Archiv der Kategorie: Fantasy / Science-Fiction

Raven, Lynn – Kuss des Dämons, Der

_Dawn führt mit ihrem reichen Onkel_ ein mehr oder weniger normales Leben in Ashland Falls und geht dort auf die Highschool. Eines Tages kommt ein Neuer an die Schule, Julien DuCraine, der immer eine Sonnenbrille trägt, von allen Mädchen angeschmachtet wird und eine Freundin nach der nächsten hat. Als Julien mit seiner |Fireblade| bei dem DVD-Abend bei Dawns gutem Freund Neal auftaucht, lädt er Dawn dazu ein, mit ihm auf der Maschine eine Runde zu drehen. Weit entfernt von Neals Haus kommt es dann zu einem Streit zwischen den beiden, sodass Julien Dawn einfach stehen lässt und mit seiner |Fireblade| davonfährt.

Dawn ist entsprechend wütend und beide feinden sich daraufhin gegenseitig an. Bis zu dem Tag, als Julien und Dawn zusammen mit ihren Schulkameraden ein altes Theaterhaus aufräumen müssen, damit dort die alljährliche Halloweenparty stattfinden kann. Julien rettet Dawn das Leben, als alte Vorhangsstangen auf sie herabzufallen drohen. Ab diesem Zeitpunkt beginnt zwischen Dawn und Julien eine Freundschaft, die sich bald zu Liebe entwickelt.

Doch wie kommt es, dass Julien Dawn retten konnte, obwohl er doch am ganz anderen Ende des Saales stand? Wieso trägt Julien immer eine Sonnenbrille? Und weshalb versucht Julien Dawn von sich fernzuhalten, weil er meint, er sei zu gefährlich für sie? Der Verdacht, den Dawn heimlich hegt, scheint sich alsbald zu bewahrheiten: Julien ist ein Vampir …

_“Der Kuss des Dämons“ von Lynn Raven_ ist eine Mischung aus Vampirroman und einer Liebesgeschichte, die schon im Klappentext erahnen lässt, dass einige Parallelen zu Stephenie Meyers [„Bis(s) zum Morgengrauen“ 4600 vorhanden sind. Zwar müssen Parallelen im Klappentext noch lange nicht heißen, dass die Story letztendlich auch wirklich abgekupfert wurde, aber in diesem Fall muss ich sagen, trifft das leider doch in gewisser Weise zu. Nicht nur das Grundgerüst der Story wurde beinahe eins-zu-eins übernommen, sondern auch in einigen Details ähnelt „Der Kuss des Dämons“ dem bekannten Jugendbuch von Stephenie Meyer sehr, angefangen damit, dass ein neuer Mitschüler an die Highschool kommt, der völlig unnahbar ist und doch von allen bewundert wird, der das Sonnenlicht nicht ertragen kann, dessen Haut bleich und hart wie Stein ist, mit einem Gesicht wie ein Engel. Obwohl es erst den Anschein hat, als könnte er Dawn nicht leiden, verlieben sich die beiden ineinander. Zuvor rettet er ihr mit seiner übermenschlichen Schnelligkeit das Leben, und auch später, als sie von einem Mann in einer dunklen Gasse bedrängt wird, ist er für sie da, um ihr zu helfen. All das hatten wir auf die ein oder andere Weise in „Bis(s) zum Morgengrauen“ schon einmal. Auch wenn das Buch letztendlich nicht komplett abgekupfert wurde und durchaus auch eine eigenständige Geschichte erzählt, sind sich die beiden Werk doch zu ähnlich, um sie nicht miteinander in Vergleich zu bringen, und dabei wird Lynn Ravens „Der Kuss des Dämons“ eindeutig in den Schatten gestellt, da es mit seiner ‚Inspirationsquelle‘ einfach in keiner Weise mithalten kann.

Auch wenn man mal von diesem Vergleich absieht, weist die Handlung selbst auch die ein oder andere Schwäche auf. Einige Stellen wirken etwas aufgesetzt oder einfach zu schnell erzählt. Vor allem die Szene, in der Dawn und Julien mit seiner |Fireblade| eine Runde drehen und sich dann streiten, wirkt ein wenig an den Haaren herbeigezogen, und auch die Tatsache, dass Dawn zweimal in ein leer stehendes Gebäude einbricht und dabei beide Male auf Julien im Innern trifft, wirkt alles andere als realistisch. Einmal, vielleicht, aber gleich zweimal?

Der letzte negative Kritikpunkt betrifft die Vorhersehbarkeit der Geschichte. Wer aufmerksam liest, dem werden einige erwähnte Details auffallen, und spätestens in der Mitte des Buches weiß man dann ziemlich sicher, wie das Buch ausgehen wird. Lynn Raven versteckt ihre Andeutungen auf das Finale nicht gut genug, sodass man letztendlich nur eins und eins zusammenzuzählen braucht, damit man weiß, wie das Buch ausgeht. Während der Leser schon seit geraumer Zeit ahnt bzw. weiß, was Sache ist, versteht Dawn noch immer nicht, was um sie herum geschieht und was all das zu bedeuten hat, und das nimmt dem Buch in der Mitte eine gehörige Portion an Spannung sowie Glaubwürdigkeit.

Doch trotz der nicht zu ignorierenden Kritikpunkte hat mir das Buch immer noch gut gefallen. Warum? Weil der Stil gefällig ist und „Der Kuss des Dämons“ trotz der Parallelen eine eigene Geschichte erzählt, die Spannung mit sich bringt, mit der man mitfiebern kann und die einfach zu gefallen weiß. Auch die Beschreibungen der Örtlichkeiten sind sehr gut gelungen, sodass der Leser sich die Schauplätze, an denen die Geschichte spielt, sehr gut vorstellen kann und dadurch noch etwas mehr in die Handlung hineingezogen wird. Interessant sind auch einige der eingebrachten Ideen der Autorin, beispielsweise passt Juliens Vergangenheit als Hochseilartist und Geiger sehr gut zum Entwurf der Geschichte.

Im Buch wird ständig zwischen der Haupthandlung mit Julien und Dawn und einer Nebengeschichte gewechselt, die fortlaufend in kurzen Abschnitten weitererzählt wird. Anfangs ist dieser Strang noch etwas verwirrend, bis der Zusammenhang zwischen den beiden Geschichten klar wird und man sich schon vorstellen kann, was die eingeschobene mit der Haupthandlung zu tun hat, aber durch diese Verzögerungstaktik wird die Spannung in „Der Kuss des Dämons“ noch zusätzlich angefacht. Erst ganz zum Schluss wird klar, welche Berührungspunkte die Nebenhandlung mit der eigentlichen Geschichte gemeinsam hat.

Auch die Charaktere in „Der Kuss des Dämons“ sind vernünftig ausgearbeitet. Besonders Julien, der einerseits rebellisch, gefährlich und cool ist, andererseits aber auch eine weiche Seite zeigt und Dawn hilft, wo er nur kann. Lynn Raven stellt ihn als unheimlich cool, hübsch und charmant dar, worin er Edward aus „Bis(s) zum Morgengrauen“ zwar ein bisschen ähnelt, aber dennoch ist Julien ein ganz anderer Typ. Dawn hingegen ist ein mehr oder weniger normales Mädchen von nebenan, das allerdings auch seine Schwächen besitzt und damit Bella aus „Bis(s) zum Morgengrauen“ wiederum sehr ähnelt.

Der Schreibstil passt sehr gut zur erzählten Geschichte, bleibt aber unauffällig. Das Buch ist in Ich-Form aus Dawns Sicht verfasst, wodurch es einen persönlicheren Zugang ermöglicht und man die Gefühle und Gedanken von Dawn besser mitverfolgen kann.

Der Showdown ist zwar größtenteils vorhersehbar, kann sich aber letztendlich doch sehen lassen. Zum Schluss hin steigert sich die Spannung, wie es sich gehört, und der Leser fiebert mit Dawn und Julien mit und hofft, dass sich letztendlich doch alles zum Guten wendet. Das Ende lässt leider noch die ein oder andere Frage offen im Raum stehen, sodass zu erwarten ist, dass noch ein zweiter Teil folgen wird.

_Fazit:_ Trotz einiger Mängel und der Tatsache, dass „Der Kuss des Dämons“ einfach nicht mit Stephenie Meyers ähnlich gelagertem „Bis(s) zum Morgengrauen“ mithalten kann, hat mir das Buch in seiner Art dennoch ganz gut gefallen, zumal die Charaktere sympathisch sind und die Geschichte interessant und spannend aufgebaut wird.

_Lynn Raven_ wurde 1971 geboren und lebte in Neuseeland, ehe sie nach Deutschland zog und dort, wie sie es selbst ausdrückt, „hängen blieb“. Heute arbeitet sie in der Nähe von Mainz und arbeitet freiberuflich als Journalistin und Übersetzerin.

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Hennen, Bernhard – Albenmark, Die (Elfenritter 2)

Die |Elfenritter|-Trilogie:
Band 1: [Die Ordensburg 4578
Band 2: _Die Albenmark_
Band 3: Das Fjordland

|Man mag von großen Schlachten in fernen Heidenwäldern hören. Der wirkliche Krieg jedoch wird mitten unter uns ausgetragen. (…) Sie sind unter uns. Und sie sind nicht nur im Schatten. Im Lichte, wo man sie nicht sucht, sind sie am stärksten. (…) Ihre Waffen sind Heimlichkeit und Täuschung. Und das grausamste ihrer Spiele ist die Erschaffung von Wechselbälgern. (…) Blitzschlag, missgebildetes Vieh, ein Hagel aus heiterem Himmel, der die Ernte vernichtet. Das sind ihre Waffen im heimlichen Krieg. Nur ein Fragender, ein Priester, der besonders fest im Glauben ist, kann dann noch Rettung verheißen. (…) So wie die Ritter in der Ferne kämpfen, schlagen sie ihre Schlachten mitten unter uns, und das reinigende Feuer ist ihre Waffe, wenn Seelen verloren scheinen.|

Aus: |Der Heidenhammer|, von Henri Épicier.

Immer noch ist Prinzessin Gishild in der Ordensburg der Neuen Ritterschaft in Valloncour gefangen. Sie hofft auf eine Rettung, die nicht kommt, denn ihre Beschützerin Silwyna starb, bevor sie Nachricht vom Überleben Gishilds ins Fjordland bringen konnte.

Doch auch zartere Bande binden Gishild an die Feinde des Fjordlands: Mit der Zeit erweicht auch ihr hartnäckiger Widerstand, sie lernt ihre Kameraden und Lehrer zu schätzen und zu lieben; insbesondere Luc: Aus Zuneigung entwickelt sich eine tiefe Liebe.

Luc beweist bei einem Unglück erneut seine heilenden Kräfte: Er überlebt eine Wunde, die ihn hätte töten müssen, ohne dass eine Narbe zurückbleibt. Er wird einer Prüfung auf Leben und Tod überantwortet, bei der die geheime Bruderschaft vom Heiligen Blut feststellt, dass seine Gabe tatsächlich diejenige Guillaumes und kein Albenwerk ist. Das Schwert des Primarchen Leon schwebte schon über seinen Nacken, doch nun leistet er Luc Abbitte und führt ihn in die geheime Bruderschaft ein, stärkt das Selbstbewusstsein des Zweiflers Luc, der sich zum glühenden Anhänger Tjureds entwickelt und Gishild nicht in sein Geheimnis einweiht. Doch auch seine Liebe zu Gishild wird nicht nur geduldet, sondern insgeheim gefördert. Immer noch träumt der Orden davon, den Krieg in die Albenmark zu tragen, und Lucs starke Begabung könnte der Schlüssel zum Sieg sein; denn seine heilende Gabe wirkt auf Elfen und andere Albenkinder tödlich, sie ist das hinterhältige Geschenk des elfenhassenden Devanthars an die Blutlinie seines Sohns Guillaume, dem ersten Heiligen der Tjuredkirche.

Nach langen Jahren erst gelangt der Elfenfürst Tiranu unter merkwürdigen Umständen an Hinweise auf den Aufenthaltsort Gishilds. Er findet die letzten von Silwyna in den Stein gekratzten Worte, Gishild und Valloncour. Elfenkönigin Emerelle beauftragt ihn und Ollowain mit einer Rettungsaktion. Doch diese steht unter keinem guten Stern.

Ausgerechnet am Hochzeitstag Gishilds mit Luc greifen die Elfen mit Unterstützung der Adler die Ordensburg an. Doch der verschlagene Honoré hat von ihrem Plan erfahren und stellt ihnen eine Falle. Seine schwarze Schar lauert den Elfen auf, Arkebusiere mit für Elfen tödlichen Bleikugeln stehen bereit. Nur den Primarchen Leon hat er nicht gewarnt, denn er hofft, seine Nachfolge antreten zu können.

Gishild wird vor Lucs Augen entführt, er selbst vom Schwertmeister Ollowain wie ein Schüler entwaffnet, viele seiner Lanzenkameraden und Lehrer werden getötet. Der in der Folge zum Primarchen aufsteigende Honoré wird sein Freund und Vertrauter, und Luc lernt die Elfen zu hassen; seine Zweifel an Tjured sind endgültig beseitigt. Die Spitzel des Primarchen schaffen es, Briefkontakt zwischen den Liebenden herzustellen. Durch geschickte Zensur gelingt es Honoré, Lucs und Gishilds Gefühle zu lenken.

Im Fjordland wird Gishild in eine ihr fremd gewordene Welt geworfen. Viele Jarls geben nur widerstrebend ihre Macht ab, in den Jahren ohne König sind sie selbstherrlich geworden. Nur die Leibwache der Mandriden und ihre Elfenverbündeten halten zu ihr. Gishild kann sich als mutige Kriegerkönigin beweisen, die gute Ausbildung der Ordensritter und das Wissen um ihre Taktiken helfen ihr. Doch viele Traditionen des Nordens erscheinen ihr, die unter den in Sachen Geschlechterrollen viel liberaleren Ordensrittern aufgewachsen ist, mittlerweile rückständig und barbarisch. Sie wird zwangsverheiratet, willigt widerstrebend ein. Doch sie ist stolz und unerbittlich, herrscht an Stelle ihres Königs, gewährt ihm keine Liebe oder Nachkommen.

Dank eines verräterischen Lutins gelingt es den Ordensrittern, eine Seeverbindung zwischen der Menschenwelt und der Albenmark herzustellen. Die Flotte des Blutbaums greift unter Lucs und Honorés Führung überraschend Vahan Calyd an, zur Zeit der jährlichen Krönungszeremonie Emerelles, um mit ihrem Tod das Schicksal des Fjordlands und der Albenmark zu besiegeln.

_Der Autor_

Bernhard Hennen (* 1966) studierte Germanistik, Geschichte sowie Vorderasiatische Altertumskunde und lebt mit seiner Familie in Krefeld. Er machte sich bereits mit seiner |Elfen|-Trilogie („Die Elfen“, „Elfenwinter“, „Elfenlicht“) einen Namen und stürmte mit ihr die Bestsellerlisten. Davor schrieb er DSA-Romane, unter anderem mit Wolfgang Hohlbein. Seine Spezialität ist die Kenntnis nordischer Mythologie, auf deren Grundlage er die Albenmark und ihre Völker erschuf, in die sich allerdings auch einige Kentauren verirrt haben. So sind seine Elfen aufgrund derselben Grundlage denen Tolkiens zwar ähnlich, aber doch anders und sehr differenziert dargestellt.

Mit der |Elfenritter|-Trilogie ändert er den Fokus der Erzählung; aus der Sicht der elfenfeindlichen Ordensritter der Tjuredkirche erzählt er die Geschichte der tragischen Liebe zwischen zwei vermeintlich natürlichen Feinden, Gishild, der Prinzessin des Fjordlands, und Luc, Mitglied einer geheimen Bruderschaft innerhalb des Ordens, die sich dem Tod aller Alben verschworen hat.

_Nicht kleckern, sondern klotzen …_

… hat sich Bernhard Hennen gedacht, als er seine |Elfenritter|-Trilogie fortsetzte. Die Befreiung Gishilds ist eine Schlacht mit epischen Qualitäten. Sie erinnerte mich fast an ein modernes Luftlande-Unternehmen: Adler steigen von zu „Trägern“ umgebauten Elfenschiffen auf, greifen von kleinen Blütenfeen markierte Ziele an und bombardieren mit in der Art von Streubomben abgeworfenen Stahldornen die Ordensritter, während Ollowain und Tiranu sich eine widerspenstige Gishild schnappen. Doch die Befreiung endet tragisch, viele Elfen werden eingekesselt und können nicht mehr entkommen. Man kann sagen, Bernhard Hennen habe die „Brücke von Arnheim“ der Fantasy-Literatur geschaffen.

Das zweite Highlight – für die weniger blutrünstigen Fantasy-Leser – stellt die Rückkehr Gishilds ins Fjordland dar. Sie ist eine Fremde in ihrer eigenen Heimat, in der sich nicht jeder darüber freut, dass sie zurückgekehrt ist. Ihr von Natur aus widerspenstiges Wesen, gepaart mit der Erziehung durch die Ordensritter und für ihr Volk zu modernen Ansichten, schafft ihr viele Feinde, trotz aller militärischen Erfolge beim Kampf um Drusna. Wie sie sich dennoch durchsetzt, ist sehr spannend inszeniert – auch im Fjordland weht ein rauer Wind.

Ebenfalls sehr gelungene Nebenhandlungen sind weitere Streitigkeiten der Neuen Ritterschaft mit dem älteren Orden des Aschenbaums, bei denen Lilianne ihre Gerissenheit erneut unter Beweis stellen kann. In diesem Zusammenhang fallen die Städtenamen „Marcilla“ und „Cadizza“, ebenso die Provinz „Equitania“, die berühmt für ihre Pferdezucht ist. Noch gibt es keine Karte des Fjordlands, aber die Namensgebung legt nahe, dass Hennen sich stark an der realen Europakarte orientiert; in diesem Fall könnte man das Fjordland vermutlich mit Norwegen gleichsetzen. Im Umschlag findet sich diesmal eine schöne Risszeichnung von Lucs Galeere |Nordstern|, bei der sich alle „Bronzeschlangen“ (gleich Kanonen) im Bug befinden, gleich neben dem Pulvermagazin. Bei dieser Bauweise verwundert es, dass eine im Buch explodierende fehlerhafte Kanone nicht gleich das ganze Schiff vernichtet hat. Aber Schwamm drüber, die Risszeichnung ist eine tolle Idee – ich hoffe, in weiteren Bänden mehr davon zu sehen.

Interessant ist in diesem Band der Wandel Lucs: Seine Zweifel schwinden, Honoré zieht ihn auf seine Seite. Dass gerade Honoré wenig honorabel vorgeht – er nimmt den Tod seines Vorgängers als Primarch billigend in Kauf -, warnt den Leser vor dem blinden Vertrauen, das Luc seinem Meister entgegenbringt. Auch hier hatte ich eine Assoziation zu moderner Popkultur: „Star Wars“ lässt grüßen. Honoré wäre demnach der Imperator, Luc analog zu Luke/Anakin Skywalker. Der mit einer nicht verheilenden, schwärenden Wunde geschlagene und dennoch lebende Honoré ist ein knackiger Bösewicht, der raffiniert mit jeder erdenklichen List und Tücke arbeitet. Kaum zu glauben, wie überraschend positiv sich dieser Charakter entwickelt hat; er dürfte noch für viel Kurzweil und ebenso viel Unheil sorgen.

Bei all den Highlights gibt es leider jedoch auch Schatten. Einiges wirkt mir zu arg konstruiert. So wird Luc erneut getestet; hätte man das nicht schon im ersten Teil tun können – wie lange zweifelt man eigentlich noch an seiner Gabe? Hier hätte ich ein Inquisitionstribunal nach den Regeln des Hexenhammers erwartet. Doch was folgt, ist eher simpel und enttäuschend; im selben Moment gewinnt man als Abfallprodukt noch einen Verräter, der den Schlüssel zum Eintritt in die Albenmark darstellt. Primarch Leon befindet in Hochstimmung, in dieser Nacht habe sich alles gefügt. Ja, hier hat sich wirklich alles gefügt: Gishild bettelt für Luc, Luc vertraut der geheimen Bruderschaft und alles läuft bestens. Hier hat Hennen es sich etwas einfach gemacht, andererseits erlaubt diese Schlüsselszene eine flotte Weiterführung der Handlung.

Doch am übelsten stieß mir die Fortsetzung des grausamen „Murmeltiereintopfs“ auf. Silwyna musste sterben, damit Gishild nicht vorzeitig gerettet wird. Nun muss man sie, terminlich passend zur Hochzeit, wieder befreien, zu einem Zeitpunkt, als sie genug Ordensritter geworden ist, um bei der Rückkehr ins Fjordland massiv Probleme zu bekommen. Damit Gishild gerettet wird, findet Fürst Tiranu zufällig Silwynas Rapier bei einem erschlagenen Soldaten. Er nimmt den Kopf der Leiche mit zu der Trollschamanin Skanga, die den Toten befragen soll. Der Zauber geht schief, Skanga schreit Tiranu zu, es sei nicht der Tote, der spricht, sondern ein böser Zauber. Tiranu findet sich in der Menschenwelt wieder, wo die magisch perfekt konservierte Leiche Silwynas auf die in Stein geritzten Worte „Gishild“ und „Valloncour“ deutet. Was soll das denn? Entweder hat hier der Devanthar oder eine andere höhere Macht geschickt manipulierend eingegriffen, oder es handelt sich um einen mit viel Brimborium aufgeblasenen Weg, einen Stichwortgeber zur rechten Zeit wieder ins Spiel zu bringen.

