Archiv der Kategorie: Fantasy / Science-Fiction

Nuyen, Jenny-Mai – Rabenmond – Der magische Bund

Mion ist ein Ruinenkind, zerlumpt, hungrig und mit einem Kopf voller Träume von einem besseren Leben. Doch als sie eines Tages mit Pfeil und Bogen auf einen Fuchs schießt, der gar kein Fuchs ist, scheinen ihre Träume jäh zu einem frühen Ende verdammt. Da taucht ein seltsamer Fremder auf, der ihr Rettung anbietet. Aber bedeutet dieses Angebot wirklich Mions Rettung?

Lyrian ist der Sohn des Kaisers. Das hat ihm noch nie besonders gefallen, aber seit der letzten Nacht der Wintersonnwende hat er beschlossen zu fliehen. Seine Freundin Baltipp, die Tochter des Tierpflegers der kaiserlichen Gärten, begleitet ihn. Tatsächlich schaffen sie es bis über das Mitternachtgebirge. Doch dann zeigt sich, dass sie von ihrer Richtung abgewichen sind, mit fatalen Folgen …

Getragen wird die Geschichte hauptsächlich von vier Personen. Mion mag aufgrund der Härten ihrer Kindheit eine raue Schale haben. Sie ist anpassungsfähig, zäh und kann ganz kräftig austeilen. Außerdem spielt sie regelmäßig ein ziemlich hartes Spiel namens Ritus. Aber sie hat einen weichen Kern. Sie hängt sehr an ihrem kleinen Bruder Mirim, und der Schuss auf den Fuchs tut ihr bereits leid, kaum dass sie den Pfeil losgelassen hat. Wie alle Menschen in Elend und Armut träumt sie von einem besseren Leben, doch Mion ist außerdem entschlossen genug, für diesen Traum auch etwas zu riskieren, als sich ihr eine Chance bietet. Diese Mischung aus Rücksichtslosigkeit, Ehrgeiz, Mitgefühl und Sehnsucht wird ihr schließlich zum Verhängnis.

Lyrian ist ähnlich hin- und hergerissen. Auch er besitzt ein freundliches, mitfühlendes Herz, er ist sich seiner Verantwortung als Thronfolger bewusst und voller guter Vorsätze. Leider lässt sich das nicht ohne Weiteres mit dem in Einklang bringen, was seine Eltern und der Adel von ihm erwarten. Die Vorstellungen der Herrschenden darüber, wie ein Kaiser und seine Regierung zu sein haben, laufen Lyrians Denken und Fühlen massiv zuwider. Und sein vages Gefühl, dass da etwas fürchterlich falsch läuft, reicht nicht aus, um den Forderungen seiner Umgebung erfolgreich zu begegnen.

Baltipp ist noch weit weniger geneigt, die herrschende Weltanschauung infrage zu stellen. Für sie sind nur drei Dinge wichtig: ihr Vater, die Tiere, um die sie sich kümmert, und Lyrian. Sie ist weder besonders hübsch noch besonders klug, aber sie ist sehr, sehr treu. Nicht, dass sie sich ernsthafte Hoffnungen machen würde, was Lyrian angeht. Sie ist sich durchaus ihrer Stellung bewusst und zufrieden mit seiner Freundschaft. Andererseits duldet ihre Anhänglichkeit aber auch nicht, dass er sich von ihr entfernt. Als Lyrian sich in ein anderes Mädchen verliebt, ist Baltipp überfordert.

Der rätselhafte, geheimnisvolle Charakter ist in diesem Buch ein Mann namens Jagu. Er ist es, der Mion Hilfe anbietet, als sie wegen des erschossenen Fuchses in der Klemme steckt. Aber über seine Gründe schweigt er. Dass er immer wieder tagelang einfach verschwindet, dass er ständig zwischen Grobheit und Freundlichkeit schwankt, zwischen teilweise brutaler Ehrlichkeit und beharrlichem Schweigen, tut ein Übriges. Mal wirkt er hilflos und verletzlich, mal ist er ausgesprochen kaltschnäuzig und skrupellos. Auch er spielt Ritus, was Mion nicht verstehen kann, denn er ist erfolgreich und wohlhabend und hat es eigentlich nicht nötig, sich in Träume zu flüchten.

Zwischen diesen vier Hauptfiguren entspinnt sich ein kompliziertes Netz aus Beziehungen, Abhängigkeiten und Lügen. Die Charakterzeichnung ist von derselben Intensität, die die Autorin bisher bei all ihren Büchern zu erzeugen wusste; das gilt auch für Nebenfiguren wie Faunia oder die Kaiserin. Sehr gelungen.

Was das Buch aber vor allem interessant macht, ist die eigentliche Thematik. Im Kaiserreich Wynter herrschen die Drachen. Keine feuerspeienden Echsen, sondern Gestaltwandler. Ihre Herrschaft gründet sich auf der Tatsache, dass Drachen denken und Menschen fühlen. Da Gefühle jedoch die Ursache sind für alles Übel, das es auf der Welt gibt, sind alleine die Drachen, die Gefühle nicht kennen, in der Lage, gerecht zu herrschen, denn sie allein sind erhaben über Neid, Ehrgeiz, Rachsucht und Gier. So zumindest lautet die Staatsdoktrin.

Dass diese Ideologie auf einer Lüge basiert, wird nur zu bald deutlich. Drachen fühlen durchaus. Sie fühlen Kummer und Liebe und vor allem Angst! Angst vor der Wahrheit, denn sollte das Volk diese erkennen, wäre es mit der Herrschaft der Drachen vorbei! Und in ihrer Angst verbieten sie, dass das einfache Volk lesen lernt, sie lassen alte Bücher verbrennen und in der Nacht der Wintersonnwende, der einzigen Nacht, in der sie verletzlich sind, kostenlos Wein ausschenken, damit die Menschen sich betrinken und ihnen nicht gefährlich werden können. Gleichzeitig ist Mion der beste Beweis dafür, dass Menschen nicht nur fühlen, sondern auch denken können.

Eines jedoch scheint sich im Verlauf der Handlung zu bestätigen: Gefühle sind die stärksten Triebfedern überhaupt. Und im Fall dieser Geschichte ziehen sie vor allem negative Folgen nach sich. Selbst der völlig uneigennützige Lyrian ist letztlich mitverantwortlich für die zahllosen Toten eines blutigen Massakers, weil er auf sein Herz gehört hat, und nicht auf seinen Verstand. Hier ist es tatsächlich so, dass alles Chaos und alles Blutvergießen seine Ursache in den Gefühlen hat, ganz gleich, ob diejenigen von Menschen oder Drachen.

Jenny-Mai Nuyens Bücher haben sich von Anfang an in keines der gängigen Fantasy-Schemata pressen lassen. Dieses Buch jedoch ist besonders sperrig. Nicht nur, weil es kein Happy End hat, sondern weil es noch einen Schritt weiter geht und sich gegen eine Idee stellt, die auch in anderen Bereichen der Literatur vorherrscht: dass die Liebe allen Widerständen zum Trotz immer siegt und danach alles gut wird. Hier wird nichts gut. Nicht einmal der Sturz der Tyrannen scheint positive Auswirkungen zu haben. Im Kleinen – in der Beziehung zwischen den Hauptfiguren – wie im Großen – in der Politik – münden alle Gefühle und die daraus resultierenden Taten in eine einzige Welle der Zerstörung. Ein Szenario, das sicherlich nicht jedem liegt. So ganz desillusioniert wollen die meisten Leser ihr Buch dann doch nicht zuklappen. Ich fand das Buch jedenfalls sehr gut. Es mag Fantasy sein. Aber es ist trotzdem wahr.

Jenny-Mai Nuyen stammt aus München und schrieb ihre erste Geschichte mit fünf Jahren. Mit dreizehn wusste sie, dass sie Schriftstellerin werden wollte. „Nijura“, ihr Debüt, begann sie im Alter von sechzehn Jahren. Inzwischen ist sie zwanzig und studiert Film an der New York University.

511 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag
ISBN-13: 978-3-570-16000-8

www.jenny-mai-nuyen.de/
www.randomhouse.de/cbjugendbuch/index.jsp

Der Autor vergibt: (5.0/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (No Ratings Yet)

Bishop, Anne – Nacht (Die Schwarzen Juwelen 6)

|Die Schwarzen Juwelen|:

Band I: [„Dunkelheit“ 3375
Band II: [„Dämmerung“ 3437
Band III: [„Schatten“ 3446
Band IV: [„Zwielicht“ 3514
Band V: [„Finsternis“ 3526
Band VI: „Nacht“ (dt. im Oktober 2008)

Surreal hat die Kriminalromane des Landen Jervis Jenkell eigentlich immer gern gelesen. Bis der Autor anfing, Romane über die Angehörigen des Blutes zu schreiben. Seine Vorstellungen vom Leben der Hexen und ihrer Krieger erscheinen ihr ausgesprochen lächerlich, und da ist sie nicht die Einzige. Jaenelle ist deshalb sogar auf die exzentrische Idee verfallen, ein Spukhaus einzurichten, als Spaß für Kinder, was Saetan überhaupt nicht gefällt.

Jervis Jenkell dagegen fühlt sich durch die Angehörigen des Blutes auf den Schlips getreten und sinnt nun auf Rache. Ein perfides Katz-und-Maus-Spiel beginnt …

Jervin Jenkell ist der einzige neue Charakter. Und er ist ein eingebildeter, hinterhältiger, grausamer Kerl. Im Grunde ist er intelligent und findig, doch die Erkenntnis, dass er selbst, obwohl als Landen aufgewachsen, ein Angehöriger des Blutes ist, hat ihn offenbar völlig abheben lassen. So ist er zu eitel und zu hochmütig, einfach seine Bezirkskönigin aufzusuchen, ihr sein Juwel zu zeigen und sie um Rat und Hilfe zu bitten. Stattdessen hat er seine Entdeckung in einen Roman gekleidet und erwartet jetzt, von allen als einer der ihren behandelt, ja sogar regelrecht hofiert zu werden. Die Idee, dass seine versteckte Botschaft womöglich nicht verstanden werden könnte, kommt ihm gar nicht. Und da er keinerlei Vorstellung vom sozialen Gefüge innerhalb der Blutsangehörigkeit hat, ist ihm auch nicht klar, dass er keinesfalls auf derselben Stufe wie Daemon und Jaenelle steht. Er fasst ihre Reaktion schlicht als Beleidigung auf.

Ich muss ehrlich zugeben, dieser Band des Blutjuwelen-Zyklus hat mich schwer überrascht. Ungewöhnlich ist schon mal, dass Jenkell eigentlich recht wenig auftaucht. Er kommentiert nur gelegentlich das Geschehen und offenbart dadurch seine Art zu denken und die Beweggründe für sein Handeln: seinen Hochmut und seine gekränkte Eitelkeit. Das Handeln wiederum offenbart seine hinterhältige Bosheit. Die Intensität dieser Charakterzeichnung kann bei weitem nicht mit der Jaenelles und Daemons aus den ersten Bänden mithalten. Dennoch ist die Figur Jervis Jenkell glaubwürdig und nachvollziehbar ausgefallen.

Außerdem setzt sich das Buch dadurch von seinen Vorgängern ab, dass diesmal nicht Jaenelle und Daemon im Mittelpunkt stehen. Hauptsächlich ist es Surreal, die sich mit Jenkell herumschlagen muss. Da Surreal vor allem praktisch veranlagt ist, spielen Gefühle in diesem Band eine untergeordnete Rolle. Der spürbarste Unterschied zeigt sich jedoch im Grundtenor des Buches. Während die ersten drei Bände vom Niedergang und der Wiedergeburt einer ganzen Welt erzählen, spielt sich der neue Konflikt nur zwischen der Familie SaDiablo und Jenkell ab. Diese beiden Punkte – die Wahl Surreals als Hauptperson und der begrenzte Umfang des Konflikts – haben dafür gesorgt, dass die Wucht, die den ersten drei Bänden innewohnte, hier völlig fehlt. Waren die Bände eins bis drei wie das Ankämpfen gegen einen heftigen Sturm, so ist Band sechs wie die Überquerung eines Nagelbretts. Surreal und ihre Begleiter haben sich in einer Falle verheddert, und alles, was ihnen in dieser Falle an kleinen oder größeren Widrigkeiten begegnet, wirkt wie immer neue Nadelstiche: verwirrend, zermürbend. Und der Gegner beobachtet das Ganze insgeheim.

Die Art der Falle ist wirklich trickreich. Sie ist ein fieses kleines Spiel, das darauf ausgelegt ist, die Beute in der Falle dazu zu bringen, dass sie genau das tut, was sie eigentlich unbedingt vermeiden sollte. Gekonnt spielt sie mit Sein und Schein und ist deshalb ausgesprochen geeignet, um Leute wie Surreal oder Daemon einzufangen und zur Strecke zu bringen. Und diejenigen, die draußen stehen, haben keine Möglichkeit, das Spiel zu beenden, ohne das Leben derjenigen zu gefährden, die in der Falle sitzen. Es scheint, als wäre eine grausame Wahl zu treffen. Und dann taucht auch noch Lucivar am Schauplatz auf, drauf und dran, sich ebenfalls in die Falle zu stürzen!

Was mir dagegen eher negativ aufgefallen ist, war die Veränderung in der Ausdrucksweise, sodass ich mich schon fragte, ob hier ein anderer Übersetzer am Werk war. Das war nicht der Fall, weshalb sich mir als nächstes die Frage stellte, warum die Übersetzerin es auf einmal für nötig befunden haben mag, ein Wort, das in den ersten Bänden noch mit Geschlecht übersetzt wurde, jetzt auf einmal mit Schwanz zu übersetzen. Das macht die eigentliche Aussage keineswegs erotischer, eher ordinärer.

Von diesem sprachlichen Detail abgesehen fand ich „Nacht“ aber recht gelungen. Was diesem Band letzten Endes an Intensität und Dramatik fehlt, macht er locker durch Spannung und Einfallsreichtum wieder wett. Anne Bishop hat sich diesmal tatsächlich fast völlig von allen anderen Bänden des Blutjuwelen-Zyklus gelöst, indem sie nicht nur auf ihre alten Antagonisten Dorothea und Hekatah verzichtet hat, sondern auch eine Neben- zur Hauptfigur gemacht und sie in eine völlig neue Situation gestellt hat. „Nacht“ ist kein Epos mehr, auch nicht der Versuch, ein Epos fortzuführen oder auszubauen. „Nacht“ ist ein Krimi und eigenständig. Das hat dem Buch ausgesprochen gutgetan. Es hat Raum geschaffen für Ideen, die im Kontext dieses Zyklus neu und auch interessant umgesetzt waren, und einen neuen Antagonisten, der wesentlich mehr Biss hat als die beiden kleinen Hexchen Roxie und Lektra. Wer eine Geschichte von der Dimension der ersten drei Bände erwartet hat, wird vielleicht enttäuscht sein, denn die bietet „Nacht“ definitiv nicht. Das Flickwerk aus Band IV aber steckt diese neue Geschichte locker in die Tasche, und mit Band V kann sie durchaus mithalten.

_Anne Bishop_ lebt in New York, liebt Gärtnern und Musik, und hatte bereits einige Romane und Kurzgeschichten veröffentlicht, ehe ihr mit dem Zyklus der |Schwarzen Juwelen| der internationale Durchbruch gelang. Außerdem stammen aus ihrer Feder die Trilogie |Tir Alainn|, die auf Deutsch bisher anscheinend nicht erschienen ist, sowie der Zweiteiler |Ephemera| mit den Bänden „Sebastian“ und „Belladonna“.

|Originaltitel: The Black Jewels Series: Tangled Webs
Deutsche Übersetzung von Ute Brammertz
398 Seiten, kartoniert
Mit Bonusmaterial: „Wenn das Hexenblut blüht“|
http://www.heyne.de
http://www.annebishop.com

_Mehr von Anne Bishop auf |Buchwurm.info|:_

|Die dunklen Welten|:

Band I: [„Sebastian“ 3671
Band II: [„Belladonna“]http://www.buchwurm.info/book/anzeigen.php?id_book=4799
Band II: [„Belladonna“ 4722 (zusätzliche Buchrezension)

Roberson, Jennifer – Kind des Raben (Cheysuli 4)

Band 1: [„Dämonenkind“ 4409
Band 2: [„Wolfssohn“ 4868
Band 3: [„Tochter des Löwen“ 4961

Mit „Kind des Raben“ erschien nun der letzte Teil der |Cheysuli|-Neuausgabe; er umfasst die Bände „Der Flug des Raben“ und „Ein Gobelin mit Löwen“.

Aidan hat Alpträume von einer zerfallenden Goldkette, schon seit er ein kleiner Junge ist. Seine Eltern haben sie nicht weiter ernstgenommen, er aber weiß, dass sie von Bedeutung sind. Denn abgesehen von den Träumen hat er auch ganz ungewöhnliche Begegnungen, nicht nur mit einigen seiner toten Vorfahren, sondern auch mit noch weit seltsameren Leuten wie dem Jäger, der Weberin oder dem Krüppel. Aber gerade, als er glaubt, das Rätsel gelöst zu haben, wird er von einer grausamen Realität eingeholt …

Kellin hat ebenfalls Alpträume. Seit einer unbedachten Äußerung seines Großonkels Ian fürchtet er sich vor Löwen, selbst jenen auf dem Wandteppich in der großen Halle oder dem geschnitzten Löwen des Throns. Weit mehr als das leidet er allerdings darunter, dass sein Vater ihn verlassen hat. Als er auch noch andere, ihm nahestehende Menschen verliert, wird seine Verlustangst zur Phobie. Kellin versucht, seine Ängste mit Alkohol, Hurerei und Gewalt zu verdrängen, doch es gelingt ihm nicht. Erst als er nach einem unfreiwilligen Bad in einem reißenden Gebirgsfluss sein Gedächtnis verliert, scheint er in der Lage, seinen eigenen Weg zu finden …

_Aidan_ war mir ehrlich gesagt der weitaus sympathischere von beiden. Die ständig wiederkehrenden Alpträume, denen er sich nicht verweigern kann, lassen Aidan ernstlich an seinem Verstand zweifeln. Außerdem besitzt er die erinnische Gabe des Kivarna, die Fähigkeit, die Gefühle anderer zu spüren. Deshalb weiß er, dass seine Eltern genau dieselben Zweifel hegen. Er versucht, Antworten von seinen magischen Begegnungen zu bekommen, doch die scheinen nicht geneigt, ihm irgendetwas zu verraten, und bestehen stattdessen darauf, dass er es selbst herausfindet. Aidans Verwirrung treibt ihn fast zur Verzweiflung.

Kellin ist ebenfalls verzweifelt, was durchaus nachvollziehbar ist, allerdings ist er im Gegensatz zu Aidan vollkommen blind für das, was er selbst anrichtet, als hätten seine Verluste ihm das Recht verliehen, seinerseits andere zu verletzen. Die Risiken, die er eingeht, übersteigen selbst alles, was Hart jemals ausgefressen hat; er ist eigensinnig, selbstgerecht und zeigt nicht die geringste Bemühung um Selbstbeherrschung, ja nicht einmal die Bereitschaft dazu, es auch nur zu versuchen. In der Szene, in der er mit Burr, dem Shar Tal, aneinandergerät, hätte ich ihn am liebsten geohrfeigt.

Natürlich braucht die Geschichte nach Strahans Tod auch einen neuen Gegenspieler. Und so schwer es ist, aber Lochiel scheint seine Vorgänger an Bosheit sogar noch zu übertreffen. Was er mit Aidans Frau anstellt, stellt einen neuerlichen Höhepunkt in der Verruchtheit der Ihlini dar, und mit seinen eigenen Familienangehörigen geht er auch nicht gerade freundlich um.

Abgesehen davon aber, ob mir die Charaktere nun sympathisch waren oder nicht, sie waren alle ausgesprochen glaubhaft und lebendig beschrieben. Da blieb nichts zu wünschen übrig.

