Archiv der Kategorie: Fantasy / Science-Fiction

Cassandra Clare – City of Bones (Chroniken der Unterwelt 1)

Als die fünfzehnjährige Clary einen Abend mit ihrem besten Freund in einer Disco verbringt, wird sie Zeugin davon, wie drei Jugendliche einen Mord begehen. Was Clary aber neben dieser Tatsache weitaus mehr beunruhigt: Es scheint, als könnte außer ihr die drei Jugendlichen niemand sehen! Nach der Tat verschwinden die Jugendlichen spurlos. Erst später soll Clary erfahren, dass es sich bei ihnen um Dämonenjäger handelt, die dazu ausgebildet sind, Dämonen zu finden und zu töten.

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Morgan, Richard – Skorpion

_Ein Leben nach Takeshi Kovacs._

Nach „Das Unsterblichkeitsprogramm“, „Gefallene Engel“ und „Heiliger Zorn“ hat sich Richard Morgan abermals dafür entschieden, aus dem Universum auszubrechen, das er für seinen Helden Takeshi Kovacs geschaffen hat. Stattdessen schickt Morgan mit „Skorpion“ einen genetisch modifizierten Supersoldaten auf die Jagd nach Seinesgleichen und verteilt Seitenhiebe an jegliche Form von Bigotterie und Scheinheiligkeit.

_Vom Ende allen Skrupels._

„Dreizehner“ schimpfen sie ihn, eine genetische Abnormität, gezüchtet für den Krieg, völlig ohne Skrupel, aufgeputscht mit sämtlicher Biotechnik und fast unbesiegbar. Eigentlich hätte Carl Marsalis froh über diese Unbesiegbarkeit sein können, wäre nicht die Politik auf die Idee gekommen, sich ihrer gezüchteten Werkzeuge zu entledigen, indem sie sie unter Registrierungszwang stellte. Fortan ist jeder Mensch der „Variante Dreizehn“ meldepflichtig und wird aufs schärfste bewacht. Marsalis darf sich etwas größerer Freiräume erfreuen, allerdings zu dem Preis, dass er abtrünnige Vertreter seiner „Gattung“ aufspüren und an seine Regierung verraten muss. Nach einem dieser Schlachtfeste allerdings landet Marsalis im Gefängnis und die Regierung will nichts mehr von einer Zusammenarbeit mit diesem Dreizehner wissen …

Sevgi Ertekin bekommt es derweil mit einem anderen Fall zu tun: Ein Raumschiff vom Mars verliert die Kontrolle und kracht ins Meer, sämtliche Besatzungsmitglieder sind aufs Scheußlichste verstümmelt – aufgefressen, wie es scheint – und einer der Passagiere ist verlorengegangen; ausgerechnet ein Vertreter der Variante Dreizehn. Es wird zur obersten Priorität für Ertekin, nach dem Entflohenen zu suchen, besonders, da dieser damit anfängt, scheinbar wahllos Morde zu begehen. Und was wäre besser geeignet, um einen Dreizehner zu fangen, als ein Exemplar seinesgleichen, das gerade nach einem Blutbad im Gefängnis gelandet ist und bereits sämtliche Hoffnung auf Freiheit aufgegeben hat?

Scott Osborne indes fühlt sich in seiner aktuellen Situation nicht recht wohl. Er ist aus Jesusland abgehauen, einem strikt abgetrennten Mikrostaat, der seinem Namen alle Ehre macht und Bigotterie in Reinkultur ausübt. Scott hat illegal in einer Biotech-Anlage angeheuert und spürt, wie ihn der Werteverfall mitnimmt, stärker, als er das befürchtet hätte: Er fängt an zu fluchen, beginnt andere Frauen zu begehren und sehnt sich mit der Zeit fast nach der religiösen Klarheit von Jesusland. Diese Klarheit wird ihm allerdings geboten, als ein Verrückter in die Anlage eindringt und dort ein Blutbad anrichtet. Scott bleibt am Leben, mit ihm eine Kollegin. Er sei auserwählt worden, vertraut sie ihm an, er soll den Fremden auf seiner Mission unterstützen. Denn dieser Fremde ist niemand anderer als der auferstandene Jesus Christus, mit dem Knüppel in der Hand, um das jüngste Gericht einzuberufen und die Welt von der Sünde zu befreien.

_Schleichfahrt durch den Faktendschungel._

Richard Morgan hat in „Skorpion“ ein Universum erschaffen, das einen mit Details geradezu erschlägt. Die Regierungslandschaft wird dem Leser vorgestellt, die Tatsache, dass sich die Nationen aufgespalten haben, dass es eine Menge von Instanzen gibt, die sich gegenseitig um Zuständigkeiten prügeln, und dass überall in diesem Universum Konfliktherde brodeln. Die eigentliche Hauptfigur des Romans, Carl Marsalis, bekommt diese Konflikte sehr deutlich zu spüren, ist er doch ein Spielball der politischen Mächte, der irgendwann fallengelassen wird. Aber auch Sevgi Ertekin, die Polizistin, hat unter diesen Konflikten zu leiden, hat sogar ein schweres Trauma davongetragen, das sie im Laufe des Romans vor schwere Prüfungen stellen wird. Ähnlich ergeht es Scott Osborne, dem abtrünnigen Jesusländer, der sich plötzlich mit einer rachsüchtigen Reinkarnation von Jesus Christus konfrontiert sieht und seinen alten Glauben in sich erwachen spürt.

Die Wege dieser drei Parteien kreuzen sich natürlich, ist doch das, was sie verbindet, der Kern dieses Romans und das entscheidende Geheimnis, das es herauszufinden gilt. Schade nur, dass sich die komplexe Story viel zu oft in den Details verliert. Morgan hatte schon immer eine Vorliebe für ausgefeilte Arrangements, aber in „Skorpion“ überspannt er den Bogen deutlich. Natürlich werden Figuren lebendiger, je tiefer man sie zeichnet, je genauer man ihre Vergangenheit kennt, aber auch hier geht Morgan mit einer Detailversessenheit vor, die dem Leser viel Geduld abverlangt. Sevgi Ertekin etwa stammt aus der Türkei, ist Muslimin und hat viele Konflikte mit ihrem Vater ausgetragen. Der Glaube war einer der vielen Zankäpfel, und so erfährt der Leser, wie der muslimische Glaube in dieser Zukunft beschaffen ist, welche Hauptrichtungen es gibt, welche Randströmungen, sogar, wie die Hauptvertreter jener Splittergruppen heißen und gegebenenfalls wo, wann und wie sie in Erscheinung getreten sind.

Natürlich trägt das zur Tiefe des Universums bei, aber Morgan verliert dabei den eigentlichen Handlungsstrang aus den Augen – und der Leser gleich mit. Irgendwann verliert man den Überblick und muss sich den roten Faden in dem Dauerbeschuss aus Fakten selbst herausarbeiten. Es gibt Nebenhandlungen, in diesen Nebenhandlungen gibt es nochmals Nebenhandlungen, und auch wenn manches davon für die Auflösung des Romans wichtig ist, muss der Leser immer mehr Informationsballast schleppen, der die 827 Seiten zu einer echten Durststrecke werden lässt.

Trotzdem schreibt Morgan noch so drastisch wie eh und je; er lässt Blut spritzen, Knochen brechen, Schädel zerplatzen und beschränkt sich in der Darstellung sexueller Zweisamkeit nicht auf verklemmte Betbuben-Metaphorik. Auch hat er sein Händchen für Bildsprache nicht verloren und scheint sich originelle Metaphern geradezu aus dem Ärmel zu schütteln.

Dennoch kommt „Skorpion“ nicht in Fahrt. Die Story, die Figuren und das Universum sind einfach so mit Fakten angefüllt, dass die Story kaum vorankommt. „Skorpion“ ist komplex, aber auch anstrengend, anspruchsvoll, aber auch träge. Das wäre alles zu verkraften, wenn die tatsächliche Handlung etwas hermachen würde, aber stattdessen verkommt der anfangs so spannende Kriminalfall um den Raumschiffkannibalen zu einer oft ermüdenden Reise in die Vergangenheit der Figuren; die anfängliche Faktentiefe entpuppt sich zu einer Wüste voller staubtrockener Informationen, aber ohne Spannung. Dieser Info-Overkill geht so weit, dass die Auflösung des Romans einen Bremsweg von über zweihundert Seiten hinlegt, und wenn dann endlich alle Fäden entwirrt vor einem liegen, brummt einem erst mal ordentlich der Schädel und man ist froh, dass man das Buch zuschlagen kann.

Nein, leider kann ich keine Empfehlung für „Skorpion“ aussprechen, zu zerfasert ist die Story und zu ermüdend die Odyssee bis zur letzten Seite. Gesellschaftskritisch gibt es nichts Neues zu bestaunen, und auch sonst bietet „Skorpion“ nur wenige Lichtblicke, die dem Science-Fiction-Fan ein Glänzen in die Augen zaubern. Nun gut, aber auch ein Richard Morgan darf sich ein paar schwächere Momente gönnen, und so müssen wir Fans einfach darauf warten, dass er wieder zu seiner alten Stärke zurückkehrt.

|Originaltitel: Black Man
Übersetzt von Alfons Winkelmann
Taschenbuch, 832 Seiten|
http://www.heyne.de
http://www.RichardKMorgan.com

_Richard Morgan auf |Buchwurm.info|:_
[„Das Unsterblichkeitsprogramm“ 464
[„Gefallene Engel“ 1509
[„Heiliger Zorn“ 2127
[„Profit“ 1661

Scalzi, John – letzte Kolonie, Die

John Perry, Jane Sagan und ihrer Adoptivtochter Zoe ist kein ruhiger Lebensabend auf der Kolonie Huckleberry vergönnt. Als lokale Autoritäten genießen sie Ansehen und Respekt, aber beide finden das Leben in der Kolonie eintönig, verglichen mit ihren bisherigen Erlebnissen. General Rybicki macht den beiden ein verlockendes Angebot: Sie sollen die neue Kolonie Roanoke leiten und aufbauen. Roanoke ist ein Novum, denn die Siedler stammen nicht von der Erde, sondern von bereits existierenden Kolonialwelten, die gegenüber der Kolonialen Union ihre Ansprüche auf freie Kolonisation durchsetzen wollen.

Perry ahnt nicht, welches Schicksal der Kolonie zugedacht ist. Roanoke dient der Kolonialen Union als Bauernopfer. Die Verteidigung ist bewusst unzureichend gestaltet. Eine der Menschheit feindselig gesinnte Allianz von Alien-Völkern, das Konklave, hat unmissverständlich klargemacht, dass in diesem Bereich der Galaxis keine weitere Kolonisation durch die Menschheit oder andere Rassen geduldet wird. Die KU spekuliert auf eine Auslöschung Roanokes, die ihren Status als einzige Sicherheit und Erfolg garantierende Instanz zementieren soll. Gleichzeitig will man so eine Rekrutierung nicht nur auf der Erde, sondern direkt von den Kolonien durchsetzen. Denn die rücksichtslose Expansionspolitik der KU hat ihr nicht nur das mächtige Konklave zum Feind gemacht, andere Rassen erkennen die verzweifelte Lage der Menschheit und zögern nicht, diese auszunutzen.

Während Perry gegen die Koloniale Union und das Konklave für das Überleben Roanokes kämpft, steht weit mehr auf dem Spiel: Das Schicksal der gesamten Menschheit liegt in den Händen des Konklave. Dessen militärischer Oberbefehlshaber, General Gau, ist durchaus an einer einvernehmlichen Lösung interessiert. Doch auch in seinen Reihen gibt es Kriegstreiber. Perry erhält Hilfe von General Szilard und seiner Spezialeinheit, auch die Obin eilen Perry zu Hilfe, denn seine Adoptivtochter Zoe ist als Kind des „Verräters“ Charles Boutin für sie eine Art Heilige und der einzige Grund, warum die Obin einen wackeligen Frieden mit der Kolonialen Union aufrechterhalten.

_Der Autor_

John Scalzi (* 10.05.1969, Kalifornien) begann seine Karriere in der Blogger-Szene. „Krieg der Klone“ (im Original: „Old Man’s War“) erschien bereits 2002 in Fortsetzungen im Blog seiner Website, bis Patrick Nielsen Hayden, Senior Editor von |Tor Books|, auf ihn aufmerksam wurde. Womit dieser ein ausgezeichnetes Gespür bewiesen hat: Scalzis Debüt war gleichzeitig auch sein Durchbruch, das Buch verkaufte sich in den USA ausgezeichnet und kam bei den Lesern gut an. Als Sahnehäubchen wurde es 2006 mit dem |John W. Campbell Award| ausgezeichnet und für den |Hugo Award| nominiert. Scalzis „Krieg der Klone“ musste gegen Werke etablierter Autoren wie George R. R. Martin, Charles Stross und Ken MacLeod antreten und sich nur dem überragenden [„Spin“ 2703 von Robert Charles Wilson geschlagen geben.

Die Abenteuer von „Krieg der Klone“ waren nur der Anfang, die Fortsetzung [„Geisterbrigaden“ 4467 gab Einblick in die Denkweise der gezüchteten Spezialeinheiten und der Kolonialen Union, deren ambivalente Rolle als selbsternannter Beschützer der Menschheit und gleichzeitige Ursache vieler Animositäten mit außerirdischen Rassen in dem abschließenden Band „Die letzte Kolonie“ kulminiert. So verspricht es der Autor, allerdings greift er in dem noch nicht übersetzten „Zoe’s Tale“ die Geschichte der letzten Kolonie aus der Sicht Zoes auf. Mit Perry und Sagan hat er nach eigener Aussage aber abgeschlossen, mit seinem von postmodernen Ideen geprägten Koloniale-Union-Universum scheinbar noch nicht. Als Bonusmaterial bietet „Die letzte Kolonie“ die Kurzgeschichte „Sagans Tagebuch“, die Jane Sagans Leben im Anschluss an „Geisterbrigaden“ bis zu ihren Abschied von der Spezialeinheit und dem Neuanfang mit John Perry auf Huckleberry beschreibt.

[„Krieg der Klone“ 3677
[„Geisterbrigaden“ 4467

_Der Feind in den eigenen Reihen_

Scalzi führt mit „Die letzte Kolonie“ logisch seine in den Vorgängern entwickelten Gedankengänge zu Ende. Der Bösewicht ist die Koloniale Union, welche die Menschheit bevormundet und sich mit ihrer aggressiven Kolonisationspolitik zahlreiche Feinde geschaffen hat. Dass Roanoke, benannt nach der gleichnamigen ersten englischen Kolonie in der Neuen Welt, die unter bis heute ungeklärten Umständen völlig ausgelöscht wurde, für politische Interessen geopfert werden soll, ist Scalzis Wink mit dem Zaunpfahl, was die Menschheit von der Kolonialen Union zu erwarten hat.

Damit einher geht jedoch auch ein Bühnenwechsel. Nicht mehr nur die Wahrnehmung von Perry, Sagan oder Dirac wie in den vorherigen Bänden treibt die Handlung voran, Scalzi spannt sie jetzt stärker denn je in einen weit größeren politischen Rahmen ein. Dies hat leider einige negative Konsequenzen; so wirken die Problematiken der Besiedlung einer neuen Welt, Streitigkeiten unter den Kolonisten und eine gehörige Medienschelte Scalzis, demonstriert an einem stereotypen Klatsch-Reporter, sehr nebensächlich und aufgesetzt. Der Roman ist eine Aufforderung, sich nur vermeintlich wohlmeinenden Autoritäten zu widersetzen, Freiheit und Demokratie müssen erkämpft werden. Dabei bleibt leider Scalzis Humor ziemlich auf der Strecke, denn er ist eher ein Charakterdarsteller; dieser große Rahmen ist ihm unvertraut, hier kann er nicht so begeistern wie in seinen vorherigen Werken. Etwas störend wirkt mittlerweile sein stark an realen Charakteren orientierter Schreibstil. Die Figuren General Rybicki, Jane Sagan und Zoe sind von einem Bekannten beziehungsweise seiner Frau und Tochter inspiriert. Ich bin nicht wirklich erbaut von dem Gedanken, noch mehr Zoe-Lobhudelei in „Zoe’s Tale“ zu erleben – mir war bereits die bisherige Dosis unangenehm.

Mit dem Verlust der Leichtigkeit und einer eher unbeholfenen Zuwendung zu ernsteren Themen tut sich Scalzi keinen Gefallen. Zwar ist „Die letzte Kolonie“ immer noch eine sehr unterhaltsam und kurzweilig erzählte Geschichte, die persönlichere, charakterbezogene Note der ersten beiden Scalzi-Romane fehlt mir jedoch sehr. Die Handlung ist in Gegensatz zu diesen recht vorhersehbar und politisch (in-)korrekt, es fehlt ein wenig an Überraschungen. Leider ist dieser Roman nur ein relativ unspektakulärer Abschluss der von Scalzi in den Vorgängern entwickelten Andeutungen über die Koloniale Union.

_Bonus: Sagans Tagebuch_

Zeitlich zwischen „Geisterbrigaden“ und „Die letzte Kolonie“ angesiedelt, schreibt Scalzi ein Tagebuch Jane Sagans, in Form von Auszügen gespeicherter Daten ihres BrainPals, das uns unmittelbar an ihren persönlichen Gedanken teilhaben lässt. Die Kurzgeschichte (ca. 60 Seiten) erhielt ein verhaltenes Echo, sie wurde sowohl kostenfrei im Internet als auch als Vollpreis-Hardcover auf dem amerikanischen Markt angeboten. Dass |Heyne| sie als Bonusmaterial liefert, ist zu begrüßen, als eigenständiges Produkt oder als Teil einer Kurzgeschichtensammlung hätte sie wohl keinen Platz auf dem deutschen Markt gefunden.