_Fazit_

Trotz der genannten recht konstruiert wirkenden Wendungen ist „Die Albenmark“ durch und durch gelungen. Das liegt vor allem an den starken Charakteren und der zügigen Handlungsführung. Hier gibt es keinen Leerlauf, dafür viele verschiedene Charakterperspektiven und auch eine gehörige Portion Humor. Bernhard Hennen nimmt selbstironisch seine eigenen Charaktere auf die Schippe; so sagt Skanga zu Yulivee: |“Yulivee. Du hast die Seelen der Dschinne befreit, nicht wahr? Ich habe auch gehört, dass du manchmal im Grasmeer des Windlands sitzt und dich mit Schmetterlingen unterhältst. Hast du dir vielleicht einmal irgendwo sehr hart den Kopf gestoßen?“| (S. 199).

Auffallend waren viele Referenzen an die Popkultur in Personenkonstellationen und Handlungsmustern; ich hoffe, diese werden im Folgeband etwas reduziert, denn zu viele davon würden stören und sind bei so starken Charakteren und überzeugender Handlung ohnehin nur das i-Tüpfelchen, und davon reicht eines bekanntlich aus. Nebenher führt Hennen elegant noch ein neues Volk ein, von dem wir im Juli in dem nicht zu dieser Trilogie gehörenden Roman „Elfenlied“ mehr erfahren werden. Leser der |Elfenritter|-Trilogie müssen sich bis Dezember 2008 gedulden, wenn der Abschlussband „Das Fjordland“ erscheinen wird.

http://www.heyne.de
http://www.bernhard-hennen.de/

Die |Elfen|-Trilogie:
Band 1: [Die Elfen 2169
Band 2: [Elfenwinter 2185
Band 3: [Elfenlicht 3505

Andreas Brandhorst – Feuerträume (Kantaki: Graken-Trilogie 3)

»Feuerträume« ist der Abschluss einer dreibändigen Erzählung um den großen Krieg der Milchstraßenvölker gegen die seelenfressenden Graken. Außerdem führt er die Suche nach den Kantaki zu Ende, die überraschend in dieser Trilogie fast nur als mytologische »Große K« bezeichnet werden, Wesen, die von großer Reife waren und irgendwie von der Bildfläche verschwanden. Um sie drehte sich noch die letzte Trilogie, die im gleichen Universum angesiedelt war. Umso erstaunlicher ist die Auflösung der großen Rätsel, die sich durch die Romane des Kantaki-Universums ziehen und einen wahrhaft gigantischen Hintergrund liefern. Brandhorst räumt mit den transzendenten Entwicklungen, die sich in seinen Geschichten aufschaukeln, schließlich wieder auf und führt sie mit »Feuerträume« zu einem endgültig erscheinenden Abschluss.

Dominique, die junge Tal Telassi mit den überragenden Fähigkeiten einer Großmeisterin, ist zusammen mit Rupert und einem alten Kantaki-Schiff unterwegs, auf der Suche nach den Kantaki, um von ihnen Hilfe gegen die Bedrohung der Graken zu gewinnen. Dabei geraten sie in die nichtlineare Zeit und stranden auf einem dortigen Planeten, der in vier Ebenen zergliedert ist. Dort müssen sie nach einer Möglichkeit zur Rückkehr suchen und geraten dabei auf die Spur der Kantaki, die es offenbar genau hierher verschlagen hat. Auf der fünften Ebene des Planeten existiert der Schlüssel zu den hohen Ebenen der Prävalenz, dem Bereich, den überlegenes Leben bevölkert, das für die Entstehung der Universen verantwortlich ist. Hier stößt Dominique mit ihrem verschollenen Vater Dominik auf Olkin, jenen »Spieler«, der schon in der Trilogie um Diamant und Valdorian (Kantaki 1-3) die Fäden zog. Olkin ist ein kranker Prävalenter, dessen Herrschsucht und Machtgier die Graken in die Milchstraße brachte. Er hat Zugriff auf hohe Schöpfungsenergien und ist damit ein gefährlicher Gegner für die beiden Tal Telassi.

In der Milchstraße ringen derweil die Völker mit den Graken um die letzten bewohnten Welten. Aus der Crotha-Affäre im letzten Roman entwickelte sich durch die Megatron genannten KI die Maschinenzivilisation, die mit atemberaubender Geschwindigkeit evolviert. Menschen brechen zu einer diplomatischen Mission auf, um die Emm-Zetts um Hilfe zu bitten. Dabei stoßen sie auf einen Gegner aus der Zukunft, Nachmenschen, die aus einer Symbiose von Emm-Zetts und Kriegsveteranen entstanden und nun in der Gegenwart den Verlauf der Geschichte beeinflussen wollen. Das gibt schließlich den Ausschlag bei den Verhandlungen mit den Maschinenzivilisationen. Der Krieg mit den Graken tritt in die finale Phase ein.

Brandhorst rollt seine Geschichte in verschiedenen Ebenen auf, verwebt einzelne Stränge miteinander, lässt aber schließlich zwei Hauptstränge parallel verlaufen, die ohne gegenseitiges Interagieren den Roman ergeben. Natürlich ist vom Erfolg Dominiques auch jener der Milchstraßenvölker abhängig, aber umgekehrt hat der Grakenkrieg keinerlei Bedeutung für die Handlung in der nichtlinearen Zeit.

Deutlich zeigt Brandhorst seine Stärken in der Entwicklung von Plots und großen Zusammenhängen und im Ideenreichtum, aber dabei bleiben die einzelnen Charaktere auf der Strecke. Einen Tako Karides, Valdorian oder Hegemon Tubond sucht man leider in diesem letzten Roman vergeblich, denn obwohl offenbar der versessene Nektar diesen Platz einnehmen sollte, gelingt es Brandhorst diesmal nicht, die Figur mit Leben zu erfüllen. Nichtsdestotrotz bleibt die große Faszination der Kantaki-Welt bestehen. Häppchenweise verfüttert Brandhorst seine Informationen an den hungrigen Leser und entwickelt den großen Spannungsbogen über das Herausfinden der Hintergründe – für den Exodus der Kantaki, die Flucht ihrer Piloten, die Ziele und Intrigen Olkins, das Entstehen der KI-Zivilisation der Zäiden und die Fähigkeiten der Tal Telassi.

Es bleibt ein unterhaltsames Buch mit umfassenden Informationen, nicht zu gedrängt, aber etwas auf Kosten der Lebendigkeit. Brandhorsts Widmung lässt vermuten, dass es ihm kein Leichtes war, diesen abschließenden Band zu vollenden. Vielleicht hat er deshalb alle Rätsel aufgelöst und verlässt nun mit dem Leser die spannende Welt der Kantaki. Vielleicht hat er darum nur im Epilog den letzten Anker in diesem Universum belassen, um doch noch einen Anknüpfpunkt zu behalten. Vielleicht ist aber auch alles ganz anders und wir begegnen den Kantaki, Tal Telassi und Zäiden oder ihren Nachkommen bald wieder …

Der Autor vergibt: (3.5/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (No Ratings Yet)

Brandis, Katja – Feuerblüte – Das Mond-Orakel (Band 3)

Katja Brandis‘ Fantasytrilogie um Feuerblüte, wie die junge Schwertkämpferin Alena genannt wird, ist nicht unbedingt vielversprechend im [ersten Band 2876 gestartet, konnte sich im zweiten allerdings steigern. Nun liegt das Finale mit dem Titel „Feuerblüte – Das Mond-Orakel“ vor, und als Leser stellt man sich die Frage, ob das 454 Seiten starke Werk nach den Fortschritten des zweiten Bandes einen krönenden Abschluss der Reihe bieten wird oder ob es die gesamte Trilogie vernichtet.

Alena, die junge Schwertkämpferin, hat sich in Jorak verliebt, doch ihre Liebe scheint keine Zukunft zu haben, da Jorak ein Gildenloser ist. In Daresh, der Welt, die Katja Brandis sich für ihre Geschichten ausgedacht hat, ist ein Mensch nur dann etwas, wenn er einer der vier Gilden – Feuer, Wasser, Erde oder Luft – durch Geburt angehört. Wer Eltern verschiedener Gilden hat oder aus seiner Gilde ausgestoßen wurde, muss ohne das Recht, legal arbeiten zu dürfen, und in Armut in der farbenprächtigen Welt leben. Jorak hat das Pech, dass seine Mutter zur Luft-Gilde und sein Vater zur Feuer-Gilde gehört, und trotz seiner Versuche, in eine der beiden Gilden aufgenommen zu werden, hatte er bislang kein Glück.

Nachdem er mit Alena ein Abenteuer erlebt hat, das ihm die Anerkennung durch die Regentin verschafft hat, möchte er bei den Gilden noch einmal um Aufnahme bitten. Tatsächlich lässt man ihn vor den Rat der Gilden treten, doch an seine Aufnahme ist eine Bedingung gekoppelt: Er muss sich zwei unlösbaren Aufgaben stellen. Jorak nimmt die Aufgaben auf sich, um endlich in aller Öffentlichkeit mit Alena zusammen sein zu dürfen. Selbstverständlich kann er dabei auf die Hilfe seiner Freunde zählen, aber er und Alena ahnen nicht, dass sie sabotiert werden.

Währenddessen macht sich Rena, eine alte Freundin von Alenas verstorbener Mutter, auf, um zu erkunden, was das mysteriöse Mond-Orakel ist. Es handelt sich dabei um drei seltsame Kinder, welche die Zukunft vorhersagen können und von deren Prophezeiungen sich der Rat der Gilden abhängig gemacht hat. Rena ahnt, dass dies nicht unbedingt das Beste für das Land bedeutet, und schmuggelt sich als Heilerin in den Tempel des Orakels, wo sie erschreckende Entdeckungen macht …

Katja Brandis schmiedet einen sehr vielschichtigen, spannenden und wendungsreichen Plot, den sie in der dieses Mal sehr gelungen präsentierten atmosphärischen Welt von Daresh ansiedelt. Durch die Menge an Schauplätzen wird das Buch sehr bunt und lebendig aufbereitet. Außerdem treten viele neue und interessante Charaktere auf, und die Beschreibungen der Besonderheiten von Daresh sind anschaulich und abwechslungsreich gestaltet. Vor dieser Kulisse entwickelt die Autorin eine Handlung, die flott vorangeht und immer wieder durch unvorhergesehene Ereignisse überrascht. Es gibt kaum Längen, was die Spannung konstant hält, und die verschiedenen, anfangs unabhängig voneinander wirkenden Erzählstränge sorgen dafür, dass der Leser umso mehr rätselt. Er fragt sich nicht nur, ob die einzelnen Stränge irgendwann (und vor allem wie) zusammengeführt werden, sondern auch, wie es im Einzelnen weitergeht.

Die Personen tragen eine Menge dazu bei, dass „Feuerblüte – Das Mond-Orakel“ zu solch einem Lesegenuss wird. Innerhalb der zwei vorhergehenden Bände sind sie gereift. Aus den zumeist jugendlichen Protagonisten sind Erwachsene geworden, die sich mit einer Menge Probleme herumschlagen müssen. Die Charaktere, allen voran Alena, wirken sehr lebensnah und mehrdimensional. Brandis hat es geschafft, ihnen trotz des fantastischen Grundmotivs des Buches Charakterzüge und Probleme zu verpassen, mit denen sich der normale Leser identifizieren kann. Die Figurenzeichnung geht dabei teilweise sogar über das hinaus, was in der Fantasy normalerweise üblich ist, denn trotz des Happy-Ends wird vorher eine Menge schmutziger Wäsche gewaschen.

Der Schreibstil, in den Vorgängerbänden kritisiert, ist dieses Mal durchaus gelungen. Nach wie vor ist er mehr Mittel zum Zweck als Träger von Originalität. Allerdings entwickelt Brandis in „Feuerblüte – Das Mond-Orakel“ eine geradezu epische Erzählkraft, die bei dem Umfang des Romans auch vonnöten ist. Brandis schreibt spannend, dicht, mit einem sicheren Händchen bei der Wortwahl und ohne Ermüdungserscheinungen trotz der Länge der Geschichte.

Um auf die Fragestellung in der Einleitung zurückzukommen, ist der abschließende Band der Trilogie um Feuerblüte eine runde Sache. Die Handlung birgt enormes Erzählpotenzial, die Personen wirken ausgeglichen und gut durchdacht, der Schreibstil unterstreicht die Qualität der Handlung – Katja Brandis hat sich im Laufe der Zeit gesteigert und legt mit „Feuerblüte – Das Mond-Orakel“ ihr bislang bestes Buch vor.

Willkommen

_Katja Brandis bei |Buchwurm.info|:_
[„Feuerblüte“ 2876
[„Feuerblüte – Im Reich der Wolkentrinker“ 2887
[„Der Verrat der Feuergilde (Kampf um Daresh 1)“ 2909
[„Der Prophet des Phönix (Kampf um Daresh 2)“ 2931
[„Der Ruf des Smaragdgartens (Kampf um Daresh 3)“ 2964

Charles Stross – Glashaus

Niemand hätte gedacht, dass »Accelerando« sich würde fortsetzen lassen.

Wer aber die Verlagsinformation so versteht – in ihr wird »Glashaus« als kongeniale Weiterführung bezeichnet -, der wird sich enttäuscht sehen. Dieser Roman ist mit »Accelerando« nicht stärker verwandt als mit Cory Doctorows »Backup« – er stützt sich nur auf das Fundament der posthumanen Gesellschaft, das Stross in »Accelerando« entwickelt. Die Zeit der Beschleunigung findet in Form einer Singularität in der menschlichen Gesellschaftsentwicklung Erwähnung und erwächst damit in Stross‘ Vision zu einer unumgänglichen Größe. In dem Sinne kann man »Glashaus« als Fortsetzung bezeichnen, nämlich insofern, als eine Beschleunigung vorangegangen sein muss und in ihrem Zuge die Erde zur Defragmentierung gefunden hat.

In welcher Verbindung steht der Roman mit Doctorows »Backup«? Ziemlich direkt: Auch bei Doctorow können die Menschen Backups ihres Zustandsvektors anlegen und sich im Falle des Todes aus diesen Daten rekonstruieren lassen. Allerdings führt Stross dieses Experiment konsequent fort, denn wo Datenspeicher benutzt werden, besteht auch die Möglichkeit der Veränderung und des Fälschens. »Identitätsklau«: im »Glashaus« das schwerwiegendste Verbrechen.

Der Protagonist, Robin, lebt in einer Nachkriegswelt, die sich für ihre Bewohner als unendlich darstellt. Ob es Weltraumhabitate oder planetare Gebäude sind, ist für sie nicht feststellbar, denn sie bewegen sich nur innerhalb dieser Sphären und überbrücken große Distanzen mit Toren, in denen sie aufgelöst, als Datenpaket verschickt und in einem anderen Tor neu synthetisiert werden. Dabei haben die Menschen die Möglichkeit, alte Erinnerungen löschen zu lassen. Robin scheint sein gesamtes früheres Leben gelöscht zu haben. Nun schließt er sich einem Experiment an, welches das Leben in der Zeit vor der Beschleunigung nachzuvollziehen versucht. Das heißt: keine Assembler, die jede Bestellung produzieren können, keine Backups und damit die Möglichkeit zum echten Tod, kein Zugriff auf das allgegenwärtige Netz.

Im Verlauf der Geschichte rücken immer wieder Erinnerungen an den Krieg in den Vordergrund und machen neugierig. Es sind nicht nur Hintergrundinformationen, aus denen sich diese Zukunft entwickelte, sondern sie haben ganz direkte Beziehungspunkte zur Geschichte. Robin entpuppt sich als Schläfer, der in das Experiment geschleust wurde, um die Machenschaften der als Forscher getarnten Terrorgruppe zu enthüllen. Hier geht es um ein Virus, das sich, über die Tore verbreitet, in die Backups der Menschen einnistet und gezielt Erinnerungen löschen kann.

Stross‘ besondere Stärke sind Charakterisierungen. Seine Protagonisten entwickeln sich sehr individuell weiter und werden zu lebenden Persönlichkeiten, die genau so und nicht anders handeln müssen. Dabei entwickelt gerade der Ich-Erzähler Robin zwei unterschiedliche Seiten, nämlich die der Frau Reeve, deren Handlungsweisen sehr gut einer Frau zugeordnet werden können und deren Stärken auf anderen Gebieten liegen als bei Robin, der männlichen Inkarnation des gleichen Selbst. Dieser Spagat zwischen den Geschlechtern ist faszinierend und von Stross in hoher Kunst dargestellt.

Der Kopf dieses Menschen muss förmlich bersten von abgedrehten Ideen. Jeder einzelne der Romane von Charles Stross ist ein Feuerwerk und nährt sich an Ideen, aus denen andere Autoren ganze Serien fabrizieren. »Glashaus« ist eine Studie menschlichen Verhaltens unter besonderen Bedingungen auf dem schillernden Boden übermenschlicher Fantasie. Wenn sich dem Leser zwischenzeitlich der Vergleich mit dem »Experiment« der Strugatzkis aufdrängt, wird doch schnell deutlich, dass sich hier ganz andere Beweggründe finden und dass ein solcher Vergleich nicht möglich ist. Die fast psychedelischen Aspekte am Strugazki-Roman finden in diesem streng reglementierten Kosmos keine Entsprechung. »Glashaus« ist ein eigenständiger, intelligenter Roman, der sehr deutlich die visionäre Kraft des Autors darstellt.

Originaltitel: Glasshouse
Übersetzt von Ursula Kiausch
Mit Fotos Illustrationen von Stephan Martinière
Taschenbuch, 496 Seiten

Der Autor vergibt: (4/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (1 Stimmen, Durchschnitt: 4,00 von 5)

Irvine, Ian – Festung der Macht, Die (Die drei Welten 4)

Band 1: [„Der Spiegel der Erinnerung“ 3928
Band 2: [„Das magische Relikt“ 4217
Band 3: [„Der Turm von Katazza“ 4363

Nachdem Mendark, Tallia und Pender einige Mühe damit hatten, ihr Schiff ordentlich auszurüsten, ist es ihnen endlich gelungen, Richtung Norden zu segeln und die Stadt Zile zu erreichen, wo sie in der Großen Bibliothek nach Informationen über den Spiegel suchen wollen. Mendark hofft, auf diese Weise herauszufinden, wohin Tensor mit dem Spiegel geflüchtet ist.

Tensor und seine Aachim haben inzwischen die Nordküste des Kontinents erreicht. Doch nun kann die Gruppe sich nicht einigen, wohin sie sich wenden soll. Da stoßen einige Überlebende aus Shazmak zur Gruppe, und ihre Berichte haben eine äußerst unangenehme Wirkung auf Tensor. Nur widerwillig beugt sich die Gruppe seinem Willen und folgt ihm nach Osten übers Meer.

Auch Shand und Karan sind nach Osten übers Meer geflohen. Und obwohl Karans ohnehin unzuverlässiges Talent in letzter Zeit überhaupt nicht mehr wirkt, spürt sie Llians Gegenwart. Kurzerhand beschließt sie, dass sie unbedingt nach Katazza muss. Doch sie werden immer noch verfolgt.

Yggur ist derweil der Verzweiflung nahe! Nichts funktioniert mehr so, wie es soll. Trotz aller Mühe gelingt es ihm nicht, der Stadt Thurkad Herr zu werden, die ihm verbliebenen Whelm sind aufsässig, und auch seine magischen Kräfte sind nicht mehr das, was sie einmal waren. Yggur verliert zunehmend sein Selbstvertrauen. Und Maigraith, die während der Zeit, in der Faelamor nahezu handlungsunfähig daniederliegt, immer mehr an Selbstvertrauen gewinnt, verliert zunehmend ihre Achtung vor Yggur.

_Neue Charaktere_ tauchen in diesem Band des Zyklus so gut wie keine auf. Nur Nadiril, das Oberhaupt der Großen Bibliothek in Zile, tritt zum ersten Mal als Person in Erscheinung, ein sehr, sehr alter, gebrechlicher Mann mit einem unglaublich wachen Geist und einer nicht allzu guten Meinung von Mendark. Allein deshalb war er mir schon sympathisch. Allerdings beschränkt sich sein Auftritt bisher auf ein kurzes Gastspiel, deshalb blieb die Charakterzeichnung eher skizzenhaft.

Ansonsten sticht lediglich Tensor ein wenig aus dem Gros der Figuren heraus. Sein Verlangen danach, den Spiegel zu benutzen, um sich an Rulke, dem Charon, zu rächen, wird mit der Zeit immer mehr zum Wahn, Tensor selbst immer unberechenbarer. Diese Entwicklung ist zwar nicht unbedingt übermäßig intensiv, aber doch deutlich und nachvollziehbar geraten.

Shand zieht die Aufmerksamkeit des Lesers eher unauffällig auf sich. Schon früh war klar, dass in diesem Mann mehr steckt, als auf den ersten Blick zu erkennen ist. Im Laufe der Handlung entwickelt er immer mehr Fähigkeiten und vor allem immer mehr Wissen, das deutlich zeigt, dass Shand tatsächlich jemand Besonderes, jemand Wichtiges sein muss.