_Was die Handlung anging_, so hat mir auch hier die Geschichte um Aidan besser gefallen als die um Kellin. Zur Abwechslung ging es tatsächlich mal nicht darum, den geeigneten Ehepartner für die richtige Blutmischung zu finden oder zuzusehen, wie die nächste Generation in eine Falle der Ihlini tappt und sich dann wieder rauswindet. Aidan fällt in jeder Hinsicht aus dem Rahmen, was ich als sehr wohltuend empfand. Sein Versuch, den richtigen Weg durch die Flut von Andeutungen und Halbinformationen zu finden, war erfrischend neu.

Der Wermutstropfen war dagegen Lochiel. Eigentlich ist er ja nicht dumm. Aber nach so vielen gescheiterten Versuchen seiner Vorgänger, die Prophezeiung in eine falsche Richtung zu lenken, und mit dem Wissen, dass den Ihlini die Zeit davonläuft, muss er sich schon die Frage gefallen lassen, warum in aller Welt er Aidans Sohn entführt hat, anstatt ihn einfach umzubringen. Zumal er seiner eigenen Aussage nach ja wusste, dass Aidan keine weiteren Kinder haben würde. Da wäre ein schlichter Mord eine wesentlich sicherere Methode gewesen, die Prophezeiung zu vernichten, als eine neuerliche, verwickelte Intrige. Natürlich hat es dramaturgische Gründe, sonst wäre ja schließlich kein Happy -End mehr möglich gewesen. Das macht es aber nicht unbedingt logischer.

Kellins Geschichte birgt natürlich den Reiz, dass auf irgendeine Weise die Verbindung mit den Ihlini hergestellt werden muss. Das ist der Autorin tatsächlich auf geschickte Weise gelungen. Leider beginnt Kellin sich erst ab dem Moment in die richtige Richtung zu bewegen, nachdem er den Schoß der Erde aufgesucht hat, und bis dahin ist mehr als die Hälfte des Buches gelesen. Außerdem empfand ich auch den Schluss des Zyklus als ein wenig unbefriedigend. Der Leser erfährt weder, was es mit diesen Erstgeborenen, deren Rückkehr so hart erkämpft und so teuer erkauft wird, eigentlich genau auf sich hat, noch, warum sie so dringend zurückgebracht werden müssen. Asar-Suti ist ein Gott, und ein Gott kann nicht endgültig besiegt werden. Es wird also weiterhin Böses und Übles in der Welt geben, selbst wenn die Erstgeborenen mächtiger sein sollten als Asar-Sutis Anhänger, von denen es ja mehr gibt als nur Tynstars Nachkommen.

Ein wenig enttäuschend fand ich auch, dass die A’saii, die einen interessanten Aspekt hätten darstellen können, so sang- und klanglos im Hintergrund verschwunden sind. Tiernan war ein vielversprechender Charakter, der für einen Menge echte Turbulenzen hätte sorgen können, wenn er denn mal richtig zum Zug gekommen wäre. Dass er seinen Lir verloren hat, empfand ich ein wenig als Verschwendung. Andererseits wäre angesichts der Dicke der letzten beiden Bände wohl einfach nicht mehr genügend Platz gewesen, um ihm wirklich gerecht zu werden. Auch die Lirs haben nicht zu der Bedeutung zurückgefunden, die ich mir erhofft hatte. Aidan und Kellin und ihre Lirs sprechen nicht halb so viel miteinander, wie ich es zum Beispiel von Donal in Erinnerung habe, und nicht halb so freundlich.

_Am Ende_ hab ich das Buch mit gemischten Gefühlen zugeklappt. Ich hätte durchaus gern gewusst, wie die Zukunft der Welt unter der Herrschaft der Erstgeborenen ausgesehen hätte, wenigstens ein kleines bisschen. Und bei Kellins rüden Eskapaden trotzdem weiterzulesen, hat mich einiges an Geduld gekostet. Trotzdem fand ich auch die letzten beiden Teile des Zyklus nicht wirklich schlecht, vor allem dank Aidans ausgefallener Rolle innerhalb der Prophezeiung und der Tatsache, dass die Autorin auf so gelungene Weise die letzte heikle Kurve hin zu den Ihlini genommen hat. Ich bin aber auch nicht unglücklich, dass der Zyklus jetzt zu Ende ist, denn noch eine oder zwei weitere Generationen, und ich hätte endgültig den Überblick darüber verloren, wer denn nun eigentlich wer war.

_Jennifer Roberson_ studierte englische Geschichte und war zunächst als Journalistin tätig, ehe sie Bücher zu schreiben begann. Der |Cheysuli|-Zyklus war ihr erstes Werk, seither hat sie eine ganze Reihe von Zyklen, Einzelromanen und Kurzgeschichten geschrieben, darunter die |Schwerttänzer|-Saga sowie die Historienromane „Lady of the Forest“ („Herrin der Wälder“, dt. 1996) und „Lady of Sherwood“ („Die Herrin von Sherwood“, dt. 2002). Die Autorin lebt mit einem Rudel Hunde und Katzen in Flagstaff/Arizona.

|Originaltitel: Flight of the Raven / A Tapestry of Lions
Überarbeitete Neuausgabe
Übersetzung: Karin König
990 Seiten
ISBN-13: 978-3-453-52487-3|
http://www.cheysuli.com
http://www.heyne.de

Rothfuss, Patrick – Name des Windes, Der (Die Königsmörder-Chronik. Erster Tag)

_Ein Wirtshaus irgendwo_ in einem Hinterwäldlerdorf in der Provinz. Die Stammgäste sitzen beisammen, essen Eintopf, trinken Bier, erzählen Geschichten. Der Wirt, rothaarig und grünäugig, lächelt, bedient und wischt die Theke sauber. Da platzt ein Dorfbewohner in den Raum, übersät mit blutenden Schnitten, und in einer Decke bei sich ein seltsames, schwarzes Geschöpf ohne Augen, dafür mit Beinen wie Messerklingen, acht an der Zahl, als wäre es eine Art Spinne.

Der Wirt kann die erschreckten und verwirrten Männer beruhigen. Doch er weiß mehr als sie, und kaum ist er mit seinem Gehilfen allein, stellt sich heraus, dass er auch mehr ist als ein gewöhnlicher Wirt. Wer genau er ist, das erfährt der Leser erst, als ein weiterer Mann auftaucht. Ein Mann, der überall als der Chronist bekannt ist. Der Chronist sucht nach einer Geschichte. Einer wahren Geschichte …

_“Der Name des Windes“_ erzählt die Geschichte von Kvothe. Kvothe gilt als mächtigster Zauberer seiner Zeit. Unzählige Legenden werden über ihn erzählt, und nicht alle sind sehr schmeichelhaft. Kvothes tatsächliche Persönlichkeit ist schwer zu beschreiben, wahrscheinlich deshalb, weil selbst am Ende des Buches noch eine ganze Menge fehlt.

Der ältere Kvothe, der die Geschichte erzählt, wirkt müde, regelrecht erschöpft, als trüge er so viele düstere Erinnerungen mit sich herum, dass er fast darunter zusammenbricht. Deshalb erinnert er sich nur sehr widerwillig. Tatsächlich jedoch scheint das Erzählen ihm gut zu tun, er blüht regelrecht auf dabei – nur um in den Pausen sofort in sein düsteres Brüten zurückzufallen. Dabei ist bis zum Ende des Buches noch gar nichts so Schreckliches geschehen, dass es eine solche Schwermut erklären könnte.

Der junge Kvothe ist vor allem eines: stolz. Schon als Kind sehen viele Menschen auf ihn herab, weil er zum fahrenden Volk gehört, und schon damals stört ihn das. Als er nach dem Verlust seiner Eltern als Gassenjunge in der Hauptstadt landet, lernt er zu überleben. Doch seine eigentliche Persönlichkeit liegt in dieser Zeit brach, begraben unter Schock und der Notwendigkeit, ständig auf der Hut zu sein. Als es ihm schließlich gelingt, an der Universität aufgenommen zu werden, wird ihm aus dieser Zeit vor allem eins nachhängen: das dringende Bedürfnis, aus seiner Armut herauszukommen. Abgesehen davon ist Kvothe überdurchschnittlich intelligent, er lernt extrem leicht und schnell, was schon an der Uni für Neid unter seinen Komilitonen sorgt. Außerdem ist er ein begnadeter Musiker. Diese letzten beiden Aspekte sorgen regelmäßig dafür, dass der Leser vollkommen vergisst, dass Kvothe noch nicht erwachsen ist. Lediglich im Zusammenhang mit Denna wird der Leser wieder daran erinnert.

Denna ist eine junge Frau, die völlig allein lebt, ohne Familie, ohne Freunde. Sie ist wie ein Blatt im Wind, taucht auf, verschwindet wieder und scheint nirgendwo zu Hause zu sein. Über ihre Vergangenheit spricht sie nicht, und auch sonst gibt sie sich ziemlich geheimnisvoll. Sie ist schön, eigenwillig, faszinierend und besitzt eine außergewöhnlich schöne Singstimme. Kvothe gerät vollkommen in ihren Bann.

Da sich die Geschichte so stark auf Kvothe konzentriert, bleiben sämtliche übrigen Personen nur Nebenfiguren, von seinem Gehilfen Bast über seine Freunde Simmon und Wilem bis hin zu seinem persönlichen Gegner Ambrose. Störend wirkt das nicht, denn Kvothe und Denna füllen die Geschichte völlig aus. Die Tatsache, dass beide sich nicht gänzlich offenbaren – Denna hat ein Geheimnis, und Kvothe kommt im ersten Band schlicht nicht über den Teenager hinaus, sodass das Bild einfach unvollständig ist -, erhält beide interessant und den Leser neugierig.

Und eine weitere Auswirkung hat diese starke Gewichtung Kvothes: Der eigentliche Antagonist taucht so gut wie gar nicht auf. Kvothe erzählt seine Geschichte von einem sehr frühen Zeitpunkt an, als er zehn Jahre alt war. Am Ende des Buches ist der Junge knapp sechzehn. Nicht unbedingt das Alter, in dem man es mit einem Gegner wie den Chandrian aufnimmt – auch wenn Kvothe sich das als langfristiges Ziel gesetzt hat, denn die Chandrian haben seine Eltern umgebracht, weil diese die falschen Lieder sangen.

Diese Worte lassen Kvothe nicht mehr los. Und kaum an der Universität angelangt, will er in die Bibliothek, um nach Texten über die Chandrian zu suchen. Er will alles über sie in Erfahrung bringen, was es nur zu wissen gibt. Doch im Commonwealth gelten die Chandrian als Legende, niemand glaubt daran, dass es sie wirklich gibt. Alles, was Kvothe im Laufe des Buches über sie herausfinden kann, ist, dass sie irgendetwas vor den Menschen verbergen wollen und deshalb alle gnadenlos töten, die auch nur einen Zipfel dieses Etwas zu fassen bekommen. Nur – was wollen sie geheimhalten? Und warum?

Die Chandrian sind das absolute Geheimnis des Buches, das seinen Ursprung in der fernen Vergangenheit hat. Und da Kvothe in diesem ersten Band noch größtenteils mit Überleben beschäftigt ist und damit, sich gegen Ambroses Hinterlist zu verteidigen und seinen Geldmangel in den Griff zu bekommen, führen die Chandrian ein geradezu stiefmütterliches Schattendasein. Selbst das Abenteuer mit der feuerspeienden Echse nimmt mehr Raum ein als sie.

Eingebettet ist die Lebensgeschichte des Zauberers in eine Rahmenhandlung, die ich stellenweise ein wenig verwirrend fand. Das gilt vor allem für den Anfang von fast hundert Seiten, ehe Kvothe die eigentliche Geschichte zu erzählen beginnt. Abgesehen von dem aufsehenerregenden Auftritt des zerschundenen Dörflers wird der Chronist unterwegs überfallen, und Kvothe erlegt mitten in der Nacht noch ein paar mehr der seltsamen scherenbeinigen Spinnen. Aber das alles scheint zunächst in keinerlei Zusammenhang zu stehen. Die Gespräche zwischen Kvothe und Bast drehen sich zwar unter anderem auch um diese Ereignisse, bestehen allerdings fast nur aus Andeutungen.

Auch die Erzählung Kvothes wird gelegentlich von der Rahmenhandlung unterbrochen, und vor allem bei der letzten, größeren Unterbrechung fragte ich mich nach dem Bezug. Die Dinge scheinen aus heiterem Himmel zu geschehen, ganz ohne Grund. Zumindest ohne einen ersichtlichen Grund.

Klar ist nur eines: In der Rahmenhandlung außerhalb von Kvothes Lebensgeschichte tut sich etwas. Nirgendwo findet sich aber ein echter Hinweis darauf, was sich da tut, allein, die Ursachen müssen in seiner Vergangenheit liegen, einem Zeitpunkt seiner Vergangenheit, zu dem er mit seiner Erzählung noch nicht vorgedrungen ist.

_Mit anderen Worten_, der Leser wird am Ende des ersten Bandes mit einer solchen Flut an Fragen und einem solchen Mangel an Antworten zurückgelassen, dass es schon fast unbefriedigend ist und man sich fragt, womit der Autor eigentlich achthundert Buchseiten gefüllt hat. Zumal der junge Kvothe am Ende noch nicht einmal ansatzweise fertig ausgebildet ist. Er hat so gut wie nichts über die Chandrian erfahren und dasselbe gilt für die Namenskunde, die er doch so dringend erlernen wollte. Gleichzeitig endet die Erzählung vorerst mit der Aussicht darauf, dass Kvothe von der Universität fliegt, sodass der Leser sich wundert, wie in aller Welt dann ein so mächtiger Zauberer aus ihm geworden sein kann.

Nicht, dass es mir beim Lesen tatsächlich langweilig gewesen wäre. Die Figuren sind interessant, lebendig und größtenteils klischeefrei – vielleicht mit Ausnahme von Ambrose -, und die Geschichte selbst nicht nur durch die unterschiedlichen Zeitebenen, sondern auch durch die bisher nur angerissene Thematik der Magie und der Chandrian samt ihrer Vergangenheit ausgesprochen vielversprechend.

Ein klein wenig war ich am Ende aber doch enttäuscht, dass der Autor sich so ausgiebig und ausführlich der Jugend seines Protagonisten gewidmet, ihn aber gleichzeitig daran gehindert hat, auch nur ein klein wenig von dem in Erfahrung zu bringen, was er so dringend wissen will. Nach so vielen Seiten hätte Kvothe es schon verdient, wenigstens auf einen vergilbten Band zu stoßen, in dem man wenigstens einen einzigen Satz hätte lesen können. Oder so ähnlich. So ganz ohne Antworten zu bleiben, hat dem Einstieg in diesen Zyklus einen Hauch von Langatmigkeit verliehen, was sich allerdings erst auswirkt, wenn man das Buch zu Ende gelesen hat. Insofern kann man Patrick Rothfuss‘ Debüt getrost als sehr gelungen bezeichnen.

_Patrick Rothfuss_ stammt aus Wisconsin. Lange Zeit unsicher, was er mit seinem Leben anfangen sollte, studierte er zahllose Fächer, bis die Universität ihn zwang, endlich irgendwo einen Abschluss zu machen. Inzwischen ist er an derselben Universität als Lehrkraft tätig, und die langen Winter in Wisconsin, die er früher mit Lesen verbrachte, verbringt er nun mit Schreiben. „Der Name des Windes“ ist sein erster Roman. Der zweite Band des Zyklus „The Wise Man’s Fear“ erscheint im April nächsten Jahres auf Englisch.

|Originaltitel: The Name of the Wind. Kingkiller Chronicle Vol. 1
Aus dem Englischen von Jochen Schwarzer
863 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag, Vorsatzkarte & Lesebändchen
ISBN-13: 978-3-608-93815-9|
http://www.hobbitpresse.de
http://www.patrickrothfuss.com

Meyer, Stephenie – Seelen

Irgendwann, in einer nicht näher bestimmten Zukunft, haben Parasiten die Weltherrschaft übernommen. Diese kleinen, silbrigen, quallenartigen Außerirdischen werden einem Menschen ins Rückrat implantiert und übernehmen fortan die Kontrolle sowohl über den Körper als auch den Geist. Die menschliche Seele, die dem Körper vorher eine Persönlichkeit gegeben hatte, wird verdrängt – sie stirbt -, und so ist die Menschheit fast gänzlich ausgestorben. Es gibt nur noch ein paar „reine“ Menschen, die sich in abgelegenen Gegenden verstecken, um nicht von den außerirdischen Suchern gefunden zu werden. Diese Menschen leben planlos vor sich hin, einzig darauf bedacht zu überleben. Einen organisierten Widerstand gegen die außerirdische Invasion gibt es nicht. Der Krieg ist verloren.

Melanie ist einer dieser Menschen. Mit ihrem kleinen Bruder Jamie und ihrem Freund Jared lebt sie versteckt in einer Hütte. Doch bei einem Ausflug in die Zivilisation wird sie entdeckt und gefangen genommen. Man setzt ihr eine Seele ein, doch Melanie erweist sich als stark. Sie kämpft für sich und ihren Körper und lässt sich nicht einfach verdrängen. Und so wohnen fortan zwei Seelen in Melanies Brust: Sie selbst, die unbedingt zu Jamie und Jared zurückkehren will, und die Seele Wanda, die mit ihren Prioritäten kämpft und zunächst versucht, diese Stimme in ihrem Kopf loszuwerden. Doch schließlich werden beide Freundinnen, teilen sie doch die gleichen Erinnerungen und Gefühle.

Gemeinsam machen sie sich auf die Suche nach Melanies kleiner Familie und stoßen dabei auf eine Widerstandszelle. Nicht nur Melanie, sondern auch Wanda findet bei den Menschen ein Zuhause und die Liebe. Doch während Melanie an nichts anderes als an Jared denken kann, fühlt sich die Seele Wanda zu Ian hingezogen. Eine vertrackte Situation.

Stephenie Meyer, deren derzeit fürs Kino verfilmte „Twilight“-Serie wohl vielen weiblichen Lesern ein Begriff ist, wagt sich hier auf neues Terrain. Ihr aktueller Roman „Seelen“ wird von Meyers amerikanischem Verlag mit dem Slogan „Science-Fiction für Leute, die keine Science-Fiction mögen“ verkauft, was den Nagel ziemlich genau auf den Kopf trifft. Ja, Wanda ist eine Außerirdische, und ja, Wanda erzählt auch von Zeit zu Zeit von den anderen Planeten, auf denen sie gelebt hat (denn ihre parasitische Rasse breitet sich im ganzen Universum aus), doch für Meyer ist die Science-Fiction nur ein Vehikel, um ihr eigentliches Anliegen zu transportieren: eine ungewöhnliche Liebesgeschichte in den Wirren einer chaotischen und apokalyptischen Zeit.

Dass Melanie und Wanda sich einen Körper teilen müssen und Wanda fortan mit den Wünschen und Gefühlen „ihres“ Menschen zu kämpfen hat, klingt zunächst seltsam, erweist sich aber – gerade am Anfang des Romans – als durchaus tragfähiges Konzept, das den Reiz der Geschichte ausmacht. Wanda, die schon auf mehreren Planeten gelebt und daher mehrere Lebensformen bewohnt hat, ist schier überwältigt von der Fülle der Gefühle, die auf sie einprasseln. Und Melanie, die Wanda zunächst als Feindin betrachtet, versucht gerade mit Hilfe dieser intensiven Gefühle auf Wanda einzuwirken, um ihr klarzumachen, dass sie unbedingt zu Jamie und Jared zurückkehren müssen. Auf die Zwiesprache zwischen den beiden und die langsame Entwicklung von Feindinnen zu Freundinnen zu Schwestern verwendet Meyer einen Großteil ihrer Zeit, und es ist diese ungewöhnliche Beziehung, die alle anderen im Roman in den Schatten stellt.