Leider ist die Geschichte selbst nicht überzeugend. Thematisch hat Scalzi die Problematik der fehlenden Jugend der gezüchteten Spezialeinheit-Soldaten bereits mit Jared Dirac in „Geisterbrigaden“ wesentlich differenzierter dargestellt, zumal der Charakter Jane Sagan hier ganz anders als in „Geisterbrigaden“ erscheint. Ich sehe ihre plötzliche extreme Emotionalität eher als Widerspruch denn als Bereicherung des Charakters Jane Sagan, den Scalzi in meinen Augen so eher demontiert und verwässert.

_Fazit:_

Bei aller Kritik, Scalzi ist immer noch ein hervorragender Schriftsteller, der zu unterhalten versteht. Leider hat er seine bisherige Façon bekömmlicher und zeitgemäß angepasster Heinleinesker Science-Fiction diesmal zugunsten einer politisierenderen, globaleren Sicht der Dinge aufgegeben. Schade, denn so kommen seine Stärken, die in Charakterisierung und Humor liegen, leider nicht zum Tragen. Thematisch hat wohl auch Scalzi erkannt, dass sein simples Credo der Beschränktheit des Wissens auf die eigene Perspektive, während verborgene Mächte im Hintergrund agieren und Autoritäten meistens nur das eigene Wohl im Blick haben, mittlerweile ausgelutscht ist. So ist „Die letzte Kolonie“ ein runder Abschluss für Scalzis Abenteuer mit Perry und Sagan, der sich gegen Heinleinschen Imperialismus und Kolonialismus wendet. Allerdings ist das nicht überraschend, denn Scalzi hat das bereits getan, nur auf humorvollere Weise. Ein konsequentes Finale, gelungen, dennoch leider ein wenig fade.

|Originaltitel: The Last Colony
Übersetzt von Bernhard Kempen
Taschenbuch, 476 Seiten|
http://www.scalzi.com/
http://www.heyne.de

Berg, Carol – Tor der Erneuerung (Rai-Kirah-Saga 3)

Band 1: [„Tor der Verwandlung“ 3948
Band 2: [„Tor der Offenbarung“ 4705

_Im Verlauf des letzten Bandes_ hat Seyonne eine Menge schwieriger Entscheidungen getroffen, immer in der Hoffnung, damit die Welt zum Guten zu verändern. Inzwischen aber scheint es, als hätte er so ziemlich alles vermasselt! Er hat furchtbare Alpträume, die immer wiederkehren, und der schlimmste von ihnen hat nichts mit all den Gräueln zu tun, die er in seinem Leben gesehen hat, sondern vielmehr mit einer Zukunft, die er mehr als alles andere fürchtet. Außerdem verliert er auch tagsüber immer wieder die Kontrolle über sich selbst, sodass die Pflegemutter seines Sohnes es kaum noch wagt, ihn in die Nähe des Jungen zu lassen.

Als wäre das alles noch nicht schlimm genug, schickt ihm die Heged der Hamrashi einen Meuchelmörder auf den Hals, und Seyonne muss schon bald erkennen, dass die Hamrashi es nicht allein auf ihn abgesehen haben. Ihr Angriff gilt vor allem Aleksander. Hin- und hergerissen zwischen seinem Bedürfnis, Aleksander zu schützen, und dem Drang, die Ursache seines Alptraumes zu bekämpfen, verzettelt sich Seyonne mehr und mehr.

_Wurde der Leser im Vorgängerband_ regelrecht mit neuen Charakteren überflutet, so begegnet er diesmal lediglich zweien, die wirklich von Bedeutung sind:

Die Lady in Grün taucht zunächst nur gelegentlich auf, und offenbar will sie etwas von Seyonne. Aber erst gegen Ende, als Seyonne die letzte Entscheidung treffen muss, gelingt es ihr, mit ihm zu reden und ihm einige ausgesprochen wichtige Dinge zu offenbaren – was es für Seyonne aber nicht unbedingt leichter macht.

Nyel ist ein alter Mann mit graumeliertem Haar und tiefgründigen blauschwarzen Augen, von einnehmendem Äußeren, sehr zivilisiertem Benehmen und ausgesprochen ausgeprägter Anteilnahme an Seyonne. Er verhält sich ihm gegenüber nicht nur höflich, sondern ausgesprochen freundlich, ja, er scheint sogar echte Zuneigung für ihn zu empfinden und bietet ihm an, ihn im Gebrauch neuer Magie zu unterweisen. Das soll der gefürchtete, rachsüchtige, blutrünstige Gott sein, der vor tausenden von Jahren eingesperrt wurde, um die Welt vor endgültiger Vernichtung zu bewahren?

Tatsächlich hat die Autorin mit Nyel einen faszinierenden Charakter geschaffen – intelligent, vielschichtig und unergründlich, und trotz der Tragik, die ihn umgibt, niemals kitschig oder schmalzig. Das ist ausgesprochen gut gelungen. Die Lady ist nicht ganz so intensiv ausgearbeitet; weit wichtiger als ihre Person sind die Informationen, die Seyonne von ihr erhält.

Auch Seyonne macht in diesem Band eine erstaunliche Wandlung durch, allerdings nicht ganz von allein. Grob gesagt besteht das Buch aus dem Duell zwischen Seyonne und Nyel, sogar bereits zu einem Zeitpunkt, als noch keiner der Beteiligten, weder Charaktere noch Leser, dies überhaupt realisieren. Ganz allmählich baut die Autorin diesen Kampf auf, während es noch so scheint, als läge das Hauptaugenmerk im Augenblick noch auf Aleksanders Bemühungen, seinen Thron zurückzugewinnen. Erst als Seyonne Aleksander verlässt, um nach Kir’Navarrin zu gehen, wendet sich die Aufmerksamkeit der eigentlichen Thematik zu, aber selbst jetzt gelingt es der Autorin noch, die Verstärkung des Konflikts unter der Decke zu halten. Was die Falle so subtil macht, ist die Tatsache, dass Nyel Seyonne offenbar überhaupt nicht bekämpfen will. So kommt es, dass Seyonne das subtil geknüpfte Netz erst bemerkt, als der Leser schon längst ausgesprochen misstrauisch geworden ist!

Überraschend ist auch, wie die Autorin den Konflikt letztlich auflöst, unerwartet und gleichzeitig ohne irgendeiner der Figuren ihre Menschlichkeit zu nehmen.

_Spannung im herkömmlichen Sinne_ ist in diesem letzten Band des Zyklus mit Abstand am wenigsten zu spüren. Die gelegentlichen Scharmützel, die Aleksander auf seiner Suche nach Verbündeten ausficht, sind recht schnell abgehandelt, und die Verfolger, die der Thronräuber ihnen hinterherschickt, werden meist ohne größere Probleme ausgetrickst. Was nicht heißen soll, dass Aleksanders Flucht keine Opfer fordern würde. Aber das Hauptgewicht der Geschichte liegt auf Seyonnes Kampf mit seinen eigenen Ängsten und Befürchtungen und natürlich seinem Widersacher in Kir’Navarrin. Da es sich dabei um keinen bewaffneten Kampf handelt oder auch nur um ein offenes Duell Willen gegen Willen, bleibt die Gefahr sehr unterschwellig. Selbst der Leser, der schon recht bald misstrauisch wird angesichts von Seyonnes ungewöhnlichem Verhalten, ist sich nicht wirklich sicher, welche Maßnahmen Nyel letztlich ergreifen wird, um sein Ziel zu erreichen, bis es eigentlich schon zu spät ist.

Trotzdem fand ich das Buch nicht langweilig. Seyonnes Entwicklung, die faszinierende Persönlichkeit Nyels und die klischeefreie Auflösung der Geschichte machen das Buch allemal lesenswert. Seyonne ist zwar auch diesmal wieder mehr verwirrt als bei klarem Verstand, was erneut die besondere Stimmung zwischen ihm und Aleksander aus Band eins stark einschränkt. Trotzdem kann der Abschluss der Trilogie, wenn schon nicht mit ihrem Auftakt, so doch zumindest mit ihrem Mittelteil problemlos mithalten.

_Carol Berg_ schreibt ihre Bücher nebenbei. Hauptberuflich ist die studierte Mathematikerin und Computerwissenschaftlerin als Software-Entwicklerin bei |Hewlett Packard| tätig. „Tor der Verwandlung“ ist der erste Band der Trilogie |Rai-Kirah| und ihr erstes Buch überhaupt. Seither hat sie den vierbändigen Zyklus |The Bridge of D’Arnath| geschrieben sowie einen Zweiteiler und die Romane „Song of the Beast“ und „Unmasking“, der im November neu auf den Markt kommt. Nahezu alle ihre Bücher haben irgendeinen Preis gewonnen. Eine beachtliche Leistung für eine Hobby-Autorin.

|Originaltitel: The Rai-Kirah-Saga 3: Restoration
Ins Deutsche übertragen von Simone Heller
733 Seiten
ISBN-13: 978-3-442-24363|
http://www.blanvalet-verlag.de/
http://www.sff.net/people/carolberg/

Pierre Bottero – Das achte Tor (Der Andere, Band 1)

Die Kinder- und Jugendliteratur ist seit dem Auftauchen Harry Potters wahrlich auferstanden, und nicht nur junge Menschen lesen sie gerne – auch der eine oder andere junggebliebene Erwachsene greift gerne zu dieser Literaturgattung, um ein Stück weit in die Welt der Fantasy einzutauchen.

Die Protagonisten sind meistens Kinder oder Jugendliche, die in einer Extremsituation über sich hinauswachsen und zauberhafte, teils unmenschliche Kräfte entwickeln, natürlich nur, um diese erwartungsgemäß für das Gute einzusetzen – so auch in dem phantastischen Jugendroman „Das achte Tor“ von Pierre Bottero.

Inhalt

Pierre Bottero – Das achte Tor (Der Andere, Band 1) weiterlesen

Cory Doctorow – Upload

Das Internet bevölkern vor allem Menschen aller Länder auf der Suche nach Kommunikation mit Gleichgesinnten. Oder auf Konfrontationskurs in der Anonymität des Netzes, versteckt hinter ihren Konsolen. In »Upload« bilden sich auf diesem Wege Gemeinschaften heraus, so genannte Stämme, deren Zustand sich nach der Zeitzone (und damit der Zeit der größten Aktivität des Stammes) der meisten Angehörigen definiert. Dadurch kommt der Schlaf-Wachrhythmus der nicht in diesen Zeitzonen lebenden Stammesangehörigen gehörig durcheinander, da sie sich in ihrem wirklichen Leben nach den Gewohnheiten ihres Umfeldes richten müssen und womöglich ihre Schlafzeit zur Kommunikation mit dem Stamm auf der anderen Seite der Erde nutzen.

Art ist ein »Agent« seines Stammes. Er ist in London für eine Kommunikationsfirma tätig, nutzt aber seine Position, um gute Ideen an seinen Stamm weiterzuleiten und gleichzeitig in der Firma schlechte oder bremsende Ideen an den Mann zu bringen. Art ist ein genialer Kopf, und so stößt er eines Tages auf eine geniale Lösung des Musikdownloadproblems in PKW. Sein Kollege und Stammesgenosse hintergeht ihn und macht sich mit dieser Idee selbstständig, dazu entschärft er Art auf die beste Weise: Er lässt ihn einweisen.

So findet Art Ruhe in der Anstalt, Zeit zum Überlegen, und er erkennt die Zusammenhänge und seine Möglichkeiten …

Schon Doctorows Erstling »Backup« war ein Roman, wie er kreativer und unterhaltsamer kaum sein kann. Und dabei bedient sich Doctorow am heutigen Stand der Informationsgesellschaft und den Möglichkeiten des Internets und interpoliert glaubwürdig eine nahe Zukunft. War in »Backup« noch das Hochladen von Bewusstseinsinhalten und Seelen utopisches Wunschdenken, so greift »Upload« aktuelle Entwicklungen (wie das Filesharing) sehr realitätsnah auf.

Der Charakter des Art, Protagonist und Ich-Erzähler des Romans, begreift sein Schicksal voller Selbstironie und gibt Doctorow damit die Berechtigung für eine locker-humorvolle und sarkastische Stilistik. Über Art greift der Autor einige aktuelle Schattenzonen in der internet-ischen Rechtssituation an – ein Thema, dem eigentlich jeder Nutzer begegnen sollte und hinter dem sich vor allem Lizenzstreitigkeiten und Copyright-Bestimmungen verbergen.

Der Verlag schreibt über den Autor, er lebe im Internet. Damit ist Doctorow wohl einer der fortschrittlichsten Architekten der Zukunft und befindet sich offenbar selber in der Problematik der »Stämme«, die er in diesem Roman thematisiert. Es sind die Grundprobleme der aktiven Internetgeneration, mit denen er sich beschäftigt. Also zukunftsträchtige Themen, mit deren fiktiven Lösungsansätzen er vielleicht den Grundstein für spätere Entwicklungstendenzen legt. Richtig bearbeitet, ist dies sicherlich das erfolgversprechendste Gebiet für orakelige Offenbarungen.

Das Ganze ist verpackt in erfrischend schlanken Erzählungen ohne hunderte Seiten umfassende Beschreibungen. Sie lesen sich flüssig schnell und übertragen Merkmale der Kurzgeschichte auf den Roman; zum Beispiel durch die Entwicklung des Verständnis für komplexe Hintergründe aus dem Kontext und dem Anker in unserer Zeit lässt das Buch sich leicht auf ausschweifende Erklärungen verzichten.

Entscheidet man sich in der Buchhandlung vor dem Bücherregal mit ziegelsteindicken Schinken für diesen unzeitgemäß dünnen Roman auffallend futuristischer |Heyne|-Aufmachung, wird man positiv von hoher Qualität, hohem Unterhaltungswert und erzählerischer Dichte überrascht.

Doctorow ist ein neuer Autor in der Science-Fiction-Landschaft, den es sich lohnt zu beachten, da er neben Charles Stross einer der kreativsten und innovativsten Schriftsteller ist, die sich mit einer vorstellbaren Entwicklung unserer Informations- und Kommunikationszivilisation beschäftigen. Das Leben im Internet – heute schon Realität für viele Söhne und Töchter darunter leidender Mütter.

Der Autor vergibt: (4/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (1 Stimmen, Durchschnitt: 5,00 von 5)

Singh, Nalini – Leopardenblut (Gestaltenwandler 1)

Im Jahre 2079: Sascha Duncan ist eine Mediale und gehört damit einer menschenähnlichen Rasse an, die durch ein Programm namens |Silentium| dazu erzogen wurde, keine Emotionen zu besitzen. Deshalb ist Sascha davon überzeugt, dass mit ihr etwas nicht stimmt: Es gelingt ihr immer weniger, die in ihr aufgestauten Emotionen zurückzuhalten. Da die Entdeckung ihres Defekts für sie schlimme Folgen haben könnte, versucht sie jedoch, ihren Makel geheimzuhalten.

Als sie zum ersten Mal selbstständig Geschäfte aushandeln darf, gerät sie ausgerechnet an Gestaltenwandler: an das Rudel der DarkRiver-Leoparden. Die Gestaltenwandler sind das genaue Gegenteil der Medialen: wild und voller Emotionen.

In den Verhandlungen geht es offiziell darum, neue Wohngebiete für Gestaltenwandler einzurichten – doch im Grunde hat Lucas Hunter, das Alphatier der DarkRiver-Leoparden, etwas ganz anderes im Sinn: Seit Monaten verschwinden immer mehr Gestaltenwandlerfrauen und werden nach sieben Tagen gefoltert und tot wieder aufgefunden. Durch die Zusammenarbeit mit Sascha erhofft er sich, mehr über die Geheimnisse der Medialen zu erfahren und herauszufinden, wer der Mörder ist, der von ihnen gedeckt wird.

Schon früh bemerkt Lucas bei der Zusammenarbeit mit Sascha, dass mit ihr etwas nicht stimmt. Während er versucht, Saschas für Mediale untypischem Verhalten auf die Schliche zu kommen, entwickelt er immer mehr Gefühle für sie. Und auch Sascha kann die Zuneigung, welche sie für Lucas empfindet, bald nicht mehr zurückhalten. Mit Lucas‘ Hilfe lernt sie die schönen Seiten der Liebe kennen und möchte bald nicht mehr zu den Medialen zurückkehren.

Als eine weitere Gestaltenwandlerfrau aus einem anderen Rudel verschwindet, spitzt sich die Lage immer mehr zu. Die Gestaltenwandler und die Medialen stehen kurz vor einem Krieg, und für Sascha, die bei Lucas bleiben möchte, gibt es kein Entkommen aus der Welt der Medialen: Entscheidet sie sich für Lucas, muss sie sich von dem für Mediale lebenswichtigen Medialnet trennen und damit ihr Leben lassen …

_Eindrücke:_

Was mich an „Leopardenblut“ sofort ansprach, war nicht nur die Tatsache, dass es sich um einen Fantasy-Romance-Roman handelt, sondern vor allem die Idee der Story. Die Geschichte spielt in der Zukunft und hat daher nicht nur einige Fantasy-, sondern auch diverse Science-Fiction-Elemente parat. Auf der Erde gibt es – neben gewöhnlichen Tieren – die Menschen, die Gestaltenwandler und die Medialen. Die Gestaltenwandler sind halb Tier, halb Mensch und können sich in jenes Tier verwandeln, welches in ihrer Persönlichkeit steckt (so können sich die DarkRiver-Leoparden natürlich in Leoparden verwandeln).

