Archiv der Kategorie: Fantasy / Science-Fiction

Ludwig, Kathrin / Wachholz, Mark – Hofmagier, Der (Das Schwarze Auge: Galotta 1)

_Story_

Im Jahr 975 BF holt Kaiser Reto einen aufstrebenden Weißmagier an seinen Hof: Gaius Cordovan Eslam Galotta soll ihm als sein neuer Hofmagier helfen, das Reich in eine neue, eine goldene Epoche zu führen. Doch der junge Magus muss schnell erfahren, dass er seine beeindruckenden magischen Fähigkeiten nicht nur für seine ungewöhnlichen Forschungen benötigt, sondern auch, um sich im Ränkespiel des Hofes behaupten zu können. Dort bleibt für ihn vor allem die Rolle der Alara Paligan, der Gemahlin von Kronprinz Hal, lange Zeit undurchschaubar.

Als Galotta schließlich von Reto beauftragt wird, ihm eine magische Waffe zu erschaffen, überschlagen sich die Ereignisse: Zunächst sucht er im legendenumrankten Reichsforst nach verborgen lebenden Elfen, deren Wissen ihn bei der Umsetzung seiner Ideen helfen soll. Bald darauf führt ihn seine Forschung sogar auf die lebensfeindliche Insel Maraskan, wo er das erworbene Wissen überprüfen will.

„Der Hofmagier“ ist der erste Teil der Biographie aus dem Leben des G. C. E. Galotta.

_Meine Meinung_

Denkt man an Gaius Cordovan Eslam Galotta, so hat man das Bild des selbsternannten Dämonenkaisers vor Augen: der verbitterte Schwarzmagier und Borbaradianer, kahlköpfig, mit scharlachrot gefärbtem Schädel.

Kathrin Ludwig und Mark Wachholz zeichnen in ihrem Erstlingswerk jedoch ein ganz anderes Bild ihres Protagonisten. „Der Hofmagier“ zeigt Galotta als jungen, langmähnigen Magier, der sich anschickt, zum Convocatus Primus der weißen Gilde gewählt zu werden, das höchste Amt, das diese zu vergeben hat.

Gerade diese Gegensätze bilden einen großen Reiz dieses Buches; es macht Spaß, Stück für Stück den ‚anderen‘ Galotta kennen zu lernen, der allerdings auch schon in jungen Jahren bald die Charakterzüge ausbildet, die ihn später auszeichnen. Sei es sein skrupelloser Umgang mit seinen ‚Versuchstieren‘, den Ikanaria-Schmetterlingen und Kalekken, oder die skrupellose Art, wie er gegen die Elfen im Reichsforst vorgeht.

Ein weiteres spannendes Element des Buches bilden die aventurischen Berühmtheiten, die den Weg Galottas kreuzen. Seien es Kaiser Reto, sein Sohn Hal, Answin von Rabenmund oder Saldor Foslarin, sie alle tragen ihren Teil zur Entwicklung des Protagonisten bei und gerade für Aventurienkenner entsteht so das ein oder andere Aha-Erlebnis.

Aus diesen Persönlichkeiten sticht schließlich eine hervor, die direkt zu Beginn des Buches die eigentliche Schlüsselszene liefert: Nameha ai Tamerlein. Nachdem sich Galotta weigert, ihr Schüler zu werden, schenkt sie ihm eine Prophezeiung, die sein weiteres Leben betrifft und so den Bogen über die Biographie des G. C. E. Galotta spannt. Diese Prophezeiung erfüllt sich nun im weiteren Verlaufe des Buches Stück für Stück, so dass man immer wieder animiert ist, noch einmal zurückzublättern, um sich den genauen Wortlaut anzusehen und dessen genaue Bedeutung zu interpretieren.

Bieten also die Erlebnisse bei Hofe, das Interagieren mit den Mächtigen Aventuriens – allen voran der Prinzgemahlin Alara Paligan – eine sehr spannende und reizvolle Geschichte, so zeigen sich in den Kapiteln im garethischen Reichsforst und auch später auf Maraskan doch einige Längen. Auch wenn die Autoren auf magische Phänomene zu sprechen kommen, wirkt die Beschreibung doch etwas arg an das Regelwerk des Rollenspiels angelehnt; hier setzt man zu sehr auf die exakte Beschreibung von Zaubersprüchen und –gesten, was zuweilen etwas hölzern wirkt. Ein letzter Kritikpunkt sind die Rechtschreibfehler, über die man auffällig oft in diesem Buch stolpert.

_Fazit_

„Der Hofmagier“ ist ein lesenswertes Buch, das für Aventurienkenner eine andere Seite des G. C. E. Galotta aufzeigt, aber auch für DSA-Neulinge eine sehr interessante Geschichte über Aufstieg und Fall eines talentierten Magiers erzählt.

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Pürner, Stefan – Geklont – 12 verblüffende Kurzgeschichten, die Sie früher oder später erleben werden

Sind wir nicht alle geklont? Nun, noch nicht, doch hätte irgendeiner von uns, sagen wir mal vor 50 Jahren, sich erträumt, dass wir heute ins All fliegen, mobil telefonieren, im Internet surfen oder Musik auf MP3-Format komprimieren können? Genau dieser Frage ist der Autor Stefan Pürner nachgegangen, der Rechtsanwalt ist und viele juristische Fachveröffentlichungen publiziert hat. Ferner hat er in den Siebzigern Lyrik und Prosa verfasst, aber auch Journalistisches wie Konzertkritiken.

In zwölf Kurzgeschichten zeigt der Autor auf, was auf uns alle zukommt, wenn das Klonen irgendwann einmal alltäglich ist. Dabei ist es verblüffend, wie sehr die Geschichten aus dem Leben gegriffen sind. Was wäre z. B., wenn die Frau/der Mann, die/den ihr liebt, mehrfach existiert? Heute gehen wir ja davon aus, dass wir alle einzigartig sind, aber in einer Welt, in der das Klonen zum Alltag gehört, ist das eben nicht der Fall. Und so steht der Protagonist in der Kurzgeschichte vor dem Dilemma, sich für oder gegen seine Liebe zu entscheiden. Und wie schwer das jedem von uns fallen würde, braucht man hier nicht näher zu erläutern. Ein weiteres klassisches Beispiel ist die DNA-Analyse, bei der man (heute) noch fast hundertprozentig den Täter/die Täterin stellen kann. Doch was ist, wenn der Täter geklont ist? Dann könnte jeder der Klone der/die Täter/in sein! Und wenn wir schon beim Thema sind: Was passiert, wenn jemand stirbt und in seinem Testament verfügt, dass sein Klon etwas erbt? Ist der Klon, der fast zu hundert Prozent mit dem Verstorbenen identisch ist, höher gestellt als die leiblichen Kinder?

Allein in den drei von mir aufgeführten Beispielen kann man erkennen, was da alles auf uns zukommt, wenn es irgendwann einmal so weit sein sollte. Aber es gibt auch amüsante Fantastereien! Eine ist z. B. Pearl Babe (bei der eindeutig Janis Joplin Patin gestanden hat), die ihre beste Zeit schon hinter sich hat, aber als Klon feucht-fröhlich durch die Weltgeschichte tingelt und fleißig CDs verkauft. Stellt euch in dem Zusammenhang vor, alle Tribute-Bands heutzutage würden in derselben Besetzung die Bühnen erklimmen wie die einstigen Stars vor zwanzig oder dreißig Jahren. Sprich, Jim Morrison hätte sich nicht ins Grab gesoffen, Bon Scott wäre nie an seinem eigenen Erbrochenen erstickt und Kurt Cobain hatte keine Patronen in seinem Gewehr gehabt. Nun ja, nicht ganz, denn die Hauptprotagonisten würden immer noch unter der Erde verweilen, als Klon jedoch ihren zweiten, dritten oder vierten Frühling erleben. So, als ob nie was geschehen wäre. Und wenn wir schon gerade beim Thema sind: Wie wäre es denn, wenn man ein Künstlerhirn auf eine CD brennen und mit dieser, wie bei einer Software üblich, arbeiten könnte? Nur was ist, und da liegt der Hase im Pfeffer, wenn der Künstler, wie im wahren Leben, rumzickt und mit seinem Nutzer nicht kooperieren möchte? Nein, wir reden hier nicht vom x-ten Windowsupdate, sondern bildlich gesprochen von einem menschlichen Gehirn, das auf einer gebrannten CD weiterlebt. Spannend wäre es schon zu wissen, wie die BEATLES klingen würden, wenn sie nach ihrem letzten Album „Let It Be“ weitere Alben aufgenommen hätten. Doch wollen wir das?

Diese Frage muss jeder für sich selbst beantworten. Dem Autor ist es gelungen, Denkanstöße zu geben, über die mann/frau nächtelang diskutieren kann. Und, mal Hand aufs Herz: Wer kann das heutzutage in der digitalisierten Welt von sich behaupten, wo wirklich jede Information Tag und Nacht abrufbar und nahezu alles entmystifiziert ist?

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Hardebusch, Christoph – Schlacht der Trolle, Die

_Handlung_

Die Trolle stecken wieder einmal in der Klemme. Doch droht ihnen dieses Mal keine Gefahr von den Zwergen oder den Priestern des Albus Sunas, sondern von ihrer eigenen Rasse: Anda hat sich verändert und tötet nun jeden Troll, der sich ihr nicht anschließt. Außerdem vernichtet die Trollin auch Menschendörfer und hinterlässt dort nur Tod und Terror.

So machen sich Pard und der Rest seines Stammes auf den Weg zu Sten, um von diesem Hilfe zu erhalten. Dieser hingegen ist mittlerweile Bojar von Dabran und kümmert sich zusammen mit seiner Vicinia um seine Grafschaft. Doch Vicinia wird von ihrer Schwester Ionna, der Herrscherin über die freien Wlachaken, an den Hof des Masriden Gyula Bekessar nach Turduj gesandt, um mit diesem Bündnisverhandlungen zu führen. Begleitet wird sie dabei von Stens Schwester Flores. Doch die Mission erweist sich schwerer als erwartet, denn eine unvorhergesehene Invasion lässt die Stadt zu einem gefährlichen Gefängnis werden.

_Der Autor_

Christoph Hardebusch, geboren 1974 in Lüdenscheid, studierte Anglistik und Medienwissenschaften in Marburg und arbeitete anschließend als Texter bei einer Werbeagentur. Sein Interesse an Fantasy und Geschichte führte ihn schließlich zum Schreiben. Außerdem ist er ein begeisterter Rollenspieler. Seit dem großen Erfolg seines Debüts „Die Trolle“ ist er als freischaffender Autor tätig. Christoph Hardebusch lebt mit seiner Frau in Heidelberg. Mit seinem Debütroman [„Die Trolle“ 2408 landete er einen großen Erfolg: monatelang auf der Bestsellerliste mit bislang über 80.0000 verkauften Exemplaren.

_Mein Eindruck_

Nachdem beim Ende von „Die Trolle“ schon der Grundstein für eine Fortsetzung gelegt worden war, stellte sich die spannende Frage, ob es Hardebusch möglich sein würde, seinen Überraschungserfolg zu bestätigen oder gar zu übertreffen. Kurz gesagt: Er hat es geschafft, dem Roman mit „Die Schlacht der Trolle“ eine würdige Fortsetzung zu folgen zu lassen.

Schon sein erstes Buch funktionierte auf zwei verschiedenen Ebenen, nämlich einerseits den Erlebnissen der Trolle und andererseits der Politik in Wlachkis, die er gekonnt miteinander verknüpfte. Während die politische Ebene einfach weiterzuführen ist, ergab sich bei den Trollen ein Problem: Der Anführer der Trolle Druan war ja schon an Menschen gewöhnt, und mit seinem besonnenen Charakter wären die meisten Reibungspunkte und somit auch die Spannung bei einer Fortsetzung weitestgehend verloren gegangen.

Doch durch Druans Tod und Pards Beförderung zum neuen Anführer ändert sich die Situation grundlegend, ist dieser doch als eher hitzköpfig und brutal bekannt. Diesem stellt der Autor nun Druans Schüler Kerr an die Seite, der dieses Mal den Part des wissbegierigen und „gemäßigten“ Trolles einnimmt. Durch diesen Schachzug schafft es Hardebusch, die Beziehung zwischen den Menschen und den Trollen wieder interessant zu machen, zumal Andas Überfälle auf Menschendörfer zusätzliche Spannungen erzeugen. Durch die Figur Kerr wird dem Leser wieder einmal wunderbar der Spiegel für die Merkwürdigkeiten des menschlichen Lebens vorgehalten, denn der neugierige Troll kommentiert äußerst witzig die Gewohnheiten der Menschen.