Dies gilt auch für die Liebesgeschichte. Sie hat das Potenzial, ebenso überlebensgroß zu sein wie die Liebe zwischen Bella und Edward in den Twilight-Romanen, denn Melanie setzt wahrlich Himmel und Hölle in Bewegung, um zu Jared zurückzukehren. Doch als das Unmögliche dann geschafft ist, als sich Melanie/Wanda in Jareds Gesellschaft wiederfinden, da verliert Meyer plötzlich die Geduld. Die Beziehung stagniert, über fünfhundert Seiten passiert nichts, außer dass Melanie sich körperlich nach Jared sehnt und Wanda nicht so recht weiß, wohin mit sich und den ungewohnten Gefühlen. Jared selbst ist nichts weiter als ein Fixpunkt, dem sich Meyer nie wirklich nähert. Man kann kaum nachvollziehen, warum Melanie so unsterblich in ihn verliebt ist, denn Meyer schafft es nie, Anknüpfungspunkte für den Leser zu schaffen. Jared wirkt immer nur wie ein unerreichbarer Schwarm, nie wie ein Mensch aus Fleisch und Blut.

Das gelingt ihr bei Ian, in den sich Wanda im Verlauf der Handlung verlieben wird, deutlich besser, doch hat sie dort offensichtlich tief in die Klischeekiste gegriffen, denn er ist der perfekte Schwiegersohn. Er hilft Wanda, wo er kann, ist zuvorkommend, liebenswürdig, immer bereit, sich für Wanda in Gefahr zu begeben. Er ist so gut, so glatt, so ohne jeden Fehler, dass man in seiner Gegenwart ein herzhaftes Gähnen unterdrücken muss. Kurzum, er ist ein Langweiler, wenn auch ein sympathischer.

Stephenie Meyer hat mit „Seelen“ einen Roman geschrieben, der origineller daherkommt als ihre Vampirserie, und doch tappt sie in genau die gleichen Fallen wie in ihren vorherigen Büchern. Zunächst einmal ist „Seelen“ mit fast neunhundert Seiten schlicht zu lang. Viel hätte gekürzt oder komplett gelöscht werden können. Gerade, als Wanda auf die kleine Gruppe Menschen trifft und von ihnen in einer winzigen Höhle eingesperrt wird, tritt die Handlung für etliche Kapitel auf der Stelle. Wanda, die eben noch todesmutig durch die Wüste spaziert ist, mutiert plötzlich zu einem passiven Angsthasen. Sie redet nicht mit den Menschen, die sie eben noch so herbeigesehnt hat. Sie erklärt auch nicht ihre Lage. Sie sitzt da und schweigt – über mehrere Kapitel hinweg, ohne dass sich die Handlung in irgendeine Richtung weiterentwickeln würde.

Auch ist Meyer immer noch mit ihren Nebencharakteren überfordert. Die Charaktere, die Wanda/Melanie umgeben, bekommen durchaus ein Gesicht: Jamie, Ian, Walter (Wandas erster menschlicher Freund). Doch alle anderen Personen sind nichts weiter als Statisten, die da sind, um die Buchseiten zu füllen – sie haben keine nennenswerte eigene Handlung, keine eigene Geschichte, nichts, dass sie irgendwie charakterisieren würde. Besonders problematisch ist das bei Maggie und Sharon, die Wanda bis zur Unvernunft hassen. Der Leser erfährt jedoch nie Näheres über die beiden und hat so keine Chance zu ergründen, warum sie so handeln, wie sie es tun. Damit läuft dieser – zugegeben kleine – Nebenschauplatz völlig ins Leere und bleibt innerhalb des Romans losgelöst und sinnentleert.

Der größte Stolperstein ist jedoch einer, über den Meyer immer wieder fällt, ohne ihn jemals aus dem Weg zu räumen. Wandas Rasse ist friedliebend und gutmütig. Nachdem sie die Erde übernommen hatten, gab es in den Nachrichten nur noch Erfreuliches zu berichten und bei den Olympischen Spielen bekamen alle Teilnehmer eine Medaille. Wanda wird schon schlecht, wenn Melanie nur an Gewalt denkt. Und doch hat Wandas Rasse praktisch die gesamte Menschheit ausgelöscht, ohne zu realisieren, dass ihre Anwesenheit eventuell unerwünscht sein könnte. „Alles, was wir uns nahmen, machten wir besser, friedlicher und schöner“, sagt sie an einer Stelle, als wäre das Grund genug, einen Planeten zu übernehmen. Wanda fühlt sich hingezogen zu all diesen Lebensformen, respektiert und liebt sie gar. Doch auf der anderen Seite stellt sie eine ungeheure Arroganz zur Schau, einen stetigen Unwillen, andere Lebewesen als eigenständig zu akzeptieren. Sie verabscheut Gewalt, spricht aber im gleichen Atemzug völlig leidenschaftslos von Euthanasie: „Ein Körper, der nicht richtig funktionierte, wurde schnell und schmerzlos aussortiert, denn er war genauso unnütz wie ein Auto, das nicht fuhr.“ Dass sie einen Menschen tötet, wenn sie dessen Körper und Geist übernimmt, erkennt sie nicht als Mord. Sie hat hehre moralische Überzeugungen, doch letztendlich ist sie nicht anders als jedes andere Lebewesen – willens, über Leichen zu gehen, um das eigene Überleben zu sichern. Wanda verweigert sich dieser Erkenntnis stetig, und auch Meyer trägt nichts dazu bei, den Kern dieses Widerspruchs zu ergründen oder aufzulösen.

Trotzdem, „Seelen“ ist unterhaltsam, meistens sogar kurzweilig. Gerade der Anfang der Geschichte überzeugt auf ganzer Linie, wohl auch, weil der Leser vollauf damit beschäftigt ist, sich in dieser fremden Welt zurechtzufinden. Meyer kann dieses Tempo nicht halten, der Schluss ist zudem zu zuckrig und lässt zu viele unbequeme Fragen zurück, als dass man uneingeschränkt glücklich mit der Auflösung sein könnte. Doch Meyers Geschichte lebt von Melanie und Wanda. Wenn man diese beiden mag, wird man die Lektüre nicht bereuen.

|Originaltitel: The Host
861 Seiten, gebunden
ISBN-13: 978-3-551-58190-7|

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_Mehr von Stephenie Meyer auf |Buchwurm.info|:_

[„Bis(s) zum Morgengrauen“ 4600 (Bella und Edward 1)
[„Bis(s) zur Mittagsstunde“ 4647 (Bella und Edward 2)

James White – Das Raumschiff der Rätsel

Der erste Kontakt zwischen Menschen und Außerirdischen gestaltet sich erst schwierig und dann katastrophal, bis die zahlreichen Probleme mit Verstand und Mut gemeistert sind … – Die beliebte Story vom Treffen mit dem Unbekannten wird klug durchdacht und ohne vordergründiges Actiongetümmel, sondern spannend und mit vielen Überraschungen durchgespielt: ein kleiner aber ganz feiner SF-Klassiker.
James White – Das Raumschiff der Rätsel weiterlesen

Sapkowski, Andrzej – Erbe der Elfen, Das (Geralt-Saga, 1. Roman)

_Die Geralt-Saga:_

Vorgeschichte: _1_ [Der letzte Wunsch 3939
Vorgeschichte: _2_ [Das Schwert der Vorsehung 5327

_Roman 1_: [Das Erbe der Elfen 5334
_Roman 2_: [Die Zeit der Verachtung 5751

_Nach den Ereignissen der letzten Kurzgeschichte_ in „Das Schwert der Vorsehung“ hat Geralt Ciri in die verborgene Burg der Hexer gebracht. Während draußen alle möglichen Gerüchte über den Verbleib des Löwenjungen von Chintra herumschwirren, wird die kleine Prinzessin in dem abgelegenen und verborgenen Tal zur Hexerin ausgebildet.

Obwohl die Ausbildung hart und anstrengend ist, ist Ciri mit großer Begeisterung bei der Sache, und man könnte meinen, es wäre alles in bester Ordnung. Doch Ciri hat auch gelegentlich unwillkürliche Aussetzer. Dann redet sie mit einer fremden Stimme, spricht wirres Zeug, aber auch Prophezeiungen und Drohungen aus. Die Hexer wissen sich nicht mehr zu helfen und bringen das Kind zu Mutter Nenneke in den Tempel der Melitele …

_“Das Erbe der Elfen“_ ist in der Entwicklung, die sich zwischen den beiden Erzählbänden des Hexer-Zyklus bereits abgezeichnet hat, noch einen Schritt weiter gegangen. Mit der Überschreitung der Grenze zwischen einer losen Geschichtensammlung und einem zusammenhängenden Roman kam zunächst eine wahre Flut an neuen Charakteren:

Der Erste ist Rience, der Zauberer. Er ist auf der Suche nach Ciri, und die Art und Weise seiner Nachforschungen ist nicht gerade besonders fein. Doch so sehr er auch den Befragten gegenüber seine Überlegenheit herauskehrt, allzu mächtig scheint er tatsächlich nicht zu sein. Jemand wie Yennefer könnte wohl problemlos mit ihm fertig werden – wenn er nicht über die Möglichkeit verfügte, Hilfe zu holen. Sehr schnelle Hilfe. Und sehr mächtige …

Ein weiterer Neuzugang ist Emhyr var Emreis, der König der Nilfgaarder. Die Nilfgaarder haben Chintra überfallen, die Stadt dem Erdboden gleich und Ciri zum Flüchtling gemacht. Sie haben alles niedergemetzelt, was ihnen an Lebewesen unter die Waffen geraten ist, bis sie an der Jaruga gestoppt wurden. Emhyr allerdings macht bisher nicht den Eindruck eines machtgierigen Despoten, auch nicht den eines irren Fanatikers. Tatsächlich wirkt er ausgesprochen vernünftig, ja geradezu sympatisch, allerdings auch streng bis zur Gnadenlosigkeit. Nicht von ungefähr ist sein Heer so schlagkräftig. Emhyr ist ein mächtiger Mann, und er ist sich dessen durchaus bewusst. Was allerdings bisher noch fehlt, ist eine Antwort auf die Frage, was ihn antreibt, warum er versucht, den gesamten Kontinent zu unterwerfen. Denn genau das tut er …

Dann wäre da noch der Zauberer Vilgefortz zu erwähnen, ein einflussreicher Mann, der das Kapitel der Zauberer dominiert. Allerdings ist Vilgefortz ein höchst undurchsichtiger Charakter, stets verbindlich lächelnd und höflich und ein echter Politiker: Er redet, ohne etwas zu sagen, und vor allem, ohne seine eigenen Gedanken und Absichten zu verraten. Er taucht nur in einer einzigen Szene kurz auf, aber ich wette trotzdem, dass dieser Mann für die zukünftigen Geschehnisse noch wichtig werden wird! Das Gleiche gilt für die Zauberin Philippa, die ganz offensichtlich nicht nur als Beraterin eines Königs und für dessen Geheimdienst arbeitet.

Dazu kommen noch eine Menge anderer Personen, so diverse Könige und Königinnen, ein Spionagechef und noch weitere Zauberinnen und Zauberer. Kein Wunder, dass die bisherigen Hauptfiguren, Rittersporn, Yennefer und selbst Geralt ein wenig in den Hintergrund zu treten scheinen. Eigentlich schade, zumal sich an Rittersporn ganz neue, ungeahnte Seiten offenbart haben. Die interessant angelegten Figuren Rience und Emhyr könnten das aber durchaus wettmachen.

_Die Handlung_ lässt sich grob in drei Teile gliedern. Im ersten wird hauptsächlich aus der Sicht der Zauberin Triss Merrigold erzählt, die die Hexer in ihren Schlupfwinkel gerufen haben, damit sie herausfindet, was es mit Ciris Visionen auf sich hat. Triss ist aber überfordert und empfiehlt Geralt, Yennefer um Hilfe zu bitten. Auf der Reise zum Tempel der Melitele verschiebt sich der Blickwinkel hin zu Ciri, sodass deutlich wird, wie das Mädchen darum kämpft, die Welt zu verstehen, aber auch, wie leicht beeinflussbar es noch ist.

Der zweite Teil ist davon durch einen Zeitsprung getrennt. Plötzlich ist Geralt allein. Er und Rience umkreisen einander wie zwei Gladiatoren in der Arena. Jeder will den anderen in die Finger kriegen, wartet auf eine Schritt des anderen. Doch jedes Mal, wenn es so weit ist, funkt jemand Drittes dazwischen!

Der dritte und kürzeste Teil ist vom zweiten wiederum eher räumlich getrennt, der Übergang dorthin nicht so scharf, sondern eher fließend. Er dreht sich um Ciris Ausbildung im Tempel und ihre Beziehung zu ihrer Ausbilderin Yennefer.

Natürlich hat Andrzej Sapkowski sich nicht allein darauf beschränkt. Auf dem Weg zum Tempel der Melitele geht natürlich bei weitem nicht alles glatt, und damit ist nicht nur die Action gemeint, die der Autor an dieser Stelle eingebaut hat. Ganz nebenbei, vor allem in den Gesprächen Geralts mit den Leuten, die ihnen begegnen, den Mitgliedern der Karawane, mit der sie reisen, entwickelt Sapkowski den Hintergrund für die Ereignisse um Geralt und sein Mündel Ciri: den aufflackernden Widerstand der Elfen, den Zwiespalt der Zwerge, die Unsicherheit unter den Menschen; die lauernde Bedrohung durch Nilfgaard, dessen Truppen am südlichen Ufer der Jaruga sitzen wie eine lauernde Spinne, deren billige Waren den Markt des Gegners überschwemmen und deren Münzen einheimische Währungen verdrängen; die brodelnde Gerüchteküche, einander widersprechende Informationen, die immer neuen Prediger einer neuen Zeit; und die uralte Weissagung einer Elfe …

Sicher scheint nur, dass Ciri eine wichtige Rolle zukommt bei dem, was der Welt bevorsteht, und dass alle möglichen bekannten und unbekannten Parteien und Mächte mit allen Tricks versuchen, ihrer habhaft zu werden. Dabei scheinen die einzigen unparteiische Personen, denen es allein auf Ciris Wohlergehen ankommt, Geralt und Mutter Nenneke zu sein, wobei Geralt noch immer verzweifelt versucht, seine Neutralität zu wahren, etwas, was ihm angesichts der Prophezeiung und Ciris besonderer Rolle darin kaum gelingen dürfte.

Das ist der wahrscheinlich gravierendste Unterschied zu den beiden vorangegangenen Erzählbänden. Die Leichtigkeit, die Gewissheit, dass es sich hier nur um kleine, unterhaltsame Abenteuer ohne gravierendere Folgen handelt, ist völlig verschwunden. Auch die bisherigen Anspielungen auf die Märchenwelt fehlen nun. Hier geht es nicht mehr allein um mehr oder weniger amüsante oder spannende Episoden aus dem Leben eines schrägen Sonderlings mit ein paar augenzwinkernden Seitenhieben auf ein verwandtes Genre. Diesmal geht es um tiefgreifende Umwälzungen, um das Ende einer Epoche.

Das zeigt sich nicht nur in der Form, in der steigenden Zahl von Charakteren und Handlungssträngen, sondern auch inhaltlich. Zum ersten Mal tauchen Details aus der Vergangenheit des Kontinents auf. Der Gegner ist nicht mehr ein stumpfsinniges Monster, sondern eine straff organisierte Masse gut ausgebildeter Kämpfer mit einem intelligenten, zielstrebigen Kopf an der Spitze. Und es ist beileibe nicht so, dass die Kontrahenten unter sich wären. Hier kochen die unterschiedlichsten Parteien jeweils an ihrem eigenen Süppchen, selbst dann, wenn sie vorgeben, mit ihren Nachbarn zusammenzuarbeiten, sodass aus dem schlichten Duell Held-Monster ein unüberschaubares Gewirr aus Interessen, Intrigen und Betrügereien geworden ist, in dem man niemandem mehr trauen kann.

_Mit anderen Worten:_ Der Übergang zum Romanzyklus ist abgeschlossen, und er ist vorbildlich gelungen. „Das Erbe der Elfen“ hat alles, was man von einem guten Fantasy-Roman erwartet: Geheimnisse, Verwicklungen, Intrigen, Verrat, einen unkonventionellen Helden und eine Heldin, die erst noch in die Schuhe hineinwachsen muss, welche die Geschichte für sie vorgesehen hat. Eine gesunde Mischung, zumal auch das Verhältnis zwischen den einzelnen Zutaten gut ausbalanciert ist. Mir persönlich hat trotzdem die Stimmung aus den Vorgängerbänden ein wenig gefehlt. Das gilt vor allem für Rittersporns unbekümmerte Leichtlebigkeit, auch wenn diese, zugegeben, zum jetzt herrschenden Grundtenor nicht mehr recht passen will.

Die Spannung hielt sich bisher noch in Grenzen. Die Kampfszenen sind anschaulich, aber kurz geraten. Sie bleiben zu sehr Zwischenspiel, um den Bogen ernsthaft zu straffen. Der Beschluss der am Geheimtreffen beteiligten Könige, Philippas ungewöhnliche Rolle im Kampf gegen Rience sowie der undurchsichtige Vilgefortz und der kühl berechnende König der Nilfgaarder tragen da wesentlich mehr dazu bei, dass die Spannung steigt. Ein Netz zieht sich um Ciri zusammen, und auch wenn der Zugriff nicht in diesem Band erfolgt, sind die Aussichten auf den nächsten ziemlich fesselnd – zumal die Tatsache, dass Yennefer Ciri zur Zauberin ausbildet, noch für saftigen Krach zwischen Yennefer und Geralt sorgen dürfte. Der Leser darf also auf den nächsten Band sehr gespannt sein.

_Andrzej Sapkowski_ ist Literaturkritiker und Schriftsteller und nebenbei Polens bekanntester Fantasy-Autor. Der |Hexer|-Zyklus diente bereits als Grundlage für einen Kinofilm und eine Fernsehserie sowie für das polnische Rollenspiel „Wiedzmin“. Auch das Computerspiel „The Witcher“ stammt von Sapkowski, ebenso die |Narrenturm|-Trilogie um die Abenteuer des jungen Medicus Reinmar von Bielau. Wann die Folgebände von „Das Erbe der Elfen“ auf Deutsch erscheinen werden, ist noch nicht bekannt.

|Originaltitel: Krew Elfów, 1994
Aus dem Polnischen von Erik Simon
368 Seiten, kartoniert|
http://www.der-hexer.de
http://hexer.wikia.com
http://www.dtv.de
http://www.sapkowski.pl
http://www.thewitcher.com

_Mehr von Andrzej Sapkowski auf |Buchwurm.info|:_

[„Der letzte Wunsch“ 3939 (Geralt-Saga, Band 1)
[„Das Schwert der Vorsehung“ 5327 (Geralt-Saga, Band 2)
[„Narrenturm“ 1884
[„Gottesstreiter“ 3367
[„Lux perpetua“ 4568

Armin Rößler – Argona (Argona-Trilogie, Band 3)

Der dritte Roman einer Trilogie hat die oft undankbare Aufgabe, die losen Fäden aus den Vorgängern zu einem stimmigen Ganzen zu verweben. Oft genug bleibt dabei die Spannung und der Erzählfluss auf der Strecke – gerade bei derart weitgespannten Zusammenhängen wie in Rößlers »Argona-Universum«. Wer dementsprechend ahnungsvoll nach »Argona« greift, wird beeindruckt sein. Rößler liefert ein Finale, das sich gewaschen hat.

Chronologisch vorgehen zu wollen, widerspräche der Abfolge der Romane, halten wir uns lieber an sie. Im ersten Band »Entheete« wird die gleichnamige Wesenheit vom Argonom Aulden unter dem Opfer seiner Artgenossin Chrom besiegt. »Andrade«, der zweite Roman, belehrt uns eines Besseren: Chrom und Entheete konnten ihre Bewusstseine in einen Ersatzkörper retten, kämpfen in diesem um Vorherrschaft und lösen damit mentale Todeswellen aus, die gegen eine bewohnte Welt branden. Der dort aufgewachsene Paul Andrade stellt sich gemeinsam mit seinem Vater Luz dem geistigen Potenzial der beiden und besiegt sie – indem er sie in sich aufnimmt. Auch der Geist von Luz findet bei ihm Zuflucht und hilft bei der Beherrschung der starken Entheete.