Die Medialen sind da schon ein bisschen komplizierter zu beschreiben. Sie ähneln den Menschen, sind aber seit ihrer Geburt durch das Programm „Silentium“ darauf ausgerichtet, keine Emotionen zu besitzen und lediglich zu funktionieren. Mediale verfügen über telepathische und telekinetische Kräfte und sind durch das so genannte Medialnet auf eine Weise verbunden, die man mit dem Internet vergleichen kann. Über das Medialnet können sich die Medialen unterhalten und sich gegenseitig überwachen. Deshalb ist es wichtig, irgendwelche „Defekte“, die man hat, zu verstecken, denn ansonsten muss man sich einer Rehabilitationsmaßnahme unterziehen, welche für Mediale den Anfang vom Ende bedeutet. Das Medialnet ist nicht nur von überall aus erreichbar, wo sich die Medialen gerade befinden, sondern von dort beziehen sie auch ihre ganze Lebenskraft. Wendet sich ein Medialer von dem Medialnet ab, stirbt er schon nach kurzer Zeit. Die Welt der Medialen wird von der Autorin Stück für Stück gut erklärt, sodass man keine Probleme damit haben dürfte, die Bedeutung der Medialen zu verstehen.

Die Mischung aus Sci-Fi, Fantasy und Liebesgeschichte hat mich von Anfang an angesprochen. Sie bietet, anders als bei den üblichen Fantasy-Romance-Romanen, wirklich mal etwas Neues und macht neugierig. Der Ansatz der Geschichte ist recht gut und man hätte einiges aus dieser Idee herausholen können. Dennoch wurde der Ansatz leider nicht wirklich gut umgesetzt.

Das geht los mit den Charakteren. Im Großen und Ganzen fällt keiner der Charaktere grundsätzlich negativ auf, aber trotzdem sind die meisten von ihnen eher oberflächlich gehalten und sehr blass. Keine Figur kann wirklich überzeugen und schafft es, tiefgründig und real zu wirken, was der Grund dafür ist, dass es dem Leser schwerfallen dürfte, sich in die Charaktere hineinzuversetzen und mit ihnen zu fühlen. Sascha wirkt mit ihrer Zerbrechlichkeit beinahe ein bisschen zu schwächlich und naiv, Lucas dagegen zu stark und besitzergreifend. Zwar sind das unter anderem Eigenschaften, die man zuhauf in Romanen aus dem Bereich der Fantasy Romance finden kann, doch man nimmt sie den Charakteren in diesem Fall einfach nicht richtig ab. Von wahren Emotionen fehlt jede Spur, und es fällt zunehmend schwer, wirklichen Gefallen an der Lektüre zu finden, da es mit den Emotionen, je weiter die Geschichte voranschreitet, so übertrieben wird, dass sie irgendwann nur noch auf die Nerven gehen statt den Leser wirklich zu berühren.

Nicht nur die Charaktere, sondern auch die Geschichte selbst rutscht dabei immer mehr in Richtung Kitsch ab. Die Liebe zwischen Lucas und Sascha stellt sich so schnell ein und wird als dermaßen intensiv beschrieben, dass sie völlig unglaubwürdig und kitschig wirkt. Es wird ständig beschrieben, wie innig ihre Liebe ist und wie sehr die beiden sich gegenseitig lieben. Zum Ende hin dreht sich die ganze Geschichte nur noch darum und die restliche Handlung tritt in den Hintergrund, sodass es scheint, als wäre die eigentliche Geschichte nun unwichtig. Das ganze letzte Viertel des Buches dreht sich beinahe ausschließlich um die Liebe zwischen den beiden, und auf jeder Seite wird aufs Neue erklärt, wie sehr sich die beiden zugetan sind.

Was ich in „Leopardenblut“ auch vermisst habe, ist die Spannung. Am Anfang macht man sich als Leser noch Hoffnungen, dass die Geschichte noch richtig interessant wird, doch diese Hoffnung wird mit jeder weiteren Seite zunichte gemacht, und sobald man die Lektüre beendet hat, bleibt man verdutzt zurück und fragt sich enttäuscht: War das alles? Zwar erwartet den Leser bei „Leopardenblut“ keine gähnende Langeweile, doch die wirklichen Highlights und Spannungsmomente bleiben einfach aus. Die Geschichte plätschert stetig im selben Tempo und ohne wirkliche Höhen und Tiefen vor sich hin, und auch wenn das Buch nie wirklich langweilt, fesselt es auch nicht.

Das Schlimmste ist allerdings immer noch die Vorhersehbarkeit der Handlung. Die Auflösung und das Ende sind so simpel gestrickt, dass man einfach nur enttäuscht sein kann. Das Ende fällt genau so aus, wie man es sich bereits von Anfang an denken kann. Das Buch hält geradezu null Überraschungen und Wendungen bereit, die der Leser nicht schon mit ein bisschen Fantasie selbst erahnen konnte. Am stärksten zeigt sich das am Ende, bei dem man sich über die Durchsichtigkeit und Fantasielosigkeit einfach nur noch wundern kann.

Der Schreibstil ist nicht völlig missraten, weist aber auch einige Mankos auf. Teilweise werden Erklärungen und Beschreibungen für die Welt der Medialen und der Gestaltenwandler eingeschoben, wo sie gar nicht wirklich zu der momentanen Situation passen oder mehr wie eine in den Text eingefügte Fußnote wirken. Ab und zu kommen auch Wiederholungen in der Formulierung vor oder der Erzählstil wirkt an einigen Stellen unsicher und umgangssprachlich.

_Fazit:_

Ich hätte mir von „Leopardenblut“ eindeutig mehr erwartet. Die Geschichte ist vorhersehbar und kitschig und die Charaktere sind blass. Die Grundidee des Buches hat mir gefallen, aber letztendlich war „Leopardenblut“ eher eine Enttäuschung.

_Die Autorin:_

Nalini Singh wurde auf den Fidschi-Inseln geboren und ist später in Neuseeland aufgewachsen. Vorerst war sie als Rechtsanwältin und Englischlehrerin tätig, begann aber im Jahre 2003 mit ihrer Karriere als Autorin von Liebesromanen. Der erste Teil der „Gestaltenwandler“-Serie ist ihr erster Roman im Bereich Fantasy Romance.

Die |Gestaltenwandler|-Reihe:

Band 1: Leopardenblut
Band 2: Jäger in der Nacht (August 2008)

|Originaltitel: The Psy-Changeling series vol. 1: Slave to Sensation
Originalverlag: Berkley Publishing Group
384 Seiten Klappbroschur
ISBN-13: 978-3-8025-8152-6
http://www.egmont-lyx.com

Liu, Marjorie M. – Shadow Touch

Marjorie M. Liu ist Autorin aus Überzeugung. Obwohl sie neben dem Studium der osteuropäischen Sprachen und Kultur zusätzlich ein Jurastudium absolviert hat, hat sie sich für eine Karriere als Autorin entschied, weil sie nach eigenen Angaben keine Anwältin sein wollte. Ihre Rechnung scheint aufzugehen. In den USA erfreut sich ihre „Dirk and Steele“-Reihe großer Beliebtheit und umfasst bald sieben Bände. Nun soll der Virus auch in Deutschland übergreifen: |Blanvalet| veröffentlicht nach „Tiger Eye“, dem ersten Band, nun auch „Shadow Touch“.

Dieses lässt sich unabhängig vom ersten Band lesen, da völlig andere Protagonisten im Vordergrund stehen. Dies wäre zum einen die junge Elena Baxter, die eine kleine Farm betreibt und ein Geheimnis hat: Durch die Kraft ihrer Gedanken kann sie Menschen heilen und tut dies immer wieder bei ihrer ehrenamtlichen Arbeit im Krankenhaus. Sie glaubt, diese Fähigkeit verstecken zu müssen, und fühlt sich von anderen Menschen isoliert, weil sie anders ist. Bei Artur, einem ehemaligen russischen Mafiakiller, ist die Situation eine andere. Er hat seine Gabe, in die Seele anderer Menschen blicken zu können, zu seinem Beruf gemacht und ist bei der Detektivagentur |Dirk and Steele| angestellt. Diese beschäftigt ausschließlich Personen mit paranormalen Kräften, die diese dazu benutzen, um Kriminalfälle zu lösen.

Elena und Arthur, die sich nicht kennen, sind einer Gruppierung, die sich |Konsortium| nennt, aufgefallen. Wie man sich denken kann, handelt es sich dabei nicht unbedingt um besonders freundliche Zeitgenossen. Im Gegenteil strebt die Anführerin des Konsortiums eine Verbindung mit den russischen Mafiabossen an, um ihr Imperium zu vergrößern. Da auch sie mit paranormalen Kräften arbeitet, kommen ihr Artur und Elena nur recht. Sie lässt die beiden entführen und in ein geheimes Laboratorium in Russland bringen. Dort begegnen sich die beiden zum ersten Mal. Als Artur zusammenbricht, weil die Dinge, die er in anderer Menschen Seelen gesehen hat, einen „Kurzschluss“ in seinem Gehirn verursachen, rettet Elena ihm mit ihren Kräften das Leben. Doch das bleibt nicht ohne Folgen. Von nun an können die beiden ohne Berührung eine Verbindung zueinander aufbauen, eine noch tiefere Verbindung als Liebe. Gemeinsam mit zwei Gestaltwandlern, die ebenfalls gefangen gehalten werden, begeben sie sich auf eine überstürzte Flucht, als sich ihnen die Gelegenheit bietet. Sie ahnen nicht, dass dies der Anfang zu einem großen Abenteuer ist …

Marjorie M. Liu macht möglich, was man nicht für möglich hält: Sie verbindet Action mit einem guten Schuss Romantik, ohne pathetisch oder eindimensional zu werden. Was ruhig und unspektakulär beginnt, entwickelt sich schnell zu einem rasanten Abenteuer. Die Zutaten der Geschichte sind dabei nicht immer neu, aber gut zusammengesetzt. Sie erhalten durch die ausgefallene Figurenzeichnung eine besondere Note und wirken nicht klischeehaft. Die Verfolgungsjagden und Kämpfe sowie die Enthüllungen von Geheimnissen folgen flott aufeinander und lassen kaum Wünsche offen. Obwohl nicht als Thriller deklariert, können sich einige Bücher dieses Genres eine Scheibe an „Shadow Touch“ abschneiden.

Dabei kommt die leichtfüßige Romantik nicht zu kurz. Auch hier macht die Autorin alles richtig, denn sie wird nie schwülstig oder übertreibt es mit expliziten Szenen, sondern entwickelt eine zarte, authentische und berührende Liebesgeschichte. Diese nimmt nicht zu viel Raum ein, sondern ist eher eine Nebensächlichkeit, ohne ihren Zauber zu verlieren. Das ist insofern vorteilhaft, als dieses Buch nicht nur ausgemachte Romantiker, sondern auch „normale“ Fans von Romanen mit paranormalem Einschlag begeistern wird.

Im Vordergrund stehen dabei immer die beiden Hauptfiguren, deren Persönlichkeiten sich wie ein roter Faden durch die Geschichte ziehen. Anders als man es vielleicht erwartet, hat man es in „Shadow Touch“ nicht mit seichten, oberflächlichen Charakteren zu tun, denen es an Substanz mangelt. Auch wenn die eine Ecke oder Kante zusätzlich nicht geschadet hätte, werden Artur und Elena sehr eigenständig dargestellt. Arturs Vorgeschichte als Straßenjunge und Mafiakiller ist zwar nicht unbedingt innovativ, wird aber auch nicht ausgeschlachtet. Die eigentliche Überraschung ist Elena, da sie anders als ähnlich geartete Figuren gezeichnet wird. Das zeigt sich vor allem in ihrer Schlagfertigkeit und ihrem erdigen Humor. Sie ist emanzipiert, und trotz ihrer tiefen Liebe zu Artur wirkt sie nie blass oder heimchenhaft, aber auch nie wie eine Witzfigur aus einem Frauenroman.

Das Einzige, woran Liu stellenweise noch arbeiten sollte, ist ihr Schreibstil, wobei nicht ersichtlich ist, was ihre und was die Schuld der deutschen Übersetzung ist. Die ersten Seiten des Buchs sind hart. Die häufigen Wiederholungen einzelner Worte in Sätzen wirken gekünstelt und zu bemüht erhaben. Die Geschichte läuft nicht so ganz rund und mutet stellenweise kitschig an. Diese Startschwierigkeiten werden möglicherweise bei Lesern mit wenig Geduld eher zum Zuschlagen des Buches führen. Hat man sich jedoch erstmal in Lius Stil eingelesen, merkt man schnell, dass sie ihre Sache eigentlich gar nicht so schlecht macht. Manchmal klingt sie ein wenig naiv und der oft komische Humor wird nicht richtig herausgearbeitet. Auf der Haben-Seite stehen allerdings die ungewöhnlichen Metaphern und Vergleiche, mit denen sie die Geschichte immer wieder auflockert, auch wenn nicht jedes dieser Stilmittel als gelungen bezeichnet werden kann.

Der Verlag sagt über die Autorin, sie sei „eine außergewöhnlich optimistische junge Frau, die fest daran glaubt, allem im Leben mit einem Lächeln begegnen zu können.“ Bei der Lektüre von „Shadow Touch“ hat man genau dieses Gefühl. Fast ein bisschen naiv wirkt das Buch auf den ersten Seiten, entwickelt sich aber zu einem unerwartet spannenden und stellenweise düsteren Thriller mit einem romantischen Einschlag. Während der Schreibstil erst in Schwung kommen muss, gibt es an der Personenzeichnung und an der Handlung nicht viel zu bekritteln. Marjorie M. Liu gelingt es, ein Buch zu schreiben, das gerne in die Romantikecke gestellt wird, aber nicht so kitschig ist, dass es nicht auch Nichtromantikern gefallen dürfte.

|Originaltitel: Shadow Touch
Originalverlag: Dorchester Publishing, New York 2006
Aus dem Englischen von Wolfgang Thon
406 Seiten, Taschenbuch|

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Schwartz, Susan (Zietsch, Uschi) / Vlcek, Ernst – SunQuest 1: Fathomless

_Inhalt:_

Shanija Rans Ankunft auf der bizarren Welt „Less“ und der Beginn ihrer Quest mit einer vagen, sehr vagen Hoffnung, ihre Mission doch noch erfüllen zu können, als sie von dem »Schlüssel« erfährt.

Wir schreiben das Jahr 3218 christlicher Zeitrechnung. Die Menschheit stößt auf ein Fremdvolk im Sternbild Schwan – die Quinternen, die die Erde samt Mond und somit die Menschheit zerstören wollen.

Colonel Shanija Ran, Kommandantin der Marine-Eliteeinheit „Wild Rams“, ist mit ihrem Raumjäger unterwegs zur Erde, um das zu verhindern. Denn die Existenz der Menschheit steht auf dem Spiel, der galaktische Krieg gegen die rätselhaften Quinternen scheint verloren – bis jetzt, denn Shanija Ran ist im Besitz von Plänen, die eine entscheidende Wende herbeiführen werden.

Verfolgt von den Quinternen, muss Shanija Ran ein waghalsiges Manöver riskieren – und wird durch eine Anomalie in einem fremden System ausgespuckt, dessen gewaltige Kräfte sich sofort auswirken und sie zur Landung auf einem erdähnlichen Mond zwingen, bei der ihr Schiff völlig zerstört wird. Shanija Ran findet sich in einem unmöglich erscheinenden System wieder – eine Welt mit drei Sonnen.

_“Escensio“_, Teil 1 des Auftaktbandes, bestreitet Uschi Zietsch unter dem Pseudonym Susan Schwartz, ihres Zeichens Autorin und Verlegerin.

Als Shanija auf „Less“ zu sich kommt, muss sie feststellen, dass ihr Jäger, nachdem sie ihn durch die Blaue Sonne steuern ließ, in seine Einzelteile zerlegt wurde und somit eine Rückkehr für Shanija unmöglich ist. Schnell stellt sie fest, dass auf Less keine Technik funktioniert und einiges nicht mehr so ist wie zuvor. So hat sich zum Beispiel „Pong“, ihr hochentwickeltes Computermodul, in einen humorig putzigen Schmuckdrachen entwickelt, der mal unter einem Drachentattoo auf ihrer Brust ruht, dann wieder aus Shanija herauskommt und rülpsend und keck mit seinen gelegentlichen Auftritten die Handlung bereichert und zu eigenständigem Leben erwacht.

Der erste Teil gewährt Einblicke in Shanijas Kindheit, ihre Familie: Vater Barn, Mutter Raje und Bruder Aaron; und der Leser erfährt, dass Shanija eine geborene Tovan ist, sie aber ihren Namen abgelegt hat.

Doch was widerfährt Shanija auf Less? Zuerst trifft sie auf einen wandernden Müllhaufen mit organischem „Innenleben”, wie Rattenwesen und Ameisen, um nur zwei „Gattungen” zu nennen. Er ist somit eine in sich geschlossene Ökologie. Shanija wird von zwei langen Tentakeln, die aus dem Müllhaufen – einer alles fressenden, alles vernichtenden Maschine – erwachsen, an diesen gerissen und gefesselt. Und trifft dort auf das erste menschliche Wesen, das ebenfalls in den Fesseln des wandelnden Schrottberges hängt: As’mala, blond, blauäugig, eine Diebin und Nachfahrin der Besatzung der „Sunquest“.

Den beiden Frauen gelingt es, sich zu befreien und die Flucht und Shanija erfährt, dass auf Less jedes Lebewesen die Gabe der Psimagie besitzt. Shanija fragt sich daraufhin, welche wohl in ihr schlummert und erwachen wird. Sie gelangen in die Stadt Baroma Castata, die wie eine burgähnliche Festung ist. Dort landen Shanija und As’mala in einem Verlies, wohl auch weil As’mala aus dem Baron Castata bei ihrem letzten Besuch der Stadt einen Baron CastRata gemacht hat. Der Baron ist eine zwielichtige Gestalt, die Handel mit Juwelen und Sklaven treibt. Aber auch hier können sich die beiden Frauen befreien – und begegnen sonderbaren Kapuzenwesen, die in Shanija eine starke psimagische Kraft sehen und sie „Die Trägerin der Sonnenkraft” nennen.