Den Großteil des Buches nehmen aber wie im ersten Band die Konflikte zwischen den Menschen, oder genauer zwischen Wlachaken oder Masriden, ein. Hier wird durch einige sehr interessante Wendungen wieder richtig Spannung aufgebaut, und so fesselt der Roman den Leser wirklich von der ersten bis zur letzten Seite. Großen Anteil daran hat auch, dass eigentlich alle liebenswürdigen Charaktere auftauchen, die auch „Die Trolle“ bereichert haben, auch wenn sie wie etwa der Dyrier Sargan nun eine gänzlich andere Stellung haben. Zudem hat sich der im ersten Teil doch etwas eindimensionale Troll Pard zu einer wirklich interessanten Persönlichkeit entwickelt.

Die verschiedenen Beziehungen der Charaktere sind äußerst amüsant gestaltet und sorgen immer wider für Lacher. Besonders ist Hardebusch in diesem Fall die Beziehung zwischen der manchmal etwas bärbeißigen Flores und dem Masriden Tamar Bekesar gelungen, auch wenn er hier auf das klassische „Romeo und Julia“-Muster zurückgreift.

Sehr zum Realismus seines Romans trägt auch bei, dass er sich nicht scheut, auch mal einige seiner Figuren sterben zu lassen; Druan ist hier nur ein Beispiel dafür. Auch die neu eingeführten Charaktere sind Hardebusch sehr gut gelungen, denn egal ob es der Masride Tamar Bekesar oder die Trolle Kerr, Turk und Keru sind, sie sind alle interessant gestaltet und bereichern den Figurenfundus ungemein.

Der Roman liest sich sehr gut, woran Hardebuschs Schreibstil selbstverständlich einen großen Anteil hat. Die Beschreibungen der Umwelt und der Figuren sind genau richtig abgestimmt, um dem Leser ein gutes Bild zu verschaffen, ohne ihn aber dabei zu langweilen. Ebenso tragen aber die vielen nebeneinander herlaufenden Handlungen dazu bei, denn bei jedem neuen Kapitel erfolgt ein Sprung zu einem der vier Haupthandlungsstränge, was das Lesen ungemein beschleunigt, denn man will ja immer wissen, was im anderen Handlungsstrang passiert ist.

Die teilweise etwas düstere Stimmung wird immer wieder von lustigen Szenen aufgelockert. So folgt einer düsteren Schlachtenszene meist eine Stelle, die den Leser wieder zum Schmunzeln bringt. Hier stimmt einfach die Mischung. Auch die mystische Ebene wird wieder angesprochen, und zwar durch die Veränderung von Anda. Hierdurch wird nicht nur neues Konfliktmaterial aufgebaut, sondern man bekommt einen Einblick in die Mythologie der Menschen in Wlachkis sowie in die Geschichte der Trolle, was dem Ganzen eine gewisse Tiefe verleiht. Auch die Reaktion der Zwerge auf die durch Anda drohende Gefahr gefällt mir sehr gut.

Dieses Mal ist der Roman meiner Meinung nach richtig abgeschlossen, so dass eigentlich nichts direkt auf eine Fortsetzung hinweist. Das heißt natürlich nicht, dass die Trolle damit ein für alle mal abgeschlossen sind. Das Ende hat mich als Leser sehr befriedigt aus der Geschichte entlassen, auch wenn ich zugeben muss, dass ich mich trotzdem über eine Fortsetzung freuen würde.

_Fazit_

„Die Schlacht der Trolle“ ist eine äußerst gelungene Fortsetzung, in der sich Christoph Hardebusch noch einmal deutlich gesteigert hat. Der Roman ist ein extrem kurzweiliges Fantasyvergnügen, ich für meinen Teil habe ihn in kurzer Zeit verschlungen. In dieser Form muss sich Hardebusch nicht hinter den anderen Autoren dieser Romangattung verstecken, wie Markus Heitz („Die Zwerge“), Stan Nicholls („Die Orks“) oder Bernhard Hennen („Die Elfen).

Für Liebhaber der klassischen Fantasyliteratur und vor allem für die Fans des ersten Teils ist „Die Schlacht der Trolle“ ein absolutes Muss!

|Siehe ergänzend dazu:|
[„Die Trolle“ 2408
[Interview mit Christoph Hardebusch]http://www.buchwurm.info/artikel/anzeigen.php?id=65
[Teaser und Lesprobe zu „Die Trolle“]http://www.buchwurm.info/artikel/anzeigen.php?id=62
[Releaseparty: Die Schlacht der Trolle]http://www.buchwurm.info/artikel/anzeigen.php?id=75

http://www.heyne.de
http://www.hardebusch.net/

Barclay, James – Schattenherz (Die Legenden des Raben 3)

|Die Chroniken des Raben|:
[„Zauberbann“ 892
[„Drachenschwur“ 909
[„Schattenpfad“ 1386
[„Himmelsriss“ 1815
[„Nachtkind“ 1982
[„Elfenmagier“ 2262

|Die Legenden des Raben|:
[„Schicksalswege“ 2598
[„Elfenjagd“ 3233

_Story_

Nach dem Tod Ilkars macht sich der Rabe auf den Weg nach Xetesk, um die Urheber für die jüngsten Ereignisse zu stellen. Doch ein blinder Vormarsch hätte fatale Folgen, denn das dunkle Kolleg befindet sich mitten im Krieg gegen die anderen Kollegien und bereitet gleichzeitig einen Feldzug gegen Julatsa vor, um das Herz dieses Kollegs nach dem verheerenden Schlag von einst endgültig zu vernichten. Aber auch die anderen beiden Kollegien in Balaia machen von sich reden; in Lystern wird General Darrick für seine Desertion zum Tode verurteilt und kommt nur mit einer List des Raben wieder frei. Dennoch fühlt sich Darrick seinem Stammkolleg nach wie vor verbunden und unterstützt an der Seite von Hirad und Co. seinen Nachfolger Izack beim Zug gegen Xetesk.

Währenddessen bereitet Dystran, der Herr vom Berg und gleichzeitig Herrscher über Xetesk, weitere Grausamkeiten vor; ihm wird bewusst, dass in Erienne noch immer die Eine Magie weiterlebt, und versucht mit aller Macht, ihrer habhaft zu werden. Allerdings ahnt er nicht, dass Erienne und der Rabe bereits einen komplexen Plan schmieden und gemeinsam mit den Tai-Gethen schneller in seinem Kolleg sein werden, als ihm lieb ist. In einer erbitterten Schlacht, in der sowohl der xeteskianische Magier Denser als auch der Unbekannte Krieger mit ihrem Gewissen fechten müssen, versucht der Rabe, die grausamen Machenschaften von Dystran und seinen Magiern zu beenden und einen weiteren Missbrauch der gefürchteten Einen Magie zu verhindern. Aber gegen die zahlreichen Magier und Soldaten sowie den Seelenverband der Protektoren scheint es kein Durchkommen zu geben …

_Meine Meinung_

In „Schattenherz“, dem dritten Band der |Legenden des Raben|, kommt einmal mehr die emotionale Seite von Barclays Fantasy-Saga zum Tragen. Besonders die Söldnertruppe hat einige mentale Kämpfe auszutragen, die natürlich in erster Linie dem Verlust ihres langjährigen Freundes Ilkars gelten. Und das Schicksal scheint ihnen auch weiterhin nicht wohlgesonnen zu sein, denn als Darrick sein Ehrgefühl packt und er sich wegen des Verrats stellen möchte, wird erbarmungslos das Todesurteil über ihn verhängt, weil sich der einstige General nicht der Sklaverei hingeben möchte. Ein weiterer Tod droht, und ganz besonders Hirad setzt alle Kräfte ein, um den Zerfall der Einheit zu verhindern.

Zeit, um sich von diesem Zwischenfall in Lystern zu erholen, bleibt den Rabenkriegern nicht; in Julatsa droht das Herz der julatsanischen Magie zu sterben, ganz zum Wohlwollen Dystrans, der sich durch das bevorstehende Ungleichgewicht der Magie einen Vorteil für Xetesk erhofft. Als ihm dann auch noch offenbar wird, dass neben den Al-Drechar-Magierinnen auch noch eine weitere Person die Eine Magie kanalisieren und beherrschen kann, sind seinem Machttrieb keine Grenzen mehr gesetzt. Er setzt alles daran, die eigenen Forschungen zu forcieren und eines Tages Kenntnisse über die Vorgehensweise mit den Kräften der Einen Magie anzuwenden. Doch Xetesk rennt ins offene Messer, weil es einerseits die Elfenkrieger und andererseits den Raben unterschätzt.

Im Geheimen dringen sie des Nachts ins Dunkle Kolleg ein und nutzen dabei Densers Wissen um geheime Gänge und Lücken in den schmalen Katakomben. Durch ein Ungeschick wird aber dennoch der Alarm ausgelöst, so dass eine blutige Schlacht unausweichlich ist. Sowohl Denser als auch der Unbekannte Krieger, der den Seelenverband der Protektoren intensiver als je zuvor nach seiner Befreiung spürt, müssen dabei hart mit sich ringen, um sich gegen ihre einstige Heimat zu stellen. Als ihnen dann jedoch deutlich vor Augen geführt wird, wie weit Dystran tatsächlich zu gehen vermag, leisten sie selbst gegen ihre ehemaligen Verbündeten unerbittlichen Widerstand.

Rein inhaltlich geschieht in „Schattenherz“ mal wieder eine ganze Menge, und dies, obwohl der neunte Roman aus dem Raben-Katalog verhältnismäßig zäh beginnt. Die Geschichte um die Verurteilung Darricks zum Beispiel bringt die Handlung bislang eigentlich überhaupt nicht voran, wobei nicht auszuschließen ist, dass seine anschließende Flucht für den späteren Verlauf noch Folgen haben wird. Erst später, nachdem die Gemeinschaft der Elfen im Verbund mit dem Raben in Xetesk eindringt und Schritt für Schritt ihre unvorhergesehene Offensive startet, nimmt die Story wieder gewohnte Formen an und hält einen erneuten Umschwung des gesamten Handlungsablaufs bereit. Gerade zum Schluss nimmt die Weiterentwicklung der Geschichte erschreckende und zugleich revolutionäre Ausmaße an, die wiederum einmal mehr für die Faszination sprechen, die von den Raben-Romanen ausgeht. Ich will an dieser Stelle nicht zu viel verraten, aber ähnlich wie schon im vorangegangenen Roman wird man sich als beinharter Anhänger dieser Fantasy-Reihe nach der Lektüre wieder besinnen müssen, um all die überraschenden Eindrücke zu verarbeiten.

Damit wären wir auch wieder bei einer der hauptsächlichen Stärken von Barclays Meisterstück angelangt, der Unberechenbarkeit in jedem einzelnen Handlungsabschnitt, die der Autor auch im letzten Drittel von „Schattenherz“ konsequent ausspielt. Allerdings entwickelt sich die Fortsetzung von „Elfenjagd“ nur sehr behäbig fort und offenbart zwischendurch einige Längen, die für diesen Zyklus nun wirklich sehr ungewöhnlich sind. Die krassen Ereignisse und das spannungsgeladene Finale entschädigen zwar wieder für so ziemlich alles, verdrängen aber nicht den Eindruck, dass Barclay mittlerweile enorme Schwierigkeiten hat, neue Ideen zu entwickeln, die gleichzeitig auch das hohe Niveau des bisherigen Outputs bestätigen. Dank des furiosen Schlussteils und der sich daraus ergebenden Konsequenzen für die weitere Story sollte der Autor zwar nun keine Probleme mehr dabei haben, auch in Zukunft glänzen zu können, doch nach den ersten hundert bis hundertfünfzig Seiten des hier rezensierten Werks ist ein unangenehmer Beigeschmack zurückgeblieben, den es mit dem nächsten Band wieder zu tilgen gilt. Doch wie gesagt: Den Eindrücken des Geschehens in Xetesk nach zu urteilen, braucht man sich diesbezüglich keine Sorgen zu machen.

