Archiv der Kategorie: Hörspiele / Hörbücher

Peinkofer, Michael / Rohrbeck, Oliver – Team X-treme 2: Die Bestie aus der Tiefe (Hörspiel)

Folge 1: [„Alles oder nichts“ 5064

_Inhalt_

Als in der Ägäis auf mysteriöse Art und Weise ein Schiff verschwindet, wird der britische Geheimdienst in Person von Conrad Leland beordert, der merkwürdigen Geschichte auf den Grund zu gehen. Das Team X-treme, mittlerweile verstärkt um Kyle Connor als festes Mitglied, reist nach Südeuropa und erfährt alsbald Interessantes von einer ortsansässigen Betroffenen, die ihren Bruder sucht, der wiederum auf dem Boot unterwegs war. Allerdings wird die Einheimische als Schnüfflerin abgestempelt und aus unverständlichen Gründen verhaftet.

Ungleich motivierter macht sich das Quartett auf die Suche nach dem Wrack und einer überdimensionalen Bestie, die Beobachter vor der Küste gesehen haben wollen. Scheinbar ist das Monstrum für die jüngsten Unfälle verantwortlich, doch es scheint nur allzu unwahrscheinlich, dass sich ein riesiger Hai im Mittelmeer niedergelassen hat. Bei ihren Forschungen werden Kyle und Co. dann aber doch von einigen bitteren Wahrheiten überrollt. Und davon abgesehen stellen sich die Behörden auch noch gegen die ausländischen Spürnasen und machen dem Team X-treme das Leben schwer …

_Persönlicher Eindruck_

Die zweite Episode um das „Team X-treme“ setzt genau dort an, wo die erste Folge punktete: hohes Tempo, dynamische Szenarien, ambitionierte Sprecher. Michael Peinkofers neue Serie sagt auch in „Die Bestie aus der Tiefe“ der offensichtlichen Konkurrenz von „TKKG“ den Kampf an und gibt sich in der Präsentation unheimlich offensiv. Gerade auf Ebene der Dialoge badet man in Klischees, steht den modernen Tim, Tarzan und Klößchen damit in nichts nach, kann aber derweil von einer lebendigeren Aufbereitung profitieren. Und eben das scheint es zu sein, was das Zielpublikum heute besonders gerne sieht – beziehungsweise hört.

Dabei ist genau diese Klischeelastigkeit die größte Schwäche von „Team X-treme“, wie sich nun mit der zweiten Episode noch deutlicher zeigt. Die Sprüche, vor allem aber die ständige Atemlosigkeit von Hauptakteur Kyle Connor sind wahrlich Geschmackssache, auf lange Sicht aber schon ein wenig anstrengend. Außerdem ist sein permanent reißerisches Verhalten an gewissen Punkten der Handlung nur noch unglaubwürdig und hinterlässt schließlich den Eindruck, man sei stellenweise sogar ein Stück zu überambitioniert an bestimmte Szenen und Inhalte herangegangen.

Andererseits zehrt auch das zweite Kapitel von einer richtig guten Story, die abwechslungsreich strukturiert, spannend vorangetrieben und mit schönen schnellen Breaks ausgestattet wurde. Zwar mag der eine oder andere Inhalt nicht vollständig den eigenen Ideen des Autors entstammen, aber da sich dieser Umstand keinesfalls auf die Entwicklung des Plots auswirkt, braucht man sich diesbezüglich keine weiteren Gedanken machen. Stattdessen ist erhöhte Aufmerksamkeit gefragt, da die Geschwindigkeit für ein solch jugendliches Hörspiel ziemlich hoch ist und man somit schnell wichtige Passagen verpasst. Gerade im Hinblick auf die Vergangenheit Kyles, für die es hier weitere Anhaltspunkte gibt, lohnt es sich zwischen den Zeilen zu lesen, wobei der Regie hier ein großes Lob für die elegante Verpackung der Background-Story gebührt. Auch wenn man nicht viel erfährt, so bleibt zumindest ein recht hohes Maß an Spannung im Hintergrund, welches sich nahtlos auf den Verlauf der Handlung überträgt.

Lediglich die unschönen Schlussszenen disqualifizieren „Die Bestie aus der Tiefe“ ganz eindeutig. Ohne zu sehr auf die Story einzugehen: Hier nimmt die Serie recht brutale Züge an, die in einen solchen Jugendtitel schlichtweg nicht hineingehören. Mit dem Fokus auf die vermeintlich jugendliche Zielgruppe schießt man hier deutlich über das Ziel hinaus! Unnötig zudem, weil die Endsequenz für die Geschichte kaum belangreich ist.

_Fazit_

Die zweite Episode zum „Team X-treme“ ist lebendig und abwechslungsreich, ganz so, wie man es von der Debüt-Episode kennt. Allerdings sind die nervenaufreibenden Klischees und die wachsende Brutalität überdenkenswerte Elemente, die den Gesamteindruck leider erheblich schmälern – und das wiederum ist bei der richtig guten Story wirklich schade!

|46 Minuten auf 1 CD
ISBN-13: 978-3-7857-3556-5|
http://www.luebbe-audio.de
http://www.stiftung-x.de
http://www.michael-peinkofer.de
http://www.wellenreiter.la

_Mehr von Michael Peinkofer auf |Buchwurm.info|:_

[„Die Bruderschaft der Runen“ 1024
[„Die Erben der schwarzen Flagge“ 4201 (Audio)

Connelly, Michael – Kalter Tod (Hörbuch)

_Spannender Harry-Bosch-Thriller, ausgezeichnet umgesetzt_

In der Nähe des Mulholland Drive, wo die Hollywood-Stars ihre Villen haben, findet man Dr. Stanley Kent mit zwei Kugeln im Kopf tot an einem Aussichtspunkt (= Overlook). Als Harry Bosch von der LAPD-Mordkommission entdeckt, dass Dr. Kent für die Handhabung gefährlicher radioaktiver Substanzen in den Kliniken der Stadt zuständig war, entwickelt sich der Fall schnell zu einer Angelegenheit der nationalen Sicherheit. In einem Krankenhaus der Stadt fehlt aus dem Safe der gesamte Vorrat an radioaktivem Cäsium. Stattdessen befindet sich dort eine geheimnisvolle Nachricht von Dr. Kent …

_Der Autor_

Michael Connelly war jahrelang Polizeireporter in Los Angeles und lernte das Polizeigewerbe von außen kennen. Bekannt wurde er mit seinen Romanen um die Gesetzeshüter Harry Bosch und Terry McCaleb, besonders aufgrund der Verfilmung von „Das zweite Herz / Blood Work“ durch Clint Eastwood. Zuletzt erschienen „Der Mandant“, „Vergessene Stimmen“ und „L.A. Crime Report“ auf Deutsch.

|Michael Connelly auf Buchwurm.info (in Veröffentlichungsreihenfolge):|

|Harry Bosch:|

[„Schwarzes Echo“ 958
[„Schwarzes Eis“ 2572
[„Die Frau im Beton“ 3950
[„Das Comeback“ 2637
[„Schwarze Engel“ 1192
[„Dunkler als die Nacht“ 4086
[„Kein Engel so rein“ 334
[„Die Rückkehr des Poeten“ 1703
[„Vergessene Stimmen“ 2897
[„Kalter Tod“ 5282 (Buchausgabe)

[„Das zweite Herz“ 5290
[„Der Poet“ 2642
[„Im Schatten des Mondes“ 1448
[„Unbekannt verzogen“ 803
[„Der Mandant“ 4068
[„L.A. Crime Report“ 4418

_Der Sprecher_

Frank Engelhardt ist als Synchronsprecher aus zahlreichen Filmen und TV-Serien bekannt. Er lieh seine Stimme u. a. Humphrey Bogart, Samuel L. Jackson und Martin Sheen. Doch auch als Autor und Regisseur war Engelhardt bereits für den SWR, das Bayerische Staatstheater und die Produzenten zahlreicher TV-Serien wie z. B. „The Closer“ und „Beverly Hills 90210“ tätig (Verlagsinfo)

Die gekürzte Fassung erstellte Birgit Pooth. Regie führten Aufnahmeleiter Volker Gerth und Dr. Anke Susanne Hoffmann.

_Handlung_

Harry Bosch ist mittlerweile 56 Jahre alt. Nach seiner Rückkehr aus dem Ruhestand als Privatschnüffler war er in der Abteilung für unaufgeklärte Fälle („The Closers“), doch für seine erfolgreiche Arbeit wurde nun mit einer Stelle bei der Zentralen Mordkommission „Homicide Special“ belohnt. Es ist mitten in der Nacht, als Harry Jazz hört, da trifft der erste Anruf ein und ruft ihn zum Dienst. Als Sonderabteilungsmitarbeiter ist Harry keinem der Bezirke von Los Angeles zugeteilt wie die anderen Kripos, sondern kann sich seinen Einsatzbereich aussuchen. Harry ruft seinen Partner Ignacio Ferras zum Dienst und fährt los.

Der Tatort befindet sich ausgerechnet an einem der schönsten Aussichtspunkte der Stadt der Engel, dem Mulholland Drive Overlook. Hier hat ein betuchter Mann das Zeitliche gesegnet. Wegen der zwei Schüsse in den Hinterkopf spricht der Rechtsmediziner von einer Hinrichtung. Ein Porsche steht mit offener Haube auf dem Parkplatz, und Harry nimmt die Wagenschlüssel an sich. In den Habseligkeiten des Fahrers findet er jede Menge Zugangscodekarten. Dieser Bursche hatte Zugang zu allen Krankenhäusern der Stadt, aber wozu, rätselt Harry. Und er hatte einen Ausweis fürs St. Agatha’s. Vor dem Beifahrersitz erblickt er die Dellen, die ein schwerer Behälter hinterließ, der nun weg ist.

Über jedem Anfang liegt ein Zauber, doch als Harry die FBI-Agentin Rachel Walling, seine einstige Geliebte, an der Absperrung erspäht, fällt seine Stimmung um einige Grade. Auf seine verbalen Annäherungsversuche reagiert sie zickig, aber sein Sarkasmus ist bei ihr ebenfalls verschwendet. Immerhin lässt sie sich dazu herbei, ihm den Namen des Toten mitzuteilen: Dr. Stanley Kent. Und sie gibt ihm sogar dessen Akte, ist es zu glauben. Was Rachel so besorgt macht, ist der Umstand, dass Dr. Kent Zugang zu radioaktivem Material hatte. Dieses Zeug wird für Krebsbekämpfung eingesetzt, und er hantierte damit. Ein kleiner Strahlungsindikator beweist es. Was Rachel jedoch zur Eile drängen lässt, ist ihre Annahme, dass es auch Kents Frau Alicia erwischt haben könnte.

Als sie sich Alicias Haus nähern, trickst Harry Rachel aus und ertappt sie bei einer Lüge: Entgegen ihrer ersten Angabe kennt sie Alicia bereits von einem Beratungsgespräch, das sie vor etwa einem Jahr mit den Kents führte, um sie zur Erhöhung der Sicherheitsmaßnahmen zu drängen. Terroristen könnten mit dem radioaktiven Material, mit dem Dr. Kent umging, eine „schmutzige Bombe“ bauen und versuchen, L.A. zu verseuchen oder zu erpressen.

Alicia lebt noch, wenn auch nur gefesselt. Die Spurensuche fördert wenig zutage, und das Eintreffen des FBI-Beamten John Brenner lenkt Harry zusätzlich ab. Brenner und Walling wollen offenbar diesen Fall übernehmen, und das will Harry keinesfalls zulassen. Er vernimmt Alicia Kent daher persönlich. Zwei Männer, von denen einer schlecht englisch sprach, überwältigten sie demnach. Sie willigte in alles ein, was sie von ihr verlangten, denn sie drohten, sie zu vergewaltigen und zu foltern, bevor sie sie töteten. Dazu kam es nicht, doch ihr Mann starb stattdessen.

Ein Sondereinsatzkommando stellt lediglich fest, was Harry eh schon geahnt hat: Das radioaktive Cäsium im St. Agatha’s Hospital, für das Kent verantwortlich zeichnete, ist verschwunden. Nun geraten die Bundesheinis ganz schön aus dem Häuschen, findet er. Sie konferierten online mit Washington und der Zentrale. Werden die USA von Terroristen angegriffen, die sich als Schläfer haben einschleusen lassen? Oder was läuft hier eigentlich, will er von Rachel wissen. Wie üblich mauert sie erst, bevor er sie knacken kann. Ja, es gebe zwei Hauptverdächtige, die für diesen Raub infrage kämen.

Was sie ihm erzählt, will in seinen Augen einfach nicht zu den Fakten passen, doch er hält sich zurück. Und so verschweigt er ihr und ihr Kollegen völlig, dass seine Leute einen Zeugen aufgetrieben haben, der tatsächlich die Mordtat angesehen und gehört hat. Es ist ein Madonna-Fan von der kanadischen Ostküste. Etwas Harmloseres ist Harry noch nie untergekommen. Aber wenigstens stützt die Zeugenaussage seine eigene Mordtheorie. Und zweitens hat Harry jetzt gegenüber den FBI-Leuten eine Trumpfkarte. Wer seinen Zeugen haben will, muss erst einmal gute Informationen rausrücken. Natürlich versteckt er den Zeugen gut.

Und er tut gut daran, denn nun fühlt sich der Terroristenjäger der L.A.-Polizeitruppe dazu berufen, einem wichtigen Verdacht nachzugehen. Ein Unidozent namens Samir hat die Taten der Attentäter vom 11. September befürwortet und sich auch sonst ziemlich unbeliebt gemacht. Jetzt sieht der Mann vom OHS die Chance, diesen Typen kleinzukriegen. Harry warnt ihn vergebens, ja, er wird sogar von ihm entwaffnet und in einen Einsatzwagen gesperrt.

Mit seinen schwer bewaffneten Jungs stürmt der OHS-Leiter das Haus des Dozenten, kaum dass die Tinte auf dem Gerichtsbeschluss schon getrocknet ist. „Das ist doch Wahnsinn!“, meint Boschs Partner Ferras entsetzt. Aber der Wahnsinn hat Methode. Und ist unaufhaltsam.

Harry weiß nun, dass seine Zeit, den MORD-Fall zu lösen, abläuft.

_Mein Eindruck_

Für Connellys Verhältnisse ist dies ein ziemlich kurzer Roman, und ich habe ihn in wenigen Stunden verschlungen. Zunächst wurde die Geschichte im New York Times Magazine als Serie abgedruckt, was zum Teil ihre Kürze erklärt. Erst nachträglich, so Connelly (s. u.), habe er die 3000-Wörter-Stücke zu einem Text zusammengefügt, erweitert und die Figuren genauer erklärt. Schließlich ist dann noch ein Schlusskapitel hinzugekommen, das mir aber eher wie eine Überleitung zum nächsten Roman vorkommt, quasi als Appetitanreger.

Die Story fängt ganz langsam und überlegt an, doch schon mit Rachel Wallings Auftauchen werden Spannungen und Differenzen sichtbar. Bereits hier zeigt Bosch seine Meisterschaft im Austricksen von Lügnern. Leider verweist er immer wieder auf den vorhergehenden Fall in „Echo Park“, was sich sowohl auf den Ort in L.A. bezieht als auch auf Connellys gleichnamigen Roman, der in Deutschland allerdings erst 2009 erscheint, also in verkehrter Veröffentlichungsreihenfolge. Der Leser von „The Overlook“ soll sich durchaus animiert fühlen, „Echo Park“ zu lesen, um die Chemie zwischen Bosch und dem FBI im Allgemeinen und Rachel Walling im Besonderen nachvollziehen zu können.

Schon mit dem Auftauchen und Verstecken des Augenzeugen wird selbst dem letzten Leser klar, dass Bosch ein gefährliches Spiel spielt. Ein gewöhnlicher Bulle, der der großmächtigen Bundespolizei einen Augenzeugen vorenthält? Aber holla! Das ist ja unerhört. Dass sich Boschs Vorbehalte gegen das FBI auf bitterste Weise bewahrheiten, gehört zu den vielen Ironien in dieser Story. Bosch hält die Feds quasi für betriebsblind*, ideologisch indoktriniert und obendrein für dünkelhafte und arrogante Geheimniskrämer. Sie halten sogar das Hauptquartier ihrer Tactical Intelligence Unit, von wo aus sie Terroristen bekämpfen, geheim. Auch dies erweist sich als Schuss ins Knie: Genau dort findet jetzt ein Doppelmord statt, den Bosch und Walling vielleicht hätten verhindern können.

|*: Der Originaltitel „overlook“ ist doppeldeutig und meint sowohl einen Aussichtspunkt als auch den Vorgang, wenn man etwas übersieht („something was overlooked“). Das FBI meint, es hätte die Übersicht, übersieht aber die verräterischen Details, die das Gegenteil seiner Theorie belegen. Dafür ist Bosch zuständig.|

Nicht zum ersten Mal versteckt sich in den FBI-Reihen ein Maulwurf, ein Verräter. Mit seinen Kenntnissen kann er seine Kollegen an der Nase herumführen. So wird aus einer Dreiecksgeschichte mit Todesfolge unversehens ein Terroristenszenario. Nur durch Kommissar Zufall gelangen Bosch und Walling auf die richtige Spur: Ein Müllwühler hat sich mit dem radioaktiven Cäsium verstrahlt. Aber werden die beiden noch rechtzeitig kommen, um den Mörder und seinen Komplizen dingfest zu machen? Ein weiterer Showdown ist fällig. Und dabei muss sich erstmals auch Boschs Partner Ignacio Ferras bewähren.

|Der Sprecher|

Frank Engelhardt verfügt über eine sehr tiefe, männliche Stimme voll Autorität. Deshalb kann er Harry Bosch genauso gut darstellen wie Samuel L. Jackson (den schwarzen Killer in „Pulp Fiction“). Die Stimmlage des Erzählers ist die gleiche wie die für Harry. Alle anderen reden ein weniger anders, meist ein wenig höher, was die männlichen Figuren angeht. Nur der (namenlose) Polizeichef redet noch tiefer als Harry, falls das möglich ist. Harry flüstert eindringlich und brüllt auch schon mal zornig.

Die faszinierendste Stimme in Frank Engelhardts Arsenal ist zweifellos die von Rachel Walling. Auch wenn er Mühe hat, die weibliche Stimmhöhe zu erklimmen, so gelingt es Engelhardt doch die meiste Zeit, Rachel ganz anders sprechen zu lassen als Harry. Sie tut dies sehr flexibel: anfangs heiter, dann nervös und unsicher, schließlich drohend. Mehr als einmal ruft sie laut, manchmal auch begeistert oder überrascht.

Engelhardt gelingt es also, die Emotionalität einer Szene genau einzufangen und darzustellen. Das weist ihn als routinierten Profi aus. Mit der Individualität der Figuren hat er aber so seine Probleme. Nur Ignacio Ferras weist er als Spanischsprecher aus, indem er ihn das R entsprechend rollen lässt. Alle anderen sprechen ganz normal.

Die vielleicht beste Szene – neben vielen Konfrontationen – ist das Finale, als Bosch und Walling den Mörder in die Enge getrieben haben. Engelhardts Aufgabe ist es nun, den angeschossenen Mörder glaubwürdig keuchen und röcheln zu lassen, denn es geht offensichtlich mit ihm zu Ende. Dabei darf er es aber auch nicht übertreiben. Aber wir müssen Mitleid mit ihm haben, um sein Ende würdigen zu können.

|Musik|

Gleich der Anfang bietet dem Hörer Musik. Allerdings handelt es sich um ein Jazzstück, denn Harry Bosch lauscht gerade einer Jazzaufnahme von Harry Morgan. Ob es wirklich das Morgan-Stück ist, kann ich allerdings nicht beurteilen, da ich Rockfan bin und Jazz nur alle Schaltjahre höre.

Die restliche Musik ist völlig anders, nämlich von modernem Easy-Listening-Feeling. Wir hören mal flotte, mal langsam-ruhige Synthesizermusik. Sie hat stets die Aufgabe, eine Zäsur zu setzen. Deshalb erklingt sie am Ende einer spannenden Szene und leitet die nächste ein, indem sie in den Hintergrund wandert. Die meisten Stücke sind ein bis zwei Minuten lang. Das Hinhören lohnt sich also nicht. Auch weil der Klangstandard lediglich Mono ist.

|Sounds|

Es gibt zwar keine Geräusche, aber dafür einen recht auffälligen Sound, der jedoch keine Musik ist. Dieser Sound ist sehr tief und klingt unheimlich, als würde gleich eine Gruselszene folgen. Er endet in einem Misston, der eher an eine Kreissäge erinnert.

_Unterm Strich_

Keine Schnörkel, keine Gefangenen – das scheint die Devise für diese rasante, mordsmäßig spannende Thriller-Story Connellys gewesen zu sein. Der Meister übertrifft sich zwar nicht selbst, aber er liefert die gewohnt packende Handlung ab – es ist ein echter Harry-Bosch-Fall, und Fans des harten Burschen werden sich freuen. Es gibt sogar einen kurzen Ausflug nach Vietnam („Charlie surft nicht“, eine Anspielung auf die Surfszene in Coppolas „Apocalypse Now“).

Bei genauerem Hinschauen wird klar, dass der Autor eine ziemlich kritische Aussage macht: Für die heilige „national security“ wird einfach alles geopfert, als Erstes natürlich die Wahrheit, dann auch Freiheit und Unversehrtheit des Heims. Und was noch hinzukommt: Im Namen der „National Security“ hat auch die Polizei nichts mehr zu melden, sondern nur noch der Bund, also die Bundespolizei FBI und ihre geheimen Agenturen.

Polizisten wie Harry Bosch, die anderer Meinung sind als das FBI, haben mit schweren Sanktionen zu rechnen, wenn sie dem FBI ans Bein pinkeln. Typisch: Kaum hat sich Harry beim Polizeichef persönlich Rückendeckung geholt, wird er im Trakt des FBI von Agent Jack Brenner in ein Vernehmungskabuff gesperrt, das von versteckten Kameras beobachtet wird. Das gibt ihm einen Vorgeschmack dessen, was einen gewöhnlichen Bürger im nationalen Notfall erwarten würde. Es ist absolut beängstigend.