Die Heimatwelt der Argonomen heißt »Argona«. Hier fokussieren sich die Ereignisse im abschließenden Roman, wobei auch noch andere Geheimnisse der Geschichte gelüftet werden, zum Beispiel die Frage nach den kriegerischen Kotmun oder der Uneigennützigkeit der Wurmlochlotsen und noch weitere. Durch die vielfach verwobenen Umstände treffen hier die Protagonisten aller Romane aufeinander, obwohl ursprünglich zeitlich stark getrennt, und bewältigen gemeinsame Probleme. Die Vielzahl an facettenreich aufgebauten Personen findet hier ihre Berechtigung, auch wenn gerade dieser Punkt in den ersten Romanen noch als Kritikpunkt galt. Hier zeigt sich, dass die über drei Jahre entwickelte Geschichte im Ganzen ihrer anfangs übermäßig erscheinenden Komplexität gerecht wird und Rößler sich nicht nur erzählerisch steigert, sondern auch den vollständigen Überblick bewahrt hat. Mit überraschender Kreativität entwickelt sich in »Argona« eine Geschichte als Motivation und Rahmen für die vorherigen Erzählungen, sogar drei von Rößlers Kurzgeschichten finden nicht nur Eingang in diesen Kanon, sondern sind von tragender Bedeutung (ohne dass ihre Lektüre zwingend nötig wäre).

Der Buchrücken kündigt weitere Romane aus diesem Universum an. Tatsächlich bietet es Spielraum für viele unerzählte Geschichten, und Rößler lässt genug Potenzial für den Ausbau seiner Schöpfung und eventuelle Wiedersehen mit dem einen oder anderen Protagonisten. Wahrscheinlich lohnt sich das Warten …

Mit »Entheete« erschien 2006 der erste Science-Fiction-Roman im Wurdackverlag; damals war noch nicht absehbar, ob sich Fortsetzungen lohnen würden. Geht man von dieser Annahme aus, ist es doppelt erstaunlich, wie sich die drei Romane in ein stimmiges Bild fügen. Es zeugt von großer Schöpfungskraft des Autors, der jetzt offenbar nur noch »viel schreiben« muss, um sein handwerkliches Geschick zu verfeinern. Denn eine gemeinsame Schwäche aller seiner Romane und auch einiger Kurzgeschichten ist ein schleppender Auftakt, als wenn die ersten Seiten unter dem Zwang ihrer Bedeutung litten.

Armin Rößler ist zu einem wichtigen Menschen in der deutschen Science-Fiction-Welt geworden. Seine Kurzgeschichten sind zwar nicht bahnbrechend, aber sie finden ihre Leser und müssen wohl als Sprungbrett für den Autor gelten, von dem aus er sich gerade für die deutsche SF-Kurzgeschichte stark gemacht hat. Die gesamte SF-Reihe des Wurdackverlags betreut er als Herausgeber, was insbesondere durch die anfangs in schöner Qualität und Regelmäßigkeit erschienenen Kurzgeschichtensammlungen sehr wertvoll ist. Bedauerlich ist nur der Rückgang an diesen Sammlungen zu Gunsten von Romanen, aber offenbar muss sich auch der Wurdackverlag den Gesetzen des Marktes beugen – wie sonst soll man das vollständige Fehlen weiterer offener Kurzgeschichtenanthologien im Verlagsprogramm deuten? Trotzdem bot Rößler zusammen mit Verlag und Kollegen gerade unbekannten Talenten eine Plattform, wie sie in Deutschland einzigartig ist. Ich möchte mit der obigen Vermutung am liebsten danebenliegen und von weiteren Anthologien der anfänglichen Form überrascht werden.

Seine Arbeit als Herausgeber ebnete Rößler den Weg zu eigenen Veröffentlichungen in Romanform. Nach einem Fantasyroman liegt mit der »Argona«-Trilogie nun der vierte Roman von ihm vor, und es ist durchaus eine erzählerische Steigerung zu verzeichnen. Da es ihm offenbar nicht an Kreativität und Ideen mangelt, beweist er hoffentlich auch das nötige Durchhaltevermögen für die Fortsetzung seiner guten Arbeit.

Zusammengefasst heißt das: Die »Argona«-Trilogie ist in ihrer Vollständigkeit sehr lesenswert und bietet hohen Unterhaltungswert plus echtem sense of wonder – ein ausgelutschter Ausdruck für eine stimmungsvolle Geschichte.

Der Autor vergibt: (4/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (1 Stimmen, Durchschnitt: 5,00 von 5)

Meyer, Kai – Dschinnland (Die Sturmkönige 1)

Kai Meyers Romane grenzen sich auf angenehme Weise von der klassischen Fantasyliteratur ab. Anstatt auf Elfen, Zwerge und Orks zurückzugreifen und den immer gleichen Kampf Gut gegen Böse lediglich leicht abzuwandeln, setzt der deutsche Autor auf reale oder zumindest in der Realität verwurzelte Sagen, Mythen und Schauplätze und verknüpft sie behutsam mit wenigen, dann aber umso effektiveren fantastischen Elementen.

Nach seinem „Merle“-Zyklus in einem abenteuerlichen Venedig, den „Wellenläufern“ vor dem Hintergrund einer bunten Piratenwelt und der „Wolkenvolk“-Trilogie in einem fremden und zugleich magischen China spielt Kay Meyers neuester Dreiteiler „Die Sturmkönige“ im Orient. Im Zentrum steht Bagdad. Fern des Bildes einer bombardierten und von Terroranschlägen gezeichneten Stadt, wie man die irakische Metropole fast täglich in den Medien zu sehen bekommt, lässt sie Meyer im Glanz vergangener Tage aufleben. So ist es kein Zufall, dass die Welt an die Märchen aus Tausendundeiner Nacht erinnert. „Dschinnland“ hat der deutsche Vielschreiber den Auftaktsband seiner Trilogie betitelt, und eben dort hindurch müssen seine Hauptfiguren, um in die legendäre Stadt und das Zentrum der Welt zu gelangen. Eine Reise, die so manches Abenteuer bereithält.

_Inhalt_

Die Handlung beginnt in Sarmakand, und dort ohne große Vorgeschichte, sondern mitten in einem nächtlichen Rennen auf fliegenden Teppichen – quer durch die engen Gassen und gut bewachten Regierungsgebäude. Tarik al-Jamal ist ein Meister seines Fachs und beherrscht die Kunst des Teppichfliegens wie kein zweiter. Wenn er Geld braucht, meldet er sich kurzerhand bei einem der verbotenen Rennen an. Die Gefahr ist groß, das Preisgeld für den Sieger daher mehr als üppig. Es geht hart zur Sache, die Konkurrenten bedrängen sich gegenseitig und provozieren den Kontrollverlust des anderen, um ein Absturz über den Dächern der Stadt zu erzwingen. Ins Ziel kommen nur wenige. Wer mit samt Teppich in die Tiefe stürzt, hat Glück, wenn ihn nur die Bettler finden und den Besitzer um den kostbaren Teppich bringen. Wer Pech hat, wird von den Soldaten geschnappt und binnen weniger Tage hingerichtet, denn auf die Benutzung fliegender Teppiche steht die Todesstrafe. Gut für Tarik, das er noch nie verloren hat und bisher immer als Sieger aus den Rennen gehen konnte – zumindest bis zur besagten Nacht.

Tarik hat für seine knapp dreißig Jahre ein ereignisreiches Leben hinter sich. Als Schmuggler machte er sich einen Namen, weil er die gefährliche Route zwischen Samarkand und Bagdad etliche Male zurückgelegt hatte – mitten durchs gefürchtete Dschinnland, eine Einöde, in der die Dschinne das Sagen haben. Und die machen kurzen Prozess mit jedem Menschen, der ihr Territorium durchquert. Es war ein Fehler, auf seinem letzten Flug durch die Wüste seine große Liebe Maryam mitzunehmen – sie musste sterben, weil Tarik sie nicht beschützen konnte. Er verließ nach diesem Vorfall nie wieder Samarkand und plagte sich mit Gewissensbissen. Noch einmal würde er solch einen Fehler nicht begehen.

Doch wie es das Schicksal so will, kollidiert Tarik in jener Nacht während des Teppichrennens auf einer Mauer mit dem Mädchen Sabatea und stürzt zu Boden. Sofort sammeln sich zwielichtige Gestalten um sie. Tarik will schon wieder abheben, um das Rennen doch noch zu gewinnen, besinnt sich dann aber eines Besseren und opfert den Sieg, um das Mädchen vor den Straßenräubern zu verteidigen. Sabatea erweist ihre Dankbarkeit auf äußerst frivole Weise – aber sie hat noch mehr im Sinn, als sich ihrer Lust hinzugeben. Denn sie will nach Bagdad und braucht dafür einen einen tapferen Begleiter. Was für ein Zufall, dass sie ausgerechnet mit dem besten Teppichflieger der Stadt zusammengestoßen ist. Doch Tarik lässt sich trotz ihrer weiblichen Reize nicht überreden und lehnt ihr Angebot ab. Den Tod einer Begleiterin im mörderischen Dschinnland will er kein zweites Mal verantworten.

Sabatea hat allerdings ein weiteres Ass im Ärmel. Sie wendet sich an Junis, Tariks jüngeren Bruder, der immer in dessen Schatten gestanden hat und nun beweisen will, dass er eine Reise nach Bagdad auf sich nehmen kann. Als Tarik von dem Aufbruch der beiden erfährt, ist er hin- und hergerissen. Letztendlich entscheidet er sich dazu, Junis und Sabatea zu folgen. So weiß er sich zumindest in ihrer Nähe und muss später nicht vorwerfen, gleichgültig zu Hause geblieben zu sein. Für die zwei ungleichen Brüder und ihre Gefährtin Sabatea beginnt eine Reise voller Gefahren in einem Land, das sich im Aufbruch befindet. Denn den Blick gerichtet auf ihre eigenen Städte, wo sie sich mit genügen Sorgen und Nöten herumplagen müssen, haben die Menschen die Dschinne aus den Augen verloren. Ein Umstand, den sich die Bewohner der Einöde zwischen Bagdad und Samarkand zunutze machen.

_Bewertung_

Die Dreiecksbeziehung zwischen Tarik, Junis und Sabatea steht im Vordergrund der Erzählung. Alle drei haben unterschiedliche Motive, eine Reise durch das Dschinnland zu wagen. Bei allen Unterschieden müssen sie aber zusammenarbeiten, wenn sie den beschwerlichen Weg meistern wollen. Ein Unterfangen, das genügend Konfliktpotenzial bereit hält. Die zwischenmenschlichen Beziehungen sind es, mit denen Kai Meyer seinen Spannungsbogen zieht. Er schafft damit ein solides Grundgerüst, das den Charakteren wesentlich mehr Tiefe verleiht, als wenn der Ansporn ihres Handelns, wie leider im Fantasygenre eher die Regel als die Ausnahme, außerhalb der Personen liegt und über Prophezeiungen oder Visionen an sie herangetragen wird.

Ganz klischeefrei kommt Dschinnland aber nicht daher. Der Leser muss sich damit begnügen, dass Sabatea mit ihren weiblichen Reizen und ihrer geheimnisvollen Art genauso die typischen Rollenmuster bedient wie der große, aber innerlich zerrissene Held Tarik und sein kleiner, gerne aufbegehrender Bruder Junis. Und was die weiblichen Reize schon vermuten lassen: Die „Sturmkönige“-Trilogie richtet sich an ein erwachsenes Lesepublikum. Obwohl ein Großteil der Handlung durchaus jugendbuchkonform ist, schlägt Meyer stellenweise im Stil um. Vor allem eine Sexszene gleich zu Beginn hat es in sich. Das romantische, hübsch aufgemachte Cover des Buches, das „Die Sturmkönige“ ohne Weiteres im Buchhandel einen Platz im All-Age- oder Junge-Leser-Bereich verschafft, sollte darüber nicht hinwegtäuschen.

Verziert wird die in sich plausible Charakterzeichnung des Romans durch eine fantastische Welt. Fliegende Teppiche, Dschinne, weite Wüsten, hängende Städte und groteske Götzen sind die Bausteine, aus denen sich auch die Märchen aus Tausendundeiner Nacht zusammensetzen. Kai Meyer spart nicht damit, auf die bekannten Versatzstücke zurückzugreifen, bewahrt sich jedoch davor, sie nur hier und da als Schmuckstücke zu gebrauchen. Vielmehr verfremdet er das Setting und fügt angenehme Details hinzu, die der Handlung förderlich sind. Teppichrennen ist keine Freizeitbeschäftigung, sondern ein illegales Geschäft, das mit Blut bezahlt wird. Die Dschinne sind ebenso wenig harmlose Wesen und entschlüpfen keinen magischen Flaschen, wenn man nur lang genug an ihnen reibt. Wünsche erfüllen sie schon gar nicht. Stattdessen beschreibt sie Meyer als hagere, knochige Wesen mit dämonoiden Zügen, die für den Kampf geboren und den Menschen in Stärke und Ausdauer weit überlegen sind. So hat man Dschinne fürwahr noch nie erlebt. Doch so grausam sie auch sein mögen, nicht alles im Dschinnland ist den drei Helden feindlich gesonnen.

_Fazit_

„Dschinnland“ bildet den Auftakt der „Sturmkönige“-Trilogie. Was es mit den titelgebenden Sturmkönigen auf sich hat, erfährt der Leser erst im späteren Teil des ersten Bandes und soll hier noch nicht enthüllt werden. Nur so viel: Was mit einem zwar gefährlichen, aber noch verhältnismäßig harmlosen Teppichrennen beginnt, steigert sich im Verlauf der Handlung zu einem Abenteuer, das an den Grundfesten der Welt rüttelt. Zwar fällt der Mittelteil hie und da etwas lang aus, am Ende entschädigt Kay Meyer aber mit einem Cliffhanger, der es in sich hat und das Warten auf den zweiten Teil fast unerträglich macht. Ein spannender Roman, der aber nicht ganz an frühere Bände von Meyer heranreicht. Was nicht ist, kann aber ja noch werden.

|428 Seiten, gebunden
ISBN-13: 978-3-7857-2336-4|
http://www.sturmkoenige.de
http://www.kai-meyer.com
http://www.luebbe.de

Barclay, James – verlorene Reich, Das (Die Kinder von Estorea 1)

„Das verlorene Reich“ ist ein beunruhigendes Buch. Beängstigend deshalb, weil die Zeit nach seiner Raben-Saga mit riesiger Leere gefüllt war und seither keine Fantasy-Story mehr mit solch fesselnden Charakteren besetzt werden konnte. Beunruhigend schließlich auch, weil die Befürchtung vor Erscheinen dieses Bandes bestand, dass Barclay an seinem eigenen Schaffenswerk scheitern und die immensen Erwartungshaltungen seiner Leserschaft nicht befriedigen könnte. Und zu guter Letzt auch deswegen, weil trotz allem der Verdacht im Raume stand, dass es dem britischen Autor gelingen könnte, für weitere zahllose schlaflose Nächte zu sorgen, weil man völlig in seinen neuen Geschichten versunken ist.

Mit dem ersten Band seines neuen Zyklus „Die Kinder von Estorea“ stellt er nun sich, vor allem aber seine zahlreichen Fans vor eine harte Probe. Doch Barclay wäre schließlich nicht Barclay, könnte er nicht auch diese schwierige Aufgabe mit Bravour bewältigen.

_Story_

Seit nunmehr 850 Jahren breitet sich die estoreanische Konkordanz kontinuierlich aus und führt ihren Glauben mit zielgerichteten Eroberungszügen durch die gesamte Welt. Advokatin Herine del Aglios, die aktuelle Machthaberin, strebt auch nach den erfolgreichsten Jahren in der Geschichte des Imperiums nach einer Erweiterung ihres Reiches, während Kanzlerin Felice Koroyan zugleich jederzeit bereit ist, Ketzerei und mangelnde Glaubensbereitschaft innerhalb der Grenzen der Konkordanz hart zu bestrafen.

In diesen Zeiten wachsen in der Provinz Westfallen vier junge Menschen auf, die den Prophezeiungen nach über ganz besondere Fähigkeiten verfügen und endlich die Bewegung des Aufstiegs an ihr Ziel bringen sollen. In der Obhut von Ardol Kessian, dem Vater des Aufstiegs, werden sie ausgebildet, gleichzeitig aber auch vor allen äußeren Einflüssen geschützt, um ihre Fähigkeiten reifen zu lassen und nicht vorzeitig vom Orden der Kanzlerin entdeckt zu werden. Lange Jahre bleiben sie im ländlichen Westfallen verborgen, bis der diplomatische Schatzkanzler Jhered der Provinz einen Besuch abstattet. Dessen Stillschweigen bringt die Kanzlerin auf den Plan und soll die Zukunft der Kinder von Estorea für immer verändern.

Herine del Aglios wird ebenfalls von den Entwicklungen in Westfallen in Kenntnis gesetzt, muss aber gleichzeitig an anderer Front kämpfen. Der letzte Eroberungszug der estoreanisch- atreskanischen Armee droht zu einem fürchterlichen Desaster zu werden, da die gegnerischen Truppen aus Tsard weitaus stärker sind, als man zunächst gedacht hatte. Während die eigenen Truppen zurückgeworfen werden, beginnt das Imperium zum ersten Mal zu wanken, denn um dem sicheren Tod zu entgehen, denken die Führer einst eroberter Provinzen darüber nach, ihrer Loyalität abzuschwören und sich von der Fessel der Konkordanz zu befreien …

_Persönlicher Eindruck_

„Das verlorene Reich“ ist wohl genau das, was man vom ersten Band einer epischen Saga wie dieser erwarten sollte, nämlich eine bedachte Einführung in das Handlungskonzept und das eigentliche Szenario, das jedoch selbst für eine detailverliebten Schreiber wie Barclay sehr, sehr ausführlich ausgefallen ist. Allerdings sind die Hintergründe dieses Mal auch eine ganze Spur umfassender als seinerzeit beim |Raben|. Die Geschichte der Konkordanz und ihrer kontinuierlichen Eroberung hat quantitativ weitaus mehr zu bieten als der Background der beliebten Söldnertruppe und bedarf gerade wegen der teils recht komplexen Verstrickungen detaillierter Erklärungen. Hinzu kommt, dass sich die Story zunächst nicht auf eine konkrete Personengruppe konzentriert. Zwar sind die entscheidenden Figuren im ersten Band schon klar definiert, doch da sie über ein viel größeres Feld agieren und die meisten Charakterprofile bei weitem noch nicht gefestigt sind, ist auch hier eine gezielte Einführung notwendig, um die Verstrickungen und Beziehungen besser einschätzen zu können.

Barclay indes scheint die hierbei entstehende Ruhe im Erzähltempo sichtlich zu genießen. Er ist weit entfernt vom letzten Schlachtenlärm der Rabenkrieger und geht stellenweise fast schon ein wenig selbstverliebt vor, was die Ausführlichkeit seiner Personen- und Lokalbeschreibungen angeht. Dies hat zur Folge, dass sich das Buch gerade in der ersten Hälfte ein wenig zäh liest, weil einfach noch kein festes Muster besteht und man dem eigentlichen Fokus der Story ein wenig hinterherrennt. Jedoch lässt sich dies bei einem solchen Komplex wohl einfach nicht vermeiden und sorgt folgerichtig in der zweiten Halbzeit dafür, dass die Geschichte ihre eigentliche Dynamik annimmt und man den Autor wieder in echter Höchstform erlebt.

Und dennoch ist „Das verlorene Reich“ an sich ein stiller Band und gerade deswegen für einen Auftakt ein wenig außergewöhnlich. Die Action steckt maßgeblich zurück, auch wenn hier und dort Szenen aus den aktuellen Schlachten erwähnt sind. Ferner unterliegt die Geschichte erst einmal keiner temporeichen Dramaturgie, weil sich der Autor die Zeit lässt, den Unterbau seiner Saga in aller Ausführlichkeit zu beleuchten. Aber auch die Atmosphäre lässt sich mit kaum einer anderen Geschichte vergleichen und schon gar nicht pauschal einordnen. Es ist dieses Gefühl von stiller Magie in der Luft, welches sich einfach nicht ignorieren lässt, den Barclay-Fan aber gerade auf den enorm spannenden letzten 200 Seiten wieder in seinem Enthusiasmus bestätigt.