_Damit haben sich die Höhepunkte auch schon wieder fast erschöpft._ Die Handlung erzählt fast ausschließlich von den Schwierigkeiten, unter denen die einzelnen Gruppen sich nach Katazza durchschlagen, wobei Karan und Shand die härteste Tour zu überstehen haben, sowie von der Hilflosigkeit der Aachim Tensors Sturheit gegenüber. Selbst Malien, die sich schon ziemlich früh gegen Tensors Vorhaben ausspricht, ist nicht in der Lage, ernsthaft etwas gegen ihn zu unternehmen. Die Aachim geben in diesem Band trotz ihrer Fähigkeiten – oder vielleicht auch gerade deswegen – eine ziemlich erbärmliche Figur ab.

Die kurze Sequenz, in der die Gâshâd wieder einmal auftauchen und Karan bedrängen, ist auch diesmal nur ein kurzes Zwischenspiel, das letztlich ohne Folgen bleibt und dem Spannungsbogen nicht wirklich auf die Beine hilft. Dasselbe lässt sich von Karans extravaganter Klettertour sagen, die nichts weiter bewirkt, als dass hinterher nicht nur Llian, sondern auch Karan bei Tensor im Turm festsitzt. Abgesehen davon zeigen sich Llian und Karan Tensor gegenüber fast genauso hilflos und erbärmlich wie die Aachim. Nicht ein einziges Mal versuchen sie, die Tür des Turms zu öffnen oder das magische Tor zu zerstören, während Tensor abwesend ist. Sie warten einfach tatenlos, bis Tensor die Katastrophe heraufbeschworen hat. Dieses Verhalten passt zwar gut zu Llian, aber nicht zu der sonst so tatkräftigen Karan.

Selbst der eigentliche Showdown zeichnet sich letzten Endes durch eine eigenartige Tatenlosigkeit aus. Allen Anwesenden ist die ungeheure Gefahr bewusst, die Tensor heraufbeschworen hat, und ebenso die Tatsache, dass sie alle gemeinsam sicherlich die Kraft hätten, diese Gefahr zu bannen. Aber keiner rührt sich. Nicht einmal der Angreifer wird wirklich aktiv. Er steht nur herum und schüchtert alle ein, ehe er flüchtet, ohne eine Geisel mitzunehmen. Irgendwie wirkt das Ganze wie eine große Versammlung von unfähigen Schlafmützen. Was eigentlich der dramatische Paukenschlag des ganzen Buches hätte sein sollen, verpufft nahezu wirkungslos.

Und wer vielleicht gehofft hat, dass er nach Mendarks Besuch in der Großen Bibliothek oder durch Llians Suche im Archiv von Katazza endlich mal ein wenig schlauer würde, der wird ebenfalls enttäuscht. Zwar erwähnt der Autor, dass Tensor Llian bereitwillig auf seine Fragen nach den Historien der Aachim antwortet, ihm sogar ihre Schrift beibringt, dabei bleibt es aber auch schon. Noch immer weiß der Leser nicht, wie und warum es zu dem Krieg zwischen Faelamor und der Charon Yalkara gekommen ist, oder was genau es mit dem Spiegel auf sich hat. Das bruchstückhafte Wissen über die Vergangenheit macht es nicht gerade leichter, die diversen Parteien und ihre Handlungsweise nachzuvollziehen.

Als besonders störend in jeder Hinsicht hat sich auch diesmal wieder ein Unsitte erwiesen, die mir bisher hauptsächlich von |Piper| bekannt war: |Lübbe| hat die Originale aufgeteilt und so aus einem vierbändigen Zyklus einen achtbändigen gemacht. Das hätte mir schon bei der Lektüre von „Das magische Relikt“ auffallen sollen, denn dieser Band fing ganz anders an als der Auszug des ersten Kapitels aus Band zwei des englischen Originals auf der Homepage des Autors. Wirklich unübersehbar aber war es diesmal, wo die Handlung wirklich mittendrin auseinandergerissen wurde und man dem Leser zu Beginn des Folgebandes keinerlei Zeit bleibt, sich wieder in die Geschichte hineinzufinden. Wieder einmal denke ich darüber nach, lieber das englische Original zu lesen.

Wobei ich in diesem speziellen Fall nur wenig Neigung verspüre, überhaupt weiterzulesen. Zwar hat Shand sich inzwischen zu einem echten Sympathieträger und vor allem auch zu einer interessanten und geheimnisvollen Figur entwickelt, deren wahre Identität mich durchaus interessieren würde. Auch mag die Einführung des neuen Gegenspielers durchaus eine Menge neuer Möglichkeiten eröffnen. Andererseits hat der Autor von Anfang an eine Menge Details und Möglichkeiten im Ansatz angelegt und dann nicht weiterentwickelt. Und ich fürchte, meine Neugier darauf, wer Shand nun wirklich ist, reicht nicht aus, um mich weitere tausendsechshundert Seiten mit einer Geschichte herumzuschlagen, die sich hauptsächlich durch ununterbrochene Ortswechsel und die damit verbundenen Reiseschwierigkeiten auszeichnet.

_Ian Irvine_ ist Doktor für Meeresbiologie und hat einen Großteil des südpazifischen Raums bereist. Die Idee zu seinem Drei-Welten-Zyklus entstand bereits während des Studiums. Die damals entstandenen Karten und Skizzen dienten später als Basis für die Ausarbeitung, die inzwischen zwei Tetralogien umfasst und noch weiter ausgebaut werden soll. Abgesehen davon hat Ian Irvine den Öko-Thriller „Human Rite“ geschrieben sowie den Zyklus „Runcible Jones“. Die Übersetzung des dritten Bandes des Drei-Welten-Zyklus erscheint unter den Titeln „Dunkler Mond“ und „Der Fluch des Bettlers“ im April und Mai dieses Jahres.

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Williams, Tad – Drachenbeinthron, Der (Osten Ard: Das Geheimnis der großen Schwerter 1)

_Das Mondkalb und seine Abenteuer_

Simon ist Küchenjunge auf dem Hochhorst des Königs in Osten Ard. Er träumt lieber von großen Abenteuern und möchte eher im Hochhorst herumstreunen als wie alle anderen allerhand Dienste und Arbeiten zu verrichten. Weil Simon ein Tagträumer ist und ihm deshalb ständig Missgeschicke unterlaufen, wird er von allen nur Mondkalb genannt.

Durch einen glücklichen Zufall und sein gutes Verhältnis zu Doktor Morgenes wird er von diesem als Lehrling aufgenommen, und Simons größter Wunsch scheint zum Greifen nah: Nun wird er endlich in die Geheimnisse der Magie eingeweiht werden. Doch der Unterricht bei Doktor Morgenes sieht letztendlich anders aus, als Simon es sich vorgestellt hat. Statt in der Kunst der Magie unterwiesen zu werden, muss er sich mit anstrengenden Dingen wie Lesen und Schreiben herumschlagen, was ihm überhaupt keinen Spaß macht.

Währenddessen stirbt der König Johan Presbyter und ernennt zuvor Elias, seinen ältesten Sohn, als seinen Nachfolger. Josua, dessen jüngerer Bruder, versucht, auf seinen großen Bruder Elias einzureden, da dieser neuerdings seinen Rat beim Priester Pryrates einholt und Josua ihm nicht über den Weg traut. Elias, der seinen Bruder sowieso hasst, beschuldigt Josua, ihm den Thron entreißen zu wollen, und kurz darauf verschwindet Josua ohne jede Spur …

Als Simon mal wieder auf Erkundungstour ist, findet er eine offene Falltür, und so neugierig, wie er nun einmal ist, steigt er durch sie in einen unteren Lagerraum. Dort entdeckt er ein Verlies, in dem Prinz Josua von Pryrates gefangen gehalten wird, wie er erschreckt feststellen muss. Schnell rennt er zu Doktor Morgenes, um ihm von seinem Fund zu berichten, und die beiden starten eine Rettungsaktion, die zwar gelingt, aber Pryrates und seinen Anhängern nicht verborgen bleibt. Doktor Morgenes zeigt Prinz Josua einen geheimen Gang, durch den er fliehen und nach Naglimund gelangen kann. Als die Anhänger von König Elias und Pryrates dann vor Dr. Morgenes‘ Tür stehen, verhilft dieser auch Simon zur Flucht und muss dabei sein Leben lassen.

Simon beschließt verzweifelt, Prinz Josua zu folgen und ebenfalls nach Naglimund zu reisen. Auf dem Weg dorthin wird er Zeuge eines grausamen Rituals, in dem ein verzaubertes Schwert erschaffen wird. Traumatisiert von diesem Spektakel, versucht er weiter, nach Naglimund zu gelangen, und erfährt nach und nach, in welch großer Gefahr ganz Osten Ard sich befindet …

Die Geschichte beginnt sehr gemächlich. Anfangs passiert nicht besonders viel, jedenfalls nichts Bedeutsames. Man erhält einen Einblick in Simons Leben auf dem Hochhorst und es wird uns lebhaft präsentiert, welch ein Tollpatsch er ist und dass er seinem Spitznamen ‚Mondkalb‘ daher alle Ehre macht. Dennoch wird die Lektüre zunächst noch nicht langweilig. Obwohl über eine lange Zeit eigentlich kaum etwas passiert, verfolgt man die vermeintlichen ‚Abenteuer‘ von Simon gespannt und lernt den Handlungsträger nach und nach besser kennen.

Ein jäher Wechsel von Simons friedlichem Leben auf dem Hochhorst in ein gefährliches Abenteuer ereignet sich dann, als das zweite Buch beginnt. Simon flieht allein vom Hochhorst und muss auf seiner Reise mit Tränen, Hunger und anderen Unbequemlichkeiten der Wildnis kämpfen, die ihn beinahe in den Wahnsinn und in den Tod treiben.

Während des Verlaufs der Geschichte kann man beinahe dabei zusehen, wie sich Simon verändert. Anfangs, auf dem Hochhorst, ist er ein Junge, der lieber vor sich hinträumt und einfach tollpatschig ist. Er entzieht sich sämtlicher Arbeiten und ist dann froh, als er bei Dr. Morgenes als Lehrling aufgenommen wird, weil er hofft, von ihm die Gesetze der Magie gelehrt zu bekommen. Trotzig, tollpatschig, verträumt, neugierig und faul – genau das ist Simon.

Doch dann, als er auf Reisen geht, durchläuft er eine erkennbare Veränderung. Er träumt nicht mehr so viel und wird zunehmend erwachsener und verantwortungsvoller. Die Wildnis und seine anfängliche Hilflosigkeit härten seinen Körper wie seinen Charakter ab. Die Entwicklung von Simon wird also wirklich sehr gut rübergebracht und zeugt von Tiefe und Wiedererkennungswert.

Doch Simon ist nicht der einzige Charakter in „Der Drachenbeinthron“, der gründlich ausgearbeitet wurde. Alle Personen, die eine größere Rolle spielen, haben ihre Eigenarten und eigenständige, einzigartige Wesenszüge. Vor allem die Gestaltung von Binabik dem Troll oder Josua hat mir wirklich ausnehmend gut gefallen. Solche starken Charaktere, zudem in solch großer Zahl, findet man nicht in jedem Fantasybuch. Man erfährt dadurch nicht nur die Gefühle oder Beweggründe Verbündeter oder jene der Feinde, sondern bekommt auch einen guten Überblick über die Handlungsentwicklung und innere Logik.

Tad Williams Schreibstil ist sehr emotional gehalten und passt sich der jeweiligen Stimmung ausgezeichnet an. Wenn er von Simons Träumereien schreibt, ist die Schreibweise entsprechend lyrisch, wenn er von Gefahren schreibt, ist der Stil sehr gehetzt. Das führt dazu, dass man einfach richtig gut in die Geschichte eintauchen kann. Zusätzlich arbeitet Williams mit zahlreichen atmosphärischen Metaphern.

Ein Nachteil, den das Buch leider bei allem Vorteilhaften auch aufzuweisen hat, sind seine Längen. Es ist mehr als 900 Seiten stark und zudem nur der Auftakt einer mehrbändigen Serie, und da kann man sich schon denken, dass die Abenteuer sich nicht gerade atemlos aneinander reihen. Ab der Mitte des Buches, wenn Simon schon lange Zeit auf der Reise nach Naglimund ist, stellt sich immer wieder Langeweile ein, weil es irgendwann einfach keine Freude mehr bereitet, wenn man ständig belanglose Gespräche oder lange Reisebeschreibungen lesen muss. Und nicht nur auf Simons Reise ist das der Fall – leider geschieht dergleichen ab der Mitte des Wälzers immer wieder. Zwischendurch passiert natürlich immer wieder etwas Interessantes oder Abenteuerliches, dann geschieht aber lange Zeit nichts Bedeutsames und der Leser muss sich mit langweiligen, belanglosen Gesprächen und unwichtigen Handlungseinsprengseln herumschlagen, was bei noch knapp 500 Seiten ziemlich ermüdend werden kann.

Ein weiterer Punkt, der nicht gerade zum ungestörten Lesefluss beiträgt, sind die vielen ungewohnten Namen, Bezeichnungen und Sprachen. An die Namen gewöhnt man sich irgendwann, doch oft werden Wörter oder ganze Sätze in einer anderen Sprache gesprochen. Zwar gibt es ein Glossar, das aber ziemlich unübersichtlich gestaltet ist, und außerdem ist es auch noch lästig und störend, wenn man alle paar Minuten nach hinten blättern und suchen muss, weil man etwas übersetzen oder nachschlagen will. Da das irgendwann wirklich stört, neigt man dazu, das Nachschlagen einfach sein zu lassen und einfach weiterzulesen. Zum Glück kann man sich oft denken, was bestimmte Wörter oder Sätze heißen könnten.

_Fazit:_ „Der Drachenbeinthron“ hinterlässt einen ambivalenten Gesamteindruck. Charakterentwurf und Schreibstil haben mir wirklich sehr gut gefallen, andererseits weist das Buch zahlreiche langatmige und für den Leser uninteressante Passagen auf, und das nervige Umblättern, um Informationen nachzuschlagen, stört doch sehr, vor allem, weil das Glossar alles andere als übersichtlich gestaltet ist.

_Robert Paul „Tad“ Williams_ wurde am 14. März 1957 in San José, Kalifornien, geboren. Seine Eltern waren nicht sehr reich, förderten ihren Sohn aber, so gut es ging. Tad entschied sich, nicht zur Schule zu gehen, um für sich selbst zu sorgen. Er nahm unterschiedliche Gelegenheitsjobs an, wie das Eintreiben von Schulden oder Arbeit auf dem Bau. In seiner Freizeit spielte er in einer kleinen Rockband namens |Idiot|. Tad moderierte eine Talkshow und war als Schauspieler tätig. Seine bekanntesten Werke sind die Zyklen von |Osten Ard|, |Shadowmarch| und |Otherland|.

|Die Saga von Osten Ard – Das Geheimnis der großen Schwerter:|

1. Band: Der Drachenbeinthron
2. Band: Der Abschiedsstein
3. Band: Die Nornenkönigin
4. Band: Der Engelsturm
[„Der brennende Mann“ 2734
[„Der brennende Mann“ 2341 (Hörbuch)

|Originaltitel: The Dragonbone Chair
Deutsch von Verena C. Harksen
948 Seiten mit farbigen Illustrationen, Lizensausgabe|
http://www.tadwilliams.de/

|Mehr von Tad Williams auf Buchwurm.info:|

Otherland: [„Fantasy als Flucht und Fluch – Der ultimative Logout“]http://www.buchwurm.info/artikel/anzeigen.php?id=20
[„Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten“ 603 (Hörspiel)
[„Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer“ 1208 (Hörspiel)
[„Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas“ 1739 (Hörspiel)
[„Otherland 4: Meer des silbernen Lichts“ 1988 (Hörspiel)
[„Otherland 5: Der glücklichste tote Junge der Welt“ 4196 (Hörbuch)
[„Shadowmarch: Die Grenze“ 2076
[„Der Blumenkrieg“ 539
[„Die Insel des Magiers“ 1541
[„Die Stimme der Finsternis“ 1400

|Anmerkung: Die gesamte Fantasy-Bibliothek mit 10 Bänden (satte 4’500 Seiten) gibt es bei [Weltbild]http://www.weltbild.de/artikel.php?PUBLICAID=2f4ad2e713cdc250fbcff5fd2a9aec39&artikelnummer=264802&mode=art für sparsame 29,50 €uro.

Bei Fischer sind die vier Bände der Saga Ende 2003 auch im [Sammelschuber]http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3596161509/powermetalde-21 erschienen.|

Link, Kelly – Elbenhandtasche, Die

Die Lobeshymnen im Klappentext zu Kelly Links Debüt „Die Elbenhandtasche“ sind geradezu überschwänglich. Jonathan Lethem erklärt die Autorin kurzerhand zur |“besten Kurzgeschichten-Autorin der Welt“| und auch Neil Gaiman lässt sich von der Euphorie um Kelly Links Fantasy-Kurzgeschichten anstecken: |“Kelly Link setzt ein Wort hinter das andere und erschafft damit wahre Magie – witzig, bewegend, zärtlich, unerschrocken, gefährlich.“| Grund genug, mal einen genaueren Blick in „Die Elbenhandtasche“ (schon der Titel klingt so schön herrlich skurril) zu werfen.

Das Buch enthält neun Kurzgeschichten, die sich allesamt der Urban Fantasy zuordnen lassen. Was auf den ersten Blick nach ganz normalen Protagonisten und einem ganz alltäglichen Handlungsablauf aussieht, entwickelt stets ganz ungeahnte fantastische Züge. So erzählt in der ersten Geschichte die junge Genevieve die Geschichte ihrer Großmutter, die eine eigenartige Handtasche besessen hat, die nun verschwunden ist. In dieser Handtasche ist schon so mancher Mensch verschwunden, um Jahrzehnte später keinen Tag älter wieder daraus aufzutauchen.

Nicht minder fantastisch ist „Hortlak“, die Geschichte eines 24-Stunden-Supermarktes am Rande einer Schlucht, in dem jede Nacht Zombies ein- und ausgehen. Faszinierend ist auch „Steintiere“, die Geschichte einer ganz normalen Familie, die in ein verwunschenes Haus einzieht und deren Alltag sich dadurch unmerklich und unheimlich zu verändern beginnt. Sehr schön liest sich auch „Die große Scheidung“, eine Geschichte, in der es vollkommen normal ist, dass Menschen Tote heiraten, was natürlich selten zu einer leichten Ehe führt.

Kelly Link beweist mit ihren Kurzgeschichten einen enormen Erfindungsreichtum. Sie versteht sich darauf, ihre Geschichten bis in den letzten Winkel lebensnah erscheinen zu lassen, mag der Plot sich auch noch so abstrus entwickeln. Mit einer bewundernswerten Leichtigkeit erzählt sie von den sonderbarsten Verwicklungen, und wenn man die merkwürdigen Handlungsverläufe mit eigenen Worten wiedergeben wollte, so könnte das nur reichlich unmöglich und verschroben klingen. Link schafft es aber, ihre Geschichten so selbstverständlich und normal erscheinen zu lassen, dass man staunt, wie verrückt sie dabei eigentlich sind.

Nicht selten kranken Kurzgeschichten daran, dass sie nicht ausreichend Tiefe entwickeln, den Leser nicht weit genug in ihren Bann ziehen können und dieser nach Ende der Geschichte seltsam unberührt zurückbleibt. Kelly Link hat damit in den meisten Fällen wenig Probleme. Sie scheint den Leser einzulullen, zieht ihn tief in ihre Geschichten hinein und spinnt ihn ein, in einen Kokon irrsinniger und fantastischer Ideen.

Die Art und Weise, wie sie beispielsweise in der Geschichte „Eingelullt“ die Erzählebenen ineinander verschachtelt, ist schon sehr raffiniert eingefädelt. Sie schafft es, sich auch dabei nicht zu verzetteln und den Leser auf halber Strecke zu verlieren. Man kann ihr auch auf den fantastischsten Pfaden meist noch sehr gut folgen, denn allen Geschichten liegt neben einem Hang zum Absurden und Fantastischen auch einer zum ganz Normalen und Alltäglichen zugrunde.

Dabei bewegt Kelly Link sich stets souverän durch die unterschiedlichen literarischen Gattungen. Mal geht es in Richtung Märchen oder Fabel, mal in Richtung Krimi, mal garniert sie ihre Geschichten mit einer Prise Horror, mal mit einem wunderbar ironischen Unterton. Kelly Link schafft einen gelungenen Genremix und präsentiert eine unterhaltsame Vielfalt an Kurzgeschichten, die allesamt vor allem eines gemeinsam haben: Sie sind viel zu schnell zu Ende. Man möchte ihre Protagonisten am liebsten noch länger begleiten, sehen, was aus ihnen wird und wie sie sich weiterentwickeln.

Lediglich die nur zehnseitige Geschichte „Die Kanone“ kann nicht so ganz überzeugen. Im Stil eines Interviews gehalten, hat sie zwar auch einen gelungenen Moment, wenn quasi eine Geschichte innerhalb der Geschichte erzählt wird, ansonsten bleibt sie hinter den übrigen Erzählungen aber um einiges zurück.

