Archiv der Kategorie: Fantasy / Science-Fiction

Blazon, Nina – Rückkehr der Zehnten, Die

Noch nichts von Nina Blazon gehört? Nun, das sollte sich schnell ändern. Diejenigen, die bereits Romane der Autorin gelesen haben, wissen warum. Klar, die Bezeichnung „ein neuer Stern am Fantasy-Himmel“ mag hochgegriffen klingen, zumal sich in letzter Zeit viele mit solchen und ähnlichen Titel schmücken lassen. Doch selbst wenn es auf die meisten aufstrebenden Jungschriftstellern (noch) nicht zutrifft, heißt das nicht, dass sich niemand damit rühmen kann.

Nina Blazon, Jahrgang 1969 und geboren in Koper, legt mit „Die Rückkehr der Zehnten“ bei |Ueberreuter| einen für sich allein stehenden Fantasy-Roman vor. Eine bereits lobenswerte Tatsache, quellen die Regale der Fantastikabteilung in der Regel doch mit Serien, Zyklen und unüberschaubar langen Reihen über. Die Geschichte ist bündig auf knapp 350 Seiten erzählt; eine für die Fantasy ungewöhnlich kurze Erzählung. Und doch entfaltet sich der Roman in voller Blüte und baut ein Welt auf, die in manch bücherüberspannenden, langen Sagen nicht so plastisch rüberkommt.

Die Zwillinge Lis und Levin sind zusammen mit ihrer Mutter für ein paar Tage zu Verwandten nach Slowenien gereist. Obwohl sie ein gutes Verhältnis zu Onkel und Tante haben, sind die beiden, vor allem Levin, über den kurzfristig eingeplanten Urlaub im Mittelmeerstädtchen Piran nicht sehr erfreut. Levin, leidenschaftlicher Live-Rollenspieler, hatte nämlich schon lange im Voraus für eine Convention zugesagt, auf der er wie üblich in die Rolle seiner Lieblingsfigur Karjan, einem Hohepriester des Gottes Swantewit, schlüpfen wollte. Seine Mutter ließ sich von ihrem Plan jedoch nicht abbringen und untersagte ihrem Sohn die Teilnahme an dem Rollenspieltreffen.

„Die Rückkehr der Zehnten“ beginnt geschickt mit der Beschreibung einer Kampfszene, die Levin in der Rolle des Priesters darstellt. Was zunächst als normaler Kampf innerhalb einer im Roman aufgebauten Fantasy-Welt anmutet, entpuppt sich wenig später als aufgenommenes Videotape, das Levin und seine Schwester Lis ihren Cousins vorspielen. Der packende Einstieg ermöglicht eine direkte Identifikation mit den beiden Hauptfiguren und schlägt eine Brücke zwischen der realen und der Fantasy-Welt. Gleich zu Beginn wird klar, dass Levins Fähigkeiten als Priester und Lis eher ablehnende Haltung gegen das Hobby ihres Bruders eine wichtige Rolle spielen werden. Die Charakterentwicklung der Geschwister wird gleich auf den ersten Seiten verankert und gut motiviert. Während die Figuren und ihre Beziehungen vorgestellt werden, entwickelt sich zeitgleich die Handlung.

Denn Lis und Levin finden, während sie im Meer schwimmen gehen, ein Medaillon, das tief unten auf dem Meeresboden liegt. Überrascht von dem Fund, halten sie es zunächst geheim. Doch die eigenartige Innschrift, die keiner ihnen bekannten Sprache zuzuordnen ist, fesselt sie so sehr, dass sie eine Abschrift vornehmen und diese im Museum vorzeigen. Der Museumswächter reagiert mürrisch, nimmt sich jedoch die Zeit, die Schrift zu analysieren. Auch ihm ist sie unbekannt, er mutmaßt und datiert sie aber auf eine längst vergangene Epoche. Anhand ähnlicher ihm bekannter Schriftzeichen glaubt er das Wort „Desetnica“ darin zu lesen. Ein Begriff, der für die zehnte Tochter steht, die alten Aufzeichnungen nach Unglück über eine Familie brachte, sofern sie nicht geopfert wurde.

Mehr verwirrt als durch die Antwort befriedigt, machen sich die Lis und Levin wieder auf den Heimweg. Doch es passiert, was passieren musste. Während die beiden eines Abends am Strand entlangspazieren, taucht aus dem Nebel eine Stadtmauer auf dem Wasser auf. Levins Neugier ist stärker als die Angst, und so packt er Lis und bahnt sich einen Weg hinüber – direkt in die Welt des Medaillons, in der sich die Sage um die Desetnica erfüllen sollte.

Mit dem schnellen Einstieg und sympathischen Protagonisten gelingt es Nina Blazon, sofort eine Atmosphäre aufzubauen, die bis zur letzten Seite des Buches aufrecht erhalten werden kann. Erst im Nachhinein wird deutlich, dass die kleinen Verwicklungen und Ereignisse der ersten 50 Seiten das Grundmuster für den weiteren Verlauf der Handlung bilden. Dadurch schafft es die Autorin, all ihre Handlungsfäden geschickt und logisch zu verknüpfen. Auch die Charaktere sind gut durchdacht und überzeugend dargestellt. So ist Lis, aus deren Sicht der gesamte Roman erzählt wird, zunächst ein wenig schüchtern und über Levins Eigenarten nicht sehr erbaut. Als sie beide schließlich in die fremde Welt reisen und Lis Bruder in der Rolle des Priesters, den er schon beim Rollenspiel verkörperte, regelrecht aufgeht, fühlt sie sich mehr als unwohl und will nur noch nach Hause zurückkehren. Doch mit jedem weiteren Tag, an dem ihr Vorhaben scheitert, knüpft sie engere Kontakte zu den Bewohner der Stadt Antjana, lernt ihre Wünsche und Sehnsüchte kennen und erfährt, dass es kein Zufall, sondern Schicksal war, in diese Welt gelangt zu sein.

Denn eine Gruppe von Priestern beherrscht die Stadt mit eisiger Hand und lässt keine Gnade mit denen walten, die Poskur, ihrem Gott des Feuers, nicht huldigen. Unruhe breitet sich aus, denn vor den Mauern der Stadt liegt ein Heer der Sarazenen, angeführt von der Desetnica, die sich einst aus der Stadt retten konnten und nun das Volk von den Priestern befreien will. Ein gefährliches Spiel beginnt, denn während sich Levin das Vertrauen bei den Priestern zu erschleichen versucht, schließt sich Lis einer Untergrundbewegung an, die die Rückkehr der Zehnten vorbereiten wollen. Eine Gruppe von Menschen, die als Zeichen dasselbe Medaillon tragen, das auch Lis bei sich hat.

Ohne weiter auf spezifische Details einzugehen, sei so viel gesagt: „Die Rückkehr der Zehnten“ packt den Leser schon auf der ersten Seite und lässt ihn nicht mehr los. Die archaische Welt Antjanas, die der Schreckensherrschaft der Priester ausgesetzt ist, bietet einen überschaubaren Ort der Handlung und verläuft sich nicht in einer überdimensionalen Fantasy-Welt. Die Spannung bleibt konstant hoch, immer wieder nehmen Ereignisse ihren Lauf, die zu überraschenden Wendungen führen. Und doch bleibt genug Zeit, die Figuren angemessen zu beschreiben und sie überaus lebendig wirken zu lassen. Bis auf wenige Ausnahmen innerhalb der Priestergilde, die wirklich keine guten Eigenschaften aufweisen und durch und durch als verabscheuungswürdige Gegenspieler aufgebaut werden, sind die meisten Personen weder ganz weiß noch ganz schwarz. Dass das Ende hierbei klassisch mit einem typischen Happy-End ausklingt, fällt nicht negativ ins Gewicht, werden doch alle bis dahin noch losen Enden verknüpft und zu einem würdigen Abschluss gebracht.

Nina Blazon schafft mit „Die Rückkehr der Zehnten“ das, was generell einen guten Fantasy-Roman ausmachen sollte. Das Buch ist unterhaltsam, spannend, logisch, durchdacht und bis zur letzten Seite fesselnd. Wer Nina Blazon also immer noch nicht kennt, kann mit diesem Roman einen guten Einsteig wagen. Und nach der Lektüre dieses Buches wird es sicher nicht das einzige Werk dieser Autorin gewesen sein, das von nun an den heimischen Bücherschrank schmücken wird.

[Fantasy bei Ueberreuter]http://www.ueberreuter.de/ueberreuter/index.php?usr=&phd=4&content=22

Meißner, Tobias O. – Paradies der Schwerter, Das

_Das Paradies der originellen Ideen._

Tobias O. Meißner steht für ehrgeizige literarische Projekte, deren Erschaffung nichts mit üblichen Herangehensweisen zu tun haben: [„Im Zeichen des Mammuts“ 1938 zum Beispiel, Meißners aktuelles Projekt, verarbeitet die Ergebnisse einer siebenjährigen Rollenspielkampagne.

„Das Paradies der Schwerter“ steht dem nicht nach. Es gibt keinen allmächtigen Autor, der die Story auf ein geplantes und geglättetes Finale zusteuert, stattdessen erschuf Meißner ein Ensemble aus sechzehn Kämpfern, versah sie mit Zahlenwerten, die ihre Stärken und Fähigkeiten repräsentierten, schickte sie in ein Turnier um Leben und Tod, loste die Kampfpaarung selbst aus und würfelte schließlich den Gewinner heraus …

_Rollenspiel-Reality._

Damit wäre über die Story an sich alles gesagt, aber wer nun eine tumbe Schlachtenorgie erwartet, liegt vollkommen falsch. Die erste Hälfte des Buches beschreibt sie erst einmal alle: Die zukünftigen Teilnehmer, die Favoriten, die Veranstalter, von jedem werden die Motive aufgedeckt, manche edel, manche naiv und manche schändlich. Ein Wilderer muss das Turnier bestreiten, als grausame Alternative zu seiner Todesstrafe, weil er ein ganzes Herzogtum aufgemischt hat, ein sadistischer Patrizier nimmt an den Kämpfen teil, ein gedungener Mörder, ein Menschenfresser, zwei naive Brüder, ein noch naiverer Mönch, ein schweigsamer Waffenloser, ein frustrierter Jahrmarktsboxer, ein Gladiator, ein verhüllter Edelmann mit blutroter Klinge, ein mürrischer Kopfgeldjäger, ein Messerkämpfer, ein Barbar mit einem Pflug (!!!), ein trunksüchtiger Söldner, und Publikumsliebling Cyril Brécard DeVlame, der mit zuckendem Degen schon zwei solcher Leben-Tod-Turniere gewonnen hat.

In spannenden kleinen Nebengeschichten entwickelt Meißner seine Kämpfer, und sofort beginnt man sich zu überlegen, ob derjenige auch eine Chance hat, das Turnier zu gewinnen, ob er es verdient hat, das Turnier zu gewinnen. Im zweiten Drittel des Buches marschieren sie dann endlich ein in die hölzerne Arena, und man kann es selbst kaum aushalten vor Spannung: Welcher Kämpfer ist wie gut? Wer wird gegen wen gelost werden? Die beiden Brüder doch nicht etwa gegeneinander!? Immerhin lost der Autor das aus; wenn es geschieht, wollte es das Schicksal …

Immer wieder lässt Meißner dann auch den Blick durch die Zuschauerränge schweifen, auf die Nebenfiguren, die ihre ganz eigenen Erwartungen an die Kämpfe haben, die sich den Tod Bestimmter wünschen, oder den Sieg Anderer, weil ihre materielle Existenz davon abhängt. Auch hier lässt der Autor den Leser alleine: Es gibt keinen Protagonisten, niemanden, der „die richtige Sicht der Dinge“ vertritt, sondern eine Ansammlung von Individuen und Standpunkten, die man entweder teilen oder verabscheuen kann oder irgendetwas dazwischen.

Und als ob die Spannung noch nicht knisternd genug wäre vor dem ersten Kampf, geben noch zwei Buchmacher ihre professionelle Meinung ab und lenken die Aufmerksamkeit auf Details, die dem Leser ohne Turniererfahrung nie aufgefallen wären: Kämpfer XY mag ja geschickt mit dieser Waffe sein, aber gegen die Rüstung von Kämpfer AB wird er seine Probleme haben …

_Aleae jactae sunt._

Die Würfel sind gefallen. In der zweiten Hälfte des Buches wird gelost und gekämpft, punktum. Mehr zu verraten, wäre vorsätzlicher Spannungsmord. Nur so viel sei dem Leser anvertraut: Meißners Würfel nehmen auf gar nichts Rücksicht … und es ist ein seltsames Gefühl, wenn man das Buch wieder zuschlägt, ein Gefühl, das lange hängen bleibt und immer wiederkehrt, wenn einem der Einband ins Auge springt.

_Fantasy fern vom Kindchenschema._

„Das Paradies der Schwerter“ ist ein kompromissloses, düsteres und nachhaltiges Buch, das man jedem Freund moderner Fantasy ans Herz legen kann. Meißner ist kein Schwafler, seine Szenen enthalten keinen unnötigen Info-Ballast und starten immer mitten in der Handlung. Zeit zum Verschnaufen gibt es nie, selbst die „Erklärungspassagen“ beschränken sich nicht auf schlichtes „Erzählen“, sondern sind immer in Handlungsabläufe oder Dialoge eingebettet.

Trotzdem mag ich mich nicht ganz den Lobgesängen der Presse hingeben, denn für einen „absoluten Triumph“ genügt es dann doch nicht. Die knappe Sprache sorgt für Rasanz, hat dafür aber auch wenig Platz für Bilder, Gerüche und lebendige Eindrücke. Dazu kommt, dass Meißner manchmal einen Hang zu recht unschönen Schachtelsätzen hat.

Aber das war’s dann auch schon mit der Kritik. „Das Paradies der Schwerter“ ragt nämlich kilometerweit aus der Masse zuckriger Zauberstab-Fantasy heraus, nicht nur durch die Art, wie es entstanden ist: Es gibt keine heroische Verklärung, das Turnier ist eine schmutzige, voyeuristische Angelegenheit, von Ehre weit und breit keine Spur. Der Leser selbst macht diese Entwicklung mit, von anfänglicher, naiver Begeisterung hinab zu angeekelter Ernüchterung.

|Jetzt fingen die Wächter an zu kichern. „Gerechtigkeit?“ gluckste einer von ihnen. „Und die suchst du ausgerechnet hier, du armes Schwein?“|

„Das Paradies der Schwerter“ ist eine straffe, abgeschlossene Story, die durch würfelbedingte Wendungen auch den erfahrensten Leser zum Mitfiebern nötigt. Wer auf der Suche nach Helden und großen Epen ist, braucht dieses Buch gar nicht erst anzufassen, dem Dark-Fantasy-Leser jedoch dürfte dieses dunkle Gebräu hervorragend munden: bitter wie das Leben, mit einem blutigen Nachgeschmack von Staub und Dreck. Nun denn. Wohl bekomm’s!

|Siehe dazu auch das [Interview]http://www.buchwurm.info/artikel/anzeigen.php?id=35 mit dem Autor über „Das Paradies der Schwerter“ vom Juli 2004.|

Hoffmann, Horst – galaktische Rallye, Die (Magic Edition, Band 9)

Als ich bei Erwähnung des Titels „Die galaktische Rallye“ an die legendäre Trickfilm-Serie „Space Race“ dachte, lag ich damit anscheinend gar nicht mal so verkehrt. Tatsächlich glänzt auch die von „Perry Rhodan“-Autor Horst Hoffmann erstellte Story durch ziemlich abgedrehten Humor, der auf den abwegigsten, aber letztendlich doch klar durchschaubaren Ideen beruht. Damit ist „Die galaktische Rallye“ sicherlich auch der ungewöhnlichste Vertreter der „Magic Edition“ aus dem |BLITZ|-Verlag und will auch nicht so ganz in die Serie hineinpassen, was aber sicherlich nicht heißen soll, dass man dieses Buch als Fan der feinen Reihe nicht trotzdem lesen darf.