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Baxter, Stephen – Imperator (Die Zeit-Verschwörung 1)

Britannien, im Jahre 4 vor Christus: In einer eisigen Nacht wird Nectovelin in einem brigantischen Rundhaus geboren. Seine Mutter stirbt an der schweren Geburt, doch sie spricht eine Prophezeiung in Latein, der ihr völlig fremden Sprache der Römer.

|Dann schrie Brica, ein Laut, der die stille Nachtluft durchbohrte. Und sie begann hastig zu reden, ein hohes, schnelles, seltsames Gebrabbel, das Cunovic das Brut gefrieren ließ. (…) Bricas Sturzbach lateinischer Wörter versiegte jedoch immer noch nicht; Cunovic kritzelte weiter auf seine Tafel. Die Wörter waren seltsam, rätselhaft und unzusammenhängend: haushohe Pferde … kleinen Griechen … toter Marmor (…) Cunovic dämmerte allmählich, dass dies eine Beschreibung der Zukunft – oder einer Zukunft – war, eine Schilderung von Ereignissen, die erst eintreten konnten, wenn er und Brica und sie alle schon längst tot waren. Voller Furcht stellte er sich einen Zauberer in einer dunklen Zelle vor, irgendwo in der Vergangenheit oder Zukunft, der dafür sorgte, dass sich in diesem Augenblick, in dem Geburt und Tod im Gleichgewicht waren, die fremdartigen Wörter in den Kopf der hilflosen Brica ergossen – einen Zauberer, einen Weber, der die Fäden der Geschichte verwob, Fäden, die Menschenleben waren. Aber warum?|

_Stephen Baxter_

Der Engländer Stephen Baxter (* 1957) ist bekannt für seine naturwissenschaftlich fundierten Science-Fiction-Romane. Seit 1995 arbeitet Baxter hauptberuflich als Autor und wurde seitdem mit zahlreichen renommierten SciFi-Preisen wie dem |Philip K. Dick Award| und unter anderem auch dem deutschen |Kurd-Laßwitz-Preis| ausgezeichnet.

Doch Baxter ist kein Technomane, er ist vielmehr ein Visionär. Er scheut sich nicht, Handlungsbögen aus tiefster Vergangenheit über die Gegenwart bis hin in die ferne Zukunft zu schlagen, wie er es bereits in seiner |Kinder des Schicksals|-Trilogie getan hat.

Dies könnte auch hier der Fall sein, denn ohne Folgebände ist dieser erste Band von |Die Zeit-Verschwörung| ein reinrassiger |Alternate History|-Roman mit keinerlei Science-Fiction-Elementen, sieht man von der nur vermuteten Existenz eines „Webers“, der das Schicksal der Welt manipulieren möchte, ab. Dieser Roman ist nur ein extrem offener Auftakt, der leider keinerlei Hinweise liefert, in welche Richtung Baxter den Stoff weiterentwickeln will.

_Eine Rückkehr in das römische Britannien_

In derselben Zeit wie „Imperator“, dem hier besprochenen ersten Band der auf vier Bänden geplanten Serie |Die Zeit-Verschwörung|, spielt übrigens auch „Der Orden“. Baxter-Kenner könnten aus dem dritten Band der |Kinder des Schicksals|-Trilogie, [„Transzendenz“, 3193 unter Umständen Rückschlüsse ziehen, um wen oder was es sich bei dem ominösen „Weber“ handelt, allerdings gibt es darauf leider keine weiteren Hinweise.

Stephen Baxter hat sich bereits öfter in die Zeit der römischen Besetzung Britanniens verirrt, und seine Kenntnisse dieser Zeit und der Geschichte Britanniens sind wirklich profund. Wie er dieses Mal den Bogen zur Science-Fiction schlagen möchte, bleibt wie gesagt leider offen, aber auch als |Alternate History|-Autor kann er überzeugen.

Die erwähnte kryptische Prophezeiung steht im Mittelpunkt, die ein von Urahn Cunovic vermuteter „Weber“ seiner Familie gesendet hat. Aber warum und zu welchem Zweck, kann nur vermutet werden. Der Leser begleitet die Familie Cunovics durch die Jahrhunderte. Jeder Nachfahre interpretiert sie auf seine Weise, erlebt, wie die Prophezeiung wahr zu werden scheint, nur um enttäuscht zu werden. Ebenso droht sie verloren zu gehen, nachdem ein Teil der Familie verarmt ist und in die Sklaverei gezwungen wird.

_Chronologie einer Prophezeiung_

Die Geschichte der Interpretation der Weissagung beginnt mit Nectovelin, der in dem Wortlaut der Prophezeiung den Auftrag und die Deutung sieht, dass Britannien von den Römern frei sein wird. Er wird Augenzeuge der römischen Landung und wirft sich der Invasion entgegen – doch er verliert sein Leben und das Land seine Freiheit. Seine Base Agrippina überlebt und mit ihr die Prophezeiung.

Jahrhunderte später sieht seine ferne Nachfahrin Severa eine Chance auf Reichtum. Die Prophezeiung spricht von einer „steingewordenen Schlinge“ im Norden Britanniens. Kaiser Hadrian plant, eine Grenzbefestigung zu bauen – und Severa arbeitet darauf hin, dass der Wall nicht aus Grassoden, sondern aus Stein besteht. Getrieben von der Prophezeiung und Profitgier verheiratet sie ihre Tochter Lepidina mit dem Eigentümer eines Steinbruchs.

Doch auch zu dieser Zeit wird die Prophezeiung nicht wahr, Britannien nicht frei. Severas Nachkommenschaft versinkt in Sklaverei, nur in Form eines auf den nackten Rücken tätowierten [Akrostichons]http://de.wikipedia.org/wiki/Akrostichon können die Worte des Webers überdauern. Spätere Generationen verbinden einen Teil der Prophezeiung – „Erhoben in Brigantien, wird später er in Rom gepriesen, Paladin eines Sklavengottes, am Ende selbst ein Gott“ – mit dem Aufstieg des Christentums unter Kaiser Konstantin. Will der Weber den Tod des Kaisers und das Ende des Christentums?

Der Sklave Atrox, ferner Nachkomme Severas, wird das Leben Kaiser Konstantins in der Hand halten. An seiner Entscheidung hängt die Zukunft Britanniens.

_Aufstieg und Fall Roms aus britannischer Sicht_

„Imperator“ hätte eine kontrafaktische Erzählung werden können. Doch Baxter folgt exakt dem geschichtlichen Verlauf. Drei Kaiser, die nicht nur aus britannischer Sicht von Bedeutung sind, werden hervorgehoben. Kaiser Claudius als Eroberer Britanniens und Mauretaniens steht für das expansive Zeitalters des römischen Reichs. Das römische Heer selbst ist nicht nur eine Eroberungsmaschine, es schafft mit seiner Verwaltung, seinen Kastellen und seiner Disziplin auch römische Kultur, die nach und nach fast alle Britannier zu Bürgern Roms, echten Römern, macht. Kaiser Hadrian baut einen Wall, er zieht Grenzen und sichert, was vorhanden ist. Baxter betont dies als einen Wendepunkt in der Strategie und des Wesens des römischen Reichs. In den Provinzen verfällt die Disziplin, lokale Volksstämme und ihre Bräuche gewinnen an Einfluss, Britannien wird in der Folge eine Vielzahl von Usurpatoren hervorbringen.

Mit Konstantin I. beginnt zwar noch lange nicht der Fall des römischen Reichs, aber Baxter sieht hier schon den Keim des Untergangs aufgehen, der während der Zeit Hadrians gelegt wurde. Seine Regierungszeit steht im Zeichen des Aufstiegs Konstantinopels (damals noch Byzantion, erst nach dem Tod des Kaisers wurde die Stadt umbenannt) zur Hauptstadt und der nach ihm benannten konstantinischen Wende, mit welcher der Siegeszug des Christentums begann. Diese nahm ihren Ursprung in der Verwendung des Christusmonogramms in der Schlacht an der Milvischen Brücke im Jahr 312.

Hier kann man nun trefflich spekulieren. Der Sklave Atrox gewinnt für sich und seine Nachkommen die Freiheit: War das die Prophezeiung? Was beabsichtigt der Weber? Hat überhaupt eine Generation seiner Familie irgend etwas bewirkt, hat sie die Prophezeiung wahr gemacht, verhindert, oder hat diese sich als wahr erwiesen, egal welche Schlüsse man aus ihr abzuleiten versuchte? Welche Bedeutung wird das Christentum für den weiteren Verlauf der Geschichte und der Prophezeiung haben?

_Fazit:_

Trotz der Wissensvorteile, die Leser, Rezensenten und Kenner Stephen Baxters gegenüber Nectovelins Nachkommen haben, sind sie am Ende genauso ratlos. Baxter gibt keine Erklärungen zu der Prophezeiung ab, der Sinn der Prophezeiung bleibt auch nach dem Ende des Romans kryptisch und vage. Dies macht den Reiz der Geschichte aus, gleichzeitig wird diese Lust zum Frust – denn Baxter erbarmt sich mit keinem noch so kleinen Fingerzeig seiner Leser, man kann nur hoffen, dass der Folgeband „Eroberer“ ein wenig mehr Licht in vermeintliche Absichten des „Webers“ bringt.

Was Baxter geschaffen hat, findet man im Titel des Romans: Anhand dreier Imperatoren Roms schildert er Aufstieg, Stagnation und Fall des Reichs – aus britannischer Sicht. Ein lupenreiner Historienroman aus einer interessanten Perspektive, nämlich der einer über Jahrhunderte beteiligten Familie. Dabei bleibt es nicht aus, dass die Charaktere austauschbar sind. Eine Hauptfigur gibt es nicht, die Generationen der Familie wechseln sich ab. Sie sind nur Statisten, die große Idee der Prophezeiung und die gesamte Vielfalt der Geschichte stehen im Mittelpunkt. Hier bietet Baxter seinen Lesern sehr viel, setzt aber auch sehr viel Wissen der römischen und britannischen Geschichte voraus. Er weist nicht gesondert darauf hin, welche geschichtliche Bedeutung Konstantin I. hatte; hier muss man Baxters Gedanken folgen können, er lädt zum Denken ein, ohne selbst allzu sehr zu kommentieren, um die Gedanken des Lesers in von ihm gewünschte Bahnen zu lenken. So sehr ich diese Vorgehensweise auch schätze, der Nachteil ist, dass sie rücksichtslos davon ausgeht, dass der Leser Baxter folgen kann, was bei dem vorausgesetzten Wissen seine Gedankengänge sicher für viele Leser hermetisch unzugänglich erscheinen lässt.

Da die gesamte Serie als Science-Fiction vermarktet wird, kann ich mir vorstellen, dass viele Fans des Science-Fiction-Autors Baxter von ihr enttäuscht sein werden. Denn ob diese bisher rein historische Sachverhalte reflektierende und illustrierende Quadrologie noch die Wende zu einem noch so kleinen Anteil Science-Fiction schaffen wird, kann man nicht sagen, es gibt keinerlei Anzeichen dafür.

Wer historische Romane liebt und mit Baxters viele Romane überspannenden Handlungsbögen etwas anfangen kann, sollte „Imperator“ eine Chance geben. Wer [„Der Orden“ 1040 geschätzt hat, wird mit „Imperator“ sogar noch eine Steigerung erfahren. Alle Leser die Science-Fiction lesen möchten, seien gewarnt; diese Quadrologie ist für das Genre atypisch und schwer einzuordnen. Das englische Genre der |Alternate History| beschreibt sie am besten.

Das Ende des Romans gibt einen Hinweis auf den Folgeband „Eroberer“, der im Jahr 1066 spielen wird. Isolde, eine ferne Nachfahrin Nectovelins, gebiert ein Kind, und die Worte der Prophezeiung entströmen erneut ihrem Mund – diesmal jedoch auf sächsisch!

|“Weshalb spricht sie sächsich?“, knurrte Tarcho. „Die Zukunft ist brigantisch, nicht sächsisch!“ (…) Nennius‘ Stimme klang verblüfft. „Leben, Freiheit und das Streben nach Glück? Was hat das zu bedeuten? Wenn das die Worte des Webers sind, was ist das für ein Traum? Oh, was hat das zu bedeuten?“|

Der erwähnte „Eroberer“ des Jahres 1066 ist Wilhelm der Eroberer. Seine Zukunft wird ebenfalls von den prophetischen Worten beeinflusst, die selbst die Brandschatzung des Klosters Lindisfarne überdauern und seine Entscheidungen beeinflussen werden. Auf Baxters Homepage findet man zudem einige weitere Hinweise: Der dritte Band wird Kolumbus und das Jahr 1492 thematisieren, der vierte Band Großbritannien im Jahr 1940, zur Zeit der Luftschlacht um England.

Wohin Baxter diese Quadrologie führen wird, ist nicht abzusehen. Wem dies zu wenig ist, der sollte von ihr Abstand nehmen. Der von Baxter gewählte Erzählstil kann nur polarisieren. Wer Baxters historische Reflexionen und das Genre der |Alternate History| zu schätzen vermag, sollte definitiv zuschlagen.

Offizielle Homepage des Autors:
http://www.stephen-baxter.com/

Verlagshomepage:
http://www.heyne.de

Hennen, Bernhard – Elfenlicht

[„Die Elfen“ 2169
[„Elfenwinter“ 2185

_Story_

Schwertmeister Ollowain muss schmerzlich feststellen, dass der Krieg zwischen Elfen und Trollen noch immer nicht ausgestanden ist. Gemeinsam mit Elfenkönigin Emmerelle sieht er der schwersten Schlacht gegen Skanga und die fürchterlichen Trollwesen entgegen und erahnt aufgrund der spürbaren Unterlegenheit seines Volkes bereits die Niederlage und den Untergang der Elfen.