Barclay hat es dementsprechend auch wieder gemeistert, das Publikum in seinen Bann zu schlagen. „Die Kinder von Estorea“ liefern mit diesem Band den gelungenen, vielversprechenden Auftakt einer neuen Fantasy-Saga, die zwar mit Barclays bisherigem Schaffen kaum zu vergleichen ist, aber erneut deutlich seine geniale Handschrift trägt. Fraglos kündigt sich hier eine weitere Sternstunde der literarischen Fantasy an!

|Originaltitel: Cry of the Newborn (Part 1)
Übersetzung von Jürgen Langowski
591 Seiten, kartoniert
ISBN-13: 978-3-453-52377-7|
http://www.heyne.de
http://www.theascendants.co.uk
http://www.ravengazetteer.com
http://www.jamesbarclay.com

_James Barclay auf |Buchwurm.info|:_

|Die Chroniken des Raben|:

[„Zauberbann“ 892
[„Drachenschwur“ 909
[„Schattenpfad“ 1386
[„Himmelsriss“ 1815
[„Nachtkind“ 1982
[„Elfenmagier“ 2262

|Die Legenden des Raben|:

[„Schicksalswege“ 2598
[„Elfenjagd“ 3233
[„Schattenherz“ 3520
[„Zauberkrieg“ 3952
[„Drachenlord“ 3953
[„Heldensturz“ 4916

Fallon, Jennifer – Götter von Amyrantha, Die (Gezeitenstern-Saga 2)

Band 1: [„Der unsterbliche Prinz“ 4899

_Eigentlich kann Declan Hawkes sich nicht über einen Mangel an Schwierigkeiten beklagen._ Nicht nur, dass Jaxyn Aranville und Diala den jungen Kronprinzen völlig unter ihrer Fuchtel haben und dass Jaxyn die Ermordung des Königspaares plant! Nein, der Geheimdienstchef von Caelum nötigt ihm auch noch Niah, Caelums elfjährige Kronprinzessin, auf, um sie vor einem Hochzeitsanwärter in Sicherheit zu bringen, der kein Geringerer ist als Tryan, der Gezeitenfürst, den das Tarot den „Teufel“ nennt! Der Meisterspion ahnt nicht, dass ihm noch weit Schlimmeres bevorsteht …

Arkady, die ihren strafversetzten Gemahl Stellan nach Torlenien begleitet hat, versucht dort, sich trotz aller Einschränkungen, denen Frauen unterworfen sind, nützlich zu machen. Tatsächlich gelingt es ihr, sich mit Chintara, der Gemahlin des Kaisers, anzufreunden. Als Stellan jedoch Torlenien verlässt, um der Beisetzung des glaebischen Königspaares beizuwohnen, gerät Arkady in einen Strudel aus widersprüchlichsten Interessen und damit in höchste Gefahr …

Cayal hat sich derweil aus dem Bergwerk, in dem Jaxyn ihn verschüttet hat, wieder ausgegraben und ist Arkady nach Torlenien gefolgt, dann allerdings in einer Schänke hängengeblieben, wo er den Zwiespalt, ob er die Liebe zu Arkady zulassen oder weiterhin nach einem Weg in den Tod suchen soll, in Alkohol zu ertränken versucht. Da steht überraschend der älteste der Gezeitenfürsten, Lukys, in der Tür, ohne seine ebenfalls unsterbliche Ratte Coron. Cayal kann es kaum glauben, als Lukys ihm erzählt, Coron sei … tot!

_Im zweiten Band des Zyklus nimmt die Geschichte merklich Fahrt auf._ Das liegt unter anderem an den zusätzlichen Charakteren:

Warlock, der Canide, tauchte bereits im ersten Band auf. Obwohl seine Gefährtin Boots inzwischen trächtig ist, lässt Warlock sich von Declan Hawkes als Spion anheuern. Denn auf die Crasii, die bisher auf seiner Gehaltsliste standen, ist kein Verlass mehr, seit Jaxyn und Diala im Palast wohnen. Warlock dagegen ist ein Ark, ein Crasii, dem der absolute Gehorsam gegenüber den Gezeitenfürsten fehlt. Warlock stellt allerdings bald fest, dass es ausgesprochen schwierig ist, ein Spion zu sein …

Tiji hat damit kaum Probleme. Sie ist ein ausgesprochen seltenes Exemplar, eine Chamäleon-Crasii. Und sie ist von Declan Hawkes dazu ausgebildet worden zu spionieren. Ihre Reise nach Torlenien gestaltet sich allerdings außergewöhnlich kompliziert, denn zum ersten Mal arbeitet Tiji nicht alleine. Nicht, dass Arkady dumm oder leichtsinnig wäre, doch als Crasii spürt Tiji Cayals Gegenwart. Und es ist ihr auch bald klar, dass die Beziehung zwischen Cayal und Arkady die notwendigen Prioritäten durcheinanderzubringen droht.

Abgesehen von diesen beiden taucht nach und nach auch eine immer größere Zahl an Unsterblichen auf. Die meisten gehören zum Kaliber von Jaxyn und Diala. Kinta dagegen scheint zwar nicht wirklich boshaft oder grausam zu sein, zeigt aber dennoch den uneingeschränkten Egoismus und die Gleichgültigkeit, die allen Gezeitenfürsten eigen zu sein scheint. Brynden, der sich laut Cayals Erzählungen bisher nur um sich selbst gekümmert hat, pflegt seit dem Seitensprung seiner Frau eine Rachsucht, die ebenso unveränderlich und unsterblich zu sein scheint wie er selbst. Die faszinierendste Persönlichkeit unter den Gezeitenfürsten allerdings ist Lukys, der sich stets aus allen Streitigkeiten heraushielt, niemals Partei für irgendjemanden ergriffen hat, sondern die meiste Zeit mit der Erforschung der Gezeiten beschäftigt war, was ihn wahrscheinlich zum gefährlichsten aller Gezeitenfürsten macht. Lukys läßt sich von niemandem in die Karten schauen, und doch wird bald klar, dass er ein doppeltes Spiel spielt, falls das überhaupt reicht. Die Frage ist nur: Was will er?

Natürlich hat die Tatsache, dass die Autorin sich in diesem Band vermehrt anderen Charakteren gewidmet hat, die Intensität von Cayals und Arkadys Charakterzeichnung etwas abgeschwächt. Die Neuzugänge waren allerdings ein so großer Gewinn, dass sich daraus keine negativen Konsequenzen ergeben haben.

Auch die Rückblenden sind stark zurückgegangen, was ebenfalls kein Problem darstellt. Durch die größere Personenzahl haben die Verwicklungen beträchtlich an Umfang zugelegt. Jaxyn, der schon dabei war, die Hand nach dem Thron von Glaeba auszustrecken, wird durch die Clique der Gezeitenfürsten in Caelum ausgebremst. Cayal, der es durch seinen Wankelmut und seine Ungeschicklichkeit beinahe schafft, sich die letzten Sympathien bei Arkady zu verscherzen, gelingt es auch noch, sich von Brynden übers Ohr hauen zu lassen. Die Bruderschaft, die es sich zum Ziel gesetzt hat herauszufinden, wie man die Gezeitenfürsten töten kann, ist von den Gezeitenfürsten infiltriert worden, ohne es zu wissen. Und Declan Hawkes wird von Tilly, der Anführerin der Bruderschaft, gebeten, ausgerechnet den Mann zu retten, der Declans große Liebe geheiratet hat!

Natürlich enden alle diese Fäden letztlich in einem einzigen großen Knoten, und der Leser darf sich darauf freuen, ob und wie die Protagonisten aus diesem Schlamassel wieder herausfinden. Außerdem ist es der Autorin gelungen, jeden ihrer Handlungsstränge jeweils an einer Stelle abzubrechen, in der die Situation sich plötzlich und drastisch verändert hat. Das gilt vor allem für Declan, Arkady und Tiji. Und natürlich für den Epilog, dessen Folgen für die gesamte Welt völlig unabsehbar sind.

Mit der Spannung steht es in diesem Band ähnlich wie im vorigen. Sie entwickelt sich langsam, aber stetig und betrifft vor allem Warlock und Declan, ehe sie gegen Ende in allen Handlungssträngen durchschlägt, was vor allem an den überraschenden Wendungen zu diesem Zeitpunkt liegt.

_Um es kurz zu machen:_ „Die Götter von Amyrantha“ hat in jeder Hinsicht gehalten, was „Der unsterbliche Prinz“ versprochen hat. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass der dritte Band ebenfalls einlösen kann, was das Ende des zweiten in Aussicht stellt. Ich bin jetzt schon gespannt, wie es Arkady in Senestra ergehen und wie Declan mit der neusten Entwicklung fertig werden wird.

_Jennifer Fallon_ stammt aus einer großen Familie mit zwölf Geschwistern. Sie hat in den verschiedensten Jobs gearbeitet, unter anderem als Kaufhausdetektivin, Sporttrainerin und in der Jugendarbeit. Letzteres scheint ihr immer noch nachzuhängen, unter ihrem Dach leben außer drei eigenen Kindern einige obdachlose Jugendliche als Pflegekinder. Schreiben tut sie nebenher. Ihre erste Veröffentlichung war die |Dämonenkind|-Trilogie. Außerdem stammt die Trilogie |Second Sons| aus ihrer Feder. |Die Gezeitenstern|-Saga ist inzwischen bis Band drei gediehen, Band vier soll Ende des Jahres in Australien erscheinen. Wann der dritte Band auf Deutsch veröffentlicht wird, steht noch nicht fest.

|Originaltitel: The Gods of Amyrantha (The Tide Lords Book 2)
Ins Deutsche übertragen von Katrin Kremmler und Rene Satzer
574 Seiten, kartoniert
ISBN-13: 978-3-8025-8179-3|
http://www.jenniferfallon.com
http://www.egmont-lyx.com

_Mehr von Jennifer Fallon auf |Buchwurm.info|:_

[„Kind der Magie“ 1328 (Dämonenkind Band 1)
[„Kind der Götter“ 1332 (Dämonenkind Band 2)
[„Kind des Schicksals“ 1985 (Dämonenkind Band 3)
[„Erbin des Throns“ 2877 (Die Chroniken von Hythria 1)
[„Ritter des Throns“ 3327 (Die Chroniken von Hythria 2)
[„Herrscher des Throns“ 3878 (Die Chroniken von Hythria 3)

Ward, J. R. – Ewige Liebe (Black Dagger, Band 3)

Band 1: [„Nachtjagd“ 5283
Band 2: [„Blutopfer“ 5301

_Inhalt:_

|Düster, erotisch, unwiderstehlich – die letzten Vampire kämpfen um das Schicksal der Welt.|

Sie sind eine der geheimnisvollsten Bruderschaften, die je gegründet wurden: die Gemeinschaft der |Black Dagger|. Und sie schweben in tödlicher Gefahr: Denn die |Black Dagger| sind die letzten Vampire auf Erden, und nach jahrhundertelanger Jagd sind ihnen ihre Feinde gefährlich nahe gekommen. Doch Wrath, der ruhelose und maßlos attraktive Anführer der |Black Dagger|, weiß sich mit allen Mitteln zu wehren. Die Schlacht beginnt!

Band 3: Die Bruderschaft der |Black Dagger| konnte eine Schlacht für sich entscheiden, doch der Krieg gegen die Gesellschaft der Lesser tobt mit unverminderter Härte weiter. Nun, da Wrath den ihm angestammten Königsthron bestiegen hat, lastet der Schutz der Vampire nur noch auf wenigen Schultern. Immer gnadenloser werden die Methoden der Untoten, und ausgerechnet in dieser gefährlichen Lage droht die Bruderschaft, ihren stärksten und verlässlichsten Kämpfer zu verlieren: Rhage, der Schöne, der Unbesiegbare hat sich unsterblich verliebt – in Mary, die nicht nur ein Mensch, sondern auch unheilbar krank ist. Kann Rhage die Liebe seines Lebens retten und gleichzeitig weiter der Bruderschaft dienen? Und wird die Jungfrau der Schrift diesen Bruch der Traditionen hinnehmen? Rhage hat keine Wahl, er muss alles auf eine Karte setzen …

_Meine Meinung:_

Wer denkt, es ginge in diesem Band nahtlos mit Wrath und Beth weiter, sieht sich enttäuscht – nicht aber von diesem Roman, denn J. R.Ward zaubert das nächste „Paar“ aus dem Ärmel. So kommen denn Wrath und Beth nicht in diesem Serienroman vor bzw. abzählbar selten als Statisten. Wer jetzt denkt, dass damit die düster-erotische Atmosphäre der ersten beiden Bände unterbrochen wird, kann erleichtert aufatmen, denn die Autorin führt ihre Linie stringent fort.

Wieder leitet das Glossar mit den Begriffen und Eigennamen den Romantext ein, der mit Butch O’Neal beginnt. Der suspendierte Polizist, der durch Beth Bekanntschaft mit der Bruderschaft der |Black Dagger| machte, kann nicht mehr in seine Welt zurück und lebt nun mit den Brüdern, Wrath und Beth unter einem Dach zusammen. Besondere Freundschaft schließt er mit Vishous und Rhage (ein besonders gutaussehender Vampir) und leidet unter seiner Liebe zu der Vampirin Marissa, die sich aber seit Wochen von ihm fernhält, ohne ihm den Grund zu nennen.

Mit Mary Luce wird eine neue Person in die Serienhandlung eingeführt. Sie arbeitet in einer Anwaltskanzlei, lebt in einem kleinen Haus (umgebaute Scheune), war ehemals an Leukämie erkankt, arbeitet ehrenamtlich bei einer Selbstmord-Hotline und erhält dort merkwürdige Anrufe. Dann taucht John Matthew, ein schmächtiger, junger und stummer Mann, bei ihr auf. Bella, Marys schöne Nachbarin und Vampirin, erkennt ihn anhand seines Armbandes mit merkwürdigen Zeichen als Vampir vor der Transition. Die Zeichen bedeuten „TEHRROR“, der Name eines Kriegers. Womit J. R. Ward mit einem Schlag zwei weitere Charaktere einführt.

Bella nimmt sofort Kontakt mit den Black Daggern auf. Sie und Mary bringen John auf das Anwesen der Bruderschaft, die seit zwei Monaten Tohrment „Tohr“ anführt, da Wrath den Königsthron bestiegen hat. Auf Rhage lastet ein Fluch – im Kampf oder wenn er sich in emotionaler Erregung jedweder Art befindet, verwandelt er sich in ein Ungeheuer, bzw. das Ungeheuer, das in ihm lebt, tritt dann aus ihm heraus: jenes drachenähnliche Wesen mit dem Gebiss eines Tyrannosaurus‘ und messerscharfen Klauen, das auch als großes Tattoo seinen Rücken schmückt.

Als Mary Rhage das erste Mal erblickt, ist sie fasziniert von seiner Schönheit. Aber auch Rhage will sie unbedingt wiedersehen – zum Unwillen von Wrath und Tohr. Er trifft sich einige Male mit Mary, beide fühlen sich sexuell voneinander angezogen, doch Rhage hat Angst, dass das Untier aus ihm herausbricht, wenn er mit Mary schläft und sie dadurch gefährdet – und hält sich deswegen zurück. Mary wiederum, die nichts von dem weiß, was er wirklich ist und was in ihm schlummert, missversteht sein merkwürdiges Verhalten und schließt daraus, dass er, der von so strahlender Schönheit ist, sich nicht für eine Frau wie sie – eher unscheinbar und unattraktiv, so sieht sie sich zumindest – interessieren kann. So zieht auch sie sich verletzt zurück.

Dann bricht die Leukämie wieder in ihr aus und Rhage zieht es erneut in ihre Nähe. Sie wird Zeugin seines Kampfes mit Lessern und erfährt so, dass er ein Vampir ist. Nur von dem Untier in ihm sagt er ihr nichts. Er nimmt Mary zu ihrer Sicherheit mit auf das Anwesen der Bruderschaft, das Mary so schön wie ein russisches Zarenschloss erscheint. Wrath maßregelt Rhage dafür, dass er die Regel gebrochen und einen Menschen auf das Anwesen gebracht hat, gestattet ihm zwar, Mary dazubehalten, weil Rhage sie als seine „Partnerin“ bezeichnet, stellt ihm aber Bestrafung für den Verstoß in Aussicht.

John suchen erotische Träume heim, in denen er das Blut seiner Partnerinnen trinkt und diese seines – was ihn verunsichert. Tohr bietet ihm an, bei sich und seiner Shellan zu leben und bei den Black Daggern zu trainieren. Dann zeigt er John, dass er die gleiche runde Narbe wie er auf der Brust hat, und sagt ihm, dass er einer von ihnen sei.

Die Lesser, deren Rekrutierungszentrum und zehn Männer von Wrath und seinen Männern vernichtet wurden, formieren sich neu und beginnen in der Einöde mit dem Bau eines neuen Zentrums, mit der Möglichkeit, Gefangene (Vampire) unter Verschluss und Folter zu halten. Billy R., der zu ihnen gestoßen ist, macht eine schmerzhafte Erfahrung mit „Omega“; ebenso Mr. O, der für seinen fehlgeschlagenen Einsatz bestraft wird.

In diesem Band geht es vorrangig um Rhages und Marys Geschichte, den neuen Charakter John Matthew und die Lesser. Von daher wir die Serie immer komplexer und interessanter, und was das Positive dabei ist: Sie verliert keinen Deut an Fahrt, sondern die Handlungen der drei Bände bewegen sich auf gleichbleibendem Level. Diese Serie sei daher jedem Leser empfohlen – ob nun Vampirliteraturliebhabern oder einfach nur Leseratten, die sich gut unterhalten lassen möchten.

_Fazit:_ „Ewige Liebe“ ist ein temporeicher und spannender Serienband – mit der schon gewohnten Prise Erotik und Düsterkeit. Eine ausgewogene Mischung mit einer Handlung, die Lust auf mehr macht.

_Die Autorin:_

Jessica Rowley Pell Bird (geboren 1969 in Massachusetts, New England) ist sowohl unter ihrem Geburtsnamen Jessica Bird als auch unter ihrem Pseudonym J. R. Ward schriftstellerisch tätig. Sie ist die Tochter eines Bankvorstandes und einer Architekturzeichnerin und hält ein Diplom in Rechtswissenschaften. Sie ist seit 2001 mit dem Unternehmensberater Neville Blakemore verheiratet und lebt mit ihm mittlerweile in Louisville, Kentucky.

Ihren ersten Roman „Leaping Hearts“ veröffentlichte sie 2002 und erhielt 2007 den |Romantic Times Reviewer’s Choice Award| für „Lover Awakened“ aus der |Black Dagger|-Serie sowie im gleichen Jahr den |RITA Award| des Schriftstellerverbands „Romance Writers of America“ für ihr Buch „From the First“. Für beide Awards war sie darüber hinaus bereits vielfach nominiert.

|Die Black-Dagger-Serie:|

Dark Lover (September 2005) – „Nachtjagd“ (Part 1) und „Blutopfer“ (Part 2)
Lover Eternal (März 2006) – „Ewige Liebe“ (Part 1) und „Bruderkrieg“ (Part 2)
Lover Awakened (September 2006) – „Mondspur“ (Part 1) und „Dunkles Erwachen“ (Part 2)
Lover Revealed (März 2007) – „Menschenkind“ (Part 1) und „Vampirherz“ (Part 2)
Lover Unbound (September 2007) – „Seelenjäger“ (Part 1, deutsch im März 2009)
Lover Enshrined (Juni 2008)

|Originaltitel: Lover Eternal (Teil 3)
Taschenbuch, 272 Seiten
Aus dem Amerikanischen von Astrid Finke
Titelfoto von Dirk Schulz / Titelgestaltung von Animagic Bielefeld
ISBN-13: 978-3-453-52302-9|

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Sapkowski, Andrzej – Schwert der Vorsehung, Das (Geralt-Saga, Vorgeschichten 2)

_Die Geralt-Saga:_

Vorgeschichte: _1_ [Der letzte Wunsch 3939
Vorgeschichte: _2_ [Das Schwert der Vorsehung 5327

_Roman 1_: [Das Erbe der Elfen 5334
_Roman 2_: [Die Zeit der Verachtung 5751

_Eigentlich_ hätte Geralt von Riva es besser wissen sollen, als sich an einer Drachenjagd zu beteiligen. Dass er dennoch in diesem seltsam zusammengewürfelten Haufen gelandet ist, der bereits vor der Sichtung des Drachen unterschwellig seine diversen Rivalitäten austrägt, liegt schlicht daran, dass seine ehemalige Geliebte Yennefer ebenfalls mit den Drachenjägern unterwegs ist. Aber auch das hätte er besser wissen sollen …

_“Das Schwert der Vorsehung“_ ist eigentlich nicht der zweite, sondern der dritte Band des Hexer-Zyklus. Das hat mich bereits irritiert, als ich [„Der letzte Wunsch“ 3939 las, bis endlich die Information bei mir eintrudelte, dass von den fünf Geschichten des eigentlich ersten Bandes vier ihren Weg in die deutsche Übersetzung des zweiten gefunden haben. Das wirft die Frage auf, ob dafür Geschichten aus dem zweiten Originalband womöglich weggefallen sind; da ich aber des Polnischen nicht mächtig bin, kann ich es leider nicht überprüfen.