Dass Agentin Rachel Walling ihren Prinzipien und Direktiven einfach alles opfert, selbst wenn sie völlig auf dem Holzweg ist, beruhigt Harry nicht gerade. Sie lügt ihn von Anfang an an, doch er trickst sie aus. Und durch ihre Fixiertheit auf den „Raub des Cäsiums“ übersieht sie glatt, dass es noch andere Erklärungen für den Mord an Stanley Kent geben könnte. Sie und das ganze FBI glauben an Raub, er als Einziger an Mord: Hat man den Mörder, hat man auch das Cäsium, ist seine These.

Die Vorgehensweise der beiden Seiten ist diametral entgegengesetzt, und wie sich zeigt, ist seine die wesentlich bessere. Nur seine Theorie passt auf die vielen widersprüchlichen Fakten. In klassischer Krimi-Manier erklärt er Walling den Tathergang. Dennoch ist sie widerwillig, ihm zu glauben – die optimale Stichwortgeberin. Aber sie braucht eine ganze Weile, um Harry über eine fundamentale Tätertheorie, die er hat, zu korrigieren: Er verdächtigt den Falschen. Und los geht die Jagd!

|Das Hörbuch|

Mit Engelhardts Vortrag war ich hochzufrieden, denn er zog mich stets in jede Szene hinein. Er ist zwar kein Stimmenkünstler wie Rufus Beck, aber das ist in diesem Fall auch gar nicht nötig. Hauptsache, die Thrillerstimmung kommt richtig zum Tragen. Die Musik weiß in den Pausen zwischen den Szenen zu entspannen und einen Übergang auf unaufdringliche Weise zu schaffen. Ein Sound allerdings erklang im Hintergrund an besonders unheimlichen und angespannten Stellen, so dass man das Schlimmste fürchtet – raffinierter Effekt.

Das Einzige, was ich vermisse, ist das Bonuskapitel, das in der Originalausgabe von 2008 zu finden ist. Es ist aber nicht in der deutschen Übersetzung enthalten, die auf der Originalausgabe von 2006/07 basiert.

Fazit: ein Volltreffer, auch wegen des günstigen Preises von nur 15 €uro. Das freut Krimi-Liebhaber.

|Originaltitel: The Overlook, 2006/08
Aus dem US-Englischen übersetzt von Sepp Leeb
356 Minuten auf 5 CDs
ISBN-13: 978-3-86804-496-6|
http://audiomedia.de/category/verlag/hoerbuch/target-mitten-ins-ohr/

Salvatore, R. A. / Merlau, Günter / Elias, Oliver – Drizzt – Der gesprungene Kristall (Die Saga vom Dunkelelf 7)

_Inhalt:_

Drizzt hat im Eiswindtal eine neue Heimat und in Bruenor Heldenhammer und dessen Ziehtochter Cattie-Brie gute Freunde gewonnen. Doch da zieht eine neue Bedrohung herauf: Die Barbarenstämme haben sich zusammengeschlossen, um die nahegelegenen Zehnstädte zu unterwerfen. Der Dunkelelf riskiert sein Leben, um die Menschen, die ihn meiden und verabscheuen, zu warnen. Im letzten Moment schließen sich Menschen und Zwerge zusammen, um die Armee der Barbaren zurückzuwerfen.

Währenddessen findet der abtrünnige Zauberlehrling Akar Kessel den „gesprungenen Kristall“, ein Artefakt mit großer magischer Kraft. Dadurch fällt Akar dem Wahnsinn anheim und erhält Kontakt zu einem mächtigen Dämon. Eine unkalkulierbare Gefahr droht den Völkern vom Eiswindtal …

_Meine Meinung:_

Endlich ist die langerwartete Fortsetzung der derzeit anspruchvollsten Fantasy-Hörspielserie erhältlich. |Lausch| hat keine Kosten und Mühen gescheut, die neuen Folgen von |Drizzt| qualitativ an den ersten Zyklus anschließen zu lassen. Scheint Drizzt in Folge sechs endlich seinen Frieden gefunden zu haben, so muss er sich bald eines Besseren belehren lassen.

Und wieder trumpft |Lausch| mit gewaltigen Schlachten auf, die Dank einer exorbitanten Geräuschkulisse die Fantasie des Hörers beflügeln. Untermalt wird das Geschehen von einem donnernden Soundtrack, komponiert von Günter Merlau selbst; eine Musik, wie man sie höchstens in teuren Kinoproduktionen zu hören bekommt. Zu guter Letzt leisten die Sprecher, allen voran Tobias Meister, eine erstklassige Arbeit. Der Schauspieler, der unter anderem Brad Pitt synchronisiert, geht hörbar in seiner Rolle als Dunkelelf auf. Bruenor wird wieder von Uwe Hügle gesprochen, der einen überaus überzeugenden Zwerg abgibt. Als Barbar Wulfgar ist Bernd Hölscher zu hören, und die erwachsene Cattie-Brie wird einfühlsam und natürlich von Annabelle Krieg verkörpert. Drehbuchautor Oliver Elias, der die Vorlage R. A. Salvatores zu einem spannenden Skript umschrieb, hat darüber hinaus gleich eine der Hauptrollen übernommen und spielt den wahnsinnig gewordenen Zauberlehrling Akar Kessel.

Trotzdem der Hörer hier eine klassische Fantasy-Geschichte serviert bekommt, ist die Story ein wenig anders angelegt als die letzten Episoden. Beschäftigten sich die vorangegangenen Folgen mit der Charakterisierung Drizzts und seiner Erkundung der Oberwelt, so geht es hier um die Verteidigung von Heimat, Familie und Freunden. Erwähnenswert ist darüber hinaus, dass dieses Hörspiel mit einem Cliffhanger endet und quasi den ersten Teil eines Zweiteilers bildet.

Die Coverillustration ist nicht ganz so kunstvoll ausgefallen wie die Titelbilder der ersten sechs Hörspiele. Dafür ist das Booklet so pompös ausgestattet wie eh und je. Wunderschöne Illustrationen zieren die Seiten des Inlays, das zudem ein umfangreiches Glossar enthält sowie das Kriegslied der Barbaren, das diese eindrucksvoll im Hörspiel zum Besten geben.

_Fazit:_

„Der gesprungene Kristall“ ist ein gelungener Start der neuen Staffel von |Drizzt|. Ein erstklassig inszeniertes Fantasy-Hörspiel mit klangvoller Musik und Spitzensprechern. Allerdings endet das Vergnügen mit einem offenen Ende und ist somit unmittelbar mit Folge acht verbunden.

_Die Inszenierung:_

|Es spielen und sprechen:|

Tobias Meister, Uwe Hügle, Annabelle Krieg, Gerd Samariter, Ronny Schmidt, Helmut Gentsch, Oliver Elias, Bernd Hölscher, Klaus Dittmann, Peter Woy, Klaus Robra, Jens Pfeifer, Konrad Halver, Roland Floegel, Wolfgang Berger, Günter Merlau, Philipp Otto, Frieder Schölpple, Frederik Bolte, Katinka Springborn, Patrick Holtheuer, Willy Kniep, Thomas Birker, Olaf von der Heydt

Spielbuch: Oliver Elias
Produktion, Regie & Musik: Günter Merlau
Sounddesign & Aufnahmen: Frederik Bolte, Frieder Schölpple, Jens Pfeifer
Layout & Gestaltung: Oliver Graute
Illustration: Tim Seeley, Todd Lockwood, Oliver Graute

|78 Minuten auf 1 CD
ISBN-13: 978-3939600213|
[Verlagsspezial]http://www.merlausch.de/index.php?option=com__content&task=view&id=201&Itemid=1
http://www.merlausch.de

Die ersten beiden Staffeln der Serie auf |Buchwurm.info|:

Folge 1: [„Der dritte Sohn“ 2978
Folge 2: [„Im Reich der Spinne“ 3055
Folge 3: [„Der Wächter im Dunkel“ 3082
Folge 4: [„Im Zeichen des Panthers“ 4458
Folge 5: [„In Acht und Bann“ 4422
Folge 6: [„Der Hüter des Waldes“ 4488

_Florian Hilleberg_

Albrodt, Erik – Fluch der Unsterblichkeit (Twilight Mysteries, Folge 1)

_Inhalt:_

Doktor Morten Zephyre und seine Assistenten Nina und Dave sind auf dem Weg zu einem wichtigen Termin, als ihnen ein Mann vor das Auto läuft. Noch während Zephyre den Toten reanimiert, fällt ein Schuss und ein Schaulustiger stürzt tot zu Boden. Kurz darauf erwacht der Angefahrene aus seinem todesähnlichen Zustand.

Was zunächst wie ein klarer Fall aussieht, entpuppt sich bei näherer Betrachtung als äußerst mysteriös, denn der Ermordete schrie auf, bevor der Schuss ertönte und sein Kopf explodierte, bevor ihn das Projektil traf, was ein Filmmitschnitt eindeutig belegt. Von der Polizei erhalten Doktor Zephyre und seine Freunde die Adresse des angefahrenen Mannes namens Jason Sanders. Der Besuch verläuft unspektakulär, doch beim Verlassen des Geländes sehen sie den Mann, der bei dem Unfall des Schuss abgegeben hat. Dave überwältigt ihn und der Mann, Mark Richards, berichtet den drei Gefährten von einer übernatürlichen Kreatur und dem „Fluch der Unsterblichkeit“ …

_Meine Meinung:_

Die Serie |Twilight Mysteries| des neuen Labels |Daydream-Factory| wird von Erik Albrodt geschrieben. Der Autor ist bekannt als Verfasser und Produzent der Hörspielserie |Generation 6| und hat auch den Titel „Killing Beauties“ verwirklicht; beide Projekte sind in der |Hörfabrik| erschienen. Nun ist sein erstes Hörspiel im eigenen Label herausgekommen. Mit „Fluch der Unsterblichkeit“ präsentiert Albrodt eine fast schon klassische Horror-Geschichte, in deren Mittelpunkt eine Art Geisterjäger steht, der mit seinen beiden Assistenten übernatürliche Vorfälle klärt.

Im Stil der Fernsehserien „Akte X“ und „Twilight Mysteries“ werden die Protagonisten mit einem unheimlichen Energie-Vampir konfrontiert. Der Plot wurde nicht neu erfunden, aber spannend und humorvoll inszeniert. Insbesondere Dave und Nina sorgen für einige auflockernde Sprüche, die zuweilen ein wenig über das Ziel hinausschießen und eher albern wirken. Zudem wurde gerade während der Szene, in der das Bildmaterial gesichtet wird, viel Wert auf eine schonungslos brutale Darstellung des Mordes gelegt, was nicht jedermanns Geschmack treffen dürfte. Außerdem kann die Folge nicht als typischer Erstling betrachtet werden, denn die Hauptfiguren werden nur oberflächlich vorgestellt und laut einiger Andeutungen scheinen sie auch nicht zum ersten Mal mit übersinnlichen Phänomenen konfrontiert zu werden.

Doktor Zephyre wird kühl und besonnen von Thomas Nero-Wolff gesprochen, der in der Serie |Faith| den Mentor der Titelheldin mimt. Seine junge, hübsche und ausgeflippte Gehilfin Nina spricht Kellina Klein, die sehr lebendig wirkt und vor allem zum Ende hin, als Nina dem Alkohol ausgiebig zuspricht, eine grandiose Darbietung liefert. Dave Edwards, glaubhaft dargestellt von Kim Hasper, ist der leicht naive Pausenclown des Trios. Doch auch die anderen Sprecher wurden sehr sorgfältig ausgewählt. Das Intro spricht Klaus Sonnenschein, als Richards ist David Nathan zu hören, während Jason Sanders kongenial von Tobias „Richard Diamond“ Kluckert vertont wird. Die Musik passt zur Story, hält sich aber sonst dezent im Hintergrund.

Beim aufmerksamen Studieren des Booklets zeigt sich, dass dieses Hörspiel ein Zusammentreffen der Independent-Hörspielproduzenten ist. Thomas Birker von |Dreamland| ist der Co-Produzent, Wolfgang Strauss und Simeon Hrissomallis von der |R&B Company| haben ebenfalls tatkräftig mitgeholfen und sind darüber hinaus auch in kleinen Nebenrollen zu hören, ebenso wie Horst Kurth von der |Hörfabrik|.

Die Trackeinteilung ist sehr benutzerfreundlich, und zu guter Letzt gibt es auch einen interessanten Ausblick auf die zweite Episode. Das plakative Layout stammt von Thomas Rippert und dürfte seinen Zweck, im Hörspielregal aufzufallen, erfüllen. Allerdings ist die Illustration sehr trashig, nichtssagend und wenig ansprechend. Das Booklet selbst bietet nur wenig Informationen zur Serie.

_Fazit:_

„Fluch der Unsterblichkeit“ ist ein beeindruckendes Debüt des neuen Labels |Daydream-Factory|. Professionelle Sprecher und eine sorgfältige Abmischung trösten über einige Klischees und Albernheiten in der Handlung hinweg.

|Die Sprecher und ihre Rollen:|

Klaus Sonnenschein: Intro
Thomas Nero-Wolff: Morten Zephyre
Kim Hasper: Dave Edwards
Kellina Klein: Nina Salenger
Bert Stevens: Inspektor Morris
Tobias Kluckert: Jason Sanders
David Nathan: Mark Richards
Birgit Bockmann: Norma Richards
Wolfgang Strauss: Moderator 1
Bodo Venten: Moderator 2
Simeon Hrissomalis: Schreiender Mann
Horst Kurth: Autofahrer

|54 Minuten auf 1 CD
Titelillustration von www.photocase.com
Titelgestaltung von Thomas Rippert
ISBN-13: 978-3939066125|
http://www.daydream-factory.de/
http://www.ts-dreamland.de/

_Florian Hilleberg_

Nagula, M. / Anton, U. / Ellmer, A. / Effenberger, S. A. / Hagitte, Chr. / Bertling, S. / Sieper, M. – Operation Kristallsturm (Perry Rhodan – Sternenozean, Folge 19)

_Mondra, unsere Agentin im Weltraum_

|Lübbe Audio| vertont die Abenteuer des Kadetten Kantiran und des Sternenadminstrators Perry Rhodan, die in der Unterserie „Sternenozean“ im Perry-Rhodan-Universum spielen. Bislang sind achtzehn Hörspiele veröffentlicht, doch will Lübbe offenbar vierzig Hörspiele produzieren. Dies ist die dritte Staffel.

Folge 19: Unbekannte Mächte zapfen die sechsdimensionale Energie der toten Superintelligenz ARCHETIM in der Sonne an. Als im Rahmen der „Operation Kristallturm“ ein Forschungsschiff zur Aufklärung dieser Vorkommnisse startet, entdeckt TLD-Agentin Mondra Diamond einen gefährlichen Saboteur an Bord …

_Die Reihe_

„Perry Rhodan“ ist die größte SF-Heftchen- und Roman-Reihe der Welt. Eine Vielzahl von Autoren schreiben seit Jahrzehnten für die Reihe, und koordiniert wird dieser Aufwand vom |Pabel|-Verlag in Rastatt. Auch Andreas Eschbach fühlte sich geehrt, einen oder zwei Bände beitragen zu dürfen.

Es gab vor der aktuellen |Lübbe-Audio|-Reihe schon Vertonungen der PR-Silberbände, doch nicht in der stilvollen Inszenierung des |STIL|-Tonstudios. Die Vorlage für das vorliegende Abenteuerhörspiel lieferten die Romane „Die Gotteskriegerin“ von Michael Nagula, „Zwischen den Äonen“ von Uwe Anton und „Operation Kristallsturm“ von Arndt Ellmer.

Die 1. Staffel:

1) [Der Sternenbastard 3030
2) [Die Mascantin 3031
3) [Der Hyperschock 3035
4) [Planet der Mythen 3058
5) [Havarie auf Hayok 3263
6) [Das Blut der Veronis 4468

Die 2. Staffel:

7) [Der Gesang der Motana 3627
8) [Sonderkommando Kantiran 3639
9) [Tau Carama 3656
10) [Überfahrt nach Curhafe 3664
11) [Entscheidung in Vhalaum 3682
12) [Die Femesängerin 3699

Die 3. Staffel:

13) [Der Flug der Epha-Motana 4589
14) [Terraner als Faustpfand 4592
15) [Die Sekte erwacht 4595
16) [Der Todbringer 4609
17) [Kampf um den Speicher 4633
18) [Die mediale Schildwache 4661

Die 4. Staffel:

19) Operation Kristallsturm
20) Das Land unter dem Teich
21) Attentat auf Hayok
22) Kybb-Jäger
23) Auf dem Weg nach Magellan
24) Jenseits der Hoffnung

_Die Sprecher/Die Inszenierung_

Erzähler: Christian Schult (Richard Belzer in „Law & Order: New York“)
Perry Rhodan: Volker Lechtenbrink (Schauspieler, Sänger, Synchronsprecher: Kris Kristofferson, Burt Reynolds als ‚Logan‘)
Atlan: Volker Brandt (Stimme von Michael Douglas)
Mondra Diamond: Heide Domanowski (Bitty Schram in „Monk“ & „Thief“)
Julian Tifflor: Friedhelm Ptok
Homer G. Adams: Hasso Zorn
Myles Kantor: Klaus-Peter Grap
Reginal Bull: Lutz Riedel (dt. Stimme von Timothy Dalton)
Marla Sarasi: Sabine Arnhold
Malcolm Scott Daelian: Romanus Fuhrmann
Biopositronik: Thomas Nicolai
Schiffsführer: Bodo Wolf
Sowie Thorsten Van Der Aik, Rudolf Hartmann und Klaus Herbert.

Volker Lechtenbrink wurde 1944 in Cranz/Ostpreußen geboren. Bereits als Achtjähriger sprach er im Kinderfunk und stand zwei Jahre später auch schon auf der Bühne. 1959 wurde er durch den Antikriegsfilm „Die Brücke“ (Regie: Bernhard Wicki) bundesweit bekannt. Er besuchte die Schauspielschule in Hamburg und ist heute in zahlreichen TV-Serien zu sehen. Darüber hinaus ist er am Theater tätig, geht auf Tourneen oder wirkt als Intendant. (Verlagsinfo)

Die Hörspieladaption stammt von S. A. Effenberger. Regie, Musik, Ton und Programmierung lagen in den Händen von Christian Hagitte und Simon Bertling vom Ton-Studio |STIL|. „Die Musik wurde exklusiv für die Perry-Rhodan-Hörspiele komponiert und vom Berliner Filmorchester unter der Leitung von Christian Hagitte live eingespielt. Die elektronischen Klänge und Effekte wurden speziell für die Hörspiele vom |STIL|-Team durch den Einsatz von Computertechnik generiert“, heißt es im Booklet. Executive Producer der Reihe ist Marc Sieper.

Am Schluss erklingt der Song „Post #1“ von |Radiopilot|. Musik und Text stammen von Lukas Pizon und Rafael Triebel. Mehr Info: www.radiopilot.de und MySpace.

_Vorgeschichte_

Die Lage des Jahres 1332 Neuer Galaktischer Zeitrechnung ist in der Galaxis so bedrohlich und zugleich offen wie seit Jahren nicht mehr. Und alles bewegt sich auf eine einzige Veränderung hin: die Erhöhung des Hyperphysikalischen Widerstandes, kurz Hyperimpedanz genannt. Dieser „Hyperimpedanzschock“ trifft die Galaxis mehrfach. Durch ihn fällt jede hochwertige Technologie aus. Dies kündigt sich durch eine stark verminderte Höchstgeschwindigkeit der Raumschiffe und eine reduzierte Reichweite des interstellaren Hyperfunks an. Auch das Gesicht der Galaxis verändert sich. Durch die Hyperimpedanz ausgelöst, kommt es zu schweren Hyperstürmen und Raumbeben. Bisher unter Hyperkokons verborgene Sternenhaufen stürzen in die Galaxis zurück.

In dieser Zeit sind Perry und Atlan noch immer im Sternenozean von Jamondi verschollen, jenem optisch nicht wahrnehmbaren Sternhaufen, der direkt neben dem Sektor Hayok aufgetaucht ist – aus einem Hyperkokon, in den er offenbar seit Jahrmillionen gehüllt war. Es gibt Verbindungen zwischen der Galaxis und Jamondi, die sich den Menschen bisher noch nicht erschließen. Fieberhaft arbeiten terranische Wissenschaftler an Erklärungen für die angestiegene Hyperimpedanz.

|Unterdessen auf Terra|

Zeitgleich hat sich unverhofft auf Terra eine neue Religion herausgebildet: der Endzeitkult um den Gott Gon-Orbhon, der immer mehr Menschen erfasst. Der Kult redet den Untergang herbei und predigt Hass auf die Maschinen. Fast täglich verüben Sektenanhänger Selbstmordanschläge auf terranische Einrichtungen und gefährden so die öffentliche Sicherheit Terras. Mondra Diamond, Sonderauftragte der Regierung, ermittelt gegen die Sekte und ihre Anführer. In einer spektakulären Aktion kann sie das Attentat gegen den Wirtschaftsminister Terras, Homer G. Adams, vereiteln. (Folge 15).

Am Brennpunkt Hayok ist dank des Riesenraumschiffs |Praetoria| zumindest für kurze Zeit Ruhe eingekehrt. Nach der Einnahme des Sternenarchipels unter Führung der Liga-Ministers für Verteidigung Reginald Bull kann nun endlich mit der Wiederherstellung des interstellaren Hyperfunks und der Vorbereitung der „Operation Kristallsturm“ begonnen werden …

_Handlung_

Aus dem Sternenozean kommt die Meldung, dass ein Planet aus dem Hyperraum in den Normalraum gestürzt sei, aber ohne Sonne. Die Erkaltung des Planeten ist absehbar und damit der Tod seiner möglichen Bewohner. Tifflor und Adams entsenden Reginald Bull zur Erkundung. Dieser berichtet, es handle sich um den Planeten Ash-Irtumo, der von Humanoiden namens Motana bewohnt sei.

Es fänden sich auch Spuren einer igelartigen Rasse, die von den Motana als Kybb-Cranar bezeichnet werden. Bull fordert ein Dutzend Atomsonnen an, um den Planeten zu wärmen, was ihm bewilligt wird. Wie sich bei der Erforschung der Motana herausstellt, waren Perry Rhodan und Atlan, zwei hochgestellte Persönlichkeiten der Terranischen Föderation, hier. Sie haben sie knapp verpasst.

