jahre – heute findet man sie noch im „Techno-Bubble“ der „Star Trek“-Serien – veranlasste die Autoren, ihrem Publikum „Erklärungen“ für die dargestellten Wunder zu liefern, deren Nonsense-Faktor wechselweise staunen und lachen lässt. Bond nutzt dies als Gelegenheit, die Absurditäten der Handlung erst richtig herauszustellen. Wenn Lancelot Biggs den |Saturn| mitten durch den Planeten Jupiter sausen lässt, leitet der Autor dies zunächst so ein: |“Sie kennen alle die fundamentale Theorie der Lorentz-Fitzgeraldschen Zusammenziehung. Gegenstände, die sich im Raum bewegen, ziehen sich längs ihrer Hauptachse zusammen, und zwar im direkten Verhältnis zu ihrer Geschwindigkeit, wobei die Lichtgeschwindigkeit die Höchststufe bildet.“| Was – nun gleich für die (in Vertretung der Leser) chronisch begriffsstutzigen Bordkameraden „übersetzt“ – dies zur Folge hat: |“Es ist, als ob ein ganz feiner Draht, der sich mit der Geschwindigkeit des Blitzes bewegt, durch eine Eisbombe hindurchgetrieben wird.“| (S. 82).

Unter diesen Umständen erstaunt es wenig, dass sich Bond um die astronomischen Realitäten wenig schert. Auch zu seiner Zeit war man sich schon der Tatsache bewusst, dass Jupiter als Gasplanet keine feste Oberfläche besitzt. Bond ignoriert es und fabuliert sich eine Urwelt unter einer schützenden Atmosphärenglocke zusammen. Es irritiert bei der Lektüre überhaupt nicht, denn es passt sehr gut in eine zukünftige Märchenwelt, in der wackere Pioniersgestalten mit Pickel und Sieb durch den Raum reisen, weil Bodenschatzfunde auf einem Asteroiden einen neuen Goldrausch in Gang setzen, deren heimwehkranke Nutznießer sich dann von der Erde ausgerechnet Blumensamen liefern lassen …

Die Kombination einer eigenwillig interpretierten SF mit Elementen des definitiv Vergangenen ist ein weiterer Reiz der Biggs-Geschichten. Prendergast Biggs, Lancelots einflussreicher Onkel, ist natürlich ein altmodischer Gentleman mit Anzug und Taschenuhr. Weltraumfahrten werden praktisch ausschließlich als Handlungsreisen unternommen. Käptn Hansen und seine Crew fliegen stets mit der Knute ihrer Gesellschaft im Genick; der brachiale Kapitalismus des frühen 20. Jahrhunderts bestimmt diese Zukunft, den Bond als Zeitgenosse noch sehr gut kannte. Dieser passt gut zur Stimmung ständiger Drohung, die über dem |Saturn| schwebt: Können Schiff und Mannschaft ihre „Nützlichkeit“ für die Gesellschaft nicht mehr unter Beweis stellen, werden sie gnadenlos ausgemustert. In diesem Punkt wirken „Lancelot Biggs’ Weltraumfahrten“ gar nicht so witzig, aber allmählich wieder zeitgemäß …

„Finde immer erst die Theorie!“ Dies ist die Devise von Lancelot Biggs, den Bond ganz klassisch als genialen Tölpel zeichnet. Für das „normale“ Leben mit seinen Vorschriften und gesellschaftlichen Regeln ist Biggs völlig untauglich. Er kann von Glück sprechen, dass ihn sein reicher Onkel protegiert. Doch in einer Krise zeigt Biggs seine Qualitäten. Seine Lösungswege sind freilich ebenso unkonventionell wie sein Wesen. Er hat etwas von einem „idiot savant“, kann seine beachtlichen Fähigkeiten schwer steuern, sondern wird von ihnen beherrscht. Zu den großen Schwierigkeiten Biggs’ gehört deshalb seine Sprachlosigkeit: Ihm gelingt es nicht, seinen Mitmenschen mitzuteilen, welche famose Idee er gerade ausbrütet. Das passt sehr gut in Nelson Bonds Kram, denn genauso wie Käptn Hanson und seine Männer fragt sich auch der Leser, was dem kuriosen Raumvogel jetzt wieder eingefallen ist. Zum Klischee gehört es auch, dass gerade dieser linkische Kerl die Liebe einer schönen Frau erringt: Diana Hanson ignoriert Biggs’ offensichtliche Fehler, weil sie sogleich seine wahren menschlichen Qualitäten erkennt. Auch hier zeigt sich Bond als weniger als SF-Autor denn als Märchenerzähler.

Lancelot Biggs zur Seite steht eine Galerie angemessen schräger Typen. Da ist der viel geplagte Käptn Hanson, ein bärbeißiger, mit allen Wassern der Milchstraße gewaschener Veteran der Weltraumschifffahrt. Die raue Schale verbirgt – es ist keine Überraschung – einen weichen Kern, doch der muss sorgfältig gesucht werden, weil sonst Hansons Zorn über jene kommt, die ihn, den Profi, ärgern. Die Vorschrift ist des alten Käptns Bibel, was ihn Biggs’ Eskapaden besonders schwer erträglich werden lässt. Hanson ist lehrfähig, doch immer wieder wird das auf harte Proben gestellt, die er – die Dramaturgie erfordert es – nicht besteht und effektvoll aus der Haut fährt.