Während die feindliche Armee sich in unbarmherzigem Tempo der königlichen Festung nähert, schmiedet Emmerelle einen verhängnisvollen Plan; sie benutzt den sagenumwobenen Albenstein, um mit dessen Hilfe den Albenpfad, auf dem die Trolle gerade marschieren, zu vernichten und sie ins Jenseits zu befördern. Die hilflosen Trolle werden tatsächlich geschlagen und fallen ins Reich der Schatten hinab, wo sie bereits von den fürchterlichen Yingiz empfangen werden.

Allerdings haben die Elfen im Anschluss an diesen Etappensieg kaum Grund zum Feiern; die Zerstörung des Albenpfads beeinträchtigt gleichzeitig die Harmonie im Gefüge der Welten und beschafft den Schattenwesen einen leichten Zugang nach ALbenmark. In Windeseile haben sich die Schatten im ganzen Land breitgemacht und dem erhofften Frieden einen schweren Rückschlag bereitet. Emmerelle setzt auf ihre letzte Trumpfkarte und entsendet Ollowain und die junga Lutin Ganda ins einst freie Land, um dort eine Lösung für die Bekehrung des Schattens zu finden. Doch die Aussicht auf Erfolg wird von Stunde zu Stunde geringer, denn schneller als befürchtet muss sich Albenmark unfreiwillig der Finsternis beugen.

_Meine Meinung_

Erfolgsautor Bernhard Hennen schließt mit dem dritten Teil seiner Elfensaga die zuletzt in „Elfenlicht“ forcierte Handlung in einem bombastischen Finale ab, welches noch einmal von zahlreichen epischen Schlachten und mystischen Geheimnissen durchsetzt ist. Die Geschichte knüpft dabei nahtlos an die Ereignisse des vorangegangenen Romans an und beschreibt den ungelösten Konflikt zwischen den Völkern der Elfen und der Trolle.

Nach wie vor müssen Emmerelle und ihre Gefolgsleute um den Untergang ihres Stammes fürchten, zumal die letzte Offensive der Trolle ungestümer und brutaler scheint als alles zuvor Erlebte. Ollowain und die Königin sind sich beinahe sicher, dass ihr Schloss dem erneuten Ansturm nicht standhalten kann, und beschließen, von Zweifeln übermannt, den Albenstein einzusetzen und sich mittels der daraus hervorgehenden Magie ihrer Gegner zu entledigen.

Der Triumph scheint nach dem erfolgreichen Gegenschlag vor Augen, doch bevor man sich versieht, ist man noch einer weitaus schwerwiegenderen Bedrohung ausgesetzt, der man mit normalen Waffen kaum noch beikommen kann. Die Yingiz machen sich im ganzen Land breit und überziehen es mit Angst und Schrecken. Lediglich Ollowain und Ganda tragen den verbliebenen Hoffnungsschimmer bei sich, doch dieses Mal scheint selbst der erfahrene Schwertmeister mit der Situation überfordert. Das Schicksal seines Volkes scheint unvermeidbar.

Hennen hat sich im dritten Band der Trilogie vorwiegend auf die Inhalte konzentriert, die bereits die ersten beiden Büchern zu lesenswerten und im weitesten Sinne auch anspruchsvollen Fantasy-Werken haben werden lassen. Die Spannungskurve ist dabei vergleichbar mit dem vielzitierten „Herr der Ringe“, denn auch hier fügen sich im letzten Teil noch viele Geheimnisse zusammen, die Hennen einst offen gelassen hat, und auch hier ist der dritte Teil geprägt von erbarmungslosen Schlachten und teils auch furchtbarem Gemetzel. In Sachen Brutalität hat der Autor mit „Elfenlicht“ den Höhepunkt seines Schaffens im Bereich der Elfenromane gesetzt, es aber gottlob nie übertrieben. Die Kampfdarstellungen wirken authentisch und glaubwürdig und arten nicht zu Endloskriegen aus, wobei jederzeit die Gefahr besteht, dass sich ein ebensolcher anbahnt. Hennen jedoch umschifft dies sehr geschickt, indem er eine Schlachtszene mit einer plötzlichen Wendung des Geschehens zum Ende führt, gleichzeitig aber auch wieder neue Szenarien entwickelt, die noch Pompöseres erwarten lassen – so zum Beispiel ganz prägnant bei der Zerstörung des Albenpfads, der nach einem etwas zähen Beginn merklich dazu beiträgt, dass die Handlung Fahrt aufnimmt.

Kritik gilt es indes bei der Entwicklung der Charaktere anzubringen. Woran es „Elfenlicht“ eigentlich bis zum Schluss mangelt, sind Identifikationsfiguren und Protagonisten im Allgemeinen. Emmerelle kann dieser Rolle nicht mehr gerecht werden und auch Ollowain erlangt auf seiner späteren Reise nicht die Position des tragenden Helden. Gleiches gilt für die feindliche Seite, die im Kollektiv auftritt und keinen echten Bösewicht vorzeigen kann. Problematisch ist all dies speziell vor dem Hintergrund, dass eine subjektive Orientierung kaum gewährleistet ist. Man verfolgt lediglich das allgemeine Geschehen, jedoch aus keiner eindeutigen Perspektive. Klar, im Endeffekt hält man natürlich zu den Titelgestalten, aber gerade bei einem erneut so üppig bestückten Buch wäre es äußerst wünschenswert gewesen, wenn man etwas Konkretes über die gesamte Distanz hätte verfolgen können und nicht allzu viele unabhängige Teilaspekte – selbst wenn diese zum Schluss hin ein homogenes Ganzes ergeben.

Eine weitere Schwierigkeit ist die Gestaltung der Endszenen. Zu sagen, Hennen würde abrupt einen Strich machen, wäre zwar übertrieben, doch nach der epischen Untermalung des dreiteiligen Plots wäre eine konsequente Fortführung dieser Form auch in der Schlusssequenz absolut angebracht gewesen. Der Autor versteift sich aber leider darauf, ein rasches Schlussmoment zu inszenieren, das mal wieder einige unbeantwortete Fragen hinterlässt.

Natürlich hält er sich damit auch das kleine Hintertürchen auf, eines Tages einen weiteren Roman um die Elfen zu verfassen – auch wenn ich mir das nach Abschluss der Geschichte jetzt schwer vorstellen kann -, aber die feine Art ist das sicher nicht.

Schlussendlich möchte ich meine Rezension allerdings nicht zu sehr auf die kritischen Inhalte fokussieren, denn im Grunde genommen ist auch „Elfenlicht“ ein weiteres umwerfendes Fantasy-Epos aus der Feder eines der begabtesten Genre-Autoren dieses Landes. Hennen wird den Erwartungen an die Fortsetzung inhaltlich und auch stilistisch zu nahezu einhundert Prozent gerecht und ermöglicht einige lange Schmökerabende mit den Elfen um Königin Emmerelle und Ollowain. Wer die beiden Vorgänger bereits gelesen hat, darf „Elfenlicht“ deswegen natürlich auch nicht verpassen!

http://www.bernhard-hennen.de/
http://www.heyne.de

Gaiman, Neil – Sternwanderer

Wall ist ein kleines, abgeschiedenes, von dichtem Wald umgebenes Dörflein einige Tagesreisen von London entfernt. Hier hat sich irgendwann in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts – Königin Victoria ist noch eine junge Frau – der junge Tristran Thorn in die schöne Victoria Forester verliebt. Sie zeigt ihm die kalte Schulter, denn sie wünscht sich einen erfolgreichen und vermögenden Gatten, keinen romantischen Träumer, der im Laden des Dorfkaufmanns aushilft. Um den lästigen Verehrer loszuwerden, gibt Veronika vor, ihn erhören zu wollen, sobald er ihr einen Stern bringt, der vom Himmel auf die Erde gefallen ist.

So ein Schnuppensturz hat sich gerade ereignet, doch es gibt ein Problem: Der Stern ist ausgerechnet an einer Stelle jenseits der Dorfgrenze niedergegangen, über den die Bürger von Wall ungern sprechen. Hinter einer hohen Mauer erstreckt sich das Feenreich. Zwischen Menschen und Elfen herrscht ein gespannter Waffenstillstand. Solange ein jeder auf seiner Seite bleibt, gibt es keine Schwierigkeiten. Doch im Reich der Feen locken wundersame Schätze, und so machen sich immer wieder Glücksritter dorthin auf. Allerdings kommen sie in ein Land, in dem die uralte Magie noch stark ist. Die Elfen spielen ihren Besuchern gern grimmige Streiche. Außerdem gibt es in ihrem Land Wesen, denen man lieber nicht begegnen möchte …

Tristran kann dies nicht zurückhalten. Um das Herz seiner Victoria zu erweichen, würde er sich sogar den Mächten der Hölle stellen. Wie sich bald herausstellt, ist das angesichts der magischen, aber gar nicht zauberhaften Realität des Feenreiches die richtige Einstellung. Aber Tristran ist nicht ohne Schutz, ist er doch der Spross eines vom Vater gern verschwiegenen Seitensprungs mit einer Elfe, die ihn nach der Geburt auf der Schwelle zum Feenreich ausgesetzt hat. Freilich kann er nicht wissen, dass der Stern, der da vom Himmel gestürzt ist, die Gestalt eines hübschen Mädchens besitzt und den Namen Yvaine trägt – oder dass sich außer Tristran auch die finsteren Lords von Stormhold und die böse Hexenkönigin der Lilim auf die Suche nach dem Stern begeben haben …

Noch gar nicht so lang ist es her, als die Menschen fest davon überzeugt waren, diese Welt mit allerlei Sagengestalten zu teilen. Auf dem Land mied man des Nachts gewisse Plätze, weil dort Geister, Einhörner, Kobolde und natürlich Elfen ihr Unwesen trieben. Das waren noch nicht die niedlichen Disney-Feen, sondern zwar nett anzuschauende, aber recht wilde, mit Zauberkräften sowie einem verqueren Sinn für Humor ausgestattete Gestalten, um die man besser einen Bogen schlug.

Erst im Zeitalter der Aufklärung, d. h. ab dem späten 18. Jahrhundert, begann sich solcher (Aber-)Glaube (sehr) langsam zu verflüchtigen. Allzu viel Vernunft ist aber auf die Dauer ernüchternd: Im späten 19. Jahrhundert sehnten sich die Menschen nach den davon gejagten Fabelwesen zurück. Im viktorianischen England nahmen solche romantischen Reminiszenzen recht abstruse Formen an: Elfen und Feen wurden „wissenschaftlich“ erforscht. Die gerade erfundene Fotografie bot die willkommene Möglichkeit, den übernatürlichen Gästen auf mondbeschienenen Waldlichtungen und an ähnlichen Orten aufzulauern. Es dauerte nur kurz, bis die ersten Erfolge gemeldet, d. h. Bilder präsentiert wurden – plumpe Fälschungen, die der heutige Betrachter sofort entlarvt und herzlich belacht. Doch in der Frühzeit der Fotografie wurden solche Bilder noch leicht für bare Münze genommen: Einer der vehementesten Jünger der Elfenjäger war ausgerechnet Arthur Conan Doyle, der geistige Vater des so überaus rationalen Sherlock Holmes.

Auf diesem Nährboden aus Volksglaube und viktorianischer Schwärmerei setzt Neil Gaiman seine Geschichte an. Sie trägt deutlich märchenhafte Züge, wird aber auf der anderen Seite sachlich und klar erzählt; eine glückliche Mischung, die es auch dem „erwachsenen“ Leser leicht macht, sich auf die Handlung und ihre Figuren einzulassen. Gaimans Dörflein Wall ist Teil einer Welt zwischen Traum und Wirklichkeit. Nur wenige Tagesreisen entfernt liegt das London „unserer“ Welt (bzw. das frühindustrielle London des 19. Jahrhunderts), aber in Wall leben Menschen mit Elfen und anderen Sagengestalten buchstäblich Tür an Tür. Dies glaubhaft zu schildern, ist eine heikle Aufgabe, aber Neil Gaiman trifft den Ton genau. Das Feenreich ist kein Ort überirdischer Heiterkeit, und Regeln gibt es dort wie hier, doch werden Verstöße jenseits der hohen Steinmauer von Wall wesentlich einfallsreicher und unbarmherziger geahndet!