Unterdessen stellt Myles Kantor auf dem Merkur mit Hilfe der Forschungsstation |Volkan Center| etwas Beunruhigendes fest: Von der toten Superintelligenz Archetim in der Sonne führt ein Energiestrahl direkt zur Großen Magellanschen Wolke. TLD-Agentin Mondra Diamond bekommt Kantors Top-Secret-Bericht zu lesen. Was mag das zu bedeuten haben? Wenn eine fremde Macht die Energie der Superintelligenz anzapft, dann wohl, um ihre eigene Intelligenzmacht zu vergrößern. Und wenn es sich um Gon-Orgon, den Gott des gleichnamigen Kultes handelt und er ins Solsystem käme, könnte er hier die mentale Kontrolle übernehmen. Grauenhaft!

Zwei Maßnahmen werden veranlasst. Erstens soll die Operation Kristallsturm zur Großen Magellanschen Wolke fliegen und Gon-Orgon aufspüren. Zweitens soll ein Experiment zeigen, ob sich die Energie der Superintelligenz speichern lässt. Dazu fliegt Mondra mit einem Kugelraumer zur Sonne jenseits der Merkurbahn. Ihr zur Seite stehen das Container-Gehirn Malcolm Scott Daelian sowie eine Biopositronik an Bord ihres Schiffes. Wenn die Sekte Gon-Orgons die Operation Kristallsturm sabotieren will, dann schlägt sie wahrscheinlich jetzt zu.

Tatsächlich stößt Mondra, während sich das Speichern der Solarenergie dem Ende nähert, auf einen Attentäter, der Sprengladungen an den Energiemeilern des Schiffes befestigt. Doch auch er hat sie entdeckt und feuert als Erster …

_Mein Eindruck_

Die neue Staffel versucht, an die bisherigen Staffeln anzuknüpfen. Deshalb sind erst einmal Zurückverweise zu finden, doch währen diese zum Glück nicht allzu lange. Vielmehr passieren gleich ein paar neue Ereignisse, die Maßnahmen erfordern. Das Erscheinen Ash-Irtumos im Normalraum führt die Terraner auf die Fährte Perry Rhodans. Blöd, dass sie ihn knapp verpasst haben. Was nun diese Rückkehr in den Normalraum verursacht haben könnte, erfahren wir allerdings nicht.

Wichtiger ist jedoch die Entdeckung des „sechsdimensionalen Energiestroms“ (klar, dass wir den Strom nicht wahrnehmen können, wenn unsere jämmerliche Realität nur vier Dimensionen aufweist), der von einer feindlichen Macht in der nächsten Galaxie – die ja bloß läppische 179.000 Lichtjahre von der Erde entfernt ist – angezapft wird. Recht ungemütlich wäre die Vorstellung der Orgonisten, dass es sich bei dieser Macht tatsächlich um einen Gott handelt, der gerade seine geistigen Batterien auflädt. Ein kleiner Hausbesuch auf der Erde wäre dann sicherlich nicht willkommen.

Wozu die Terraner nun unbedingt die Energie der Superintelligenz in der Sonne anzapfen und speichern wollen, habe ich nicht begriffen. Wahrscheinlich habe ich da nicht aufgepasst, war krankgeschrieben oder musste gerade niesen. Wie auch immer: Endlich kommt James-Bond-Ersatz Mondra Diamond wieder zum Einsatz. Dass sie ihren so niedlich trompetenden Klonelefanten Norman dabei hat (als blinder Passagier hat er sich an Bord geschlichen, der Schlaumeier!), darf uns nicht zu der Vorstellung veranlassen, sie sei auf den Trost von Kuscheltieren angewiesen.

O nein, unsere Frau im Weltraum ist eine taffe Agentin, die mit der Knarre in der Hand die Menschheit zu verteidigen weiß. Ins Schwitzen kommt sie lediglich, wenn sich Attentäter als widerspenstig erweisen und das Raumschiff, auf dem sie sich gerade befindet, wegen Überlastung auseinanderbricht. Danach sind dringend eine Dusche und ein Drei-Wetter-Haarfestiger nötig. Frau muss auch in der härtesten Zeit gut aussehen. Fragt sich bloß, für wen, Mondra, für wen?

_Die Inszenierung_

Im Rahmen einer guten Radiostunde erlebt der Hörer hier ein mal mehr, mal weniger actiongeladenes Drama, das es in puncto Produktionsqualität mit einer Star-Wars-Episode aufnehmen kann. Die SF-Handlung versucht, für flotte Unterhaltung zu sorgen. Diesmal ist dies allerdings erst im letzten Drittel der Fall, denn die ersten zwei Drittel gehen für den Aufbau der Konfliktsituation und die Vorbereitung der Handlungsansätze drauf. Deshalb tat ich mich mit dieser Episode etwas schwer und fand sie wenig unterhaltend.

Ein Erzähler wie Christian Schult hat eine recht hohe Autorität und wir glauben ihm seine Geschichte nur allzu gern, wenn er von Mondra, Gon-Orgon und irgendwelchen „Superintelligenzen“ erzählt. Offensichtlich sollte man sich einmal näher mit dem PR-Universum beschäftigt haben, um die ungewöhnlicheren Wesen und Gegebenheiten (s. o.) verständlich zu finden.

|Musik|

Mit einer schmissigen Titelmelodie und raunenden Stimmen, die Schicksalhaftes verkünden, fängt die Sternenoper an. Insgesamt verrät die Musik ebenso wie die Geräuschkulisse eine ganze Menge Aufwand für eine simple Sternenoper, aber es lohnt sich: Das Hörspiel klingt höchst professionell produziert. Ich könnte Gegenbeispiele nennen, in denen die Musikbegleitung in die Hose ging, aber sie stammen alle nicht vom Studio |STIL|.

|Geräusche|

Die größte akustische Leinwand bemalen die tausend elektronisch erzeugten Sounds, die der ganzen Handlung erst das kosmische Science-Fiction-Feeling verleihen. Ohne sie könnte es sich ebenso gut um Fantasy auf einem fernen Planeten handeln, wie sie z. B. Jack Vance fabriziert hätte. Diese Sounds kommen besonders in der Schießerei an Bord der |Rainbow-1| zum Tragen, wo Mondra den Saboteur stellt. Hier könnte ich mir sehr gut einige charakteristische Sound-Samples aus |Star Trek| oder |Star Wars| vorstellen, doch diese Vorgaben vermeiden die Sounddesigner mit peinlicher Genauigkeit. Sie hätten ja sonst womöglich Lizenzgebühren zahlen müssen.

Richtig nett ist der Trompetensound des Klon-Elefanten Norman, der sicherlich zu den witzigsten Einfällen der Sounddesigner gehört. Den muss man aber selbst gehört haben, denn er ist schwer zu beschreiben.

|Song|

Am Schluss erklingt der Song „Post #1“ der deutschen Band |Radiopilot|. Mit dreieinhalb Minuten Länge ist er von durchschnittlicher Popsonglänge. Nach den obligaten Perry-Rhodan-Zitaten hören wir einen elektronisch verzerrten deutschen Text von erstaunlicher Banalität. Er ist mit einem Drum-&-Bass-Rhythmus unterlegt, der wie ein stockender Herzschrittmacher klingt, welcher gerade den Geist aufgibt. Ich kann nicht behaupten, dass ich diesen Song sonderlich eindrucksvoll fand. Aber wahrscheinlich soll das Ganze unheimlich innovativ wirken.

|Das Booklet …|

… umfasst neben den oben genannten Credits auch jede Menge Werbung für die vorhergehenden Episoden der Serie. Außerdem findet sich in der CD-Box ein Einleger mit Werbung für die Band |Radiopilot|. Offenbar findet hier eine Art Reklameaktion auf Gegenseitigkeit statt. Das interessiert mich aber nicht die Bohne.

_Unterm Strich_

Was ist bloß aus unseren Helden Perry Rhodan, Kantiran und Zephyda geworden? Das mag sich so mancher fragen, der es nun mit der neuen Staffel zu tun bekommen. Keine Spur von ihnen lässt sich finden, denn Reginald Bull hat sie knapp verpasst. Vielmehr muss nun Mondra Diamond, der weibliche James Bond aus Episode 17, einspringen und den Ballermann sprechen lassen.

Was die Qualität des Inhalts angeht, so darf man wohl kaum tiefschürfende und daher langweilige Monologe erwarten. Vielmehr ist im letzten Drittel kämpferische Agenten-Action angesagt. Vorher muss man sich aber mit drögen Meldungen über in den Normal „gestürzte“ Planeten auseinandersetzen – oder abfinden. Manchmal geht es zu wie an Bord des Todessterns und man erwartet jeden Moment, den Dunklen Lord Darth Vader auftreten zu hören. Das wäre nett gewesen, denn jedes Stück braucht einen großen Schurken, an dem sich die Helden beweisen können.

|63 Minuten auf 1 CD
ISBN-13: 978-3-7857-3595-4|
http://www.perryrhodan.org
http://www.luebbe-audio.de
http://www.stil.name
http://www.perry-rhodan-game.com
[Ausführlicher Überblick über diesen Zyklus der Heftromanserie]http://www.perrypedia.proc.org/Der__Sternenozean__%28Zyklus%29

Feehan, Christine – Dunkle Macht des Herzens (Die Legende der Karpathianer 2)

Shea O’Halloran ist Amerikanerin und Chirurgin. Eigentlich ist sie aber das Lovechild der missglückten Beziehung eines Karpathianers und ihrer Mutter, was sie selbst zur Halb-Karpathianerin macht. Da sie bisher sicher noch nichts von Rumänien oder den Karpaten gehört hat und ihre Mutter schon seit Jahren tot ist, hat sie natürlich keine Ahnung von ihrem zweifelhaften Glück. Der Leser dagegen weiß sofort: Shea ist das nächste Opfer, das sich Schnulzen-Autorin Christine Feehan ausgesucht hat, um es mit einem wilden, ungezügelten und wahnsinnig männlichen Karpathianer zu verkuppeln.

Über Jahre hinweg hat sie Visionen von einem gequälten und gefolterten Mann. Shea findet das eigenartig, macht sich aber keine größeren Sorgen. Erst als ein paar Vampirjäger in ihrem Büro auftauchen (diese Dilettanten erinnern mehr und mehr an die Amateure aus „Fright Night“, sind aber leider lange nicht so unterhaltsam oder amüsant) und sie das Tagebuch ihrer Mutter zur Hand nimmt, um darin zu lesen, dass ihr verschollener Vater deren Blut getrunken hat (wir ignorieren der Einfachheit halber die Frage, wie Shea das noch nie auffallen konnte), beginnt es in ihrem Hirn zu arbeiten. Sie begibt sich nach Rumänien, angeblich, weil sie hofft, dort ein Heilmittel für ihre seltsame Blutkrankheit (hier darf die geneigte Leserin gern einmal mit den Augen rollen) zu finden. So richtig erklärt Feehan zwar nicht, wieso Shea nun gerade zu diesem Zeitpunkt unbedingt nach Rumänien muss, aber die Hauptsache ist schließlich, dass Shea am richtigen Ort ist, um sofort den Mann zu befreien, der so lange ihre Träume heimgesucht hat.

Es stellt sich heraus, dass es sich um einen gepfählten und praktisch lebendig begrabenen Vampir, pardon: Karpathianer, handelt. Jaques ist, verständlicherweise, etwas neben der Spur, und während die brillante Chirurgin versucht, das Leben des so armselig Zugerichteten zu retten, bringt er sie wiederholt fast um. Trotzdem verlieben sie sich natürlich unsterblich ineinander, und als Jacques halbwegs wiederhergestellt ist, machen die beiden sich daran, die Vampirjäger zu finden und ihnen das Handwerk zu legen. Dabei kommen ihnen irgendwann Raven und Mikhail zu Hilfe, und somit ist auch für Wiedererkennungswert innerhalb der Serie gesorgt. Raven ist mittlerweile schwanger, pikanterweise mit der (zukünftigen) Gefährtin Gregoris, was zu einigen unappetitlichen Szenen führt, in denen Gregori von seiner Liebe (oder sagen wir: Lust) zu diesem Fötus übermannt wird. Da kann es den Leser nur noch schütteln.

Natürlich geht alles gut aus, Shea und Jacques finden zueinander – immer und immer wieder, sodass der Mittelteil des Hörbuchs eigentlich nur aus aneinandergereihten Sexszenen besteht, die nur den Zweck haben, die Leserin von der ungeheuren Potenz des Protagonisten zu überzeugen. Das ist natürlich keineswegs abendfüllend, und so ist auch „Dunkle Macht des Herzens“, genau wie der Vorgänger [„Mein dunkler Prinz“, 5240 ein Hörbuch, das die Welt nun wirklich nicht gebraucht hat.

Dabei muss man zugeben, dass Feehan auf ihre Hauptcharaktere ein wenig mehr Zeit verwendet als noch im Erstling. Wir erfahren tatsächlich ein bisschen über Shea, was sie etwas greifbarer erscheinen lässt. Letztlich ist sie aber auch nichts weiter als eine Schablone: unerfahren, naiv, furchtsam, aber im Grunde bereit, für „ihren“ Mann ihr Leben zu lassen. Damit ist sie ein fragwürdiges Vorbild für die Leserin, die offensichtlich angehalten ist, jegliche Bildung, die sie (eventuell) genossen hat, über Bord zu werfen und sich stattdessen ihrem Mann zu unterwerfen, um ihm Kinder zu gebären. Schaurig.

Feehans Held Jacques hat einige Ecken und Kanten, hervorgerufen durch das jahrelange Verbuddeltsein. Offensichtlich hat er sich eine ziemliche psychische Störung eingefangen, und so schwankt er ständig, ob er Shea nun fressen oder flachlegen soll. Diese Abgründe in Jacques‘ Charakter könnten ihm sprichwörtliche Tiefe geben, wenn Feehan es verstünde, sie vernünftig auszuloten. Stattdessen ist sie unfähig, seine Qual als etwas anderes als nervtötende Unausgeglichenheit erscheinen zu lassen. Seine Stimmungsschwankungen sind kaum mehr als ein Ausdruck dafür, dass sich Feehan nicht entscheiden kann, wohin sie mit dem Charakter eigentlich will. Im Geiste ist er ein Neanderthaler (ein Wort, das Feehan selbst gern in Zusammenhang mit ihren Karpathianern benutzt), ausgestattet mit einer unberechenbaren Aggressivität – etwas, das Feehan fälschlicherweise mit Leidenschaft gleichsetzt. Er ist die starke Schulter, an die sich das plötzlich erschwachte Weibchen vertrauensvoll lehnen darf, während er, leicht dem Wahnsinn anheimgefallen, sämtliche Bösewichte der Welt von ihr fernhält.

Es wird schnell klar, dass Christine Feehan hier „Mein dunkler Prinz“ noch einmal aufrollt. Mit anderen Charakteren erzählt sie in „Dunkle Macht des Herzens“ noch einmal exakt die gleiche Geschichte, offensichtlich für Leserinnen, die es bevorzugen, immer wieder dasselbe vorgesetzt zu bekommen. Beide Geschichten sind deckungsgleich und lassen sich schlicht auf folgende Formel reduzieren: Amerikanerin, sexuell unerfahren, gerät an lüsternen Typen, der sie sofort zu seiner unsterblichen Geliebten erklärt. Den beiden stellen sich ein paar konstruierte Konflikte in den Weg, die fix gelöst werden, damit die Protagonisten nach erfolgreichem Tagwerk in die Kissen sinken können. Gähn.

Feehan hat vielleicht etwas an ihrer Charakterdarstellung gefeilt, aber auch in „Dunkle Macht des Herzens“ ist sie unfähig, tragfähige Handlungen und Probleme zu erfinden. Stattdessen bietet sie Luftblasenkonflikte, die allein durch ausgiebiges Reden gelöst werden und deren Konfliktpotenzial offenbar von den Charakteren, nicht aber vom Leser verstanden wird. Und so zaubert sie gegen Ende dann auch überraschend einen Bösewicht aus dem Hut, der in einem lang angelegten Monolog erklärt, warum er eigentlich böse ist. Man möchte der Autorin zurufen, dass solcherart unbeholfene Auflösung heutzutage höchstens noch ironisch gebrochen präsentiert wird. Feehan meint diese Szene aber durchaus ernst, offensichtlich, weil sich hier ihre schriftstellerische Begabung erschöpft. Es ist ihr einfach unmöglich, ihre (ohnehin kaum vorhandene) Handlung überraschend oder raffiniert zu gestalten. Folglich ist „Dunkle Macht des Herzens“ nur etwas für sehr unbedarfte Seelen, die sich damit zufrieden geben, immer und immer wieder dasselbe Menu aufgetischt zu bekommen.

Es scheint, als verlöre auch die Sprecherin des Hörbuchs – Dana Geissler – mit zunehmender Laufzeit das Interesse an der Geschichte. Von Zeit zu Zeit finden sich (zugegeben kurze) Sprech- oder gar Übersetzungspatzer, die von der Produktion nicht ausgebügelt wurden. In manchen Fällen ist sich Geissler bis zum Ende des Satzes wohl auch nicht ganz sicher, welchen Charakter sie gerade spricht. Wobei anzumerken wäre, dass gerade die Männer ihr überhaupt nicht gelingen. Vor allem Mikhail klingt so heiser und krächzend, dass sich beim Hören unweigerlich ein Hustenreflex einstellt.

Kurzum, „Dunkle Macht des Herzens“ ist minimal besser gelungen als „Mein dunkler Prinz“. Auf beide Hörbücher kann man aber dennoch getrost verzichten.

|Originaltitel: Dark Desire, 1999
299 Minuten auf 4 CDs
Bearbeitete Fassung
ISBN 978-3-7857-3601-2|
http://www.luebbeaudio.com
http://www.christinefeehan.com

Die drei ??? und der schwarze Skorpion (Folge 120)

Die drei Fragezeichen sind schon seit meiner Kindheit absoluter Kult und waren auch damals Stammgast in meinem Kassettenrecorder. Schnell waren die Kassetten so abgenudelt, dass ich inzwischen auf die CD-Version umgestiegen bin, damit mir diese Geschichten noch länger erhalten bleiben. Bei den drei Fragezeichen handelt es sich um ein Detektivtrio aus Rocky Beach, nämlich um Justus, Peter und Bob. Justus ist sozusagen das Oberhaupt der drei Detektive, er ist etwas dick geraten, gleicht dieses kleine Handicap aber durch seine Intelligenz aus. Peter ist eher ein sportlicher Typ, outet sich in vielen Situationen aber als kleiner Hasenfuß, weil er der Erste ist, der auf Flucht plädiert. Bob ist zuständig für Recherchen und Archiv und sorgt dafür, dass die drei Detektive (die im Übrigen jeden Fall übernehmen) genügend Informationen über ihre Fälle bekommen. Am 10. Oktober ist bereits das 125. Hörspiel erschienen. Nach einigen rechtlichen Querelen und nachdem wir mit der Serie „Die Dr3i“ gequält wurden, darf die Originalserie seit Frühjahr 2008 dankenswerterweise fortgesetzt werden, sodass wir uns nun alle (etwa) vier Wochen auf ein neues Hörspiel freuen dürfen.

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Crown, Ellen B. – Top Secret 1: Herz aus Eis

_Besetzung_

Erzähler: Klaus D. Klebsch
Jade Morgrave: Christine Pappert
W. Ashton Rawleigh: Thomas Karallus
Charles Desmond: Wolfgang Condrus
Mr. Barker: Andreas Borcherding
Ramon Gúajero: Walter v. Hauff
Miguel Lopez: Wolfgang Bahro
Carlos Sanchez: Michael Scherntaner
Sheriff: Norbert Gastell
Lt. Sergej Vechayew: Peter Groeger

Buch & Idee: Ellen B. Crown
Bearbeitung: Marc Chainiaux / Peter Brandt

_Story_

Vor einer Insel im Pazifik wird in der abgetrennten Hand eines auf merkwürdige Art und Weise umgekommenen Drogenschmugglers die Marke eines seit nunmehr 40 Jahren vermissten Kriegsstrategen entdeckt. Dieser Umstand ruft die Organisation Trinity auf den Plan, die sich eigenartigen Phänomenen wie diesem verschrieben hat und nun zwei ehemalige Agenten rekrutiert, um der Sache nachzugehen. Doch die widerspenstige Jade Morgrave und der ewige Störenfried Ashton Rawleigh lassen sich nicht so leicht in die Dienste des Unternehmens stellen. Erst mit Nachdruck kann Mr. Baker, die rechte Hand von Firmenchef Charles Desmond, die beiden überzeugen, ihr bisheriges, chaotisches Leben hinter sich zu bringen und wieder für die Regierung zu arbeiten.

Als das Duo schließlich nach Südamerika aufbricht, sammeln sich einige Ungereimtheiten um das eigentliche Projekt. Morgrave und Rawleigh begeben sich in Lebensgefahr und stellen ihre Auftraggeber in Frage. Doch in Wirklichkeit ist es etwas ganz anderes, das die heimliche Inselidylle aus der Ruhe bringt …

_Persönlicher Eindruck_

Mystery-Serien und finstere Thriller mit übersinnlichen Inhalten sind derzeit das Top-Thema auf dem Hörspielmarkt, jüngst wieder bestätigt in der Kai-Meyer-Adaption „Die Alchimistin“, deren üppige Ausstattung und majestätische Gestaltung in diesem Jahr gänzlich neue Standards in der Szene gesetzt hat. Derartige Entwicklungen sind auch in der Hörspiel-Schmiede der |vghaudio| und |Maritim-Produktionen| nicht spurlos vorbeigezogen. Neben den vielen Kriminalformaten, mit denen sich der Verlag in letzter Zeit einen Namen gemacht hat, erscheint nun mit „Top Secret“ ebenfalls eine eher düstere Thriller-Reihe, die jedoch in einem äußerst modernen Setting angesiedelt ist. „Akte X“ im Hörspielformat? Nicht ganz, aber so ähnlich …

In Sachen Aufbereitung und Inszenierung knüpft „Top Secret“ jedenfalls schon einmal an die wichtigsten Vertreter der Zunft an und glänzt mit effektvollen Sounds, einer ansprechenden musikalischen Untermalung und ambitionierten Sprechern. In der Auftaktstory „Herz aus Eis“ hat man sich auch direkt ein recht interessantes Thema ausgesucht und es mit den Inhalten einer modern aufbereiteten Kriminal-/Thriller-Handlung kombiniert. Drogenschmuggel, verschollene Persönlichkeiten, zwei ignorante, zunächst weniger sympathische Agenten in der Rolle des Hauptdarstellers und eine Spur Übersinnliches – hier treffen schon einmal ein paar Welten aufeinander, die im literarischen Bereich oftmals getrennt voneinander agieren.