_Story:_

Die verschiedenen Völker des Universums haben beschlossen, die Herrschaft über das Weltall neu zu strukturieren. Doch statt einen Krieg um den Thron über die Galaxis zu entfachen, soll ein Wettrennen zwischen den Raumschiffen der verschiedenen Gruppierungen stattfinden, bei dem dann das siegende Volk ermittelt werden soll. Während die Kul-Uys mit einem Bierflaschen-ähnlichen Konstrukt (siehe Cover) ins Rennen gehen und dabei ihrem Ruf als alkoholabhängige Sippe vollends gerecht werden, machen die Treehs mit den einst eingesperrten Knastorianern gemeinsame Sache und werden von ihnen übers Ohr gehauen. An anderer Stelle kämpfen Frauen um die Macht: Bei den Goobhins wird ordentlich um die Führungsposition gerangelt, was natürlich nur Stress einbringt. Für die Terraner geht ein gewisser Oberst Julius von Wolkenheim an den Start, der schwer mit seiner General-Attitüde zu kämpfen hat und deswegen mehrfach sein Schiff demoliert. Deswegen hat er auch keinen einfachen Stand in der galaktischen Rallye, die jedoch nur mit Intrigen und Bösartigkeiten zu gewinnen zu sein scheint.

Der Startschuss ist gefallen, die Punkte einbringenden Aufgaben sind verteilt und die Hindernisse aufgestellt – jetzt geht es für die Beteiligten nur noch darum, mit größtmöglicher Hinterlist und dem ständigen Drang, seinen Gegnern Böses anzutun, um die Führungsposition zu boxen. Aber auch die Ankunft am Ziel als solche ist schon eine große Herausforderung, der nicht jedes Raumschiff gewachsen zu sein scheint …

_Meine Meinung:_

In gewisser Weise kann man den Inhalt dieses kurzweiligen Romans als die deutsche Antwort auf den durchgeknallten Douglas Adams bezeichnen. Wären da nicht einige Schönheitsfehler, dürfte man Autor Horst Hoffmann sogar auf eine Stufe mit dem Kultautor von der Insel stellen. Der Unterschied zu besagtem Adams besteht jedoch darin, dass nicht alle Aspekte der Handlung von „Die galaktische Rallye“ wirklich schlüssig sind. Aber das ist in der begrenzten Spanne von 224 Seiten auch kaum zu realisieren, zumal Hoffmann sich im zweiten Teil ziemlich oft wiederholt oder bereits Bekanntes unnötigerweise rezitiert. Dies liegt jedoch daran, dass die Story damals in etwas größerem Zeitraum über zwei Bände verteilt auf den Markt gekommen ist. Der Lesefluss ist dadurch gerade zur Halbzeit stark eingeschränkt, weil man von den ständigen, wenn auch nicht ausufernden Rückblicken bald genervt ist.

Hoffmann verbringt allerdings – und das muss man ihm zugute halten – nicht allzu viel Zeit damit, die einzelnen Völker und ihre wichtigsten Vertreter vorzustellen. Mit den ersten Seiten ist man direkt in der Story drin, und sofern man noch Hintergrundinformationen zu den jeweiligen Gruppen benötigt, wird man sie im Laufe des Buches an passender Stelle erfahren. Diese Tatsache hilft dem Autor auch dabei, die Spannung mitsamt einiger ungeklärter Geheimnisse aufrecht zu erhalten. Doch von Spannung im klassischen Sinne darf man bei „Die galaktische Rallye“ jetzt nicht sprechen; es steht eher die Frage im Raum, welche ausgefallene Idee sich Hoffmann für den nächsten Zwischenfall auf dem Weg zum Ziel hat einfallen lassen.

Der Humor ist dabei allerdings Geschmackssache; sicher, anfangs wird noch jeder schmunzeln, wenn Oberst von Wolkenheim seine Fähre anhimmelt, oder wenn die Tanks der „Bottle Of Beer“ von den Kul-Uys (natürlich nicht, ohne vorher selber die Geschmacksprobe gemacht zu haben) mit neuem Gerstensaft befüllt werden, doch mit der Zeit wiederholen sich die Gags in ihrer Machart und die skurille Wirkung verfliegt infolgedessen auch ein wenig. Und so etwas wäre einem vollkommen bekloppten und gerade deswegen genialen Autor wie Douglas Adams nicht passiert.

Unterhaltsam ist „Die galaktische Rallye“ aber allemal, dafür sorgen schon die unheimlich witzigen Charaktere und überhaupt der ganze Rahmen, in dem dieser außergewöhnliche Wettkampf stattfindet. Die schlichte Sprache trägt hierzu einen nicht zu unterschätzenden Teil bei und hilft einem selbst in den etwas konfuseren Abschnitten dabei, die jeweilige Situation auf Anhieb zu erfassen. Es gibt jedenfalls keine Stelle, in der man plötzlich nicht mehr wüsste, was jetzt genau Sache wäre – auch nicht beim sehr direkten Einsteig, dessen Hintergründe umgehend aufgelöst werden. Es ist nur manchmal so, dass einige Passagen keinen direkten Sinn und, wie eingangs erwähnt, im Hinblick auf den gesamten Plot keinen erkennbaren Zusammenhang ergeben. Wer das seltsame Ende bereits kennt, wird diese Worte verstehen. Humor um der Lustigkeit willen ist dies zwar nicht, dafür sind die vielen unmterschwelligen Attacken auf die einzelnen Randgruppen der Gesellschaft zu bissig und auch zu gut verpackt, aber dieses Mittel als ausschließliches Element eines Buches zu verwenden, ist in diesem Fall nicht immer glücklich gewählt.

Wer Douglas Adams zu seinen Heldern zählt, sollte sich aber dennoch mal mit dem zweieinhalb Dekaden alten Werk des „Perry Rhodan“- und neuerdings auch „Titan“-Autors befassen. Ich habe es trotz der einzelnen Mängelpunkte nicht bereut, dieser irrwitzigen Wettfahrt einen Abend gegönnt zu haben. Vielleicht auch, weil ich hierdurch in meiner Betrachtung von Douglas Adams als unantastbarem Gott in diesem Genre enorm bestärkt wurde!

http://www.BLITZ-Verlag.de

Knaak, Richard A. – Erwachen, Das (WarCraft: Krieg der Ahnen, Buch 3)

Band 1: [„Die Quelle der Ewigkeit“ 1258
Band 2: [„Die Dämonenseele“ 2337

Die Stimmung auf Seiten der Verteidiger Kalimdors ist nicht die allerbeste. Die anfänglichen Erfolge im Kampf gegen die Brennende Legion erweisen sich schnell als trügerisch. Als dann noch der eitle Nachtelfen-General Stareye seinem Schöpfer gegenübertritt, glaubt trotz des unterstützenden Eingreifens der Tauren, Irdenen und Furbolgs kaum einer der Helden mehr an einen Sieg. Doch Kalimdors Götterwelt ist groß und es bedarf nur eines kleinen Anstoßes, die trägen Überirdischen zu mobilisieren.

Dieses ist – wie so oft – Malfurions Aufgabe. Erstens soll er seinen Mentor, den Waldhalbgott Cenarius anspitzen, damit dieser seine besonders gesegneten Kumpel von der „anderen Seite“ scharf aufs Dämonen-Hauen macht.

Zweitens soll er Selbiges mit den Drachen versuchen. Die Flattermänner haben nach Neltharions brutaler Machtübernahme den Flattermann gemacht und hocken nun irgendwo im smaragdgrünen Traum, die Flügel schützend über ihre Köpfe gelegt. Immerhin gelang es Krasus, Brox und dem Druiden zwischenzeitlich, dem üblen Erdwächter seinen Baseball-Schläger, die Dämonenseele, abzujagen; leider waren sie dämlich genug, sie im gleichen Atemzug an den zur Legion übergelaufenen Illidian zu verlieren.

Irgendwie schafft es Malfurion tatsächlich, beide Nachrichten korrekt zuzustellen und schon geht das große Match “Götter & Drachen & Restbevölkerung vs. Dämonen” in die finale Runde. Der Sieger erhält einen hübschen Pokal, einen Kuss von Tyrande und die Herrschaft über Kalimdor.

Nachdem Knaak schon im zweiten Band einen angeschlagenen Eindruck machte, geht er nun endgültig zu Boden. Knockout in der dritten Runde! Selbst sein nach wie vor gefälliger Stil vermag es nicht, die wirre Story zu retten, den Charakteren oder der Welt Kalimdor Leben einzuhauchen.

Viele, viele Helden und noch mehr (Quasi)Götter – zuweilen stellt sich der Leser die Frage, wie und wo zwischen allen den Göttern, Halbgöttern, Drachen, Halbdrachen, Dämonen, Halbdämonen, Satyrn, Titanen, Aspekten und Herrn Tur Tur, dem Scheinriesen, humanoide Lebensformen überhaupt noch Platz zum Atmen finden – bedeuten den totalen Figuren-Overkill.

Die logische Konsequenz ist, dass keiner der Protagonisten auch nur annähernd differenziert gezeichnet ist. Klischeehafte, eindimensionale Charaktere stolpern von einem Kampf in den nächsten, sodass man nach der Hälfte des Buches versucht ist, darum zu betteln, der Ober-Dämon Sargeras möge endlich Klaimdor betreten und dem ganzen Übermenschengesocks den Garaus machen. Doch ein ums andere Mal heißt es nur, „bald ist es soweit“, „das Portal ist fast offen“, „noch wenige Augenblicke“, „eigentlich sollte er schon da sein“, etc.; und so quält sich der Leser durch immer neue Kämpfe und noch mehr Götter und noch mehr Zauber und noch mehr langweilige Szenen.

In wenigen – genau genommen zwei – Passagen kommt tatsächlich etwas Spannung auf, blitzt ein Funke Originalität durch den trüben Schlachtennebel. Dieses sind die Momente, in denen der Erdwächter, Neltharion (aka Deathwing), in das Geschehen involviert ist. Doch bedauerlicherweise sind diese Stellen für die Geschichte letztlich vollkommen unerheblich. Dies lässt sich auch über Tauren und Irdenen sagen, die kaum mehr als nur erwähnt werden – natürlich mit ähnlich dämlichen englischen Nachnamen (Ironcutter, Highmountain) wie ihre nachtelfischen Brüder (Shadowsong, Ravencrest, Whisperwind, …) – und damit, bar jeglichen eigeständigen kulturellen Backgrounds, allenfalls einen peinlichen Kniefall vor den „World of Warcraft“-Spielern unter der Leserschaft darstellen.

Unterm Strich scheitert Knaak daran, in drei Bänden Kalimdor mit Leben zu erfüllen und ein kohärentes Pantheon zu entwerfen. Was als epische Story begann, endet in einem kleinkarierten Hack ’n’ Slay.

Wie schon der zweite Band der Trilogie bietet auch dieser dritte magerste Fantasy-Durchschnittskost ohne Höhepunkte oder originelle Ansätze, wobei es ist nicht auszuschließen ist, dass sich Fans der Warcraft-PC-Spiele an der wirren und tumben Action tatsächlich ergötzen.

© _Frank Drehmel_
|Diese Rezension wurde mit freundlicher Genehmigung unseres Partnermagazins [buchrezicenter.de]http://www.buchrezicenter.de/ veröffentlicht.|

Nina Blazon – Im Reich des Glasvolks (Woran-Saga 3)

Band 1: [„Im Bann des Fluchträgers“ 2350
Band 2: [„Im Labyrinth der alten Könige“ 2365

Mit „Im Reich des Glasvolks“ beendet Nina Blazon ihre Worantriologie und geht dabei den Weg weiter, den sie bereits mit dem zweiten Band eingeschlagen hat. Auch dieses Mal halten wir keine direkte Fortsetzung in den Händen, sondern ein eigenständiges Buch, das zwar auf die anderen Bücher Bezug nimmt, aber einige Jahre später spielt.

Erneut hat ein Generationenwechsel stattgefunden. Die Hauptperson in diesem Buch ist zum ersten Mal weiblich und die Tochter von Julin und Haliz, die in „Im Labyrinth der alten Könige“ die Protagonisten waren. Jonnvinn, so der Name ihres ältesten Kindes, wird seit geraumer Zeit von Albträumen gequält, in denen wiederholt ihre kleine Schwester Nive, die eine Ausbildung als Glasmacherin im Nachbarland Fiorin macht, stirbt. Sie spürt, dass ihre Schwester in Gefahr ist und an dem Tag, an dem Ravin va Lagar und Amina, Jonns Großeltern, gekrönt werden, reitet sie spontan nach Ganarr. Zusammen mit Karis, dem Pferdeknecht, der unsterblich in Nive verliebt ist, wollen sie die Glasmacherin auftreiben, doch als sie ihre Werkstatt erreichen, erfahren sie, dass die junge Frau vor wenigen Tagen in die Wüste aufgebrochen ist. Sie versucht dort, das legendäre Volk im Glas zu befreien und will dabei auf Kräfte zurückgreifen, die seit Generationen in ihrem Blut schlummern. Dabei tritt sie einen Wüstenkrieg los und bugsiert ihre große Schwester zwischen die Fronten …

„Im Reich des Glasvolks“ beginnt eigentlich sehr spannend. Jonn erwacht schweißgebadet aus ihrem Albtraum und der Leser ahnt, dass hier etwas auf ihn zukommt. Er hofft es jedenfalls, denn schließlich hat Frau Blazon ihn in ihren anderen Büchern, was Spannung und geradlinige Handlungen angeht, sehr verwöhnt. Doch leider wird er dieses Mal enttäuscht. Die Handlung ist dieses Mal übereilt und scheint kein wirkliches Ziel zu haben. Ihr fehlen Hand und Fuß und sie weist einige Unebenheiten auf, die das Wohlbefinden stören. Durch ständige Orts- und Personenwechsel kommt unglaublich viel Unruhe in die Geschichte und es entsteht der Eindruck eines ziemlichen Durcheinanders. Das wundert, weil Blazon sonst immer ein sicheres Händchen für ihre Plots bewiesen hat, doch dieses Mal zittert sie deutlich. Auch die Längen in der Mitte passen so gar nicht zu den ersten beiden Bänden der Woransaga. Besonders auf den ersten, „Im Bann des Fluchträgers“, wird in diesem Buch Bezug genommen. Vor allem am Anfang werden immer wieder Geschichten von Ravins Abenteuer erzählt, so dass manchmal der Eindruck einer Nacherzählung aufkommt und die Eigenständigkeit verloren geht.

Auch die Charaktere bleiben dieses Mal etwas hinter den Erwartungen zurück. Jonn und Karis, die einen Großteil des Buches bestreiten, wirken seltsam oberflächlich und eindimensional. Ihre Persönlichkeit kommt kaum zum Ausdruck und dementsprechend schwer fällt es dem Leser, sich mit ihnen zu identifizieren. Anders sieht es da mit Nive aus. Sie weist immerhin einige klar abtrennbare Wesenszüge auf, doch hinterlassen diese leider einen unauthentischen Eindruck. Ihre Fixierung auf das Glasvolk wirkt sehr unreal, wodurch der Eindruck von Schwarzweiß-Zeichnung bei den Schwestern entsteht.

Der Schreibstil ist dagegen der Gleiche geblieben. Immer noch schafft es Blazon, ein buntes, lebendiges Bild ihrer gut durchdachten Welt zu zeichnen, ohne dabei zu viele Worte zu verschwenden. Das zeigt sich besonders, wenn es darum geht, Spezialitäten ihrer Fantasywelt einzuführen. In den meisten Fällen geschieht dies so gut wie gar nicht. Der Leser erschließt sich die Tiere und Pflanzen durch den Kontext, was in diesem Buch reibungslos verläuft. Während in den ersten beiden Bänden an einigen Stellen die Erklärungen gefehlt haben, werden sie im dritten Woranbuch dadurch gegeben, dass Jonn ebenfalls fremd in Fiorin ist. Leider greift die Autorin aber auch dieses Mal sehr oft zu unkonventionellen Metaphern und Vergleiche, die stellenweise etwas krumm geraten. „In der Morgendämmerung erschien die Wüste schmucklos wie eine Tänzerin, die ihr glänzendes Kleid noch nicht angelegt hatte.“ (Seite 218) ist nur ein Beispiel der dezenten Störfaktoren.