Unterm Strich bleibt aber ein durchaus positiver Eindruck zurück. Ich tue mich sonst oft etwas schwer mit Kurzgeschichten, aber Kelly Link hat es geschafft, das Eis meiner sonstigen Kurzgeschichtenzurückhaltung zu brechen. Sie beweist einen enormen Erfindungsreichtum, fährt herrlich absurde und fantastische Ideen auf und verbindet das Ganze zu einer Vielfalt an unterhaltsamen und farbenprächtigen Kurzgeschichten. Man taucht jedes Mal tief in die Geschichte ein und würde die meisten Protagonisten am Ende gerne noch weiter begleiten. Man darf nach diesem Debüt auf jeden Fall gespannt darauf sein, was Kelly Link in Zukunft noch abliefert. Wenn sie sich ihren Erfindungsreichtum bewahrt, dann steht uns gewiss noch so manche großartige Geschichte ins Haus.

http://www.heyne.de

Canavan, Trudi – Priester (Das Zeitalter der Fünf 1)

Auraya lebt bei ihrer Familie in einem kleinen Dorf in Nordithania, als sie einen Konflikt mit den kriegerischen Dunwegern gewaltfrei löst. Dadurch werden die fünf Weißen Götter auf das magisch begabte Mädchen aufmerksam und erwählen sie zu ihrer fünften Stellvertreterin.

Damit wird Auraya in den Bund der Weißen aufgenommen und unterrichtet. Lediglich die Trennung von ihrer Familie und dem Traumweber Leiard schmerzen sie. Die junge Frau lernt schnell und darf schon bald verantwortungsvolle Aufgaben übernehmen. Dazu gehört es, Bündnisse mit anderen Ländern zu schmieden und Kontakt zu den menschenscheuen Völkern des Wassers und der Lüfte aufzunehmen.

Während sie mit den fliegenden Siyee schon bald eine enge Freundschaft verbindet, bleiben die im Meer lebenden Wesen den „Landgehern“ gegenüber weiterhin skeptisch und feindselig. Die neuen Bündnisse der Weißen werden schon bald auf eine harte Probe gestellt, als sich die Schwarzen Magier aus dem Süden daranmachen, eine gewaltige Armee auf die Beine zu stellen, um Nordithania zu unterwerfen und den Bund der Weißen zu zerstören. Die Pentadrianer sind nämlich der Ansicht, den einzig wahren Göttern zu dienen, und schrecken auch nicht vor kaltblütigem Mord zurück, um ihre Ziele zu erreichen.

Dessen ungeachtet muss Auraya sich auch persönlichen Konflikten stellen, denn sie ist in heimlicher Liebe zu ihrem früheren Lehrer und Mentor, dem Traumweber Leiard entbrannt. Doch der Bund der Weißen verachtet die Traumweber wegen ihrer Gottlosigkeit und die Traumweber wiederum meiden die Weißen und ihre Zirkler, da sie diese für den Tod ihres Ordensgründers Mirar verantwortlich machen.

Und dann überrollen die Schatten des grauenhaften Krieges Aurayas inneren Zwist und sie muss erstmalig beweisen, was sie gelernt hat, und sich gegen einen übermächtigen Gegner behaupten …

_Meine Meinung:_

Trudi Canavans neue Fantasy-Trilogie beginnt bereits sehr episch, und geschickt versteht es die australische Autorin, das Interesse an der kleinen Welt Ithania zu wecken. Das kulturelle Leben und die Topographie wurden sehr liebevoll und detailliert entwickelt und dargestellt, so dass man mit den Charakteren schnell warm wird. Ein Übriges tut die flotte und schnörkellose Schreibe Canavans. Die ersten Seiten sind rasch gelesen und man ist immer wieder gespannt darauf, wie es weitergeht und welche neuen Aufgaben auf Auraya warten. Man hat zunächst wirklich nicht den Eindruck, dass die gut 800 Seiten zu viel sein könnten. Im Gegenteil, der Stoff dieses Epos ist so umfangreich angelegt, dass die nächsten beiden Teile ihre Existenzberechtigung unbedingt gerechtfertigt haben. Dabei setzt die Schriftstellerin keineswegs auf Action und Massenschlachten am laufenden Band. Vielmehr geht es um Interessenkonflikte, Diplomatie, Freundschaft und Religion. Selbstverständlich fehlen auch Liebe und Leidenschaft nicht, und insbesondere das Volk der Siyee wird von Canavan sehr intensiv beschrieben.

Hier liegt bedauerlicherweise auch der Knackpunkt des Buches, denn sowohl die Heldin Auraya als auch das kleine Volk der fliegenden Siyee werden von der Autorin so strahlend hell und harmonisch geschildert, dass sich nach einigen hundert Seiten die Langeweile einstellt. Auraya ist über jeden Verdacht erhaben, und selbst ihre verbotene Liebe zu Leiard wird schlussendlich gebilligt. Auraya ist für einen modernen Fantasy-Roman einfach zu glatt gebürstet. Sie ist der Liebling der Götter, der sogar mit der Gabe des Fliegens gesegnet wurde, und im Prinzip gelingt ihr alles ohne große Probleme und Anstrengung. Der groß angekündigte Krieg, auf den das Buch gut 400 Seiten lang hinarbeitet, wird relativ zügig und unspektakulär in einer einzigen Schlacht über die Bühne gebracht, und wer die klassische Helden-Fantasy kennt, weiß auch, wer maßgeblich daran beteiligt sein wird. Dabei mangelt es Canavan sicherlich nicht an interessanten und vielschichtigen Charakteren und Völkern. Allein die wilde Magierin Emerahl und der von den Erinnerungen des Traumweber-Gründers Mirar geplagte Leiard sind es bislang wert, in den kommenden Büchern ausführlicher behandelt zu werden. Die vielversprechenden Übergriffe der Schwarzen Magier mit den todbringenden Worns (riesige, schwarze, wolfsartige Raubtiere) werden später kaum weiterverfolgt und kommen erst wieder am Ende zur Sprache.

Abgerundet wird das Buch durch ein Glossar, in dem Pflanzen, Tiere, Fahrzeuge, Kleidung, Speisen, Getränke und Krankheiten kurz erläutert werden. Hinzu kommt eine Karte von Ithania, welche die Orientierung während des Lesens ungemein erleichtert. Die äußere Gestaltung des Bandes wirkt ebenfalls sehr edel und widerstandsfähig.

_Fazit:_

Trudi Canavan schuf mit dem |Zeitalter der Fünf| eine faszinierende und sehr vielschichtige Welt. Leider verliert die Protagonistin des Buches im Laufe der Handlung viel von ihrem Biss und ihrer Glaubhaftigkeit, dafür geraten einige andere interessante Charaktere und Szenerien ins Hintertreffen. Das Buch strebt unaufhaltsam einem bombastischen Finale entgegen, welches dann schließlich viel zu schnell und unspektakulär daherkommt. 100 bis 200 Seiten weniger wären der Dramaturgie sicherlich zuträglicher gewesen. Was in diesem Einstiegsband bleibt, ist eine gute Fantasy-Geschichte, die zu lesen trotz der erwähnten Mängel Freude bereitet.

|Originaltitel: Priestess of the White (Age of the Five 1)
Originalverlag: Orbit / [Blanvalet]http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/344224479X/powermetalde-21
Aus dem Englischen von Michaela Link
Ab 12 Jahren
Taschenbuch, 832 Seiten, 12,5 x 18,3 cm|
[Verlagsspezial zur Trilogie]http://www.randomhouse.de/specialskids/zeitalter/
http://www.trudicanavan.com
http://www.cbj-verlag.de

_Trudi Canavan auf |Buchwurm.info|:_

[„Priester“ 4275 (Das Zeitalter der Fünf 1)
[„Magier“ 4456 ((Das Zeitalter der Fünf 2)
[„Götter“ 4621 (Das Zeitalter der Fünf 3)
[„Die Rebellin“ 3041 (Die Gilde der Schwarzen Magier 1)
[„Die Novizin“ 2989 (Die Gilde der Schwarzen Magier 2)
[„Die Meisterin“ 3065 (Die Gilde der Schwarzen Magier 3)

_Florian Hilleberg_

Trugenberger, Luca – Angriff der Schatten, Der (Die Wege des Drachen 3)

Band 1: [„Der magische Dorn“ 3227
Band 2: [„Das Siegel des Schicksals“ 3848

Damlo steckt immer noch mittendrin in der Bemühung, die Intrige des Fürsten Norzak von Suruwo zu vereiteln. Aber ehe er die Sache zu Ende bringen kann, wird er verraten und an den Fürsten ausgeliefert. Der will zunächst nur mit mehr oder weniger Gewalt herausfinden, wo Damlo den Wagen mit der wertvollen Fracht versteckt hat, entdeckt bei dieser Gelegenheit aber auch die seltsame Doppelnatur Damlos und beschließt augenblicklich, sich diese zunutze zu machen. Er umgarnt Damlo, um ihn für sich zu gewinnen, und verspricht, ihm zu zeigen, wie er den Drachen in seinem Inneren bändigen kann. Eine ungeheure Verlockung für Damlo …!

_Die Personen_, die in diesem Band des Zyklus |Die Wege des Drachen| neu eingeführt werden, bleiben allesamt Nebenfiguren. Zumindest, wenn die Aussage des Verlages stimmt, dass der Zyklus mit dem dritten Teil abgeschlossen sei.

Eine der beiden Personen ist Stukos, ein ehemaliger Legionär und Karawanenführer. Ein eiserner, aber freundlicher Mann, dessen Weitsicht und Klugheit Damlo im entscheidenden Augenblick das Leben rettet.

Die andere ist Ailaram, der Magiarch des weißen Turms, der erstmals auftaucht. Ein würdiger alter Mann mit weißem Haar und Bart, körperlich nicht mehr allzu kräftig, aber geistig stark. Sozusagen das Abbild des Zauberers schlechthin.

Das klingt ein wenig mager, aber beide Figuren nehmen nicht genügend Raum ein, um ein persönliches Profil für sie herauszuarbeiten. Die übrigen bekannten Personen aber, soweit sie vorkamen, haben sich ihr Eigenleben und ihre Ecken und Kanten durchaus erhalten.

_Die Handlung_ wird vor allem von dem Duell zwischen Damlo und Norzak bestimmt. Das ist gar nicht schlecht gemacht. Die angedeutete Trauer Norzaks über den Tod seines Sohnes verleiht ihm jenen letzten Rest von Menschlichkeit, der Damlo die Entscheidung darüber, ob er Norzaks Angebot annehmen soll oder nicht, so schrecklich schwer macht. Dabei mag Norzaks Überredungskunst einem Erwachsenen durchaus lächerlich und leicht durchschaubar erscheinen. Für einen Jugendlicher wie Damlo ist sie weniger offensichtlich, zumal Norzaks Worte keine einzige Lüge enthalten. Die Szene ist fast schon ein Lehrstück darüber, wie man die Gedanken eines Menschen lenkt, ohne wirklich etwas zu sagen.

Auch der Showdown im Gebirge war sehr gut gemacht, obwohl die Identität des Ersten Dieners nicht wirklich eine Überraschung war. Es wurde im Gegenteil nur allzu deutlich darauf hingewiesen, doch die Person war so nebensächlich, dass sie neben all den wichtigen Personen wie Norzak, Ticla und Baldrin einfach unterging. Der zeitliche Abstand, mit dem die Bücher erschienen, tat ein Übriges. Dafür blieb auf diese Weise die Spannung ein wenig länger erhalten. Und Spannung gab es diesmal eine Menge. Nicht nur das geistige Duell zwischen Damlo und Norzak war interessant gemacht, auch die Hetzjagd durchs Gebirge, bei der Damlo in immer größere Bedrängnis gerät, ließ den Spannungsbogen kontinuierlich steigen.

Schade nur, dass es bis dahin so lange gedauert hat. Ich gebe ja zu, dass meiner Erinnerungen an das genaue Ende des zweiten Bandes ein klein wenig Auffrischung gutgetan hat. Die Auffrischung erfolgte leider auch diesmal dadurch, dass zu Beginn des Buches Erinnerungen aus beiden Vorgängerbänden in die Handlung eingeflochten wurden. Wie schon bei Band zwei hat das auch hier zu einem seltsam umständlichen Handlungsverlauf geführt, der erst nach hundert Seiten überstanden war.

_Ich frage mich allerdings ernsthaft_, ob das wirklich dem Autor zuzuschreiben ist. Denn die Stellen, an denen die einzelnen Bände abbrachen, waren wieder einmal absolut ungeeignet für eine solche Unterbrechung, vor allem zwischen den Bänden zwei und drei, wo die Handlung einfach mittendrin abreißt. Und mir drängt sich der Verdacht auf, dass diese Trennung wieder einmal auf die Kappe des Verlages geht! Das würde auch erklären, warum der Klappentext diesen dritten Band als „abenteuerliches Finale“ bezeichnet, obwohl die Geschichte ganz offensichtlich noch nicht zu Ende ist. Sie kann gar nicht zu Ende sein, denn bisher wurde lediglich der Erste Diener enttarnt. Enttarnt, nicht besiegt. Von einem echten Sieg über den Schatten sind Damlo und seine Freunde noch weit entfernt.

Im Italienischen, aus dem das Original stammt, gibt es nur „Il Risveglio dell’Ombra“ (Das Erwachen der Schatten). Die weiteren Romane Luca Trugenbergers, „Il Predatore di Magia“ (Der Zauberdieb) und „Il Ruggito dell’Ombra“ (Das Heulen der Schatten), erzählen von Ereignissen, die nach dem „Angriff der Schatten“ stattfinden. Mit anderen Worten: Es spricht alles dafür, dass |Die Wege des Drachen| ursprünglich kein dreiteiliger Zyklus, sondern ein Gesamtband war, und zwar der erste von dreien. Diese Zerteilung durch den Verlag war umso überflüssiger, als |Piper| bereits 2005 unter dem Titel „Damlo und der Weg zum Glück“ den Gesamtband als Hardcover veröffentlicht hat. Was in aller Welt verspricht der Verlag sich davon, wenn er seine Leser verärgert, indem er Bücher nur häppchenweise und im Abstand von mehreren Monaten veröffentlicht?

Um auf die vielen, den Erzählfluss störenden Erinnerungen am Anfang zurückzukommen: Ich kann mir nicht vorstellen, dass diese auch im Original enthalten sind, denn da wären sie schlicht überflüssig. Wo aber kommen sie dann auf einmal her? Vom Verlag? Wenn ja, wer kam auf die Idee, die Problematik auf diese Weise zu lösen? Eine kurze Zusammenfassung der vorhergehenden Bände als Einführung am Anfang, außerhalb der eigentlichen Erzählung, hätte denselben Zweck erfüllt, wäre wesentlich weniger Arbeit gewesen und hätte nicht die Lektüre der Geschichte gestört. Warum also hat der Verlag sich so viel Mühe gemacht? Ich glaube, ich will die Antwort gar nicht wissen.

Auch das Lektorat ließ sehr zu wünschen übrig. Zwei Verben im selben Satz, aber an unterschiedlichen Stellen, lassen darauf schließen, dass bei einer Änderung der ursprünglichen Formulierung etwas übersehen wurde, und das mehrmals. Auch fehlende Buchstaben und Zeitfehler sind mir begegnet. Irgendwie hat |Piper| sich bei dieser Veröffentlichung an den falschen Stellen angestrengt.

_Dabei ist die Geschichte_ um Damlo durchaus lesenswert. Sie mag sich mit ihren Orks, Trollen und Ellfen, ihrem Schatten und seinem Diener in ziemlich eingefahrenen Fantasy-Bahnen bewegen. Aber sie ist nicht ohne Spannung, die Charaktere sind lebendig und eigenständig, Damlo ist vor allem für Jugendliche eine gute Identifikationsfigur, und die Idee von der Mischung aus Mensch und Drache bietet noch eine Menge Möglichkeiten. Luca Trugenberger hat bestimmt nicht das Genre revolutioniert, trotzdem ist das Buch eine nette und unterhaltsame Lektüre. Ich würde allerdings jedem Interessenten empfehlen, sich die Hardcoverausgabe mit dem Titel „Damlo und der Weg zum Glück“ zu kaufen. Sie kann kaum schlechter als die drei Taschenbuchschnipsel sein.

_Luca Trugenberger_ lebt in Italien. Nach seinem Medizinstudium arbeitete er einige Zeit als Schauspieler, um dann doch wieder zur Medizin zurückzukehren. Heute ist er in Rom als Psychotherapeut tätig. „Il Risveglio dell’Ombra“ ist sein erster Roman und der einzige, der bisher auf Deutsch erschienen ist. Da aber für die beiden Folgeromane bereits deutsche Titel feststehen, dürfte auch deren Veröffentlichung bei uns nicht mehr allzu lange auf sich warten lassen.

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Swainston, Steph – Komet

_Rieseninsekten und Drogenexzesse_

Komet Jant Shira ist einer der 50 Eszai, die der Imperator von Vierlanden um sich schart. Eszai zu sein bedeutet, unsterblich zu sein und gleichzeitig eine besondere Gabe zu besitzen, die dem Imperator nützlich ist. Jant besitzt flugtaugliche Flügel und dient dem Imperator deshalb als Kurier.

Doch das war nicht immer so. Jant ist nämlich auf seine Vergangenheit, die Zeit, bevor er zum Eszai wurde, nicht besonders stolz. Damals war er Mitglied einer Straßenbande und wurde nicht nur bald zum Drogendealer, sondern selbst von einer Droge namens Kat abhängig. Durch eine Überdosis Kat geriet er eines Tages nach Andernort – eine Welt, die wirklich existiert, an deren Existenz aber außer ihm niemand glaubt.

Während Jant immer wieder Andernort besucht, befindet sich der Rest von Vierlanden mitten im Krieg. Die verschiedenen Länder werden regelmäßig von Rieseninsekten heimgesucht, die den Bewohnern von Vierlanden nicht nur immer mehr Lebensraum nehmen, sondern jedes Mal zahlreiche Tote hinterlassen. Gleichzeitig vermehren sich die Insekten rasend schnell, und bald schon kommt die Frage auf, woher die ganzen Insekten eigentlich kommen. Jant, der stetig noch mehr Kat zu sich nimmt, erkennt die Antwort auf diese Frage: Andernort ist der Ursprung der Insektenplage, und um gegen die Insekten ankämpfen zu können, muss er regelmäßig nach Andernort reisen – obwohl ihn die Droge nach und nach zu zerstören droht …

Die Geschichte von „Komet“ ist zweifelsohne abgefahren. Die Welt, in der die Geschichte spielt, die Kreaturen und teilweise auch die Handlung sind so abstrakt, dass man ohne langes Nachdenken von diesem Buch behaupten kann, dass es sich hierbei um etwas völlig Neues und Abstraktes handelt und Steph Swainston sicher nicht wesentlich von anderen Autoren abgekupfert hat. Sie erfindet in ihrem Buch nicht nur neue, verrückte Wesen, die nicht nur von ihrem Äußeren her seltsam sind, sondern auch von ihrem Verhalten. Sie erfindet für ihre Geschichte auch eine abgewandelte Moral und teilweise auch ungewöhnliche Umgangsformen, die so selbstverständlich rübergebracht werden, dass das Geschehen durchaus sehr real wirkt.

Was die Charaktere angeht, so bin ich ein wenig zwiegespalten. Die Art, wie Swainston ihre Charaktere zum Leben erweckt, ist ausgesprochen bewundernswert. Sie lässt ihre Charaktere nicht nur authentisch wirken, sondern verleiht jedem auch eine einmalige Persönlichkeit, die jeweils einen hohen Wiedererkennungswert besitzt. So weit, so gut. Mir fiel es allerdings dennoch sehr schwer, mich in irgendeine Person in dem Buch hineinzuversetzen, geschweige denn, sie irgendwie sympathisch zu finden. Jant, der Hauptcharakter, war die einzige Figur im Buch, mit der ich einigermaßen etwas anfangen konnte. Doch selbst Jant ist als Charakter lediglich interessant und ein wenig sympathischer als die restlichen Charaktere, aber auch keine Identifikationsfigur.

Das, was der wesentliche Stein des Anstoßes ist, ist die Handlung. An sich weiß die Idee der Handlung eigentlich zu gefallen und auch einige Passagen im Buch wecken durchaus das Interesse. Jedoch reduziert sich der Großteil der Handlung auf Kriegsgeschehnisse, ob nun zwischen den Insekten und den Menschen oder zwischen zwei der Unsterblichen. Fast das ganze Buch handelt vom Krieg und irgendwelchen Gesprächen über Strategien oder politische Probleme von Vierlanden. Da mich weder Krieg |en masse| in Büchern begeistert noch irgendwelche politischen Probleme, hat mich der größte Teil der Geschichte eigentlich hauptsächlich gelangweilt.

Das ist aber nicht das Einzige, was mich an der Handlung gestört hat. Teilweise war sie für mich einfach nicht nachvollziehbar und ich habe mehrfach den roten Faden verloren. Ich konnte einfach nicht immer die Handlungsweisen und Reaktionen nachvollziehen. Mitten im Buch habe ich mich irgendwann fragen müssen, worauf diese Geschichte überhaupt hinaus will. Man weiß zwar, dass es um den Kampf gegen die Insekten geht, aber irgendwann hat es den Anschein, dass die Handlung, die erzählt wird, weder wichtig für die Geschichte ist, noch irgendetwas mit dem eigentlichen Problem, den Insekten, zu tun hat.