Aber auch die Strukturierung ist bewundernswert dynamisch. Rasche Szenenwechsel, in diesem Rahmen eine ziemlich ausführliche Einführung von Personen und der Organisation, die auch in den kommenden Serientiteln noch eine Rolle spielen wird, und dazu dezente Andeutungen zu Hintergründen und Komplexen, ohne dabei jedoch schon aufs Ganze zu gehen. Schritt für Schritt wird hier ein spannendes Konzept erstellt, in dem langsam aber sicher alle Darsteller ihren Platz finden und welches sich schon zu Beginn als Storyboard für einen potenziellen Mehrteiler vorstellt, ohne dabei jedoch die eigentliche Tragweite der Handlung bewusst zu machen. Hier ist nämlich dann doch das entscheidende Manko von „Herz aus Eis“: Der Detailreichtum ist so immens groß, dass die Geschichte es zum Ende hin kaum mehr schafft, alle Inhalte konsequent abzuarbeiten. Während man sich nämlich in langsamen Schritten auf ein großes Finalszenario vorbereitet, muss man irgendwann verbittert feststellen, dass die Story abrupt und ohne irgendeine Form von Vorwarnung endet – und das kann, zumindest in dieser Form, kaum akzeptiert werden.

Unverständlich ist das rasche Ende der Handlung vor allem vor dem Hintergrund der allgemein knappen Spielzeit. Da wird eine komplette Halbzeit dafür aufgebracht, Rawleigh und Morgrave zu überreden, ins Team einzusteigen, hierbei werden ferner auch manche nutzlosen Dialoge integriert, und wenn es schließlich drauf ankommt, das Konstrukt schön weit aufzuspannen und die Spannung zum Siedepunkt zu bringen, entscheidet sich die Autorin dazu, erst gar nicht mehr in die Tiefe zu gehen und quasi mittendrin abzubrechen. Seltsam, aber leider wahr!

Aus diesem einzigen Grund ist der Auftakt zur neuen Serie im Grunde genommen schon ein klassischer Fehlstart. Viele gute Ansätze werden mit der urplötzlich aufgeworfenen Endsequenz ebenso wieder begraben wie das richtig kraftvolle Potenzial des Plots. Dabei hat „Top Secret“ wirklich alles, was ein gutes Hörspiel benötigt: gute Sprecher, ein funktionierendes Gerüst und einen Hang zur Perfektion bei der Inszenierung. Warum wurde also bei der Ausarbeitung der Story zum Ende hin gespart? Tja, diese Frage kann an dieser Stelle nicht beantwortet werden. Dennoch: Schade um die zunächst vergebene Chance, eine gute neue Serie mit einem Paukenschlag zu eröffnen.

|50 Minuten auf 1 CD
ISBN-13: 978-3-86714-141-3|
http://www.maritim-produktionen.de/

Herbert, Frank / Kaiser, Kerstin – DUNE 1: Der Wüstenplanet. Teil 2 von 2 (Hörbuch)

SF-Epos, zweiter Teil: Reite den Wurm, Paul!

Im 11. Jahrtausend tun sich der Imperator und Harkonnen zusammen, um das Haus Atreides unter Herzog Leto zu vernichten. Die große Mausefalle ist der Wüstenplanet Arrakis, der Köder unermesslicher Reichtum in Form des einzigartigen Rohstoffs |Spice-Mélange|. Der Plan klappt wie am Schnürchen, doch eine Kleinigkeit geht schief: des Herzogs Konkubine und sein Sohn Paul entkommen in die Wüste. Dort bauen sie mit den einheimischen Fremen eine Guerilla-Organisation auf, die droht, die lebenswichtige Spice-Produktion zum Erliegen zu bringen – und damit jeden Verkehr im Imperium! Der Imperator, gezwungen von der Raumfahrtgilde, muss nach Arrakis kommen …
Herbert, Frank / Kaiser, Kerstin – DUNE 1: Der Wüstenplanet. Teil 2 von 2 (Hörbuch) weiterlesen

Gardemann, Jan (alias Korona, Ira) / Gülzow, Susa – Wiedergeburt des Bösen (Das magische Amulett, Folge 1)

_Inhalt:_

Die Archäologin und Amulett-Forscherin Brenda Logan wacht ohne Gedächtnis in einem Londoner Krankenhaus auf. Geplagt wird sie dabei von merkwürdig real erscheinenden Träumen, in denen sie sich als Mathilda McLillian sieht, die während der Zeit der Kreuzzüge lebte. Gemeinsam mit dem Knappen Philipp versucht sie ihrem intriganten Onkel zu entkommen, der die Herrschaft über das Schloss antreten will, als er erfährt, dass Mathildas Vater auf dem Kreuzzug gefallen ist.

Brenda fällt aus allen Wolken als sie sieht, dass ihr Arzt Dr. Daniel Connors das perfekte Ebenbild von Philipp aus ihren Träumen ist. Doch der Schrecken beginnt erst, als plötzlich ein Mann in ihrem Krankenzimmer erscheint, der genauso aussieht wie Mathildas finsterer Onkel. Er gibt sich als Brendas Ehemann aus und nimmt die junge Archäologin mit sich auf sein Schloss. Brenda gelingt die Flucht und sie läuft dem Arzt Dr. Connors in die Arme, der ihr folgte. Der junge Mann möchte der hübschen Frau helfen, doch die beiden ahnen noch nicht, dass sie mit Mächten konfrontiert werden, die ihr Vorstellungsvermögen sprengen …

_Meine Meinung:_

Ende der 90er Jahre begann im |Kelter|-Verlag eine als Frauen-Grusel deklarierte Heftromanserie, geschrieben von Jan Gardemann unter dem Pseudonym Ira Korona. Zunächst erschienen die Abenteuer der Amulettforscherin Brenda Logan in der Reihe |Spuklicht|. Nach Einstellung dieser Reihe wurde |Das magische Amulett| in die Reihe |Gaslicht| integriert und später als eigenständige Serie ausgekoppelt. Im Gegensatz zum Serientitel ging es allerdings nicht um ein bestimmtes Amulett. In jedem Roman bekam es Brenda Logan mit einem neuen Artefakt zu tun. Mit Band 28 wurde die Serie wieder eingestellt, doch die Romane erscheinen in regelmäßigen Abständen weiterhin in der Reihe |Irrlicht|.

Relativ neu an der Serie war, dass eine weibliche Heldin die Hauptrolle innehatte. Das gab es bis dahin lediglich in den Heftromanserien |Vampira| und |Jessica Bannister|. Im Jahr 2005 nahm sich Sven Michael Schreivogel von |Nocturna Audio| der Serie an, auf der Suche nach einem neuen Heftromanstoff zum Vertonen. Die Drehbuchversion schrieb Susa Gülzow, die bereits mehrfach erfolgreich mit Schreivogel zusammenarbeitete. Die Hauptrolle bekam Katja Brügger, auch bekannt als „Carminia Brado“. Die Hörspielikone ist zugleich auch die Erzählerin der Geschichte, die als Hörbuch mit Spielszenen konzipiert wurde. Fans der Sprecherin kommen voll auf ihre Kosten, denn Katja Brügger hat in all den Jahren nichts verlernt und liefert eine grandiose Vorstellung ab. Ihr zur Seite steht Robert Missler, der in vielen Produktionen von |Nocturna Audio| ganz vorne dabei ist. In der Serie |Kommissar X| spricht er den Protagonisten Jo Walker und auch in der Serie |Gordon Black|, die nächstes Jahr erscheinen wird, hat er die Hauptrolle erhalten. In dem vorliegenden Hörspiel spricht er den Arzt Dr. Daniel Connor, der das Herz der schönen Brenda erobert.

Ebenfalls mit von der Partie sind Christine Pappert als Mathilda und Tim Knauer als Philipp. Als finsterer Zauberer Roderick ist Achim Schülke zu hören, während die Mutter Oberin wunderbar herrisch von Marianne Lund gesprochen wird, hinter der sich niemand anderer als Susa Gülzow verbirgt, die hier ihr schauspielerisches Talent eindrucksvoll unter Beweis stellt. Unbesetzt geblieben ist dagegen die Rolle des Bösewichts John. Hier kommt der Hörbuchcharakter der Produktion zur Geltung, der von Katja Brügger sehr gut in Szene gesetzt wurde. Unterstützt wird sie dabei von einer äußerst realistischen Geräuschkulisse. Der Tonmeister Hans-Joachim Herwald steuerte die stimmungsvolle Musik bei, die gezielt den Charme der 80er Jahre transportiert und die seichte Gruselatmosphäre hervorragend stützt.

Die Vorlage von Jan Gardemann ist auf die weibliche Leserschaft ausgerichtet und bewegt sich auf dem typischen Heftromanniveau. Daher auch die übertrieben schnelle und kitschige Verlobung der beiden Hauptfiguren. Darüber hinaus ist die Story eher dazu angetan, dem Hörer einen leichten Schauder zu bescheren als ihn durch drastische Gewaltszenen und ein Effektfeuerwerk zu beeindrucken. Allerdings hätte das Ende ruhig ein wenig dramatischer ausfallen dürfen.

Die Trackeinteilung ist mit sechs Tracks für 60 Minuten Spielzeit wenig benutzerfreundlich. Die kunstvolle, harmlose Illustration von Ilka Hennemeyer kommt in der Neuauflage und durch das Artwork von Mark Freier viel besser zur Geltung als bei der ersten Auflage unter dem Label |Maritim|. Informationen zum Autor Jan Gardemann, alias Ira Korona, vervollständigen das Begleitheft.

_Fazit:_

„Wiedergeburt des Bösen“ ist ein ruhiges, atmosphärisches Hörspiel im Stil alter Schauerromantik-Geschichten. Die Produktion stellt eine gelungene Mischung aus Hörspiel und Hörbuch dar und wird größtenteils durch die Sprecherin Katja Brügger getragen, die eine exorbitante Leistung abliefert. Ein wenig mehr Dramatik und eine großzügigere Trackeinteilung hätten dem Hörspiel allerdings gut zu Gesicht gestanden.

|60 Minuten auf 1 CD
Titelillustration von Ilka Hennemeyer
Titelgestaltung von Mark Freier|
http://www.nocturna-audio.de
http://www.jangardemann.de

_Florian Hilleberg_

Die drei ??? – Toteninsel (Folge 100)

Dies ist sie also, die sagenumwobene Jubiläumsfolge. Nummer 100. Genauer: 100 A, B, und C. Denn die unter dem Oberbegriff „Toteninsel“ zusammengefasste Story besteht aus drei CDs – einzeln verpackt im Pappschuber geliefert. Jene Folge, die den Wendepunkt der Serie hin zur Moderne endgültig besiegelte. Dafür hat man sich eine extravagante und extralange Geschichte ausgedacht, eine Hommage an sich selbst, und bereits die Tracklist lässt Kenner schmunzeln: Die Titel tragen allesamt passende Namen von Hörspielen aus der Reihe.

_100A – Das Rätsel der Sphinx_

Weitere Sprecher dieser CD:

Erzfeind der ??? – Skinny Norris: Andreas von der Meden
Jelena Charkova: Alexandra Doerk

Die drei ??? – Toteninsel (Folge 100) weiterlesen

Peinkofer, Michael / Rohrbeck, Oliver – Team X-treme 1: Alles oder nichts (Hörspiel)

_Story_

Conrad Leland trägt ein schweres Los; infolge eines Anschlags lebt er inkognito und operiert nur noch über seine künstliche Intelligenz, mit deren Hilfe das Team X-treme gegründet wurde. Charlie, Race und Kami wurden bei ihrer Aufnahme mit moderner Spezialausrüstung ausgestattet und sollen nun aktiv das Verbrechen bekämpfen und Leland und sein Vermächtnis rächen.

In ihrem aktuellen Fall jagen die drei Agenten einen Falschspieler namens Kanga, der in den Casinos Monacos illegales Geld erspielt und es an Gesetz und Steuern vorbeischleust. Charlie gelingt es, in dessen Hotel einzudringen und einen Datenträger sicherzustellen, der die Machenschaften des Gangsters beweist, wird dabei aber von einem merkwürdigen jungen Mann überrascht, der sich als Kyle Connor vorstellt und unter Amnesie leidet.

Connor war kurz zuvor von einem Gangsterteam überrumpelt worden und hofft nun, mit Hilfe des Team X-treme mehr über seine wahre Identität herauszufinden. Doch aufgrund seines starken Egos wird er von den Mitgliedern der Agententruppe nur schwer akzeptiert. Erst auf Geheiß Lelands findet er Zugang zur Mannschaft und erfährt bald, dass seine Vergangenheit unmittelbar mit dem aktuellen Fall des Teams in Verbindung steht.

_Persönlicher Eindruck_

Neue Helden braucht das Land – vor allem im Hörspielsektor, der gerade im Jugendbereich nach dem steten Qualitätsverlust der „TKKG“-Serie und den zuletzt auch nicht mehr ganz so ereignisreichen Fällen der drei ???-Detektive aus Rocky Beach im Begriff ist, deutliche Einbußen zu verzeichnen. Mit einem renommierten Team hat sich Autor Michael Peinkofer nun an die Herausforderung gewagt, eine neue Agenten-Combo ins Rennen zu schicken und der kultigen Konkurrenz Beine zu machen. Gemeinsam mit Komponist Max Buskohl, der für die Titelmusik verantwortlich ist, und Produzent Oliver Rohrbeck hat Peinkofer das „Team X-treme“ entworfen, eine recht vorlaute junge Truppe, die mit modernen Hilfsmitteln und in riskanteren Missionen in bester James-Bond-Manier um Zuhörer buhlt – und damit auch schnell Erfolg haben dürfte.

Die vorwiegende Stärke der Serie scheint, der ersten Episode nach zu urteilen, vor allem bei der dynamischen Inszenierung zu liegen. Das Erzähltempo ist relativ hoch, darüber hinaus gibt es unzählige flotte Szenenwechsel, und auch auf der Charakterebene passiert eine ganze Menge im zwischenmenschlichen Bereich, auch wenn hier der Anspruch, dem Zielpublikum entsprechend, nicht zu hoch angesetzt werden darf. Natürlich wimmelt es dabei auch vor Rezitierungen aus dem Kosmos der großen, bekannten Hörspielserien. Kleine Machtkämpfe zwischen den männlichen Protagonisten, leicht klischeebesetzte Bösewichte, manchmal überzogen scharfe Sprüche – das „Team X-treme“ schreckt grundsätzlich vor nichts zurück, was ein modernes Jugendhörspiel ausmacht, teilweise aber auch belastet.

Allerdings ist das grundlegende Setting hier ein anderes und aufgrund der interessanten Background-Story auch durchaus reizvolles. Die Hintergründe um die mysteriöse KI des Conrad Leland bieten ordentliches Potenzial, aber auch die Teammitglieder scheinen individuell noch einiges zu verbergen haben und können sich relativ problemlos als neue Serienmannschaft etablieren. Einzig die manch etwas sehr flachen Dialoge und die Spitzen, die Kyle und die übrigen Jungs untereinander austauschen, könnten etwas spärlicher gesät sein. Dies jedoch macht „Alles oder nichts“ mit einer richtig guten Story, einem schlüssigen, temporeichen Handlungs-Arrangement und einer lebendigen, aufwändigen Inszenierung wieder wett.

Aus diesen Gründen darf man den Start der Serie auch größtenteils als gelungen bezeichnen. Ob man die starke |Europa|-Konkurrenz wirklich angreifen kann, muss sich zwar noch herausstellen, doch mit dem Debüt ist zumindest schon einmal die Saat für eine viel versprechende Zukunft auf dem Hörspielmarkt ausgelegt.

|56 Minuten auf 1 CD
ISBN-13: 978-3-7857-3555-8|
http://www.luebbe-audio.de
http://www.stiftung-x.de
http://www.michael-peinkofer.de
http://www.wellenreiter.la

Barclay, Linwood – Dem Tode nah (Hörbuch)

_Spannender Provinzkrimi mit kleinem Schönheitsfehler_

Als die Familie seines besten Freundes Adam verreist, versteckt sich der 17-jährige Derek im Keller, um sich später im leeren Haus mit seiner Freundin Penny treffen zu können. Der Junge kauert noch unter der Treppe, als die Familie überraschend zurückkehrt. Während Derek in seinem Versteck darüber nachdenkt, wie er seine Anwesenheit erklären soll, klingelt es an der Tür. Mr. Langley öffnet die Haustür – und wird sofort niedergeschossen. Derek muss mit anhören, wie der Killer auch seinen Freund und dessen Mutter niederschießt. Er selbst entgeht dem suchenden Blick des Mörders, bis dieser das Haus wieder mit seinem Komplizen verlässt. Derek kehrt völlig verstört nach Hause zurück, wo er kein Wort sagt.

Weil er nicht wagt, sich als einziger Zeuge an dem Dreifachmord bei der Polizei zu melden, kommt viel zu spät ans Licht, dass es der Mörder gar nicht auf die Nachbarn abgesehen hatte, sondern auf Dereks Eltern …

_Der Autor_

Der Kanadier Linwood Barclay machte seinen Abschluss in Literatur an der Trent University in Petersborough, Ontario. Anschließend arbeitete er lange Jahre als Journalist und hatte bis 2008 eine beliebte Kolumne im „Toronto Star“. [„Ohne ein Wort“, 3947 sein erster Psychothriller, wurde zum internationalen Bestseller und nominiert für den |Arthur Ellis Award|, den |Barry Award| und landete bei den |International Thriller Writers| auf der Shortlist als bester Roman.

_Der Sprecher_

Frank Arnold ist Schauspieler, Rundfunksprecher und Dramaturg. Er führte bei zahlreichen Theater und Opern-Produktionen Regie, arbeitet für verschiedene Sendeanstalten und ist ein gefragter Hörbuchsprecher.

Gabriele Kreis führte im Eimsbütteler Studio Regie.

_Handlung_

|PROLOG|

Als die Familie seines besten Freundes Adam verreist, versteckt sich der 17-jährige Derek Cutter in einem Verschlag im Keller, um sich später im leeren Haus mit seiner Freundin Penny treffen zu können. Der Plan, von dem Adam nichts weiß, geht auch beinahe auf. Er hat nur zwei Fehler: Penny hat wegen eines Blechschadens, den sie am Wagen ihres Vaters verursacht hat, Hausarrest. Und zweitens kehrt Adams Familie zurück, weil sich Adams Mutter Donna unwohl fühlt. Derek eilt sofort in sein Versteck zurück und hofft, später, wenn alle schlafen, aus der Hintertür schleichen zu können. Die Kombination der Alarmanlage kennt er längst.

Nach 22 Uhr scheint sich die Lage gerade zu beruhigen, als an die Haustür geklopft wird. Mister Langley öffnet. Anscheinend sind es zwei Männer, und einer von ihnen schreit: „Schande! Dreckskerl!“ Dann hört Derek voll Entsetzen einen Schuss, dem ein Poltern folgt. Adam will wegrennen, wird aber von hinten niedergeschossen. Als Mrs. Langley aus dem Obergeschoss herabkommt, um nachzusehen, was los ist, ereilt auch sie der Tod. Der Schütze schleicht durchs Haus, um es zu durchsuchen, doch Derek bleibt zum Glück unentdeckt. Als er ein Auto wegfahren hört, wagt er sich aus seinem Versteck, eilt durch die Diele und zur Haustür hinaus. Er kann kaum seinen Schock angesichts der drei Leichen beherrschen, doch er bleibt nicht stehen, bevor er zu Hause angelangt ist: auf dem hundert Meter entfernten Nachbargrundstück, dem Heim der Cutters.

|Haupthandlung.|

Promise Falls liegt im Norden des Bundesstaates New York und ist ein friedliches Städtchen, denkt Jim Cutter, als er am Samstagmorgen um halb sieben aufsteht. Aber immerhin ist das Städtchen bedeutend genug, um ein eigenes Uni-College vorzuweisen, an dem seine Frau Ann als Organisatorin des alljährlichen Literaturfestivals für Professor Chase arbeitet. Jim selbst arbeitet mit seinem Gartenservice an den Rasen und Bäumen der Bewohner, seit er vor zwei Jahren Bürgermeister Randall Finlay, dessen Fahrer er war, einen Nasenstüber versetzte.

Jim will aufbrechen, doch weil Derek ihm helfen soll, weckt er ihn: Derek pennt in seinen Kleidern! Diese Jugend von heute! Weil Derek kein Frühstück will, brechen sie gleich auf. Jim bemerkt, dass bei den Langleys zwei Autos vorm Haus stehen. Wollten die nicht verreisen? Als er einen Anruf von Ann erhält, kehrt er nach Hause zurück. Sheriff Barry Duckworth will ihn sprechen. Bei der Rückkehr ist jede Menge Polizei vorm Haus der Langleys zu sehen, und sogar die Zufahrt zum Cutter-Haus ist abgesperrt. Ann holt sie ab, völlig außer sich: Die Langleys seien alle tot. Weil Albert Langley ein angesehener Rechtsanwalt und Strafverteidiger war, ist das Aufsehen entsprechend groß.

|Alibis|

Als der Sheriff Jim, Ann und Derek nach einem Alibi befragt – was Ann gehörig aufbringt -, gibt Jim seinem Sohn ein Alibi. Das ist nett, aber nicht besonders schlau. Duckworth hegt einen kleinen Verdacht gegen einen gewissen Mr. McKindrick, erwähnt aber auch, dass schon zuvor zwei Morde entdeckt worden seien. Mit dem Frieden in Promise Falls scheint es vorbei zu sein. Kein Wunder, dass Ann am liebsten sofort wegziehen würde. Aber wie würde das in den Augen des Sheriffs wirken, fragt sich Jim. Er ist fürs Bleiben, obwohl er schon ein paar „Leichen“ im Keller hat, so etwa die, dass Ann ein Verhältnis mit dem Universitätsleiter Conrad Chase hatte. Und die Sache mit dem Bürgermeister.