Dass Neil Gaiman so erfolgreich ist in seinem Bemühen, Tristrans Abenteuer lebendig wirken zu lassen, kommt nicht von ungefähr: Er hat lange und erfolgreich geübt, ist er doch der geistige Vater des „Sandman“, Held der düster-poetischen Comic-Reihe gleichen Namens. Der „Sandman“ ist der Herrscher über das Reich der Träume (und Albträume). Er wacht über den Schlaf der Menschen, denen er jedoch ansonsten gleichgültig oder sogar gefühllos gegenübertritt – ein fremdartiges Wesen, das dem Menschen ähnelt, aber im Grunde wenig mit ihm gemeinsam hat.

Wie der „Sandman“ verhalten sich auch Gaimans Zauberwesen. Das macht sie unberechenbar – und gefährlich. Aus der stets offenen Frage, wie sie und ihre geisterhaften Verwandten sich verhalten werden, bezieht „Sternenwanderer“ einen Großteil seiner Spannung. Aber nicht die Handlung steht im Vordergrund: Tristrans Abenteuer sind (nüchtern betrachtet) Variationen dessen, was z. B. Lewis Carroll seine Alice im Wunderland und besonders im Reich hinter den Spiegeln erleben lässt. Es dominiert die eigentümlich traumhafte Stimmung, die über „Sternenwanderer“ liegt, und dem Roman seine ganz besondere Prägung verleiht. Dies ist nicht die viel zu üblich gewordene tolkieneske Reißbrett-Fantasy, sondern eine Gesichte mit eigener Stimme. Trockener britischer Witz („Die Kinder waren offen gesagt überhaupt keine Hilfe“ ist eine recht untypische Danksagung …) abseits des Pratchettschen Brou-har-har-Kalauerns ist die Kirsche auf der Torte.

Die Qualitäten des „Sternwanderers“ blieben weder den Lesern noch den stets aufmerksam nach Erfolg versprechenden Stoffen spähenden Filmleuten Hollywoods verborgen: 2006 inszenierte Matthew Vaughn „Stardust“ mit einem zwar weitgehend unbekannten Charlie Cox als Tristran Thorn in der Hauptrolle; die Nebenrollen sind indes erlesen besetzt mit jungen, älteren und alten Stars wie Sienna Miller, Clare Danes, Robert De Niro, Michelle Pfeiffer oder Peter O’Toole, und als Erzählstimme im Hintergrund lässt sich zumindest im O-Ton Ian „Gandalf“ McKellan genießen.

Zum deutschen Kinostart bringt der |Heyne|-Verlag die hier schon 2000 erstmals erschienene Buchvorlage neu heraus. Gelockt wird der neugierige Leser mit „exklusivem Zusatzmaterial von Neil Gaiman“. Darauf sollte man sich freilich nicht gar zu sehr freuen, beschränkt sich dieses doch auf ebenso kümmerliche wie lieblos zusammengestellte 16 Seiten, die wenige interpretative Bemerkungen des Autors zu seinem Werk, einen zusätzlichen Prolog und ansonsten viel Werbung für die sonst bei |Heyne| erschienenen Gaiman-Bücher beinhalten.

http://www.heyne.de
http://www.der-sternwanderer.de/
http://www.stardustmovie.com

_Neil Gaiman bei |Buchwurm.info|:_
[„American Gods“ 1396
[„Coraline – Gefangen hinter dem Spiegel“ 1581
[„Die Wölfe in den Wänden“ 1756
[„Die Messerkönigin“ 1146
[„Keine Panik! – Mit Douglas Adams per Anhalter durch die Galaxis“ 1363
[Verlassene Stätten 2522 (Die Bücher der Magie, Band 5)
[Abrechnungen 2607 (Die Bücher der Magie, Band 6)
[„Sandman: Ewige Nächte“ 3498

Armin Rößler, Heidrun Jänchen (Hrsg.) – LAZARUS

Bei »LAZARUS« handelt es sich um eine Sammlung von fünf längeren Geschichten bereits aus den Sammlungen von »Deus ex machina« bis »Tabula rasa« bekannter Autoren. Armin Rößler und Heidrun Jänchen selbst, die Herausgeber der Science-Fiction-Reihe des Wurdack-Verlags, sind natürlich mit dabei. Außerdem Andrea Tillmanns und Bernhard Schneider, beide Gewinner der Storyolympiade und Verfasser vieler Geschichten, sowie Petra Vennekohl.

»Novellen« nennen die Herausgeber die Geschichten in Ermangelung eines adäquaten Ausdrucks und begeben sich damit auf Neuland, denn wer erinnert sich noch an deutsche Science-Fiction-Novellen? Allerdings stellen sie in ihrem Vorwort klar, dass sie nicht den Anspruch haben, Novellen in literaturwissenschaftlich exakter Form zu liefern, sondern diese Bezeichnung auf Grund der wichtigsten Attribute der Novelle gewählt haben: Geschichten, zu lang für eine Kurzgeschichte und zu kurz für einen Roman, die gut unterhalten wollen. Und ich nehme es vorweg: Sie tun es!

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Biermeyer, Thomas – Namenlose Wächter, Der

_Frisches Blut im deutschen Fantasy-Underground._

Die Fantasy-Szene wird überrannt von Tolkien-Nacheiferern, das ist nichts Neues, ebenso wenig wie der moderne |chique|, den einzelnen Völkern des Fantasy-Genres ein besonderes Augenmerk zu gönnen. Thomas Biermeyer gehört nicht zu ihnen, den „Me-Toos“, die auf ein aktuelles Konzept aufspringen, um einen Verlag auf sich aufmerksam zu machen. Der 22-jährige Wolfenbüttler hat kein „Die Zentauren“, „Die Balrogs“, oder „Die Waldnymphen“ geschrieben, er hat sich ein eigenes Konzept ausgedacht, hat Fantasy mit Science-Ficton und „Realwelt-Roman“ verknüpft und konnte damit den |Arrival|-Verlag für sich gewinnen:

_Geheimnisvolle Parallelwelt-Fantasy._

Charlie Auwalder ist 20 Jahre alt, seine Mutter ist gestorben und sein Vater daran zerbrochen. Auf diese Weise um seine Lebensfreude gebracht, sinniert Charlie trübsinnig in den Tag hinein und streift einsam durch die Wälder. Als ihn aber eines Tages die Müdigkeit überkommt, findet er nach seinem Erwachen seine Umwelt verändert vor. Halb neugierig und halb ängstlich macht sich Charlie daran, seine Umgebung zu untersuchen und findet ein militärisches Kampffahrzeug, dessen Besitzer aus nicht erkennbarem Grund erstarrt sind. Charlie beschäftigt sich mit dem Fahrzeug und erkundet bald das seltsame Land, in dem er sich befindet. Es scheint menschenleer zu sein, bis er eines Tages auf eine Festung stößt, vor der ein alter Mann von fremdartigen Kriegern angegriffen wird. Mithilfe seiner modernen Waffen schlägt Charlie die Feinde in die Flucht und hat sich so das Vertrauen des alten Mannes gesichert, der ein wichtiger Machthaber ist.

Weil sich auch mit Magie nichts über Charlies Vergangenheit herausfinden lässt (und Charlie ihnen Amnesie vorgaukelt, um nichts von seinem „normalen Leben“ berichten zu müssen), bekommt er den Beinamen „Namenloser Wächter“ und darf am Unterricht in der Festung teilnehmen. So erfährt er, dass er sich im Land Chomah befindet und erlernt den Umgang mit Ly’um, jener Kraftquelle, die die Bewohner von Chomah verwenden, um Magie zu erzeugen. Eines Tages jedoch, als sein Kumpel Jonathan im Wettkampf schwer verletzt wird, erleidet Charlie einen Blackout, träumt von der „realen Welt“, und als er wieder in Chomah erwacht, sieht ihn jeder verängstigt an, weil er sich in einen tobenden Berserker verwandelt hat, der nicht nur Jonathans Gegner vernichtete, sondern Jonathan beinahe gleich mit.

Das ruft einen düsteren Burschen namens Noctus auf den Plan. Er kämpfe auf dem Terrain der Dunkelheit, behauptet er, um die Kreaturen des Dunklen zu bekämpfen. Sein Wunsch sei es, dass Charlie seiner Vereinigung beitrete, um an diesem Kampf teilzuhaben. Charlie willigt ein und wird daraufhin zum Assassinen ausgebildet. Das ist auch bitter nötig, denn eines Tages fallen unbekannte Schattenwesen über Chomah her und lassen nur wenige am Leben. Charlie sieht seine Aufgabe darin, die wenig verbliebenen Menschen und Völker zu vereinen, um einen vernichtenden Schlag gegen die Schattenwesen auszuführen und um deren Geheimnis zu ergründen. Aber sein Weg ist mit Aufgaben und Prüfungen gespickt, wird von Misstrauen und Vorurteilen erschwert. Darüber hinaus erwacht er immer öfter in der „realen Welt“, aber auch dort scheint nicht alles so geblieben zu sein, wie es sollte …

_Gehversuch eines jungen Fantasten._

Thomas Biermeyer hat sich Mühe gegeben: Er hat sein Land Chomah mit unterschiedlichen Völkern besiedelt und Gilden ersonnen, die sich durch unterschiedliche Fähigkeiten auszeichnen. Es gibt Sympathien und Antipathien, Charlie muss sich durch eine Reihe von Widrigkeiten kämpfen, die Schattenwesen sind furchteinflößende Gegner; die Gründe für Charlies Erwachen in Chomah sind mysteriös, die Story entwickelt durch das Wachstum von Charlies Fähigkeiten einen gewissen Rollenspiel-Charme und die Idee mit der Zwischendimension Zél ist einfach nur klasse.

Auch hat Biermeyer meistens einen angenehmen Schreibstil, der Bilder erzeugt und Empfindungen auslöst, der außerdem versucht, moderne Sprache mit dem typischen Fantasy-Pathos zu verknüpfen. Letzteres gelingt manchmal, aber beileibe nicht immer. So trifft Charlie auf die geheimnisvolle Schönheit Luv, die „Jägerin“, und bandelt mir ihr an. Nur klingt das eher nach Single-Party-Dialog als nach Fantasy, und als Charlie dann später bei ihr landen kann, bricht der Autor nach einer angenehm sinnlichen Schilderung mit einem „Ihre Nippel waren steif“ so brutal aus aller Ästhetik heraus, dass es einem (zumindest mir) die Fußnägel hochrollt.

Die Figuren zeichnen sich zwar nicht wirklich durch Tiefe aus, sind aber sauber gezeichnet, und da stört es auch nicht weiter, dass man den Bösen an der schwarzen Kleidung und den Guten an der weißen erkennen kann, den Unsympathen an verfaulten Zähnen, an fettigen Haaren, aufgedunsenem Gesicht und kleinen Äuglein. Wichtig ist, dass die Figuren ihre Charaktereigenschaften durchhalten, dass sie einen eigenen Kopf haben und sich nicht vom Autor herumschubsen lassen, wie es ihm beliebt. Wenn man auch einräumen muss, dass manche Konflikte zwischen den Figuren schlicht Seifenoper-Charakter haben, besonders wenn es um Herzensangelegenheiten geht.

Ein deutlicher Schwachpunkt betrifft die Spannung. Thomas Biermeyer lässt den Entwicklungen ihre Zeit und das ist durchaus in Ordnung, nur bei den Schlachten, Kämpfen und Gefechten funktioniert es nicht. Kämpfe erscheinen lang und zähflüssig, weil sie der Autor ausgiebig schildert. Dagegen spricht prinzipiell überhaupt nichts, aber die Bilder, die Biermeyer verwendet, sind manchmal zu schwach, manchmal viel zu bemüht („Ein unglaublicher Schmerz durchfuhr mich. Dieses Mal war es mehr wie eine rostige Säge, mit der man versuchte, mir Organe zu entnehmen. Ich kam nicht umhin aufzuschreien.“ Und manchmal zu „erzählt“: („Sie […] waren so abartig entstellt, dass es mir grauste“).

Minuspunkte muss ich leider auch dafür verteilen, dass Thomas Biermeyer hin und wieder versucht, Humor in die Story einfließen zu lassen. Nichts gegen gelegentliche Augenzwinkereien, schelmische Bemerkungen oder schlagfertige Dialoge, solange sie organisch sind und zur Situation passen. Nicht zur Situation passt es jedenfalls, wenn eine ernsthafte Story bei einem lebensgefährlichen Kampf gegen ein bisher unbesiegtes Ungeheuer, plötzlich in skurrile Blödelei abrutscht.