Der nach deutscher Bezeichnung zweite Band jedenfalls scheint keine davon zu enthalten. Denn obwohl auch hier einzelne Geschichten erzählt werden, sind diese voneinander längst nicht so unabhängig, wie das in „Der letzte Wunsch“ noch der Fall war. Hier ist für den roten Faden keine übergeordnete Rahmenhandlung mehr nötig, da die Geschichten nicht mehr als Rückblick erzählt werden, sondern als fortlaufende Handlung, wenn auch mit vielen zeitlichen Lücken.

Zentrale Figur ist natürlich immer noch Geralt. Eigentlich sollte die Verwandlung in einen Hexer ihn auch seiner Gefühle beraubt haben. Aber offensichtlich ist da etwas ganz gehörig schiefgegangen, denn abgesehen von seinen Gefühlen für Yennefer, die ihm ein befreiter Flaschengeist angehängt hat und die deshalb nicht zählen, hat Geralt erstaunlich viele Skrupel, wenn es um das Töten von Geschöpfen geht, die allgemein als Monster bezeichnet werden. Auch empfindet er Mitgefühl für Essi, und die Beziehung zu seiner Mutter, falls man denn überhaupt von einer solchen sprechen kann, scheint ebenfalls nicht frei von gefühlsmäßigen Komplikationen.

Yennefer, die Zauberin, ist schön, stolz und mächtig, hat aber ein paar Ansichten, die mich bestenfalls den Kopf schütteln ließen. Mir ist sie nicht sonderlich sympathisch; der Himmel weiß, was Geralt an ihr findet, Essi ist wesentlich liebenswerter. Immerhin aber scheint selbst Yennefer zumindest manchmal so etwas wie ein Gewissen zu besitzen, und ihr Schmerz angesichts der Tatsache, dass sie keine Kinder haben kann, erhält auch sie bis zu einem gewissen Grad menschlich.

Außerdem ist der Barde Rittersporn wieder mit von der Partie, mit seinem losen Mundwerk, seinen zahllosen Liebschaften und seinem ewigen Geldmangel. Der etwas aufgeplusterte und leichtfertige Bursche ist zu einem großen Teil für den Schmunzeleffekt zuständig und für die diversen augenzwinkernden Seitenhiebe gegen die Welt der Märchen.

Im Vergleich zum Vorgängerband hat sich in der Charakterzeichnung also einiges getan, obwohl man sie noch nicht als wirklich tiefschürfend bezeichnen kann. Noch begnügt sich der Autor zu sehr mit Andeutungen und hält Geralts Vergangenheit größtenteils bedeckt. Andererseits könnte sich das mit dem Auftreten der kleinen Prinzessin, die bisher nur eine Nebenrolle spielte, spürbar ändern.

Ausgesprochen förderlich für die Vertiefung der Charaktere waren vor allem zwei der sechs Geschichten: die zweite und die vierte des Bandes. Hier nehmen die zwischenmenschlichen Beziehungen deutlich mehr Raum ein als bisher üblich. Tatsächlich thematisiert die zweite nahezu ausschließlich die Beziehung zwischen Geralt und Yennefer und verzichtet dafür sogar auf Action. Die vierte erzählt von Geralt und Essi, allerdings eingebettet in weitere Ereignisse. Beiden Geschichten ist eine eher melancholische Grundstimmung zu eigen, allerdings ohne dramatisch oder schwülstig zu werden. Sapkowski ist schlicht geblieben und hat so verhindert, dass sich die beiden Erzählungen mit dem Grundtenor der restlichen beißen.

Dazwischen findet sich die Geschichte vom Doppler, einem Wesen, das sein Gegenüber nahezu vollständig kopieren kann, bis hin zu dessen Art zu denken und zu handeln. Ein solcher Doppler hat beschlossen, die Identität des Kaufmanns Biberveldt anzunehmen, weil ihm das Leben außerhalb der Stadt zu kalt und ungemütlich ist. Eine ganze Reihe von turbulenten Verwicklungen und verrückten Situationen folgt, ehe es gelingt, die Sache wieder einzurenken, und der Leser hat einen Heidenspaß dabei.

Eine recht bunte Mischung also, die sich ziemlich von den doch etwas actionlastigen Abenteuern aus dem ersten Band unterscheidet. Das gilt sogar für die Geschichte über die Drachenjagd, die zwar durchaus Action nach gewohnter Manier bietet, sich aber unter anderem dadurch abgrenzt, dass Geralt in einer so großen Gruppe reist und letztlich selber kaum aktiv wird. Das Hauen und Stechen besorgen hier vorwiegend andere …

Die letzten beiden Erzählungen nehmen noch zusätzlich eine Sonderstellung ein. Denn hier wird deutlich die Vorbereitung auf Sapkowskis „Erbe der Elfen“ spürbar: Geralt begegnet Ciri, der Prinzessin, die seine Vorherbestimmung ist, der er nicht entkommen kann, obwohl er es bereits mehrfach versucht hat. Zwar sind diese beiden, vor allem die letzte, etwas schwierig zu lesen, denn die Rückblenden oder Fieberträume, die hier vorkommen, sind nur durch einen Absatz gekennzeichnet, mehr aber auch nicht. Gelegentlich kam es zu Verwirrungen und ich war mir nicht mehr sicher, ob Geralt nun gerade im Hier und Jetzt ist oder in einem seiner Träume. Das hat der Thematik aber keinen Abbruch getan.

_Zusammenfassend_ kann ich sagen, dass mir der zweite Band des Hexer-Zyklus besser gefallen hat als der erste. Das Spektrum der Geschichten ist breiter gefächert, der innere Zusammenhang ist deutlicher spürbar. Und obwohl es mich nicht wirklich gestört hat, dass beide Bücher vorwiegend aus Kurzgeschichten bestanden, begrüße ich doch die Tatsache, dass das nachfolgende „Erbe der Elfen“ als Roman geschrieben wurde. Es erleichtert die Darstellung größerer Zusammenhänge und erlaubt mehr Komplexität. Immerhin hat Sapkowski bereits mehrere Wesen vorgestellt, die mehr waren als nur bloße menschenfressende Ungeheuer, darunter die Dryaden und die Meermenschen. Und längst zeigt die Erzählung mehr als nur Geralts Berufsausübung und die damit verbundenen Kämpfe. Dem darf ruhig auch formell Rechnung getragen werden.

_Andrzej Sapkowski_ ist Literaturkritiker sowie Schriftsteller und nebenbei Polens bekanntester Fantasy-Autor. Der Hexer-Zyklus diente bereits als Grundlage für einen Kinofilm und eine Fernsehserie sowie für das polnische Rollenspiel „Wiedzmin“. Auch das Computerspiel „The Witcher“ stammt von Sapkowski, ebenso die Narrenturm-Trilogie um die Abenteuer des jungen Medicus Reinmar von Bielau. „Das Erbe der Elfen“, der erste Band des Romanzyklus über Geralt von Riva, erscheint Anfang November 2008.

|464 Seiten, kartoniert
Zweiter Band der Geralt-Saga
Aus dem Polnischen von Erik Simon
ISBN-13: 978-3-423-21069-0|
http://www.der-hexer.de
http://hexer.wikia.com
http://www.dtv.de
http://www.sapkowski.pl
http://www.thewitcher.com

_Mehr von Andrzej Sapkowski auf |Buchwurm.info|:_

[„Narrenturm“ 1884
[„Gottesstreiter“ 3367
[„Lux perpetua“ 4568

Hendee, Barb & J. C. – Dhampir 2: Seelendieb

Band 1: [Halbblut 4873
Band 2: Seelendieb

Nachdem Magiere, der Halbelf Leesil und ihr Elfenhund Chap das kleine Städtchen Miiska vor einer Horde Vampire retten konnten und Magiere dadurch erfahren hat, dass sie eine Dhampir ist, eine Vampirjägerin, will sie nur noch eines: ihre Taverne in Miiska wiederaufbauen und in Ruhe gelassen werden. Doch diese Ruhe währt nicht lange, denn auch in der Hauptstadt Bela kommt es zu mysteriösen Morden und die Tochter des Ratsherrn wird übel zugerichtet aufgefunden. Nachdem sich Magieres Gabe und ihre Taten in Miiska weit herumgesprochen haben und auch die Stadt Bela von der Existenz einer Vampirjägerin erfahren hat, bittet diese Magiere um Hilfe.

Obwohl Magiere sich vorerst weigert, ihr ruhiges Leben in Miiska erneut aufzugeben, weiß sie doch, dass ihr keine andere Wahl bleibt. Die Stadt Miiska besitzt nach dem Brand im Lagerhaus kaum noch Geld, und auch Magiere hat nicht genug davon, um die Steuern, welche die Stadt von ihr in ihrer Not verlangt, zu bezahlen. Deshalb bleibt ihr und ihren Gefährten nichts anderes übrig, als den Auftrag anzunehmen und der Hauptstadt zu Hilfe zu eilen … ohne zu wissen, dass sie dort ein alter Bekannter erwartet.

_Eindrücke:_

Für Unwissende: „Dhampire“ sind, ähnlich wie Vampire, Geschöpfe, welche in den früheren Volkssagen auftauchten und denen man die Fähigkeit nachsagt, Vampire auch dann sehen zu können, wenn sie unsichtbar sind. Sie sind eine Mischung aus Mensch und Vampir und dazu geboren, Vampire mit Hilfe ihrer Fähigkeiten zu jagen und zu töten. Die Legende der Dhampire stammt allerdings nicht aus Barb und J. C. Hendees Feder, da Dhampire schon in einigen alten Sagen und Geschichten vorkommen. Nur sind sie eben heute lange nicht mehr so bekannt wie richtige Vampire.

Der zweite Teil der „Dhampir“-Reihe schließt beinahe nahtlos an seinen Vorgänger an. Alles beginnt im Prolog, wo der Leser Zeuge davon wird, wie die Ratstochter aus Bela umgebracht wird. Kurz darauf befinden wir uns aber schon wieder in Miiska, während des Wiederaufbaus von Magieres und Leesils Taverne, dem „Seelöwen“. Der Wiederaufbau geht rasch vonstatten und es scheint im ersten Moment, als hätten Magiere, Leesil und Chap endlich ihre Ruhe und können ihr restliches Leben in Miiska verbringen. Doch schon bald kommt es zu mysteriösen Morden in der Hauptstadt Bela, und erneut sind Magieres Fähigkeiten als Vampirjägerin gefragt.

Gleichzeitig lernen wir die Vampire kennen, welche von Magiere und Leesil gejagt werden: Toret, Chane und Saphir – wie schon im ersten Teil ein Dreiergespann, und alle drei leben zusammen in einem großen, zweistöckigen Haus in der Stadt. Toret alias Rattenjunge ist der Herr von Saphir und Chane; und während Saphir mit ihrem Schicksal zufrieden ist, versucht Chane, der in seinem früheren Leben ein Adliger war, seinem Herrn zu entfliehen. In der Hoffnung, so auf sich aufmerksam zu machen, beginnt er, in Bela Adlige zu morden und diese schlimm zugerichtet liegen zu lassen.

Auch wenn die Geschichte im zweiten Teil ähnlich ist wie im ersten, unterscheiden sich die Bücher in einer Sache: Der erste Teil der Reihe, „Halbblut“, ist ein reiner, fantastischer Abenteuerroman. „Seelendieb“ dagegen hat zwar auch noch etwas von einem Abenteuerroman, allerdings erinnert er größtenteils an einen Krimi. Magiere, Leesil und Chap sind die meiste Zeit dabei, Nachforschungen wegen der Morde anzustellen und herauszufinden, wer der Mörder ist. Die richtigen Abenteuer, so wie ich es noch vom ersten Teil gewohnt war, halten sich dabei eher in Grenzen.

Die Charaktere, die in „Dhampir 2: Seelendieb“ zur Geschichte hinzukommen, sind dabei Saphir und Chane. Saphir ist eine blonde Frau, die von Toret zur Vampirin gemacht wurde. Ihren Namen hat sie von ihrer Augenfarbe. Sie wird in der Geschichte sehr hochnäsig und dumm dargestellt, ebenso wie Toret – Hauptsache, der Leser findet die Bösen nicht sympathisch. Eine kleine Ausnahme dabei bildet allerdings Chane. Er verachtet Toret und Saphir und wird von beiden letztendlich nur ausgenutzt. Obwohl vor allem Chane auf schlimme Weise mordet, erscheint er den Lesern wesentlich sympathischer als seine zwei Gefährten.

Magiere und Leesil verändern sich im zweiten Teil der Reihe eigentlich kaum. Magiere bleibt die Unnahbare und Leesil der Spaßvogel. Dennoch lernen wir nun auch eine andere Seite Leesils kennen. Nachdem im ersten Teil ein großes Geheimnis aus Leesils Herkunft gemacht wurde, erfahren wir nun mehr über seine Vergangenheit und darüber, wieso er nur ungern darüber spricht.
Die größte Veränderung geht allerdings in der Freundschaft zwischen Leesil und Magiere vor sich. Während die beiden im ersten Teil noch gute Freunde waren, entwickelt sich deren Freundschaft zueinander immer mehr in Richtung Liebe. Das merkt man vor allem bei Leesil, der schon am Anfang des zweiten Teils den Leser merken lässt, dass er mittlerweile mehr für Magiere empfindet. Was Magiere angeht, da sieht man diese Veränderung zwar auch, allerdings nicht ganz so offensichtlich. Seitdem sie von Leesils Blut getrunken hat, macht sie sich immer mehr Sorgen um ihn und hat Angst, dass sie ihn eines Tages mit ihrer Gabe umbringen könnte.

Die Geschichte ist, wie schon bei „Dhampir 1: Halbblut“, wieder einmal voller Kampfszenen. Diese haben mir schon im ersten Teil der Reihe nicht gefallen, und im zweiten Teil hat sich das leider auch nicht gebessert. Sie treten einfach ein wenig zu häufig auf für meinen Geschmack. Diese Szenen werden von Barb und J. C. Hendee sehr ausführlich erzählt, was teilweise nicht nur dazu führt, dass die einzelnen Handlungen im Kampf gar nicht richtig nachvollziehbar sind, sondern vor allem dafür sorgt, dass die Spannung im Buch nachlässt.

Der Schreibstil von Barb und J. C. Hendee ist im Großen und Ganzen in Ordnung. Bis auf die ausführlichen Kampfszenen wird die Geschichte spannend aus den verschiedenen Sichten der Charaktere erzählt. Das Einzige, was ab und zu stört, sind Wiederholungen in der Formulierung. Vor allem Sätze wie „Magiere trug ihr Falchion an der Hüfte“ erscheinen in diesem Buch etwas öfter als notwendig.

Das Buch ist so in sich abgeschlossen, dass man gut nach dem zweiten Teil aufhören kann, die Reihe weiter zu verfolgen. Aber trotzdem gibt es noch einige offene Fragen, die genügend Stoff für einen dritten Teil bereithalten.

_Fazit:_ „Dhampir 2: Seelendieb“ bietet gute Unterhaltung für zwischendurch – nicht mehr und nicht weniger. Teilweise ähnelt es sehr seinem Vorgänger und hat auch durchaus seine Macken. Dennoch macht man nichts falsch, wenn man einmal einen Blick riskiert.

_Die Autoren:_ Barb und J. C. Hendee leben zusammen in Colorade, in der Nähe der Rockey Mountains. Beide sind hauptberuflich Englisch-Lehrer in Denver.

|Originaltitel: Thief of Lives
Ins Deutsche übertragen von Andreas Brandhorst
413 Seiten, Paperback
ISBN-13: 978-3-8025-8156-4|
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Kern, Claudia – Sturm (Der verwaiste Thron 1)

_Ana ist die Tochter des Fürsten von Somerstorm_, und als solche hat sie eine glänzende Zukunft vor sich. Ihr Fürstentum ist reich, sie ist mit dem Sohn des mächtigsten Fürsten im ganzen Reich verlobt, und heute ist der Tag, an dem sie volljährig wird.

Doch der Tag endet im Desaster! Ana findet sich auf der Flucht wieder, mit nichts als einem Kleid am Leib und einem Pferd unter sich. Ihre Eltern, sämtliche Geburtstagsgäste, die Gaukler und Musikanten, sie alle sind tot, die heimatliche Burg ist nun von Wesen besetzt, von denen die Menschen geglaubt hatten, sie wären für immer verbannt oder gar tot: den Nachtschatten. Allein ihr wortkarger Leibwächer Jonan ist noch bei ihr, doch sie traut ihm nicht, und in einem unbeobachteten Augenblick stiehlt sie sich davon – ein Fehler …

Ihr Bruder Gerit hat ebenfalls überlebt und sich auf dem Dach des höchsten Turmes versteckt. Doch natürlich bleibt er dort nicht lange unentdeckt. Schwarzklaue, der König der Angreifer, lässt ihn herunterholen, will ihn töten. Sein General Karvellan jedoch hält ihn davon ab. Gerit landet in der Küche, wo ihn täglich neue Misshandlungen und Demütigungen erwarten. Mit der Zeit kann er sich durchsetzen, er fängt an zu spionieren. Und dann geschieht das völlig Unerwartete: Seine Feinde schicken ihn mit einem Auftrag aus der Burg …

In Westfall rüstet man derweil zum Krieg. Der Fürst hat nach seinem Sohn geschickt, der sich zum Studium auf den Inseln der Meister aufhielt, und ihm den Oberbefehl über die Reiterei übergeben. Der junge Rickard soll vorausreiten und den Gegner überraschen, der Vater will mit dem Heer folgen. Rickard ist das gar nicht recht, denn in den Berichten aus Somerstorm hieß es, die Tochter des Fürsten sei entkommen. Deshalb würde er eigentlich viel lieber nach seiner Verlobten suchen, doch er wagt es nicht, sich dem Befehl seines Vaters zu widersetzen. Um nicht völlig tatenlos zu bleiben, bittet er seinen Freund Craymorus darum, die Suche für ihn zu übernehmen.