Am Sonntagmorgen bittet Duckworth Derek, der Adam Langley ja als Letzter lebend gesehen habe, um eine Besichtigung des Tatorts. Ob irgendetwas verändert sei, will er wissen. Der Siebzehnjährige muss sich sehr beherrschen, um die Blutflecken auf dem Boden zu übersehen und alle Fragen zu beantworten, ohne dass der Sheriff Verdacht schöpft. Er erzählt auch von Penny Tucker und ihrem Hausarrest. Er habe das Haus zwei Stunden vor der Tatzeit verlassen, also etwa um acht Uhr abends. Auch diese Falschangabe erweist sich später als Fehler.

|Der Verdacht|

Als er allein mit seinem Vater ist, erzählt Derek Jim, dass er bemerkt habe, dass der Computer aus Adams Zimmer verschwunden sei. Na und, will Jim wissen. Na ja, Derek hatte Adam die Kiste ausgeliehen. Er selbst hatte sie von Jims Kundin Agnes Stockwell erhalten. Und die wiederum hatte den Rechner von ihrem Sohn Brad. O nein – der junge hoffnungsvolle Student, der sich an den Promise-Wasserfällen umbrachte. Tja, fährt Derek herumdrucksend fort, auf der Festplatte des Rechner befand sich ein Romanmanuskript, das ziemlicher Schweinkram sei.

Zum Glück hat Derek eine Kopie auf Diskette gezogen und kann seinem Vater einen Ausdruck des Romans geben. Jim erkennt den Text sofort wieder: Es ist der Anfang von Conrad Chases erotischem Roman „Das beste Stück“. Das Buch, das Chase zu Ruhm, Ehre, Geld und Uni-Posten verhalf, steht in der elterlichen Bibliothek. Und jetzt stellt sich heraus, dass Chase die Grundlage seines Reichtums, seines Ansehens und seiner Macht seinem Studenten Brad Stockwell gestohlen hat.

Was wenn Chase sich veranlasst sah, die letzte Kopie dieses Originals durch den Diebstahl des Rechners von den Langleys zu beseitigen, grübelt Jim zusammen mit Ann, der er seine Entdeckung mitteilt. Aber wozu dann drei Leichen hinterlassen? Ann hindert Jim daran, sofort zu Chase zu laufen. Er würde nur als gehörnter Ehemann erscheinen, der nun zurückschlagen wolle, und nichts weiter erreichen. Nein, sie müssten die Diskette zurückgeben!

Jim starrt sein Eheweib an, als wäre sie von allen guten Geistern verlassen. Auf welcher Seite steht sie eigentlich? Erst später weiht sie ihn ein, dass auch sie eine Vergangenheit mit Conrad Chase und Brad Stockwell verbindet. Aber dann ist der Fall Langley bereits zu einem Albtraum für die Tuckers geworden.

_Mein Eindruck_

Die Welt ist voller Heuchler und Geheimnisse. Das gilt ganz besonders für die Provinzstadt Promise Falls. Sie hat einen sprechenden Namen: „promise“ – das Versprechen (des amerikanischen Traums?) – „falls“: fällt; gemeint sind aber auch die lokalen Wasserfälle. Man könnte Promise Falls sehr gut mit dem Städtchen Twin Peaks in David Lynchs TV-Serie vergleichen. Hier ist im Grunde fast alles möglich: von Massenmord bis zu nächtlichen Orgien, von vergleichsweisen „Lappalien“ wie Ehebruch und Sex mit Minderjährigen ganz zu schweigen.

Das Vergnügen, diese Geheimnisse aufzudecken, sorgte für mein anhaltendes Interesse an diesem Thriller aus dem kühlen Kanada. Und Jim Cutter (ebenfalls ein sprechender Name) ist kein Mann, der etwas anbrennen lässt oder ein Blatt vor den Mund nimmt. Ganz besonders dann nicht, wenn es um die Zukunft seiner Ehe und Familie geht. Schlimm genug, dass sein eigener Sohn als Dreifachmörder der Langleys verhaftet und angeklagt wird. Das kann einen Vater schon zum Wahnsinn treiben. Nein, auch seine eigene Frau, die liebe Ann, hintergeht ihn und scheint ein falsches Spiel zu treiben. Das bringt die Grundfesten ins Wanken, denn Jim ist weder ein Collegeabsolvent noch hat er einen vernünftigen Beruf gelernt. Ein (beinahe) grundehrlicher Bursche wie du und ich also.

Die zwei Kidnapper, die Jim gefangen nehmen und foltern, scheinen aber nichts mit Ann zu tun zu haben, denkt Jim. Denn auch Ann ist gefesselt und geknebelt. Merkwürdig findet es aber schon, dass Morty, sein Folterknecht, ihn penetrant nach der Diskette mit dem Romanmanuskript Brad Stockwells fragt und die Kopie haben will. Da steckt am Ende also doch Anns Lover, dieser fiese Conrad Chase, dahinter, denkt Jim. Aber die Sache ist dann doch etwas komplizierter, als er denkt. Und weitaus blutiger im Verlauf.

Dass Jims Arbeitsersatz für Derek, dieser schweigsame Drew Lockus, einiges auf dem Kerbholz haben muss, merkt man sofort, doch Jim ist voll Vertrauen in den entlassenen Sträfling. Ganz besonders nach der Sache mit den beiden Kidnappern, die Drew ganz allein angriff. Ein gewiefter Krimileser hat aber einige Vorbehalte gehen den ebenso hilfsbereiten wie schweigsamen Drew und zählt zwei und zwei schon lange zusammen, bevor Jim es tut. Drew hatte eine Tochter, die vor kurzem im Krankenhaus starb. Wir erinnern uns an Randall Finlays Begegnung mit einer minderjährigen Prostituierten. Und dass ausgerechnet Jim Cutter seinen Namen und seine Telefonnummer in deren Notizbuch schrieb.

Die Vorhersehbarkeit der an Drew gebundenen Handlung stellt sich aber als doch nicht so abträglich für die Spannung heraus. Denn Drew hat eine ganz besondere Forderung an den Sünder Randall Finlay. Der Bürgermeister von Promise Falls soll seine Sünde öffentlich bekennen, und zwar nicht irgendwo, sondern auf der Bühne, auf der er seine Kandidatur für den US-Kongress bekanntgeben will. Finlay hält diese Forderung natürlich für völlig absurd, aber Jim sorgt dafür, dass Finlay die handfesten Argumente Drews berücksichtigt: Drew bedroht Jims Sohn und Frau mit dem Tode.

Was nun Ann mit Conrad Chase und Brad Stockwell zu tun hat, ist eine völlig andere Geschichte, wie es scheint. Und deshalb sollen die Feinheiten dieser falschen Fährte nicht weiter dargelegt werden. Ein Red Herring wie dieser dient lediglich dazu, weiter Belege für die Heuchelei und Geheimnisse der Provinz zu liefern. Aber zufrieden stellte ich fest, dass so das Rätsel um „Das beste Stück“ ebenso gelöst wird wie die scheinbar dubiose Loyalität von Ann Cutter.

Und wozu mag all dieser Tumult in der Provinz gut sein, mag sich der Leser fragen. Nun, der Autor will wohl zeigen, dass nichts ist, wie es scheint, und dass Ehre nicht immer ehrenvoll erworben sein muss. Und dass Selbstmord nicht immer Selbstmord ist, und ehrbare Ehefrauen auch mal mit dem Sohn des Nachbarn ins Bett gehen können, um Spaß zu haben. Und wenn sich der Pulverdampf verzogen und der Schurke im Stück seine gerechte Strafe erhalten hat, dann können die Hauptfiguren möglicherweise zu neuen Ufern aufbrechen. Ein weiteres „Promise Falls“ lockt sie, denn der amerikanische Traum, er währet ewiglich. Jedenfalls bis zur nächsten Krise.

|Der Sprecher|

Dass Frank Arnold ein Theatermann ist, merkt man an seiner Vortragsweise. Sie unterscheidet sich kaum von anderen Meistern der Stimme, aber er beherrscht die Darstellung sämtlicher Emotionen auf dem Effeff. Das lässt die Szenen sehr lebendig erscheinen. Mehr als einmal ertappte ich mich dabei, mir die jeweilige Szene bildlich vorzustellen. Arnold kann aber auch von den lauten Tönen des Zorns und des Erstaunens schnell wieder umschalten auf leise Töne des Schmerzes und der Zärtlichkeit. Die Story gibt beide Stimmungslagen in reichlichem Maße her.

Selbstredend sprechen die männlichen Figuren in einer tieferen Tonlage als die weiblichen. Besonders Sheriff Duckworth sticht durch seine sehr tiefe, autoritäre Stimme hervor. Sein genaues Gegenteil ist der aalglatte und hinterfotzige Universitätspräsident Conrad Chase. Chase ebenbürtig ist seine Frau, ein ehemaliges Hollywood-Starlet mit familiären Verbindungen zur Mafia. Auch sie säuselt so blond und täuschend freundlich, dass man kaum glaubt, dass sie einen Mordauftrag vergeben haben soll.

Ganz wunderbar gelungen fand ich auch die Figur des Bürgermeisters Randall Finlay. Obwohl der schmierige, aber leutselige und charmante Typ immer wieder ins Amt gewählt wird, erfahren wir doch im Laufe von Jims Enthüllungen, dass es Finlay mit einer Nutte trieb, die sich als minderjährig entpuppte. Das brachte ihm Jims Nasenstüber ein. Nun, Finlay wird seine Strafe erhalten und so für den Showdown mit dem Mörder der Langleys sorgen.

Die Aufnahme hat nur einen einzigen Schönheitsfehler. Dieser geht nicht aufs Konto des Sprechers, sondern auf das des Aufnahmeleiters und des Schnitts. Wird er deshalb nicht namentlich erwähnt? Wie auch immer: Auf CD Nr. 3 tritt bei der Marke von 54:06 Minuten eine unmotivierte Pause ein, die etwa fünf Sekunden anhält, bevor die Aufnahme fortfährt. Zum Glück geht keine Information des Textes verloren, aber etwas irritierend und ablenkend ist diese Lücke schon.

_Unterm Strich_

Dies ist kein Copthriller und schildert auch nicht die Ermittlung gegen den klischeehaften Serienkiller. Vielmehr betrachten wir das Geschehen, das nach dem kriminellen „Erdbeben“ des Mordes an den Langleys stattfindet, aus der Sicht eines gewöhnlichen Bürgers: des Nachbarn. Ein einfacher Gärtner, Fahrer und Hobby-Kunstmaler. Was könnte unverdächtiger sein? Aber unversehens sieht sich Jim Cutter in sinistre Abläufe verwickelt: als Opfer von Folterknechten, unsichtbaren Strippenziehern und natürlich dem Serienmörder, der die Langleys auf dem Gewissen hat.

Glücklicherweise legt Jim Cutter nicht die Hände in den Schoß und sagt: Der Herr hat’s gegeben, der Herr hat’s genommen, sondern packt die Sache auf bewährte Yankeeweise an. Doch weil nichts ist, was es zu sein scheint, muss er auch seine eigene Ehefrau verdächtigen und fällt aus allen Wolken, als sein Sohn ihm ein geheimes Sexleben offenbart. Außerdem glaubt er sich auf der Spur eines Literaturskandals erster Größenordnung, der sich zudem als tragische Verkettung von Taten und Unterlassungen entpuppt.

Es gibt einige schöne Höhepunkte, von denen vielleicht der witzigste die Selbstenthüllung des Bürgermeisters als Freier einer minderjährigen Nutte ist. (Natürlich tut er das nicht freiwillig.) Aber auch die Bloßstellung von Conrad Chases Frau Eliana als zwielichtige Mordauftraggeberin ist eine köstliche Szene. Enthüllungen gibt es reihenweise, und manche davon sind so verzwickt und heikel, dass man nicht anders kann, als entsprechende Geduld mitzubringen. Die Wahrheit über Brad Stockwells angeblichen Selbstmord ist solch eine Szene.

Barclays Thriller eilt von Höhepunkt zu Höhepunkt, und so manche Szene mag an den Haaren herbeigezogen erscheinen. Aber die Story sorgt für eine Menge spannender Unterhaltung, ohne dabei in Kitsch oder Klamauk abzugleiten. Ob der richtige Mörder der Langleys am Schluss gestellt wird, ist eine Frage, die einen Spannungsbogen über die ganze Handlung errichtet. Darunter hat der Autor eine Reihe weiterer, kleinerer Spannungsbögen errichtet. Und kaum glaubt der Leser mit Jim eine Verschnaufpause einlegen zu können, geht unversehens die Action erneut los. Feine Sache.

|Das Hörbuch|

Frank Arnold gestaltet seinen Vortrag dieses spannenden Krimis sehr lebhaft und unter hohem Einsatz seiner Stimmfertigkeit. Schon nach wenigen Minuten achtete ich kaum noch auf seinen Ausdruck in der Charakterisierung der Figuren, so sehr hatte mich seine Versiertheit überzeugt. Daher konnte ich mich an den emotionalen Einzelszenen erfreuen, ohne mich von den gelieferten Informationen, welche die Beweiskette gegen diverse Verdächtige aufbauen, ablenken zu lassen.

Ein Fehler im Schnitt der Aufnahme verblüffte mich indes. Einfach so eine Lücke von rund fünf Sekunden entstehen zu lassen beziehungsweise zu überhören – das findet man nicht alle Tage.

|Originaltitel: Too close to home, 2008
Aus dem kanadischen Englischen übersetzt von Sky Nonhoff
457 Minuten auf 6 CDs
ISBN-13: 978-3-89903-636-7
Buchausgabe bei Ullstein Taschenbuch unter der ISBN-13 978-3-548-26744-9|
http://www.hoerbuch-hamburg.de
http://www.ullsteinbuchverlage.de

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Doyle, Arthur Conan / Coules, Bert / Cotterel, Ian – A Study in Scarlet – A Sherlock Holmes Mystery (Hörspiel)

_Holmes singt: ein garstig‘ Lied in Scharlachrot_

Das Wort „Rache“ ist an die Wand eines leeren Hauses in London gekritzelt, in dem die Polizei die Leiche eines Mannes gefunden hat. Um das Rätsel zu lösen, bittet Scotland Yard einen jungen Mann um Hilfe, der über einen analytischen Verstand verfügt und dem es offenbar Vergnügen bereitet, die kniffligsten Rätsel zu lösen: ein gewisser Sherlock Holmes. Als dieser Holmes zusammen mit seinem neuen Wohngenossen Dr. John Watson auf der Szene des Verbrechens erscheint, zweifeln die Inspektoren und Polizisten des Yard erst einmal, was Amateure wie diese beiden ausrichten können. Sie sollen sich schon bald wundern.

_Der Autor_

Sir Arthur Conan Doyle lebte von 1859 bis 1930 und gelangte mit seinen Erzählungen um den Meisterdetektiv Sherlock Holmes zu Weltruhm. Dabei begann der Mediziner, der eine eigene Praxis hatte, erst 1882 mit dem Schreiben, um seinen Einkommen aufzubessern. Neben mystischen und parapsychologischen Themen griff er 1912 auch die Idee einer verschollenen Region (mit Dinosauriern und Urzeitmenschen) auf, die von der modernen Welt abgeschnitten ist: [„The Lost World“ 1780 erwies sich als enorm einflussreich und wurde schon 13 Jahre später von einem Trickspezialisten verfilmt.

Weitere Holmes-Hörspiele auf Englisch im |Hörverlag| sind „The Hound of the Baskervilles“ und „The Sign of Four“.

Mehr von Arthur C. Doyle auf |Buchwurm.info|:

[„Eine Studie in Scharlachrot“ 1780 (Buchausgabe)
[„Die geheimnisvolle Kiste“ 3756 (Hörbuch)
[„Der Patient“ 3609 (Hörspiel)
[„Der griechische Dolmetscher“ 2427 (Hörspiel)
[„Im Zeichen der Vier“ 2285 (Hörbuch)
[„Der Bund der Rothaarigen“ 2268 (Hörbuch)
[„Neue Fälle von Sherlock Holmes & Dr. Watson“ 2148 (Hörspiel)
[„Sherlock Holmes Collectors Edition II“ 2130 (Hörspiel)
[„Sherlock Holmes Collectors Edition I“ 1950
[„Der Hund der Baskervilles“ 1896
[„Die vergessene Welt“ 1780
[„Der Fall Milverton / Der Teufelsfuß“ 1410 (Hörspiel)
[„Der Vampir von Sussex / Das gefleckte Band“ 1240 (Hörspiel)
[„Das Zeichen der Vier“ 1234 (Hörspiel)

Themenverwandtes bei |Buchwurm.info|:

[„Sherlock Holmes und der Fluch von Addleton“ 417
[„Sherlock Holmes – Mythos und Wahrheit. Eine Spurensuche mit Musik und Geräuschen“ 3916
[„Sherlock Holmes. Die unautorisierte Biographie“ 3428
[„Sherlock Holmes und die Riesenratte von Sumatra“ 3083
[„Sherlock Holmes und der Fall Houdini“ 2339
[„Sherlock Holmes: Schatten über Baker Street. Mörderjagd in Lovecrafts Welten“ 1893

_Die Sprecher & die Inszenierung:_

|Sherlock Holmes:|

Clive Merrison, geboren 1945, wurde bekannt durch seine Arbeit beim Fernsehen, am Theater und beim Rundfunk. Seine erfolgreichsten Produktionen sind „Dr. Who“, „Yes, Prime Minister“ und „Saving Grace“ (Grasgeflüster). Merrison ist der einzige Schauspieler, der es geschafft hat, Holmes in den Bearbeitungen sämtlicher Kurzgeschichten und Romane zu spielen, in denen der berühmte Detektiv auftritt (und das sind mehrere Dutzend Werke).

|Dr. John Watson:|

Michael Williams, geboren 1935, war ein britischer Schauspieler irischer Herkunft. Er trat regelmäßig im Fernsehen und in Filmen wie „Educating Rita“ oder „Henry V.“ auf. In Radiospielen lieh er vielen Figuren seine Stimme. 1971 heiratete er die vielfach ausgezeichnete Schauspielerin Dame Judi Dench (geb. 1934, ‚M‘ in „James Bond“), mit der er erfolgreich in mehreren Sitcoms zusammenarbeitete. Williams starb 2001.

Regie führte Ian Cotterel, die Hörspielfassung erarbeitete Bert Coules, für eine Produktion der BBC aus dem Jahr 1998. Die Violine spielt laut Booklet Abigail Young, laut Ansage aber Alexander Balanescu. Vielleicht spielten ja beide.

_Handlung_

Um das Jahr 1886 lebt der Militärarzt Dr. John Watson wieder in London, nachdem er im zweiten Afghanistankrieg verwundet wurde und an Typhus erkrankt war. Nun lebt er von einer winzigen Rente und erträgt die Schmerzen in seiner Schulter. Da kommt ihm das Glück zu Hilfe. Sein guter Bekannter Stanford, ein Medizinstudent, erzählt ihm von einem Mann an der Uni, der einen Mitbewohner für eine gemeinsame Mietwohnung sucht. Watson ist sofort hellhörig, aber Stanford warnt ihn vor diesem seltsamen Vogel. Dieser Sherlock Holmes betreibe makabere Experimente mit Tierkadavern. Indeed!

Waltson und Holmes nehmen die Wohnung, die Mrs. Hudson in der Baker Street 221B anbietet, und versuchen, sich aneinander zu gewöhnen. Holmes ist wirklich gewöhnungsbedürftig, und Watson macht sich eine ganze Liste mit seinen Mängeln, insbesondere seiner Ahnungslosigkeit auf bestimmten Wissensgebieten. Eines Tages verrät ihm Holmes endlich, was er eigentlich beruflich tut: er ist beratender Ermittler. Private und behördliche Schnüffler bitten ihn um seine Dienste, sein bester Kunde sei Inspektor Lestrade vom Scotland Yard, der britischen Kripo. Aber die Zeiten sind Holmes zu ruhig – er kann seine Fähigkeit der analytischen Deduktion kaum unter Beweis stellen. Da kommt ihm ein neuer Mord wie gerufen.

Zusammen mit Dr. Watson, den er als Assistenten missbraucht, besichtigt Holmes den Tatort, der sich in einem leerstehenden Haus in Brixton befindet. Die Inspektoren Lestrade und Tobias Gregson sind bereits vor Ort. Holmes warnt Watson, dass der Tatort seine Nerven belasten könnte. In der Tat sieht all das viele Blut um die Leiche eines Mannes am Boden nicht sehr beruhigend aus. Dessen Körper ist völlig verdreht, weist aber seltsamerweise keine Wunde auf. Doch einmal am Mund des Toten geschnuppert und beide wissen Bescheid: Gift. Und an einer Wand des Zimmers steht mit Blut geschrieben das deutsche Wort „RACHE“. Für Lestrade ist der Fall klar: Es hat etwas mit einer Frau namens RACHEL zu tun. Holmes ist sich da nicht so sicher. Er gedenkt seinen Fall zu einem Gesamtkunstwerk zu machen, das er „Eine Studie in Scharlachrot“ (A Study in Scarlet) nennen will.

Der Tote wird als der Amerikaner Enoch Drebor identifiziert, er habe in der Pension einer Madame Charpentier logiert, zusammen mit seinem Sekretär Joseph Stangerson. Hier bohrt Tobias Gregson besonders intensiv nach und fördert schon bald zutage, dass Charpentiers Sohn Arthur heftigen Streit mit den beiden Amis hatte, weil sie sich an seiner Schwester Alice vergriff. Es kam zu einer Schlägerei auf der Straße und Arthur verschwand. Alles klar wie Kloßbrühe: Arthur muss der Mörder sein.

Holmes beliebt, anderer Meinung zu sein, ist aber weit davon entfernt, Gregson den Tag zu vermiesen. Für ihn ist das wichtigste Indiz an der Leiche der weibliche Ehering, der so gar nicht zu den beiden Amis passt. Es geht also um eine Frau innerhalb einer Dreiecksgeschichte. Holmes gibt in Watsons Namen (er will nicht in Erscheinung treten) eine Zeitungsannonce auf, in der er nach dem Besitzer des Rings sucht. Unterdessen lässt er seine Kindertruppe von Möchtegernpolizisten nach Verdächtigen suchen.

Gregson triumphiert gerade über seinen Fahndungserfolg, als Lestrade eintrifft. Er habe einen weiteren Ermordeten entdeckt. Dreimal darf man raten, um wen es sich handelt.