Nachdem ihr Debüt „Im Bann des Fluchträgers“ ihr nicht nur viel Lob, sondern auch den Wolfgang-Hohlbeinpreis eingehandelt hat und der Folgeband „Im Labyrinth der alten Könige“ dem Erstling kaum nachstand, wundert es, dass sich „Im Reich des Glasvolks“ als mittelmäßiges Fantasybuch outet. Die Handlung ist für Blazon’sche Verhältnisse sehr ungeordnet und lässt nicht nur einen straffen Handlungsstrang, sondern auch die Spannung missen. Der Schreibstil überzeugt zwar nach wie vor und präsentiert sich lebendig und farbenfroh wie eh und je, die Personen dagegen sind sehr blass geraten. Ein müder Abschluss für die Woransaga.

Gentle, Mary – 1610: Der letzte Alchemist

Mary Gentle (* 1956, Sussex) ist spätestens seit der [Legende von Ash, 303 für die sie im Jahr 2000 mit dem |British Science Fiction Award| sowie dem |Sidewise Award for Alternate History| ausgezeichnet wurde, als Spezialistin für die Verschmelzung von Historie und Phantastik bekannt.

Ihre akademischen Abschlüsse in Geschichtswissenschaft des 17. Jahrhunderts (Bachelor) und Kriegswissenschaft (Master) dürften ihr bei der Recherche für ihren neuesten Roman „1610“ nur zum Vorteil gereicht haben, denn eine der schillerndsten literarischen Figuren dieser Zeit hat sie sich zum Helden auserkoren:

Valentin Rochefort, Spion, berüchtigter Duellant und oft auch gedungener Mörder. Bekannt als einer der schillerndsten Antagonisten der drei Musketiere in den Romanen von Alexandre de Dumas, wurde Rochefort auch in zahlreichen Verfilmungen vom Schurken bis hin zum stets gegen d’Artagnan verlierenden Finsterling charakterisiert.

Mary Gentle stellt Rochefort aus einer völlig neuen Sicht dar: Sie lässt ihn und auch andere Handlungsträger aus ihren fiktiven Memoiren erzählen. Rochefort präsentiert sich als ein sehr objektiver und amüsanter, sogar selbstkritischer Ich-Erzähler.

_Königsmörder wider Willen_

Rochefort wird vom Jäger zum Gejagten: Er soll im Auftrag der Königin, Maria von Medici, ein Attentat auf Heinrich IV. verüben. Weigert er sich, wird man seine Vertrauten Maignan und Santon umbringen. Doch Rochefort steckt in einem Dilemma: Als Gefolgsmann des Duc de Sully würde er damit seinen eigenen Herren, der ein gutes Verhältnis zum König pflegt, kompromittieren.

Also beschließt Rochefort, das Attentat zusammen mit dem unfähigen François de Ravaillac durchzuführen, in der festen Gewissheit, dass man diesen töten und das Attentat scheitern wird. Der Rest ist Geschichte: Das Attentat gelingt wider Erwarten, und Rochefort muss aus Frankreich fliehen – gejagt von den Agenten Maria von Medicis wegen Mitwisserschaft und offiziell als vermutlicher Beteiligter an der Ermordung des Königs. Zudem muss Sully ihn für einen Verräter halten.

Begleitet wird Rochefort auf seiner Flucht von dem jungen Duellanten Dariole, den er abgrundtief hasst; da die beiden sich in den vergangenen Tagen jedoch wiederholt für die Öffentlichkeit sichtbar getroffen haben, ist auch Darioles Leben in Gefahr. Auf der Flucht nach England retten sie an der Küste Frankreichs den gestrandeten japanischen Samurai Saburo, der dem englischen König James ein Geschenk überbringen soll.

In England angekommen, geraten die Drei unter den Einfluss des Mathematikers und Astrologen Robert Fludd. Fludd kann die Zukunft berechnen und vorhersagen, und was er sieht, gefällt ihm nicht. Rochefort versucht sich ihm zu entziehen, doch Fludd kennt alle seine Winkelzüge bereits im voraus. Er wird von Fludd erpresst, die Zukunft nach seinen Vorstellungen zu verändern: Er soll König James ermorden; nach Fludds Berechnungen kann nur Rochefort das Attentat erfolgreich ausführen und die Zukunft in die gewünschte Richtung lenken. Doch nicht nur er beherrscht diese häretische Kunst. Die Karmeliterin Schwester Caterina warnt Rochefort: Sollte er James ermorden, wird eine ihm sehr wichtige Person innerhalb eines Monats ebenfalls sterben …

_Historie mit einem Hauch Phantastik_

„1610: Der letzte Alchimist“ ist der sehr unglücklich titulierte erste Band der Übersetzung von „1610: A Sundial in a Grave“. Denn Robert Fludd ist Mathematiker und Astrologe, kein Alchemist, und wer würde einen Rochefort als Hauptperson eines Romans mit diesem Titel vermuten?

Wie bereits „Die Legende von Ash“ wurde das Buch aufgeteilt, leider hielt es |Lübbe| nicht für nötig, darauf hinzuweisen. Bis auf den relativ nutzlosen Vermerk „Teil 1 & 2“ – von wie vielen? Der Übersetzer wird weder im Buch noch auf der Homepage von Lübbe genannt; ob es sich um Rainer Schumacher wie bei „Ash“ handelt, kann man nur vermuten. Das verwundert um so mehr, da die Übersetzung nur eine Bezeichnung verdient: erstklassig. Keine Flüchtigkeits- oder Setzfehler, flüssig zu lesen und stimmig. Was nicht gerade selbstverständlich ist, denn Mary Gentle lässt Engländer, Franzosen und sogar einen japanischen Charakter mit den typischen Redewendungen ihrer Sprache um das Jahr 1610 kommunizieren.

So endet das Buch leider bereits nach der etwas langen Einführung, die jedoch keineswegs langweilig ist. Die Vorstellung Rocheforts ist sehr gelungen, auch die anderen historischen Charaktere können überzeugen, Gentles Eigenschöpfungen Dariole und Saburo geben der Geschichte Würze und Humor. Die Ansichten Saburos über die in seinen Augen ungepflegten „Gaijin“ und der Konflikt zwischen europäischer und asiatischer Kultur, insbesondere bezüglich ihrer Ehrbegriffe, die für einen zwielichtigen Charakter wie Rochefort, der durchaus seine Art von Ehre besitzt, keine Entsprechung hat, sind das Salz in der Suppe. Der Pfeffer ist eindeutig der junge Messire Dariole, der den älteren Rochefort ständig in seinem Stolz verletzt und dessen Mordgelüste weckt, aufgrund der Umstände und seiner Schlagfertigkeit aber stets mit dem Leben davonkommt und einen vor Hassliebe schäumenden Rochefort zurücklässt. Der sprechende Name charakterisiert bereits seine Figur, „Dariolet“ bedeutet im Französischen in etwa Mitwisser, Vertrauter, aber auch Zuckerwerk oder Konfekt.

Bis auf die Prophezeiungen Robert Fludds ist das Buch durch und durch historisch exakt: Die Ermordung Heinrich IV. ist tatsächlich bis heute rätselhaft, man geht von einer Mittäterschaft eines Vertrauten des Königs aus, ansonsten hätte de Ravaillac niemals den König auf offener Straße dreimal niederstechen können. Mary Gentle hat diese Affäre geschickt in die Handlung eingebunden, die so auch abseits ihrer schillernden und unterhaltsamen Charaktere mit ihrer Finesse glänzen kann. Doktor Fludd, Caterina und Rochefort haben sehr unterschiedliche Ansichten darüber, wie die Zukunft aussehen sollte, während Fludd einen starken König wünscht, will Caterina eine Zukunft ohne Adel und Könige. Rochefort ist das alles gleich, er wird erpresst und steckt in einem Dilemma; wie er sich auch entscheidet, es scheint kein gutes Ende für ihn zu geben.

_Fazit:_

Rochefort ist eine weitaus gelungenere Hauptfigur als Mary Gentles Söldnerführerin Ash. Sie schafft es, den verrufenen Duellanten amüsant und sympathisch wirken zu lassen; der Kniff, die Geschichte aus dem Blickwinkel der Memoiren des sonst als Bösewicht bekannten Rochefort zu erzählen, ist gelungen.

Die historischen Elemente sind vorzüglich recherchiert und in Szene gesetzt, deutlich über den sonst üblichen Standards historischer Romane. Das fantastische Element beschränkt sich auf die mathematischen Zukunftsprognosen Fludds, die jedoch von höchster Brisanz sind. Mary Gentle spielt hier ein historisches Was-wäre-wenn-Spiel, bei dem sie jedoch hohe Voraussetzungen an das geschichtliche Vorwissen ihrer Leser stellt. Der Nachfolger von James I. / Jakob I. war sein Sohn Charles I. / Karl I., der unter dem berüchtigten Lordprotektor Oliver Cromwell enthauptet wurde; in der Folge erklärte das Unterhaus England für eine kurze Zeitspanne zur Republik.

Doch gerade diesen Machtverlust des Königs möchte Fludd verhindern. Ein Fehler in seinen Berechnungen? Mary Gentle erklärt diesen Widerspruch dem Leser an keiner Stelle, bevor das Buch unabgeschlossen endet; auch sonst setzt sie rücksichtslos Kenntnisse der Geschichte des 17. Jahrhunderts voraus. Auch wenn eine Aufteilung der Übersetzung in mehrere Bände nicht ungewöhnlich ist, der Mangel an Informationen über den Titel des Folgebands und der fehlende Hinweis, dass dieses Buch nur einen Teil des Originals darstellt, ist unverschämt und bewusste Irreführung.

Wer über das nötige Geschichtswissen verfügt, sollte dennoch zuschlagen. Ein vergleichbar intelligentes und unterhaltsames Lesevergnügen findet man bei historischen Romanen nur selten. Mary Gentle sprengt erneut die Grenzen des Genres, diese einzigartige Mischung aus Science-Fiction und Historie scheint ihr Markenzeichen zu werden.

Blazon, Nina – Im Labyrinth der alten Könige (Woran-Saga 2)

Nina Blazons Fantasydebüt [„Im Bann des Fluchträgers“ 2350 war nicht nur der Sieger des Wolfgang-Hohlbein-Preises 2002, sondern auch der Beginn der so genannten Worantriologie. „Im Labyrinth der alten Könige“ ist der Fortsetzungsband, allerdings spielt er viele Jahre nach Ravins und Darians gefährlicher Reise nach Skaris und hat auch eine ganz andere Hauptfigur.

Der rothaarige, musikliebende Zauberlehrling Julin darf Darian Danalonn, der mittlerweile ein legendärer Zauberer ist, auf seiner Reise nach Lom, das Land der Bergwerke, begleiten. Ihre Reise gestaltet sich weniger angenehm als erwartet, denn bereits vor den Stadtmauern werden sie von einer Horde Rebellen angegriffen, die sie, wie es scheint, fangen wollen, um ein Lösegeld zu erpressen. Die Stadtwachen von Lom können das jedoch verhindern und geleiten ihre Gäste sicher in die prächtige Stadt, wo Darian zusammen mit dem Magierzirkel von Lom einen Goldmacher kennen lernen soll, der behauptet, aus Steinen Gold machen zu können. Während dieser Vorführung kommt es zu einem tragischen Zwischenfall, bei dem Darian getötet wird, und obwohl ihn die Trauer fest im Griff hat, muss Julin bald feststellen, dass irgendjemand sein Spiel mit ihm zu treiben scheint. Der tote Darian ist nichts weiter als ein freigekaufter Minensklave, das heißt, dass sein Meister noch irgendwo in Lom sein muss. Zusammen mit der Jägerin Fenja und der Halbworan Haliz – der Tochter von Ravin und Amina – macht er sich auf die nicht ungefährliche Suche, denn in den Bergwerken Loms gelten andere Regeln als in der feinen, reichen Stadt. Kaum hat Julin sich versehen, wird er unschuldig in die Sklaverei verkauft und muss untertage schwer schuften. Das ist allerdings ein Glücksfall für ihn, denn sonst hätte er das Zeichen, das Darian in die Wand eines Stollens geritzt hatte, nie gesehen …

Was Nina Blazon mit „Der Bann des Fluchträgers“ begonnen hatte, wird in diesem Buch fortgesetzt. Auch dieses Mal erschafft die Autorin eine geradlinige Handlung mit viel Spannung, die sich nicht an nutzlosen Nebenhandlungen aufhält und trotzdem enorm viel Tiefe und Platz für das Gefühlsleben ihrer Protagonisten hat. Dieses positive Gesamtbild eines absoluten Pageturners wird eigentlich nur dadurch gestört, dass die Protagonisten in Bezug auf die Handlung an einigen wenigen Stellen zu voreiligen Schlüssen neigen, die nicht so ganz nachzuvollziehen sind.

Dem Leser des ersten Bandes wird die Welt, in der das Buch spielt, noch wohlbekannt sein, auch wenn es dieses Mal in ein anderes Land geht, aber der Quereinsteiger muss sich auch keine Sorgen machen. Durch den Generationenwechsel in der Besetzung lässt sich „Im Labyrinth der alten Könige“ unabhängig vom ersten Band der Triologie lesen. Man mag sich zwar zuerst wie ein unbeachteter Gast vorkommen, wenn man in diese zauberhafte, wunderbar durchdachte Welt mit Ecken und Kanten, Gebietsspezialitäten und kaum einem der unsrigen Welt ähnlichen Tiere oder Pflanzen betritt, da es sehr oft an direkten Beschreibungen von Ranjögs und Jalafrüchten mangelt, doch dies ist normal. Bereits im ersten Buch verzichtete Blazon weitgehend auf Erläuterungen zu den von ihr erdachten Tieren und Pflanzen, so dass der Leser sich diese selbst aus dem Kontext erschließen musste. Das ist auf der einen Seite ein geschickter Schachzug, weil dadurch die Fantasie des Lesers gefordert ist, auf der anderen Seite ist es aber auch bisschen schade, weil dadurch ab und zu Fragezeichen bleiben, wo eigentlich keine sein sollten.

Keine Fragezeichen bleiben bei den Personen, denn diese sind nicht nur wunderbar ausgearbeitet, sondern auch wunderbar authentisch. Wie auch im ersten Band schafft Blazon es erneut, einen Helden zu schaffen, der eigentlich keiner ist. Den Antihelden mimt Julin allerdings auch nicht. Er ist ein ganz normaler Junge (so weit man das bei einem angehenden Magier eben sagen kann), der sich selbst nicht besonders hübsch findet und manchmal ein bisschen arrogant ist, wenn er unter Druck steht. Er ist ziemlich mutig ohne dabei zu heldenhaft zu wirken. Julin ist auffallend menschlich, was im Fantasygenre leider nicht an der Tagesordnung steht. Auch die anderen Charaktere sind sehr authentisch gelungen.

Die bereits erwähnte Geradlinigkeit der Handlung setzt sich in Blazons Schreibstil fort, der es schafft, mit wenigen, einfachen Worten ein buntes Bild zu zaubern. Die Autorin verliert nur wenige unnötige Worte und schafft es, ohne Umwege auf den Punkt zu kommen. Sie verfällt dabei nicht in diese schwülstige Fantasysprache, sondern bleibt angenehm nüchtern. Allerdings benutzt Blazon neuerdings vermehrt unkonventionelle Metaphern, die nicht immer gelungen sind. „Als er sah, wie sie mit dem Eintreiber lachte, fühlte er plötzlich, wie in ihm ein kleines gelbäugiges Tier namens Eifersucht erwachte.“ (Seite 140) ist nur eine von ein paar eher missratenen Textstellen, die zwar selten, aber trotzdem störend sind.

„Im Labyrinth der alten Könige“ ist auf jeden Fall erneut ein überdurchschnittliches Buch aus der Feder der in Stuttgart lebenden Autorin. Allerdings kommt sie an den Esprit ihres Erstlings nicht ganz heran. Kleine Schwächen in Handlung und Schreibstil, die aber nicht wirklich ins Gewicht fallen, sind schuld daran, dass das Buch an einigen Stellen eher zum Stirnrunzeln als zum Weiterlesen einlädt.