Craymorus wurde eigentlich von den Meistern der Insel mit Rickard nach Westfall geschickt, um den Fürsten dort im Hinblick auf die Nachtschatten zu beraten. Der lehnt einen Berater strickt ab, und so ist Craymorus dankbar für die Aufgabe, die Rickard ihm erteilt. Allzu viel kann er allerdings nicht ausrichten. Denn kaum haben der Fürst und sein Sohn Westfall verlassen, erscheint König Cascyr auf der Burg. Und er hat eine völlig andere Aufgabe für Craymorus …

_Das klingt nach einer Menge Handlungsstränge._ Im Grunde sind es aber nur drei:

Einer dreht sich um Gerit. Der Junge hat seinen Vater wie einen Feigling sterben sehen. Das hat sein Weltbild mindestens ebenso erschüttert wie das Massaker selbst. Die Distanzierung von seinem Vater und der feste Wille zum Mut retten ihm das Leben. Und sie helfen ihm, sich unter den Nachtschatten zu behaupten, auch wenn er zuerst noch einmal einen kleinen Schubs nötig hat. Nicht, dass er sich richtig wohlfühlen würde, zu fremd sind diese Wesen und ihre Art zu denken. Und doch geht eine Veränderung mit ihm vor, schleichend und unbemerkt. Mit der Zeit hört er auf, in den Nachtschatten primitive, grausame, blutrünstige Tieren zu sehen …

Der zweite Handlungsstrang beschäftigt sich mit Ana und Jonan. Wie Gerit ist auch Ana von ihrem Vater enttäuscht. Einer der Geburtstagsgäste hat sie vor allen Anwesenden schwer beleidigt, und ihr Vater hat ihr nicht beigestanden. Ana beschließt, dem Beispiel ihrer Mutter zu folgen und ihr Geschick selbst in die Hand zu nehmen. Für eine verwöhnte Fürstentochter erweist sie sich dabei als überraschend robust und gleichzeitig als erwartungsgemäß naiv und unerfahren. Jonan hat damit seine liebe Not. Nicht nur, dass Ana stets anderer Meinung zu sein scheint als er. Sie ist auch stur, und da er in ihren Diensten steht, ist er gezwungen, ihren Wünschen nachzugeben, was es ihm nicht gerade leicht macht, immerhin ist Jonan ein hervorragender Kämpfer. Alles andere, was man über ihn erfährt, verliert sich in Andeutungen, was Jonan sozusagen zum geheimnisumwitterten Beschützer macht.

Der dritte Strang schließlich erzählt von Rickard und Craymorus. Ein recht ungleiches Paar hat sich da angefreundet. Rickard ist lebhaft, unbekümmert und gutmütig, allerdings nicht sehr geduldig. Er ist als Krieger erzogen worden, von Wissenschaften und Magie versteht er nur wenig, und es interessiert ihn auch nicht. Mit Craymorus versteht er sich deshalb so gut, weil er sich trotz Craymorus‘ großem Wissen in dessen Gesellschaft nicht benachteiligt fühlt. Denn Craymorus ist ein Krüppel. Trotz metallener Beinschienen kann er nur an Krücken gehen. Als Zehnjähriger stürzte er auf der Flucht vor Nachtschatten eine Klippe hinunter, was ihm beide Beine zerschmetterte – ein traumatisches Erlebnis, das ihn nie losgelassen hat. Als er seine Zuflucht, die Insel der Meister, verlassen muss, holt ihn die unselige Mischung aus Angst und Hass wieder ein.

_Insgesamt ist die Charakterzeichnung auf ungewöhnliche Weise durchwachsen._ So ist Rickard knapp und präzise gezeichnet, bleibt aber dennoch ein wenig blass, was daran liegen mag, dass über sein Gefühlsleben kein Wort verloren wird, oder daran, dass er nach seinem Aufbruch Richtung Somerstorm so gut wie nicht mehr auftaucht. Craymorus dagegen ist in seiner Angst und seinen Selbstzweifeln äußerst menschlich und lebendig geraten. Das gilt ebenso für Gerits Entwicklung. Ana ist wiederum eher schwach gezeichnet, da sie sich über einen großen Zeitraum der Handlung unter Daneels Einfluß befand. Daneel ist einer jener Nebencharaktere, die stark auf die Handlung einwirken, obwohl sie weder näher beschrieben oder charakterisiert sind noch besonders viel tun. Zu diesen Personen gehört auch die Zofe Mellie, die gegen ihre Fürstin intrigiert. Oder König Cascyr, der einzig über einen Titel und eine Garde verfügt und dennoch seine gesamte Umgebung unter Druck setzt.

So kommt es, dass neben Craymorus und Gerit vor allem die eher schwach ausgearbeiteten Nebencharaktere das Interesse an der Geschichte wachhalten. Der Grund dafür liegt vor allem darin, dass sie gewisse Zusammenhänge innerhalb der Geschichte herstellen. Zum Beispiel fehlen Daneel sämtliche Zähne, was Gerit bereits zu Beginn der Geschichte zu der Frage veranlasst, ob Daneel wohl einst zur ewigen Garde gehörte. Die ewige Garde ist die Leibgarde des Königs, ihre Mitglieder sind nicht nur Krieger, sondern auch Magier. Und im Verlauf der Geschichte zeigt sich, dass Daneel tatsächlich eine ungewöhnliche Fähigkeit besitzt …

Sehr gelungen fand ich auch die Verknüpfung der kurzen Vorreden am Anfang jedes Kapitels, die als Zitate aus einem Buch über die verschiedenen Provinzen des Reiches formuliert sind, mit der eigentlichen Geschichte. Immer wieder findet der Leser die kurzen, teilweise ironischen Charakterisierungen von Land und Leuten tatsächlich in den handelnden Personen wieder.

Manch anderer Zusammenhang wird dagegen eher stiefmütterlich behandelt. Das gilt für Anas Familie, deren Herkunft bestenfalls gestreift wird, ebenso wie für den historischen Hintergrund der Welt insgesamt. Hier liefert die Autorin lediglich Bruchstücke. Es werden vier Königreiche erwähnt, ein roter König sowie ein Krieg, der offenbar vor dreizehn Jahren zu Ende ging. Wer genau damals gegen wen Krieg geführt hat und warum, darüber schweigt das Buch sich aus, ebenso darüber, ob König Cascyr einst eines der vier Königreiche regierte, und wenn ja, was aus den anderen Königen wurde. Auch über den Krieg, der offenbar vor der Geburt der Menschheit stattfand, wird kaum ein Wort verloren. Damals vertrieben die Vorangegangenen – Craymorus nennt sie an einer Stelle auch Götter – die Nachtschatten aus dem Land. Über das Wie und Warum erfährt der Leser nichts. Die Folge dieser Lückenhaftigkeit besteht in einer Flut von Fragen, was natürlich ganz der Absicht der Autorin entspricht. Klar scheint nur: Die Nachtschatten wollen die Welt zurückerobern. Der König will die Macht der Provinzfürsten für sich. Und Mellie will ihre Mutter rächen.

Im Übrigen besteht diese Welt vor allem aus Betrug, Verrat, Feigheit, Neid und Arroganz. Auch Grausamkeiten gibt es genug, und beleibe nicht nur auf Seiten der Nachtschatten! Die Beschreibungen sind nicht unbedingt detailliert ausgefallen, aber ausgesprochen drastisch. Wen spritzendes Blut eher abschreckt, der sollte sich überlegen, ob er dieses Buch wirklich lesen will.

Wer dagegen mit derartigen Szenen keine Probleme hat, dem kann ich das Buch durchaus empfehlen. Es bietet eine Vielzahl an Geheimnissen und Verwicklungen. Ana gerät auf ihrer Flucht immer wieder mal in Gefahr, ebenso wie Gerit. Allein die Konflikte, die in Craymorus‘ Wesen angelegt sind, lassen jede Menge Möglichkeiten offen, wie sich diese Figur entwickeln kann. Und ich gestehe, dass sowohl Gerit als auch Jonan mich am Ende des Buches überrascht haben und ich auf die Fortsetzung ziemlich gespannt bin.

_Claudia Kern_ lebt in Bonn und ist in vielen Bereichen tätig. Unter anderem ist sie Mitbegründerin von |Space View|, war Serienredakteurin beim Fernsehen, schreibt für Computerspiele und arbeitet als Übersetzerin. Auch für Conventions ist sie tätig, zum Beispiel für |FedCon|. „Sturm“ ist ihr Romandebüt und der erste Band ihres Zyklus |Der verwaiste Thron|, dessen zweiter Band „Verrat“ für Februar nächsten Jahres angekündigt ist.

|367 Seiten, kartoniert
ISBN-13: 978-3-442-24420-1|
http://www.claudiakern.com
http://www.blanvalet-verlag.de

Terry Brooks- Die Elfen von Cintra (Die Großen Kriege 2)

Terry Brooks gehört zu jener Riege amerikanischer Autoren, welche die Fantasy der letzten Jahrzehnte geprägt haben. Seit rund 30 Jahren erweitert er seine |Shannara|-Reihe um neue Episoden, baut mal den einen, mal den anderen Handlungsstrang aus und hat mit der Dämonenreihe auch deutlich düsterere Romane geschrieben, die sich nicht so recht in den Gesamtzyklus einordnen ließen.

Dies ist nun passé, denn |Die Großen Kriege|, die neueste Trilogie aus der Feder des Schriftstellers, verknüpft nicht nur die Dämonen- mit der (klassischen) Fantasy-Welt, sondern nimmt sich in einer apokalyptischen Vorgeschichte auch der Ereignisse an, die vor der Entstehung Shannaras eingetreten sind. Schon oft hat Brooks in seinen Romanen die Hauptfiguren über die Vergangenheit nachdenken lassen. Er beließ es bei Gerüchten darüber, dass eine gewaltige Katastrophe das Wissen der Welt zerstört und um Jahrhunderte zurückgeworfen habe: in eben jenes archaische, mittelalterlich geprägte Fantasysetting mit Elfen, Zwergen und Co., wie sie der Leser aus den Shannara-Bänden kennen gelernt hat.

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Adrian, Lara – Gebieterin der Dunkelheit (Midnight Breed 4)

Die |Midnight Breed|-Romane:

Band 1: [Geliebte der Nacht 4775
Band 2: [Gefangene des Blutes 4781
Band 3: [Geschöpf der Finsternis 4902
Band 4: Gebieterin der Dunkelheit

Der Orden der Stammesvampire findet die Überwinterungskammer des Alten, des gefährlichen Vorfahren der Gen-Eins-Vampire, verlassen vor. Rio, der sich nach seinem schweren Unfall eine Auszeit vom Orden nehmen möchte, erklärt sich bereit, bei der Höhle zu bleiben und diese zu sprengen. Doch bevor er dazu kommt, die Höhle zu zerstören und sie dadurch vor den Augen der Zivilisten zu schützen, findet die junge Journalistin Dylan Alexander sie, macht einige Schnappschüsse davon und möchte aus ihrem Fund eine Story machen. Rio nimmt deshalb ihre Verfolgung auf und entführt die junge Frau kurzerhand, um den Schaden einzugrenzen und dafür zu sorgen, dass die Fotos und die Story nicht an die Öffentlichkeit geraten. Durch Zufall entdeckt Rio, dass Dylan eine Stammesgefährtin ist, und obwohl Dylan ihrem Entführer erst entkommen möchte, kommen sich die beiden dennoch schon bald näher …

Währenddessen wird der Orden von neuen Problemen aufgemischt. Immer wieder werden geköpfte Gen-Eins-Vampire aufgefunden, und die ohnehin schon geringe Anzahl direkter Nachkommen der Urvampire sinkt noch weiter. Auch immer mehr Stammesgefährtinnen verschwinden. Erst mit Dylans Hilfe, deren Gabe es ist, die Geister verstorbener Stammesgefährtinnen sehen zu können, löst der Orden das Rätsel – und entdeckt ein lang gehütetes, schreckliches Geheimnis …

_Eindrücke:_

Nachdem in „Geschöpf der Finsternis“ der Kampf gegen Lucans Bruder Marek und die Rogues, wilde Blutjunkies, endlich beendet und Marek besiegt wurde, wird es für den Orden vorerst etwas ruhiger. Doch das ist letztendlich nur die Ruhe vor dem Sturm. Denn in „Gebieterin der Dunkelheit“ steht der Orden vor einem wesentlich größeren Problem als je zuvor – und dabei sind geköpfte Gen-Eins-Vampire und verschwindende Stammesgefährtinnen nur der Anfang. Damit bringt Lara Adrian mal wieder etwas frischen Wind in ihre Reihe, auch wenn man deutlich merkt, dass der Orden in diesem Band eher im Hintergrund steht.

Im Vordergrund steht nämlich ganz klar die sich anbahnende Liebe zwischen Rio und Dylan. Bisher wurde in allen vier Teilen einer der Stammesvampire des Ordens mit einer Stammesgefährtin verkuppelt, und dieses Mal ist Rio an der Reihe, der schon im ersten Teil seine frühere Stammesgefährtin Eva verloren hat. Seine Geliebte hat ihn verraten und verursacht, dass Rio bei einer Explosion in einer Lagerhalle beinahe ums Leben gekommen wäre. Übrig geblieben sind davon noch Narben, die seinen ganzen Körper entstellen, Blackouts und Wutausbrüche, die er nicht kontrollieren kann. Bald schon entwickelt er einen enormen Selbsthass und steht kurz davor, sich das Leben zu nehmen – bis Dylan Alexander in sein Leben tritt. Dylan ist eine junge Reporterin, die für ein Schundblatt arbeitet und deshalb ständig auf der Suche nach interessanten Storys ist. Als sie schließlich Rio kennen lernt, wird ihr ganzes Leben auf den Kopf gestellt. Nicht nur, dass sie von ihm entführt wird, nein, sie wird auch noch in das Geheimnis der Stammesvampire eingeweiht, welches geradezu aus einem dieser Schundblätter, für die sie arbeitet, entsprungen sein könnte. Dennoch verlieben sich die beiden.

Im Prinzip läuft die Geschichte in den Büchern der „Midnight Breed“-Reihe immer nach dem gleichen Schema ab. Einer der Stammesvampire trifft zufälligerweise auf eine Stammesgefährtin. Beide verlieben sich ineinander, doch aus variablen Gründen denkt vor allem der Vampir, dass eine Beziehung mit der Angebeteten nicht möglich sei. Ein beliebter Grund dafür ist unter anderem die Tatsache, dass die Krieger des Ordens glauben, der Kampf gegen das Böse und ein Liebesleben ließen sich nicht gut kombinieren. Später allerdings, nachdem einer der beiden Verliebten in Gefahr geraten ist, wendet sich doch alles zum Guten und das Paar kann zusammen sein.

Zwar gibt sich die Autorin Lara Adrian alle Mühe, etwas Abwechslung und neue Ideen in ihren Roman einzubringen, und im Gegensatz zu den ersten beiden Teilen der Reihe erkennt man dabei ganz klar eine Besserung, doch letztendlich bleiben das Grundgerüst der Geschichte und einige der Details immer gleich. Vor allem die Liebesgeschichte läuft in jedem Teil in etwa gleich ab. Das kann nach einer Weile durchaus stören, und es bleibt zu hoffen, dass in den noch folgenden Teilen noch ein bisschen mehr Abwechslung vorhanden sein wird.

Eine besonders wichtige Rolle spielen in „Gebieterin der Dunkelheit“ natürlich die Erotikszenen zwischen Rio und Dylan. Diese kommen im vierten Teil der „Midnight Breed“-Reihe allerdings relativ selten und auch eher am Ende des Buches vor. Das ist allerdings gar nicht mal so schlecht, denn dadurch gerät die Erotik nicht so sehr in den Vordergrund, wie es bei anderen Büchern aus dem Bereich Fantasy Romance oft der Fall ist. Die Erotikszenen werden dabei sehr ausführlich und entsprechend leidenschaftlich erzählt, wenn auch an manchen Stellen für meinen Geschmack etwas zu übertrieben und kitschig. Das stört allerdings kaum.

Der Schreibstil, den ich bei den anderen Bänden häufiger bemängelt habe, hat sich auch etwas verbessert. Zwar gehören „Oh Gott“ und in Rios Fall auch „Cristo in cielo“ zu den häufigsten Ausdrücken des Buches, doch diese sind mittlerweile wieder ein wenig zurückgegangen und stören nicht mehr allzu sehr. Und neben reduziert auftretenden Wortwiederholungen hat sich auch der Schreibstil eindeutig verbessert, sodass sich „Gebieterin der Dunkelheit“ nun etwas angenehmer lesen lässt.

Im Gegensatz zu den anderen drei Teilen ist „Gebieterin der Dunkelheit“ nicht mehr einzeln lesbar. Zwar werden oft einzelne Umstände aus den früheren Büchern noch einmal aufgegriffen und erklärt, doch mittlerweile gibt es zu vieles aus den ersten drei Teilen, worauf „Gebieterin der Dunkelheit“ aufbaut und das für ein gutes Verständnis des Buches wichtig ist.

Etwas schade war aber, dass das Ende im Gegensatz zu den drei früheren Teilen stark gerafft und recht unspektakulär verlief. Erst auf den letzten paar Seiten wurde noch schnell eine passende Szene für das Finale des Buches beschrieben, die allerdings sehr kurz und auch nicht besonders spannend geraten ist.

_Fazit:_

Neben „Geschöpf der Finsternis“ ist „Gebieterin der Dunkelheit“ eindeutig einer der besseren Teile der Reihe. Die Geschichte sowie der Schreibstil haben sich im Gegensatz zu den Vorgängern verbessert, auch wenn hier und da noch das eine oder andere Manko zu finden ist.

_Die Autorin:_

Zusammen mit ihrem Mann lebt Lara Adrian an der Küste Neuenglands, die von uralten Friedhöfen und dem Atlantik umgeben ist. Schon in ihrer Kindheit entwickelte sie ein Faible für Vampirromane und verschlang Bücher von Bram Stoker und Anne Rice. Der Auftaktband „Geliebte der Nacht“ war ihr erster eigener Vampirroman.

|Originaltitel: Midnight Rising
Ins Deutsche übertragen von Katrin Kremmler
398 Seiten, kartoniert
ISBN-13: 978-3-8025-8173-1|
http://www.egmont-lyx.com

Flewelling, Lynn – verwunschene Zwilling, Der (Tamír Triad 1)

_Inhalt:_

Die junge Tobin hat das Pech, als Mädchen in gefährlichen Zeiten geboren zu werden, in denen Frauen jedes Alters im Auftrag des Königs ermordet werden, der dadurch die Thronfolge seines Sohnes sichern will. Vor Jahren brachte König Elrius seine Schwester um ihren rechtmäßigen Anspruch auf den Thron – eine Tat, die den göttlichen Schutz außer Kraft setzte, unter dem sein Volk stand, und dem Land Seuchen und Krieg bescherte.

Aber es gibt Menschen, die danach trachten, die göttlichen Prophezeiungen zu ehren und einer Kriegerkönigin auf den Thron zu verhelfen. Tobin wird mithilfe dunkler Magie als ihr Zwillingsbruder verkleidet. Dieser starb bei der Geburt, jedoch nicht schnell genug – ein Atemzug gelang ihm, und das genügte, um seine Seele voll grässlichem Zorn auf Erden zu verankern. Tobin kann tatsächlich Königin werden, aber nur, wenn es gelingt, sie zu beschützen, bis sie erwachsen ist – vor ihrer wahnsinnigen Mutter, ihrem dämonischen Bruder und jedem bösen Hexer des Landes.

Der Auftakt zu einem atemberaubenden Epos, das abermals in der Welt der |Schattengilde| spielt, jedoch in einer viel früheren Zeit. Mit |Tamír Triad| hat Lynn Flewelling ein Meisterwerk geschaffen und unter Beweis gestellt, dass Fantasy nicht nur spannend, magisch, düster und unterhaltsam sein, sondern gleichzeitig zum Nachdenken anregen kann.

_Meine Meinung:_

Tobin ist Dreh- und Angelpunkt des Geschehens. Von der ersten Sekunde ihrer Geburt an bestimmt eine geheimnisvolle Magie ihr Leben und Schicksal. Als sie zusammen mit ihrem Zwillingsbruder das Licht der Welt erblickt, wird ihr dank der Magie der Zauberin Lhel auferlegt, als Knabe aufzuwachsen – bis die Zeit reif ist, den Thron zu besteigen: als rechtmäßige Königin. Doch bis dahin ist es ein weiter dorniger Weg.

Tobin wächst einsam in der Feste ihres Vaters auf: Ignoriert von ihrer scheinbar geistig verwirrten Mutter Ariani, die den gewaltsamen Tod ihres zweiten Kindes nie verwindet und sich bis zu ihrem bitteren Ende in einem Turmzimmer verschanzt. Umgeben von ihrem Vater, Herzog Rhius, der sie zwar liebt, aber oft verlässt, und von dem Personal aufgezogen – mit einem Schatten an ihrer Seite. Denn da ist noch der Geist des toten (Zwillings-)Bruders, der, als er dem Mutterschoß entflohen ist, nach seinem ersten tiefen Atemzug erstickt wird, keine Ruhe findet und über den Tod hinaus eng an Tobin gebunden ist.