Ernst Vlcek bestritt mit _“Terra Incognita“_ den zweiten Part des Bandes

Ranija und As’mala landen nach ihrer Flucht aus dem Verlies der Stadt Castata durch Teleportation im „Niemandsland” und treffen auf den Rebellen Borschkoj, der sich als echter Macho gibt und Ranija sofort suspekt ist, auf den As’mala jedoch, die ohnehin eine stark sexuelle Ausrichtung hat, augenscheinlich anspricht. Gemeinsam machen sie sich auf in ein mystisches Monolithen-Reich, nach „Mandiranei”, ein Königreich und Stadtstaat inmitten eines Monolithen, der in einem See liegt, in welchem es vor Ungeheuern nur so wimmelt. In Mandiranei herrschen der altersschwache König Leeon und seine Gattin Randa, deren Tochter Seiya auf den Thron soll – vor dem eigentlichen Thronerben, ihrem Bruder Tainon.

Ab diesem Teil zwei erhält der Band eine eindeutig phantastische Note. Die drei begegnen auf ihrem Weg Drachenfliegern, Okkuren – auf zwei Beinen aufrecht gehende Eber-Söldner – und werden von Prinzessin Seiya schlussendlich wie Gäste aufgenommen. An ihrer Seite ist ständig Corelius, ein Gnom und Schattenspieler, präsent.

As’mala macht sich jedoch schon bald auf in die Stadt und auf die Suche nach Borschkoj, der sich von den beiden Frauen getrennt und zu den Rebellen, die Prinz Tainon um sich geschart hat, geschlagen hatte. Ihr wird das Mannweib Vosinna als Schutz an die Seite gestellt. Doch As’mala schüttelt diese durch eine List ab und begibt sich in die Unterwelt, in der sie von Yoscan, einem skelettartigen Echsenwesen, zu Borschkoj gebracht wird. Von ihm wird As’mala, die Borschkojs Reizen erliegt, dazu angehalten, eine bestimmte Pforte des Palastes zu öffnen, damit Tainon mit seinen Rebellen den Palast stürmen und die Krönungszeremonie seiner Schwester stören kann, der er nach dem Leben trachtet.

Wieder zurück im Palast, berichtet As’mala der Prinzessin von dem mörderischen Vorhaben ihres Bruders. Die will das jedoch zuerst nicht glauben – doch schließlich gelingt es Tainon tatsächlich, in den Palast einzudringen und seine Eltern und Schwester in die Gewalt zu bringen. Aber Rhanija, As’mala und Seiya gelingt die Flucht und sie kämpfen sich an Borschkojs und Vosinnas Seite durch das felsige Niemandsland, geraten dabei unter anderem in „Strudelfallen”, werden von Säure, die von der Felsdecke tropft, bedroht, erleben, wie eine mörderische Chamäleonzunge plötzlich aus einer scheinbar massiven Wand schießt, und es regnet sogar alle möglichen Skelette. Die drei Frauen stehen zum „guten” Schluss vor einem Abgrund, über den spröde und brüchige Rippenbögen führen. Und am anderen Ende des Abgrunds zeigt sich ihnen ein völlig überraschender Auslöser für all die Gefahren, die ihnen begegnet sind.

_Meine Meinung:_

Phantastischer und rasanter geht es nicht. Somit liegt mit Band eins ein optimaler Einstieg in die Serie vor, der durch ein Glossar im Anschluss an den Romantext erleichtert wird. Auch die Stile der beiden Autoren fügen sich gut ineinander, bedeuten keinen atmosphärischen Bruch, was den Lesefluss wunderbar stützt. „Fathomless“ endet mit einem Cliffhanger, der Appetit auf Band zwei macht. Man möchte einfach mehr über Rhanija und ihre beiden Begleiterinnen lesen, möchte mehr bekommen von der phantastischen Frauenpower, die sich durch den Band zieht.

Bliebe noch die Aufmachung des Romans zu erwähnen, die tadellos ist. Das Papier ist erstklassig, der Satz und das Lektorat sind korrekt und auch die Tatsache, dass es Innenillustrationen gibt, erfreut das Leserherz, wenngleich mir persönlich der Stil, der eher an einen Cartoon erinnert, nicht sonderlich gefällt und nicht so recht zu dem Duktus der Texte zu passen scheint. Doch das bleibt dem Geschmack eines jeden Lesers überlassen und trübt keineswegs den Gesamteindruck des Bandes. Dafür gefällt mir die Idee, dass sowohl die Buchrücken der ersten sechs Bände als auch die Cover – legt man sie nebeneinander – ein Gesamtmotiv ergeben. Auch das Format erfreut. Es ist zwar nicht völlig gängiges Taschenbuchformat, sondern etwas höher, aber – den Höllen sei es getrommelt und gepfiffen – nicht das großformatige Kleinverlagsformat. Dadurch überzeugt auch die Aufmachung der Serie voll und ganz!

_Fazit:_ „Fathomless“ ist ein flott erzählter und optisch sehr ansprechender Auftaktroman zweier Routiniers, der Lust auf mehr diese Serie macht! Sehr empfehlenswert!

|ISBN-13: 9783927071179|
http://www.fabylon-verlag.de
http://www.sunquest-serie.de

Handeland, Lori – Wolfskuss (Geschöpfe der Nacht 1)

Die junge Polizistin Jessie McQuade sorgt in der verschlafenen Kleinstadt Miniwa für Recht und Ordnung. Als sie eines Nachts an einen Unfallort gerufen wird, bei dem eine junge Frau namens Karen Larson einen Wolf angefahren hat, ahnt Jessie noch nicht, was ihr bevorsteht: Als Karen Larson am nächsten Tag wieder zur Arbeit geht, erleidet sie einen Tollwut-Anfall und muss erschossen werden. Doch wie kommt es, dass die Frau schon so früh der Tollwut verfallen ist, obwohl diese normalerweise erst nach Monaten auftritt? Und was hat das indianische Wolfstotem am Unfallort zu bedeuten?

Um all den Rätseln auf den Grund zu gehen, beschließt Jessie, einem indianischen Professor namens William Cadotte einen Besuch abzustatten, der sich das Totem genauer ansehen soll. Während die beiden versuchen, die Bedeutung des Totems zu ergründen und sich dabei näherkommen, kommt es in Miniwa zu weiteren Vorfällen: Nicht nur, dass weitere Opfer dieser speziellen Art von Tollwut verfallen und die Leichen sich auf merkwürdige Art und Weise verformen, irgendjemand scheint es auf das Totem abgesehen zu haben. Zusammen mit dem Jäger-Sucher Mandenauer, einem alten Mann, der sich auf die Jagd von Wölfen spezialisiert hat, kommt Jessie hinter ein lange gehütetes, furchtbares Geheimnis – und bald weiß sie nicht mehr, wem sie noch trauen kann …

Bücher aus dem Bereich „Fantasy Romance“ sind in letzter Zeit immer angesagter. Dabei wird oftmals nicht nur Fantasy mit Liebesgeschichten vermischt, sondern es gibt auch noch eine gute Grundlage für weitere, bisher noch wenig verbreitete Genremischungen. Auch „Wolfskuss“ gehört in diese Sparte. So findet man hier auch einige Aspekte, die stark an das Krimigenre erinnern, zugleich sind auch einige indianische Mythen darin zu finden. „Wolfskuss“ bietet also eine große Anzahl verschiedener Genre-Richtungen, was schon im Voraus vermuten lässt, dass es sich hierbei um keine altbekannte Geschichte handelt.

Das muss man der Geschichte auf jeden Fall lassen: Sie ist ohne Zweifel etwas Neues und kann auch mit vielen ungewohnten und guten Ideen überzeugen. Auch die Auflösung und die Erklärung für das Wolfs-Problem wird innovativ und interessant präsentiert. Dennoch benötigt die Geschichte eine Weile, bis sie wirklich spannend wird. Zwar ist sie auch am Anfang nicht gerade langweilig, doch dem Buch fehlt noch das gewisse Etwas, das den Leser dazu bringt, es beinahe gar nicht mehr aus der Hand legen zu können. Später wird das spürbar besser, auch wenn es dem Buch nicht gelungen ist, mich ganz und gar zu überzeugen.

Was mich allerdings gestört hat, war der Großteil der Charaktere. Vor allem die Nebencharaktere in „Wolfskuss“ sind überladen mit Klischees, was nicht wirklich dazu beiträgt, dass die Charaktere real oder sympathisch wirken. So ist der Sheriff von Miniwa beispielsweise ein Wildwest-Gesetzeshüter, wie er mit Kugelbauch, Kautabak und einer rauen Umgangsart typischer nicht sein könnte. Genauso ist es mit dem Jäger-Sucher Mandenauer, der mit seinem Alter einen hervorragenden Schatz an Erfahrungen besitzt und überdies gelegentlich an einen kühlen Rambo erinnert, der die Situation stets im Griff hat. Genau so sieht es auch mit den meisten anderen Nebenfiguren aus. Allesamt erscheinen sie wie pure Klischeeträger und entwickeln dabei keinen wirklich eigenen Charakter. Das wäre ja weiter nicht schlimm, wenn einige von ihnen am Schluss hin nicht noch eine größere Rolle zu spielen hätten. So wirken einige der Personen die meiste Zeit über wie aufgestellte Pappkameraden am Wegesrand, aber wenn das Buch auf die Zielgerade geht, dann sollen sie auf einmal als reale, wichtige Person in den Mittelpunkt der Geschichte treten. Dass das nicht einwandfrei funktioniert, ist wohl offenkundig.

Ebenso bedauerlich ist, dass der Charakter von Cadotte in der Geschichte ziemlich untergeht. Man hat kaum die Gelegenheit, ihn wirklich kennen zu lernen, wodurch er für den Leser zu blass bleibt. Gelegentlich habe ich mich gefragt, was er in der Geschichte eigentlich zu suchen hat. Es scheint so, als wäre er nur für die Liebesgeschichte mit Jessie im Spiel, denn wirklich eine wichtige und tragende Rolle spielt er nicht. Es fällt sehr schwer, Cadotte einzuschätzen, vor allem seine Beweggründe blieben mir die meiste Zeit schleierhaft. Zwar trägt das insofern zu der Geschichte bei, als Jessie bald nicht mehr weiß, ob sie ihm trauen kann oder nicht, aber leider werden die ganzen Umstände später, wenn sich alles geklärt hat, auch nicht wirklich durchsichtiger. Man weiß immer noch nicht wirklich, was er an Jessie findet, und auch nicht, warum er die meiste Zeit nackt durch die Gegend läuft.

Die einzige wirklich gelungene Person ist Jessie. Sie macht sich als Protagonistin sehr gut, ist nicht mit Klischees überladen und wirkt auch nicht zu blass. Mit ihrer lustigen, aber auch verletzlichen Art wirkt sie auf den Leser sofort sympathisch. Ihr ganzes Leben hat sie der Verbrecherjagd in Miniwa verschrieben und daher mit Männern nicht viel am Hut. Sie wird nicht allzu perfekt dargestellt, und das ist genau das, was sie als Protagonistin so faszinierend macht. Obwohl sie als nicht besonders schön und auch nicht attraktiv beschrieben wird, wirkt sie mit ihrem Charakter einfach sympathisch, und die Tatsache, dass sie bei den typischen Protagonistinnen solcher Genrebücher aus der Reihe tanzt, macht sie in gewisser Weise auch zu etwas Besonderem.

Das Ende war leider auch nicht so gelungen, wie ich es mir erhofft hatte. Zwar sind die Ideen, die Lori Handeland in ihren Roman eingebaut hat, wirklich gut, doch diese hat sie nicht völlig ausgeschöpft und auch mit einigen anderen Ideen, die nicht ganz so gut zur Geschichte gepasst haben, wieder ein wenig abgeschwächt. Und natürlich ist das Ende, wie man es leider bei vielen Büchern aus der Fantasy Romance immer wieder vorfindet, ein wenig zu kitschig. Jedes Problem löst sich ins Nichts auf, und dann ist alles wieder perfekt.

Was dagegen zu gefallen weiß, ist der Schreibstil. Die Geschichte wird in der Ich-Form aus Jessies Sicht erzählt, was sehr gut passt. Jessies Art zu erzählen ist sehr lebendig und unterhaltsam und kann für den Gesamteindruck einige Mängel wieder wettmachen.

_Fazit:_

Alles in allem hat Lori Handeland mit „Wolfskuss“ ein gutes Werk aus der Fantasy Romance vorgelegt. Zwar gibt es das ein oder andere zu bemängeln, aber letztendlich hat mir der Auftaktband gefallen. Lori Handeland hat viele gute Ideen eingebaut und die Protagonistin kommt sympathisch rüber.

_Lori Handeland:_

Die Autorin Lori Handeland wohnt mit ihrem Mann und ihren zwei Söhnen in Southern Wisconsin und schreibt seit 1993 historische und zeitgenössische Liebesromane. Ihr neuster Roman „Wolfskuss“, der Auftakt der „Night Creatures“-Serie, wurde in den USA mit großer Begeisterung aufgenommen und gewann 2005 den |RITA Award| der |Romance Writers of America|. 2007 folgte der |RITA| für „The Mommy Quest“. „A Soldier’s Quest“ gewann 2005 den |Romantic Times Reviewers‘ Choice Award|.

http://www.lorihandeland.com

|Night-Creatures|:

Band 1: Wolfskuss
Band 2: Wolfsgesang (August 2008)

|Originaltitel: Night Creatures vol 1: Blue Moon
Originalverlag: St. Martin’s Press, New York, 2005
368 Seiten Klappbroschur|
http://www.egmont-lyx.com

Hoffmann, Horst – Dorlog (Titan-Sternenabenteuer 28)

Die Emotionsrebellen der Cadschiden – kurz Emorebs – unter der Führung Dorlogs sind unbemerkt mit einer Invasionsflotte auf der Erde gelandet und warten auf den Befehl zum Angriff. Doch Dorlog ist der einzige Überlebende seines havarierten Schiffes und wird schwerverletzt von einer gottesfürchtigen Farmerfamilie aufgefunden, die zusammen mit ein paar anderen Familien völlig autark in einer einsamen Gegend wohnt. Für Dorlog steht fest, dass er bald zu seiner Flotte zurückkehren muss, doch die Fürsorge der Farmerfrau weckt ungeahnte Gefühle in dem Cadschiden …

Zur selben Zeit landet die |Titan| unter dem Kommando von Vanessa Modesta auf dem Heimatplaneten der Invasoren. Die Besatzung des havarierten Space-Police-Raumers kann nur noch tot geborgen werden. Zwischen den Emorebs und den „Gefühlstoten“, wie die normalen, nicht empfindungsfähigen Cadschiden genannt werden, tobt ein mörderischer Krieg, in dem die Besatzungen der |Titan| und der |Wallenstein| zwischen die Fronten geraten …

Mit „Dorlog“ gibt der bekannte deutsche Science-Fiction-Autor Horst Hoffmann seinen Einstand, der bereits in der Serie „Perry Rhodan“ einschlägige Erfahrungen in dem Genre sammeln konnte und mit [„Die galaktische Rallye“ 2378 bereits einen Science-Fiction-Roman im |BLITZ|-Verlag veröffentlichte. Dies kommt dem vorliegenden Buch sehr zugute, das sich flüssig lesen lässt und hervorragend in die laufende Thematik einfügt, auch wenn die Handlung sich zunächst einem komplett neuen Schauplatz zuwendet und den Leser in Sachen „Shalyn Shan“ und „Anake Takagawa“ im Ungewissen lässt. Das ist vielleicht auch gut so, denn so kann sich der Autor in Ruhe mit dem „Titan“-Universum vertraut machen, bevor er sich an die Hauptakteure heranwagt. Die Kultur und Entwicklung der Cadschiden, allen voran der titelgebende Dorlog, sind dem Autor jedenfalls bestens gelungen und vertiefen die Eindrücke, welche S.H.A. Parzzival in seinen Büchern vorlegte.

Während die Geschehnisse auf Terra sich viel mit der emotionalen Reifung Dorlogs beschäftigen, geht es auf Cadschid richtig zu Sache. Die Crew der |Titan| muss mit den Leuten der |Wallenstein| um ihr Überleben und das der ganzen Menschheit kämpfen. Dass es dabei nicht nur um das simple Gut-und-Böse-Schema geht, beweist, dass die Serie anspruchsvolle und vielschichtige Science-Fiction zu bieten hat. Das ist gleichzeitig auch einer der Knackpunkte des Bandes, denn der wird als Dark-Fiction-Thriller angepriesen und verkauft. Doch dunkel ist allenfalls der Weltraum, nicht aber die Handlung, auch wenn es zu einigen Todesfällen kommt. Einigen Lesern wird der Bruch innerhalb der laufenden Thematik sicherlich ein Dorn im Auge sein, sollte aber nicht allzu sehr überbewertet werden.

Auch diesmal sind die Innenillustrationen von Andrä Martyna hervorragende Computergrafiken, welche den Cadschiden erstmals ein Gesicht geben.

_Fazit:_ Der Einstieg von Horst Hoffmann erweist sich als gelungener Schachzug und präsentiert dem Leser ein anspruchsvolles und temporeiches Stück Science-Fiction-Literatur.

http://www.blitz-verlag.de

_Florian Hilleberg_

Arthur C. Clarke – Rendezvous mit Rama

Das geschieht:

Im Jahre 2131 ist die Menschheit zwar vereint aber keineswegs einig. Im Rat der „United Planets“ sitzen Vertreter der Erde, des Mondes, der Planeten Merkur und Mars sowie der Monde Ganymed, Titan und Triton: Das Sonnensystem ist bis zur Umlaufbahn des Uranus‘ besiedelt.