Ab und zu erzählt Jant etwas von seiner Vergangenheit, damit man einige Handlungsstränge und Beziehungen zwischen ihm und anderen Personen besser versteht. Das, was Jant zu erzählen hat, fand ich stets interessant – mehr als die Geschichte, die in dem Buch im Hier und Jetzt spielt. Allerdings fiel mir oft schwer, die Vergangenheit von der Gegenwart zu unterscheiden. Der Schreibstil ist anfangs verwirrend und erfordert Konzentration. Swainston gibt ihren Charakteren beispielsweise gleich mehrere Namen, sodass man anfangs nicht weiß, wer oder was gemeint ist. Ein gutes Beispiel dafür ist Jant. Er wird mal Jant gerufen, dann wieder Komet und ganz selten wird er auch einfach Shira genannt. Sobald man die anfänglichen Schwierigkeiten mit dem Schreibstil überwunden und sich daran gewöhnt hat, weiß dieser allerdings mit seiner gelegentlich sehr direkten Art gut zu gefallen.

_Fazit:_ Die Idee für solch eine Geschichte finde ich innovativ und interessant, aber die Umsetzung war dann nicht wirklich das, was ich mir erwartet hatte. Durch den Krieg, die Politik und die strategische Handlung wird der Rest der Geschichte eher überschattet und verdrängt, was dem Unterhaltungsfaktor deutlich abträglich ist.

_Die Autorin_ Steph Swainston wurde 1974 in Bradford geboren. Sie studierte Archäologie in Cambridge. Dadurch war sie auch mehrere Jahre an Ausgrabungen der ältesten Begräbnisstätten Großbritanniens beteiligt. Heute arbeitet sie jedoch als Informatikerin und lebt in Reading, England. Der Folgeroman zu „Komet“ heißt „Die geschenkte Zeit“ und erschien im Mai 2007 bei |Blanvalet|.

|Originaltitel: The Year of Our War
Originalverlag: Gollancz, London 2004
Aus dem Englischen von Alfons Winkelmann
Taschenbuch, 480 Seiten|
http://www.blanvalet-verlag.de

Effinger, George Alec – Ende der Schwere, Das (Marîd-Trilogie 1)

_Spannender SF-Detektivroman_

Marîd Audran ist Privatdetektiv im Bordellbezirk einer nordafrikanischen Stadt des 21. Jahrhunderts. Durch Chips können die Liebesdienerinnen ihre Persönlichkeit verändern, je nachdem, wie’s dem Kunden beliebt. Das entsprechende Modul wird in die Schädelbuchse gesteckt, und schon werden Charakterzüge direkt ins Gehirn programmiert. Die Illusion ist perfekt.

Aber die Sache hat auch einen Haken. Jack the Ripper und andere „Künstler“ sind wieder auferstanden. Als eine gute Freundin Marîds ermordet wird, kommt er in seiner Ermittlung nur weiter, wenn er sich sein Hirn aufmotzen lässt. Das bringt ihn zwar weiter, hat aber ebenfalls einen Haken: Es fällt ihm immer schwerer, sich ein Bild von der eigenen Persönlichkeit zu machen, die ihm zunehmend entgleitet. Fremde Erinnerungen durchstreifen seinen Geist, ein Gefühl der Besessenheit beginnt ihn zu bedrücken …

_Der Autor_

Seit der 1947 geborene und 2002 gestorbene Amerikaner George Alec Effinger 1972 mit „What Entropy means to me“ seinen ersten Science-Fiction-Roman vorstellte, ist er immer wieder aufgrund seines ironischen Witzes, seines Sinns für die Absurdität des Universums, des Blicks für Details und wegen seiner Stilparodien mit Autoren wie Borges, John Barth und Thomas Pynchon verglichen worden. Das düstere „Die Wölfe der Erinnerung“ (1981) weist die genannten Qualitäten auf, kann seinen Autor aber noch nicht auf das Niveau jener erlauchten Autoren heben.

Effinger wurde lange unterschätzt – oder strengte sich nicht an -, und erst mit der Marîd-Audran-Trilogie bekam er den verdienten Ruhm. Hiermit schloss er sich der Cyberpunk-Bewegung an und schickte seinen Jedermann-Helden Marîd im Nahen Osten des 21. Jahrhunderts durch zahlreiche Abenteuer: ein Lowlife-James-Bond, der mit futuristischer Technik aufgerüstet ist.

Die Marîd-Trilogie:

1) Das Ende der Schwere (1987, dt. bei Heyne 11/1991)
2) Ein Feuer in der Sonne (1989, dt. bei Heyne 12/1991)
3) Der Kuß des Exils (1991, dt. bei Heyne 02/1994)

_Handlung_

Der etwa 30-jährige christliche Algerier Marîd Audran lebt als Privatdetektiv im Budayin, dem Rotlichtbezirk einer nordafrikanischen Stadt im 21. Jahrhundert. In den Strip-Klubs findet er seine Kumpel, seine diversen Freundinnen – und leider auch seine Feinde. Die Halbwertszeit eines Lebens ist hier stark reduziert. Seine derzeitige Freundin ist Yasmin, eine Obenohnetänzerin, aber auch mit Tamiko und Nikki hat er schon nähere Bekanntschaft geschlossen. Marîd ist ein wenig exotisch und wirkt arrogant, weil er sich standhaft weigert, ein Software-Add-on für die Persönlichkeitsmodifikation zu benutzen. Er hat nicht mal eine Schädelbuchse dafür und zieht stattdessen Tabletten vor. Yasmin kennt solche Skrupel nicht, und deshalb ist sie die populärste Tänzerin bei Frenchy’s.

|Die Mordserie|

Dass die Moddys und Daddys – die Persönlichkeitsmodule und Software-Add-ons – auch Gefahren bergen, zeigt sich, als ein neuer Kunde Marîds vor seinen Augen von einer James-Bond-Kopie umgenietet wird. Wie taktlos. Leider bleibt es nicht bei diesem Mordopfer. Auch Tamiko und eine ihrer Freundinnen, die sich als Killeramazonen auftakeln, erleiden einen vorzeitigen Exitus. Und ihre und Marîds Freundin Nikki verschwindet spurlos. Schleunigst begleicht Marîds Nikkis Schulden bei Hassan und Abdullah, doch auch dies bewahrt ihn nicht vor einem bösen Verdacht, als Abdullah ebenfalls die Kehle aufgeschlitzt wird.

Diesen Verdacht hegt jedoch nicht die Polizei unter Kommissar Okking, mit dem Marîd schon öfters zu tun hatte, sondern der Obermacker des Rotlichtviertels, Friedlander Bei. Marîd bekommt eine „Privataudienz“ mit der Option auf sofortige Exekution durch die zwei Gorillas dieses Paten. Doch er kann ein hieb- und stichfestes Alibi für Abdullahs Tod vorweisen und springt dem Tod noch einmal von der Schippe. Er erfährt, dass alle Ermordeten in Diensten Friedlander Beis standen, sei es als Kunden oder als Auftragskiller wie Tamiko. Offensichtlich will jemand die Geschäfte des Beis erheblich stören, und das kann dieser nicht zulassen.

|Ein neuer Chef|

Und an dieser Stelle kommt nun Marîd ins Spiel. Er sei der Einzige, so der Bei, der es schaffen könnte, schlauer als die Polizei und schneller als der Killer zu sein. Der Bei bittet Marîd daher, für ihn den Schuldigen zu finden. Und wenn er bittet, dann hat Marîd das als Befehl aufzufassen. Die Bezahlung ist fürstlich, doch die Sache hat einen Haken: Marîd muss sich aufrüsten lassen. Das schmeckt ihm überhaupt nicht, aber was bleibt ihm anderes übrig? Umsonst ist nur der Tod, und der kostet das Leben. Die eigenen Ärzte des Beis sollen die OP vornehmen. Na schön, willigt Marîd ein, froh, mit dem Leben davongekommen zu sein. Auch seine Freundin Yasmin überredet ihn, sich „verdrahten“ zu lassen.

|Verdrahtet|

Drei Wochen später – es ist Ramadan – erwacht Marîd mit einem Brummschädel und merkt, dass er im Bett eines recht angenehm aussehenden Krankenhausbettes liegt. Es unterscheidet sich von den Armenzimmern, die er nach einer Blinddarm-OP kennenlernte. Offenbar hat sein neuer Mäzen dafür gesorgt. Der Arzt, Herr Yeniknani, ist sehr besorgt um das Wohl und Wehe von Marîd und erklärt ihm die neuen Implantate. Marîd kann jetzt nicht nur Persönlichkeitsmodule und Software-Add-ons hochladen, um jemand anderes zu sein und zusätzliches Wissen zu erlangen. Nein, er kann noch viel mehr, weil Dr. Lîsani ihm winzige Drähte in tiefe Regionen seine Hirns eingeführt hat, damit Marîd Gefühle wie Hunger, Durst, Schlaf und sexuelle Erregung direkt kontrollieren kann. Allerdings kann er sich nicht selbst einen Orgasmus verschaffen, denn das wäre kontraproduktiv gewesen. Marîd ist beeindruckt.

Sobald er wieder entlassen worden ist, hört er, dass dieser James-Bond-Verschnitt verschwunden ist und dass seine eigene Freundin Nikki tot aufgefunden wurde – in einem Müllsack. Bei ihr findet er ein selbstgebasteltes Moddy, einen Ring und einen Skarabäus, möglicherweise Hinweise auf Herrn Leipolt, einen deutschen Kaufmann, mit dem Nikki zu tun hatte. Als er das Moddy von einer Moddy-Ladenbesitzerin testen lässt, verwandelt sich diese daraufhin in eine reißende Bestie. Marîd ist erschüttert. Aber dieses satanische Moddy kann nicht den oder die Mörder gesteuert haben, denn dafür sind die Morde zu sorgfältig durchgeführt worden. Als er Tamikos Freundin Selima, die dritte ihres Killertrios, hingeschlachtet vorfindet, warnt ihn eine mit Blut geschriebene Botschaft, dass er der nächste sei.

|Nero Wolfe|

Was jetzt? Er beruhigt erstmal Friedlander Bei und legt sich die Persona eines berühmten Detektivs zu: Nero Wolfe. Aber Wolfe blieb stets zu Hause und ließ die Fußarbeit von seinem Assistenten Archie White erledigen. Leider weigert sich Marîds Freund Saied, diesen Job zu übernehmen. Der Grund: Archie ist eine Milch trinkende Memme! Das mit dem Nero-Wolfe-Moddy wird also nichts.

Aber wenigstens hat durch dieses Experiment Marîd eine Idee, dass mit Kommissar Okking etwas nicht stimmen kann. Er begibt sich in dessen Büro, führt den neuen Einfluss an, den Friedlander Bei auf ihn und Okking ausübt, und bittet eindringlich um Aufklärung. Falls nicht, könnte sich Papa Friedlander gezwungen sehen, mit Onkel Okking Schlitten zu fahren, auf fatale Weise.

Als Okking ihm daraufhin endlich reinen Wein einschenkt, erkennt Marîd erstmals die politisch motivierten Hintergründe der mysteriösen Taten. Sie erklären aber nur die blutigen Auftritte eines der beiden Mörder, die die Gegend unsicher machen. Doch weder Okking noch Friedlander Bei glauben an die Existenz eines zweiten Killers. Deshalb freuen sie sich nach Marîds Ansicht auch zu früh, als er den Killer trifft und die Oberhand behält. Marîd soll Recht behalten …

_Mein Eindruck_

Auf den ersten Blick entspricht der Roman dem typischen Klischee für einen Cyberpunk-Roman: moderne Technik steht im krassen Gegensatz zu dem illegalen oder zwielichtigen Milieu, in dem es eingesetzt wird. In der Regel ist der Grund für solchen Technikeinsatz aber der, dass im Untergrund und auf dem schwarzen Markt die moderne Technik – hier Persönlichkeitsmodule – erst voll ausgereizt werden. Das ist bis heute so, wenn man sich zum Beispiel Gadgets, Hacker, Designer-Drogen und das Internet ansieht.

Was den Roman über das Niveau der meisten Cyberpunkromane, die zwischen 1983 und 1995 erschienen (also bis zum Start der „Shadowrun“-Serie, als die Klischees endgültig in Serie gingen), hinausgeht, ist die Hauptfigur. Marîd Audran ist kein jugendliches Greenhorn mehr und hat bereits einige Lebensphasen hinter sich. Er lebt außerhalb der bürgerlichen Lebensgrenzen auf einem Areal, das zwar auf dem Friedhof liegt, aber als Rotlichtbezierk und Vergnügungsviertel genutzt wird. Touristen und Seeleute toben sich hier aus, und, wie Audran erfährt, auch zunehmend Politflüchtlinge aus Europa.

Audran hat einen Horizont, den er ständig erweitert, und ein Händchen für Damen und Freunde. Beide sind ihm gleichermaßen treu, denn er weiß, dass er ohne sie nicht in diesem Milieu überleben kann. Er hat sich wie ein Chamäleon der Umgebung angepasst. Obwohl er, wie Friedlander Bei feststellt, Christ ist, befleißigt er sich doch bei jeder sich bietenden Gelegenheit der arabischen Höflichkeits-Floskeln, zitiert den Koran, ruft Allah an und weiß mit arabischen Geschäftsleuten umzugehen, selbst wenn es sich um die größten Halunken handelt. Kurzum: Er ist ein Überlebenskünstler, noch dazu einer mit einem Gewissen und einem (gut versteckten) Herz aus Gold. Sonst würde er nicht nach verschwundenen Freundinnen fahnden.

Das macht ihn aber noch nicht zu einem guten Detektiv. So brüstet er sich zwar mit seiner Fähigkeit, jeden geschlechtsumgewandelten Mann, der nun als Stripperin auftritt, erkennen zu können, doch als er selbst einer hübschen langbeinigen Blondine in der Villa eines Deutschen begegnet, nimmt er sie dummerweise für bare Münze und schläft mit der Hübschen. Am nächsten Morgen klärt ihn „ihre“ Abschiednotiz über seinen Irrtum auf: „Sie“ heißt Günther Erich von S. Marîd stöhnt, weil ihm übel wird. Schließlich war er bis jetzt strikt hetero. Und seine Menschenkenntnis hat offenbar schwer nachgelassen. Was, wenn dies auch bei Nikki der Fall wäre?

Die Austauschbarkeit von Körpern und Persönlichkeiten ist mittlerweile völlig geläufiges Standardmotiv in der Science-Fiction. Dazu muss man sich nur mal Richard Morgans fulminanten SF-Detektivroman [„Das Unsterblichkeitsprogramm“ 464 ansehen. Diese Motive waren aber anno 1987, also drei Jahre nach der Veröffentlichung von Gibsons epochalem „Neuromancer“ noch an der vordersten Front der SF-Ideen.

Das steht leider im krassen Gegensatz zu der politischen Landschaft des 21. Jahrhunderts, die der Autor entwirft. Das ist Revisionismus in Reinkultur. Das Sowjetreich ist zwar, wie schon vorauszusehen war und wie es 1989 eintrat, in Russland, Weißrussland, die Ukraine usw. zerfallen, doch diese entwickelten sich nicht zu oligarchischen Demokratien wie heute, sondern zu feudalistischen Monarchien. Das ist also ein Rückfall ins 19. Jahrhundert. Vielleicht lässt es sich damit erklären, dass ja das sozialistische Modell abgewirtschaftet und abgedankt hatte und das demokratische Modell noch nicht genügend Boden gut gemacht hat.

Viel schlimmer, aber ins Bild passend erscheint deshalb der Rückfall Deutschlands in ein neofaschistisches Viertes Reich. Die Nazis pfuschen in den russischen Fürstentümern an der Thronfolge herum, und das betrifft natürlich auch politische Flüchtlinge wie Bogatyrev, die im Budayin Zuflucht gesucht haben. Ich habe mich schnell an den erstens Indiana-Jones-Film erinnert gefühlt, der in den 1930-40er Jahren spielt. Das mag für einen amerikanischen Autor ganz lustig und abenteuerträchtig erscheinen, aber für einen deutschen Leser ist doch ein bitteres Gschmäckle dabei.

|Die Übersetzung|

Die Übersetzung wurde von Isabella Bruckmaier angefertigt, aber sie hatte möglicherweise Helfer. Denn manchmal ändert sich der an sich schon selbstironische Tonfall zu einem noch gröberen Straßenjargon, in dem es von Ausdrücken wie „Tussi“, „Titten“, „auf etwas stehen“ usw. nur so wimmelt. Man kommt sich vor wie im tiefsten Berlin-Wedding, einem Arbeiterviertel, oder in einem Studentenviertel. Also, mir hat das Lesen solchen rotzfrechen Jargons richtig Spaß gemacht. Aber leider hält die Übersetzerin die harte Tonart nicht ganz durch und wird wieder zahm.

Die Textform ist nicht gerade die beste. Es wimmelt von doppelten oder fehlenden Wörtern und Druckfehlern. Aufgrund ihrer hohen Zahl erscheint es mir nicht sinnvoll, sie alle einzeln aufzuzählen.

Ein Glossar, das die zahlreichen arabischen Ausdrücke und französischen Sätze erläutern würde, fehlt leider. So bleibt es dem Leser überlassen, sich bezüglich arabischer Speisen kundig zu machen. Sie werden nur hin und wieder erklärt.

_Unterm Strich_

In der zweiten Hälfte und erst recht nach Marîds Umwandlung wusste mich der Detektivroman wirklich zu fesseln. Da folgen einige gute Action- und Erotikszenen. Doch verscherzt sich Marîd alle Sympathien sowohl in seiner Nachbarschaft als auch mit dem Leser, als er das Teufels-Moddy einstöpselt und die Sau rauslässt. Wenigstens hat er einen Filmriss, so dass uns das Schlimmste erspart bleibt.

Diese Wendung des Autors, den sympathischen Hauptcharakter des Buches so herunterzumachen, ist aber in ihrer Absicht begrüßenswert. Schließlich soll kein Leser jetzt hingehen und es Marîd nachmachen, denn es wird uns ja vor Augen geführt, wohin das den „Helden“ geführt hat. Merke: Gewalt ist kein Weg, auch wenn es dabei gelingt, den zweiten Mörder zur Strecke zu bringen. Und Marîd ekelt sich dafür mit Recht vor sich selbst. Einer der großen Vorzüge des Romans ist die Nachvollziehbarkeit von Marîds Gedankengängen und Empfindungen. Dafür findet der Autor immer wieder überzeugende und dennoch humorvolle, ironische Bilder, die das Lesen zum Vergnügen machen.

Lowlife und Hightech – diese Mischung stellt auch gewisse Ansprüche an den Leser. Er muss seine moralischen Toleranzgrenzen austesten, wenn er sich mit Stripperinnen, Nutten, Drogendealern, Geschlechtsumgewandelten, Hirnverdrehern und übelsten Killern konfrontiert sieht. Doch meiner Ansicht nach bewegt sich der heutige Leser inzwischen auf dem gleichen Niveau wie die Mehrzahl von Egoshootern und Detektiv-Games, die es heute zu kaufen gibt. 20 Jahre nach Erscheinen von Effingers Roman ist sein zynisch-kritisch gemeinter Weltentwurf mittlerweile der Standard geworden.

Im Jahr 1987 war noch nicht abzusehen, welche Staatsformen sich die Nachfolgestaaten der dann 1989 zusammengebrochenen Sowjetunion geben würden. Daher erschien es dem Autor wohl legitim – zumal in einer Fiktion – anzunehmen, es gäbe eine Rückkehr zum Feudalismus und zu parlamentarischen Monarchien. Dass aber auch das Nazireich auferstehen würde, ist sowohl unwahrscheinlich als auch nicht hinnehmbar. Einen weiteren Punktabzug handelt sich das |Heyne|-Buch durch die vielen Druckfehler und das fehlende Glossar für die arabischen Ausdrücke ein.

|Originaltitel: When Gravity fails, 1987
367 Seiten
Aus dem US-Englischen von Isabella Bruckmaier|

David Anthony Durham – Macht und Verrat (Acacia 1)

Acacia

Band 1: „Macht und Verrat“

Seit Jahrhunderten lebt nahezu die gesamte bekannte Welt unter der Vorherrschaft des acacischen Reiches. Doch mindestens ebenso lange widersetzt sich das zähe und kriegerische Volk der Mein aus dem nördlichen Hochland Acacias Herrschaftsanspruch. Jetzt hat es einen Attentäter nach Acacia geschickt, der König Leodan töten soll, der Auftakt zu einem lange vorbereiteten Umsturzplan.

In Acacia ahnt niemand etwas davon. Als der König bei einem Bankett niedergestochen wird, fällt die acacische Herrscherschicht aus allen Wolken! Der Kanzler des Königs, Thaddeus Clegg, lässt rasch die vier Kinder des Königs in Sicherheit bringen, jedes an einen anderen Ort. Doch die Rettungsaktion läuft bei weitem nicht so, wie sie sollte …

Um es gleich vorweg zu sagen: Dieses Buch ist ein vielschichtiger und äußerst interessanter Roman. Das fängt schon bei den Charakteren an:

Leodan aus der Familie der Akaran ist ein freundlicher und gütiger Mann, aber ohne Durchsetzungsvermögen. Er leidet unter den dunklen Geheimnissen seines Reiches, hat jedoch nicht die Kraft, das System zu verändern. Dafür ist er ein liebevoller Vater, der sich für einen König erstaunlich viel mit seinen Kindern beschäftigt. Seit dem Tod seiner Frau sind sie sein Ein und Alles, und sein wichtigstes Ziel ist es, sie so lange wie möglich glücklich zu sehen. Er behütet sie vor wirklich allem, was nicht unbedingt zu ihrem Besten ist, immerhin sind zwei von ihnen schon fast erwachsen.