Frank Beddor – Das Spiegellabyrinth

Der britische Autor Lewis Carroll schuf mit „Alice im Wunderland“ (1865) und dem Nachfolger „Alice hinter den Spiegeln“ (1871) zwei heute als Klassiker geltende Werke der Kinder- und Jugendliteratur. Auch jenseits dieser Alterklasse erfreuten und erfreuen sich diese Bücher großer Beliebtheit. Dies liegt vor allem an der fantasievollen Gestaltung des Wunderlands und seiner „Bewohner“. Mathematische Logik scheint in dieser Welt nicht zu existieren, weshalb es dort vor Absurditäten und Ungereimtheiten nur so wimmelt. So lieferten die Romane sowohl Gesprächsstoff für Intellektuellen-Diskussionsrunden, die sich gegenseitig naturwissenschaftliche Formeln um die Ohren hauen konnten, um zu beweisen, dass dieses oder jenes Ereignis der Handlung nicht möglich ist, als auch für jüngere Leser, die sich einfach nur über die lustigen Charaktere und deren Verwandlungen und Veränderungen austauschen konnten.

Frank Beddor – Das Spiegellabyrinth weiterlesen

Parzzival, S.H.A. – Gefühlsjäger (Titan-Sternenabenteuer 24)

Nun, die Begründung für den erneuten Wechsel des Veröffentlichungsrhythmus der „Titan“-Romane kann ich nicht so ganz nachvollziehen. Hier wird angegeben, dass in Zeiten von Hartz IV in Deutschland nicht mehr so viel Geld für die neulich unter dem Banner Social-Fiction firmierenden Sternenabenteuer übrig ist, weshalb die Bücher statt monatlich nur noch jeden zweiten Monat auf den Markt kommen. Das Komische hieran ist nämlich, dass die Seitenzahl seitdem ebenfalls sehr gekürzt wurde, so dass es die reine Netto-Story im aktuellen Band „Gefühlsjäger“ nicht mal mehr auf 140 Seiten bringt. Wie wäre es denn gewesen, wenn man die letzten beiden Romane in einem Buch zusammengefasst hätte? Schließlich gibt es vom BLITZ-Verlag auch andere Bücher, die bei gut doppelt so großem Seitenumfang ebenfalls für 9,99 € angeboten werden können … Nun ja, äußerst schwammig, diese seltsame Erklärung – gerade wenn man bedenkt, dass der neue Handlungs-Ableger in den letzten beiden Bänden nicht wirklich der Renner war. Aber gut, auf der anderen Seite hat „Gefühlsjäger“ trotz des merkwürdigen Beigeschmacks auch wieder ein Gutes: Die Geschichte wird wieder auf einen vernünftigen Kurs gebracht, und die Autoren (dieses Mal erneut der beim letzten Mal gescheiterte S.H.A. Parzzival) besinnen sich wieder vermehrt der ursprünglichen Science-Fiction-Basis. Recht so!

_Story_

Michael Moses gerät nach dem Zerfall seiner Metropole Germania weiter unter Beschuss; die Ökoterroristen haben eine monströse Killerkrake auf die Malediveninsel, auf der sich sein derzeitiges Domizil befindet, gehetzt, und diese kann erst im letzten Moment von Moses‘ Helfershelfern (darunter auch die „Titan“-Crewmitglieder Anaka Tagawa und Cyberjohn Five) unschädlich gemacht werden. Doch bei den beiden Abgesandten der CRC-Flotte macht sich mehr und mehr Skepsis breit: Irgendetwas auf dieser Insel geht nicht mit rechten Dingen zu. Da ist es ihnen nur recht, dass sie Moses in die Werft der CRC begleiten dürfen und diesem mysteriösen Platz entfliehen können.

Im M-13-Sektor sucht derweil ein anderes Schiff der CRC nach neuen Energiestoffen für die Erde. Dabei gerät der Weltraumkreuzer in die Fänge eines seltsamen Alien-Volkes, das bei seinem Angriff auch sofort in die Gehirne der Besatzungsmitglieder eindringt. Die fremden Wesen stellen sich per Gedankenaustausch als das Volk der Cadschiden vor und geben an, auf die Ankunft des Lariod zu warten, der ihre Seele mit den einst verloren gegangenen Gefühlen füttern soll. Doch die friedliche Atmosphäre, die der Crew der „Wallenstein“ von den Cadschiden entgegengebracht wird, währt nur kurze Zeit.

Auf eigene Faust nutzen Kommandant Sebastian, Navigator David und die von beiden verehrte Dame an Bord, Ceccyl, ihre auf Cadschid gewährten Freiräume und entdecken dabei die Schattenseiten des fremden Volkes. Auch mit den Emorebs, einer Randgruppe der Cadschiden, die in begrenztem Rahmen Gefühle empfangen kann, macht das Trio Bekanntschaft und gerät dabei immer tiefer in die wirren Verstrickungen um die außergewöhnliche Rasse mit den Zyklopenaugen. Für Sebastian und seine Mannschaft stellt sich von Minute zu Minute hartnäckiger die Frage, welche Funktion sie als Vertretung der menschlichen Rasse auf Cadschid erledigen sollen bzw. wie sie die Ankunft des Laroid erwirken können. Deshalb holen sie sich Hilfe beim eigenen Volk und beordern ein Schiff der Space-Police nach Cadschid.

Von da an nimmt das Unglück seinen Lauf; plötzlich nämlich haben die einäugigen Aliens eine Möglichkeit gefunden, die Gefühle der Menschen anzuzapfen, und trotz Anwesenheit der Rechtshüter der Weltraumpolizei droht die Lage auf dem fremden Planeten zu eskalieren. Werden die Raumfahrer mit der „Wallenstein“ rechtzeitig aus der Gefangenschaft fliehen und die Erde vor der Bedrohung durch die Gefühlsjäger schützen können?

_Meine Meinung_

Im Grunde genommen ist „Gefühlsjäger“ ein fast schon eigenständiger Roman, der abgesehen von der einleitenden Geschichte als Auftakt einer neuen Reihe für sich alleine stehen könnte. Das Hintergrundwissen um die Ereignisse in Germania ist (zunächst mal) kaum noch von Belang, und die kurze Abhandlung über die weiteren Geschehnisse um den World-Market-Chef Michael Moses wirkt diesbezüglich auch ein wenig aufgesetzt, damit zumindest ein geringer Zusammenhang vom letzlich noch thematisierten Anschlag der Ökoterroristen erkennbar ist.

Statt an dieser Stelle fortzusetzen, widmet sich S.H.A. Parzzival hier einem gänzlich neuen Volk, komplett neuen Helden und Gott sei Dank auch wieder dem Leben im Weltraum, das, begünstigt durch die endlich wieder feinstens ausgeklügelte Handlung, um einiges spannender ist als die billige Erotik in „Germania“ und dessen Vorgängerband. Auffällig ist hierbei der überaus philosophische Unterton, den der Autor in den Diskussionen über die verlorenen Gefühle der Cadschiden mit einbringt. Solche Ansätze sind deutlich interessanter als die nicht bis ans Ende durchdachte Planung der Stadt aus dem Dritten Reich. Doch auch sonst wirkt die neue Geschichte in allen Belangen frischer und lebhafter. Der Aufbau eines Mysteriums gelingt Parzzival beispielsweise bei der Beschreibung der fremden Alien-Rasse weitaus besser als noch bei der Erörterung der schlimmen Naturkatastrophe rund um Germania. Aber auch die in „Gefühlsjäger“ eingeführten neuen Charaktere bringen spürbar Leben in die Serie. Daher liegt auch ständig das Gefühl in der Luft, dass S.H.A. Parzzival mit diesem ziemlich kurzen Roman so gerade noch einmal die Kurve bekommen hat, nachdem ihm die Story noch im letzten Buch zu entgleiten drohte.

Wenn es nach mir ginge, könnte man jetzt auch gerne wieder das Social-Fiction-Banner aus den neuen Sternenabenteuern der „Titan“ entfernen, denn wie sich hier klar herausstellt, ist die Rückkehr zu den Ursprüngen weitaus interessanter als die unglaubwürdigen zwischenmenschlichen Episoden aus den letzten Büchern. In diesem Sinne ist „Gefühlsjäger“ dementsprechend auch ein echter Fortschritt in die richtige Richtung. Jetzt muss es dem um „Perry Rhodan“-Schreiber Horst Hoffmann verstärkten „Titan“-Team nur noch gelingen, die einzelnen Stränge zusammenzufügen und einen logischen Zusammenhang zwischen den ungeklärten Ereignissen um Shylan Shans Geliebte Monja, den Befall der Ökoterroristen, Michael Moses‘ verschwiegene Geheimnisse und das Volk der Cadschiden, das sich gerade auf den Weg nach Terra begeben hat, herzustellen. Aber ehrlich gesagt: Wenn der Autor des bereits unter dem Titel „Himbeertod“ angekündigte 25. Teils Ähnliches vollbringt wie in „Gefühlsjäger“, dann darf man von „Titan“ trotz der zuletzt noch sehr starken Skepsis in Bälde noch so einiges erwarten. Lediglich der fade Beigeschmack, oder soll ich besser sagen: die etwas verwegene Erklärung in Bezug auf die eingangs erwähnte neue Terminfestlegung und Preispolitik bleibt am Ende bestehen.

http://www.blitz-verlag.de/

Kelly, Mary Valgus – Des Teufels schönster Sohn (Saga der Verfluchten 01)

Ares ist ein Vampir, vergnügungssüchtig und leichtlebig. Und doch packt ihn wohl der Schwermut, als er spontan beschließt, dass er einen Gefährten braucht. Kurzentschlossen verbeißt er sich in den schönen Domenico und macht ihn ebenfalls zum Untoten. Doch die beiden sind schlicht zu unterschiedlich und können weder miteinander, noch ohneeinander leben. Während Ares sich nämlich die Frauen haufenweise ins Bett holt (und sie erst vernascht und dann „vernascht“), sitzt Domenico in Bäumen und sinnt über das Leben nach. Schließlich stößt auch noch Flora zu den ungewöhnlichen Gefährten und das Gleichgewicht kippt endgültig.

Klingt bekannt? Durchaus, denn für Mary Valgus Kellys Roman „Des Teufels schönster Sohn“ (der erste Teil einer Trilogie) haben Anne Rices Vampire Pate gestanden. Wollte man bissig sein, könnte man gar behaupten, bei Kellys Roman handele es sich um ein [„Interview mit einem Vampir“ 68 für Arme. Und da sich Anne Rices Romandebüt nicht verbessern lässt, muss Kelly mit ihrem Projekt schlicht scheitern.

„Des Teufels schönster Sohn“ ist ein Buch, das so viele Fehler und Ungereimtheiten aufweist, dass man gar nicht weiß, wo anfangen. Schon die Handlung kurz anzureißen, stellt sich problematisch dar, denn eigentlich passiert in dem 144-Seiten starken Buch nicht wirklich etwas: Ares beißt Domenico, Domenico sieht gut aus (das wird dem Leser wiederholt in blumigen Worten versichert) und macht eine Leidensmiene. Dann wendet sich Ares Flora zu, kann ihr aber nicht treu sein. Es gibt eine Art Vampirsabbat mit Hexen und Werwölfen. Zwischendurch philosophiert Domenico auch mal mit einem Geist oder schäkert mit einer mysteriösen Vampirin namens Michelle. Domenico verlässt Ares und die Handlung springt nach Transsilvanien auf eine mittelalterliche Burg (!), wo sich die eingeladenen Vampire ihren Mitternachtssnack aufs Zimmer bringen lassen. Zum Glück ist der Roman dann auch schon zu Ende.

Kellys größtes Problem (mal abgesehen von der nicht existenten Handlung) sind ihre Charaktere. „Des Teufels schönster Sohn“ schafft es, ein Roman völlig ohne Motive zu sein, was dazu führt, dass die Charaktere schemenhaft bleiben. Warum zum Beispiel braucht Ares plötzlich einen Gefährten? Sehnt er sich nach menschlicher Nähe? Oder ist ihm doch nur fad? Genauso unklar bleibt Ares’ Charakter: Zu Anfang ist er der Gegenpol zu Domenico – schillernd und auf der Suche nach dem Thrill. Er lebt in die Nacht hinein und sucht nach Vergnügungen. Doch gegen Ende brütet er plötzlich vor sich hin, ohne dass dem Leser klar wäre, wieso. Gespaltene Persönlichkeit? Oder doch nur die Wankelmütigkeit der Autorin? Dieses Problem der charakterlichen Unentschlossenheit haben alle von Kellys Figuren. Dem Leser ist es dadurch unmöglich, die Charaktere irgendwie zu fassen zu bekommen oder sich gar mit ihnen zu identifizieren.

Worin besteht überhaupt das Gefährtentum, von dem in dem Roman immer wieder die Rede ist? Kelly will uns scheinbar weismachen, dass es da ein erotisches Prickeln zwischen den beiden Vampiren gibt. Nur versickert dieses Prickeln zwischen den Zeilen, da Ares und Domenico weder wirklich miteinander leben noch sprechen. Die beiden haben im Roman eigentlich kaum Berührungspunkte. Darüber hinaus schleppt Ares unzählige Frauen ab und es ist nicht so recht zu erkennen, wie dieses Balzgebahren mit einer zarten Seele in Verbindung zu bringen wäre.

Doch ach! Vielleicht hat Ares doch ein Herz? Unverhofft taucht nämlich Flora auf, Ares’ Immer-mal-wieder-Geliebte seit 14 Jahren (wobei dem Leser auch diese Geschichte vorenthalten wird – woher die beiden sich kennen, wird nie klar). Nie wollte sie ein Vampir werden und mittlerweile hat sie Mann und Kinder. Und auch als er sie nun wieder ausfindig macht, haben sie zwar einen Quickie auf der Terasse, untot werden will sie aber nicht. Bis sie ein paar Seiten später vor Ares’ Tür steht mit der Bitte um Vampirisierung. Wo die Gründe für diesen Sinneswandel liegen, scheint Kelly nicht ergründen zu wollen. Auch wird keine Tinte auf die Frage verwendet, was nun aus ihren Kindern wird und ob sie diese nicht vielleicht wenigstens ein ganz kleines bisschen vermisst. Nein, zwischen all den unausgegorenen Charakteren in „Des Teufels schönster Sohn“ ist Flora der unausgefeilteste. Sie bereichtert die Handlung nicht und gibt ihr auch keinen (anderen) Sinn. Daher ist es nicht verwunderlich, dass sie später sang- und klanglos wieder aus dem Roman verschwindet.

Vierzig Seiten vor Schluss wechselt das Setting vom ursprünglichen Handlungsort (wo das ist, wird ebenfalls nie geklärt) ausgerechnet nach Transsilvanien, wo eine gewisse Clarissa eine Art Wellnesshotel für Vampire auf einer mittelalterlichen Burg eingerichtet hat. Als Untoter sitzt man also rum, sieht gut aus und lässt sich das Essen aufs Zimmer bringen. Wenn man besonders standesgemäß sein will, reist man in einer Kutsche an (wohlgemerkt, der Roman spielt in der Gegenwart) und betitelt sich gegenseitig als Baron. Dass Vampire unter Umständen ein wenig abgehoben sind, ist ja nicht neu. Aber so snobistisch? Das ist dann doch etwas übertrieben …

Mein Eindruck

Man muss Kelly zugute halten, dass ihre Prosa sich hier leicht verbessert und sie es eher schafft, bei ihrem Plot zu bleiben. Doch die Handlung selbst lässt gerade dem weiblichen Leser die Haare zu Berge stehen. Ares, von allen guten Geistern (d. h. Domenico und Flora) verlassen, hat sich drei Vampirbräute angeschafft, die nun alle seine Wünsche erfüllen. Mit einem anderen Vampir diskutiert Ares daraufhin die Erziehung solcher „Mädchen“, als spräche er über Hundezucht. Zu allem Überfluss haben die „Mädchen“ gegen diese degradierende Haltung überhaupt nichts einzuwenden: „Ohne ihn wären wir verloren“, sagen sie. „Er kümmert sich um uns und liest uns unsere Wünsche von den Augen ab. Er schenkt uns Kleider, Schmuck, sorgt für das Essen … er tut einfach alles für uns! Im Gegenzug dafür dürfen wir ihn lieben und unterhalten ihn ein bisschen.“ Der Höhepunkt ist jedoch Bredas Aussage, dass doch in jeder Frau eine Hure stecke. Diese Aussagen zu kommentieren, ist wohl überflüssig.