_Mein Eindruck_

Schon in dieser ersten Erzählung, die im Dezember 1887 veröffentlicht wurde und ihren Helden unsterblich machte, bietet der Autor fast alle Charakteristika auf, die den berühmten Detektiv kennzeichnen. Er hat einen scharfen, wenn auch etwas eingleisigen Verstand, praktisch kein Privatleben, spielt leidenschaftlich gerne die Geige und ist stets für einen blutigen Mord zu haben. Dass er sich so gut mit Kindern und seiner Haushälterin/Vermieterin versteht, grenzt an ein Wunder.

|Der Auftrag|

Noch erstaunlicher ist sein letzter Satz: „Write your book, Dr. Watson“, aber das geschieht aus purem Eigennutz. Die beiden stümperhaften Inspektoren Lestrade und Gregson beanspruchen nämlich laut Zeitung alle Lorbeeren für sich und wagen es sogar, den „Amateur-Detektiv“ Sherlock Holmes ihren „Schüler“ zu nennen – diese Unverfrorenheit! Um der Nachwelt ein „richtiges“ Bild vom Schaffen des kompetentesten Detektivs der Welt zu hinterlassen, kommt ihm Dr. Watson als Biograph gerade recht. Das kann Dr. Waltson nur angenehm sein, denn er hat bereits seine Bewunderung für Holmes ausgedrückt. Der Titel für das erste Werk dürfte wohl klar sein.

|RACHE|

Doch worin liegt nun die Lösung des blutigen Doppelmordes, mit diesem mysteriösen Wort „RACHE“ an der Wand? Die Kripo verfällt natürlich auf das Naheliegende, dass sich hier nämlich politische Flüchtlinge aus Deutschland an Amerikanern rächen wollten. Doch Holmes ist alles andere als ein Freund des Naheliegende und Offensichtlichen. Das könnte ja jeder Stümper kapieren, aber das sei genau das, was die Verbrecher wollten. Nein, so blöd ist er nicht.

Allerdings ist auch Holmes nicht allwissend, denn der Verdächtige schlägt ihm geschickt ein Schnippchen. Um den Ring abzuholen, tritt eine ältere Dame auf, die sich Mrs. Sawyer nennt. Nachdem sie gegangen ist, folgt er ihr unauffällig oder vielmehr ihrer Droschke. Als die Mietkutsche an ihrem angegebenen Ziel eintrifft, ist jedoch von „Mrs. Sawyer“ weit und breit nichts zu sehen. Sie hatte sich verkleidet und war natürlich ein Mann! Homes lacht herzhaft über seine eigene Stupidität.

|Das Geständnis|

Sobald der Täter sich dann selbst zeigt – was an sich schon recht verwunderlich ist -, will er auch sogleich ein Geständnis ablegen. Schließlich sei er ein todkranker Mann, der jeden Augenblick den Löffel abgeben könne, erkennt Dr. Watson. Bequemerweise erfolgt das Geständnis im Kripohauptquartier, vor den Ohren von Lestrade und Gregson, und natürlich Holmes. Die ganze verhängnisvolle Dreiecksgeschichte begann vor nicht weniger als vierzig Jahren in jenem trockenen Landstrich westlich der Rocky Mountains, der den Briten als „Zentralamerikanische Wüste“ bekannt ist.

Durch die Assoziation mit den Mormonen erklärt sich auch der erstaunliche Titel des zweiten Teils des Hörspiels: „The Country of the Saints“. Die Mormonen nennen sich bekanntlich gar nicht nach dem Buch Mormon ihres Gründers John Smith, sondern als „Heilige der letzten Tage“ (Latter Day Saints). Ihre Hauptstadt ist Salt Lake City. Ich war selbst dort und habe die riesige Kathedrale bewundert – den Tempel! – und das Hochhaus, in dem sich das Hauptquartier des Ordens befindet.

|Die Wirkung|

Ich werde hier nicht das ganze Geständnis wiedergeben, das Jefferson Hope ablegt. Aber der Fall ist im Grunde klar. Für die von ihnen geraubte Braut rächte er sich an Drebor und Stangerson auf grausame Weise, nach zwanzig Jahren der Verfolgung. Diese Geschichte bildet den Kern des zweiten Teils: sehr romantisch und bewegend mit einer tragischen Romanze und einer erbitterten Verfolgungsjagd, schon fast ein Western.

Die Zeitgenossen des Autors müssen hingerissen gewesen sein, obwohl das Buch zuerst in den USA erschien und als „shilling shocker“ (= Pulp Fiction) nicht gerade höchsten literarischen Rang genoss. Ganz im Gegenteil. Erst die Sherlock-Story „Ein Skandal in Böhmen“, die ab 1891 im „Strand Magazine“ erschien, brachte ihrem Autor den erhofften Durchbruch.

_Die Inszenierung_

|Die Sprecher|

Das ganze Hörspiel dreht sich im Grunde nur um die zwei Hauptfiguren Watson und Holmes. Folglich sind ihre Sprecher die wichtigsten im ganzen Ensemble – und es ist ein beachtlich kompetentes Ensemble, gegen das sie sich durchsetzen müssen. Dass Michael Williams seinen Dr. Watson wie den älteren Herrn spielt, den wir alle sattsam aus unzähligen Holmes Verfilmungen kennen, war zu erwarten. Doch Williams verleiht Watson keineswegs den Charakter eines leicht debilen, gutgläubigen Medizinmannes, wie er so unsäglich von Nigel Bruce porträtiert wurde. Dieser Watson ist ein Armeemann und hat einiges vom Leben gesehen. Dennoch bereitet ihm der blutige Tatort in Brixton Albträume.

Die eigentliche Überraschung liefert Clive Merrison (der auf dem Foto auf der CD-Rückseite selbst etwas debil dreinschaut), denn mit dem herzhaften Lachen, in das Holmes so häufig und gerne ausbricht, hatte ich nicht gerechnet. Das ist ein ganz anderer Holmes als der von Basil Rathbone, nicht düster, sondern weltoffen und verständnisvoll, nicht neurotisch, sondern einfühlsam. Dies ist ein menschliches Wesen, mit dem wir – beinahe – mitfühlen können, so etwa, wenn er sich um seine Meriten als Detektiv Sorgen macht und an eine Art PR-Feldzug denkt, mit Watson als Manager.

|Geräusche|

Wozu kleckern, wenn man auch klotzen kann, dachte sich wohl der Sounddesigner und lässt das Hörspiel gleich mit Kanonnendonnern und Gewehrschüssen beginnen. Verwundete schreien nach Doktor Watson, da fallen zwei Schüsse – Watson hat’s erwischt, verkündet die unheilvolle Stille. Nach der Ansage beginnt Dr. Watsons alias Michael Williams‘ ruhige Stimme von den nachfolgenden Ereignissen zu berichten, die zu seiner langen Bekanntschaft mit Holmes führen sollten.

Die Geräusche im Hintergrund sind realistisch, passend und verdecken nie den Dialog. Allerdings muss man sich eine Szene, die in sukzessiven Ausschnitten dargestellt wird, selbst zusammenreimen. Es handelt sich um die Auseinandersetzungen in der Pension der Madame Charpentier, bei denen die betrunkenen Amerikaner ihre Familie drangsalieren. Diese Szene ist clever eingesetzt, denn sie lässt ein Rätsel offen: Hat Arthur Charpentier wirklich Enoch Drebor getötet – oder war es ganz anders?

Es gibt ein paar Soundeffekte, die mich stutzen ließen. Einer davon ist der einer riesigen schlagenden Uhr, als ob sich das Uhrwerk Big Bens (nicht die Glocken!) im Wohnzimmer befände und mit einem feinen Mikro aufgenommen und tausendmal verstärkt würde. Die Wirkung ist unheimlich, denn der Sound kündet Unheil an, nach dem Motto: Wem die Stunde schlägt …

|Musik|

Ich bin nicht sicher, ob das Geigenspiel Basil Rathbones zur Musik zählt, aber dasjenige, das wir in diesem Hörspiel zu hören bekommen, tut es ganz bestimmt. Wir hören lieblichen Bach, elegischen Wagner und noch einiges mehr. Im Outro erklingt die Violine zusammen mit einer Flöte und einem romantischen Piano und geleitet den Hörer wieder zurück in seine eigene Welt. Holmes singt sogar! Dies ist das erste Mal, dass ich Holmes singen hörte. Vielleicht zählt das zu seinem Gesamtkunstwerk „Studie in Scharlachrot“.

Relativ unheimlich ist der gestrichene Kontrabass, der am Anfang der zwei Teile mit tiefsten Bässen erklingt. Dagegen hebt sich die flotte Pausenmusik, welche die Szenen trennt, geradezu wohltuend ab. Man sieht, dass es eine ganze Palette von Musik gibt. Trotzdem ist das Hörspiel weit davon entfernt, ein Musical zu sein.

_Unterm Strich_

Sherlock Holmes und Dr. John liefern sich bereits in diesem ihrem ersten Fall die typischen Diskussionen, wobei Watson stets der Stichwortgeber ist und Holmes allzu häufig der Schlaumeier, der sich alles bereits aus winzigsten Details zusammenreimt. Schon die erste Begegnung ist symptomatisch. Holmes begrüßt Watson als Mann, der in Afghanistan war. Der gute Doktor ist natürlich von den Socken, aber Holmes hält mit des Rätsels Lösung nicht hinterm Berg.

Spannung, Action, Humor, geistvolle Diskussionen, eine Romanze – alle Sherlock-Freunde kommen also schon im ersten Fall voll auf ihre Kosten. Unglaublich, dass der Autor seinen Helden bereits sieben Jahre später, 1893, sterben ließ. Auf Druck des Publikums (und der Königsfamilie) musste er Holmes eine Auferstehung widerfahren lassen, so dass ab „The Hound of the Baskervilles“ (1901/02) weitere Geschichten mit dem beliebten Detektiv erscheinen konnten.

|Das britische Hörspiel|

In zweimal 56 Minuten erzeugt der Dramaturg Bert Coules erst eine Menge Spannung, dann eine ganze Menge von Action und Rührung. Schließlich geht es um eine tragische Dreiecksgeschichte. Der erste Teil gefiel mir wesentlich besser, weil er spannender und optimistisch gestimmt ist.

Das Englischniveau ist nicht „beginner“, sondern „intermediate“, also mittelschwer. Das erfordert Gymnasial- oder Uni-Ausbildung. Auch ich mit abgeschlossenem Magister und Englandaufenthalt konnte nicht alles restlos verstehen. Zum Glück reden die Sprecher wenigstens keinen Dialekt wie etwa Cockney. Ein Akzent ist aber dennoch hin und wieder zu hören. Merrison und Williams befleißigen sich aber des reinsten |BBC|-Englisch und sind sehr klar zu verstehen. Englischlernende dürfen aufatmen.

|A Study in Scarlet, 1887
BBC-Produktion 1998
112 Minuten auf 2 CDs
ISBN-13: 978-3-86717-303-2|
http://www.hoerverlag.de

McDowall, Iain – perfekte Tod, Der (Hörbuch)

_Die perfekte Ermittlung, mit Schwächen_

„Schlimmer geht es nicht“, denkt Chief Inspector Frank Jacobson, als in Crowby ein Drogendealer gefoltert und verbrannt aufgefunden wird. Nur 48 Stunden später gibt es einen noch grausigeren Fund: Das Oberhaupt von Crowbys „Familie des Jahres“ hat, wie es aussieht, erst seine Frau und die drei Kinder umgebracht und dann sich selbst erhängt. Nur eine hat das Blutbad überlebt: die Freundin der Jüngsten – und Tochter von Sheryl Holmes, der Geliebten des toten Drogendealers. Doch die Zehnjährige spricht nicht mehr. (Verlagsinfo)

_Der Autor_

Iain McDowall wurde in Kilmarnock, Schottland, geboren und war Universitätsdozent für Philosophie und Computerfachmann, ehe er als Autor von Kriminalromanen hervortrat. Heute lebt er im englischen Worcester, in den Midlands, wo sich seine fiktive Stadt Crowby befindet. Hier spielen McDowalls Romane um die Polizisten Jacobson und Kerr.

Weitere Crowby-Romane, die bei |dtv| erschienen, sind „Zwei Tote im Fluss“ und „Gefährliches Wiedersehen“. Für August 2009 ist „So gut wie tot“ angekündigt.

_Sprecher & Produktion_

Herbert Schäfer, 1968 in Bonn geboren, absolvierte seine Schauspielausbildung an der Otto-Falckenberg-Schule. Es folgten Engagements an den Münchner Kammerspielen, am Ulmer Theater, am Düsseldorfer Schauspielhaus sowie am Theater Freiburg. Er arbeitete mit namhaften Regisseuren zusammen und ist zudem regelmäßig in Kino- und Fernsehproduktionen zu sehen.

Schäfer liest eine von Cathrin Claußen gekürzte Textfassung. Regie führte Sebasian Reiß. Die Aufnahme erfolgte bei Acoustic Media in Freiburg.

_Handlung_

Darauf haben Charlie Taylor und Billy „Florida Boy“ Billston gewartet: Sheryl Holmes verlässt mit ihren zwei Töchtern Ann Marie und Lucy den Wohnblock, um sie zur Schule im „guten Viertel“ The Bartons zu bringen. Sie kommt aus der Sozialwohnung, in der sich noch ihr Lover David Carter befindet. Dave ist Barmann im Pub „Poet’s“ und Drogendealer. Charlies und FBs Auftrag lautet, Dave eine Abreibung zu verpassen.

Doch als sie Dave aus dem Bett zerren und mit der Drohung, ihn mit dem elektrischen Kamin zu verbrennen, gefügig machen wollen, macht der einen auf Macho und wehrt sich. Na so was! Das treibt den eh schon labilen FB zur Weißglut. Mit einem Montiereisen schlägt er Dave den Schädel ein. Au Backe, was wird wohl der Auftraggeber davon halten, fragt sich Charlie. Der will von der ganzen Geschichte nichts wissen. Sie haben’s verbockt, nun müssen sie sehen, wo sie bleiben. Tja, Probezeit ist harte Zeit. Und dass sie ihn ja nie wieder anrufen! Dabei hat ihm Charlie noch gar nicht alles gesagt, was sie angestellt haben …

Florida Boy hat sich Verbrennungen zugezogen, doch sie können damit nicht zum Arzt, ist ja logo. Deshalb muss Charlies Bekannte, die schnuckelige Lisa, ran und die Wunden behandeln. Lisa glaubt, er wolle was von ihr, und findet sich dazu bereit. Aber als Charlie mitbekommt, welchen Zinnober die Bullen wegen des Todes von Dave veranstalten, kriegt er kalte Füße: Sie müssen weg. Auch dagegen hat Lisa nix einzuwenden. Klasse, denkt Charlie mit einem Blick auf Lisas Brüste, und klaut das nächstbeste Auto.

Für Chief Inspector Frank Jacobson ist der Fall David Carter ein Fall wie jeder andere. In dem Sozialghetto Woodlands ist so was ja nichts Ungewöhnliches. Carter war Drogendealer und muss jemanden gelinkt haben. Der Inspektor lässt seine Untergebenen ihre Pflicht und Schuldigkeit tun und tröstet Sheryl Holmes, die von dem Verlust ihres Geliebten und ihrer abgefackelten Wohnung ganz schön erschlagen ist. Nur noch ihre persönlichen Dokumente hat sie gerettet, weil sie die stets in ihrer Handtasche mit sich herumschleppt.

Doch es gibt wenigstens einen kleinen Lichtblick. Sie kommt bei ihrer Freundin Candice unter und Ann Marie darf sogar bei den Eltern ihrer Schuldfreundin Sarah Adams übernachten. Vielleicht hat sie nochmal Glück gehabt, denn ihre neue Sozialwohnung bekommt sie sicher erst in ein paar Tagen gestellt. Und Ann Marie bekommt mal ein schönes Heim zu sehen statt der Drecklöcher, in denen sie sonst mit ihrer alleinerziehenden Mutter leben muss. Doch auch dieser Traum währt nicht lange …

Der Bauunternehmer Stephen Adams, der Vater von Sarah und ihren zwei Brüdern, weiß schon seit Monaten, dass sein Unternehmen am Abgrund steht, dazu braucht er nicht erst die Kassandrarufe seines freiberuflichen Buchhalters Alan Jones zu hören. Darauf einen Doppelten! Steve macht sich erst einmal einen schönen Abend bei einer Preisverleihung der Lokalzeitung: Die Adams‘ werden als „Familie des Jahres“ ausgezeichnet. Nach einem weiteren Doppelten wirft sich Steve auf dem WC noch eine Doppeldosis Antidepressiva ein. Gleich fühlt sich total entspannt. Der Abend wird wunderbar. Um Mitternacht beginnen die Albträume …

Als Frank Jacobson zum Haus der Adams gerufen wird, warnt ihn der Leiter der Spurensicherung vor: Es ist schlimm. In der Eingangshalle baumelt ein Mann vom Treppengeländer herab. Das war wohl mal der Herr des Hauses. „Es gibt noch mehr.“ Sie gehen nach oben. Das Zimmer der Jungs ist voll Blut, sie haben sich wohl gewehrt. Nicht so hingegen die Ehefrau Marion und die Tochter Sarah. Steve Adams hat sie wohl mit einem Kopfkissen erstickt.

Als Jacobsons Blick aus dem Fenster in den Garten fällt, eilt er hinunter ins Erdgeschoss, dann in den Garten. Er geht zu einem großen Baum, in dem er ein Baumhaus erspäht hat. Darin kauert ein kleines Mädchen und zittert am ganzen Leib. Es ist Ann Marie Holmes, wie sich herausstellt. Und sie ist unfähig, über das zu sprechen, was sie in der vergangenen Nacht im Haus gesehen hat, als der Tod sein Werk verrichtete.

_Mein Eindruck_

Natürlich hängt der Tod von Dave Carter, dem Drogen dealenden Barmann, mit dem von Steve Adams zusammen. Aber wie das genau erfolgt ist, das herauszufinden ist die Aufgabe von Chief Inspector Frank Jacobson. Zum Glück ist Jacobson sowohl ein gewiefter Bursche, der sich einen Fall nicht einfach durch die Drogenfahndung wegnehmen lässt, als auch ein energischer Fahnder, der seine Leute in alle Richtungen mit Nachdruck und Hartnäckigkeit ermitteln lässt. Von ihm könnte sich der behäbige Inspektor Barnaby noch ein Stück abschneiden, der im idyllischen Midsomer aufklärt.

|Familienvernichter|

Dass Jacobsons neuer Fall berührt, ist der Familientragödie um Steve Adams zu verdanken. Das Täterprofil entspricht dem des „Familienvernichters“: Wenn er schon selbst untergehen soll, dann soll auch seine Familie mit – und dran glauben. So ist es erst vor wenigen Wochen ganz real in England passierte, als der bankrotte Familienvater, ein Unternehmer, nicht nur sämtliche Angehörigen meuchelte, sondern auch die Haustiere nicht verschonte, um schließlich auch noch das Haus abzufackeln. So sollte seinen Gläubigern nichts mehr zu holen übrig bleiben.

|Bindeglied|

Im Fall Steve Adams sprechen jedoch einige Indizien und eine Zeugenaussage gegen die Vermutung, dass sich Adams auch selbst umbrachte. Der Täter ist das zweite Bindeglied zwischen dem Mord an Carter und dem an Adams. Das erste Bindeglied ist Ann Marie, die Tochter Sheryl Holmes‘. Die Genesung des Mädchens durch eine Expertin der psychologischen Betreuung ist wirklich anrührend. Erst durch Malen kann sich die wichtigste Zeugin ausdrücken. Zum Schrecken ihrer Mutter.

|Bad boys|

Diese Tragödie steht im krassen Gegensatz zu den frivolen Aktivitäten Charlie Taylors und seiner Freundin Lisa, von Florida Boy ganz zu schweigen. Hier wird ohne Fingerzeig deutlich gemacht, dass diese jungen Leute keine Hoffnung und keine Zukunft haben. Charlie hofft lediglich, noch ein paar Tage mehr in Freiheit bleiben zu können, bevor sie ihn schnappen. Er kann im Fernsehen zusehen, wie ihm die Bullen auf die Schliche kommen und sich nähern. Von einem „Getaway“ ist er jedoch weit entfernt. Hundertprozentig hat mich seine Figur nicht überzeugt: zu wenig Reflexion, zu wenig Energie. Und was er zusammen mit Lisa mit Florida Boy angestellt hat, wird zwar ganz am Schluss in einem der zahllosen inneren Monologe verraten, aber so ganz leuchtet es auch nicht ein. Warum sollte Lisa auf FB wütend sein?

|Der Sprecher|

Herbert Schäfer, den ich bislang nicht kannte, hat mich durch seine Vielseitigkeit in der stimmlichen Darstellung beeindruckt. Ihm gelingt es, sowohl weibliche wie männliche Figuren glaubhaft sprechen zu lassen, und zwar so, dass sie der Hörer leicht unterscheiden kann. So ist beispielsweise Lisa mit einer hohen Stimme versehen. Sie klingt zwar nicht wie Charleys Tante, ragt aber natürlich heraus, und man wartet schon aufs nächste Mal, dass sie wieder zu hören ist. Wesentlich glaubwürdiger ist die ungewöhnlich sanfte Stimme der Psychotherapeutin Burke, die Ann Marie betreut.

Ihr Gegenteil sind sicherlich die Tunichtgute Charlie, der Autoknacker, und Florida Boy, der labile Ausraster. Auch deren Auftraggeber Terry Shields klingt wie ein harter Bursche. Doch er beißt sich an Frank Jacobson die Zähne aus, der zudem noch viel Erfahrung mitbringt. So kann es der Chief Inspector locker nicht nur mit Typen wie Shields und Fliegengewichten wie Ray Walsh – ebenfalls eine tolle Charakterstimme – aufnehmen, sondern mit solchen aufgeblasenen Wichtigtuern wie seinem Chef DCS Greg Salter, der total arrogant und aalglatt daherkommt.

Der Abschuss ist sicherlich Alan Jones, der hochmütige Buchhalter des armen Steve Adams. Sehr interessant fand ich auch die Nebenfigur Peter Robinson (der Mann trägt den gleichen Namen wie ein erfolgreicher britischer Krimiautor). Der Pathologe wird durch seine besondere Redeweise zum Leben erweckt: Er stottert und stammelt, dass das, was er zu sagen hat, ganz besonders spannend wird. Es gibt noch andere Figuren, so etwa den mampfenden Kollegen Jacobson, der erstmal sein Mittagessen im Meeting runterwürgen muss – und währenddessen spricht. Kein schöner Klang.