Dieser Bruder, den alle furchtvoll „den Dämon“ nennen, spukt durch die Festung, richtet dort oft Schaden an oder greift die Bewohner an. Er ist ein zorniger Geist, der sein „Unglück“ und „Los“ auf seine Art und Weise zum Ausdruck bringt und an den Bewohnern der Festung auslebt. Doch er hat dennoch das Herz des Lesers auf seiner Seite. Man verspürt Mitleid mit der ruhelosen Seele, die nicht leben durfte, aber auch nicht die ewige Ruhe finden kann. Und man wartet ungeduldig darauf, dass ihm Wiedergutmachung widerfährt.

Aber auch mit Tobin verspürt man Mitleid. Sie/Er lebt völlig abgeschottet von der Außenwelt und Gleichaltrigen, und schon bald steht er in dem Ruf, sonderbar zu sein. Was ihn aber nicht stört, denn er fühlt sich wohl in seiner abgeschiedenen Welt – weil er es nicht anders kennt. Alles ändert sich, als der Zauberer Arkoniel und Tobins „Knappe“ Ki in der Feste Einzug halten, um Tobin auszubilden bzw. ihm Gesellschaft zu leisten/zu dienen. Dadurch wird Tobin mehr und mehr seiner Einsamkeit entlockt. Sein Leben wird fortan von menschlicher Zuwendung und Zuneigung geprägt, auch wenn er Arkoniel anfangs mit Misstrauen begegnet, hingegen Ki bereitwillig an sich heranlässt. Beide meistern es, Tobin aus seinem teils auferlegten, teils selbst gewählten Schneckenhaus zu befreien.

Dann schlägt das Schicksal ein weiteres Mal zu: Tobins Vater kommt zu Tode und somit werden Tobin und Ki aus ihrer heilen Welt innerhalb der schützenden Mauern der Feste entrissen. Für die beiden Jungen beginnt nun ein neuer Lebensabschnitt in Ero, am Hofe des Königs, wo alles völlig anders ist als das, was sie bisher kannten. Und in Tobin wird der Ruf der Natur wacht – seine wahre Seele, seine Weiblichkeit zeigt sich und fordert ihren Tribut … und Lhels erneutes magisches Handeln.

Mehr sei nicht über diesen gefühlvollen, aufwühlenden Roman, der einen nicht loslässt, verraten, der geprägt ist von starken Charakteren und tiefen Emotionen. Dieses großartige Werk lebt vom lyrischen Erzählstil der Autorin, die jenseits jeglichen Mainstreams eher wie eine mittelalterliche Geschichtenerzählerin fabuliert. Sie nimmt den Leser an die Hand, nimmt ihn mit in Tobins Welt und in die Feste, und das auf solch eindrucksvolle Weise, dass man oft vergisst, dass all das, was aus den Zeilen entgegenströmt, keine Realität ist. Wie oft möchte man seine Hand in Tobins Richtung ausstrecken und ihn trösten. Wie oft ist man zusammen mit Bruder zornig über sein ruheloses Seelendasein. Wie sehr leidet man mit all den tragischen Charakteren und den menschlichen Abgründen, die sich dahinter verbergen.

Das ist keine blutleere U-Literatur, sondern Fantasy auf höchstem Niveau – und wird eine Freude für jeden Leser sein, unabhängig davon, welches Genre er bevorzugt. Denn in der „Zwillings-Trilogie“ geht es um weitaus mehr als phantastische Elemente, da geht es um das Leben, um Menschen und darum, was sie einander bedeuten, aber auch antun – mit allen Beweggründen, aller Loyalität, aber auch Hinterhältigkeiten. Ein anderer Aspekt wird ebenfalls deutlich: Die wahre Tragik liegt meist in der Abwägung und Wahl zwischen Gut und Böse – und dem, was man für das vermeidlich Gute zu opfern bereit ist oder zu opfern gefordert wird.

Das ist Fantasyliteratur mit Kaiserkrone. Da lebt, leidet, schluchzt, liebt und kämpft jedes Wort in einem nach. Man fühlt, man trauert mit Tobin und dem Bruder, und man grollt mit ihnen, weil ihnen das Schicksal so übel mitspielt – und sinnt auf Rache, die denen zuteil werden soll, die nicht schuldlos an allem sind. Das ist großes Kopfkino, das ist Erzähl|kunst|, die eine stetige, sanfte Melancholie ausschickt, das sind Charaktere, die so in die Tiefe gehen, dass einen der Text lange Zeit nicht loslässt. Das ist Literatur, wie man sie sich wünscht!

Auch die Aufmachung erfreut, denn es wurde auf ein weiteres der stereotypen Fantasycovermotive verzichtet, welche die Verlagswelt überschwemmen. Das minimalistische Gemini-Zeichen ummantelt perfekt und niveauvoll den edlen Text. Dieses Buch sollte in keiner Sammlung fehlen!

_Fazit:_

„Der verwunschene Zwilling“ ist ein wundervoll melancholischer Fantasyroman, dessen Seele und Geist aus jeder Zeile schwingt und der den Leser voller Ungeduld auf die beiden Folgebände zurücklässt – tief erfüllt von der erzählerischen Dichte der Autorin und den Gefühlen, die sie in uns wachruft.

|Originaltitel: Tamír Triad (1)
Aus dem Amerikanischen von Michael Krug
Titelillustration & Titelgestaltung von Michael Krug
550 Seiten, Trade Paperback
ISBN-13: 978-3-902607-07-2|
http://www.otherworldverlag.com

Andreas Eschbach – Die schlafenden Hüter (Das Marsprojekt 5)

Dies ist das Ende einer Geschichte – und der Anfang einer hoffnungsvollen Zukunft für die Marssiedler. Seit das Mädchen Ellin auf dem Mars von einem unerklärlichen Leuchten auf Artefakte aufmerksam gemacht wurde, die sich schließlich als Schlüssel zu einer alten außerirdischen Station entpuppten, ist viel passiert. Ariana hat sich verliebt, Ellin, Carl und Urs sind durch einen der »Blauen Türme« auf die Erde gelangt und nun mit dem Milliardär und Erfinder des Fusionsreaktors unterwegs zurück zum Mars. Eine radikale Organisation, die »Heimwärtsbewegung«, schreckt selbst vor brutalen Anschlägen und Überfällen nicht zurück, um das Raumfahrtprogramm und vor allem das Marsprojekt zu stoppen.

Die Ereignisse und Interessengruppen bewegen sich in diesem Roman auf einen Höhepunkt zu, in dem das große Finale der Romanquintologie statt finden soll. Die Außerirdischen erwachen. Außerirdische! Bis zum vierten Band waren sie wenig mehr als Hirngespinste der kleinen Ellin, die sich von ihnen gerufen fühlte. Im vierten Band gibt es erstmals echte Beweise für ihre Existenz, und im finalen Roman erwachen sie. Der Titel legt nahe, dass alles gut ausgeht. Dem Leser wird ab einem gewissen Alter auffallen, dass die Gefahren für die Aliens und die Türme erstens nur ein schriftstellerischer Trick sind, der Spannung erzeugt und die Handlung bereichert, und zweitens für die Lösung des Knotens nötig sind, damit die Menschen wieder ungestört den Mars besiedeln können und nicht Hunderttausend heuschreckenähnliche Aliens auf der Plaza ihre Fiesta feiern. Den Wesen wird ein Ausweg geboten, den Menschen ihre technische Überlegenheit demonstriert und dadurch zu neuer Einheit und gemeinsamer Stärke verholfen. Das große Abenteuer für die Marskinder geht zu Ende, sie werden langsam erwachsen.

Andreas Eschbach steht inzwischen für extrem gute Unterhaltung. Jeder kann ihn lesen oder hören, ohne Kopfschmerzen zu bekommen, und trotzdem behandelt er bewegende Themen und geht auch ins Detail dabei. Man kann ihn auf verschiedene Weise lesen: Eine in eine packende Story verpackte mahnende Erinnerung an die Zukunft, einen Einblick in unbekannte Bereiche unserer Gesellschaft, einfach als entspannende und spannende Lektüre, als eine Studie genialer Stilentwicklung und meisterhafter Sprachgestaltung, und so weiter.

Die Leser der ersten Stunde wissen gerade seine Science-Fiction zu schätzen, und genau dadurch ist Andreas Eschbach ins Rampenlicht getreten. Zu ihrem Leidwesen verlagerte sich Eschbachs Schwerpunkt recht schnell – raus aus der Schublade, möglichst weit weg von Aliens, Raumschiffen und Laserkanonen. Der Qualität seiner Bücher tut das keinen Abbruch und die Allgemeinheit gewann ein begeisterndes Talent. Natürlich bleibt der SF-Fan trotzdem am Ball, immer auf der Suche nach dem Hauch von Eschbachs Visionen, der bisher jedem seiner Romane anhaftet. Außerdem: einmal Eschbach, immer Eschbach! Seine Schinken sind einfach gut.

Mit dem »Marsprojekt« tröstete Eschbach seine Leser über die SF-freie Durststrecke der »Erwachsenen-Bücher« hinweg und nutzte das Medium der Jugendromane für die Utopie. Die ist jedoch mit dem vorliegenden fünften Band der Reihe abgeschlossen. Und was jetzt? Erwartet uns eine düstere Zukunft ohne Eschbach’sche Zukunftsvisionen?

Auch beim »Marsprojekt« bewahrheitet sich die Erkenntnis über Fortsetzungen erfolgreicher Geschichten: War der erste Roman – später subtituliert mit »Das ferne Leuchten« – ein typischer, nicht zu übertreffender Wurf aus seiner Ideenkiste voll Charisma, sind die Fortsetzungen »nur noch« gute Unterhaltung und kreative Storyentwicklung, lassen aber dieses Eigenleben eines überragenden Romans vermissen. Mit »Die Schlafenden Hüter« hat Andreas Eschbach einen würdigen Abschluss des Abenteuers geschrieben und dabei ein echtes Ende geschaffen, eine dem Erzählten angemessene endgültige Situation. Zurück bleibt der Wunsch nach einem Roman ohne vorhersagbare Wendungen und mit diesem Offenbarungsgefühl, dem Erahnen großer Zusammenhänge und der Bedeutungslosigkeit des Menschen. Eschbach for SF, und wenn’s nur hin und wieder ist!

361 Seiten, gebunden
ISBN-13: 978-3-401-06061-3

Der Autor vergibt: (4/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (1 Stimmen, Durchschnitt: 5,00 von 5)

Ward, J. R. – Blutopfer (Black Dagger, Band 2)

Band 1: [„Nachtjagd“ 5283

_Inhalt:_

Düster, erotisch, unwiderstehlich – die letzten Vampire kämpfen um das Schicksal der Welt

Sie sind eine der geheimnisvollsten Bruderschaften, die je gegründet wurden: die Gemeinschaft der |Black Dagger|. Und sie schweben in tödlicher Gefahr: Denn die |Black Dagger| sind die letzten Vampire auf Erden, und nach jahrhundertelanger Jagd sind ihnen ihre Feinde gefährlich nahe gekommen. Doch Wrath, der ruhelose und maßlos attraktive Anführer der |Black Dagger|, weiß sich mit allen Mitteln zu wehren. Die Schlacht beginnt!

Mitten in diesem Krieg bittet Darius, ein alter Kampfgefährte, Wrath darum, sich um seine Tochter Beth zu kümmern, die nichts von ihrer vampirischen Herkunft weiß. Schon bald gerät die junge Frau zwischen die Fronten, und Wrath muss erkennen, dass sein Schicksal unauflöslich mit ihr verbunden ist – denn Beth ist seine Shellan, seine unsterbliche Liebe, für die sich jedes Opfer lohnt. Und er muss auch alles riskieren, um Beth zu retten …

_Meine Meinung:_

Eines muss man J. R. Ward lassen: Man mag noch so oft „Mainstream, Mainstream“ rufen, aber die Autorin hat ihre Leser mit dem ersten |Black Dagger|-Roman an der „Seriennadel“ – auch wenn die Vermutung naheliegt, dass sie im Original stilistisch noch besser rüberkommt.

Band zwei der Serie bietet wieder zu Anfang ein Glossar mit den wichtigsten Begriffen und Eigennamen, was den Lesern das Eintauchen in die Vampirwelt der Autorin erleichtert. Und weiter geht es mit dem erotischen Vampirpaar Wrath und Beth. Wrath hat die schöne Beth zu sich – und somit in das Haus ihres Vaters – eingeladen und verhält sich verwirrenderweise ausgesprochen kühl und distanziert ihr gegenüber – beinahe schon unhöflich. Er gesteht Beth, dass er Tausende Lesser (seelenlose Vampirjäger) getötet hat und erzählt ihr von „Omega“ (Gott und Luzifer) und der „Jungfrau der Schrift“ (hat die Vampire erschaffen) – und von seiner Bruderschaft |Black Dagger|.

Dann ändert sich seine Haltung ihr gegenüber, und Beth merkt, dass auch er – wie sie – verunsichert darüber ist, dass sie sich so stark zueinander hingezogen fühlen. Die sexuelle Energie zwischen ihnen wird immer stärker, und zum ersten Mal sieht Beth seine Augen, die er immer hinter einer dunklen Sonnenbrille verbirgt. Sie sind von einem blassen Grün, fast Weiß – Wrath ist beinahe blind. Es kommt, wie es kommen muss: Wrath und Beth lieben sich, was die Autorin – bis auf wenige „too much“-Ausnahmen, die dann eher das Gegenteil bewirken – sehr anregend umgesetzt hat.

Beth nimmt das kostbar eingerichtete Zimmer ihres Vaters in Augenschein und findet dort überall Fotografien von sich an den Wänden – und eines ihrer Mutter. Ihr wird bewusst, dass ihr Vater sehr reich gewesen sein muss.

Wrath und Rhage, einer der |Black Dagger|, beobachten unterdessen das Lesser-Zentrum und lassen sich auf einen Kampf mit drei Lessern ein – ein vierter schießt auf Wrath. Da beginnt sich Rhage in eine schuppige Kreatur/Bestie zu verwandeln, fällt über die Lesser her und richtet ein Gemetzel an. Danach verwandelt er sich wieder zurück, ist aber verletzt. Wrath und Beth kümmern sich um ihn – besonders Beth, was sie Wrath innerlich noch näherbringt, als er sieht, wie liebevoll sie Rhage pflegt. Und endlich gestehen sich Beth und Wrath ein, dass sie zusammenbleiben wollen.

Beth kehrt in ihre Wohnung zurück, doch kaum dort angekommen, wird sie ohnmächtig. Butch findet sie dort auf dem Boden liegend, und Beth bittet ihn, sie zu Wrath zu bringen, denn ihre „Transitition“ (Wandlung zur Vampirin) hat begonnen! Wrath steht ihr bei, sie trinkt von ihm und er fragt sie, ob sie seine „Shellan“ (Frau) werden will.

Havers, Marissas Bruder, sinnt immer noch auf Rache, weil ihre Verbindung mit Wrath zerbrach – auch wenn Marissa sie selbst löste. Die junge Vampirin denkt ständig an Wrath und ihre Zeit als seine „Shellan“, und sie verspürt wie jede verschmähte Frau Rachegedanken. Das ändert sich, als Butch Marissa im Haus der Black Dagger begegnet. Er ist fasziniert von ihrer Schönheit, und auch sie fühlt sich zu ihm hingezogen.

Beht wiederum steht zum ersten Mal Marissa und den Brüdern der Black Dagger gegenüber. Wrath nennt sie vor ihnen „Lielan“ (mein Liebstes) und die Brüder zeigen ihr deutlich ihre Verehrung. Beth erzählt Butch – vor dessen Augen sich Marissa dematerialsiert und dem dadurch bewusst wird, dass er in einem Haus voll mysteriöser Wesen gelandet ist -, dass sie alle Vampire sind und dass der Mann in dem explodierenden Auto (siehe Band eins) ihr Vater war.

Wrath nimmt mit der Jungfrau der Schrift (Analisse) Kontakt auf und bittet sie, ihm Beth zur Frau zu geben. Sie willigt ein, fordert aber von ihm, dass er sein Volk als König anführen soll. Butch fühlt sich in der Gemeinschaft der Vampire wohl. Besonders mit Vishous, einem Red-Soux-Fan, schließt er rasch Freundschaft.

Beth lernt derweil Wellsie, die Shellan des Black Daggers „Tohr“, kennen. Sie hilft Beth bei den Vorbereitungen zu der Hochzeitszeremonie. Doch bevor diese vollzogen werden soll, will Wrath Beth rächen und ihren „Vergewaltiger“ Billy R. zur Strecke bringen. Doch er stellt nicht nur ihn, sondern auch Mr X, den Anführer der Lesser. Dieser nennt Wrath den „Blinden König“. Die Jungfrau der Schrift vermählt Wrath und Beth – doch dann wird Beth von Mr X entführt …

J. R. Wards Stil ist schnörkellos, direkt und ohne Längen. Man liest die Black-Dagger-Bände weg wie geschnitten Brot. Mainstream hin, Mainstream her – die Texte wecken die düster-romantisch-erotische Note in uns und bescheren ein Stück dessen, was wir uns alle insgeheim wünschen: die große Liebe, die einzigartige Nähe zweier Liebenden, das Wesen, das zu einem gehört wie kein anderes – egal wie schwierig die Umstände auch sein mögen und über alle Zweifel erhaben. Doch |Black Dagger| ist viel mehr. Unter dem vermeintlichen Plauderton entwickelt sich eine Gesellschaft von Anta- und Protagonisten, die lebendig und in die Tiefe gehend agieren, mit all ihren Facetten, die die Charaktere verschiedener Wesen ausmachen.

Wrath ist die perfekte Mischung aus Brutalität und Sensibilität – eben der Bad Boy mit Charme, den sich so manche Frau wünscht. So wird |Black Dagger| vermutlich von einem vorwiegend weiblichen Publikum frequentiert werden – was die Serie keineswegs schmälern soll. Aber auch die anderen Charaktere zeigen Profil und kommen nicht eindimensional daher. Was aber das große Plus der Serie ist: Sie langweilt nicht einen Satz lang und zieht den Leser sofort in die Handlung und somit in ihren Bann.

_Fazit:_ Düster, erotisch und ohne jegliche Längen unterhält auch dieser |Black Dagger|-Band auf kurzweilige Weise.

_Die Autorin:_

Jessica Rowley Pell Bird (geboren 1969 in Massachusetts, New England) ist sowohl unter ihrem Geburtsnamen Jessica Bird als auch unter ihrem Pseudonym J. R. Ward schriftstellerisch tätig. Sie ist die Tochter eines Bankvorstandes und einer Architekturzeichnerin und hält ein Diplom in Rechtswissenschaften. Sie ist seit 2001 mit dem Unternehmensberater Neville Blakemore verheiratet und lebt mit ihm mittlerweile in Louisville, Kentucky.

Ihren ersten Roman „Leaping Hearts“ veröffentlichte sie 2002 und erhielt 2007 den |Romantic Times Reviewer’s Choice Award| für „Lover Awakened“ aus der |Black Dagger|-Serie sowie im gleichen Jahr den |RITA Award| des Schriftstellerverbands „Romance Writers of America“ für ihr Buch „From the First“. Für beide Awards war sie darüber hinaus bereits vielfach nominiert.

|Die Black-Dagger-Serie:|

Dark Lover (September 2005) – [„Nachtjagd“ 5283 (Part 1) und „Blutopfer“ (Part 2)
Lover Eternal (März 2006) – „Ewige Liebe“ (Part 1) und „Bruderkrieg“ (Part 2)
Lover Awakened (September 2006) – „Mondspur“ (Part 1) und „Dunkles Erwachen“ (Part 2)
Lover Revealed (März 2007) – „Menschenkind“ (Part 1) und „Vampirherz“ (Part 2)
Lover Unbound (September 2007) – „Seelenjäger“ (Part 1, deutsch im März 2009)
Lover Enshrined (Juni 2008)

|Originaltitel: Dark Lover (2. Teil)
Aus dem Amerikanischen von Astrid Finke
304 Seiten, Paperback
Titelfoto von Dirk Schulz / Titelgestaltung von Animagic Bielefeld
ISBN-13: 978-3-453-52301-2|

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