Unterm Strich

Um es kurz zu machen: „Des Teufels schönster Sohn“ hat weder eine fesselnde Handlung noch überzeugende Charaktere. Dafür strotzt das Buch vor schiefen Wendungen wie „Domenico rang mit den Armen, nach Atem und nach Worten“ oder „der Einzige, der sprach, war der Rauch seiner Zigarette, der wütend versuchte gegen den Regen anzukämpfen“. Der Roman ist eine einzige Masse wabernder Unstimmigkeiten, erzeugt durch das angestrengte „wollen, doch nicht können“ der Autorin. Eine wirklich mühsame, jedoch überhaupt nicht unterhaltende Lektüre.

Taschenbuch: 144 Seiten
ISBN-13: ‎978-3937536651

http://www.ubooks.de/

Blazon, Nina – Im Bann des Fluchträgers (Woran-Saga 1)

Nina Blazon gehört zu den vielversprechendsten Namen in der deutschen Fantasylandschaft. Kein Wunder also, dass sie bereits für ihr Debüt den Wolfgang-Hohlbein-Preis des |Ueberreuter|-Verlags abgesahnt hat. Und das zu Recht!

Blazon hat eine sehr schöne, nüchterne Art, ihre Geschichten in Worte zu fassen, ohne dabei in den weit verbreiteten, schwülstigen Fantasyslang zu verfallen oder bei den Charakteren zu dick aufzutragen. Letztere sind angenehm authentisch, auch wenn das auf den ersten Blick vielleicht ein bisschen seltsam klingt; schließlich spielt das Buch in einer Fantasywelt, die sich so sehr von der unsrigen unterscheidet, dass die Autorin jedem Strauch, jedem Tier einen eigenen Namen gegeben hat. Da gibt es so genannte Jalafrüchte oder Tjärgpferde, die sich ihren Reiter selbst aussuchen und der Legende nach aus Schaumkronen geboren wurden. Blazon hat ihre Welt perfekt durchkomponiert und geht sehr selbstverständlich damit um. Sie erläutert zum Beispiel nicht, worum es sich bei den uns fremden Begriffen handelt, sondern lässt sie sich selbst durch ihre Handlungen und Eigenschaften erklären. Das hat natürlich manchmal den Nachteil, dass der Eindruck eines Ranjögs nur oberflächlich bleibt, doch in den meisten Fällen gelingt dieser Geniestreich.

Die Charaktere von „Im Bann des Fluchträgers“, dem ersten Band der Woran-Triologie, stehen der Welt im Bezug auf Tiefe in nichts nach. Die Hauptperson des Buches, der junge Waldmensch Ravin, ist weder ein Held noch ein Antiheld, sondern ein angenehm normaler Junge mit viel Mut. Als sein älterer Bruder Jolon, ein Shanjaar (Heiler), auf einmal in eine tiefe Bewusstlosigkeit fällt, nachdem er einen gefährlichen Kristall in die Hand genommen hat, versucht er alles, um den Älteren zu retten. Er reitet zu Gislans Burg, wo die Königin des Landes residiert, und bittet ihre Hofshanjaar um Hilfe. Doch diese können Jolon auch nicht helfen. Nur Laios, der Älteste, macht dem Jungen Hoffnung, indem er ihm von der magischen Quelle der Skaardja erzählt. Obwohl es sich dabei mehr oder weniger um ein Märchen handelt, bricht Ravin mit dem ungeschickten Zauberlehrling Darian an der Seite in das ferne und gefährliche Land Skaris auf. Auf dem Weg dorthin stoßen sie auf die Jerriks, ein Volk von Flüchtigen, das sich im Wald versteckt und vom herrschsüchtigen Badok gejagt wird. Obwohl die Jerriks ein dunkles Geheimnis vor ihnen zu verbergen scheinen, schließen sie sich deren Lager an. Wenig später werden sie von Badok und seinen Reitern überfallen und in dessen Burg verschleppt. Obwohl nur zu zweit, wollen Ravin und die junge Halbworan Amina (eine Woran ist eine düstere Kreatur, eher Tier als Mensch und im Besitz von dunklen Kräften), deren Verwandlung noch nicht komplett ist, ihre Freunde retten. Doch als sie Badoks Burg erreichen, müssen sie feststellen, dass nicht nur die Jerriks in Gefahr sind, sondern das ganze Land und dass sie auf dem schnellsten Weg die Königin warnen müssen …

Blazons größter Pluspunkt ist ihre Geradlinigkeit. Sie erzählt ohne viel schmückendes Beiwerk oder unnötige Einzelheiten ihre Geschichte, und gerade dadurch gelingt es ihr, ungeheuer viel Spannung aufzubauen. „Im Bann des Fluchträgers“ ist ein Pageturner erster Güte, der einen so schnell nicht mehr loslässt. Es macht aber auch einfach Spaß, dieses Buch zu lesen, schon alleine wegen des bereits gelobten Schreibstils, der kein Wort zu viel verliert und trotzdem ein sehr lebendiges, buntes Bild der gut durchdachten Fantasywelt abgibt.

Ist das wirklich das Debüt?, wird man sich während der Lektüre fragen, denn so souverän wie die Autorin mit Inhalt, Personen und Sprache umgeht, will man das gar nicht glauben. Manche Schriftsteller müssen jahrelang schreiben, um so gut und vor allem so locker und selbstverständlich ihr Handwerk zu beherrschen. Eine Eins mit Stern, Frau Blazon!

http://www.ninablazon.de
[Fantasy bei Ueberreuter]http://www.ueberreuter.de/ueberreuter/index.php?usr=&phd=4&content=22

Haubold, Frank W. (Hg.) / Müller, Wilko jr. / E.-E., Marc-Alastor / Peters, Stephan / u. a. – schwerste Gewicht, Das (EDFC Jahresanthologie 2005)

Eine Videovorführung, die buchstäblich eine Ewigkeit dauert, ein Gehirn, das verzweifelt nach Gesprächspartnern sucht, eine Flamme, die unter Depressionen leidet, und der drohende Einbruch in ein anderes Universum: Neunzehn manchmal skurrile, manchmal melancholische, in jedem Fall aber im besten Sinne phantastische Geschichten erwarten den Leser im neuen Fantasia-Band, der EDFC-Jahresanthologie 2005.

Bekannte Autoren und hoffnungsvolle Nachwuchstalente aus Bulgarien, Deutschland und Österreich dokumentieren einmal mehr die faszinierende Vielfalt phantastischer Literatur, die allen Unkenrufen zum Trotz lebt und gedeiht. Die Erzählungen und Kurzgeschichten aus den Bereichen Science-Fiction, Fantasy und Horror wurden von Frank W. Haubold ausgewählt und von Gabriele Reinecke illustriert.

_Inhalt:_

Matthias Falke: Das schwerste Gewicht
|Eine Videovorführung, die buchstäblich eine Ewigkeit dauert …|

Heidrun Jänchen: Sprich mit mir
|Ein Gehirn, das verzweifelt nach Gesprächspartnern sucht …|

Natalia Andreeva: Bitteres Licht
|Ewige Jugend – wenn ein Zauber zum Fluch wird …|

Stephan Peters: Dorothea
|Eine Auferstehung der weniger appetitlichen Art …|

Dietmar Füssel: Die kleine Flamme
|Eine Flamme, die unter Depressionen leidet …|

Stefan Pfister: Der klappernde Bahnhofsvorsteher
|Das unvermutete Ende einer nächtlichen Zugfahrt …|

Christian Fischer: Sand und Würfel
|Eine Entdeckung, die nicht nur unser Universum betrifft …|

Wilko Müller jr.: Hass
|Eine Unfallserie, die sehr menschliche Ursachen hat …|

Barbara Schinko: Verbrechen aus Liebe
|Eine Hexe und ihr ewig junger Liebhaber …|

Frank W. Haubold: Das ewige Lied
|Der ewige Soldat auf dem Weg in einen aussichtslosen Kampf …|

Volker Groß: Des-Illusion Alice
|Ein Traum, der abrupt endet …|

Marc-Alastor E.-E.: Vergessen sei der Wechselbalg
|Ein Wüstengeist in tödlicher Mission …|

Silke Rosenbüchler: O je, du Fröhliche
|Ein unerfüllbarer Weihnachtswunsch …|

Sven Kloepping: Alpha Centauri
|Ein Grenzwächter, der sich nicht erinnern darf …|

Jasmin Carow: Der Rattenkönig
|Wenn eine Plage übermächtig wird …|

Hartmut Kasper: Uschepti
|Unterwegs in einem fliegenden Sarg …|

Helga Schubert: Irgendwas mit Pudica
|Ein verrückter Gärtner und seine Schützlinge …|

Michael K. Iwoleit: Das Urteil
|Die Menschheit auf dem Prüfstand …|

Alexander Amberg: Die Rückkehr
|Ein Zauberring, der Wünsche wörtlich nimmt …|

_Der Herausgeber:_

Frank W. Haubold wurde 1955 in Frankenberg geboren und lebt im sächsischen Meerane. Er studierte Informatik und Biophysik in Dresden und Berlin. Seit 1989 schreibt und veröffentlicht er Erzählungen und Kurzgeschichten unterschiedlicher Genres (Science-Fiction, Fantasy, Gegenwart). Nach Einzelbeiträgen in verschiedenen Anthologien und Zeitschriften veröffentlichte er 1997 sein erstes Buch, den Episodenroman „Am Ufer der Nacht“, 1999 zusammen mit Eddie M. Angerhuber die Sammlung „Der Tag des silbernen Tieres“ sowie 2001 und 2003 die vielbeachteten Erzählungssammlungen „Das Tor der Träume“ und „Das Geschenk der Nacht“. Seit 1996 Mitglied des 1. Chemnitzer Autorenvereins e. V., für den er mehrere Anthologien herausgab. Weitere Veröffentlichungen in Literaturzeitschriften, Magazinen und Anthologien (u. a. bei |Heyne|, |Lübbe| und |BLITZ|).

_Rezension:_

Der Herausgeber Frank W. Haubold kündigte eine Anthologie mit |ungewöhnlichen| Kurzgeschichten an. Das ist ihm schon einmal insoweit gelungen, dass die Bandbreite der Kurzgeschichten durch alle Genres reicht. Auch die Plots sind teilweise erfrischend „anders“ als in vergleichbaren Anthologien und sichern abwechslungsreiche Lesekost.

Der Band startet gleich mit der Titelgeschichte „Das schwerste Gewicht“ von Matthias Falke, in der eine Gruppe von Menschen Rückblicke aus ihrem Leben präsentiert bekommt, die entweder dunkel oder aber ausschweifend waren und die Anwesenden psychisch „nackt“ vor den anderen dastehen lässt. Nicht genug damit, werden ihnen diese Rückblicke in stetiger Folge präsentiert. So werden sie zu Gefangenen und Entblößten ihrer eigenen Vergangenheit.

„Bitteres Licht“ von Natalia Andreeva ist die erste atmosphärische Geschichte. Das Thema |Ewige Jugend| wird hier einmal anders abgehandelt; interessant ist auch der Mutter-Tochter-Konflikt, den die Autorin einflicht. Man mag den Stil von Natalia Andreeva lieben oder nicht, eines hat er: Wiederkennungswert. Und er weiß „angenehm“ zu unterhalten. Meist sind Andreevas Texte „licht“, von einer höheren Ebene und daher sprechen sie vielleicht nicht alle an, aber schlecht sind sie nicht.

Erstes richtiges Highlight ist „Dorothea“ von Stephan Peters, der wie immer souverän fabuliert und das Thema Wiederkehr in einem Fiction-Rahmen darbietet. So also sieht Robottechnik aus und so also kann Wiederauferstehung ablaufen.

Stefan E. Pfister stellt uns in „Der klappernde Bahnhofsvorsteher“ einen Zugreisenden vor, der an einem abgelegenen Bahnhof aussteigt, bei dem dubiosen Dr. Petronius landet und dort Merkwürdiges über sich erfährt. Biomechanismen und Kabelekstase gewinnen für ihn plötzlich an Bedeutung.

Wilko Müller jr.: „Haß“ zeigt uns, wie vernichtend Hassgefühle sein können, wenn sie ausufern und Eigendynamik entwickeln – und wie schnell sie zum Bumerang werden. Ein Plot, der uns nachdenklich stimmen sollte.

Barbara Schinkos „Verbrechen aus Liebe“ ist eine feine Geschichten rund um das unendliche Leben einer Hexe und ihres Liebhabers, die nicht voneinander lassen können, die auf Gedeih und Verderben aneinander gekettet sind. So also endet die absolute Vereinigung?

Sprachlich wirklich |herausragend| ist einzig der Beitrag „Vergessen sei der Wechselbalg“ in der Welt Praegaia von Marc-Alastor E.-E, einem Autor, von dem man auf jeden Fall mehr lesen sollte und der erfreulicherweise keinen Mainstream anbietet!

Silke Rosenbüchlers „O je, du Fröhliche“ ist eine humorvolle, erotisch angehauchte Story um einen ganz speziellen Frauenwunsch an den Weihnachtsmann, der unerfüllt bleibt, trotz aller Verführungskünste. Santa Claus ist eben doch kein „ganzer Kerl“, dank seiner kindergerechten Figur.

Helga Schuberts „Irgendwas mit Pudica“ führt den Leser auf anschauliche Weise an die Besonderheiten der Pflanzenwelt heran. An den Rachenblütler „Löwenmaul“, die Blutblume, die Glockenrebe … sie alle zeigen, dass sie sich zu wehren wissen, wenn man ihnen nicht respektabel begegnet – und dass es keine UNkräuter gibt. Sollten Sie jemals einen Schatz suchen, richten Sie Ihr Augenmerk auf die Pflanze |Rühr-mich-nicht-an|.

So viel zu den Kurzgeschichten, alle seien hier nicht näher erwähnt, das nähme dem geneigten Leser zu sehr die Spannung, es sei aber so viel gesagt: Er wird hier gut unterhalten! Dazu trägt auch die Story des Herausgebers bei!

Bliebe die Aufmachung: Das Covermotiv von Michael Mittelbach kommt morbid daher und spricht stimmungsvoll an. Dem zum Kontrast stehen die schwarzweißen Innengrafiken von Gabriele Reinecke, die sehr schön auf die jeweilige Story abgestimmt sind. Die Schrift erfreut durch angenehm augenfreundliche Größe und untermauert den Lesegenuss.

Fazit: Eine lesenswerte, abwechslungsreiche Anthologie mit einigen Highlights, die ich nur empfehlen kann!

|174 Seiten mit 8 ganzseitigen Illustrationen von Gabriele Reinecke
und einem Titelbild von Michael Mittelbach|
http://www.edfc.de

Knaak, Richard A. – Dämonenseele, Die (WarCraft: Krieg der Ahnen, Buch 2)

Band 1: [„Die Quelle der Ewigkeit“ 1258

Zwar konnten Malfurion, Krasus, Rhonin, Illidian und die Nachtelfen unter Führung Lord Ravencrests einen ersten Vorstoß der Brennenden Legion nach Kalimdor stoppen, doch das Tor inmitten der Hauptstadt der Elfen, Zin-Azshari, in das Reich des Dämonenherrschers Sargeras steht noch immer offen. Mit Unterstützung der verderbten Königin, Azshara, und der Kaste der Hochwohlgeborenen strömen unaufhörlich Heerscharen von Dämonen in die Welt, darunter auch mächtige Gefolgsleute des Bösen, wie der gefürchtete Archimonde oder der wiedererweckte Lord Xavius. Die eigentliche Schlacht steht also noch bevor.