Schäfer macht also auch noch aus den Nebenfiguren interessante Eindrücke. Erst so ergibt sich aus dem Gesamtbild der Figuren das Abbild einer sozialen Gemeinschaft. Und das ist genau das, was der Autor beabsichtigt hat (und was jedem Krimiautor am Herzen liegen sollte).

Geräusche und Musik gibt es nicht, weshalb ich darüber kein Wort zu verlieren brauche. Was mich jedoch geärgert hat, ist die Tatsache, dass nirgendwo auf dem Hörbuch die Längenangabe vermerkt ist. Neben dem Preis ist dies jedoch eine wichtige Größe, um das Verhältnis zwischen Preis und Leistung (= Länge der Aufnahme) abzuschätzen. Erst im Vergleich mit anderen Produkten anderer Verlage vermag der potenzielle Käufer dann dieses Preis-Leistungs-Verhältnis zu beurteilen. Wer solche Kenngrößen vorenthält, der stellt sich automatisch ins Zwielicht. Leider ist diese Unterlassungssünde bei |Hoffmann & Campe|-Hörbüchern Usus.

_Unterm Strich_

Es ist saubere Polizeiarbeit, die Jacobson den Fall aufklären lässt – so viel darf man auf jeden Fall erwarten. Dass auch in (erfundenen) Städten wie Crowby eine Zweiklassengesellschaft existiert, aber beide Klassen gleichermaßen vom Gleichmacher Heroin erfasst werden, hat man schon in Soderberghs Film „Traffic“ eindrucksvoll geschildert bekommen. Neu ist vielleicht die Botschaft , dass Drogen auch den englischen Alltag einer ländlichen Stadt längst durchdrungen haben. Und dass die Dealer nicht irgendwelche russischen Mafiosi sind, sondern brave britische Buchhalter. Etwas bizarr fand ich, dass eben dieser Buchhalter auch der Territorial Army angehört, die wohl der amerikanischen Nationalgarde entspricht, die ja auch nur eine bessere Miliz ist.

Vergleicht man Jacobsons effiziente Ermittlung, so erscheint die Flucht der Mörder Dave Carters zunehmend als überflüssiges Beiwerk, als eine Art „Getaway“-Szenario, komplett mit Gangsterliebchen Lisa. Klischeehafter geht’s nicht, aber das Leben entpuppt sich ja zunehmend als Abziehbild der Medien, so dass man schon bei manchen Szenen wie etwa einem Brand oder Autounfall allein beim Hinsehen ein Déjà-vu-Gefühl bekommt.

|Das Hörbuch|

Es kann aber auch sein, dass die Bearbeiter des Textes diesen so weit kürzten, dass die wichtigen Zwischentöne, die das Buch unverwechselbar machen, unter den Tisch fielen. Die zahlreichen inneren Monologe sind ein wichtiges Stilmittel, um die Motivation der Figuren zu verdeutlichen. In einer dramatischen Handlung dürfen sie jedoch nicht überhand nehmen, um keine Langeweile aufkommen zu lassen. In dieser Hinsicht ist das Hörbuch dem Buch unterlegen. Dies muss der Sprecher mit entsprechenden stimmlichen Mitteln des Vortrags jedoch auszugleichen wissen. In gewissen Maße gelingt dies Herbert Schäfer auf eindrucksvolle Weise.

|Originaltitel: Perfectly dead, 2003
Aus dem Englischen übersetzt von Werner Löcher-Lawrence
ca. 154 Minuten auf 2 CDs
ISBN-13: 978-3-455-30581-4|
http://www.hoca.de
http://www.dtv.de
http://www.crowby.co.uk

Edwardson, Åke/Ake – Segel aus Stein (Hörbuch)

_Im Macbeth-Land: Seestück für Geduldige_

Anonyme Briefe aus Schottland, ein verschwundener Mann und die Schatten der Vergangenheit: Als Kommissar Erik Winter sich auf die Suche nach dem Vater seiner Jugendliebe Johanna Osvald macht, ahnt er noch nicht, worauf er sich einlässt. Axel Osvald ist nach Schottland gereist, um das Rätsel um das Verschwinden seines Vaters John zu lösen. John, ein einfacher Fischer, gilt seit dem Zweiten Weltkrieg als verschollen. Doch auch Axel kehrt nicht zurück. Winter reist in die schottischen Highlands, und es wird eine Reise in die Abgründe der menschlichen Seele …

_Der Autor_

Åke Edwardson, Jahrgang 1953, lebt mit seiner Frau und zwei Töchtern in Göteborg. Bevor er sich dem Schreiben von Romanen widmete, arbeitete er als erfolgreicher Journalist u. a. im Auftrag der UNO im Nahen Osten, schrieb Sachbücher und unterrichtete an der Uni Göteborg „Creative Writing“. Er schrieb bislang zwölf Kriminalromane; zuletzt erschienen auf Deutsch „Segel aus Stein“ und [„Zimmer Nr. 10“ 2792 sowie „Rotes Meer“.

_Der Sprecher_

Boris Aljinovic, geboren 1967 in Berlin, war nach dem Schauspielstudium an der Hochschule „Ernst Busch“ am Berliner Renaissance-Theater und am Staatstheater Schwerin engagiert. Es folgten zahlreiche Rollen in Film und Fernsehen, so etwa 1999 in „Drei Chinesen mit dem Kontrabaß“ und 2004 in Otto Waalkes‘ Filmerfolg „Sieben Zwerge – Männer allein im Wald“. Seit 2001 spielt er den Kommissar Felix Stark an der Seiten von Dominic Raacke im Berliner „Tatort“. Der Schauspieler lebt in Berlin. Er liest eine gekürzte Fassung.

Regie führte Gabriele Kreis im |studio-wort|, Berlin Juni 2008.

_Handlung_

Ein alter Mann, den wir als schließlich als John Osvald kennenlernen, verbringt seine Tage in einem kleinen Fischerort an der schottischen Ostküste. Er lebt in einem abgelegenen Haus, geht täglich ins Pub, schaut sich die Gegend an, als warte er auf etwas. Doch in seiner Jackentasche steckt eine Pistole. Unentwegt fleht er bei sich: „Jesus, save my soul.“ Er ahnt, dass das Ende nah ist.

|Göteborg|

Der schreckliche G8-Gipfel in Göteborg ist vorüber, und so hat Kommissar Winter endlich wieder Zeit für seine Familie. Er fährt mit seiner Frau Angela und der vierjährigen Tochter Elsa an die Küste, wo sie sich ein Baugrundstück kaufen wollen. Aber im Polizeipräsidium wartet wieder Arbeit auf ihn. Johanna Osvald, um die vierzig wie er selbst, hat ein Anliegen. Sie war mal seine Jugendliebe in einem sehr schönen Sommer. Er kann ihr ihren Wunsch also nicht abschlagen.

Sie berichtet, dass ihr Großvater John Osvald im II. Weltkrieg als Fischer sein Auskommen in Schottland suchte, doch auf einer Fahrt anno 1940 sank sein Schiff. Man hielt ihn für tot. Aber vor zwei Wochen hat sie einen Brief aus Inverness in Schottland erhalten. Winter liest: „Things are not what they look like. John Osvald is not what he seems to be.“ Ein Absender fehlt. Vor zehn Tagen sei ihr Vater Axel Osvald nach Inverness gereist, um Nachforschungen anzustellen, doch seit vier Tagen habe sie keine Nachricht mehr von ihm. Sie befürchtet, dass ihrem Vater ein Unglück geschehen ist.

Winter ruft seinen Kollegen Steve MacDonald in London an. Der ist Schotte, ausgerechnet aus Inverness. MacDonald ruft seinen Kollegen Craig in Inverness an. Winter hat noch keinen Plan, aber er könnte sich vorstellen, zusammen mit MacDonald in Inverness nach den Osvalds zu suchen. Als Stützpunkt könnten sie Steves Schwester Eilidh, eine Juristin, nutzen. Doch zunächst besucht er Johanna und ihren fischenden Bruder Erik auf der Insel Donsö. Dort erfährt er einiges über das, woran Fischer und Seeleute glauben, wenn sie auf dem Meer sind. Wichtiger ist jedoch, was er über John Osvald und dessen Mannschaft im II. Weltkrieg erfährt. Möglicherweise umgibt den Untergang von Johns Schiff ein größeres Geheimnis, als man bislang dachte.

|Auf den Schären|

Es gab zwei Überlebende in Johns Mannschaft, die vom Untergang verschont wurden: Bertil Osvald ist schon tot, aber der alte Arne Algotson lebt noch, mit seiner Schwester Ella. Von ihm erfährt Winter, wo er am besten mit der Suche anfangen sollte: in Frazierburgh, nicht in Aberdeen oder Peterhead. Dort sei John Osvald oft an Land gegangen. Frans Karlsson, einer der Ertrunkenen, war Ellas Verlobter. Das Schiff wurde nie gefunden. Aber warum fuhren Arne und Bertil auf jener letzten Fahrt nicht mit? Diese Frage bleibt unbeantwortet, denn der alte Arne leidet unter Altersdemenz und singt statt einer Antwort nur „Bucky boys are back in town“. Er nennt leise einen Namen: Cullen. Winter findet den Ortsnamen im Atlas. Es ist morgens um vier Uhr dreißig.

Interpol ruft an. Es ist Kommissar Graig aus Inverness. Man hat Axel Osvald tot an einem See im Hochland gefunden. Er war nackt, seine Kleider waren über mehrere Meilen verstreut, wahrscheinlich starb er an einem Herzinfarkt durch Unterkühlung. Offenbar war er geistig verwirrt in Fort Augustus am Loch Ness aufgetaucht und habe Touristen angesprochen. Johanna fliegt sofort hin, um ihn zu identifizieren und nach Schweden zu bringen. Auch Graig sagte: „Things are not the way they look like.“ Wie in dem Brief des Unbekannten.

|Schottland|

Als Winter seine Frau fragt, ob sie sich eine Woche Urlaub in Schottland vorstellen könne, ist die ziemlich erstaunt. Winter schlägt vor, die kleine Elsa bei seiner Schwester Lotte unterzubringen, denn die lebe jetzt ganz allein. Angela kommt also mit nach Inverness. Dort treffen sie Steve MacDonald und dessen Frau Sarah. Während sich die Frauen die schönen Highlands und die Stadt Edinburgh ansehen, setzen sich die beiden Kriminaler auf die Fährte von Axel und John Osvald.

Der alte Mann geht wie immer täglich in den Pub, trinkt Bier und Whisky, schaut die Kellnerin an, die Touristen – Kontrollblicke. Dann fallen ihm die zwei Männer auf, die ebenfalls Kontrollblicke schweifen lassen. Er packt die Pistole in seiner Jackentasche fester …

_Mein Eindruck_

Wenn man Krimis mit Begriffen aus der Malerei bezeichnen dürfte, so würde ich diesem Buch das Etikett „Seestück“ aufkleben. Das Meer und seine Nutzer spielen eine zentrale Rolle: Es trennt und verbindet, es nährt und vernichtet. Die Geschichte besteht daher wie das marine Wetter fast nur aus Stimmungen, kaum aus Handlungen und Dialogen. Diese Stimmungen sind jedoch mit der Last der Vergangenheit aufgeladen, mit einer großen Schuld, die auf den Tätern und den Überlebenden lastet. Wer weiß, wie weit diese Schuld noch verteilt ist. Am Schluss müssen sich diese Spannungen jedoch entladen. Niemand ahnt, wen die gewaltsame Entladung treffen wird. (Und ich werde mich hüten, dies zu verraten.)

Kommissar Winter ahnt nicht, worauf er sich einlässt, als er seiner Jugendliebe hilft, ihren Vater und Großvater zu finden. Er muss sich auf das völlig Fremde einlassen, erst auf das Meer und seine Tücken und Bewohner, dann auf das fremde Land, das er nur von einer Studentenreise kennt. Noch unheimlicher ist jedoch die Vergangenheit, auf die er mit Steve stößt. Schmuggler trieben und treiben an der schottischen Küste ihr Unwesen, und im Krieg beförderten sie auch Waffen. Aber nicht etwa für die regulären Streitkräfte, sondern mitunter für schottische Widerstandsgruppen, die gegen die Engländer kämpften. Ein höchst riskantes Geschäft, auf das sich auch die Schweden um John Osvald einließen.

Während Winter und MacDonald in Schottland dem Krümelpfad der Hinweise folgen, machen sie sich – und nicht zuletzt uns – vertraut mit dem Land und seinen Bewohnern. Die Highlands – da gibt es guten Whisky, und an der See, da gibt es leckere Seafood-Gerichte, unter anderem Cullen Skink, eine Fischsuppe. Wie mit allen Dingen sind auch damit Schicksale verbunden. Winter denkt wiederholt an Shakespeares „Macbeth“, an Orten wie Cawdor und Macduff kommt er sogar vorbei. Ist John Osvald so etwas wie Banquos Geist, der seinem Sohn Axel nachging und das Leben aussaugte?

Manche Schicksale sind auf Fotos aus der Vergangenheit dokumentiert, viele nicht. Eines dieser Fotos aus dem Jahr 1945 oder 46 zeigt John Osvald im Profil. Und zum Glück erinnert sich Winters Unterbewusstsein an dieses Foto, bevor sie das Land wieder verlassen. Dieses Tor zur Vergangenheit gewährt Zutritt zum Finale.

|Der Sprecher|

Dass Boris Aljinovic einen „Tatort“-Kommissar spielt, gereicht ihm in vielerlei Hinsicht zum Vorteil. Die Aufgabe, die verschiedenen Figuren stimmlich und sprachlich auf erkennbare Weise zu charakterisieren, bewältigt der Sprecher mit Bravour – ohne sich jedoch zu Karikaturen hinreißen zu lassen. Ich bewundere, wie es ihm gelingt, die einzelnen Figuren auseinanderzuhalten und stets die gleiche Ausdrucksweise für die jeweilige Figur zu finden.

Winter hat stets die gleiche tiefe, ruhige Stimme und langsame Ausdrucksweise, doch in der Ruhe liegt die Kraft. Steve MacDonald ist im Vergleich dazu etwas lebhafter. Man kann sich leicht vorstellen, dass Winter mit MacDonald und Graig englisch spricht. Der Sprecher hat mit Englisch überhaupt kein Problem. Er kann sogar Englisch mit schottischem Akzent sprechen.

Die Frauen haben stets die gleiche höhere Stimmlage, so dass man sie leicht von den männlichen Figuren unterscheiden kann. Und die Alten, von denen es natürlich im Rahmen der Vergangenheitsbewältigung eine Menge gibt, treten stets mit einem gewissen Krächzen auf – tief bei einem Mann, höher bei einer Frau.

Womit sich der Hörer als Erstes auseinandersetzen muss, ist jedoch die ruhige Sprechweise, die Aljinovic dem Erzähler gegeben hat. Auch der Erzähler ist so nordisch ruhig und langsam wie Erik Winter. Das zwingt den Hörer dazu, ebenfalls Geduld zu haben und sich in die Stimmung einzufühlen. Oder er lässt es frustriert bleiben und wählt ein anderes Hörbuch.

_Unterm Strich_

Dieses Buch unterscheidet sich deutlich von anderen Edwardson-Romanen wie etwa dem ausgezeichneten [„Rotes Meer“ 5192 oder „Zimmer Nr. 10“. Es ist sehr langsam, bietet keinerlei Action außer im Finale und verlässt sich stark auf Stimmungen. Wer nun neugierig darauf wartet, was sich denn an Bord der „Marino“, John Osvalds Schiff, vor ihrem Untergang zugetragen hat, der wird a) wenig erfahren und ist b) sowieso auf dem Holzweg.

Denn es geht ja nicht um Aufklärung des Untergangs, sondern um die des Todes von Axel Osvald und aller Rätsel, die damit zusammenhängen. Wer war beispielsweise der Absender jenes Briefes an Johanna, der Axels Reise ausgelöst hat? Wenigstens dies kann Winter herausfinden – mit einer faustdicken Überraschung. Nichts ist ja, wie es zu sein scheint. Und dieser Zustand muss beendet werden, um die Lebenslüge John Osvalds zu einem Ende zu bringen, auf welche Weise auch immer. Dies bedeutet auch die Bewältigung des Krieges und seiner Nachgeschichte. Deshalb endet die Geschichte auf einer heiteren Note, die hoffen lässt.

|Das Hörbuch|

Stimmungen sind in einem Hörbuch leider schwer herzustellen. Darüber sollte sich der Hörer im Klaren sein und nicht etwa auf signifikante Schritte einer Ermittlung hoffen, wie man sie von Arne Dahls A-Gruppe kennt. Vielmehr fühlt sich Erik Winter erst in die Familie Osvald ein und dann in die schottische Umgebung und Kultur. Das ist ein langsamer Prozess, der sich hinzieht. Vielleicht ist das Hörbuch deshalb weniger für ungeduldige Zuhörer geeignet als für Leute, die Zeit mitbringen. Ja, die es sich sogar zweimal anhören würden. Auch die „Entdeckung der Langsamkeit“ will geübt sein.

Sie ist mir leider nicht gelungen, sondern ich bin fast dabei eingeschlafen. Immerhin ist die letzte CD die ereignisreichste, und man sollte dabei genau hinhören, was vor sich geht.

|Originaltitel: Segel av sten, 2002
Aus dem Schwedischen übersetzt von Angelika Kutsch
403 Minuten auf 6 CDs
ISBN-13: 978-3-89903-418-9|
http://www.hoerbuch-hamburg.de
http://www.akeedwardson.se

Stein, Garth – Enzo. Die Kunst, ein Mensch zu sein

Es mag auf den ersten Blick albern anmuten, dass Garth Stein in seinem Roman „Enzo. Die Kunst, ein Mensch zu sein“ einen Hund als Ich-Erzähler auftreten lässt. Doch das kann eigentlich nur derjenige behaupten, der sich nicht näher mit dem Buch befasst hat. Denn wer genauer hinschaut, der muss schnell einsehen, dass der vierbeinige Ich-Erzähler ein äußerst raffinierter Zug des Autors ist – und das nicht nur, weil Enzo genau der treue und liebe Weggefährte ist, den sich jeder Hundefreund wünscht …

Enzo lebt mit Herrchen Denny in Seattle und ist mit seinem Leben eigentlich sehr zufrieden. Nach dem, was er im Fernsehen gesehen hat, ist er sich sicher, dass er in seinem nächsten Leben ein Mensch sein wird, und so beobachtet Enzo die Welt um sich herum ganz genau – schließlich hat er noch eine Menge zu lernen.

Herrchen Denny ist ihm da ein guter Lehrmeister. Er ist Rennfahrer und auf bestem Wege, ein Profi zu werden, und vom Rennsport kann auch Enzo eine Menge über das Leben lernen. Ihrer beider Leben verändert sich mit dem Auftauchen von Eve. Enzo weiß, dass Eve für Denny zu wichtig ist, als dass er eifersüchtig auf sie sein sollte, und so lernt er, Eve zu akzeptieren. Eve und Denny heiraten und das Glück ist perfekt, als die kleine Zoë geboren wird.

Doch schon bald legt sich ein dunkler Schatten auf das Familienglück und ihnen allen stehen harte Zeiten bevor. Enzo würde gerne seinen Beitrag leisten, aber da ihm nur die einfachsten Gesten bleiben, kann er sich nicht verständlich machen. Und so muss er zuschauen, wie das Familienglück dahinbröckelt …

Ein Hund als Ich-Erzähler ist für sich genommen schon mal ungewöhnlich, denn eine solche Entscheidung ist immer auch eine Gratwanderung. Schnell kann eine Geschichte auf diese Weise ins Lächerliche abgleiten, weil die Art und Weise der Hauptfigur einfach albern wirkt. Nicht so bei „Enzo“. Garth Stein gelingt das Kunststück, uns einen Hund als Protagonisten vorzusetzen, der zu keinem Zeitpunkt albern wirkt. Enzo ist ein ernstzunehmender Protagonist und ein wahrer Philosoph auf vier Pfoten.

Stein nutzt Enzos Perspektiven, um menschliche Verhaltensweisen aus einem verschobenen Blickwinkel zu betrachten. Enzo beobachtet, kommentiert und lernt. Und als philosophische Spiegelfläche muss immer wieder der Rennsport herhalten, der nicht nur Denny begeistert, sondern seinen Hund gleichermaßen. Immer wieder zieht Stein Vergleiche anhand exemplarischer Beispiele aus dem Rennsport, und so muss auch Enzo mit der Zeit begreifen, dass ein Rennen nie in der ersten Kurven gewonnen wird, dort aber durchaus verloren werden kann.

So entsteht eine Geschichte, die einen wunderbaren Tiefgang beweist. Enzo als Ich-Erzähler läuft damit zu keinem Zeitpunkt Gefahr, lächerlich zu wirken, vielmehr ist er der staunende Außenstehende, welcher der Geschichte durch seine Versuche, die Menschen zu verstehen, eine wunderbare Wärme und Tiefe verleiht.

Was Denny an Schicksal ertragen muss, ist allerhand und schon fast ein bisschen viel des Guten. Doch Denny ist ein Kämpfer und Enzo steht ihm dabei zur Seite – auf seine ganz eigene Art. „Enzo. Die Kunst ein Mensch zu sein“ ist eine Geschichte voller Tragik. Enzos Perspektive sorgt dabei aber auch immer wieder für humorvolle Momente, denn nicht selten ist es gerade das Verhalten des Hundes, das zum Schmunzeln anregt.

Und so entwickelt sich „Enzo. Die Kunst, ein Mensch zu sein“ zu einem Wechselbad der Gefühle und zu einer Geschichte, die weit mehr Tiefgang entwickelt, als man ihr anfänglich zutrauen möchte. Durch Enzos Beobachtungen lernt auch der Leser/Hörer eine Menge über die Menschen – über Freundschaft, Liebe und Verantwortung und darüber, wie man auch im Leben nicht gleich in der ersten Kurve aus dem Rennen fliegt.