Die sieben Mitglieder der UP stellen auch das „Rama-Komitee“, das seine Arbeit aufnimmt, nachdem ein gigantischer, offensichtlich künstlicher Himmelskörper gesichtet wird: Objekt 31/439, später benannt nach der Hindu-Göttin Rama, ist eine Raumarche von zylindrischer Form, misst stolze 50 km in der Länge und weist einen Durchmesser von 8 km auf. Seit Jahrmillionen ist dieses Schiff unterwegs, dessen Kurs direkt auf die Sonne zielt. Arthur C. Clarke – Rendezvous mit Rama weiterlesen

Croggon, Alison – Gabe, Die (Die Pellinor-Saga 1)

Fantasy-Liebhaber sind heutzutage schwer gebeutelt: J. R. R. Tolkien ist längst verstorben, sodass leider keine weiteren großartigen Werke mehr aus seiner Feder zu erwarten sind, doch immer mehr teils nicht einmal sonderlich talentierte Schreiberlinge reihen sich in die Tradition Tolkiens ein, um ein Stückchen seiner Erfolgstorte abzubekommen. Was den Fantasy-Markt flutet, ist mitunter allerdings schwer verdaulich. Wenn jemand daherkommt wie Alison Croggon, deren |Pellinor-Saga| für zwei begehrte Fantasypreise nominiert wurde und die ihre Saga ähnlich umfangreich anlegt wie Tolkien, horchen üblicherweise alle Fantasy-Fans auf, doch regt sich auch eine gewisse Skepsis …

_Von der Sklavin zur Bardin_

Maerad fristet in Gilmans Feste ein trostloses Dasein als Sklavin. Eine Flucht erscheint ihr praktisch unmöglich. Langsam fühlt Maerad, wie sie innerlich verwelkt und ihre Hoffnung auf eine Flucht immer kleiner wird. Doch eines Tages, als sie in den Kuhstall zum Melken geschickt wird, bäumt sich die Kuh auf, weil sie einen geheimnisvollen Fremden spürt, den von den „Normalsterblichen“ allerdings niemand wahrnehmen kann, da der Barde Cadvan sich unsichtbar gemacht hat. Zu dessen eigener Überraschung kann Maerad ihn allerdings sehen – denn sie trägt selbst die Gabe in sich. Da Cadvan große Kräfte in Maerad entdeckt, bietet er ihr an, ihn auf seiner eigenen gefährlichen Reise zu begleiten. Maerad kann ihr Glück kaum fassen und muss nicht lange nachdenken, denn nichts scheint ihr trostloser und auswegloser als das Leben in Gilmans Feste. So belegt Cadvan die beiden mit einem Bann, sodass sie fortan von den Blicken anderer Menschen verschont bleiben.

Ihre Flucht ist schnell bemerkt, doch weiß Cadvan die verfolgenden Hunde zu besänftigen, denn Barden können auch mit Tieren kommunizieren – eine Gabe, die Maerad bei sich selbst erst recht spät in diesem Buch entdeckt. Noch weitere Gefahren begleiten die beiden auf ihrem Weg; so will Cadvans Widersacher einen ganzen Berg über den beiden Flüchtenden zusammenstürzen lassen, und erst, als die beiden Barden ihre Kräfte zusammentun, können sie ihren Weg fortsetzen. Auch böse Werwesen greifen Maerad und Cadvan an. Doch je mehr Gefahren die beiden bedrohen, umso mehr Kräfte entdeckt Maerad an sich, was sich auch im weiteren Verlauf der Geschichte fortsetzen wird.

Frieden kehrt für die beiden Weggefährten erst ein, als sie Inneil erreichen. Dort finden sie bei Silvia und Malgorn Unterschlupf, die die ausgezehrte Maerad erst einmal aufpeppeln und mit schicken Gewändern umhüllen. In Silvia findet Maerad so etwas wie einen Mutterersatz, sodass es ihr schwerfällt, Inneil wieder zu verlassen. Doch die gefährliche Reise geht für die beiden noch weiter, denn Cadvan will seinen ehemaligen Lehrer finden, außerdem soll Maerad als Bardin eingeführt werden, und die hohe Sprache muss noch in ihr erwachen. Vieles steht den beiden also noch bevor, aber natürlich wird nicht alles so einfach vonstatten gehen …

_Dieser Weg wird kein leichter sein_

Alison Croggon erzählt die Geschichte von der verlorenen Zivilisation von Edil-Amarandh und vom Rätsel des Baumlieds. Denn darum wird sich in den folgenden Bänden wohl alles drehen. Cadvan ist nämlich auf der Suche danach, um sein Land vom Bösen zu befreien, denn der Namenlose bedroht die ganze Zivilisation. Natürlich gibt es auch eine Offenbarung, in der von einer Auserwählten die Rede ist. Cadvan identifiziert Maerad schnell als die Auserwählte, doch erst, wenn sie als Bardin eingeführt wird und ihren wahren Namen erhält, wird man sehen, ob sie wirklich den richtigen Namen tragen wird und somit als Auserwählte das Böse besiegen kann.

Es sind die üblichen Zutaten, die Alison Croggon in ihrer |Pellinor-Saga| vermischt: Das Böse bedroht die Welt und nur eine kleine Ansammlung von Menschen versucht, das Böse abzuwenden, steht aber auf recht verlorenem Posten da. Doch verspricht eine Offenbarung Rettung durch eine bislang unbekannte Auserwählte, die so große Kräfte und Fähigkeiten besitzt, dass sie das Land retten kann. Und hier kommt dann auch Maerad ins Spiel, die zunächst noch nicht ahnt, welch gewichtige Rolle sie spielen soll. Cadvan ist ihr Retter, der sie zunächst allerdings in weitere Gefahren bringt. Diese lassen sich jedoch nicht vermeiden, zumal Maerad sie als angenehmer empfindet als ihre Gefangenschaft in Gilmans Feste. Cadvan mutiert zum Lehrer für die junge Magierin, die nur langsam ihre Fähigkeiten entdeckt, diese aber noch nicht gezielt einzusetzen weiß. Auch ein kostbares Instrument trägt sie bei sich, das ähnlich wie Frodos Kettenhemd aus dem „Herr der Ringe“ wertvoller ist als alles andere in dieser Welt Bekannte.

Natürlich dürfen die Bösen in dieser Saga nicht fehlen, und auch hier entdecken wir Parallelen zum „Herr der Ringe“, denn ähnlich wie dort die Orks zum Bösen mutierte Elben darstellen, treffen wir hier auf Dunkle Barden, die sich ebenfalls vom Guten abgewandt haben. Noch weitere Parallelen zum „Herr der Ringe“ tun sich auf, nämlich ausschweifende Landschaftsbeschreibungen, wie Tolkien sie geliebt hat. Doch im Gegensatz zu Tolkiens poetischen Beschreibungen, die eine märchenhafte Schönheit zu vermitteln wissen, langweilen Croggons Ausführungen immer mehr, denn was ihrem Buch fehlt, ist leider der rote Faden. Bevor sie überhaupt Spannung aufbaut und dem Leser mitteilt, worum es gehen soll, wo(durch) die Gefahr droht und wie man Abhilfe schaffen kann, begeben Cadvan und Maerad sich auf eine ewig lange Reise.

Hier geizt die australische Autorin nicht mit ellenlangen Beschreibungen – ein willkürliches Beispiel: |“Die nächsten beiden Tage ritten sie weiter durch das Moor, dem Verlauf des Flusses folgend, und hielten sich dabei so dicht wie möglich an den Bäumen. Sie sahen keinerlei Tiere und hörten nur Grillen und Frösche oder den durchdringenden Schrei eines Adlers hoch über ihnen. Da zahlreiche kleine Rücken und Rinnen das Gelände zerfurchten, kamen sie nur langsam voran. Häufig stießen sie auf seltsame Gruben, als wäre die Erde dort irgendwann gewaltsam aufgebrochen worden. Der Boden war übersät mit Quarz- und Granitbrocken, die eine fortwährende Bedrohung für die Hufe der Pferde darstellten. Das Wetter blieb kalt und grau. Immer wieder setzten frostige Regen- oder Schneeregenschauer ein, die ebenso jäh endeten, wie sie begannen. Der Wind hingegen wehte ständig: ein bitterkalter Luftstrom, der ohne Unterlass über die Anhöhen und Felsen pfiff. Die endlosen braun- und Grautöne versetzten Maerad nach und nach in eine gelangweilte Benommenheit. […]“|

Die Beschreibung geht noch einige Zeit so weiter und hat auch mich in gelangweilte Benommenheit versetzt. Croggons Schreibmuster ist sehr eintönig: Cadvan und Maerad betreten eine neue Landschaft, die ausschweifend beschrieben wird. Maerad ist erschöpft, hat allerdings eine düstere Vorahnung, die sie ihrem Begleiter nicht mitteilen möchte. Die beiden ruhen sich aus und werden von einer Gefahr bedroht, die in einem Kampf abgewendet wird. Die beiden freuen sich über den Sieg, ziehen weiter und betreten die nächste Landschaft, womit sich der Kreis schließt.

_Zwei gegen den Rest der Welt_

Im Mittelpunkt des gesamten Buches stehen Maerad und Cadvan, die sich allmählich immer besser kennen- und schätzen lernen. In einem Seelenblick entdeckt Cadvan viel Elend, das Maerad verdrängt hat. Er erfährt, wer ihre Mutter und was mit ihrer Familie geschehen ist. Später wird Cadvan allerdings eine düstere Seite offenbaren, die Maerad so viel Angst einjagt, dass ihr Vertrauen in ihn schwer erschüttert wird. Doch dieser Zwist ist schnell ausgeräumt; in einem innigen Gespräch kann Cadvan die Gewitterwolken weiterschieben, sodass ihrer weiteren Freundschaft nichts mehr im Wege steht.

Alison Croggon legt viel Wert auf ihre Charakterzeichnung, sodass wir beide Hauptprotagonisten im Laufe der Geschichte sehr gut kennenlernen. Leider jongliert die Autorin allerdings mit vielen Klischees, die man in zu vielen anderen Büchern bereits gelesen hat. Auch wirken die Charaktere reichlich weichgespült; Ecken und Kanten sind erst zu entdecken, als Cadvan von seiner eigenen Vergangenheit berichtet und einige Fehler offenbaren muss. Und auch diese wirken reichlich aufgesetzt. Insgesamt bin ich mit den beiden nicht recht warm geworden. Obwohl Maerad mich in Ansätzen an Sonea aus Trudi Canavans [„Gilde der schwarzen Magier“ 4746 erinnert hat, konnte ich mich in Maerad doch nie hineinversetzen und habe auch nicht mit ihr fühlen können.

Auch sprachlich stolpert man immer wieder über Kleinigkeiten, über Druckfehler und merkwürdige Satzkonstruktionen, bei denen ich nicht weiß, ob das Original bereits Schwächen hatte oder ob der Übersetzer diese Stolpersteine eingebaut hat. Ein Beispiel: |“Cadvan blieb auf der Hut, und Maerad unterstützte ihn trotz ihrer Müdigkeit dabei.“| Wie man jemanden dabei unterstützen kann, auf der Hut zu sein, ist mir allerdings ein Rätsel …

_Spannung, wo bist du?_

Am meisten fehlt dem Buch ein erkennbarer Spannungsbogen. Ich wusste lange Zeit nicht, worauf Alison Croggon hinauswill, und musste mich durch ellenlange Landschaftsbeschreibungen kämpfen. Erst kurz vor Schluss hatte ich das Gefühl, nun weiterlesen zu müssen, um zu erfahren, wie es weitergeht. Doch endet der erste Band der |Pellinor-Saga| genau in dem Moment, als die Geschichte ein wenig ins Rollen gekommen ist. Eine knapp 500-seitige Einleitung in ihre Tetralogie halte ich für arg übertrieben. Deutlich mehr Kürze hätte dem Buch sehr gut getan, denn in einem Wust an ausschweifenden Beschreibungen geht die eigentliche Erzählung völlig unter.

Alison Croggon schafft es leider nicht, eine Welt aufzubauen, in die man versinken kann und in der man sich wohlfühlt. Gemeinsam mit ihren beiden Hauptfiguren hetzen wir durch die Gegend, trotzen Gefahren und schauen in trostlose Landschaften. Potenzial ist erkennbar, aber was unter dem Strich herausgekommen ist, ist leider nur krampfhaft konstruiertes Mittelmaß – schade!

Writing and books


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Roberson, Jennifer – Tochter des Löwen (Cheysuli 3)

Band 1: [„Dämonenkind“ 4409
Band 2: [„Wolfssohn“ 4868

Unter dem Titel „Tochter des Löwen“ sind nun auch Band fünf und sechs des |Cheysuli|-Zyklus erschienen:

Niall ist im Gegensatz zu seinen Vorgängern reichlich mit Söhnen gesegnet. Manchmal allerdings fragt er sich, ob das wirklich ein Segen ist. Denn Hart und Corin sind alles andere als verantwortungsbewusst, und Brennan lässt sich immer wieder mit in ihren Unfug hineinziehen, in der Regel, um Schlimmeres zu verhindern, was ihm aber selten gelingt.

Eines Tages treiben sie es endgültig zu bunt, und Niall entschließt sich zu drastischen Maßnahmen: Er schickt Hart und Corin nach Solinde und Atvia, in die Königreiche, die sie nach seinem Tod als Könige regieren sollen. Und auch Brennan wird dazu verdonnert, sich mit der Regierung seines künftigen Königreiches zu beschäftigen. Aber natürlich sind die Ihlini in all dieser Zeit nicht untätig, und schon bald geraten die jungen Prinzen einer nach dem anderen ins Stolpern …

Auch Keely, Nialls Tochter, neigt dazu, über die Stränge zu schlagen, wenn auch auf andere Weise als ihre Brüder. Zum Beispiel gelingt es ihr immer wieder, jemanden dazu zu bringen, sie im Gebrauch von Waffen zu unterrichten, was ihr Vater gar nicht gern sieht. Und mit ihren Ansichten über das Verhältnis zwischen Männern und Frauen stößt sie oft genug sowohl ihre Schwester als auch ihre Schwägerin vor den Kopf. Der Einzige, der sich an ihren Eskapaden nicht zu stören scheint, ist der rotbärtige Wegelagerer aus Erinn, dem sie auf der Flucht vor Strauchdieben zufällig begegnet. Doch ehe Keely mit sich selbst ins Reine kommen kann, mischen sich auch hier die Ihlini ein …

_Die nächste Generation_ wartet mit einer Vielzahl an neuen Charakteren auf, und das nicht nur, weil Niall so viele Kinder hat. Brennan ist der Erstgeborene und damit Prinz von Homana. Und er ist ganz Cheysuli, sowohl von seinem Aussehen als auch von seinem Verantwortungsbewusstsein her. Er ist klug, ehrenhaft und nimmt seine Pflicht vor allem seinem Land und der Prophezeiung gegenüber sehr ernst. Stellenweise erinnerte er mich an Duncan, auch wenn er nicht annähernd so viel Einfluss auf seine Brüder hat wie Duncan auf Finn.

Hart dagegen liebt Verantwortung ganz und gar nicht. Er ist spielsüchtig, leichtsinnig bis zur Fahrlässigkeit und mit der unseligen Gabe gesegnet, die Folgen seines Leichtsinns nach dem ersten Schock mit einem Achselzucken beiseite zu schieben. Von allen Brüdern hatte ich für ihn am wenigsten Verständnis, wahrscheinlich habe ich mich deshalb über ihn auch am meisten geärgert.

Corin ist der Verletztlichste der drei, sich selbst am wenigsten sicher. Seine Eskapaden dienen vor allem dazu, Aufmerksamkeit zu erregen, er fühlt sich zurückgesetzt und wenig geliebt. Vor allem beneidet er Brennan, und das nicht nur, weil der Nialls Lieblingssohn ist. Corin will Homana nicht verlassen. Er fürchtet sich vor Atvia, wo sich nicht nur Lillith, sondern auch seine wahnsinnige Mutter Gisella aufhalten, und würde Atvias Thron nur zu gern gegen den Löwenthron Homanas eintauschen.

Keely dagegen ist intelligent, temperamentvoll und selbstbewusst bis zur Widerborstigkeit. Aber sie denkt nicht nach, bevor sie etwas sagt oder tut. Das führt auf der einen Seite zu einer geradezu rücksichtslosen Ehrlichkeit, auf der anderen Seite bringt ihre impulsive, unüberlegte Art sie in größte Gefahr. Keely ist von allen Kindern Nialls am leichtesten einzuschätzen. Und am leichtesten zu manipulieren.

Die neue Generation in der Zuflucht wird von Tiernan vertreten, Ceinns Sohn. Ceinn hat Niall schon Schwierigkeiten gemacht, als Niall seinen Lir noch gar nicht hatte. Jetzt macht Ceinns Sohn noch größere Schwierigkeiten. Nicht nur, dass er unbedingt den Thron von Homana für sich will – er will auch der Prophezeiung nicht dienen! Geradezu eine Ungeheuerlichkeit für einen Cheysuli. Und das ist noch nicht alles: Tiernan ist nicht nur maßlos in seinen Zielen, sondern auch in seinen Mitteln.

Und als wäre das noch nicht genug, ist mit dem Kind, das Lillith einst Ian abgezwungen hat, auch bei den Ihlini eine weitere Generation herangewachsen, mit dem einzigen Ziel, die Prophezeiung aufzuhalten.

Die Charakterzeichnung der Nebenfiguren wie zum Beispiel Tiernan ist diesmal etwas knapp ausgefallen, wahrscheinlich, weil es in Teil eins des Doppelbandes gleich um drei Hauptfiguren geht. Die sind dafür aber wirklich gut getroffen. Das Gleiche gilt für Keely, auch ihre Zweifel und Ängste sind sehr gut herausgearbeitet.