Während Rhonin, Krasus und Malfurion dafür plädieren, die anderen Völker Kalimdors, Zwerge und Tauren, um Hilfe zu bitten, setzen der arrogante Ravencrest und seine Mannen auf einen Alleingang ihres Volkes und rennen prompt in einen Hinterhalt der Brennenden Legion. Im allerletzten Moment und unter großen Verlusten können sie eine vernichtende Niederlage abwenden und beschließen daraufhin in ihrer Euphorie – nicht klüger als vorher – Zin-Azshari ohne Hilfe zu befreien, um ihre vermeintlich unschuldige Herrscherin zu retten. Allerdings reicht der Arm Sargeras schon bis in die Reihen der Helden. Fasziniert und angezogen von der Mächtigkeit der Magie der Brennenden Legion wird Illidian zunehmend unberechenbarer, während gleichzeitig seine Eifersucht auf den Bruder, Malfurion, ins Unermessliche wächst, telepathisch geschürt durch den dämonischen Xavius.

Unterdessen treibt der schwarze Drache Neltharion seine finsteren Pläne voran. Mittels seiner Magie und mit Unterstützung der ahnungslosen übrigen Clans schmiedet der Erdwächter unter dem Vorwand, die Legion bekämpfen zu wollen, die Drachenseele, ein machtvolles magisches Artefakt, mit dem er alles Unreine vom Antlitz der Welt fegen und sich selbst zum absoluten Herrscher krönen möchte. Krasus, der weiterhin mit seinem Alter Ego Korialstrasz eng verbunden ist, und der Druide Malfurion spüren die drohende Gefahr. Sie machen sich auf den Weg zu den Drachen, nur um festzustellen, dass sie zu spät gekommen sind, und der Erdwächter den Verrat schon begangen hat.

Nachdem der erste Band der „Krieg der Ahnen“-Trilogie noch rundherum überzeugen konnte, beginnt Richard A. Knaak nun deutlich zu schwächeln. Zwar befleißigt er sich weiterhin eines gefälligen, angenehm zu lesenden Stils, führt den Leser mit lockerer Hand durch seine epische Geschichte, im Aufbau der Handlung und in der Zeichnung der Charaktere zeigt er jedoch unverkennbar eine große Einfallslosigkeit.

Wenn Neltharion quasi aus einer Rolle Pfefferminzdrops (oder irgendetwas anderem) mal so eben ein gewaltiges Artefakt, die Drachenseele, bastelt, Malfurion im Vorübergehen von Cenarius die mächtigste druidische Magie eingetrichtert bekommt, Illidian und Rhonin mit fast göttlicher Macht Legionen von Dämonen plätten und Tyrande, kaum dass sie ihrem Schülerinnendasein entwachsen ist, zur „Mutter Mond“ avanciert, dann sind das [Kotaus]http://de.wikipedia.org/wiki/Kotau vor Erfahrungspunkte-geilen und Level-maximierenden Warcraft-Spielern und ihrem Greinen nach mehr Power, mit nachvollziehbarer oder gar glaubhafter Charakterentwicklung hat das nichts mehr zu tun.

Beliebigkeit und Opportunismus auf der einen Seite, vollkommene Vorhersehbarkeit auf der anderen: die Protagonisten – angefangen bei „A“ wie Archimonde, über „N“ wie Nachtelfenklüngel und seine zeitgereisten Verbündeten bis hin zu „X“ wie Xavius – agieren stereotyp und klischeehaft, spielen die ihnen zugedachten Rollen zu perfekt, sind Fantasycharaktere nach Schema „F“, ohne Ecken und Kanten und daher ohne Überraschungen. Leser, die nach Band 1 gehofft hatten, die Dreiecksbeziehung „Illidian, Malfurion & Tyrande“ werde sich wenigsten ansatzweise originell gestalten oder die Anatgonisten zögen mehr als kleinkarierte Intrigen ab, werden bitter enttäuscht.

Ähnliche Einfallslosigkeit zeichnet die Schlachten und Kämpfe aus: vorhersehbar bis zum letzten Tröpfchen Blut; plastisch geschildert und dennoch langweilig, da stets irgendein Zauber aus der großen Wundertüte der Guten ebendie triumphieren lässt. Nur in ganz wenigen Momenten entsteht ein „Sense of Wonder“, etwa wenn Malfurion und Krasus im Reich der Vogelgöttin Aviana erwachen oder der Druidenschüler seine Zauber wirkt; immer dann blitzt die Fantasie hinter dem Handwerk auf.

Etwas, wofür nicht der Autor verantwortlich zeichnet und das mich im ersten Band aufgrund der weniger bedeutenden Rolle der Nachtelfen noch nicht störte, ist die fehlende Übersetzung der sprechenden Nachnamen der Elfen. Es mag sein, dass ich tatsächlich „Das Schwarze Auge“-geschädigt bin oder grundsätzlich eine gewisse anglophobe Haltung habe, aber Namen wie Rivertree, Shadowsong, Whisperwind, Feathermoon, Stareye u.a.m. stören meines Erachtens die Atmosphäre in einem deutschen Text. Dass es auch anders geht, dass sich gerade solche Namen fantasievoll und kongenial übersetzen lassen, wurde – und ich weise immer wieder gerne daraufhin – im |Covenant|-Zyklus Donaldsons schon vor vielen Jahren bewiesen.

Fantasy-Durchschnittskost, die zwar gut geschrieben, aber in vielerlei Hinsicht zu vorhersehbar und zu wenig originell ist, um überzeugend zu sein.

|Originaltitel: Warcraft: War of the Ancients Trilogy Book 2 – The Demon Soul
Übersetzung: Claudia Kern|

© _Frank Drehmel_
|Diese Rezension wurde mit freundlicher Genehmigung unseres Partnermagazins [buchrezicenter.de]http://www.buchrezicenter.de/ veröffentlicht.|

Parzzival, S.H.A. – Germania (Titan-Sternenabenteuer 23)

Band 22: [„Todesanzeigen“ 2063

„Germania“ ist der zweite Band des neu begonnenen Social-Fiction-Abschnitts innerhalb der „Titan“-Reihe und erzählt die Geschichte um die seltsame Liebe zwischen Shalyn Shan und der rätselhaften Monja weiter fort – dieses Mal allerdings in sehr knapper Form. Auf gerade mal 157 Seiten bringt es dieses Buch, und die Ersparnisse beim Umfang der Story machen sich dann leider auch sehr negativ bemerkbar. Doch nicht nur das; auch das neu betretene Feld namens Social-Fiction will einfach nicht greifen. Statt Innovation bildet sich in „Germania“ zum ersten Mal im Laufe der Serie echte Langeweile heraus, so dass man nur hoffen kann, dass die Reihe schon bald wieder zu den ursprünglichen Weltraumabenteuern zurückkehrt.

_Story_

Für Michael Moses, den mächtigsten Menschen der Erde, soll die feierliche Einweihung seiner neuen Metropole Germania zum bedeutendsten Ereignis in seinem ganzen Leben werden. Die Stadt, die nach den Plänen des Dritten Reiches entworfen wurde, soll die Machtstellung des kompromisslosen Wirtschaftsgiganten noch weiter stärken und zudem weitere Arbeitsplätze sichern. Doch noch bevor die Festivitäten richtig in Gange kommen, wird Germania von einem furchtbaren Orkan heimgesucht. Eine Gruppe von Klimaterroristen hat einen hinterhältigen Anschlag auf die neue Zentrale von Moses’ World-Market-Imperium ausgeübt und damit das gesamte Gleichgewicht der Erde ins Wanken gebracht. Denn nicht nur in der Wüste Arizonas, wo Germania entstanden ist, sondern auch an anderen Schauplätzen wird die Naturkatastrophe zu einer echten Bedrohung, bei der auch mehrere Menschen ihr Leben lassen.

Moses und der befreundete CRC-Chef Amos Carter starten Verhandlungen mit den Terroristen und stellen dabei fest, dass diese die Kontrolle über den erpresserischen Eingriff in das Weltklima vollständig verloren haben. Trotzdem lässt der Germania-Gründer die Basis der Terroristen stürmen und ihre ‚Bewohner‘ vor laufender Kamera vernichten. Doch dies ist nicht die einzige Katastrophe, mit der die Menschen in Germania und Umgebung zu kämpfen haben; auch eine Gruppe von mutierten Rattenfröschen macht die Erde unsicher.

Und während all dies geschieht, ist Monja weiterhin auf der Suche nach ihrer Vergangenheit. Ihre neue Lebensgefährtin Shalyn Shan begleitet sie bei der Erkundung des jüngsten folgenreichen Blackouts und stößt dabei auf noch mehr Rätsel. Noch immer steht die Frage im Raum, wer diese Monja wirklich ist, und was sich hinter ihrer Vergangenheit verbirgt. Obwohl Shalyn der hübschen Monja total verfallen ist, weiß sie nicht, was sie von der Sache halten soll. Und noch bevor sie zu ersten Lösungen kommen kann, gerät sie selber in Gefahr …

_Meine Meinung_

Ich habe im Laufe dieses Buches mehrmals darüber nachgedacht, die Geschichte aus der Hand zu legen und dieser Serie bis auf Weiteres meine Freundschaft zu kündigen. Bereits das vorangegangene Buch war nicht gerade berauschend, wobei dort noch eine in sich schlüssige und auch weitestgehend spannende Story aufzufinden war. In „Germania“ sind all diese positiven Eindrücke ausnahmslos verschwunden. Die Geschichte ist nicht nur dröge und langweilig, sie ist auch von vorne bis hinten leicht durchschaubar. Überraschungen hält Autor(in) S.H.A. Parzzival indes keine mehr bereit. Aber wie soll das bei einer übertrieben schnellen Erzählgeschwindigkeit auch funktionieren? Wie soll man beispielsweise die Bedrohung durch den gravierenden Klimawandel auf sich wirken lassen, wenn sie mit einem Schlag wieder ausgeräumt zu sein scheint – und das, bevor sich die tatsächlichen Auswirkungen offenbart haben …? Der Autor schließt den mit Abstand wichtigsten Handlungsabschnitt schon ab, ehe er sich überhaupt hat entwickeln können, und das macht die Sache immer unglaubwürdiger. Man hätte eine ganze Reihe mit dem Attentat auf Germania und dessen Folgen füllen können; Parzzival reichen dazu ungefähr 80 Seiten, dann sind jegliche Ansätze versaut und das letzte bisschen übrig gebliebene Atmosphäre gänzlich zerschmolzen. Wenn es das ist, was die Macher von „Titan“ unter einem Social-Fiction-Thriller verstehen, wird es Zeit, das Genre frühzeitig zu begraben!

Kaum besser fällt die Kritik bezüglich der beiden Hauptcharaktere Shalyn Shan und Munja aus. Schön, dass sich die beiden Turteltäubchen an jeder Stelle herzen müssen – aber ist es wirklich glaubhaft, dass man sich während der größten Klimakatastrophe, die die Welt je gesehen hat, lächelnd küsst? Na ja, ich weiß nicht. Aber es kommt noch schlimmer: Germania ist noch nicht von der Bedrohung entlastet, da springen die beiden in Shalyns Privat-Pool und machen sich da planschend ein paar schöne Stunden. Tut mir Leid, aber spätestens in dieser Szene hat das Buch völlig verloren und bringt die Serie infolgedessen leider auch in Verruf. Beschämend, was S.H.A. Parzzival aus dem tollen Charakter Shalyn Shan gemacht hat. Eingeschworene Anhänger werden die Augen verdrehen, wenn sie das lesen. Aber gut, meine Aufgabe ist es nicht, enttäuscht zu schimpfen. Wohl aber möchte ich klarstellen, dass die Serie auf dieser billigen Ebene keine Zukunft hat. „Germania“ ist das Negativ-Beispiel dafür, wie man einen mühsam erarbeiteten Ruf in kürzester Zeit wieder ruinieren kann. Meine Bitte an das Autorenteam: Schickt die „Titan“ wieder zurück in den Weltraum und lasst sie fremde Welten erkunden. Pseudo-innovative Inhalte wie die hier gebotenen will absolut niemand lesen!

Fritz Leiber – Der unheilige Gral (Die Abenteuer von Fafhrd und dem Grauen Mausling 1)

Nehwon ist eine mittelalterlich anmutende Welt, in der die Magie zum alltäglichen Leben gehört. Götter, der Tod und Dämonen mischen sich gern persönlich in die Geschicke der Menschen ein. Das Land zerfällt in große und kleine Länder und Stadtstaaten, die in der Regel feudal regiert werden. Recht und Ordnung werden vom jeweiligen Herrscher definiert und mit Schwert und Dolch durchgesetzt. Die Landkarte weist viele weiße Flecken auf, außerdem gibt es mysteriöse Stätten, die anscheinend Passagen in fremde Welten oder Dimensionen ermöglichen.

Fritz Leiber – Der unheilige Gral (Die Abenteuer von Fafhrd und dem Grauen Mausling 1) weiterlesen

Roberts, Adam – Sternenstaub

Während ich darüber nachdenke, wie ich euch dieses geniale Buch schmackhaft machen kann, dudelt |VISION DIVINE|s „The Perfect Machine“ im Hintergrund. Was das mit „Sternenstaub“, dem aktuellen Roman von Adam Roberts, zu tun hat? Nun ja, auch hier spielen intelligente Maschinen, so genannte |Dottechs|, eine entscheidende Rolle. Dabei handelt es sich um Nanotechnologie in ihrer ausgereiftesten Form, denn Sinn und Zweck der so genannten |dotTech| ist es, den Wirt (z. B. einen Menschen) gesund zu halten bzw. seine Lebensqualität zu sichern. Dabei braucht sie keine Anweisungen und arbeitet vollkommen autark. Das heißt im Einzelnen, dass beispielsweise Wunden schneller heilen und die Lebensdauer eines Menschen vervielfacht wird, was wiederum zur Folge hat, dass Lebenserwartungen von neunhundert bis tausend Jahren keine Seltenheit darstellen.

Genau diese Technologie wird dem Protagonisten des Buches, Ae, zur Strafe entrissen. Dieser „wohnt“ auf einem Knaststern, weil er mehrere Menschen auf dem Gewissen hat und somit als letzter Verbrecher der Galaxis gilt. Ihm zur Seite steht eine Aufseherin, aber das ist auch schon das einzig Wahre auf diesem Planeten. Alles andere ist künstlich: der Himmel, die Wiese, die Bäume und der See. Eine Flucht ist so gut wie unmöglich, und trotzdem bekommt Ae eines Tages die Möglichkeit, dieser Tristesse zu entfliehen. Eine Stimme in seinem Kopf, eine so genannte K.I. (Künstliche Intelligenz) ist der einzige Kontakt zwischen ihm und seinen Auftraggebern. Diese unterbreiten ihm einen Deal, der´s in sich hat: Ae muss alle Lebewesen auf einem Planeten liquidieren und hat danach die Möglichkeit, bis zum Ende seiner Tage in Freiheit zu leben. Die Tatsachen liegen dabei klar auf der Hand: Entweder verkümmert er bis zum Ende seiner Tage auf dem Knaststern, oder hat die Möglichkeit, mit Gewissensbissen in Freiheit zu leben. Da Ae vordergründig über kein Gewissen verfügt, stimmt er dem Deal zu.

Das ist der Zeitpunkt, ab dem das „Abenteuer“ seinen Lauf nimmt. Denn der Ausbruch aus dem Gefängnis erweist sich ohne die Dottech als mehr als schwierig. Mit mehr Müh und Not als gedacht, gelingt ihm doch die Flucht, und er findet sich auf dem Raumschiff des Wheah Agifo3acca wieder. Von dort aus reist er dann weiter zu anderen Planeten, immer mit dem Hintergedanken im Kopf, dass seine Auftraggeber von ihm die Ausführung der schier unglaublichen Tat erwarten. Geplagt von einem schlechten Gewissen, stellt Ae eigenhändig Nachforschungen an und dabei den Auftrag zunehmend in Zweifel.

Wie lange dauert es, bis sein Ausbruch aus dem Gefängnis aufgedeckt wird? Wie nah sind ihm seine Verfolger auf den Fersen? Und die alles entscheidende Frage: Springt Ae über seinen Schatten und nimmt für seine persönliche Freiheit den Tod von Millionen Menschen in Kauf?