Das Konzept von „Enzo. Die Kunst, ein Mensch zu sein“ wirkt so einfach und funktioniert dabei so wunderbar. Man kommt nicht umhin, am Ende zugeben zu müssen, dass „Enzo“ ganz tief zu rühren vermag, und so muss man sich im Finale dann auch mal die eine oder andere Träne wegdrücken.

Seinen Beitrag zum Gelingen des Hörbuchs aus dem |Argon|-Verlag steuert auch Helmut Krauss bei, seines Zeichen Synchronsprecher von Marlon Brando, John Goodman und Samuel L. Jackson. Seine raue, tiefe Stimme passt wunderbar zu Enzo und verleiht der Geschichte zusätzliche Wärme und Tiefe.

Insgesamt bleibt damit ein sehr positiver Eindruck zurück. Eine wunderbar warmherzige Geschichte, die so einfach und doch voller Intensität erzählt wird. Ein sympathischer Titelheld, den nicht nur Hundeliebhaber schnell ins Herz schließen dürften, und ein Plot, der unter die Haut geht. Enzo, den Philosophen auf vier Pfoten, muss man einfach mögen. Und so kommt unterm Strich eine uneingeschränkte Empfehlung dabei heraus, insbesondere auch für das von Helmut Krauss so wunderbar gelesene Hörbuch.

|Originaltitel: The Art of Racing in the Rain
Aus dem Amerikanischen von Werner Löcher-Lawrence
314 Minuten auf 4 CDs
ISBN-13: 978-3-86610-557-7
gebundene Ausgabe bei Droemer, 2008|
http://www.argon-verlag.de

P. J. Tracy – Spiel unter Freunden

Rasant & beklemmend: Mörderhatz in Minneapolis

„Monkeewrench“ nennt sich die auf charmante Weise verrückte Fünfergruppe, die in einem Loft in einem abgelegenen Lagerhaus Computerspiele entwickelt. Gerade haben sie ihr neuestes Werk „Fang den Serienkiller“ für den Testbetrieb ins Internet gestellt. Doch ein Spieler dort draußen lässt die Morde detailgetreu und äußerst grausam Wirklichkeit werden.

Die Cops in Minneapolis und im verschlafenen Wisconsin erfahren: Das Spiel hat 20 Levels, und die Zeit drängt. In einem furiosen Showdown zeigt das Böse schließlich sein Gesicht. Und es war die ganze Zeit über beängstigend nah … (Verlagsinfo)

P. J. Tracy – Spiel unter Freunden weiterlesen

Dark, Jason / Gödde, Marcell – Hexerin, Die (Folge 1)

_Inhalt:_

Scotland-Yard-Ermittler Mason Flint steht vor einem Rätsel: Insgesamt fünf Tote wurden in London gefunden, die keinen Tropfen Blut mehr in den Adern hatten und mit einer silbernen Hutnadel gepfählt wurden. Flint glaubt nicht an Vampire, doch bald muss er umdenken, als seine Freundin Frenchy mit einem posthypnotischen Befehl gezwungen wird, ihn zu töten. Kurz darauf verschwindet sie spurlos. Flint verfolgt die Spur unterdessen bis zur amerikanischen Botschaft, und schon bald muss der Sonderermittler feststellen, dass seine Gegnerin übermächtig ist …

_Meine Meinung:_

Nun ist auch Jason Darks neueste Horror-Serie als Hörspiel erhältlich. „Die Hexerin“ ist Trash pur und bildet ein buntes Potpourri aus den unterschiedlichsten Grusel-Klischees der Heftromanliteratur. Allein der Titel erinnert bereits an Wolfgang Hohlbeins Lovecraft-Hommage „Der Hexer“ aus diesem Genre. Der wenig originelle Name der Titelheldin, Doriana Gray, ist natürlich an Oscar Wildes berühmte Romanfigur angelehnt, woraus der Autor auch nie einen Hehl gemacht hat. Interessant ist allerdings, dass Doriana in dieser Folge die Seite des Bösen verkörpert und die Gegenspielerin des Helden Mason Flint ist. Ein wenig erinnert das Gespann an Dorian Hunter und Coco Zamis, beziehungsweise an Mike Hunter und Damona King.

Trotzdem die Vorlage als Taschenbuch im |Mira|-Verlag publiziert wurde, bewegt sich das Niveau der Bücher auf Heftromanlevel und dient lediglich der schnellen Unterhaltung – also die besten Voraussetzungen für eine temporeiche Hörspielserie. Leider machte es sich der Drehbuchautor Marcell Gödde sehr einfach und kürzte das Buch lediglich um einige überflüssige Passagen, übernahm allerdings die Dialoge zum Teil eins-zu-eins aus der Romanvorlage. Da Jason Darks aktuelle Werke immer wieder durch abgehackte, unnatürliche Gespräche glänzen, wirkt auch das Hörspiel oft unfreiwillig komisch – vor allem, weil viele Handlungen der Figuren von diesen im Selbstgespräch erläutert werden. So würde kein normaler Mensch reden, und irgendwie erinnern diese Szenen an die alten |John Sinclair|-Hörspiele aus dem |Tonstudio Braun|.

Dabei erledigt das Gros der meist unbekannten Sprecher seinen Job sehr gut. Vor allem Suzan Erentok als Doriana und Michael-Che Koch als Mason Flint geben glaubhafte Darstellungen ihrer Charaktere ab, und auch Bodo Primus ist als Erzähler eine gute Wahl gewesen. Außerdem hat sich |Cocomico| ein Beispiel an |WortArt| genommen und dem Verfasser der Romane, Jason Dark, ebenfalls einen kleinen Auftritt verschafft. In diesem Fall darf der |John Sinclair|-Erfinder mit seinem harten Ruhrpott-Akzent einen Türsteher mimen, was ihm auch leidlich gut gelingt. Die Musik von Andy Muhlack ist wirklich gelungen und passt gut zur jeweiligen Szenerie. Die Effekte scheinen aus einer professionellen Datenbank zu stammen und wirken sehr authentisch.

Leider ist die Story wirklich trashig und bar jeglicher Innovation. Dark versucht krampfhaft, mit aufgesetzter, peinlich naiver Erotik zu punkten, die sich in unbeholfenen Beschreibungen und der Verwendung von Kraftausdrücken erschöpft. Die Charaktere wirken wie am Fließband entwickelt und werden auf Äußerlichkeiten reduziert. Mason Flint ist der typische Alleskönner mit einem blendenden Aussehen, und die Beschreibung seiner Gespielin erschöpft sich in der Aussage, dass sie aussehe wie die junge Sharon Stone. Dafür gelingt es Dark zum Ende hin, mit einigen Überraschungen zu punkten, und der Cliffhanger macht trotz aller Mängel Lust auf den zweiten Teil. Unterm Strich bekommt der Hörspielfan eine typische Jason-Dark-Story präsentiert, die klingt, als ob ein Hörspiel des |Tonstudios Braun| (Dialoge und Skript) mit einem |WortArt|-Produkt (Musik und Effekte) verschmolzen ist.

Die Titelillustration von Emil Bartlomiejczak ist wirklich gut gelungen und übertrifft das Taschenbuchcover bei weitem. Der Zwiespalt der Titelfigur wird plastisch dargestellt und die düstere Farbgebung passt besser zur Story als das doch recht bunt geratene Bild auf dem Roman.

_Fazit:_

„Die Hexerin“ ist das neueste Produkt des Fließbandautors Jason Dark als anspruchsloser Gruseltrash zum Hören. Gute Sprecher, hervorragende Effekte und eine klangvolle Musik können nur unzureichend das schwache Skript kompensieren. Das Finale legt aber dramaturgisch noch mal zu und macht trotz einiger Schwächen Lust auf den zweiten Teil.

_Die Sprecher:_

Doriana Gray: Suzan Erentok
Mason Flint: Michael-Che Koch
Frenchy Davis: Annika Wichmann
Sprecher: Bodo Primus
Inquisitor: Kai Helm
Kincaid: Reinhard Schulat-Rademacher
Rymer: Frank Bahrenberg
Horseman: Holger Schulz
Bancroft: Thomas Linden
Hill: Oliver Dollansky
Eve Darling: Sarah Podransky
Edwin Sharp: Benjamin Werres
Mike Burton: Malcolm Walgate
Ray Garland: Jens-Peter Fiedler
Victor Flemming: Karl-Heinz Zmugg
Elmar Jackson und Türsteher: Jason Dark
Penner: Marcell Gödde

|64 Minuten auf 1 CD
Titelillustration/Titelgestaltung von Emil Bartlomiejczak
ISBN-10: 3-89941-598-1
ISBN-13: 978-3-89941-598-8|
http://www.cocomico-mystery.de
MIRA Taschenbuch

_Florian Hilleberg_

Guthrie, Allan – Abschied ohne Küsse (Hörbuch: Hard Case Crime)

_Knallharter Schottenkrimi_

Als seine Tochter tot aufgefunden wird, ist der Geldeintreiber Joe Hope nicht mehr aufzuhalten. Er wird die Mörder finden – auch wenn er dafür jeden verdächtigen muss, dem er bisher getraut hat. Doch dann wird Hope selbst zum Verdächtigen … (Verlagsinfo)

_Der Autor_

Allan Guthrie ist Autor und Literaturagent. Für seine Kriminalromane wurde er bereits vielfach ausgezeichnet, „Abschied ohne Küsse“ war 2005 sein Debüt. Guthrie lebt mit seiner Frau Donna in Edinburgh, Schottland. (Verlagsinfo)

_Der Sprecher_

Reiner Schöne lebte lange in Hollywood und drehte dort mit Filmgrößen wie Client Eastwood und Lee van Cleef. Der Schauspieler, Synchronsprecher und Sänger mit der tiefen, markanten Stimme trägt die passende raue Note bei. (abgewandelte Verlagsinfo)

Regie führte Thomas Wolff. Die Buchvorlage erschien 2008 bei |Rotbuch|.

_Handlung_

Im schönen Edinburgh treibt Cooper als Kredithai sein Unwesen, und Joe Hope ist sein Geldeintreiber. Joes bevorzugtes Schlaginstrument, mit dem er Coopers Ansprüche anschaulich durchsetzt, ist sein Baseballschläger. Natürlich ist er als Schotte keineswegs ein Baseballfan, aber nichtsdestotrotz hat er diesen Schläger. Und dass er ihn effektvoll einzusetzen weiß, kann Billy Strachan bezeugen, der jetzt mit einigen gebrochenen Knochen im Krankenhaus liegt.

Nach diesem harten Job kehren Joe und Cooper in einer Bar. Coopers 17-jährige Freundin Sally, die Mutter seines Sohnes Gary, ist nicht da. Joe schaltet sein Handy ein: 16 nicht abgehörte Nachrichten. Er ruft seine Frau Ruth an. Sie heult etwas Hysterisches in den Hörer von wegen, Gem sei tot. Er legt sofort auf. Was soll der Scheiß, fragt sich Joe. Gemma, seine 19-jährige Tochter, ist längst ausgezogen, um sich auf den stürmischen Orkney-Inseln einem Typen namens Adam Wright anzuschließen, der eine Schriftstellerpension führt. Wie soll dort Gemma irgendetwas passieren können?

Ruth betrügt Joe schon seit langem mit einem Studenten, weiß er, und deshalb steht es um ihre Ehe nicht gerade zum Besten. Kaum hat ihm Ruth gesagt, Gem habe sich umgebracht, fährt er zu seiner eigenen Freundin Tina, einer Prostituierten und Kampfsportlehrerin. Er schläft nie mit ihr, gibt ihr bloß Geld fürs Zusammensein -obwohl sie nicht abgeneigt wäre und ihn mit Streicheleinheiten für das Geschenk von 1000 Pfund belohnt. Nach einem Zwischenstopp bei Ruth übernachtet er bei Cooper und dessen Familie.

Am nächsten Morgen ruft ihn Adam Wright, um ihn wüst zu beschimpfen, doch Joe, ein harter Kerl, der sich nichts bieten lässt, zahlt es ihm heim. Er packt seine Sachen – Ruth ist nicht daheim – und fliegt auf die Orkneys. Kaum betritt er Adams Haus, das merkwürdig dunkel ist, wird Joe von zwei Seiten in die Mangel genommen: Die Polizei nimmt ihn fest. Wegen Mordes an seiner Frau Ruth. Joe ist perplex. Doch die Bullen können ihn mal kreuzweise, und in der Auseinandersetzung mit Detective Sergeant Monkman kriegt Joe ein paar heftige Stiefltritte in die Rippen. Das macht ihn nicht unbedingt kooperationsbereiter. Sie fliegen ihn zurück nach Edinburgh.

Joe ruft Cooper an, der ihn brüllend fragt, warum er den Mord begangen hat, was Joe natürlich abstreitet. Cooper besorgt ihm einen jungen Schnösel von Anwalt, Ronald Brewer. Aber Brewer hat mehr drauf, als Joe glauben würde. Und weil Tina Joe ein Alibi gibt, kann Brewer ihn rausholen. Tina ist von Cooper und dessen Gentleman-Auftragsmörder Parke unmissverständlich und für die fürstliche Summe von 10.000 Pfund „gebeten“ worden, Joe das Alibi zu geben. Wenn das auffliegt, wird sie wegen Meineid belangt.

Wieder auf freiem Fuß, kann Joe mit Brewers und Tinas Hilfe endlich versuchen, den wahren Mörder seiner Frau zu finden. Und natürlich Vergeltung zu üben. Doch er hat keinen konkreten Verdacht, bis ihm Adam Wright unverhofft ein brisantes Dokument in die Hand drückt: Gemmas privates Tagebuch. Und was Gemma über einen gewissen „Daddy“ schreibt, den sie nicht verraten dürfte, obwohl er sie vergewaltigte, treibt Joe zur Weißglut. Denn es kann nur einen Mann geben, der sich diesen Ehrentitel anmaßen darf …

_Mein Eindruck_

Nach einem langsamen Start, der uns Joe Hope, den gescheiterten Lehrer, vorstellt und mit ihm sein detailliert geschildertes Alibi, kommt die Geschichte nach dem ersten Drittel richtig in Fahrt. Joe ist auf freiem Fuß, misstrauisch verfolgt und beschnüffelt von den Bullen, ebenso misstrauisch beschattet von Cooper und dessen Leuten. Es sieht nicht gut aus für Joes Alibi, trotz der erstaunlich loyalen Tina, die in ihm ihren Helden sieht, aber auch auf ihren Vorteil bedacht ist.

Das Schicksal beutelt Joe, den |ordinary guy|, doch er ist hart im Nehmen und ebenso hart im Austeilen. In dieser Lage erweist es sich, ob ein Mann wirklich Freunde hat – oder nur Speichellecker. Wenn Tina sich erfreulicherweise auf seine Seite stellt, so ist Joe umso mehr überrascht, dass sich der Junganwalt Ronald Brewer auf seine Seite stellt. Noch mehr ist er verblüfft, dass sich ausgerechnet Adam Wright, der ihm seine Tochter abspenstig gemacht hat, wie Joe glaubt, anerbietig macht, Gemmas Vergewaltiger zu finden und Joe zu helfen.

Allerdings weiß Joe nur zu genau, dass diese „Zivilisten“ nichts gegen die Feuerkraft der Gegenseite ausrichten können, und geht einen Pakt mit dem Teufel ein: Er schließt einen Deal mit Coopers Auftragsmörder Parke. Doch auf welche Seite wird sich Parke stellen, wenn es hart auf hart kommt? Wem gehört des Teufels Loyalität? Nur ihm selbst. Das sollte Joe eigentlich wissen.

An den Mann, den er unbedingt haben will, kommt Joe aber nicht heran, denn die Bullen beschatten ihn schon. Deshalb muss sich der trauernde und wütende Joe den rauchenden Schädel zerbrechen, wie an den Gegner heranzukommen ist. Glücklicherweise kann er auf drei Helfer zurückgreifen, die eine Falle aufstellen, in der sich die Beute fangen soll. Doch als es in einer ehemaligen Kirche zum Showdown kommt, fallen die Würfel nicht ganz so, wie Joe es geplant hat. Denn der Gegner wartet mit Enthüllungen auf, deren Ungeheuerlichkeiten Joe ins Wanken bringen …

|Das andere Edinburgh|

Wer einmal wie ich in Edinburgh, der Hauptstadt Schottlands, gewesen ist, der ahnt vielleicht, dass sich die alte keltische Gründung im Laufe der Jahrhunderte nicht bloß die Schokoladenseite auf der Princes Street zugelegt hat, sondern auch eine dunkle Hinterhofpersönlichkeit besitzt, der man nicht im Dunkeln begegnen möchte. Dort treiben sich hartgesottene Halunken wie Cooper und Hope herum. Sie haben einen harten Schlag drauf und lassen sich keinen Scheiß bieten, erst recht nicht von den Bullen. Ich bin selbst 1984 mit einem angetrunkenen Schotten aneinandergeraten und weiß, wovon ich rede. Man sollte es sich zweimal überlegen, bevor man sich mit so einem Typen einlässt. Bullen dagegen haben keine Wahl.

|Ringen um eine gute Seele|

Joe Hopes Seele ist, metaphysisch gesehen, ein Kriegsschauplatz zwischen Gut und Böse. Von seinen Lehrerträumen ist nichts übrig geblieben, als Ruth mit Gemma schwanger wurde und er sich einen lukrativeren Job suchen musste, um eine Familie zu ernähren. Geldeintreiben? Easy money! Doch Leute umzulegen, ist eine ganz Nummer schlimmer, und davor versuchen ihn die Schutzengel Tina, Adam und Brewer zu bewahren. Joes Teufelspakt ist ihren Bemühungen, ihn von der schiefen Bahn abzubringen, nicht gerade förderlich. Prompt sieht er sich denn auch verraten. Wie passend, dass der Showdown mit Satan in einer ehemaligen Kirche stattfindet. Nicht nur wegen der hübschen Beleuchtung.

|Schläge unter die Gürtellinie|

Der Autor versteht sein Handwerk. Er überrascht den Leser – und Joe – des Öfteren aus dem Hinterhalt, um ihm die volle Dröhnung zu verpassen. Als wolle er ihn am Schlafittchen packen und ihm eindreschen: „Dies ist das echte Leben, Kumpel!“ Dass sein Held Joe ausgerechnet „Hoffnung“ heißt und das Finale in der Kirche stattfindet, ist möglicherweise auf das traditionell protestantische geistige Umfeld des Autors zurückzuführen.

Im Widerspruch dazu steht jedoch scheinbar, dass die Figuren, die er vorstellt, der Selbstzerstörung nahe sind, als hätten sie jede Hoffnung verloren. Die Krönung ist die Enthüllung von der Vergewaltigung Gemmas durch ihren eigenen Vater – wer auch immer das nun eigentlich sein mag. Der Autor teilt Schläge aus, und manche landen wie dieser unter der Gürtellinie.

|Der Sprecher|

Reiner Schöne war schon vor 30 Jahren in den Hörspielen des |Bayerischen Rundfunks| zu hören, so etwa in der Titelrolle als Paul Cox. Seine Stimme ist „männlich herb“, tief und etwas rau, also genau richtig für ein kriminelles Milieu, in dem die Sitten ebenso rau sind. Er kann heiser auflachen, aufgebracht aufschreien, und zwar sowohl in einer männlichen wie einer weiblichen Rolle. Die Figuren zeichnet er in all ihrer Lautstärke und Emotionalität, lässt sie rufen, brüllen, schniefen, lachen und flüstern.

Für die Charakterisierung der Figuren steht ihm allerdings nur ein begrenztes Instrumentarium zur Verfügung. Die Charakterisierung erfolgt eher durch Situationen und Emotionen, die eine entsprechende Ausdrucksweise, wie oben aufgelistet, erfordert. Einmal verleiht er einem Spanier einen entsprechenden Akzent.

Schöne eignet sich mit seinem harten Image auch ausgezeichnet für die nicht gerade höfliche oder gar politisch korrekte Ausdrucksweise der Figuren. Dass sie vom Ficken reden, als wäre es Wassertrinken, ist eh klar. Es ist aber auch vom Mösenschnorcheln („muff diving“) die Rede, was eine volkstümliche Umschreibung des Cunnilingus ist. Der Hörer muss auf derlei Ausdrücke stets gefasst sein, und zwar in der ganzen Hard-Case-Reihe.

_Unterm Strich_

Der Anti-Held Joe Hope ist ein Bursche, der es einem nicht leicht macht, ihn zu mögen: hart im Austeilen, aber auch im Nehmen, und stets auf Kriegsfuß mit der behelmten Obrigkeit und Jung-Anwälten, die für ihn nur ahnungslose Schnösel sind. Zum schönen Geschlecht hat er ein zwiespältiges Verhältnis. Er liebt seine Tochter ebenso wie seine platonische Prostituierten-Geliebte, doch von seiner Frau Ruth ist er schwer enttäuscht, und nicht nur weil sie ihn mit einem jungen Studenten betrügt. Was bleibt einem Mann dann noch, wenn er fälschlich des Mordes angeklagt wird?

Die Story beginnt langsam, steigert sich dann aber über mehrere Stationen hin zu einem fulminanten Showdown, der dem Helden etliche Tiefschläge versetzt – und uns natürlich ebenso. Der Autor präsentiert ein ungeschminktes Gesicht der Königin des britischen Nordens, eines, das Inspektor Rebus des ungleich populäreren Ian Rankin wohl nur selten zu Gesicht bekommt. Höchste Zeit, dass Rankin seinen Inspektor in Rente schickt.

|Das Hörbuch|

Reiner Schöne zuckt mit keiner Wimper, wen sich seine Figuren gegenseitig die Visage demolieren oder sich Unflätigkeiten an den Kopf werfen. Es ist nicht seine Aufgabe, sich einzumischen, wenn die schlimmsten Sünden ans Tageslicht gezerrt werden: Vergewaltigung, Inzest und dergleichen mehr. Aber es ist sehr wohl seine Aufgabe, sich ins Zeug zu legen, um die Figuren zum Leben zu erwecken. Das gelingt ihm auf glaubhafte und konsistente Weise, so dass wir auf weitere erstklassige Hard-Case-Crime-Krimis hoffen dürfen.

|Originaltitel: Kiss her goodbye, 2005
Aus dem Englischen übersetzt von Gerold Hens
301 Minuten auf 4 CDs
ISBN-13: 978-3-86610-454-9|
http://www.argon-verlag.de
http://www.rotbuch.de