_Die Handlung_ konzentriert sich voll und ganz auf die Fallen, die den diversen Protagonisten gestellt werden. Das nimmt – aus genannten Gründen – vor allem im ersten Teil so viel Raum ein, dass für etwas anderes nicht mehr viel übrig blieb. So verschwand die Verbindung zu den Lirs ziemlich in den Hintergrund, auch im zweiten Teil, da Keely als Frau keinen Lir hat. Auch die Magie als solche ist ziemlich selten geworden. Abgesehen davon, dass Keely zwei oder drei Mal die Gestalt wandelt, taucht Magie nur in der direkten Konfrontation mit den Ihlini auf, und bis dahin dauert es ein wenig. Das nimmt dem Buch viel von seinem Flair.

Die Fallen selbst reichen von wirklich subtil – wie in Brennans Fall – über verwirrend bis allzu offensichtlich. Letzteres gilt vor allem für die Falle, die Keely gestellt wurde. Aber ebenso offensichtlich muss die junge Frau trotzdem in die Falle hineintappen, unausweichlich. Denn sonst wäre sie nicht Keely.

_Der Gesamteindruck_, der zurückbleibt, ist eher durchwachsen. Das lag zum einen daran, dass der Leser vorher bereits weiß, dass Strahans Pläne zunächst einmal Erfolg haben werden. Wirkliche Spannung kommt deshalb erst auf, als Nialls Kinder Strahan tatsächlich gegenüber stehen. Ein weiterer Grund liegt in der massiven Gewichtung der Prophezeiung, die unbedingt die Mischung sämtlicher Blutlinien verlangt. Zwar versucht die Autorin, durch wechselnde Details eine Auflockerung zu erreichen, letztlich bleibt aber der überwältigende Eindruck eines riesigen Eheanbahnungskarussells mit allen dazugehörigen Komplikationen und den daraus resultierenden Gewissenskonflikten. Nicht, dass der Umgang der verschiedenen Personen mit ihrer Zwangslage mich nicht interessiert hätte. Es ist nur so, dass nach der dritten Generation allmählich der Punkt erreicht ist, wo der Leser gern mal wieder etwas anderes vorgesetzt bekommen möchte.

So wie zum Beispiel Tiernans Kampf gegen die Prophezeiung. Dieser Aspekt hätte meinetwegen ruhig etwas weiter ausgebaut werden dürfen. Tiernan ist ein sehr undurchsichtiger Charakter, der es glänzend versteht, neben seinen offensichtlichen Ambitionen auch andere Eindrücke zu vermitteln, wie er bei seinem Versuch, Keely zu überzeugen, beweist. Abgesehen davon ähnelt seine Argumentation im Hinblick auf die Prophezeiung so auffallend derjenigen Strahans, dass ich selbst dann misstrauisch geworden wäre, wenn ich die Prophezeiung nicht sowieso für eine Repressalie halten würde. Und auch der Lir-Bund erscheint mir zunehmend eine eher unglückliche Angelegenheit. Ist ja schön, wenn Menschen dadurch die Fähigkeit erhalten, sich in Tiere zu verwandeln. Die Einschränkungen, denen diese Verwandlung obliegt, sind allerdings so vielfältig, und die Ihlini haben die tierischen Lirs schon so oft mit Erfolg gegen die menschlichen Krieger benutzt, dass ich mich frage, ob die Götter den Cheysuli wirklich einen Gefallen getan haben, als sie den Zugriff der Cheysuli auf die Magie an ein solches Bruderwesen gebunden haben!

_Kurz und gut:_ Ich hoffe sehr, dass im nächsten Band die Heiratspolitik und ihre Details zugunsten der Magie und der Lirs ein gutes Stück eingeschränkt werden. Und ich hätte auch nichts dagegen, wenn die Ihlini sich anstelle der vielen Fallen, die wir in den letzten drei Buchteilen hatten, eine neue Vorgehensweise überlegen würden, um die Erfüllung der Prophezeiung zu verhindern. Außerdem dürfte sich die Frage, was aus den Ihlini und den Cheysuli nach Erfüllung der Prophezeiung wird, ruhig allmählich einer Art Antwort nähern. Bleibt abzuwarten, ob der nächste Band diese Hoffnungen erfüllt. Im Oktober dieses Jahres soll er unter dem Titel „Kind des Raben“ in die Buchläden kommen.

_Jennifer Roberson_ studierte englische Geschichte und war zunächst als Journalistin tätig, ehe sie Bücher zu schreiben begann. Der |Cheysuli|-Zyklus war ihr erstes Werk, seither hat sie eine ganze Reihe von Zyklen, Einzelromanen und Kurzgeschichten geschrieben, darunter die |Schwerttänzer|-Saga sowie die Historienromane „Lady of the Forest“ („Herrin der Wälder“, dt. 1996) und „Lady of Sherwood“ („Die Herrin von Sherwood“, dt. 2002). Die Autorin lebt mit einem Rudel Hunde und Katzen in Flagstaff/Arizona.

|Originaltitel: Daughter of the Lion
Übersetzt von Karin König
896 Seiten|
http://www.cheysuli.com
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Cross, Janine – Auf dunklen Schwingen (Die Drachen-Tempel-Saga 1)

Zarq hat es nicht leicht. Sie wächst als Rishi – als Leibeigene – beim Clan der Töpfer auf, in einer Gesellschaft, die von der Religion des Drachentempels durchdrungen und streng patriarchalisch strukturiert ist. Aber immerhin hat sie satt zu essen, ein Dach über dem Kopf und etwas zum Anziehen – bis sie eines Tages etwas tut, das sie besser nicht getan hätte. Denn die im Grunde kleine Nebensächlichkeit zieht unerwartete Folgen für ihren gesamten Clan nach sich. Und Zarq muss lernen, was wirkliche Armut bedeutet! Doch das ist nicht das Einzige, was sie lernt. Allem voran lernt sie zu hassen …

_Das kleine Mädchen_ hat es vor allem deshalb nicht leicht, weil es so selbstbewusst ist. Obwohl es die gesellschaftlichen Normen im Grunde nicht in Frage stellt, neigt sein Temperament dazu sich aufzulehnen. Dazu kommt, dass seine Mutter aus dem Volk der Djimbi stammt, das auf der alleruntersten Stufe der gesellschaftlichen Hierarchie steht. Von dieser Mutter, die sowohl über die Weisheit als auch die Magie des Dschungelvolkes verfügt, lernt Zarq, Traditionen nicht als unfehlbar anzusehen, sondern ihren eigenen Kopf zu benutzen.

Insgesamt geht die Charakterzeichnung allerdings ziemlich im Entwurf der Welt unter. Ja, Zarq ist intelligent, zäh und leidet durch den frühen Tod der Eltern unter Verlustängsten. Ihr Denken und Fühlen ist nachvollziehbar. Und doch gelingt es dem Leser nicht, ihr wirklich nahe zu kommen. Zu erdrückend wirken die Umgebung und die Umstände, unter denen Zarq aufwächst.

_Dabei ist die Welt_, welche die Autorin da entworfen hat, gar nicht so fantastisch. Tatsächlich beschränken sich die Fantasyelemente auf die Magie der Djimbi und das Vorkommen von Drachen. Der Rest hat eine Menge Paten in unserer Realität. Fast scheint es, als hätte Janine Cross sich bei einer Vielzahl fremder, mehr oder weniger exotischer Kulturen die grausamsten Aspekte herausgesucht, um sie zu einer neuen Kultur zusammenzusetzen.

Das fängt schon damit an, dass Frauen nicht nur dem Mann untergeordnet, sondern auch religiös unrein sind, und zwar in jeder Hinsicht. Frauen wohnen in Häusern auf Pfählen, damit keine ihrer Körperflüssigkeiten, egal ob Monatsblut, Urin, Speichel oder Tränen, den vom Drachen geheiligten Boden verunreinigen kann. Frauen werden zwischen den einzelnen Clans gelegentlich gehandelt wie eine Ware, um das Blut des Clans aufzufrischen. Frauen dürfen den Männern nicht widersprechen, ja, außerhalb ihres Wohnortes dürfen sie überhaupt keine Männer ansprechen.

Aber auch die männlichen Rishi haben es nicht leicht. Jedes Jahr wählt der Drachenmeister unter den Rishi Jungen aus, die den Drachen als Diener zur Verfügung gestellt werden. Dies mag eine Ehre und künftigen Wohlstand für den jeweiligen Rishi-Clan bedeuten, doch für die Jungen bedeutet es eine Menge Qualen und Entbehrungen. Denn die göttlichen Drachen sind hochgiftig, und jedes Jahr aufs Neue müssen die Jungen beweisen, dass sie dieses Dienstes würdig sind – in einer grausamen und demütigenden Zeremonie vor den Augen aller Stadtbewohner.

Selbst zu ihren Göttern, den Drachen, ist die Religion des Drachentempels nicht gerade freundlich. Da in Gefangenschaft keine Bullen zur Welt kommen, werden sie im Dschungel gefangen. Einen Drachenbullen zu besitzen, ist wichtig für die Stadt, denn von der Drachenzucht hängen sowohl die Macht als auch der Wohlstand eines Fürsten ab. Vielen Jungdrachen werden allerdings schon bei der Geburt die Flügel amputiert und die Giftdrüsen entfernt; sie fristen den Rest ihres Lebens als Arbeitstiere oder als Zuchtstuten. Nur einige Jährlinge werden in grausamem Drill zu Reittieren für die adligen Krieger ausgebildet.

Dazu kommt noch einen extrem lebensfeindliche Umwelt: Die Jahreszeiten bestehen aus glühender Hitze, sintflutartigem Regen und Dauernebel. Das Land ist, außer dort, wo sich Städte befinden, von dichtem Dschungel bedeckt, der überquillt von stechenden Insekten, giftigen Schlangen und gefährlichen Raubtieren sowie diversen Krankheitserregern.

_Die Handlung_ ist vom Aufbau her zweigeteilt. Sie beginnt mit einem Prolog über Zarqs persönliche Katastrophe, um dann zu erzählen, wie es dazu kam. Der weitere Verlauf des Buches schließlich berichtet von den Folgen dieser Ereignisse. Auch die Örtlichkeit ist zweigeteilt. Die Rückblende spielt sich ausschließlich in der Stadt ab, während ein Großteil der späteren Handlung in einem Kloster im Dschungel stattfindet.

Der Handlungsverlauf ist erstaunlich unspektakulär. Genau betrachtet, ist es eigentlich eine Gesellschaftsstudie und nebenbei das Psychogramm einer geistig zerfallenden Frau, Zarqs Mutter, wenngleich dieser Aspekt später wegfällt. Erst ab diesem Punkt kommt die Magie stärker ins Spiel, bleibt aber zum größten Teil noch eher in Andeutungen stecken.

Im Großen und Ganzen ist das alles auch gar nicht schlecht gemacht. Die Autorin schreibt flüssig und lebhaft, gelegentlich überraschend derb, und ihre Sprache entwickelt einen regelrechten Sog, der selbst Details sehr realistisch und lebendig wirken lässt. Das gilt vor allem für die Zustände und Ereignisse im Kloster. Das erbärmliche Essen, die harte Arbeit, Beschneidung, Drogensucht – das alles wirkt in seiner Lebensechtheit fast wie eine Dokumentation über die Ärmsten der Armen in irgendeinem Entwicklungsland.

Eigentlich ist die Fähigkeit zu so intensiver Darstellung ja positiv zu bewerten. Aber alles hat seine Grenzen. Auch auf die Gefahr hin, ein Spießer zu sein, aber Sex mit Tieren – und sei es unter dem Versuch, die Sache als mystische Erfahrung mit einem weisen, göttlichen Wesen darzustellen – war mir dann doch zu viel!

Dann brach die Handlung auch noch so unvermittelt mitten in einer Szene ab, dass sich mir der Verdacht aufdrängt, dass hier wieder mal ein Buch in Stücke gehackt wurde. Sollte das der Fall sein – was ich nicht hoffe, denn |Heyne| war bisher immer die erfreuliche Ausnahme dieser unangenehmen Praxis -, dann hat der Verlag sich damit keinen Gefallen getan. Denn nach gut fünfhundert Seiten sozialkritischer Zustandsbeschreibung wäre es mal an der Zeit, dass die Protagonistin aktiv wird. Genau an dieser Stelle aber, als nach all den dramatischen Leidenserfahrungen mal Umwälzungen in Gang zu kommen und die Handlung Fahrt aufzunehmen scheinen, bricht das Buch ab. Die dramatischste Stelle bleibt damit der Prolog – so etwas wie einen Spannungsbogen sucht man vergeblich.

_Mein Eindruck_ ist daher etwas zwiespältig. Die erste Hälfte des Buches fand ich tatsächlich interessant, große Teile der zweiten dagegen haben mich eher abgestoßen als fasziniert. Und ich bin mir nicht sicher, ob der nächste Band das Versprechen von Veränderung halten wird oder ob Zarq nicht einfach nur an einen dritten Ort gelangt, an dem sie weiter leiden wird, nur eben auf andere Art und Weise als bisher. Mein Interesse an der Fortsetzung hält sich deshalb in Grenzen, denn eine detaillierte Studie über soziale Ungerechtigkeiten innerhalb der Tempelhierarchie gemischt mit neuerlichen transzendenten Höhepunkten muss ich nicht unbedingt haben!

Mir hat Anne Bishop, mit der Janine Cross auf dem Klappentext verglichen wird, wesentlich besser gefallen. Auch im [Juwelenzyklus 3526 finden sich erotische und grausame Details, allerdings auch freundliche, warmherzige, humorvolle Szenen, die bei Janine Cross nahezu völlig fehlen. Ich würde die Drachenthronsaga weniger als dunkle denn als düstere Fantasy bezeichnen, wobei sich der Eindruck des Fantastischen durch die geringe Ausarbeitung der Details im Zusammenhang mit der Magie im Vergleich zu den so eindringlich beschriebenen Szenen des Elends massiv in Grenzen hält.

_Janine Cross_ ist gebürtige Kanadierin, war als junge Frau aber ein ausgesprochen unruhiger Geist, den es nicht Zuhause hielt. Im Alter von achtzehn Jahren machte sie sich auf gen Osten, zu Fuß, mit Segeln und Pedalen, besuchte den Nahen Osten, Ägypten, Asien und Australien. Die Eindrücke, die sie von dort mitbrachte, haben auf ihren ersten Roman unübersehbar Einfluss genommen. Außer der Drachenthronsaga, deren zweiter Band im Oktober unter dem Titel „Im Bann des Feuers“ in die deutschen Buchläden kommt, hat Janine Cross noch einige Kurzgeschichten geschrieben. Sie lebt heute mit ihren beiden Kindern in North Vancouver.

|Originaltitel: Touched by Venom
Übersetzt von Wolfgang Thon
Taschenbuch, 512 Seiten|
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S.H.A. Parzzival – Krakentanz (Titan-Sternenabenteuer 27)

Handlung:

Anake und Cy begleiten den Wirtschaftsmagnaten Michael Moses beim Jungfernflug der |Hindenburg II|: Das Luftschiff ist auch in der Lage zu tauchen und bis in die Tiefsee vorzustoßen. Bei der Demonstration der Fähigkeiten des Wunderwerkes der Technik kommt es zu einem erneuten Anschlag der Ökoterroristen: Ein Riesenkrake greift die |Hindenburg II| an.

S.H.A. Parzzival – Krakentanz (Titan-Sternenabenteuer 27) weiterlesen

Parzzival, S.H.A. – Himbeertod (Titan-Sternenabenteuer 25)

_Handlung:_

Shalyn Shan hat den Anschlag auf ihr Leben knapp überlebt und erwacht nach neun Tagen Koma und umfangreichen kosmetischen Operationen im Krankenhaus. Die World-Police setzt den skurrilen Spezialagenten Wernher von Witzleben alias „Fledermaus“ auf den Attentäter an, und bereits nach kurzer Zeit hat dieser die Spur des Mörders aufgenommen, doch aus dem ist nichts herauszubringen.

Zur selben Zeit greifen die Cadschiden ein kleines Bergdorf an, um die Gefühle der Bewohner zu stehlen. Es gibt mehrere Tote, bevor die World-Police die Invasion stoppen und zurückschlagen kann. Shalyn Shan bekommt den Auftrag, mit der |Titan| zur Heimatwelt der Gefühlsjäger aufzubrechen, die gespannte Situation diplomatisch zu lösen und das immer noch havarierte Schiff der Space-Police zu bergen.

Einen Tag vor dem Start der |Titan| knüpft von Witzleben Kontakt mit einer Frau aus Monjas Kindheit, welche mehr über die geheimnisvolle Gefährtin Shalyn Shans zu wissen vorgibt. Doch was die Suuranerin und ihre Freunde erwartet, gipfelt in einem mörderischen Inferno …

_Eindrücke:_

Diesmal kommt der Leser wieder in den Genuss der altbekannten Helden Shalyn Shan und Sir Klakkarakk. Aufgrund des Anschlags läuft Shalyn Shan zunächst sehr martialisch mit Glatze durch die Weltgeschichte, was ihrem Wesen und ihrer erotischen Ausstrahlung allerdings keinen Abbruch tut. Der ungewöhnliche Titel „Himbeertod“ resultiert übrigens aus dem merkwürdigen Geschmack nach Himbeeren, den sowohl Shalyn Shan kurz vor ihrem Blackout bei dem Attentat als auch die Opfer der Gefühlsjäger wahrnahmen.