Adam Roberts ist meiner Meinung nach ein sehr guter und spannender Sci-Fi-Roman gelungen. Angesichts der Tatsache, dass die Nanotechnologie mittlerweile immer öfter in den Medien auftaucht und als Zukunftstechnologie angesehen wird, sind seine Ausführungen auch gar nicht mal so unrealistisch. In Briefform auf einen Stein geschrieben, trägt der Erzählstil ebenfalls dazu bei, die Spannung konstant oben zu halten. Wer weiß, vielleicht wird in hundert oder hundertfünfzig Jahren über Adam Roberts ähnlich visionär wie heute über Jules Verne gesprochen … Das ist natürlich alles noch Zukunftsmusik, aber Fakt ist, dass mit „Sternenstaub“ ein gelungener Sci-Fi-Roman seinen Weg in die Bücherregale gefunden hat. Und daran kann man wirklich nicht rütteln.

Was das Buch selbst angeht, so befindet sich am Ende ein Glossar, das die gängigen eher unbekannten Begriffe im Roman noch einmal erklärt. Eine gute Ergänzung, aber wer das Buch aufmerksam durchliest, für den dürfte das Glossar eher überflüssiger Natur sein.

Miéville, China – Eiserne Rat, Der

China Miéville gewann im Jahr 2003 mit seinem Roman [„Perdido Street Station“ 695 den Kurd-Laßwitz-Preis als bestes fremdsprachiges Werk der Phantastik. Nicht zuletzt dank der herausragenden Eva Bauche-Eppers, die Miévilles bildgewaltige und mit antiquierten Ausdrücken gespickte Sprache so vorzüglich in das Deutsche übertragen hatte, dass sie mit dem Preis für die beste Übersetzung ausgezeichnet wurde. Sie übersetzte auch diesen Roman genauso ausgezeichnet wie seine Vorgänger.

Der politisch stark links und anti-autoritär orientierte Miéville führt den Leser mit „Der Eiserne Rat“ zurück in den Moloch New Crobuzon. Auf Bas-Lag ist seit den Ereignissen um den Weber rund um den Hauptbahnhof Perdido Street Station rund eine Generation vergangen, die kapitalistische und brutale Herrscherschicht New Crobuzons hat sich jedoch nicht verändert: Man führt Handelskriege und treibt die Erschließung des Hinterlands mit Eisenbahnlinien voran.

Gewerkschaften und Arbeiter haben in New Crobuzon keine Macht und keine Rechte, Polizeigewalt hält die Massen in Schach, das Gesetz wird allzu oft vom Gesetz des Stärkeren, von dem die Machthaber ausgiebig Gebrauch machen, außer Kraft gesetzt. Auch die Bahnarbeiter haben nichts zu lachen, insbesondere „Remade“, bestrafte Verbrecher, die oft mit Maschinen oder Tieren auf groteske Weise verschmolzen wurden, werden von ihnen willkürlich und gewissenlos behandelt. Einer der Bautrupps rebelliert schließlich: Die Freudenmädchen, Remade und andere Unzufriedene der untersten Schichten streiken, nachdem die Lohnzahlungen ausbleiben, und überwältigen schließlich die mit Härte reagierenden Aufseher New Crobuzons.

„Der Eiserne Rat“ entsteht, eine Gruppe von Verfemten, die gegen New Crobuzon erfolgreich revoltiert und überlebt hat – eine Seltenheit und im Laufe der Jahre Stoff für Legenden, ein Symbol der Hoffnung für die Außenwelt. Der Rat flüchtet vor den Schergen der Stadtväter in entlegenste Gebiete Bas-Lags, in denen sich immer mehr Flüchtlinge dem auf seinen sukzessiv verlegten und wieder abgebauten Schienen immer weiter fortstrebenden Zug anschließen.

Das wollen auch die Flüchtlinge um Cutter und den Golemisten Judah Low, nicht ahnend, dass der Rat sich von dem Idealbild, das man sich von ihm macht, weit entfernt hat: Auch der Rat hatte regelrechte Kriege in manchen Gebieten seiner Reise zu schlagen, man ist auch längst nicht so autark, wie man glauben möchte, Mängel werden immer öfter offenkundig. Zusätzlich schwächen interne Konflikte den Rat, viele der Gründer des Rats sind mittlerweile verstorben und die neue Generation versteht nicht mehr die Ideale ihrer Eltern und wovor sie geflüchtet sind.

Anders als der ausschließlich in New Crobuzon spielende Roman „Perdido Street Station“ oder der an Moby Dick angelehnte und auf hoher See spielende [„Die Narbe“ 591 wurde „Iron Council“ für die Übersetzung nicht auf zwei Bände aufgeteilt und hat einen wesentlich politischeren Einschlag. Das Szenario erinnert dieses Mal an den „Wilden Westen“; so jagen New Crobuzoner Milizen in der Art amerikanischer Kavallerie nach Verbrechern und Indianern – in diesem Fall sind es Flüchtlinge und einheimische Kaktus-Männer oder ähnliche Fantasiegestalten Miévilles – in einer eindeutig negativen Art und Weise als Todesschwadron.

An seltsame Mensch-Tier- oder Mensch-Pflanze/Mensch-Maschine-Mischwesen ist man von Miéville gewöhnt, allerdings steigert er dieses Mal sowohl die Anzahl als auch die Art dieser Wesen hin zum Grotesken, das dampfgetriebene Kanonenpanzernashorn, der Transportleviathan, aus dessen Bauch Dampfpanzer am Strand anlanden, oder brennende Wohnhäuser auf den Rücken getöteter Riesenschildkröten, aus deren Panzern sie herausgefräst wurden, sollten Beispiel genug sein. Auch hinsichtlich der Charakterentwicklung bleibt China Miéville seiner Linie treu und steigert seinen Stil ins Extreme: Ob nun Isaac Dan dar Grimnebulin oder Bellis Schneewein, sie waren Nebenfiguren im großen Zusammenspiel einer ganzen Welt, wurden von den Ereignissen gesteuert und nicht umgekehrt. Sie standen für Konzepte und Ideale oder dienten wie im Falle von Bellis als Beobachter, hatten aber keinen Einfluss auf die Entwicklung in der Art einer klassischen Heldenfigur. Diese gibt es in diesem Roman ebenfalls nicht, einzig Judah Low könnte man herausheben, auf ihn werde ich in Zusammenhang mit der Gesellschaft des Eisernen Rates aber noch näher eingehen. Politik und Massenpsychologie sowie soziale Aspekte regieren die Handlung, Einzelschicksale werden zwar erwähnt, sind jedoch im Großen und Ganzen bedeutungslos für die Handlung, was das Eintauchen in die wie erwähnt immer groteskere Welt Bas-Lags erschwert.

Noch nie schlug sich Miévilles sozialistische Ader dermaßen in seinem Werk nieder wie in „Der Eiserne Rat“. Klassenkampf und Unterdrückung sowie Flucht in die vermeintliche Freiheit sind die Themen dieses Romans; dieses Mal rückt der Autor soziale Aspekte in den Vordergrund und behandelt kritisch die Probleme einer sozialistisch angehauchten Gesellschaft: Einige wenige starke Führerfiguren ragen aus der Masse der Gleichberechtigten heraus, auch wenn der Eiserne Rat wesentlich humaner zu seinen Bürgern ist und ihnen wirkliche Gleichberechtigung anstelle von Unterdrückung und Bespitzelung bietet – ein Gegensatz zu ehemaligen kommunistischen Ostblockstaaten. Man könnte noch weiter gehen und die Mängel an Material und vielen anderen Dingen mit der Planwirtschaft oder der generellen Effizienz sozialistischer Systeme vergleichen, bis hin zu der Rückkehr des Zuges nach New Crobuzon am Ende des Buchs, an dem man gegen einen gemeinsamen Gegner die geliebte Stadt verteidigt. Eine reuige Rückkehr zum Kapitalismus?

Hier kann man geteilter Meinung sein. Hat „Der Eiserne Rat“ wirklich diese Botschaft? Ich glaube nicht, dass ein Sozialist wie Miéville grundsätzliche sozialistische Ideale in Frage stellen will. Er zeigt dafür auf, wie soziodynamische Entwicklungen das Beste und das Schlechteste im Menschen zum Vorschein bringen; so steigt die Prostituierte Ann-Hari zu einem der führenden Mitglieder des Eisernen Rats auf, hält all die unterschiedlichen Gruppen zusammen. Judah Low hingegen, ein anderes Gründungsmitglied, reist lange Zeit ohne den Rat durch die Welt und entwickelt eine andere Vision dieser Gesellschaft, sieht ihre Schattenseiten und verfällt der Hybris, sich auch aufgrund seiner überragenden Fähigkeiten als Golemist (daher auch der Name – entliehen von Rabbi Judah Loew aus Gustav Meyrinks [„Der Golem“) 1205 als die Hauptfigur des Rats und schlussendlich der ganzen Geschichte zu sehen. Sein Einfluss ist nicht wirklich in diesem Maß gegeben, doch der Leser verfällt ähnlich Low, aus dessen Sicht die Handlung recht häufig beleuchtet wird, in diese Annahme. Trotz seiner Macht und Bedeutung setzen sich die Bürger des Rats durch; er kann diesen Prozess nicht aufhalten und nur begrenzt steuern.

Die Schwäche des Romans liegt nicht in seinen Ideen, sondern in der Erzählweise. Cutter und andere Flüchtlinge sind zu Beginn auf der Flucht vor der Miliz. Warum? Was suchen sie? Bis die Geschichte zum Eisernen Rat kommt und Judah Low sich dem Leser überraschenderweise als Mitbegründer des Rats offenbart, bleibt vieles unklar. Die extrem grotesken Gestalten Miévilles und brutalste Bilder der Gewalt, niedergemetzelte Hirten und Rebenschweine (auf deren Rücken Reben wachsen) sind zwar beeindruckend in ihrer Intensität, tragen aber nicht zur Haupthandlung bei. Diese ist das Problem des Buchs. Miéville bietet hier wesentlich weniger als in den Vorgängern. Wer erwartet, dass die Welt Bas-Lag erweitert wird, wird enttäuscht. Nichts Neues, nur neue Extreme in Gewalt und ein massives Problem mit dem Fokus der Geschichte. Wir erfahren erst nach der Mitte der Buchs, was viele Menschen zur Flucht aus New Crobuzon treibt und wie die Verhältnisse in der Stadt sind; dies wird nur grob angerissen: Pogrome und Kampf gegen die selbstherrlich herrschende Oligarchie. Doch das Schicksal der Revolutionäre Ori und Toro vermag nur sporadisch zu fesseln, die fehlende Identifikation mit Figuren, deren Hintergrund erst im Nachhinein bekannt wird, ist ein Problem des Stilmittels, dem Leser Motivation und Ziele der Figuren lange vorzuenthalten; dasselbe Problem hat bereits der Beginn der Geschichte mit seinem Mangel an Information und der beschränkten Sichtweise des einfachen Flüchtlings.

Dann erst setzt unvermittelt die aus der Rückschau erzählte Geschichte des Rats ein, die von der Idee hochinteressant ist und vorzüglich dargestellt wird, jedoch nicht ausreicht, um das Buch zu füllen. Die Konflikte, die zur Rückkehr des Zugs in die Stadt führen, die von ihren Feinden bedroht wird und innerlich fatalerweise im Zustand des Bürgerkriegs ist, sind allerdings wesentlich nachvollziehbarer als weite Teile der Geschichte zuvor.

So sehr ich mit Miévilles Ideen rund um den Eisernen Rat sympathisieren mag und seine bildgewaltige Sprache schätze, seine Charaktere sind mittlerweile so blass, dass jegliche Identifikation schwer fällt. Die so geschaffene Distanz zur Handlung steht im starken Kontrast zu der bildgewaltigen Sprache, die den Leser in die Welt hineinzieht und aufgrund ihrer übertrieben grotesken Figuren oft auch wieder abstößt. Miéville hat seine Geschichte schlecht erzählt: Erst am Ende des Romans konnte ich sie würdigen, im Nachhinein. Spannung sucht man vergebens, viel zu zäh liest sich dieses vom Thema her doch eigentlich sehr viel versprechende Buch. Träumerei tritt hier an die Stelle guten Erzählens. Das Buch startet langsam und schwach und schafft es nicht, den Leser wirklich zu fesseln und zu begeistern. Erst gegen Ende gewinnt die Handlung an Fahrt, das Finale regt zum Nachdenken an. Miéville hätte sich auf eine oder zwei Handlungen konzentrieren sollen; solcherart kann nur die Handlung um den titelgebenden Eisernen Rat gefallen, alles andere ist Beiwerk und wird oft sehr lieblos im Plot mitgeschleift. So hat Cutter ein homosexuelles Verhältnis zu Judah Low, das jedoch nicht so innig erwidert wird, wie er möchte. Das wird so blutleer erzählt, dass man sich fragt, ob Cutter und Low „Quotenschwuchteln“ sind, denn dieser Aspekt der Geschichte läuft wie so vieles leider völlig ins Leere und Bedeutungslose. Einige wenige starke Abschnitte können leider nicht die fragwürdige Erzählweise aufwiegen. Die Handlung entwickelt sich schwerfällig, kein Vergleich zu „Perdido Street Station“ oder „Die Narbe“; diese Geschichte braucht zu lange, um sich zu entfalten und ist bei weitem nicht so fantastisch wie die der Vorgänger – und nicht annähernd so unterhaltsam.

Homepage des Autors:
http://www.chinamieville.co.uk/

Fanseite im Stil der New Crobuzoner Untergrundzeitung:
http://runagate-rampant.netfirms.com/

Simmons, Dan – Olympos

Reichlich anderthalb Jahre hat es gedauert, bis die ungeduldig erwartete Fortsetzung von [„Ilium“ 346 (Heyne, 2004) nunmehr erschienen ist – keine sehr lange Zeit, wenn man den veritablen Umfang (960 Seiten!) des neuen Bandes und die aufwendige Übersetzungsarbeit berücksichtigt. Peter Robert, der schon „Ilium“ übersetzt hatte, hat diese gewiss nicht leichte Aufgabe in sprachlich-stilistischer Hinsicht hervorragend gemeistert. Leider ist das auch schon das einzig Positive, was aus Sicht des Rezensenten zu „Olympus“ gesagt werden kann.

„Ein epochales Werk – nach seinem preisgekrönten Roman ‚Ilium‘ stellt Dan Simmons mit ‚Olympus‘ einmal mehr unter Beweis, dass er der bedeutendste mythenschaffende Schriftsteller unserer Zeit ist“, verkündet vollmundig der Verlag auf dem Rücktitel – ein Anspruch, dem das vorliegende Werk leider zu keinem Zeitpunkt gerecht werden kann. Angeblich erzählt das Buch die Geschichte von Thomas Hockenberry, Philosophie-Professor und Homer-Experte aus „Ilium“, weiter, was jedoch nur sehr eingeschränkt der Fall ist, denn Hockenberry spielt in der Fortsetzung eine eher untergeordnete Rolle. Andere Protagonisten wie der Altmensch Harmann und seine schwangere Freundin Ada werden weitaus intensiver und liebevoller geschildert, wie sich insgesamt das Geschehen weitgehend auf die „alte“ Erde verlagert.

Bezog „Ilium“ seinen Charme aus dem Gegensatz zwischen der zumeist nur angedeuteten Hochtechnologie einer fernen Zukunft und dem antiken Gemetzel zwischen Griechen und Trojanern, wobei die Götter eine sehr undurchsichtige und deshalb geheimnisvolle Rolle spielten, so versteht es der Autor in der Fortsetzung nicht, weiter mit diesem Pfund zu wuchern. Zwar geht die Schlacht weiter – blutiger als je zuvor, nachdem die Menschen ihren Kampf gegen die Götter aufgegeben haben und der Kampf um „Ilium“ in scheinbar geordneteren Bahnen seine Fortsetzung nimmt (allerdings ohne den „Göttervater“ Zeus, der von Hera in eine Falle gelockt und in einen Dauerschlaf versetzt wurde), auf Dauer langweilen die exzessiven Schlachtszenen jedoch nur noch, zumal die zahlreichen Wendungen des Geschehens willkürlich und aufgesetzt erscheinen.