Aliver ist mit seinen sechzehn Jahren der Älteste und Thronfolger. Allerdings ist er ungewöhnlich schlecht auf diese Aufgabe vorbereitet. Trotz seines Alters ist er in keiner Weise in die aktuellen Regierungsgeschäfte eingebunden, und selbst der Geschichtsunterricht und die Ausbildung im Schwertkampf wirken irgendwie schwammig. Aliver scheint das selbst zu ahnen, denn er ist ziemlich unsicher, und, wie sich nach dem Attentat zeigt, einer echten Krise nicht gewachsen.

Die vierzehnjährige Corinn ist ein ziemlich oberflächliches Geschöpf. Sie mag Schmuck und schöne Kleider. Und sie legt viel Wert auf ihre Stellung, was einen der Gründe dafür darstellt, warum sie so mit dem Prinzen Igguldan von Aushenia liebäugelt. Politik an sich interessiert sie allerdings nicht, all die typischen kleinen Palastintrigen üben einen weit größeren Reiz auf sie aus. Das Attentat hebt auch ihre Welt aus den Angeln, aber mit weit weniger positivem Ergebnis.

Mena war schon mit zwölf erwachsener als ihre beiden großen Geschwister. Sie besitzt eine für ihr Alter ungewöhnlich ausgeprägte Menschenkenntnis, und obwohl ihr Vater natürlich auch von ihr alles Unangenehme fernhält, ist sie längst nicht so naiv wie Aliver oder Corinn. Sie besitzt einen selbstständigen Geist, der sich nicht mit den Erklärungen anderer abfindet, sondern nach der Wahrheit hinter den Fassaden sucht, und der letztlich dazu führt, dass Mena schließlich ihr Exil aus freien Stücken verlässt, um ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen.

Dariel ist mit neun der jüngste der vier, ein sonniger, stets fröhlicher Junge mit ausgeprägter Neugierde. Die Entdeckung alter unbenutzter Gänge innerhalb der heimatlichen Festung führt ihn bis in die Dienstbotenquartiere, wo er sich unter anderem mit dem ehemaligen Seeräuber Val anfreundet. Sein Glück, denn auch seine Flucht ging nicht ganz glatt vonstatten, und hätte Val ihn nicht zufällig unterwegs aufgegabelt …

Gegenspieler der Acacier scheint zunächst der Häuptling Hanish Mein zu sein. Wie alle Mein hasst er die Herrscherfamilie der Akaran zutiefst und will ihre Herrschaft vollständig vom Antlitz der Welt tilgen. Schon bald zeigt sich jedoch, dass mit seinem Schlag gegen die Akaran nicht die Herrschaft gewechselt hat, sondern lediglich der Herrscher. Hanish findet sich in derselben Falle wieder wie Leodan. Und er verheddert sich zunehmend in dem Widerspruch zwischen den Forderungen seiner Ahnen und seiner wachsenden Zuneigung zu Corinn.

Alle diese Figuren – vielleicht mit Ausnahme von Leodan – durchlaufen eine Entwicklung. Das gilt natürlich vor allem für die vier Kinder, die im Laufe der Erzählung erwachsen werden. Während bei den beiden Jungen eher der Unterschied zwischen Kind und jungem Mann im Vordergrund steht, kann man bei den beiden Mädchen tatsächlich die Entwicklung als solche mitverfolgen. Der Konflikt, in den Hanish hineinschlittert, ist nicht ganz so hautnah ausgefallen, doch immer noch sehr lebendig und glaubwürdig. Das erstreckt sich ebenso auf Nebenfiguren wie Theseus Clegg, Hanishs blutrünstigen Bruder Maeander oder Rialus Neptos. Angenehm ist auch, dass Aliver, obwohl er letztlich zur Heldenfigur wird, nicht ins Klischee abrutscht. Sehr gelungen!

Der eigentliche Feind bleibt auch hier vorerst noch gesichtslos, da sein Reich außerhalb der bekannten Welt liegt. Er ist derjenige, der durch alle Widrigkeiten hindurch immer Oberwasser hat. ‚Vertreten‘ wird er durch die Gilde, die trotz aller Wechselfälle ununterbrochen ihren Geschäften nachgeht und dabei reicher und reicher wird. Eine Vereinigung mit ungeheurer wirtschaftlicher Macht und uneingeschränktem Opportunismus, absolut untauglich als Verbündeter, und doch im Kampf um die politische Macht immer wieder umworben. Die Mitglieder der Gilde legen eine skrupellose Kaltschnäuzigkeit an den Tag, die Ihresgleichen sucht. Spätestens nach dem Angriff der Piraten auf die Plattform der Gilde im westlichen Meer wird deutlich, dass die Gilde der wahre Herrscher über die bekannte Welt ist. Wer allerdings die ungeheure Macht jenseits der Gilde ist, das bleibt vorerst eher vage und besitzt gerade genug Substanz, um eine ungeheure Bedrohung anzudeuten.

Diese Macht ist es auch, die das Land mit Nebel versorgt, einer Droge, die dem Menschen seine Willenskraft nimmt. Die Gründer des acacischen Reiches, Edifus und Tinhadin, nahmen diese Droge nur zu gern, um damit den Widerstand in den unterworfenen Gebieten zu lähmen. Seither bezahlt Acacia für regelmäßige Nebellieferungen ebenso regelmäßig mit einer bestimmten Anzahl Kinder, von denen keines weiß, was aus ihnen wird. Diese Vereinbarung, die Quote genannt, war nicht nur schändlich, sie war auch ausgesprochen dumm, denn für die Sicherung ihrer Herrschaft über die bekannte Welt haben die Akaran mit einer dauerhaften Schwächung ihres neu geschaffenen Reiches gegenüber der Anderen Welt bezahlt!

Auch der Entwurf der verschiedenen Völker und Kulturen hat mir gut gefallen.

Die Santoth fallen ein wenig aus dem Rahmen, denn sie sind eigentlich keine Kultur. Sie sind Zauberer, und ihre Magie beruht auf der Sprache des Schöpfers, der einst durch seinen Gesang die Welt erschuf. In Durhams Weltentwurf ist diese Magie eine zweischneidige Angelegenheit, denn sie wurde einem Gott gestohlen und kann von Menschen nicht wirklich beherrscht werden. Selbst bei den besten Absichten und größter Sorgfalt entwickelt ihr Gebrauch unangenehme Nebenwirkungen. Und nicht nur das: Die Sprache des Schöpfers besitzt eine unwiderstehliche Anziehungskraft. Die Anziehungskraft der Macht.

Die Mein, die ihren Angriff auf Acacia unter anderem mit der Grausamkeit der Quote begründeten, scheuen ihrerseits nicht davor zurück, Waffen aus Anderwelt gegen ihre Gegner einzusetzen, ob es sich dabei nun um Krankheiten oder wilde Tiere handelt. Weder gegen den Handel der Gilde noch gegen die übrigen Unmenschlichkeiten des alten Regimes wie die Zwangsarbeit in den Bergwerken ergreift Hanish irgendwelche Maßnahmen. Und dieselben Krieger, die so stolz waren auf ihre Härte und ihre Fähigkeit, im grausamen Klima des Hochlandes zu überleben, und für den Luxus und die Verweichlichung der Acacier stets nur Hohn und Spott übrig hatten, können es kaum erwarten, ihr karges Leben zugunsten eben dieses Luxus aufzugeben. Die Ehrenhaftigkeit der Mein, die man Hanishs Onkel Haleven noch abnimmt, wird immer fadenscheiniger. Und letzten Endes bleibt nicht viel mehr übrig als die Unterwerfung der lebenden Mein unter den Willen der Tunishni, der Seelen ihrer verstorbenen Ahnen, die ausschließlich nach Rache gieren.

Die Vumu dagegen scheinen ein äußerst friedliebendes Volk zu sein. Sie neigen dazu, das Leben zu genießen, was auf den fruchtbaren Inseln im östlichen Meer nicht allzu schwierig wäre. Allerdings haben sie eine höchst rachsüchtige Göttin in der Gestalt eines Seeadlers, die einst von einem besonders stattlichen Vumu zurückgewiesen wurde. Seither sind die Vumu ständig ängstlich damit beschäftigt, ihre Göttin milde zu stimmen, selbst wenn der Seeadler ihre kleinen Kinder raubt. Bis eines Tages Mena – die Akaran-Prinzessin mit der selbstständigen Denkweise – dagegen aufbegehrt, zum maßlosen Zorn der Priester! Und wieder bleibt am Ende nichts übrig als der Wunsch einiger Weniger nach Macht über ihre Mitmenschen.

Tatsächlich ist es so, dass nahezu jede Wendung, welche die Ereignisse nehmen, einen Schleier zur Seite zieht, und dahinter wird offenbar, worum es wirklich geht: Macht! Ob Hanish, die Gilde, die Priester der Vumu-Göttin oder Rialus Neptos – sie alle kennen kein einziges anderes Ziel, mit welchen Mäntelchen auch immer sie es verbrämen. Die Gewinner mögen ihre Helfershelfer danach schlecht behandeln, nur um dann von ihnen verraten zu werden, sie mögen sie belohnen, indem sie allen ihren Forderungen nachgeben, und trotzdem verraten werden. Ganz gleich, was sie tun, sie müssen nur zu bald erfahren, dass jeder, der nicht aus eigener Kraft die Oberhand gewonnen hat, sie nicht behalten kann! Kurz und gut: Kaum ein übersetztes Buch hat jemals einen so treffenden deutschen Titel getragen wie dieses.

Um es in wenigen Worten zusammenzufassen: David Anthony Durham hat ein vielschichtiges und scharfsichtiges Buch über Macht und Politik geschrieben, ausstaffiert mit sehr glaubwürdigen und stets menschlichen Charakteren und eingebettet in den eher schlichten, aber präzisen Entwurf einer interessanten Welt. Fantasy-Elemente wie die Magie der Santoth oder die Tunishni spielen eher Nebenrollen. Der Spannungsbogen ist dabei eher schwach gespannt.

Wer es also unbedingt üppig und ausgeschmückt haben möchte oder Wert auf rasante Aktionen oder nie dagewesene Spezialideen legt, wird hier nicht ganz auf seine Kosten kommen. Alle anderen aber erwartet unter einem dünnen Schleier des Fantastischen ein Blick in die realistischen Abgründe der menschlichen Herrsch- und Selbstsucht.

David Anthony Durham wurde 1969 in New York geboren, war aber viel in Europa unterwegs. Unter anderem hat er mehrere Jahre in Schottland verbracht. Neben seiner Tätigkeit als Schriftsteller hat er an verschiedenen Universitäten gelehrt. Zu seinen Werken gehören außer einigen Kurzgeschichten die Romane „Gabriel’s Story“ und „Walk through Darkness“ sowie der Historienroman „Pride of Karthage“ über den zweiten punischen Krieg, von denen bisher jedoch keines ins Deutsche übersetzt wurde. „Macht und Verrat“ ist sein erstes Fantasy-Buch und der vielversprechende Auftakt zur Trilogie Acacia.

Paperback, 796 Seiten
Originaltitel: Acacia 1: The War with the Mein
Aus dem Amerikanischen von Norbert Stöbe
ISBN-13 978-3442244942

http://www.davidanthonydurham.com/index.html
http://www.randomhouse.de/blanvalet/index.jsp

Der Autor vergibt: (5.0/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (No Ratings Yet)

Meyer, Stephenie – Bis(s) zur Mittagsstunde (Bella und Edward 2)

|Bella und Edward|:
Band 1: [„Bis(s) zum Morgengrauen“ 4600
Band 2: „Bis(s) zur Mittagsstunde“
Band 3: „Bis(s) zum Abendrot“

_Ein Leben ohne Edward?_

Obwohl Bella möchte, dass ihre Freunde ihren 18. Geburtstag ignorieren, findet am Abend eine Geburtstagsparty für sie bei den Cullens statt. Als sie dort eines ihrer Geschenke auspacken will und sich dabei – so ungeschickt, wie sie eben ist – am Papier schneidet, tritt genau das ein, wovor Edward sich immer gefürchtet hat: Jasper kann sich nicht beherrschen und greift Bella an. Edward kann das Schlimmste gerade noch verhindern und bringt Bella nach Hause.

Seit dem Vorfall verhält sich Edward seltsam. Sein strahlendes Lächeln, das Bella so liebt, ist verschwunden und er wirkt deprimiert. Bella stellt sich darauf ein, dass Edward sie bald fragen möchte, ob sie mit ihm fortziehen will – nur sie und Edward, damit er sie nicht mehr einer so großen Gefahr aussetzt. Als es zwischen den beiden jedoch zu einem Gespräch kommt, verläuft alles ganz anders. Edward verlässt sie, damit er sie nicht mehr in Gefahr bringen kann, mit dem Versprechen, es würde für sie bald so sein, als hätte es ihn nie gegeben. Er geht und lässt Bella völlig fassungslos und verzweifelt zurück.

Auch nach einigen Monaten findet sie keinen Trost. Ihre Freunde wenden sich von ihr ab und sie selbst fühlt sich einsam und leer. Doch obwohl Edward weggegangen ist, um sie in Sicherheit zu wiegen, lauert die nächste Gefahr bereits auf Bella: Als sie Laurent im Wald trifft, erzählt er ihr, dass Victoria Jagd auf sie macht. Edward hat damals Victorias Gefährten umgebracht, und jetzt möchte sie Rache. Doch das ist noch nicht alles: Eines Tages steht Alice vor der Tür und berichtet Bella, dass Edward in großer Gefahr schwebt …

Wie bereits im ersten Teil „Bis(s) zum Morgengrauen“, ist das Buch wieder komplett aus Bellas Sicht geschrieben, was immer noch hervorragend passt. Man kann sich gut mit Bella identifizieren und mit ihr fühlen. Dabei ist der Schreibstil perfekt ausbalanciert.

Jetzt stellt sich die Frage, ob „Bis(s) zum Morgengrauen“ überhaupt eine Fortsetzung gebraucht hätte. Gebraucht wohl eher nicht, aber unnötig ist sie keineswegs. Das Buch beginnt etwa dort, wo der letzte Teil aufhörte. Es ist Bellas 18. Geburtstag, weshalb sie so schon sehr frustriert ist, da sie nun – rein theoretisch – älter ist als Edward. Obwohl anfangs noch nicht davon die Rede war, dass Edward sie bald verlassen würde, merkt der Leser sofort, dass irgendetwas nicht zu stimmen scheint. Woran das genau liegt, lässt sich schwer sagen, doch für mich lag die böse Vorahnung wie eine Gewitterwolke über der Handlung. Es dauert auch nicht allzu lange, bis der Verdacht bestätigt wird, und dann steht Bella plötzlich eine lange Zeit der Einsamkeit bevor, in der sie nur dahinvegetiert und es einfach nicht mehr schafft, glücklich zu sein. Nur ihr Freund Jacob spendet ihr eine Zeit lang Trost.

Diesmal wird nicht nur die Legende der Vampire aufgegriffen und über den Haufen geworfen, sondern in diesem Teil stoßen auch noch Werwölfe dazu. Werwölfe – das sind Menschen, die sich in einer Vollmondnacht in einen Werwolf verwandeln und in diesem Zustand sogar ihren besten Freund töten würden? Ganz und gar nicht! Die Werwölfe in diesem Buch verwandeln sich nicht bei Vollmond, sie verwandeln sich, sobald ihre Wut außer Kontrolle gerät. Auch die Tatsache, dass Werwölfe nach der Verwandlung nicht mehr zwischen Freund und Feind unterscheiden können und wild um sich beißen, trifft in diesem Buch nicht zu. Wie man sieht, werden also auch die Werwölfe ein bisschen „verweichlicht“, was ich ein wenig schade fand.

Es weiß wohl jeder – spätestens nach „Underworld“ -, dass Vampire und Werwölfe schon immer verfeindet waren und sich das auch nie ändern wird. Doch hat sich schon mal jemand gefragt, |warum| Vampire und Werwölfe verfeindet sind? Ich habe mich das während der Lektüre immer wieder gefragt. Sobald sich Vampire und Werwölfe begegnen, hängt stets eine Feindseligkeit in der Luft, die greifbar ist. Leider wird aber nicht erklärt, warum das in Meyers Werk der Fall ist.

„Bis(s) zur Mittagstunde“ ist um einiges emotionaler als der erste Teil. Da der Leser von der Story um Bella und Edward richtig gefangen genommen wird, wird sich der ein oder andere an manchen Stellen sogar die Tränen zurückhalten müssen. An anderen Stellen wiederum ist das Buch so nervenzerreißend spannend, dass man es nur ungern weglegen möchte.

Was ich ein wenig schade finde, ist, dass Edward in dem größten Teil des Buches nicht vorkommt. Ganz am Anfang verabschiedet er sich von Bella und verschwindet für eine lange Zeit. Doch auch dadurch hat das Buch kaum an Reiz oder Spannung verloren. Bella unternimmt allerhand waghalsige und dumme Sachen mit ihrem Freund Jacob, weil sie das Gefühl hat, Edward dadurch wieder ein Stück näher zu sein.

_Fazit:_ Der zweite Band braucht sich vor seinem Vorgänger auf keinen Fall verstecken. Die Spannung und die Atmosphäre bleiben stets erhalten, die Geschichte ist spannend und interessant und der Schreibstil stimmig.

_Stephenie Meyer_ wurde im Jahr 1973 in Conneticut (USA) geboren und ist eine US-amerikanische Jugendbuchautorin. Ihre Kindheit verbrachte sie in Phoenix in Arizona und besuchte dort die Highschool Scotsdale. Ihr bekanntestes Werk ist „Bis(s) zum Morgengrauen“, das 2006 bei uns erschien. Der zweite Teil, „Bis(s) zur Mittagsstunde“, ist seit letztem Jahr ebenfalls in den Buchläden zu finden, Band drei, „Bis(s) zum Abendrot“, wurde im Februar veröffentlicht. Sie arbeitet momentan an einem vierten Teil der Reihe, und ein Ende ist zum Glück noch nicht geplant, dafür eine Verfilmung des ersten Teils.

http://www.bella-und-edward.de
http://www.carlsen.de

Niven, Larry / Cooper, Brenda – Harlekins Mond

Auf der Erde haben künstliche Intelligenzen die Macht übernommen und die Menschheit vernichtet. Nur drei Raumschiffe konnten entkommen. Mit je 2000 im Kälteschlaf befindlichen Kolonisten steuerten sie den fernen Planeten Ymir an, um hier eine neue Heimat zu finden. Doch die „John Glenn“ erlitt einen Maschinenschaden und blieb im Orbit einer einsamen Sonne zurück. Ihre Tanks sind leer, und der Antimaterie-Treibstoff kann nur mit gewaltigen Maschinen hergestellt werden.

Die könnten zwar im Weltraum mit Hilfe von Nano-Technik und der auch an Bord der „John Glenn“ vorhandenen, aber ‚domestizierten‘ KI entstehen, doch der Rat – 200 Männer und Frauen, die kollektiv die Geschicke des Raumschiffs und seiner Besatzung bestimmen – entscheidet, aus diversen Monden des Gasplaneten „Harlekin“ einen eigenen Planeten zu ‚bauen‘ und ihn zu terraformen, d. h. mit einer Atmosphäre, Vegetation und Tieren auszustatten, um schließlich einige Kolonisten aufzutauen, die „Selene“ – so wird der Kunstplanet genannt – besiedeln und die für die Betankung der „John Glenn“ erforderliche Industrie aufbauen.

Rachel Nanowen ist eines der „Mondkinder“ von Selene. Sie ahnt wie die meisten Kolonisten nicht, dass sie kaum mehr als eine Sklavin im Rahmen dieses großen Plans ist. Der Rat residiert buchstäblich im Himmel bzw. an Bord der „John Glenn“. Nur selten lassen sich seine Mitglieder auf Selene blicken. Die Mondkinder sollen nicht wissen, dass das Schiff die Reise zum Ymir fortsetzen wird, sobald die Tanks gefüllt sind. Für Selenes geburtenstarke Bevölkerung ist kein Platz auf der „John Glenn“; sie will der Rat zurücklassen, obwohl strahlenintensive Sonneneruptionen und schwere Beben den künstlichen Mondes heimsuchen.

Unbeabsichtigt wird Rachel zur Schlüsselfigur eines Konfliktes zwischen den Erdgeborenen und den Kolonisten, die allmählich die Wahrheit erkennen und aufbegehren. Die Hardliner des Rates wollen sich notfalls mit Waffengewalt durchsetzen, aber nicht alle an Bord der „John Glenn“ sind damit einverstanden. Ratsmitglied Gabriel verschafft Rachel heimlich Zugang zu Informationen, die ihr eigentlich vorenthalten werden sollen. Allmählich reift in Rachel ein Plan heran, der für beide Seiten eine gerechte Lösung bringen kann. Aber die Stimme der Vernunft dringt nicht zu allen durch, und so droht der Unfrieden in einen Bürgerkrieg auszuarten …

Falls sich jemand einmal die Frage gestellt haben sollte, ob auch Science-Fiction-Autoren in die Wechseljahre kommen, könnte sie nach der Lektüre von „Harlekins Mond“ positiv beantwortet werden. Nur so wird im Grunde erklärbar, wieso sich ein Profi wie Larry Niven, der seit vier Jahrzehnten im SF-Geschäft ist, auf ein Projekt wie „Harlekins Mond“ einlassen konnte. „Frisches Blut für den Altmeister“ – dies mag ein Motiv für ihn gewesen sein, der gern mit anderen Schriftstellern zusammenarbeitet. Wenn es gilt, eine Handlung mit Science zu unterfüttern, hat der erfahrene Niven festen Boden unter den Füßen. Wie man seine Bühne zwecks Pflege oder Erschließung nachwachsender Lesergenerationen glaubhaft mit jugendlichen Figuren bevölkert, scheint ihm, dessen 70. Geburtstag naht, Schwierigkeiten zu bereiten, weshalb er sich mit einer (freilich selbst den Teenyjahren lange entwachsenen) Neu-Autorin zusammentat.