Denn ernsthaft ist die Story schon, sie fußt auf einer Grundidee, die überaus solide ist, auch wenn man nicht unbedingt jede Auflösung unter „glaubwürdig“ verbuchen kann. Vor allem die „Realwelt-Auflösung“. Biermeyer hat während seines Romans sehr viele Zitate und Anspielungen auf Bücher und Filme eingebracht, was dem „Namenlosen Wächter“ durchaus einen zusätzlichen Charme verleiht, aber beim „Realwelt“-Schluss hat sich der Autor doch etwas arg von einem aktuellen Metzel-Blockbuster inspirieren lassen …

_Semi-Empfehlung mit Altersbonus._

So. Genug des Tadels. Diese obige Fazit-Passage liest sich hart, aber man muss die Begleitumstände beachten. Biermeyer hat Potenzial und Ambitionen, das zeigen nicht nur die vielen Illustrationen, die im Buch zu finden sind, sondern auch das liebevoll erdachte Universum. Seinen „namenlosen Wächter“ kann ich trotzdem nicht reinen Gewissens empfehlen, zu viele Schwächen sind darin, zu viele offene Fragen, zu viele stilistische und sprachliche Holprigkeiten und zu viele Längen. Das sind aber alles Dinge, an denen man arbeiten kann. Biermeyers Schreibe ist (noch) ungeschliffen und wird kaum anspruchsvolle Leser begeistern können, aber wer ein Herz für unverfälschten Underground hat, könnte an Biermeyers Ideen durchaus seine Freude haben. Eines darf man dabei ohnehin nicht vergessen: Der Autor hat es mit 22 Jahren geschafft, einen Roman zur Druckreife zu bringen, und mit diesem Altersbonus im Hintergrund, ist „Der Namenlose Wächter“ eine mehr als solide Leistung, die neugierig macht, was man von Thomas Biermeyer noch erwarten darf, wenn er sich erst mal freigeschwommen hat!

http://www.AnderweltVerlag.de

Feiler, Marion – Faron – König von Callador (Band 1)

_Ambitioniertes Projekt mit Multimedia-Unterstützung._

Jeder Tropfen Herzblut ist spürbar, wenn man auf Marion Feilers Homepage pilgert, um sich weitere Informationen zu verschaffen, über ihren aktuellen Fantasy-Zyklus „Faron“. So wird dort der interessierte Neuling ebenso wie der „alte Hase“ über die Welt Soramenis aufgeklärt: Der Stadtschreiber Xandos führt durch die einzelnen Seiten, gewährt dem Neugierigen einen genauen Blick auf die virtuelle Landkarte und zeigt ihm sehr ansprechende Grafik-Designs, die so gut wie alle Handlungsschauplätze zeigen (!!!), Szenen aus „König von Callador“ und auch Faron selbst, zusammen mit seinem Wolf Bargo und seinem Pferd Charr.

Die Autorin selbst beschreibt ihren Zyklus um den Antihelden Faron als „mittelalterliches Kriegsepos mit Fantasyelementen“, darüber hinaus als „(hobby-)psychologische[n] Versuch, den Leser mit Herz und Seele an einen Charakter zu binden, der vom üblichen Heldentyp dahingehend abweicht, dass er im Grunde abgrundtief böse, unberechenbar und grausam ist.“ Der Zyklus wird vier Doppelbände umfassen, von denen bisher dieser erste erschienen ist:

_Der Kriegsgott ruft zur Schlacht._

Trauer herrscht im Reiche Callador, hat es doch seinen König verloren und seinen rechtmäßigen Thronfolger ebenfalls, wie es scheint. Der nächste in der Thronfolge ist Faron, aber das Volk ist voller Zweifel, da er dem Kriegsgott Ashtor huldigt und das auch von seinen Untergebenen verlangt. Faron allerdings verdampft alle Zauderei mit seinem Charme, und bald weiß er ganz Callador in seinem Rücken, obwohl er grausame Opfer darbringt, um Gott Ashtor zu huldigen.

Es lassen sich jedoch nicht alle von Faron blenden: Andos, der beste Feldherr von Callador, legt sein Schwert nieder, Farons Mutter Sanida gibt nicht auf, den vermissten, rechtmäßigen Thronfolger finden zu wollen, und Farons Berater Hanár schließt sich dem an, weil er der Friedensgöttin Jishta huldigt und die Verehrung des Kriegsgottes für schändlich hält.

Faron lässt sich nicht aufhalten, er erobert andere Länder von Soramenis, mit Ashtors Hilfe, mit Hilfe des magischen Schwertes Naxan, dem Wolf Bargo und Charr, einem König unter den Rössern. Damit weitet er seine Macht aus und sichert sich die Loyalität seiner Bürger, die das Ränkespiel hinter seinem Charisma nicht erkennen. Dann allerdings wird Faron mit etwas konfrontiert, das er noch nicht kannte: Freundschaft. Zu seinem Knappen Flin und sogar zu seinem einstigen Gegner, dem Feldherren Andos, entwickelt er eine Bindung, die Kriegsgott Ashtor ganz und gar missfallen dürfte. Als dann auch noch die quirlige Naira in sein Leben tritt, ist es beinahe völlig um Farons kühle, egoistische Distanz geschehen …

Gerade in diesem Augenblick taucht der vermisste Garwin auf, meldet seinen Anspruch auf den Thron an und möchte, dass die Tempel von Ashtor verschwinden, auf dass die Friedensgöttin Jishta wieder über Callador wachen kann. Das ist aber nur ein Konflikt, der sich anbahnt; das Reich Sul lässt sich nicht so einfach einnehmen, wie Faron das gedacht hat, und gerade, als er die Hilfe seines Gottes am nötigsten hat, verscherzt er es sich vollends mit ihm und findet die Hauptstadt seines eigenen Landes als Schauplatz für einen Krieg zwischen den Göttern vor …

_Von Schlaglöchern und Autorendiktatur._

Ich bin ehrlich, ich habe diese Rezension lange vor mich hergeschoben. Wie gesagt, man spürt das Herzblut, das darin steckt, und die Grundvoraussetzungen, auf denen die Handlung fußt, sind gut ausgearbeitet: der Antiheld Faron zum Beispiel, ein manipulativer, charismatischer Volksverhetzer mit einem überaus grausamen Herzen. Aus seinem Plan, das Land Soramenis zu unterwandern, hätte man eine wirklich großartige Geschichte zaubern können! Die leidet aber leider an ein paar gewaltigen Schwächen.

Anfangs hat Faron einfach keinen würdigen Gegner; nicht nur, dass er mit seinem Charisma jeden um den Finger wickeln kann (und das in Lichtgeschwindigkeit), er hat noch sein magisches Schwert und den Gott, der ihm Wichtiges einflüstert. Zu all dieser Macht kommt noch des Fantasyromans schlimmster Dämon: die „kostenlose Magie“. Immer wenn sich dann doch echte Gefahr für Faron ankündigt – ein ebenbürtiger Gegner, ein kitzliger Konflikt –, wendet Faron das Blatt zu seinen Gunsten, indem er einen Zauberspruch aus dem Ärmel schüttelt, der allem eben einen Schritt voraus ist.

Leider ist auch das Universum nicht besonders tief gezeichnet: Es gibt einige wenige Reiche in Soramenis und jedes zeichnet sich durch ein recht begrenztes Spektrum aus: Thargonath etwa ist ein „armes Reich“: In dessen Hauptstadt gibt es keinen Schmuck und alles sieht trostlos aus. In Callador ist alles prunkvoll, jeder ist wohlhabend, so scheint es – Nuancen finden sich kaum. Das gilt auch für die Figuren. Manchmal sind sie einfach furchtbar naiv, Konflikte entwickeln sich oft dergestalt, als ob jede Partei nur um einen Zug voraus denken würde (König Chintos kommt Faron besuchen, lässt sich von ihm den unsicheren König vorspielen und entscheidet aufgrund dieses knappen Besuches, dass man Callador angreifen und unterwerfen kann, obwohl man sich vorher jahrelang vor der Macht dieses Reiches gefürchtet hat). Die Götter nicht zu vergessen. Es gibt eine Göttin des Friedens und einen Gott des Krieges. Punkt.

Dabei hat Marion Feiler gute Ideen, was ihre Figuren angeht, hält sie aber nicht durch! Faron ist ein Antiheld, der Sympathie und Grausamkeit vereinigt, aber er ist nicht glaubwürdig. Das liegt einfach daran, dass die Autorin manchmal unter der Brutalität ihrer Schöpfung zusammenzubrechen scheint, den Radiergummi herausholt und dem Fast-Sohn eines blutdürstigen Rachegottes plötzlich alle Fangzähne wegretouchiert – superscharfe Konflikte verlieren so ihren Biss, weil sie von der Autorin in zahmere Regionen geschubst werden. Das ist aber verdammt schade, denn Spannung aufbauen kann Marion Feiler vorzüglich! |[Vorsicht Spoiler]| Das nutzt aber nichts, wenn man sich denkt: Ach was. XY passiert doch eh wieder nix, ist viel zu sympathisch/wichtig, um zu sterben. So zeigt Faron seine Grausamkeit eben nur an (weitgehend) unwichtigen Nebenfiguren, und brutaler kann man Spannung und Glaubwürdigkeit einer Geschichte nicht meucheln. |[Spoiler Ende]|

Noch einmal: Die Geschichte um den zwiespältigen Faron hat Potenzial und Marion Feiler einen flüssigen, bildhaften Stil, der sich schön liest. Auch die Eckpunkte der Geschichte sind sorgfältig überlegt, aber der Weg dorthin leidet eben unter melodramatischen und naiven Schlaglöchern, folgt dabei häufig sehr deutlich dem Willen der Autorin und nicht dem der Figuren. Freunde figurenorientierter Fantasy sollten also die Finger von „Faron“ lassen. Das Experiment, Leser an eine zwiespältige und grausame Figur zu binden, ist George R. R. Martin mit Jaime Lannister um Welten besser geglückt, auch wenn ein Vergleich mit DEM Fantasy-Referenzwerk der aktuellen Stunde zugegebenermaßen etwas unfair ist.

Wer sich daran aber nicht stört oder Gefallen an der Gewissheit findet, dass superharte Konflikte nicht eskalieren, der wird von Farons rauem Charme sicherlich unterhalten, kann sich vor seinen Grausamkeiten gruseln, aber gleichzeitig in gefälligen Wendungen dahinschmelzen und in den Konventionen historisch angehauchter Fantasy schwelgen, die Marion Feiler tadellos umgesetzt und angewendet hat. Unter dem Strich bleibt also ein junges Werk einer jungen Autorin, über dessen Schwächen der beinharte Genre-Leser sicher hinwegsehen kann. Auch Zweifelnde brauchen sich nicht auf mein Wort zu verlassen und können sich einen eigenen Eindruck verschaffen, dank der zahlreichen Leseproben, die man auf der Homepage der Autorin abrufen kann.

_Ein Leben neben Callador._

Neben den drei Folgebänden des „Faron“-Zyklus arbeitet die Autorin übrigens an einem Gemeinschaftsprojekt mit vier Co-Autoren, das im „Ambra-Gem“-Universum spielen wird, jenem Universum, in dem Marion Feiler mit „Der Fluch der Zoderkas“ ihr Roman-Debüt gegeben hat. „Säule des Bösen“ wird das Werk heißen und laut der Autorin Folgendes enthalten: „Fünf Protagonisten, fünf Abenteuer und ein Ziel, nämlich die Säule des Bösen im düsteren Land der Tenebras.“ Ansonsten dürfen sich alle Faron-Verfallenen auf den nächsten Doppelband freuen: „Faron – König und Gott“ müsste laut Vorschau demnächst zu erstehen sein.

http://www.marion-feiler.de/

Wolfgang Hohlbein – Von Hexen und Drachen. Das große Wolfgang-Hohlbein-Buch

Bei dem Buch „Von Hexen und Drachen“ von Wolfgang Hohlbein handelt es sich um eine Sammlung von Kurzgeschichten, die in den meisten Fällen nicht sehr kurz sind und nur sehr selten von Hexen oder Drachen handeln. Abgesehen davon, dass man bei einem solchen Titel tendenziell eher Fantasygeschichten erwarten würde, ist „Von Hexen und Drachen“ eine bunte Sammlung von überwiegend gelungenen Science-Fiction-Erzählungen. Die persönlichen Kommentare des Autors zu einzelnen Geschichten bilden eine gute Ergänzung und der Bericht seines Verlegers und Freundes Michael Schönenbröcher gibt einen interessanten Einblick in den privaten Alltag von Wolfgang Hohlbein.

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Blazon, Nina – Reise nach Yndalamor, Die (Die Taverne am Rande der Welten 1)

Mit der Woransaga hat sich Nina Blazon in die Herzen ihrer Leser geschrieben. Jetzt veröffentlicht |Ravensburger| den neuen Streich der erfolgreichen Autorin, „Die Reise nach Yndalamor“.