Inzwischen haben sich die Moravecs (von Menschen konstruierte roboterähnliche Entitäten mit künstlicher Intelligenz) auf den Weg in Richtung Erde gemacht, da sie dort den Ursprung des Konflikts vermuten. Mit an Bord sind der von Ilium entführte Odysseus und (zeitweise) Thomas Hockenberry, dessen Rolle bis zuletzt unklar bleibt. Ebenso undurchsichtig erscheint das Geschehen auf der alten Erde, wo sich die Voynixe (ehemals dienstbare Roboterwesen) gegen die Altmenschen erhoben haben und diese zu Hunderten massakrieren. Harman, Daeman und Ada überleben den Angriff zunächst, allerdings scheint ihre Lage zunehmend aussichtslos, zumal sich zusätzlich zur Voynix-Plage eine ebenso mächtige wie übelwollende Gottheit namens Setebos auf Mutter Erde niedergelassen hat und einen Zufluchtsort der Altmenschen nach dem anderen unter tödlich-blauem Eis ersticken lässt. Auch der Magier Prospero ist wieder mit von der Partie, ebenso wie die blutgierige Kreatur Caliban, der bereits der überwiegende Teil der so genannten „Nachmenschen“ zum Opfer gefallen ist.

Einer bzw. eine dieser Nachmenschen hat allerdings in einem Sarkophag auf dem Gipfel des Himalaya überlebt, und es bleibt Harman im Rahmen einer äußerst rätselhaften Mission vorbehalten, diese jüngere Version der „ewigen Jüdin“ Savi wiederzuerwecken. Die junge Frau namens Moira verfügt über im Wortsinne unglaubliche Fähigkeiten, die – wie sich später herausstellt – zu großen Teilen auch den Altmenschen zur Verfügung stehen. Die Erklärung bleibt vage, sowohl von genetischer Manipulation als auch von Nanotechnologie ist die Rede, was z. B. angesichts der Fähigkeit zum „Freifaxen“ (sich an einen beliebigen Ort versetzen) mehr als fragwürdig erscheint.

Überhaupt benutzt der Autor die spektakulärsten wissenschaftlichen Ideen der Neuzeit ohne erkennbare Skrupel oder den Versuch einer seriösen Begründung. Es wimmelt von Bran-Löchern, alternativen Universen, Logosphären-Avatars und sogar den guten alten Black Holes in Miniaturausführung, die Dan Simmons zu einem pseudowissenschaftlichen Cocktail mischt, der sich mit zunehmender Länge des Werkes als unverdaulich erweist. Spätestens nach der Hälfte des Buches fragt sich der Leser ernsthaft, was denn das Ganze nun eigentlich soll, und die Antwort – so man denn überhaupt von einer solchen sprechen kann – fällt leider alles andere als befriedigend aus und offenbart einen gewissen Hang des Autors zur Metaphysik. Zu den metaphysischen Schrecken gesellt sich dann auch noch menschliche Bosheit, die zu allem Überfluss auch noch in ein ideologisches Gut-Böse-Raster gepresst wird.

Wie nach dem 11. September offenbar modern und mehrheitsfähig, sind es die bösen Moslems, die die Erde mittels einer Seuche fast vollständig entvölkert haben und nur durch unsere Helden daran gehindert werden können, die alte Erde sozusagen post mortem mittels einiger hundert Schwarzer Löcher in eine Staubwolke zu verwandeln. Derartige ideologisch-politische Konstrukte mögen bei Near-Future-Szenarien ihre Berechtigung haben; bei einer Handlung, die angeblich mehrere tausend Jahre in der Zukunft spielen soll, wirken sie etwa so glaubwürdig wie ein Mongolensturm auf den Asteroidengürtel und alles andere als „mythenschaffend“.

Beinahe noch ärgerlicher ist die Neigung des Autors, mittels exzessiver Sex- und Gewaltszenen ein Publikum zu erreichen, das wohl sonst keine Bücher lesen würde. Die entsprechenden Organe haben zumeist Unterarmlänge (nur kein Neid) und Körpersäfte werden mindestens literweise ausgeschüttet bzw. mit Hieb und Stichwaffen extrahiert. Die Figur des Achilles wird vermutlich einzig aus diesem Grund so ausgiebig geschildert, denn sinnvoll erscheinen die Aktivitäten des Achäerhelden zu keinem Zeitpunkt.

Leider ist dieses Fazit der weitgehenden Sinnfreiheit des Gesamtwerkes das Einzige, was dem geneigten Rezensenten nach der Lektüre der fast 1000 Seiten geblieben ist. Normalerweise werden inhaltliche Defizite bei Dan Simmons‘ Büchern durch ein hohes Maß an Spannung kompensiert (was bei „Ilium“ durchaus noch der Fall war), doch auch die fehlt bei „Olympus“ über weite Strecken. Die Protagonisten sind erstens zu zahlreich, um Interesse an den Geschicken des Einzelnen aufkommen zu lassen, und der letztendliche Erfolg der Unternehmungen der „Guten“ scheint von Beginn an wenig zweifelhaft. So stellt sich „Olympus“ am Ende als eine ärgerliche Kombination von Seitenschinderei, Spannungsarmut, Pseudowissenschaftlichkeit und ideologischer Determiniertheit dar, mit der der Autor der genialen Hyperion-Gesänge weder sich noch dem Publikum einen Gefallen getan hat.

|gelesen von [Frank W. Haubold]http://www.cis-gate.de/homepages/haubold/home.htm
Übertragung aus der alten in die reformierte Rechtschreibung durch den Editor|

Hoffmann, Markolf – Schattenbruch (Das Zeitalter der Wandlung 3)

Das |Zeitalter der Wandlung|:
Band 1: [Nebelriss 473
Band 2: [Flammenbucht 1280
Band 3: _Schattenbruch_
Band 4: [Splitternest 4027

Markolf Hoffmann setzt mit „Schattenbruch“ seine Tetralogie „Das Zeitalter der Wandlung“ fort. Lebensechte Charaktere und Sprachgewandheit zeichnen sein Werk aus, und „Schattenbruch“ stellt keine Ausnahme dar. Erneut beweist Markolf Hoffmann wortgewaltig, wie man einer Geschichte und ihren Charakteren Leben einhauchen kann.

Der Kampf um die magischen Quellen der Welt Gharax zwischen den Menschen und den echsenartigen Goldéi entpuppte sich als eine uralte Fehde zwischen zwei Magiern, Mondschlund und Sternengänger, deren Netz aus Lüge und Verrat das der weltlichen Herrscher noch bei weitem übertrifft. Der junge Kaiser Uliman Thayrin hat den „Silbernen Kreis“ seiner Fürsten und Ratgeber ermordet, nur Baniter Geneder hat überlebt und wird von ihm zum Unwillen seiner Zweck-Gemahlin, Königin Inthara von Arphat, die von Baniter einen Sohn erwartet, festgehalten.

Das magische Verlies der Schriften unter der alten Hauptstadt Vara, eine Quelle der Magie, erwacht zudem zu grausigem Leben, seine Schatten treiben die Bewohner in den Wahnsinn, sie reißen sich selbst die Augäpfel aus den Höhlen und sterben. An anderer Stelle erreichen Aelarian Truarc und sein Leibdiener Cornbrunn den mysteriösen Schattenbruch, Baniters entführte Gemahlin Jundala fährt mit den Südseglern einem ungewissen Schicksal auf dem geheimnisvollen Südkontinent entgegen. Laghanos und Nhordukael, die Auserwählten der beiden legendären Zauberer, bereiten sich derweil auf die entscheidende Auseinandersetzung vor. Kaiser Uliman wird zusätzlich mit einer unwillkommenen Überraschung konfrontiert: Sein wahnsinniger Vater Akendor lebt und drängt sich zusätzlich in den Machtkampf zwischen Inthara, Uliman und den Schatten des Verlieses hinein …

„Schattenbruch“ ist mit 343 Seiten der bisher kürzeste Teil des „Zeitalters der Wandlung“. Man kann ihn guten Gewissens als Brückenband zum abschließenden Band des Zyklus, „Splitternest“, verstehen. Die Handlung wird zwar vorangetrieben, Entscheidungen fallen in diesem Band allerdings keine. Stattdessen wird der Leser mit neuen Mysterien konfrontiert: Besteht ein Zusammenhang zwischen dem vermeintlich harmlosen Schattenspieler, dem Schattenbruch und den Schatten des Verlieses? Der sagenhafte Südkontinent zeigt sich ebenfalls vorerst nur in Gestalt vorgelagerter Inselgruppen – alles andere bleibt dem Folgeband vorbehalten.

Spielerisch und ausgelassen zeigt sich Markolf Hoffmann bei Aelarian Truarc und Cornbrunn samt ihren Kieselfressern Grimm und Knauf; ihre fröhlichen Eskapaden lockerten bereits [„Flammenbucht“ 1280 auf und auch dieses Mal sorgen sie für einen angenehmen Kontrast zu den düsteren Fürsten Sithars. Leider bleibt nicht viel Raum für eine Charakterentwicklung Uliman Thayrins; der junge Kaiser kann dennoch Kälte und Furcht ausstrahlen, ein zentrales Thema dieses Romans: Die Schatten aus der Tiefe Varas sorgen für wohlige Schauder. Ein wenig enttäuscht war ich von dem ungewöhnlichen Ende des Rachefeldzugs der Kämpferin Ashnada, eine interessante Wendung der Geschichte, die mir jedoch nicht wirklich stimmig erschien. Allerdings illustriert sie vortrefflich die verworrenen Loyalitäten im Netz der Lügen und Täuschungen der beiden Zauberer und der Herrscher der Welt Gharax. Das Tempo, mit dem Hoffmann Intrigen spinnt und Handlungsfäden in Richtung Finale hin entwickelt, sorgt auch dafür, dass Laghanos, wie bereits in den Vorgängern, kaum in Erscheinung tritt, Nhordukael und die Goldéi treten dieses Mal ebenfalls kürzer.

Das Grauen der Entfesslung der Quellen hat Markolf Hoffmann exzellent und innovativ eingefangen, hier kann er mit tollen Bildern und seiner sprachlichen Finesse auftrumpfen. Seine sonst so starken Charaktere leiden dieses Mal jedoch unter den häufigen Wechseln der Handlungsebene; das sorgt für eine gewisse Distanz zu den Figuren, mit denen man in den Vorgängern wie zum Beispiel mit einem Baniter Geneder noch mitfiebern konnte. Alles in allem ist „Schattenbruch“ aber eine gelungene Fortsetzung der Reihe, die leider viel zu viele Fragen offen lässt und neue aufwirft, die auf den Abschlussband „Splitternest“ neugierig machen. Es würde mich nicht wundern, wenn dieser aufgrund der Komplexität der Handlung und der vielen noch offenen Fragen zum Zweiteiler werden würde.

Offizielle Homepage des Autors:
http://www.nebelriss.de/

[Unser Interview mit Markolf Hoffmann]http://www.buchwurm.info/artikel/anzeigen.php?id=34

Stöcklein, Verena / Plischke, Thomas – Terra Incognita: Der Schwur des Sommerkönigs 2

Terra Incognita setzt die Geschichte der Invasion der britannischen Inseln durch die angelitische Kirche im Jahr 2656 fort und ist der abschließende Roman der Duologie „Der Schwur des Sommerkönigs“, die mit [Terra Nova 1533 vielversprechend begann.

Die Autoren Thomas Plischke und Verena Stöcklein schufen im ersten Band eine sehr intensive Atmosphäre, die von der Faszination des |Engel|-Rollenspieluniversums von |Feder & Schwert| genährt wurde. Der Krieg der gottesgläubigen Angeliten gegen die |Traumsaat| genannten Dämonen des Teufels, schön |Herr der Fliegen| genannt, und die Britonen, deren Glaube an heidnische Götzen der keltischen Sagenwelt Grund für den Kreuzzug des Riesenschiffes |Terra Nova| mitsamt seinen Templer- und Engelsscharen war, bietet eine willkommene Abwechslung zu an |AD&D| angelehnten Fantasyszenarien mit Elfen, Zwergen und Orks.

Die Handlung wird aus der Sicht zweier Gruppen erzählt, zum einen der kleinen Engelsschar um ihren Anführer Lumael, einem Michaeliten, und aus der Joels, einem Sarieliten, der zusammen mit dem Sterblichen George als Geheimagent im Dienste des Herrn in Britannien spioniert. Im ersten Band wurden die Unterschiede zwischen Angeliten und Britonen herausgearbeitet, wobei man sich bei Historie und Mythologie freizügig bediente. So werden die Engel in Roma Aeterna ausgebildet, kämpfen im Himmel über Nürnberg gegen die Dämonen der Hölle, während die Britonen dem Sommerkönig huldigen und altkeltische Rituale praktizieren, aber im Gegensatz zu den Angeliten moderner Technologie gegenüber aufgeschlossen sind und sie auch einsetzen: Sie können für den kranken George Insulin herstellen und besitzen Feuerwaffen, während die Angeliten in den seltensten Fällen lesen und schreiben können. Dafür haben sie die Engelsscharen des Herren; die Gabrieliten oder Todesengel mit ihren Flammenschwertern machen in |Terra Incognita| ihrem Namen alle Ehre. Die Landschaft Europas ist ebenso faszinierend verfremdet worden: Der Meeresspiegel hat sich gehoben und so entstanden die hier wörtlich zu nehmenden britannischen Inseln, andere Teile Britanniens versanken. London ist im |Engel|-Universum eine Insel, ebenso wie Dover. Die im Umschlag befindliche Karte zeigt das sehr schön, allerdings sollte man sich nicht daran stören, dass das höher gelegene Oxford eine Küstenstadt ist und London dennoch nicht versunken ist.

Der Rollenspielcharakter der Engelsschar wird weniger betont als im ersten Teil, allerdings ist dies nicht als Fortschritt zu sehen. An Stelle der Anführer-, Krieger-, Heiler- und Bogenschütze-Rollenbilder treten jetzt interne Konflikte mit dem neuen Mitglied der Schar, dem Todesengel Doriel. Diese sind zwar gut geschildert, schaffen aber nicht dieselbe Atmosphäre wie die Vorstellung des faszinierenden |Engel|-Universums im ersten Band. Joel und George brechen unverständlicherweise die Verfolgung des Sommerkönigs ab und schließen sich stattdessen Widerstandskämpfern um Robin von Locksley (bekannter als Robin Hood) an. Diese Passage ist jedoch recht kurz und es zeigt sich eine fatale Schwäche des abschließenden Bandes: Ein Buch mit vielen interessanten und für Rollenspieler sicher inspirierenden Versatzstücken, aber kein Roman mit einer geschlossenen Handlung.

Das ist sehr schade, denn an Atmosphäre, Ideen und Charakteren mit Potenzial mangelte es nicht. Das Autorenduo hätte sicher noch viel mehr schreiben können, aber dieser Band ist der letzte der Reihe, und er hinterlässt so einen schalen Nachgeschmack. Das Ende ist überhastet, es werden neue Figuren kurz vor Schluss eingeführt; ich gewann den Eindruck, es folge noch ein dritter Band. Stattdessen wird der gelungen mystisch und geheimnisvoll aufgebaute Sommerkönig lieblos abserviert, geradezu ein Hohn angesichts des Cliffhangers des ersten Bandes, der hier ein großes Geheimnis versprach. Mir kam es vor, als ob man einfach nicht den Platz hatte, die Geschichte des Sommerkönigs zu Ende zu erzählen.

|Terra Incognita| kann nicht wie sein Vorgänger auf den Bonus des Neuen, des atmosphärischen Engel-Universums setzen, sondern muss eine Geschichte in dem faszinierend eingeführten Szenario erzählen, um bestehen zu können, tut dies aber nicht. Das überhastete Ende lässt einige leckere Brocken zurück, die der Rollenspielfreund als Häppchen schlucken kann, eine abgerundete Geschichte erhält er jedoch nicht.

http://www.feder-und-schwert.com/