Brenda Cooper spann mit ihm das Garn um eine junge Heldin wider Willen, die nicht nur diverse SF-typische Krisen wie Sonneneruptionen oder dräuende Antimaterie-Attacken meistern und eine blutige Revolution verhindern, sondern sich auch mit Liebeshändeln herumschlagen muss. Dies sollte bereits erste Alarmglocken schrillen lassen: „Harlekins Mond“ ist kein ‚echter‘ SF-Roman, sondern als „Coming-of-age“-Geschichte ein Schaf im Wolfpelz – ein Werk, das sich offensichtlich an ein Publikum richtet, das etwa so alt wie Rachel ist. Nun sind SF-Romane ‚für die Jugend‘ seit Jahrzehnten im Genre vertreten. Es gibt klassische und sogar gute Titel unter ihnen. Die Zukunft wird schließlich auch für unsere Kinder und Enkel kein Zuckerschlecken, und das Abenteuer des Erwachsenwerdens kann durchaus spannend in Szene gesetzt werden. Das geschieht freilich in „Harlekins Mond“ reichlich einfältig und öde.

Zwischen Form und Inhalt klafft ein deutlich erkennbarer Graben. Das SF-Gerüst hat Altmeister Niven sauber gedrechselt, das uralte Konzept vom Raumschiff der Generationen abgestaubt und im Wissen um den aktuellen Stand der Technik in die Zukunft extrapoliert. Das Terraformen Selenes gerät unter seiner Feder zu einer spielerisch wirkenden Nachahmung des evolutionären Schöpfungsaktes. Dies zu lesen, bereitet Vergnügen – ein altmodisches Vergnügen vielleicht, da doch aus Kritikersicht erst der Faktor Mensch aus einem unterhaltsamen Roman echte Literatur macht.

In diesem Punkt können Niven und Cooper freilich keine Meriten ernten. Dieser Rezensent ist weder jung noch weiblich; es kann also gut möglich sein, dass er Rachel vor allem deshalb für eine fade Nervensäge hält. Sie soll ja naiv sein, an das Gerechte im Menschen glauben und durch Erfahrungen reifen, aber muss sich das so belanglos gestalten?

Die Autoren arbeiten gegeneinander. Es ist vermutlich Cooper, die Rachel in die große, aufregende Welt blicken lässt. Die Mitglieder des Rates erscheinen ihr fremd und angsterregend: wie strenge Eltern, Lehrer oder andere Autoritätsgestalten. Niven übernimmt die Perspektive der ‚Erwachsenen‘. Er steht quasi über den Dingen und behält deshalb den Überblick. Die Erdgeborenen der „John Glenn“ schildert er als Profis, die quasi aus der Zeit gefallen sind und den Kontakt zu den ’normalen‘ Menschen – den Mondkindern – nie wirklich gesucht haben. Unter Nutzung ihrer überlegenen Technik nutzen sie Selene als Ressource, werden aber grundsätzlich von menschlichen und damit sehr selbstsüchtigen Motiven bewegt.

Die ‚doppelte‘ Sicht auf die Figuren könnte von Vorteil sein. Stattdessen dominiert die Vereinfachung: Der Konflikt zwischen den ‚Göttern‘ der „John Glenn“ und den Mondkindern spielt sich auf erschreckend niedrigem Niveau ab. Die von Niven so perfekt konstruierte Technik wird beherrscht von butzebösen Ausbeutern, unter denen Mo Liren als ‚Bad leader‘-Figur besonders lächerlich wirkt. Wie haben solche krampfhaft an ihrem von der Realität überholten Plan festhaltenden Weltfremdlinge den KIs des Sonnensystems entrinnen können? Wie schaffen sie es, die Selenisten so viele Jahre in ahnungsloser Abhängigkeit zu halten? Richtig: Weil diese sogar noch schlichter im Geiste sind. Auf Selene basteln – und das geht definitiv auf die „Futuristin“ Cooper (s. u.) zurück – grüne Landkommunarden an einer sauberen, besseren Welt. Das täten sie wohl auch, wenn sie nicht künstlich dumm gehalten würden.

In dieser konfusen und künstlich in Aufregung versetzten Welt wirkt die Liebe zwischen der 17-jährigen Rachel und dem 60.000-jährigen Gabriel womöglich gar nicht so grotesk, wie es dem Rezensenten scheint … Jungmädchen-Träume und -Ängste füllen ohnehin manche Seite des arg in die Breite gehenden Werkes. Bleischwer und bierernst schleppen sich die Ereignisse dahin, in Gang gesetzt von eindimensionalen Gestalten, deren Schicksale – im besten Fall – herzlich gleichgültig lassen. Wie sonst will man es deuten, dass heimlich ungesunde Freude aufkommt, als Rachels klettige Busenfreundin Ursula sich den Tumbschädel an einem Felsbrocken einschlägt?

Im Finale endet alles in friedseliger Einfalt. Die bösen Ratsmitglieder werden vom Blitz der Erkenntnis getroffen und plötzlich einsichtig, die dummen Mondkinder öffnen die geballten Fäuste. In Fritz Langs Filmepos [„Metropolis“ 1415 – auch eine Geschichte vom Kampf von „Oben“ gegen „Unten“ – heißt es: „Mittler zwischen Hirn und Händen muss das Herz sein.“ Das wurde bereits 1927 als außerordentlich albernes Resümee erkannt. „Harlekins Mond“ entstand fast acht Jahrzehnte später. Muss man sich wirklich durch knapp 700 eng bedruckte Seiten fräsen um zu erkennen, wie altmodisch Science-Fiction auch im 21. Jahrhundert sein kann?

|I.|

Als Lawrence van Cott Niven am 30. April 1938 in Los Angeles als Sohn eines Anwalts geboren, studierte Niven Mathematik und Physik an Universitäten in Kalifornien und Kansas. Nach dem Abschluss begann selbst zu schreiben; eine erste Kurzgeschichte, „The Coldest Place“, wurde 1964 veröffentlicht. Sie zeigt ihn als typischen Verfasser von ‚harter‘ SF, der eine spannende Handlung in einen wissenschaftlich möglichst akkurat gestalteten (oder wenigstens so wirkenden) Rahmen einbettet.

Ende der 1960er Jahre entstand Nivens „Ringworld“-Universum, das zum Schauplatz zahlreicher Romane und Storys wurde, die nicht zwangsläufig miteinander verknüpft sind, obwohl manche separate Unterzyklen bilden; allein die (nachträglich von Niven bearbeitete) Geschichte der „Kzin-Kriege“ umfasst inzwischen mehr als zehn Bände. Für „Ringworld“ (dt. „Ringwelt“) wurde Niven 1970 sowohl mit dem „Hugo“ als auch mit dem „Nebula Award“ für den besten Roman des Jahres ausgezeichnet.

Niven arbeitet oft mit Ko-Autoren. Mit Jerry Pournelle schuf er 1974 die inzwischen klassische ‚moderne‘ Space-Opera „The Mote in God’s Eye“ (dt. „Der Splitter im Auge Gottes“). Weiterhin arbeitete er mit Steven Barnes, Edward M. Lerner, Michael Flynn oder Brenda Cooper zusammen.

Über Nivens mehr als 50 Bücher umfassendes Werk und seine gegenwärtigen Aktivitäten informiert die Website http://www.larryniven.org.

|II.|

Brenda Cooper bezeichnet sich selbst als „Schriftstellerin, öffentliche Rednerin und Futuristin“. Sie studierte an der California State University, Fullerton, Informatik und Betriebswirtschaften und wurde Spezialistin für Management-Informationssysteme. Als „technical professional“ arbeitete sie u. a. für Aerospace. Derzeit ist sie als „chief information officer“ für die Stadt Kirkland im US-Staat Washington tätig, wo sie und ihre Familie auch leben. Sehr am Herzen liegt ihr die Ökologie der Erde bzw. deren Rettung, für die sie sich u. a. im Rahmen der „Lifeboat Foundation“ engagiert. (Auf den Fotos, mit denen sie ihren Webblog schmückt, sieht man meist Retriever-Hunde in naturbelassener Idylle tollen.)

Als Schriftstellerin arbeitet Cooper erst seit vergleichsweise kurzer Zeit. Sie fand einen Mentor im SF-Profi Larry Niven, mit dem sie diverse Storys in Magazinen wie „Analog“ und „Asimov’s Science Fiction“ veröffentlichte, bevor 2005 ihr gemeinsamer Roman „Building Harlequins Moon“ (dt. „Harlekins Mond“) erschien. Inzwischen schreibt Cooper solo und brachte 2007 „The Silver Ship and the Sea“ sowie 2008 eine Fortsetzung heraus.

Brenda Cooper informiert im Internet ausführlich (|sehr| ausführlich!) über ihre zahlreichen Aktivitäten. Ihre Website findet man hier: http://www.brenda-cooper.com. Außerdem gibt es ein „Life Journal“: http://bjcooper.livejournal.com.

http://www.bastei-luebbe.de

Schreiner, Jennifer – Zwillingsblut. Erotischer Vampir-Roman

_Zwischen Leidenschaft und Liebe_

Eines Nachts wacht Sofia nackt in einem verschlossenen Sarg auf. Nur mit Mühe gelingt es ihr, sich zu befreien, und ihr wird klar, dass der geheimnisvolle Fremde, der sie die Nacht zuvor verführt hat, mehr mit ihr vorhatte, als sie ahnte: Er hat sie zu einem Vampir gemacht!

Mit einiger Anstrengung schafft sie es, sich zu befreien. Vor der Gruft, in der sie eingesperrt war, liegen einige Kleider – zu Sofias Verwunderung aber nicht ihre, sondern die ihrer Zwillingsschwester Melanie, die des Lebens überdrüssig geworden ist und unter Aufsicht in einer Klinik wohnt. Sofia ahnt, dass der Fremde sie mit ihrer Zwillingsschwester verwechselt hat, und eilt sofort zu ihrer Schwester in die Klinik, um diese zu warnen. Als sie von Sofias Schicksal erfährt, bittet sie ihre Schwester, sie zu töten, da Sofia unmöglich bei ihr bleiben kann und Melanie nicht allein zurückgelassen werden will. Widerwillig kommt Sofia der Bitte ihrer Schwester nach, indem sie ihr das Blut aussaugt. Danach schwört sie, sich bei dem Vampir zu rächen, der ihr Leben zerstört und indirekt den Tod ihrer Schwester Melanie zu verantworten hat. Deshalb macht sie sich auf den Weg in einen Vampirclub, um nach ihrem Schöpfer zu suchen.

Dort trifft sie nicht nur auf den vampirischen Callboy Xylos, der vom ersten Augenblick an ein Auge auf Sofia geworfen hat und sie in sein Bett bekommen will, sondern auch auf den sinnlichen Vampir Edward, der ebenfalls Gefallen an Sofia findet. Dort wird ihr erzählt, dass es lediglich dem Magistraten, dem Gesetzesvollzieher der Königin, gestattet ist, weibliche Vampire zu erschaffen. Wegen einer rätselhaften Prophezeiung, die besagt, dass ein weiblicher Vampir einmal die Zwillingsschwester der Königin der Vampire umbringen wird, ist es dem Magistraten nur gestattet, alle zehn Jahre einen weiblichen Vampir zu erschaffen.

Was Sofia nicht ahnt: Sie ist zum Objekt eines grausamen Spiels der Vampire geworden, und Edward, für den sie bald mehr als nur Freundschaft empfindet, ist ihr Schöpfer …

_Bei Erotik-Romanen_ besteht immer das Risiko, dass der Erotikanteil zu groß ist und die Story dabei in den Hintergrund gesetzt wird, doch in „Zwillingsblut“ halten sich Erotik, Liebe und Witz gut die Waage. Es sind sehr viele erotische Stellen enthalten, worunter die Story glücklicherweise aber nicht leiden muss. Es wirkt, als wären diese Passagen lediglich ein Zusatz zu der Story, die nicht an völlig unpassenden Stellen auftreten, was ich sehr gelungen finde. Jennifer Schreiner hat sich mit ihrer Story wirklich sehr viel Mühe gegeben, sodass der Roman ohne weiteres auch ohne Erotik bestehen könnte.

Auch die Charaktere sind gelungen. Sofia ist eine sehr leidenschaftliche und temperamentvolle Frau, die sich stets durchzukämpfen weiß. Einerseits scheint sie eher zurückhaltend zu sein, andererseits ist sie auch ziemlich schlagfertig, was sie in Gesellschaft der Vampire auch dringend benötigt. Der Callboy Xylos stellt den typischen Macho dar, für den Frauen nur Lustobjekte sind und der sehr überzeugt von sich selbst ist. Obwohl einige Vampire um Sofias Gunst buhlen und jeder der Kandidaten seinen eigenen, interessanten Charme hat, schließt man Edward sofort ins Herz. Er glaubt nicht mehr an die Existenz der Liebe und verspürt eine tiefe Trauer, weil die Hexe Morna, die Zwillingsschwester der Vampirkönigin, ihn und seine Familie verflucht hat. Er möchte Sofia dazu bringen, entweder ihn zu töten und damit von seinem Leid zu erlösen, oder die Schwester der Hexe, damit der Fluch aufgelöst wird. Er nimmt sich vor, alles dafür zu tun, damit sie ihn hasst und tötet, was ihm aber nicht gelingt, denn auch er verliebt sich in Sofia …

Das Einzige, was mich ein wenig an Sofia gestört hat, ist, dass sie in manchen Situationen etwas unrealistisch reagiert. Sie scheint die Tatsache, dass sie ab nun als Vampir leben muss, genauso auf die leichte Schulter zu nehmen wie den Tod ihrer geliebten Schwester Melanie. Beides scheint ihr relativ egal zu sein. Sie macht auch ab und zu Witze über ihr Vampirdasein, was besonders seltsam ist, wenn sie sich kurz darauf bei dem Magistraten rächen will, weil er ihr dieses Schicksal aufgedrängt hat. Glücklicherweise ist das nur am Anfang so und wird im Verlauf des Buches glaubwürdiger und realistischer.

Wie ich oben schon angeschnitten habe, kommt in „Zwillingsblut“ sehr viel Erotik vor, nimmt allerdings nie die Oberhand. Die Stellen sind meistens sehr ausführlich und fantasievoll beschrieben, allerdings nie zu direkt. Zwischen Sofia und Edward bahnt sich allerdings nur langsam etwas an. Beide merken von Anfang an, dass sich zwischen ihnen etwas entwickelt, wogegen sich aber beide noch zu wehren versuchen. So bekommt Sofia anfangs nur mal einen Kuss von Edward oder eine Umarmung.

Was manch einen Leser stören könnte, ist, dass diese Vampire als ‚verweichlichte Schoßhündchen‘ nicht bei jedem beliebt sind. Zwar sind die meisten Vampire in „Zwillingsblut“ eher sexbesessen als romantisch veranlagt, aber viele stört dieses abgewandelte Bild der Vampire, und Edward ist eindeutig ein Kandidat, der zu den „zarten“ Vampiren zu zählen ist. Die Vampire in „Zwillingsblut“ dürfen keine weiblichen Artgenossen haben, deswegen bekommt jeder von ihnen von der Hexe Morna eine magische Perlenkette mit fünf Perlen, in die jeder Vampir insgesamt fünf Frauen sperren kann, um sie als ihre Sexsklavinnen halten zu können. In diesem Fall sind die Vampire eher radikal und rücksichtslos, Edward hingegen ist ganz anders. Er entpuppt sich als Romantiker und Verführer, und genau das könnte Leser an diesem Roman stören. Ich finde es allerdings gut so, wie es umgesetzt worden ist.

Der Schreibstil passt sich gut der Geschichte an und erschafft stets eine passende Atmosphäre. Ich wurde förmlich in die Geschichte hineingezogen und konnte mir das Geschehen sehr gut verbildlichen. Das Buch ist in einer allwissenden Form geschrieben und lässt uns in beinahe jeden Charakter hin und wieder einen Blick werfen. So kann man sich stets gut in die einzelnen Charaktere hineinfühlen und ihr Handeln nachvollziehen.

Das Ende des Buches lässt eigentlich keine Wünsche mehr offen. Letztendlich kommt alles angenehmerweise doch anders, als man es sich vielleicht vorstellen würde, aber es dennoch zu einem zufriedenstellenden Happyend.

_Fazit:_ „Zwillingsblut“ ist eine gekonnte Mischung aus [„Bis(s) zum Morgengrauen“ 4600 von Stephenie Meyer und „Der Venuspakt“ von Jeannine Krock. Die Story ist wirklich gelungen, die Charaktere sind sympathisch und die Erotik sorgt lediglich für die richtige Würze.

_Jennifer Schreiner_ wurde am 1. April 1976 geboren, ist verheiratet und hat einen Sohn. Schon mit neun Jahren begann sie, Geschichten zu schreiben. Im Jahr 2002 schrieb sie ihr erstes Märchenbuch „Es war einmal …“ und veröffentliche es bei |Books on Demand|. Im selben Jahr im Dezember wurde sie Magister der Philologie. Nach ihrem ersten erotischen Vampir-Roman „Zwillingsblut“, der im Verlag |Plaisir d’Amour| erschien, sind zwei Fortsetzungen – deren erste im Januar 2008 erschienen ist – und noch zwei weitere Bücher geplant.

Band 2: [„Honigblut“ 4603
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Canavan, Trudi – Götter (Das Zeitalter der Fünf 3)

Band 1: [„Priester“ 4275
Band 2: [„Magier“ 4456

In „Götter“ gibt es ein vermutlich letztes Wiedersehen mit Auraya, die sich im zweiten Band „Magier“ von den Weißen losgesagt hat. Nachdem die Götter von ihr verlangt hatten, Mirar umzubringen, und Auraya diesen Befehl nicht ausführen konnte, hatte sie die Wahl zwischen einem verlängerten „Hausarrest“ und ihrem Abschied als Weiße.

Doch noch viele Fragen sind im zweiten Band unbeantwortet geblieben, sodass die Spannung groß war, als ich den abschließenden Band des „Zeitalters der Fünf“ aufschlug. Und auch hier wurde ich nicht enttäuscht …

_Unsterblich_

Auraya ist inzwischen einfache Priesterin, die sich wieder frei bewegen darf. Natürlich führt ihr Weg sie wieder zu den Siyee, mit denen sie bereits im ersten Teil Freundschaft geschlossen hat. Doch dieses Mal gilt es dort keine gefährliche Seuche zu bekämpfen, sondern sie trifft auf die unsterbliche Emerahl, die sich Auraya als Jade vorstellt. Wie von Mirar gewünscht, trifft Emerahl sich mit Auraya, um die ehemalige Weiße zu unterrichten. Auraya soll lernen, ihre Gedanken vor den Göttern abzuschirmen, außerdem möchte Emerahl herausfinden, ob Auraya tatsächlich das Potenzial hat, selbst eine Unsterbliche zu werden, wie Mirar es vermutet.

Tatsächlich stellt Emerahl schnell fest, dass Auraya ihre Macht nicht eingebüßt hat – ganz im Gegenteil, in mancher Hinsicht ist sie stärker als zuvor. Schnell lernt sie, ihre Gedanken abzuschirmen. Doch zunächst weigert sich Auraya zu lernen, wie sie selbst die Unsterblichkeit erlangen kann. So erzählt Emerahl ihr zwar, wie sie sich selbst unsterblich machen kann, doch erwartet sie nicht, dass Auraya dieses Wissen tatsächlich anwenden wird. Aber wieder einmal sorgt Auraya für Überraschungen, denn schnell wendet sie ihr neues Wissen an und wird damit zu der sechsten Unsterblichen. Auch ihre Fähigkeit zu fliegen hat Auraya nicht verlernt, doch offenbart sie weitere erstaunliche Fähigkeiten; so kann sie weiterhin, obwohl sie keine Weiße mehr ist, die Gedanken anderer Wesen lesen, außerdem spürt sie die Anwesenheit der Götter und kann auch ihren Gesprächen lauschen.

In einer anderen Geschichte treffen wir Danjin wieder, der immer noch seiner ehemaligen Herrin Auraya hinterhertrauert, der sich aber nun an eine andere Weiße gewöhnen muss, nämlich an Ellareen, die zu Aurayas Nachfolgerin erkoren wurde. Da Ella Danjins Gedanken lesen kann, verfolgt ihn permanent ein schlechtes Gewissen, wenn er Auraya nachtrauert. Als ihm Ella schließlich aber die wahren Gründe für Aurayas Weggang nennt, wankt auch Danjins Vertrauen. Aber seine Verbindung zu Auraya ist dennoch nicht vollkommen abgebrochen, verfügt er doch immer noch über den Ring, mit welchem die beiden in gedanklichem Kontakt stehen.