Aufgrund des zyklischen Charakters der Serie geht es nahtlos und spannend weiter, doch Einsteiger erhalten auf Seite sechs die Möglichkeiten, die bisher geschehenen Ereignisse noch einmal zu reflektieren. Aber auch für Kenner der Serie bietet die Rubrik eine hervorragende Gedächtnisstütze.

Neben der weiteren Ermittlung in Sachen Monja und Attentäter wird eine neue interessante Figur in das „Titan“-Universum eingeführt: Spezial-Agent Wernher von Witzleben alias „Fledermaus“. Der Mann repräsentiert nicht nur einen James-Bond-Charakter, sondern ist vor allem eine sehr mysteriöse Gestalt, deren Beweggründe alles andere als offensichtlich sind. Hinzu kommen vampirische Wesenszüge, welche auf eine enge Bindung zu dem Vampircop Mick Bondye aus der Serie [„Wolfgang Hohlbeins Schattenchronik“ 4809 schließen lassen, der in Band 30 sein Debüt bei „Titan“ geben wird. Die Vorliebe von Witzlebens für alte Romanhefte der Serie „Die Fledermaus“ verleiht dem Charakter nicht nur lebensnahe Wesenszüge, sondern stellt auch eine Hommage an diese Textgattung dar, der ja auch die „Promet“-Abenteuer entstammen, aus denen bekanntlich die vorliegende Serie entstand.

In einer parallelen Handlung wird der erste Angriff der Cadschiden auf ein Bergdorf geschildert. Detailliert arbeitet der Autor dort einzelne Schicksale heraus und verdeutlicht damit die Brutalität dieser Attacke, die so kriegerisch von den Aggressoren nicht mal beabsichtigt war. Das Resultat ist für die Opfer freilich dasselbe, und dieser Umstand wurde von Parzzival gekonnt herausgestellt. Im weiteren Verlauf betritt auch die Crew der |Wallenstein| die Bühne, und damit wird eine weitere Brücke zum Vorgänger-Band gebaut, in dem die drei Raumfahrer die Hauptprotagonisten waren. Ein weiterer Pluspunkt des Buches ist außerdem die Darstellung der Zustände des gestrandeten und belagerten Space-Police-Schiffes auf der Heimatwelt der Cadschiden. Damit wird dem Leser deutlich, dass der Autor diesen Handlungsfaden keineswegs außer Acht gelassen hat. Die von der CRC geplante Mission der |Titan| zum Planeten Cadschid wird das Thema alsbald aufgreifen.

Erstaunlich ist vor allem, wie komplex und verzwickt die Handlung mittlerweile ist und wie viele Nebenschauplätze der Autor im Auge behält, die nach und nach abgearbeitet werden.
Hoffentlich werden die einen oder anderen Rätsel, wie beispielsweise der Gletschertsunami, bald gelöst, denn bei einer halbjährlichen Erscheinungsweise von je zwei Bänden dürfen einzelne Fragen nicht zu lange offen im Raum stehen bleiben. Dass die Story nicht langweilig wird, beweist jedenfalls der extrem gemeine Cliffhanger, der wieder einmal an der spannendsten und dramatischsten Stelle den Leser quasi in der Luft hängen lässt.

Die Innenillustrationen stammen dieses Mal von dem geschätzten Künstler R. S. Lonati, der sich vor allem als Titelbildzeichner der Serien „Larry Brent“ und „Macabros“ verdient gemacht hat. In dem vorliegenden Buch gewinnen diese Werke noch mehr an Bedeutung, zierten die Gemälde von Lonati doch schon das eine oder andere Cover eines Heftromans von „Die Fledermaus“. Das Manko der sehr detaillierten Werke ist hier wieder einmal der Schwarzweiß-Druck, der auch in den anderen Bänden den Bildern viel von ihrer Wirkung nimmt. Umso erfreulicher die Entscheidung des Verlags, die wichtigsten und schönsten Illustrationen farbig auf der Rückseite des jeweiligen Bandes erneut abzudrucken, wenn auch in kleinerer Form.

Die Zeichnungen des vorliegenden Bandes weisen aber auch in anderer Hinsicht eine Besonderheit auf, denn es sind die einzigen, die vor dem Roman entstanden und für welche die Handlung auf die jeweilige Szenerie zugeschnitten wurde. Diesen Umstand merkt man dem Roman aber kaum an, und es ist bemerkenswert, wie gut der Autor die Motive integrieren konnte. Das Titelbild des Romans hingegen gehört zu den schwächsten der gesamten Serie und wirkt seltsam deplatziert, zumal es wie ein Computerzusammenschnitt aussieht. Wenn man sich den Angriff der Cadschiden auf das Bergdorf ins Gedächtnis ruft, scheint auch eher das Titelbild von Band 22 für das vorliegende Buch vorgesehen gewesen zu sein.

_Fazit:_ „Himbeertod“ ist eine hervorragende Weiterführung des neuen Zyklus mit einer hochspannenden Szenerie und glaubhaften, spleenigen Charakteren.

http://www.BLITZ-Verlag.de

_Florian Hilleberg_

Howard Berk – Das Zeichen der Lemminge

Das geschieht:

In einer zeitlich nicht definierten, aber nicht allzu fernen Zukunft ist die Welt nach einem Dritten Weltkrieg zerstört, verstrahlt und menschenleer. Die USA existiert zwar noch, hat sich aber in eine Diktatur verwandelt, die streng die wenigen noch vorhandenen Ressourcen verwaltet, die selbst für die wenigen Überlebenden kaum ausreichen.

Für zusätzliche Komplikationen sorgt die steigende Zahl von Menschen, die von einem Moment zum anderen buchstäblich den Verstand verlieren. Im Rahmen eines Regierungsprogramms wurde ein Bundeszentrum gegründet, in dem Wissenschaftler fieberhaft versuchen, der Ursache dieses kollektiven Phänomens auf die Spur zu kommen. Eine Heilung ist unmöglich, die ‚Behandlung‘ deshalb radikal: Das verwirrte Hirn des Kranken wird ‚gelöscht‘ und eine neue, vorgeprägte Persönlichkeit ‚aufgespielt‘. Noch ist das Verfahren in der Erprobungsphase und riskant, die Zahl der Fehlschläge deshalb hoch.

Der Druck auf die Forscher wächst. In der Abteilung von Dr. Korman sorgt der Patient Nr. 27 deshalb für Hoffnung: Alex Parnell hat die Neuprägung glänzend überstanden, und er zeigt auch nicht die übliche geistige Trägheit oder Verwirrung, die der Behandlung normalerweise folgt. Trotzdem entwickelt sich Parnell bald zum Störfaktor, denn er will sich der Disziplin des Zentrums, das er mit einem Gefängnis gleichsetzt, nicht beugen, sondern fordert umfassend Aufklärung über den Zustand der Welt und persönliche Freiheit.

Als man ihm beides nicht zugestehen will, entwickelt sich Parnell zum Rebellen mit einem Einfallsreichtum, der ihn selbst erstaunt, bis er die Wahrheit zu ahnen beginnt: Er erinnert sich an die Person, die er einmal war – ein Mensch, der tief in die tragische Geschichte der jüngsten Vergangenheit verstrickt ist …

_Die Realität am Ende aller Utopien_

In der zweiten Hälfte der 1960er Jahre kam der Welt der Optimismus abhanden – ein Optimismus, der sich indes überlebt hatte. Der kalte Krieg zwischen den Supermächten und ihren Alliierten drohte heiß zu werden; man würde ihn atomar führen und fürchtete die Folgen, ohne in den Vorbereitungen für einen gelungen Erst- oder wenigstens Gegenschlag nachzulassen. Zu den weiteren Sünden der Vergangenheit, die plötzlich relevant, weil nicht mehr durch fantastische ‚Technik der Zukunft‘ lösbar schienen, gehörte die Erkenntnis, die eigene Welt rücksichtslos ausgebeutet, zerstört, verschmutzt und überbevölkert zu haben.

Die Zukunft sah nicht mehr utopisch, sondern düster aus – ein Paradigmen-Wechsel, dem sich selbstverständlich auch die Science-Fiction nicht verschließen konnte, wollte und durfte. ‚Ökologische‘ SF hatte es schon früher gegeben, doch aus dem einsamen, gern bespöttelten Rufer in der Wüste wurde nun ein Chor, der sich nicht mehr überhören ließ und der beunruhigten Leserschaft Romane wie „Make Room! Make Room!“ von Harry Harrison (1966; dt. „New York 1999“, verfilmt 1973 als „Soylent Green“/“Jahr 2020 … die überleben wollen“) oder Filme wie „Silent Running“ (1972, dt. „Lautlos im Weltall“) präsentierte, die heute formal altertümlich, aber weiterhin erschreckend aktuell wirken.

_Des Rätsels grausame Lösung_

Howard Berk hieb 1972 mit „Das Zeichen der Lemminge“ ebenfalls in diese Kerbe. Der versierte Autor, der vor allem Drehbücher für TV-Serien schrieb, stellt sich zwar eher unauffällig in die Reihe derer, die den selbstverschuldeten Untergang der Zivilisation darstellten, legt aber eine Geschichte vor, die vor allem in ihren ersten beiden Dritteln fesseln kann (und gewisse gedankliche Assoziationen an Michael Bays „The Island“/“Die Insel“ von 2005 weckt …).

Berk springt mitten in ein Geschehen, für das er uns die Erklärung zunächst schuldig bleibt. Nur langsam enthüllt sich die Hintergrundgeschichte; unser Wissen wächst zusammen mit den Erkenntnissen, die sich Alex Parnell mühsam zusammenreimt. Natürlich ist das ein Trick, um die Spannung zu schüren; ein Trick freilich, für den es eine schockierend logische Erklärung gibt, die den Höhepunkt und Schlusspunkt dieses Romans bildet.

Etwas Schreckliches ist geschehen, das kristallisiert sich schnell heraus. Was kann es sein, und wieso wird es so sorgfältig geheimgehalten? Hier geht offenbar Böses vor, werden Menschen als Versuchskaninchen benutzt. Doch dahinter wird eine Tragödie sichtbar, die zum radikalen Umdenken zwingt. Nichts ist, wie es scheint. Selbst als es Parnell gelingt, sein ‚Gefängnis‘ zu verlassen, wähnt er sich irrtümlich in Freiheit. Die Wahrheit wartet auf ihn, und als er sie, die er so lange gesucht hat, endlich findet, kann er sie aus gutem Grund nicht verkraften.

_Diese Zukunft bleibt Vergangenheit_

„Das Zeichen der Lemminge“ hat als Roman seine Längen. Vor allem das letzte Drittel wirkt aufgesetzt. Parnell hat sein Gefängnis/Refugium verlassen und lernt die reale Außenwelt der atomaren Nachkriegszeit kennen. Natürlich beantwortet dieser ‚Ausflug‘ diverse Fragen, die sich der Leser lange gestellt hat, aber wie üblich kann die Auflösung dem Geheimnis nicht das Wasser reichen – auch wenn Berk uns wie gesagt erneut in die Irre führt: Parnells scheinbare Flucht ist schon missglückt, bevor sie beginnt. Dies zu verraten, ist kein Spoiler, denn zumindest als Leser des 21. Jahrhunderts ist man erfahren genug zu erkennen, dass da noch etwas – des Rätsels eigentliche Lösung – folgen wird. Diese wird auf jeden Fall überraschen, auch wenn mit einer Schockwirkung, wie sie Berk zu erzielen hoffte, wohl nicht mehr zu rechnen ist. Jahrzehnte später sind wir stärkeren Tobak gewöhnt, wenn man uns mit apokalyptischen Szenarien erschrecken will, und dass jeder Regierung alle möglichen Schweinereien zuzutrauen sind, haben wir ebenfalls gelernt …

1972 war der Themenkomplex, den ich hier ‚Öko-Schock‘ nennen möchte, als breitentaugliches Phänomen noch relativ neu. Gesudelt wird auf und mit dieser Erde auch heute noch, aber ein gewisser Lerneffekt lässt sich nicht leugnen: Es wird etwas getan, und es gibt Anzeichen von Besserung. (Die obligatorischen „Ja, aber …“-Gegenargumente erspare ich mir hier – bei Bedarf bitte selbst auflisten.)

_Entschlossen mit dem Rücken zur Wand_

Ein Mann gegen eine ganze Welt; später gesellt sich eine Frau an seine Seite: Die Konstellation ist klassisch und erprobt. Wie man aus ihr die besten Effekte kitzelt, ist ihm als erfahrener Drehbuchautor sichtlich bekannt. „Das Zeichen der Lemminge“ kann man sich durchaus als Film vorstellen. Ist das Buch aus einem nie verwirklichten Drehbuch hervorgegangen? Über Howard Berk ist leider wenig zu recherchieren, sodass diese Frage hier ohne Antwort bleiben muss.

Heiligt der Zweck wirklich alle Mittel? Am Beispiel seiner Figuren spielt Berk die verschiedenen Antworten durch, die sich aus dieser Frage ergeben. Daraus resultieren Reaktionen, die zunächst einmal mehr durch den Leser, der die der Frage zugrunde liegenden Ereignisse nicht kennt, als ’normale‘ Handlungsmuster erscheinen, während sie sich tatsächlich schlüssig aus der Ausgangssituation ergeben. Die Schlussfolgerung ist deshalb vielleicht nicht einmal negativ, sondern einfach nur realistisch: Der Lemming kann dem Zug in den Tod entgehen, wenn sein Ausbruchsversuch nur drastisch genug ausfällt.

„I love thee, I love but thee, / With a love that shall not die,
Till the sun grows cold, / And the stars are old,
And the leaves of the Judgement Book unfold!“

Howard Berk wählte als Romantitel ein Zitat aus dem „Bedouin Song“ (1853) des Reiseschriftstellers und Dichters Bayard Taylor (1825-1878); es wird oft William Shakespeare zugeschrieben, was es adeln soll, aber unzutreffend ist. Es spielt auf einen zweiten Handlungsstrang an, der sich um Alex Parnells Liebe zur mysteriösen Julia dreht, die so intensiv und innig ist, dass sie das Ende der Welt tatsächlich überstand.

_Der Autor_

Über Howard Berk gibt selbst das Internet kaum Informationen her. Darüber hinaus wurde seine Biografie irgendwie & irgendwann mit dem Lebenslauf eines spanischen Drehbuchautors namens José Luis Navarro verzwirbelt, der angeblich unter dem Pseudonym Howard Berk für eine lange Reihe von Spagetti-Western verantwortlich zeichnet – ein Fehler, der seither fleißig wiederholt wird.

‚Unser‘ Howard Berk (geb. 1926), der Autor von „Das Zeichen der Lemminge“, war ein US-amerikanischer Autor, der für TV-Serien wie „Columbo“ und „The Rockford Files“ sowie für Kinofilme wie „Target“ und „Robocop“ schrieb. Laut www.imdb.com ist ein Drehbuchautor Howard Berk am 29. August 1989 an den Folgen einer AIDS-Erkrankung in Los Angeles gestorben, was eine gute Erklärung dafür wäre, dass keine Berk-Drehbücher nach 1987 zu belegen sind.

Taschenbuch: 185 Seiten
Goldmann (1971)

Briggs, Patricia – Rabenzauber

Tieragan kommt aus dem Krieg. Er hat einen weiten Weg hinter sich, das Wetter ist mies, und der junge Mann freut sich auf ein trockenes Gasthaus und eine warme Mahlzeit. Stattdessen platzt er mitten in eine prekäre Situation: Auf dem Marktplatz brennt ein Scheiterhaufen, und im Wirtshaus ist der Wirt gerade dabei, die Schwester des Hingerichteten zu verkaufen, weil sie die überhöhte Rechnung nicht begleichen kann.

Spontan kauft Tieragan das junge Mädchen und macht sich mit ihm aus dem Staub. Dass der andere Interessent ihnen folgt und versucht, Tieragan zu töten und das Mädchen in seine Gewalt zu bringen, dem misst der junge Soldat zunächst keine Bedeutung bei. Erst viel später wird er sich daran erinnern, als es fast schon zu spät zu sein scheint …

Patricia Briggs hat mit den meisten Figuren in diesem Roman keine reine Charakterzeichnung abgeliefert. Der Großteil der Personen besitzt dafür besondere magische Begabungen, die so stark ausgeprägt sind, dass sie die eigentliche Persönlichkeit massiv beeinflussen.

Bei Seraph, dem Mädchen aus dem Wirtshaus, hält es sich noch am ehesten in Grenzen. Der Rabe ist das Symbol für den Zauberer und seine Gabe mehr mit Fähigkeiten gleichzusetzen als mit Eigenschaften. So kann Seraph – neben allgemeinen Kleinigkeiten wie einen Bann weben, mit Magie Feuer anzünden und Ähnliches – in einer Art Vision die Vergangenheit von Dingen sehen, die sie berührt. Allerdings ist für die Ausübung dieser Gabe Selbstbeherrschung notwendig, die Seraph sich immer wieder neu erarbeiten muss, denn eigentlich ist sie sehr gefühlsbetont, und ihre Gefühle, vor allem Trauer und Angst, neigen dazu, in Zorn umzuschlagen.

Die Eule dagegen, Symbol für den Barden, verleiht die Macht der Musik. Ein Barde kann durch seine Magie dem Inhalt seiner Lieder zusätzliche Substanz verleihen in Bildern, Geräuschen, ja sogar Gerüchen. Er kann die Aufmerksamkeit seiner Zuhörer an sich binden, sie beeinflussen und im Extremfall sogar seinem Willen unterwerfen. Niemand kann einen Barden anlügen, ohne dass dieser es merkt. Bei einer solchen Macht stellt sich schon die Frage, ob Tieragans ausgeprägte Menschenkenntnis und seine überdurchschnittlichen diplomatischen Fähigkeiten zu seiner Person gehören oder zu seiner magischen Gabe.