Der fast dreizehnjährige Tobbs wohnt bei Zieheltern in der Taverne am Rande der Welten und fragt sich jeden Tag aufs Neue, wer seine Eltern sind und wieso sie ihn in dem Gasthaus vergessen haben. Denn dieses Gasthaus ist kein normales. Viele Türe gehen in den Gängen der kleinen Kneipe ab und hinter jeder wartet ein anderes fantastisches Land, dessen Gäste gerne an die Tür von Dopoulos und Wanja klopfen.

Eines Tages wird in der Taverne eine Dämonenhochzeit ausgerichtet und Tobbs bekommt die Aufgabe, auf das vorwitzige Dämonenkind Sid aufzupassen. Sid schafft es, ihm zu entwischen, und als er hört, dass die Göttin Kali gerade auf einen Tee vorbeigekommen ist, wird er geradezu magisch von der Tür nach Yndalamor, wo Kali lebt, angezogen. Tobbs kann nicht verhindern, dass Sid den Streitwagen der Göttin, die auch die Zerstörerin genannt wird, klaut, und gemeinsam begeben sie sich auf eine kurze, aber erlebnisreiche Reise durch Yndalamor. Für Tobbs endet sie in der Stadt der Spiegel, wo er aus der Kutsche, die von einem fliegenden Monsterlöwen gezogen wird, fällt.

Er wird eingesperrt und soll als Menschenopfer dargebracht werden, aber Mamsie Matata, eine junge Frau, die in einen Spiegel gesperrt wurde, hilft ihm bei der Flucht. Doch nur, weil er frei ist, bedeutet das noch lange nicht, dass alles wieder gut wird. Kali wird gewiss böse sein, wenn ihr Gefährt nicht an Ort und Stelle steht, wenn sie von ihrem Tee zurückkommt …

„Kali? Moment, die kenne ich doch!“, wird der eine oder andere jetzt rufen, und tatsächlich: Die Göttin ist stark an die Gottheit aus dem Hinduismus angelehnt, die sowohl für Zerstörung als auch für Erneuerung steht.

Kali ist aber nicht das einzige bekannte Wesen in diesem Buch. Während Blazon in der Woransaga zumeist selbsterfundene Fantasiewesen ins Rennen schickte, verlässt sie sich dieses Mal lieber auf bereits Erfundene wie Banshees, Anguana oder auch Alastor, auch wenn nicht alle Wesen so bekannt sein dürften wie Kali. Im Anhang werden Wissenslücken geschlossen, was gerade für jüngere Leser sehr sinnvoll ist.

Allerdings schadet das dem Buch in keiner Weise. Blazons Fantasie entfaltet sich ungebremst, und so strickt sie, wie man es von ihr gewohnt ist, eine bunte, detailverliebte Welt, in der alles seinen Platz hat. Yndalamor und die Taverne, die beiden Hauptschauplätze des Buches, platzen vor lauter fantastischer und origineller Elemente aus allen Nähten, und es erstaunt immer wieder, wie lebendig und bunt Blazon ihre Bücher zu gestalten weiß.

Sie verzichtet dabei zumeist auf seitenlange Beschreibungen der fremden Wesen und lässt lieber die Geschichte für sich sprechen, was sehr geschickt ist und die temporeiche und spritzige Handlung vor unnötigen Längen bewahrt. Trotzdem wirkt gerade das Ende ein wenig aufgesetzt bzw. das zweite Ende. Denn nachdem Tobbs und Sid, die genauso schön ausgearbeitet sind wie die Welt und durch Bodenständigkeit glänzen, die Taverne erreicht haben, werden sie aufgrund eines Ereignisses wieder zurück nach Yndalamor gerissen. Was folgt, wirkt eher etwas belanglos und zu sehr auf actionreichen Abschluss getrimmt.

Das bedeutet aber nicht, dass die Geschichte vorher nicht spannend wäre, denn das ist sie. Gerade die vielen Details in Blazons Welten machen unglaublich neugierig auf den weiteren Verlauf der Geschichte, und das hohe Erzähltempo, das sie an den Tag legt, sorgt dafür, dass dem Leser überhaupt nicht langweilig werden kann.

Das Tempo manifestiert sich in Blazons Schreibstil, der sich, wie bereits erwähnt, nicht mit langen Beschreibungen aufhält und wenn doch, diese mit knapper, aber eindeutiger Wortwahl absteckt. Blazons Arbeit als freie Journalistin lässt sich gut erkennen in ihren klaren, strukturierten Sätzen, die manchmal humorvoll, manchmal sogar beinahe poetisch klingen. Eines sind sie aber immer: schön atmosphärisch. Blazon gehört tatsächlich zu den wenigen Autoren, die mit Worten Welten in den Köpfen der Lesern schaffen können, und das sei ihr hoch angerechnet.

„Die Reise nach Yndalamor“ ist in der Summe also ein sehr vergnügliches, buntes Fantasybuch für Leser ab elf Jahren, das aber auch dem einen oder anderen Erwachsenen Spaß bereiten wird. Blazons niveauvoller Schreibstil und die straffe Handlung werden dafür sorgen.

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Iain Banks – Der Algebraist

In einer Welt, in der die Menschheit in hauptsächlich zwei Wellen in die Galaxis vorgestoßen ist, steht das System Ulubis kurz vor einer Invasion. Man reist entweder dicht unterhalb der Lichtgeschwindigkeit und braucht Jahrzehnte für eine intergalaktische Reise, oder man benutzt die aufwändig installierten Wurmlöcher der Merkatoria, dem politischen Zusammenschluss der meisten Völker. Im Ulubis-System haben Angriffe von Merkatoria-Feinden das Systemwurmloch in einer spektakulären Aktion zerstört. Uralte Hinweise auf ein geheimes Wurmlochnetzwerk, dem die meisten Sonnensysteme angehören, gewinnen bei verschiedenen galaktischen Interessengruppen plötzlich an Bedeutung. Eine algebraische Formel, eine Transformation auf diese uralten Hinweise, soll den Zugang zu diesem Netzwerk ermöglichen – und diese Formel wird im Ulubis-System vermutet. Nicht nur die Invasoren schicken eine gigantische Flotte, auch die Merkatoria bringt ihre Streitkräfte auf den Weg. Ulubis bereitet sich auf schwere Zeiten vor …

Der »Langsamen«-Seher Fassin Taahk bekommt den Auftrag von höchster Priorität, auf dem Gasriesen Nasqueron nach der Transformation zu suchen. Fast alle Gasriesen der Galaxis werden von einem äußerst langlebigen Volk bewohnt, das bereits seit Milliarden Jahren existiert und den Aktionen der von ihnen sogenannten »Schnellen« – aller Völker mit Existenzerwartung von wenigen tausend bis Millionen Jahren – gelassen gegenübersteht. Selbst die Individuen dieses Volkes, der Dweller, leben oft mehrere Millionen Jahre. In ihren Forschungen verlangsamen sie ihre Denkgeschwindigkeit um ein Vielfaches, und »Langsamen«-Seher beherrschen diese Fähigkeit ebenfalls. Sie forschen in den unendlichen Bibliotheken der Dweller, um Wissenswertes für die Merkatoria zu entdecken.

Fassin Taahk ist einer der begabtesten Seher und entdeckte auf einem seiner Trips eben jene Hinweise auf die Transformation. Nun ist er derjenige, der mit Hilfe der Dweller oder auch gegen ihren Willen die algebraische Formel sicherstellen soll. Während dieses Einsatzes muss er sich mit vielen Problemen herumschlagen. Die Dweller führen ihn an der Nase herum, die Merkatoria attackiert ihn versehentlich und setzt ihn unter Druck, selbst unter den Dwellern gibt es Saboteure und nebenbei wird das System von einer Invasion heimgesucht …

Was sofort auffällt, ist die Komplexität dieses Romans und des Universums, in dem er spielt. Hier entwickelt Iain Banks eine Welt, die es sicher mit seiner »Kultur« aufnehmen kann. Vergleiche zwischen beiden mögen noch unangebracht sein, da sich das Kultur-Universum aus vielen Romanen zusammensetzt, allerdings kommt man aus eben diesem Grund nicht daran vorbei und ist beinahe genötigt, Banks an seinem umfang- und erfolgreichen Werk zu messen. Erleben wir hier den Beginn einer neuen großen Reihe, oder bleibt »Der Algebraist« ein eigenständiger Roman? Anfang und Ende packen die Geschichte ein und schließen sie ab, doch ist es wie bei so vielen guten Romanen, aus denen eine Serie gemacht wurde: Die Geschichte ist eingebettet in ein hochkomplexes, vielschichtiges, wundervolles und rätselhaftes Universum, dass es fast zu schade ist, nicht mehr hierüber zu erfahren.

Es gibt Aspekte, die unangebracht und wie Beiwerk wirken; zum Beispiel tritt schon auf den ersten 50 Seiten ein grausamer Diktator auf, dessen Grausamkeit Banks sehr deutlich beschreibt, wie es für ihn typisch ist. Im Zusammenhang mit der Geschichte wirkt diese Grausamkeit deplaciert. Es erweist sich aber als nötiges Element, um die Handlungen des Diktators bei seiner Invasion zu erklären und ebenso die Gelassenheit der Dweller und ihre Überlegenheit in Höchstform darzustellen.

Dagegen sind die Erlebnisse von Taince, Saluus und Fassin auf dem verbotenen Raumschiffswrack wirklich nur Beiwerk, was sich erst am Ende erschließt. Daraus entwickelt sich zwar eine schöne Geschichte über verschiedene Charaktere und ihren Weg, bis hin zur Rache (die Banks übrigens in ausnehmend gelungenem Stil schildert), trägt aber nicht ausschlaggebend zum Geschehen bei. Als Erklärung könnte man anführen, über diese Charaktere hätte man Einblick in die verschiedenen Bereiche wie Merkatoriaflotte, Ulubissystem kurz vor der Invasion und Dwellerwelt mit der Suche nach der Transformation. Die Beziehung zwischen diesen Charakteren ist interessantes Beiwerk, aber letztlich »ist es halt nur da, was das Gleiche ist, als wäre es nicht da«, um einen guten Freund zu zitieren. Vielleicht das i-Tüpfel. Aber: Während seiner Suche trifft Fassin mehrfach auf den Hinweis auf das »zweite Schiff«, auf dem die Transformation gefunden werden könnte. Dem Leser drängt sich der Verdacht auf, jenes Wrack, das Taince, Saluus und Fassin verbindet, könnte mit dem zweiten Schiff identisch sein, und man erwartet dadurch eine höhere Bedeutung für diese Episode. Vorstellbar wäre zum Beispiel, dass Saluus nun im Besitz der Transformation ist und es darüber zu einer Tragödie zwischen den Bekannten kommt. Diese Erwartung wird in keiner Weise erfüllt (auch nicht im Entferntesten), obwohl – es liegt im Ulubis-System, die Transformation wird im Ulubis-System vermutet – wer weiß? Vielleicht ist es ja wirklich das »zweite Schiff« …

Auch wenn der Umfang des Romans abschrecken mag oder Längen erwarten lässt, es lohnt sich uneingeschränkt, ihn zu lesen und in seinen phantastischen Tiefen zu versinken. Er ist spannend, unterhaltsam und steigert sich von der ersten Seite an bis zum Epilog, der nach altem griechischen Vorbild die Spannung ausklingen lässt. Mit diesem Roman hat Iain Banks ein Universum erschaffen, in dem die Fantasie keine Grenze findet.

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Tobias O. Meißner – Das vergessene Zepter (Im Zeichen des Mammuts 3)

Band 1: „Die dunkle Quelle“
Band 2: „Die letzten Worte des Wolfs“

Mammut Ho!

Pünktlich ist er, Meister Meißner, hat er doch seinen Leser in einem Interview für das |phantastisch!|-Magazin versprochen, die Wartezeit zwischen den Mammut-Romanen nicht über ein Jahr hinaus auszudehnen, und voilà: Hier ist sie, die dritte von sieben Reisen, die das Mammut auf sich nehmen muss, um das Gleichgewicht der Götter, der Natur und der Menschen wieder in Einklang zu bringen.

_Raus aus dem Laufstall!_

Tobias O. Meißner – Das vergessene Zepter (Im Zeichen des Mammuts 3) weiterlesen

Cox, Greg – Underworld – Der offizielle Roman zum Film, Bd. 1

Seit vielen Jahrhunderten tobt in den Schatten der Welt der Sterblichen ein erbitterter Krieg zwischen Vampiren und Werwölfen. Dank der Todeshändler, einer Vampir-Kriegerelite, gelang es den Blutsaugern, die Gestaltwandler fast vollständig auszulöschen. Doch die Lycaner geben sich keineswegs geschlagen. In Budapest, wo sich der Stammsitz der Vampire befindet, versuchen sie unter Führung des charismatischen Lucian, das Blatt doch noch zu ihren Gunsten zu wenden.