Erneut einem gern gepflegten Klischee folgend, hat ausgerechnet dieser bärenhafte, eisenharte Raumschiffer eine wunderschöne Tochter, die ihrem Vater im Wesen sehr gleicht – ein Zug, der in den Vereinigten Staaten sowohl um 1940 als auch um 1950 natürlich nicht allzu offen ausgelebt werden durfte, da Diana primär eine Frauenrolle verkörpert und ihre Existenzberechtigung darin besteht, bedroht & gerettet zu werden, damit sie der Held anschließend heiraten und zur Mutter machen kann.

Als treuer Partner und „Watson“, der als Erzähler fungiert, fungiert Bert Donovan, genannt „Sparks“ (= „Funken“ aber auch „lustiger Kerl“), was ein alter Spitzname für Funker ist, womit die Funktion dieses Mannes an Bord der „Saturn“ ausreichend definiert ist. Sparks ist ein „Mann aus dem Volk“, der es beruflich nicht weit gebracht hat, obwohl seine Intelligenz immer wieder durchscheint. Er ist nicht nur der Chronist des |Saturn|, sondern auch Biggs’ Verbündeter, denn er bewundert den unkonventionellen Nachwuchsoffizier, auf den er offenbar eigene, unerfüllt gebliebene Berufs- und Lebensträume projiziert.

Auch sonst wird der Bondsche Kosmos von wandelnden Klischees bevölkert. Piraten wirken wie einer Oper entsprungen, „Raumgangster“ sind offenbar aus Al Capones Chicago ausgewandert. Soldaten sind schneidig, Köche chronisch unfähig, Siedler aus dem „Wilden Westen“ der Asteroidenfelder knallharte Jungs. Sie runden das Bild eines zutiefst sympathischen SF-Klassikers ab, der fern jeden Blastergeballers und oft unverhohlen sentimental eine Geschichte erzählt, auf welcher der Staub so dick liegt wie auf einer alten Flasche kostbaren Weins. Es wird Zeit, dass diese für das deutsche Publikum wieder einmal aus dem Regal genommen wird – nur: Kann die junge Leserschaft, die von „Warhammer“- oder „Star Wars“-SF geprägt ist, mit Lancelot Biggs noch etwas anfangen?

Nelson Slade Bond (geb. am 23. November 1908) ist einer der letzten Überlebenden des „Goldenen Zeitalters“ der Science-Fiction, das gegen Ende der 1930er Jahre in einem schöpferischen Urknall der literarischen Welt eine Unzahl unsterblicher Klassiker des Genres bescherte. Seine Familie stammt aus Nova Scotia, wanderte jedoch noch vor 1910 nach Scranton im US-Staat Pennsylvania aus und zog nach dem Ersten Weltkrieg nach Philadelphia um. Der junge Bond arbeitete in den 1920er Jahren u. a. als PR-Agent, beschloss aber 1932 zu studieren und besuchte bis 1934 die Marshall University in Huntington, West Virginia. In diesem Jahr heiratete Bond und beschloss eine Karriere als Schriftsteller. Zunächst schrieb er Artikel, wobei er sich vor allem mit seinen Arbeiten über das Briefmarkensammeln über Wasser hielt.

Bald versuchte sich Bond auch als Geschichtenerzähler. Die zahlreichen „Pulp“-Magazine seiner Zeit boten einen zwar schlecht zahlenden aber aufnahmefähigen Markt. 1937 konnte Bond seine erste Story veröffentlichen, der er in rascher Folge viele, viele weitere folgen ließ: Er wurde ein Profi, der von den nicht gerade üppigen Honoraren leben musste, die von den Magazinen seiner Epoche gezahlt wurden, und folglich fleißig produzierte, was gerade gewünscht wurde. Freilich gelang es Bond, trotz dieser Beschränkungen seine eigene Stimme zu finden und zu behaupten. Während er in seinen frühen Schriftsteller-Jahren thematisch praktisch jedes Thema der klassischen Science-Fiction (Invasion, Zeitreise, Raumflug, Apokalypse usw.) aufgriff, prägte er (wenn ihm die Zeit blieb) seinen einfallsreich-schnurrigen Geschichten bald seinen trockenen, aus heutiger Sicht liebenswert verstaubten Sinn für Humor auf, den besonders seine Storys um den verschrobenen Anti-Raumhelden Lancelot Biggs unsterblich machten.

Bond arbeitete darüber hinaus für Radio, Fernsehen und Bühne. Seine Schriftstellerkarriere gab er Ende der 1950er Jahre weitgehend auf und kehrte in die Public Relation zurück. Später gründete er einen Laden für antiquarische Bücher. Nur noch selten schrieb er, blieb aber der SF-Szene verbunden. Mitte der 1990 Jahre erklärte er offiziell seinen „Rücktritt“ und wurde von den „Science Fiction Writers of America“ mit dem Titel eines „Author Emeritus“ geehrt. Seine persönlichen Unterlagen übergab Bond dem Archiv der Marshall University. Allerdings verfasste er noch seine Memoiren. Der fast hundertjährige Bond lebt heute in Roanoke, Virginia.

(Nelson Bond hat keine eigene Website, ist aber trotzdem im WWW stark präsent. Zu den ausführlichsten und schönsten Sites, die sich mit seiner Person und seinem Werk beschäftigen, zählt http://www.marshall.edu/library/speccoll/virtual_museum/bond/default.asp. Hier gibt es auch Links auf weitere interessante Bond- und SF-Websites.)