Noch extremer ist es beim Adler. Der Adler ist der Beschützer und gegen Magie von außen nahezu unempfindlich. Seine eigene Magie jedoch, die Gabe des Hüters, ist zornig, aufbrausend und kann ziemlich mörderisch werden. Gleichzeitig sind alle Adler Empathen, also Menschen, die andere, vor allem deren Gefühle, spüren und verstehen können. So kann der Leser nie ganz sicher sein, ob das Einfühlungsvermögen von Jes Tieraganssohn oder seine Reizbarkeit in der Nähe von Menschenmengen oder bei Streit Aspekte seines eigenen Wesens sind oder eine Folge der Tatsache, dass er Adler ist.

Die Personen ohne Gabe, wie Tieragans zänkische Schwester, sein gutmütiger Schwager oder der freundliche Prister seines Heimatdorfes, sind eher Randfiguren. Nur einer davon ist wirklich wichtig: Phoran, der Kaiser des Reichs. Ein noch junger Mann, durchaus intelligent, aber einsam, ohne jedes Selbstbewusstsein und seit einiger Zeit schier erstarrt in Angst vor einem Geist, der ihn jede Nacht heimsucht. Er vertut seine Tage mit Gelagen und Huren, bis ihm irgendwann der Verdacht kommt, dass der einzige Mann, den er seinen Freund nennt, ihn womöglich ebenso verachtet wie der Rest seiner Umgebung.

Mir haben eigentlich alle Figuren in dieser Geschichte gut gefallen. Selbst die Nebenrollen besitzen ziemlich viel Persönlichkeit und wirken lebendig. Und auch die enge Verbindung zwischen Gabe und Charakter bei den Protagonisten empfand ich eher als Vorteil. Dadurch, dass die Übergänge fließend sind, wird die Magie mehr zu einem Teil der Person, was vor allem im Falle von Tieragan und Jes zu sehr exotischen und faszinierenden Ergebnissen geführt hat.

Dem Entwurf ihrer Welt hat die Autorin zunächst scheinbar wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Ein Kaiserreich, ein beendeter Krieg, Fürsten, denen das Land gehört, Dörfer, Städte, der Palast in der Hauptstadt Taela … nichts Ungewöhnliches. Außerhalb dieses Gefüges aber gibt es noch die Reisenden, die von der übrigen Bevölkerung beargwöhnt, abgelehnt, ja oft genug sogar gehasst werden. Die Reisenden sind nicht etwa vergleichbar mit fahrendem Volk, sie sind kein Jahrmarkt oder Zirkus. Die Reisenden sind nur deshalb unterwegs, weil sie vor Jahrhunderten ihre Heimat verloren. Eine riesige Dummheit hatte grausame Konsequenzen, und nun versuchen die Reisenden, mit Hilfe ihrer magischen Gaben die angeschlagene Balance der Schöpfung zu erhalten. Nur ganz allmählich entwickelt die Autorin diese fantastische Seite ihrer Welt, weitet sie aus über Legenden und altes Wissen der Reisenden, bis sie irgendwann bei der Historie angekommen ist und schließlich den Kern der Geschichte stellt.

Bis dahin haben Tieragan, Seraph und ihre Kinder einige Turbulenzen zu überstehen. Denn ein Geheimbund versucht nicht nur, die Macht des Kaisertums auszuhöhlen, sondern auch, die Gaben der Reisenden an sich zu bringen – durch Entführung, Magie und Mord. Gleichermaßen durchtrieben und hinterlistig wie auch mit roher, rücksichtsloser Gewalt strebt irgendwo jemand nach unbeschränkter Macht. Die Familie macht sich auf die Suche, und tatsächlich begegnen ihr genügend Leute, die in die geheimen Machenschaften des Geheimbunds verwickelt sind. Doch keiner dieser Solsenti-Zauberer – der Unbegabten, die Magie nur mit Hilfe von Formeln und Ritualen beherrschen können – scheint der Anführer zu sein …

Tatsächlich hält die Autorin ihren obersten Bösewicht lange Zeit geheim. Auf ziemlich gemeine, höchst gelungene Art streut sie erst einen Verdacht, um ihn dann gleich wieder zu entkräften, und das macht sie so oft, dass der Leser den einen, entscheidenden, aber ziemlich unauffälligen darunter irgendwann zu übersehen droht. Das macht den Bösewicht nur umso interessanter, denn erst beim Showdown zeigt er das wahre Ausmaß seiner Boshaftigkeit. Es ist, als säße die ganze Zeit eine lauernde Spinne im Raum. Aber man sieht sie nicht. Nicht etwa deshalb, weil sie sich versteckt oder sich nicht rührt, sondern weil sie keinerlei sichtbare Ähnlichkeit mit einer Spinne hat.

Dieser Spannungsbogen trägt allerdings vor allem den zweiten Teil. Der erste Teil lebt von den diversen kleinen Scharmützeln gegen größere und kleinere Bedrohungen, die nicht mal alle dem Geheimbund angehören. Sie alle bieten Spannung, die nach dem Duell zwar schnell wieder abebbt, aber jedes Mal weitere und natürlich schwierigere Kämpfe in Aussicht stellt. Und wenn tatsächlich mal kein Kampf in Sicht ist, dann widmet sich die Autorin den Konflikten zwischen Reisenden und dem Rest der Bevölkerung oder zwischenmenschlichen Beziehungen innerhalb der Gruppe, was aufgrund der ungewöhnlichen Persönlichkeiten niemals langweilig ist.

Alle diese Bestandteile – die faszinierenden Charaktere, die Details ihrer Welt, die Spannungsbögen der Handlung – hat die Autorin lückenlos zusammengefügt. Alles ist überall miteinander verbunden, alles hängt miteinander zusammen, ohne dass es irgendwo knirscht oder knackt. Eine runde Sache, die ich sehr gerne gelesen habe.

Als sehr positiv empfand ich auch, dass Heyne, anstatt Bücher auseinanderzureißen, wie andernorts zur Zeit Mode, lieber zwei Teile zusammengefasst hat. Wie „Drachenzauber“ ist auch „Rabenzauber“ im englischen Original ein Zweiteiler. Und obwohl die Autorin zu Beginn des zweiten Teils noch gelegentlich Hinweise auf den ersten gibt, um das Verständnis zu erleichtern, war sie damit nicht allzu großzügig. Das Wegfallen einer größeren Veröffentlichungspause kommt dem Leser hier zusätzlich entgegen. Und auch das Lektorat war diesmal ausgesprochen gut.

Patricia Briggs schreibt bereits seit fünfzehn Jahren. Neben den Zweiteilern „Drachenzauber“ und „Rabenzauber“ schrieb sie einige Einzelromane wie „When Demons Walk“ oder „The Hob’s Bargain“ und wirkte in Anthologien mit, darunter „Silver Birch, Blood Moon“ und „On The Prowl“. Einige ihrer Bücher sind bereits wieder out of print. Außerdem schreibt sie derzeit an ihrer Mercedes-Thompson-Serie, die im englischen Original inzwischen bis Band vier gediehen ist. Der erste Band ist auf Deutsch bereits erschienen unter dem Titel „Ruf des Mondes“. „Bann des Blutes“ soll im Juli dieses Jahres, „Spur der Nacht“ im Februar 2009 in die Buchläden kommen.

Taschenbuch 990 Seiten

Originaltitel: „Raven’s Shadow“ und „Raven’s Strike“

Deutsch von Regina Winter

ISBN-13: 978-3453523159

http://www.heyne.de
http://www.hurog.com
http://www.patriciabriggs.com

 

Sturgeon, Theodore – Milliarden-Gehirn, Das

_Das geschieht:_

„Medusa“ ist eine Kollektivintelligenz aus den Tiefen des Weltalls. Sie schickt Sporen aus, die durch den Raum treiben, bis sie einen Planeten erreichen, auf dem Leben möglich ist. Die Sporen nisten sich in den Hirnen ihrer Wirte ein und kontaktieren Medusa, die anschließend die geistige Herrschaft über diese Spezies übernimmt.

So funktionierte es jedenfalls, bis einer dieser Sporen die Erde erreicht. Nie hat die außerirdische Intelligenz eine Lebensform kennengelernt, die aus separat denkenden und handelnden Individuen besteht. Dieses Konzept ist Medusa völlig fremd, und sie hält es für einen biologischen Defekt, den sie zu beheben gedenkt.

Das ist leichter gesagt als getan, denn der Zufall will es, dass Medusas Spore sich ausgerechnet im Hirn des Säufers und Wirrkopfs Dan Gurlick festsetzt. Sie kann es nicht verlassen und muss sich mit den Verhältnissen arrangieren. Mit Zuckerbrot und Peitsche bringt Medusa den widerstrebenden Gurlick dazu, ihr erstens Informationen über die Funktionsweise des menschlichen Gehirns und zweitens Rohstoffe und Gerätschaften zu beschaffen, mit denen sie eine Apparatur konstruiert, die es ihr ermöglicht, alle Menschenhirne der Erde ‚zusammenzuschalten‘. Endlich ist es soweit. Gurlick schaltet ein. Die Menschheit verschmilzt zum „Milliardenhirn“ und wird Teil des Medusa-Kollektivs …

_Mancher Plan scheint vollkommen …_

Es beginnt als übliche Geschichte von der Invasion aus dem All, die man schon oft gelesen hat und immer wieder gern liest. Theodore Sturgeon gab ihr den Titel „The Cosmic Rape“, was ja durchaus unheilvoll klingt. Allerdings stellen sich beim Leser rasch Momente der Irritation ein, denn die Story nimmt nur scheinbar den bekannten Verlauf.

Mit „Medusa“ ist Theodore Sturgeon eine besondere ‚Figur‘ gelungen. Invasoren aus dem Weltall haben die Menschheit schon in unzähligen Romanen und Filmen überfallen. Vor allem in den 1950er Jahren stand meist böse Absicht dahinter – in Vertretung der Sowjetunion oder Chinas wollten die Eindringlinge die freien Menschen der Erde (= die Bürger der USA und ihre Verbündeten) unterjochen. Das will Medusa zwar ebenfalls, doch treibt sie eine seltsame Mischung aus Unverständnis und gutem Willen.

Sturgeon konstruiert eine Galaxis, in der das Leben als Kollektiv agiert. Man muss sich das etwa wie in einem Bienenstock oder Ameisenhaufen vorstellen: Das einzelne Insekt ist nichts; erst der Schwarm bringt Gewaltiges zu Stande. Die menschliche Individualität ist in diesem Fall das Fremde. Medusa kann nicht begreifen, dass der einzelne Mensch seine eigenen Entscheidungen trifft und gleichzeitig in der Gemeinschaft lebt, ohne seinen eigenen Willen aufzugeben. Also schafft sie Abhilfe – ihre Invasion ist eher Rettungsaktion. („Star-Trek“-Kenntnisse im Borg-Bereich sind zum Verständnis des Konzepts sehr hilfreich. Übrigens hat Sturgeon 1978 eine eigenen Roman zum Franchise beigetragen.)

Ohnehin kann von einer ‚Invasion‘ nicht geredet werden. Sturgeon macht sehr deutlich, dass Medusas ‚Opfer‘ nicht absorbiert i. S. von aufgelöst, sondern eingegliedert wurden: Ein Kollektiv ging in einem noch größeren Kollektiv auf – ein völlig normaler Vorgang, der nur im Falle der Menschheit zum „cosmic rape“, zur Vergewaltigung aus dem Weltall – so der Originaltitel – wurde.

Schon der Akt der Invasion ist untypisch. Medusas Sporen treiben im ‚Blindflug‘ durch das All; von einer gezielten ‚Eroberung‘ kann also keine Rede sein. Kein Außerirdischer wird die Erde betreten, Medusas gigantischer Kollektivkörper bleibt, wo er ist – nämlich überall und nirgends. Medusa muss nicht körperlich anwesend sein, da sie ihre ‚Glieder‘ per Gedankenkraft lenkt, die sie ungeachtet der Entfernung unmittelbar erreicht.

_… um schließlich vollkommen zu scheitern_

Medusa erleidet Schiffbruch, weil sie nie wirklich versteht, wie die Mensch funktioniert. Deshalb begreift sie auch nicht die Ungunst ihrer Ausgangslage, als sie ausgerechnet Dan Gurlick als Relais verwendet, der nicht nur ein Außenseiter, sondern geradezu der Inbegriff des Einzelgängers ist. Medusa benutzt ihn, aber er reagiert kontraproduktiv. Sturgeon verdeutlicht die Vielfalt der menschlichen Individualität, indem er die Schicksale weiterer Personen schildert: Guido ist eine Kriegswaise in Italien, Mbala ein afrikanischer Ureinwohner, Sharon Brevix ein vierjähriges Mädchen, das in der Wüste verlorengeht. Sie und andere Menschen verlieren als „Milliardengehirn“ keineswegs ihre gedankliche Selbstständigkeit. Stattdessen formen sie das Kollektiv zu einem Instrument um, das die negativen Seiten des Menschseins – Einsamkeit, Missverständnisse, Eigennutz – ausfiltert und ein weltweites Über-Ich bildet, zu dem alle Menschen Zugang haben, ohne dabei ihre Individualität zu verlieren.

Das ist so, wie Sturgeon es schildert, ein erstaunlicher, fast poetischer Vorgang. Nicht einmal Medusa selbst kann sich dem entziehen; sie entwickelt sich gemeinsam mit der Menschheit weiter. Zum Schluss haben alle etwas von dieser seltsamen Invasion. Nationalitäten oder gar Grenzen sind obsolet und der Mensch nicht nur Mensch geblieben, sondern wesentlich menschlicher geworden. Das klingt besonders für den zynischen Leser der Gegenwart möglicherweise naiv oder sogar lächerlich, ist es aber nicht, denn Sturgeon ist ein wortgewandter Autor, der Schmalz und Gefühlsduselei durch starke Bilder und plastische Charaktere ersetzt. Die perfekte Mischung aus Ernst und Leichtigkeit hat sogar die Übersetzung überstanden.

_“Fiction“ ohne „Science“_

Theodore Sturgeon hat sich nie besonders um den Aspekt der technischen Möglichkeit von SF gekümmert; er zog „inner fiction“ vor, die den Menschen der Zukunft in den Mittelpunkt stellte. Folgerichtig drückt er sich um eine ‚logische‘ Erklärung der Mechanismen, mit denen Medusa ihr Invasionswerk vorantreibt. Allerdings zieht sich Sturgeon überaus elegant aus der Affäre: Er beschreibt, wie sich Alien-Technik quasi selbst kreiert, um dies ansonsten unkommentiert zu lassen. Was dort entsteht, ist sichtlich unwichtiger als die Folgen für die Menschheit. So verwundert es nicht, dass Sturgeon auf den „Hard-SF“-Ballast verzichten kann, mit dem die eher naturwissenschaftlich ausgerichteten Autoren des Genres ihre Werke aufblähen. Sturgeon kommt mit dem „Milliarden-Gehirn“ nach 160 Seiten (im Original und in der deutschen Übersetzung) zu einem plausiblen Ende. Greg Bear, der die Menschheit 1985 in „Blood Music“ (dt. „Blutmusik“) ebenfalls ‚verschmelzen‘ ließ, benötigte mehr als das doppelte Volumen, um nur halb so intensiv zu überraschen …

_Anmerkung_

„The Cosmic Rape“ basiert auf der Novelle „To Marry Medusa“, die ebenfalls 1958 in der August-Ausgabe des Magazins |Galaxy Science Fiction“| erschien. Sturgeon baute sie quasi zeitgleich zum Roman aus, der – nichts ist einfach auf dieser Welt – später neu aufgelegt den Titel der Novelle ‚übernahm‘ und seither gern mit dieser verwechselt wird.

_Der Autor_

Theodore Sturgeon wurde als Edward Hamilton Waldo am 26. February 1918 auf Staten Island, New York, geboren. 1929 übernahm er den Nachnamen seines Stiefvaters William Sturgeon und änderte seinen Vornamen vom ungeliebten Edward zu (es fällt schwer dies nachzuvollziehen) Theodore.

Der junge Theodore Sturgeon plante eine Karriere als Trapezkünstler. Parallel dazu wollte er das College besuchen, wurde von seinem Vater jedoch der Disziplin wegen auf eine Militärakademie geschickt. Dieser glücklich entkommen, versuchte sich Sturgeon in einer ganzen Reihe von Jobs und schrieb nebenbei Geschichten. Erste Storys erschienen 1938, und 1939 gelang ihm mit „Ether Breather“ der Durchbruch als Profi in |Astounding Science Fiction|. Sturgeon wurde eine der Größen des Genres, wobei er die zeitgenössischen Space-Operas weitgehend mied und sich auf die ‚menschliche Seite‘ der Zukunft konzentrierte, womit er die SF der 1950er und 60er Jahre vorwegnahm.

Sturgeon gilt als großer Stilist, dessen mehr als 200 Kurzgeschichten den Romanen vorgezogen werden. Allerdings gehört „More Than Human“ (1953; dt. „Baby ist drei“/“Die Ersten ihrer Art“) zu den Klassikern des Genres und wurde 1954 mit einem |International Fantasy Award| ausgezeichnet. Zu seinem Werk gehört auch der innovative Vampir-Roman „Some of Your Blood“ (1961; dt. „Blutige Küsse“).

Theodore Sturgeon erlag am 8. Mai 1985 einer Lungenentzündung. Posthum wurde er mit einem |World Fantasy Award| ausgezeichnet. Mehr über sein Leben und Werk lässt sich folgender Website entnehmen:

http://www.physics.emory.edu/~weeks/misc/sturgeon.html („The Theodore Sturgeon Page“)

_Theodore Sturgeon auf |Buchwurm.info|:_
[„Die Ersten ihrer Art“ 1402
[„Die goldene Helix“ 1721