Während Emerahl und Auraya sich kennen lernen und Emerahl ihre Vorurteile der ehemaligen Weißen gegenüber abbaut, reist Mirar nach Süd-Ithanien, wo die Traumweber in Eintracht mit den Pentadrianern leben. Dort gibt es keine Verfolgung, die Traumweber dürfen die Menschen heilen und werden nicht wegen ihres Glaubens unterdrückt. Mirar wird nachdenklich, ob die Pentadrianer nicht doch ein besseres Volk sind als die Bewohner von Nord-Ithanien. Nekaun, die oberste Stimme der Pentadrianer, beginnt eine leidenschaftliche Affäre mit Reivan, doch im Mittelpunkt steht die schwelende Konkurrenz zwischen Nekaun und der zweiten Stimme Imenja, die Nekaun nicht vollkommen vertrauen kann.

So richtig Fahrt kommt aber erst auf, als die Siyee einen Auftrag ihrer Göttin Huan erhalten und sich nach Süd-Ithanien begeben. Auraya begleitet die Abordnung der Siyee, allerdings haben die Götter ihr verboten, sich in den Auftrag einzumischen und zu kämpfen. Als die Siyee schnurstracks in eine Falle tappen und in Gefangenschaft geraten, befindet sich Auraya erneut in einer Zwickmühle, denn sie darf die Siyee nicht befreien, ohne gegen die Pentadrianer zu kämpfen und sich damit erneut gegen den Willen der Götter zu stellen. Als sie schließlich die Bekanntschaft Nekauns macht, gerät ihr Leben in große Gefahr …

_Auftakt zum Schluss(t)akt_

Zunächst lässt sich Trudi Canavan in gewohnter Manier viel Zeit. Sie begleitet Auraya und Mirar bei ihren Reisen, erzählt ausführlich von den Unterrichtsstunden, die Emerahl der zunächst verhassten Auraya gibt, doch erst einmal geschieht über lange Strecken nicht viel. Die beiden verfeindeten Völker leben ihr Leben vollkommen unbeeinflusst voneinander.

Hier gilt es zunächst, Aurayas neue Fähigkeiten zu erkennen und auszuloten, wie mächtig sie nun noch ist, seit sie nicht mehr unter dem Schutz der Götter steht. Als sie schließlich ihre Fähigkeit erlangt, die Götter zu belauschen, erkennt sie, dass Huan zu einer Todfeindin geworden ist, die nur nach einer Gelegenheit sucht, Auraya zu töten. Huan ist auch schließlich der Grund, warum Auraya sich unsterblich macht, da sie erkennt, in welch einer gefährlichen Situation sie lebt. Hin und wieder verirrt sich auch ihr ehemaliger Geliebter Chaia in ihre Gedanken, über den Auraya immer noch nicht hinweggekommen ist. So drehen sich ihre Gedanken permanent um ihre beiden Ex-Geliebten, die sie nicht vergessen kann. In Mirar erkennt sie immer noch einige Eigenschaften Leirards, dennoch überwiegt ihre Abneigung Mirar gegenüber die meiste Zeit, sodass sie eher Chaia nachtrauert, der erfreulicherweise noch eine sehr wichtige Rolle einnehmen wird.

Erst als Auraya mit den Siyee nach Süd-Ithanien kommt und dort die Bekanntschaft der ersten Stimme Nekaun macht, nimmt das Buch richtig Fahrt auf, alles andere bis dahin ist mehr oder weniger Vorgeplänkel und die Vorbereitung auf die finale Schlacht. Denn natürlich wird es am Ende noch einmal zur Konfrontation der beiden verfeindeten Völker kommen, bei der selbstverständlich auch die Götter ein Wörtchen mitreden wollen.

_Unsterbliche Charaktere_

Wieder einmal beleuchtet Trudi Canavan in allen Einzelheiten die agierenden Figuren. Allen voran ist natürlich wieder einmal Auraya zu nennen, die seit dem Beginn des ersten Bandes eine erstaunliche Entwicklung durchgemacht hat und nun wirklich gar nichts mehr mit Sonea, unserer Heldin aus der „Gilde der Schwarzen Magier“, gemeinsam hat. Auraya ist längst keine Weiße mehr, dennoch hat sie nichts ihrer Macht eingebüßt, ganz im Gegenteil; sie wird stärker und stärker und könnte das Zünglein an der Waage sein, wenn es zur finalen Schlacht der Weißen gegen die Pentadrianer kommt. Doch je mehr sie über Huan erfährt, umso schwieriger fällt Auraya die Wahl der beiden Seiten …

Auraya ist eine faszinierende Persönlichkeit, die immer mehr an Profil gewinnt. Schon im zweiten Band „Magier“ erweist sie sich als eigensinnig, als sie sich gegen die Götter stellt und beschließt, ihre Rolle als Weiße abzutreten. In diesem Band wird sie unsterblich, und dennoch vergisst sie ihre alten Verbündeten, die Siyee, nicht. Und auch ihr kleines Haustier Mischief darf natürlich nicht fehlen. Auraya ist eine zauberhafte Figur, mit der man sich gerne identifiziert.

Auch die anderen Unsterblichen erhalten viel Raum im Buch. Emerahl begibt sich nun endlich auf die Suche nach der mysteriösen Schriftrolle der sechsten Göttin, in der Emerahl die Wahrheit über die Götter vermutet. Die Suche nach dieser Schriftrolle ist gefährlich und birgt viele Rätsel, die Emerahl mithilfe der beiden unsterblichen Zwillinge zu lösen hat. Als sie schließlich das Rätsel um die Götter lösen kann, ist es wie ein Paukenschlag, der schon an dieser Stelle neugierig auf das Ende macht.

Währenddessen outet Mirar sich als der Anführer der Traumweber, da er seinem Volk offen beistehen will. Bei seinem Besuch in Glymma, dem Hauptsitz der Pendarianer, merkt er, dass dieses Volk ganz anders mit den Traumwebern umgeht. Das bringt ihn in einen schwierigen Gewissenskonflikt, da er immer noch Gefühle für Auraya hegt, die nach wie vor zu den Weißen hält. Diese Situation birgt viel Konfliktpotenzial, das Trudi Canavan bis ins Letzte ausreizt.

Eine besonders interessante Figur ist allerdings auch die Erste Stimme Nekaun. Während er im ersten Teil aus der Perspektive Reivans als sympathischer Anführer vorgestellt wurde, der die Pentadrianer vernünftig anführen kann, lernen wir nun eine ganz andere Seite von ihm kennen. Nekaun entwickelt sich zu einem rechthaberischen und arroganten Anführer, der bei den anderen Stimmen nicht immer Pluspunkte sammeln kann. Auch Reivan muss eines Nachts erkennen, dass Nekaun nicht der nette Junge ist, als den sie ihn einst kennen gelernt hat. Nekaun entwickelt sich hier erstaunlich schnell weiter – allerdings nicht zu seinem Vorteil …

_Grau statt Schwarzweiß_

Wie schon in „Magier“ angedeutet, so sind die Pentadrianer nicht das böse Volk, als das sie noch im ersten Band „Priester“ erschienen. Auch die Pentadrianer haben fünf Götter, an die sie glauben, und fünf Anführer, die Stimmen. Die Parallelen zwischen den beiden Völkern werden immer deutlicher, doch im Bezug auf die Traumweber offenbaren die Pentadrianer sympathische Züge. Trudi Canavan schafft es hervorragend, die klare Aufteilung in Gut und Böse, wie sie uns zu Beginn der Trilogie erschien, weiter zu differenzieren. Ähnlich wie es auch Sergej Lukianenko in seiner [Wächter-Tetralogie 3594 macht, so verpasst auch Canavan beiden Völkern Ecken und Kanten; beide Völker spinnen Intrigen, offenbaren aber auch genügend positive Seiten, sodass man sich hin- und hergerissen fühlt und gar nicht weiß, zu wem man halten soll. Und ähnlich geht es sogar Auraya, die ja unter den Weißen aufgewachsen ist, nun aber erkennen muss, dass die Pentadrianer nicht wie erwartet das durchweg Böse sind.

Stattdessen baut Trudi Canavan eine neue „Feindfigur“ auf, die schlussendlich zu einem riesigen Paukenschlag führen wird, wenn die Autorin auf einen Schlag alle offenen Fragen auflöst!

_Überflüssiges_

Leider schafft Trudi Canavan es auch in ihrer zweiten Trilogie nicht, ihren Spannungsbogen konstant aufrechtzuerhalten. Immer wieder baut sie lange Beschreibungen von Szenerien und Völkern ein, die für den Verlauf der Geschichte vollkommen unwichtig sind. Ein Beispiel dafür sind die Elai, die Auraya in Band eins dazu überreden wollte, eine Allianz mit den Weißen einzugehen. Im zweiten Band haben die Elai noch mehr Raum erhalten, weil die Elai-Prinzessin verschleppt wurde und schließlich mithilfe Imenjas gerettet werden konnte. So kam es schließlich zum Bündnis zwischen den Elai und den Pentadrianern, von dem ich dachte, dass es eventuell die Schlacht am Ende entscheiden könnte. Doch weit gefehlt; im abschließenden Band sind die Elai wieder zu einer Fußnote verkommen, da sie praktisch überhaupt keine Rolle spielen. Zwar hat der Elai-König den einen oder anderen Auftritt, aber doch nur als Statist. Diese überflüssigen Handlungsstränge und unnötigen Ausschweifungen trüben im Rückblick ein wenig den Gesamteindruck der Trilogie.

_Überzeugend, aber ausbaufähig_

Insgesamt gefiel mir der abschließende Band der Trilogie sehr gut. Er benötigte zwar etwas Anlauf, bevor wirklich der Spannungsbogen einsetzt, doch Trudi Canavans Auflösung hat es wirklich in sich. Als es endlich zu dem Moment kam, als sich alle Puzzleteilchen zu einem Bild zusammenfügten und die Zusammenhänge klar wurden, hat es mich wie ein Schlag in die Magengrube getroffen, obwohl ich zugeben muss, dass man die Auflösung hätte erahnen können. Aber ich muss auch gestehen, dass Trudi Canavan mich erfolgreich hinters Licht geführt hat – so hatte ich nicht geahnt, wie alles zusammenhängt. Das ist der Autorin wirklich großartig gelungen, was der gesamten Trilogie das gewisse Etwas verleiht. Eine weitere Stärke Canavans ist es, dass sie sich nicht zu schade ist, auch Figuren zu opfern, wie sie es in der |Gilde der Schwarzen Magier| gemacht hat. Mit Happyends hat sie es offensichtlich nicht, aber dennoch überzeugt ihr Ende vollkommen.

„Götter“ schließt die Trilogie überzeugend ab und hinterlässt auch eine gewisse Leere, weil es mir schwergefallen ist, von Auraya Abschied zu nehmen, aber die Leere nach der Gilde war dann doch noch größer. Trotzdem: Wer Trudi Canavans erste Trilogie verschlungen hat, findet hier einen ansprechenden Ersatz, der ein wenig die Zeit überbrückt, bis das nächste Buch aus der Kyralia-Reihe auf den Markt kommt.

http://www.trudicanavan.com/
[Verlagsspezial zur Trilogie]http://www.randomhouse.de/specialskids/zeitalter/

_Trudi Canavan auf |Buchwurm.info|:_
[„Priester“ 4275 (Das Zeitalter der Fünf 1)
[„Magier“ 4456 ((Das Zeitalter der Fünf 2)
[„Die Rebellin“ 3041 (Die Gilde der Schwarzen Magier 1)
[„Die Novizin“ 2989 (Die Gilde der Schwarzen Magier 2)
[„Die Meisterin“ 3065 (Die Gilde der Schwarzen Magier 3)

Jennifer Schreiner – Honigblut. Erotischer Vampir-Roman

Die Geschichte eines Vampircallboys

Die junge Vampirin Sofia ist nach der Auflösung des Fluches, den die Schwester der Königin über ihrem geliebten Edward ausgesprochen hat, mit ihm den ewigen Bund eingegangen. Doch seit dem Tod der Hexe Morna haben sich in der Gesellschaft der Vampire neue Konflikte gebildet: Die Königin Maeve ist von ihrem Wahnsinn befreit und möchte die Frauen, die jahrelang in den Besitzerketten der Vampire gefangen gehalten wurden, endlich befreien. Dieses Vorhaben missfällt einigen Vampiren, weshalb es zu mehreren Rebellionen und zu Verrat kommt.

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Moning, Karen Marie – Im Bann des Vampirs

MacKayla Lane ist eine typische Southern Belle, eine Südstaatenschönheit, und mehr als stolz darauf. Sie hat lange blonde Haare, perfekt manikürte Nägel und trägt jede Menge Pink. Wir lernen sie kennen, als sie gerade am elterlichen Pool liegt, sich die Sonne auf den Pelz scheinen lässt und ihrer Gute-Laune-Playlist auf dem |iPod| lauscht. Die Idylle wird allerdings jäh gestört, als sie einen Anruf aus Irland erhält: Ihre Schwester Alina, die dort ein Auslandssemester absolvierte, wurde brutal ermordet aufgefunden.

Bald ist Mac überzeugt, dass die irische Polizei ihr Handwerk nicht versteht, denn nach nur einigen Wochen werden die Ermittlungen ergebnislos eingestellt und der Fall landet auf einem Aktenstapel. Mac will sich damit keineswegs zufriedengeben und entschließt sich daher, selbst nach Dublin zu fliegen und die Polizei anzutreiben. Doch dann findet sie auf ihrer Mailbox eine Nachricht von Alina, die diese kurz vor ihrem Tod hinterlassen hat, und alles wird plötzlich reichlich mysteriös.

Einmal in Dublin angekommen, stellt sich bald heraus, dass es viel mehr zwischen Himmel und Erde gibt, als sich Mac in ihrer Schulweisheit bisher träumen ließ. Alina hatte ihr in ihrer Nachricht aufgetragen, das Sinsar Dubh zu finden, und als Mac endlich herausfindet, worum es sich dabei handelt, findet sie sich schon in einer Welt voller dunkler Wesen wieder. Ihre Aufgabe ist es nun, Alinas Mörder zu finden und gleichzeitig Alinas letzten Wunsch zu erfüllen, indem sie jenes ominöse Sinsar Dubh aufspürt.

Immerhin steht ihr bald Jericho Barrons zur Seite, ein Buchhändler von fragwürdigem Lebenswandel. Barrons hüllt sich in Schweigen, was seine Person angeht, und verfolgt offensichtlich seine eigene Agenda (auch er ist auf der Suche nach dem Sinsar Dubh). Trotzdem rettet er Mac in schöner Regelmäßigkeit das Leben, schließlich ist sie wertvoll für ihn. Wie sich herausstellt, ist sie eine Sidhe-Seherin, die die Anwesenheit von Feenwesen und -objekten erkennen kann. Um das Sinsar Dubh zu finden, ist sie daher unerlässlich.

Karen Marie Moning hat sich als Autorin von sexlastigen Liebesschmonzetten einen Namen gemacht, in denen gut gebaute Highlander in Liebesdingen unerfahrene Amerikanerinnen vernaschen. Mit dieser Masche hat sie sich eine durchaus umfangreiche Fangemeinde (und, wie auf ihrer Webseite zu sehen, einen Porsche) erschrieben. „Im Bann des Vampirs“ ist der Auftakt zu einer neuen Serie, die auf insgesamt fünf Bände angelegt ist. Als Leser sollte man also darauf gefasst sein, dass man sich am Ende des Romans mit mehr Fragen als Antworten konfrontiert sieht. Außerdem sollte man sich darüber im Klaren sein, dass der Titel des Romans unglücklich gewählt ist. Es geht hier um Feen und um Magie. Es kommt zwar ein Vampir vor (dessen Echtheit allerdings bis zum Ende weder bestätigt noch widerlegt ist), doch ganz sicher befindet sich niemand in dessen Bann. Also Punktabzug für den irreführenden Titel.

Moning erzählt aus der Perspektive von Mac und verknüpft damit Fantasy mit |Chick Lit| und einem Schuss Erotik. Ihr Universum ist von Feenwesen, den Sidhe, bevölkert, die ursprünglich in einer anderen Realität lebten, aber nun in Scharen in die menschliche Welt zurückkehren. Die bösen Sidhe, die Unseelie, greifen dabei auch gern mal Menschen an und haben es so zum Beispiel geschafft, ganze Stadtteile von Dublin auszulöschen. Trotzdem sind sich die Menschen der Gefahr nicht bewusst, und so ist es an Eingeweihten wie Mac und Barrons, die Invasion aufzuhalten.

Moning wird nicht müde zu erwähnen, dass die Idee zu „Im Bann des Vampirs“ komplett ausformuliert in ihren Gedanken auftauchte und sie diese nur noch aufschreiben musste. „Diese Welt ist so vollständig, so plastisch und detailliert, dass ich denke, sie müsste irgendwo existieren“, hat Moning in einem Interview gesagt. Das ist natürlich zumindest teilweise Koketterie. Natürlich existiert diese Welt irgendwo irgendwie, schließlich zieht Moning ihre Inspiration aus der gälischen Mythologie und spickt sie dann mit eigenen Ideen. Die Gottwesen der irischen Tuatha Dé Danaan werden bei ihr zu einem bunten Völkchen von Monstern, die Menschen auf die ein oder andere Weise um die Ecke bringen können. Schillerndstes Beispiel ist wohl das Tod-durch-Sex-Wesen (ja, das heißt wirklich so), das auf Menschen so anziehend wirkt, dass sie so lange Sex mit ihm haben, bis sie daran zugrunde gehen. Na ja, wenigstens sterben sie glücklich …

Natürlich trifft auch Mac auf ein derartiges Wesen, was dazu führt, dass sie sich in einem gut besuchten Museum die Kleider vom Leib reißt, um sich selbst zu befriedigen. Moning wird nachgesagt, gute Sexszenen zu schreiben. Die Szenen in „Im Bann des Vampirs“ mögen sexy sein. Erotisch sind sie jedoch nicht, dazu kommen sie zu plakativ und aufdringlich daher. Hier wird auf den billigen Effekt gesetzt, und es ist die sprichwörtliche schnelle Befriedigung, die Moning ihrem Leser hier bietet.

Überhaupt Mac. Als Ich-Erzählerin sieht der Leser zwangsläufig die Welt durch ihre Augen. Umso wichtiger ist es, dass sie dreidimensional, unterhaltsam und überzeugend ist. Stattdessen kommt Mac als verzogene, provinzielle Zicke daher, deren Tiraden weite Teile des Romans einnehmen. Sie ist so von sich und ihrer Lebensweise eingenommen, dass es ihr unmöglich ist, sich einer fremden Kultur zu öffnen. Und so beginnen Sätze ständig mit „bei uns im Süden“, wenn sie mal wieder einen Iren zu unhöflich, grob, laut oder anderweitig unverständlich findet. Wenn Mac nicht gerade vor schwabbeligen Sidhe-Monstern flieht, erheitert sie den Leser mit Schönheitstipps à la: „Die Haut von innen stets mit Flüssigkeit zu versorgen, ist viel wichtiger als eine gute Feuchtigkeitscreme.“ Und als Barrons eine Anspielung auf ihre Kleiderwahl macht, kontert sie mit: „Ich trage nicht nur Pink. Ich besitze auch pfirsich- und lavendelfarbene Sachen.“ Will man so einer Person wirklich fast vierhundert Seiten lang Gesellschaft leisten müssen?

Einzig Barrons vermag den Leser zu fesseln, und das einfach nur, weil er absolut nichts von sich preisgibt. Er ist immer zur rechten Zeit am rechten Ort, doch wie oft Mac ihn auch ausfragt, nie erzählt er mehr über sich. Mac tut offensichtlich gut daran, ihm nicht komplett zu vertrauen, denn er scheint selbst einige dunkle Geheimnisse zu hüten, doch andererseits ist er sich nicht zu schade, auch mal den Helden in schillernder Rüstung zu geben. Dazu sieht er gut aus, hat einen viel besseren Geschmack als Mac (schwarz, natürlich), begegnet Macs naivem Gemüt mit beißendem Zynismus und er besitzt einen Buchladen. Was wünscht man sich als Frau mehr?

In einem Interview zu ihrer neuen Romanserie sagte Moning, sie sei geschockt gewesen zu sehen, wie viel Thanatos sich in ihrem Eros fand. Im Gegensatz zu ihrer Highlander-Serie soll „Im Bann des Vampirs“ also dunkel und gefahrvoll sein. Hier gibt es Monster in dunklen Ecke, brutale Morde und Protagonisten, deren Loyalitäten nicht ganz geklärt sind. Und doch kann Moning von ihrer normalen Kost scheinbar nicht lassen. Bei ihrem neuen Roman handelt es sich um Plüsch-Horror, in dem die frohgemute Heldin hauptsächlich darüber nachdenkt, welches Top sie zur Monsterjagd anziehen soll. Wem das zu zu zuckrig ist, der sollte sich lieber in die Hände von Laurell K. Hamilton begeben. Hamilton weiß zumindest, wie man taffe Heldinnen schreibt.

http://www.karenmoning.com
http://www.ullstein-taschenbuch.de

John Scalzi – Geisterbrigaden

Die Kopie des Bewusstseins eines verräterischen Wissenschaftlers wird einem Menschenklon aufgeprägt. Der junge Mann wird außerdem als Soldat ausgebildet, denn ein Krieg mit bösen Aliens droht. Mitten im Kampfgetümmel droht der Verräter die Hirnherrschaft zu übernehmen … – Turbulentes SF-Spektakel mit politisch unkorrektem Unterton, das zwar nur Bekanntes präsentiert, aber trotzdem kurzweilig und ohne Anspruch auf literarischen ‚Wert‘ zu unterhalten vermag. John Scalzi – Geisterbrigaden weiterlesen