Dabei spielt in den Plänen der Wölfe der Mensch Michael Corvin eine zentrale Rolle. Der junge Amerikaner, der aus persönlichen Gründen nach Ungarn auswanderte, ahnt von alldem nichts, sondern muss verwundert und erschrocken feststellen, dass plötzlich einige sehr merkwürdige Leute irgendetwas von ihm wollen.

Zu diesen Leuten gehört auch Selene, die als ruhmreiche Todeshändlerin ihrem Clan viele Jahrhunderte diente und die sich auf eine verstörende Art zu Michael hingezogen fühlt; dass der junge Mann mittlerweile von einem Lycaner gebissen wurde und – sollte er die Infektion überleben – damit selbst zum Werwolf zu werden droht, macht die Sache für sie nur noch interessanter. So dauert es nicht lange, bis die beiden Seite an Seite gegen Blutsauger und Werwölfe kämpfen, wobei immer deutlicher wird, dass die eigentliche Gefahr von dem intriganten Vampir Kraven ausgeht; denn dieser Stellvertreter des Clan-Ältesten, Viktor, versucht mittels eines unheiligen Paktes, seinen Schöpfer zu beseitigen und die Macht über alle Vampire an sich zu reißen.

„Underworld“ ist ein weiteres Buch aus der stetig wachsenden Reihe der Film-Romane des |Panini|-Verlags. Da sich sein Autor, Greg Cox, beim Entwurf der Geschichte und der Charaktere sehr eng an die filmische Vorlage hält, bietet „Underworld“ Kinogängern kaum Neues, außer dass einige Figuren eine etwas nuanciertere und – im Vergleich zum Film – etwas anders akzentuierte Ausarbeitung erfahren. So ist Kraven hier eher ein bemitleidenswerter Möchtegern-Intrigant, dem von Anfang an sein gesamter Plan über den Kopf zu wachsen droht und der zu keinem Zeitpunkt Herr der Lage ist, die Selene des Buches ist einen Tick cooler und emotional kälter als die durch Kate Beckinsale verkörperte Todeshändlerin und einige Nebencharaktere dürfen sich in etwas mehr Wertschätzung sonnen.

Leser, die „Underworld“ noch nicht ins Kino oder vor den DVD-Player gezogen hat, können sich hingegen auf einen soliden, gut geschriebenen Urban-Fantasy-Roman freuen. Auch wenn die Story im ersten Moment an die „World of Darkness“ |White Wolfs| erinnert – dort prügeln sich ebenfalls Vampire, Werwölfe und anderes Kroppzeugs um die Vorherrschaft in „ihrer“ Welt -, so hat sie dennoch nichts mit jenem Hintergrund gemein: Abgesehen davon, dass ein gänzlich anderer Schöpfungsmythos für beide Spezies entworfen wird, sind „Underworlds“ Wesen weitaus menschlicher, kultivierter – sowohl in ihren Fähigkeiten, ihrer Ethik, als auch hinsichtlich ihrer Verwurzelung in der Welt der Sterblichen – als die Ungeheuer der |WoD|. Darüber hinaus entsprechen Werwölfe wie Vampire, was ihre Schwächen und Beschränkungen betrifft, durchaus den gängigen Klischees, wobei sich allerdings schnell herausstellt, dass in Zeiten von Hightech-Waffen diese Schwächen mehr als nur eine läppische Achillesferse sind.

Im Aufbau folgt der Roman – wie der Film – dem fast schon klassischen Schema, erst die Charaktere einzuführen, um dann – den Leser zunächst über die Hintergründe der Aktionen im Unklaren lassend – in einem langsamen, stetigen Anstieg des Spannungsbogens auf den durchaus explosiven, finalen Showdown zuzusteuern. Gerade in der ersten Hälfte des Buches ist dieses Vorgehen bedauerlicherweise mit einigen Längen verbunden, zumal die gesamte Geschichte für einen „Horror“-Roman eher unblutig und relativ „gore-frei“ erzählt wird. Auch sonst befleißigt sich der Autor eines unprätentiösen Stils, der sich nicht durch Wortgewalt und Schachtelsätze auszeichnet, sondern durch Lockerheit und gute Lesbarkeit. Insofern ist „Underworld“ durchaus ein Roman für die ganze Familie.

Fazit: Ein solider, mäßig dunkler Urban-Fantasy-Roman, der Kennern des Films zwar kaum Neues bietet, allen anderen jedoch für einige Stunden gute Mainstream-Unterhaltung garantiert.

© _Frank Drehmel_
|Diese Rezension wurde mit freundlicher Genehmigung unseres Partnermagazins [X-Zine]http://www.x-zine.de/ veröffentlicht.|

Webb, Catherine – Lucifer – Träger des Lichts

Sam Linnfer ist in vielerlei Hinsicht ungewöhnlich. Dass er ständig in schwarzen Klamotten rumrennt, ist dabei eher nebensächlich. Weit auffälliger ist die Tatsache, dass er offenbar nahezu jede Sprache der Welt spricht, und sei sie noch so exotisch. Und dabei sind die toten Sprachen noch gar nicht mitgerechnet. Ein paar gewisse Leute aber wären wohl am meisten an seinen Pässen interessiert: ein britischer, ein deutscher, ein kanadischer, ein russischer und ein schweizer Pass, und das alles auf drei verschiedene Namen!

Tatsächlich taucht eines Tages die Polizei bei ihm auf. Aber nicht wegen seiner Pässe, sondern wegen eines seltsamen Briefes. Der wurde nicht nur gleichzeitig an Sam Linnfer und Luc Satise adressiert – was Sam eher weniger wundert, denn Luc Satise ist einer seiner Decknamen – und enthält einen höchst eigenartigen Hilferuf. Zu allem Übel ist die Verfasserin inzwischen tot. Was die Polizei aber gar nicht hätte merken dürfen!

Kaum sind die äußerst misstrauischen Gesetzeshüter wieder verschwunden, beschließt Sam, der Sache auf den Grund zu gehen. Damit sticht er in ein Hornissennest …

|Personal|

Sam ist ein recht sympatischer Bursche. Das mag daran liegen, dass seine Familie ihn bereits vor Äonen rausgeworfen hat, sodass Sam den größten Teil seines Lebens auf der Erde und in der Hölle zugebracht hat. Offenbar sind dadurch einige höchst menschliche Züge an ihm hängen geblieben, so zum Beispiel die Treue seinen Freunden gegenüber oder auch eine gehörige Portion Mitgefühl für alle, die leiden müssen. Wie er zu seiner Verbitterung feststellen muss, wird diese Tatsachen aber von so gut wie niemandem zur Kenntnis genommen, denn einer seiner Brüder hat Sams Ruf ein für allemal gründlich ruiniert! Dabei ist Sam der Träger der einzigen Waffe, die die Welt noch retten kann: der Träger des Lichts. Lucifer. Das heißt aber nicht, dass er bereit wäre, sich von seinem Vater als Werkzeug benutzen zu lassen!

Angenehm an Webbs Charakterzeichnung ist, dass Sam trotz seiner Fähigkeiten und seiner mächtigen Waffe kein unschlagbarer Superheld ist. Das mag zum einen daran liegen, dass die Waffe selbst so etwas wie ein unangenehmes Rückschlagventil hat, das bei voller Ausnutzung den Tod des Benutzers verursachen wird, oder daran, dass herkömmliche Waffen Sam zwar nicht töten, aber sehr wohl schwer verwunden und damit zumindest längere Zeit außer Gefecht setzen können. Aber auch sonst kann man von Sam nicht sagen, dass er ein unfehlbares Ass wäre. Das sieht man zum Beispiel deutlich daran, dass ihm aufgrund seiner häufigen Abwesenheit die Herrschaft über die Gebiete der Hölle zu entgleiten droht. Eine höchst unangenehme Entwicklung, wenn man bedenkt, dass dort offenbar etwas versteckt ist, was seine Gegner unbedingt haben wollen!

Genau gesagt, suchen sie die Schlüssel der Pandora. Aus den verschiedensten Gründen haben es sich einige seiner Brüder in den Kopf gesetzt, Gier, Hass und Argwohn zu befreien und sie ihren Zielen zunutze zu machen, die allerdings ziemlich unterschiedlich sind. Andererseits spielen diese Unterschiede keine große Rolle angesichts der Tatsache, dass einer von ihnen nach dem vierten Schlüssel sucht! Er will Uranos freilassen, eine Wesenheit, die vor Chronos und seinen Kindern herrschte, von diesen aber weggesperrt wurde. Denn Uranos duldet keine vergehende Zeit, keine Bewegung, keine Veränderung. Uranos ist ein Zustand der Erstarrung, ohne Tod und gleichzeitig ohne Leben. Nur: Wer von Chronos‘ Kindern sollte eine solche Macht befreien wollen? Und wie kann man sie aufhalten? Um das herauszufinden, muss Sam kreuz und quer durch die halbe Welt reisen …

|Kulisse|

Ein wenig erinnert „Lucifer“ an einen James-Bond-Film. Der einzige Unterschied ist, dass Sam erst einmal herausfinden muss, worum es überhaupt geht.

Abgesehen davon ist die Umgebung, in der Sam sich bewegt, wesentlich bunter. Catherine Webb hat ihren Himmel mit so ziemlich sämtlichen Göttern bevölkert, die jemals in einer Kultur angebetet wurden, von ägyptischen über griechische und germanische Götter bis hin zu Buddha. Dazu kommen Inkarnationen wie Licht, Glaube, Frieden und Krieg, Liebe oder Chaos, und eine ganze Menge himmlischer Helfer wie Erzengel und Walküren. Die Hölle ist natürlich voller Dämonen, von denen allerdings nur ein einziger überdurchschnittlich viel Grips zu besitzen scheint, und das ist Beelzebub. Und auf der Erde wimmelt es von Anderen, womit Anderweltbewohner gemeint sind, allerdings nicht beschränkt auf die zugegebenermaßen vielfältigen Varianten des keltischen Kulturraumes, sondern auch Dschinns und andere Geister eingeschlossen. Sie alle können sich – je nach Machtumfang mehr oder weniger frei – zwischen den verschiedenen Ebenen Himmel, Erde und Hölle bewegen, indem sie magische Tore benutzen, was zwar schnell geht, aber dafür nicht unbedingt angenehm ist.

Diese bunte Mischung sorgte dafür, dass ich diese Jagd nach den Schlüsseln, die den Weltuntergang bedeuten, wesentlich amüsanter fand als herkömmliche Agententhriller. Dazu trug auch der lockere Schreibstil der Autorin bei, der unter anderem Sam eine recht menschliche Redeweise in den Mund legt. Die Handlung selbst schreitet zügig voran, und an den Stellen, die hauptsächlich dadurch gekennzeichnet sind, dass Sam mit den verschiedensten Verkehrsmitteln unterwegs ist, sind oft Rückblicke eingestreut, die nicht nur einen Blick auf Sams persönliche Vergangenheit werfen, sondern auch Strukturen und Verhältnisse innerhalb des Himmels klarstellen, sodass es niemals langweilig wird.

_Insgesamt_ empfand ich „Lucifer“ trotz der eher oberflächlichen Charakterzeichnung als angenehme und unterhaltsame Lektüre. Durch den Schwerpunkt auf der Mythologie liegt die Thematik ein wenig außerhalb der üblichen Fantasy-Pfade, die Handlung bietet Rätsel, Verfolgungsjagden, ein paar kurze Zweikämpfe – was sich hier eher auf die Anzahl der kämpfenden Parteien als die der beteiligten Personen bezieht – und sogar ein wenig Familiendramatik. Von der Errettung der Welt mal abgesehen, aber da kommt die Hauptsache ja erst noch …

_Catherine Webb_ gehört mit ihren zwanzig Jahren zur Riege der Jungautoren, ihr erstes Buch veröffentlichte sie 2002. Seither hat sie fünf weitere Romane geschrieben. Auf Deutsch erschienen außer „Lucifer“ bisher „Der Zauberer der Nacht“ und „Die Dämonen der Nacht“. Die Fortsetzung zu „Lucifer“, „Satan“, ist für Ende August dieses Jahres angekündigt.

http://www.bastei-luebbe.de

McGough, Scott / Girke, Hanno – Hüterin, Die (The Gathering: Kamigawa-Zyklus, Band 3)

[Outlaw 1864 (The Gathering: Kamigawa-Zyklus, Band 1)
[Der Ketzer 2645 (The Gathering: Kamigawa-Zyklus, Band 2)

Die politische und militärische Lage in Towabara wird täglich brisanter, denn die Soratami haben unter Führung des Mondgeistes Mochi den übrigen Völkern offen den Krieg erklärt und beginnen mit der systematischen Ausrottung der Schlangenmenschen in den Wäldern des Jukai. Derweil ist Daimyo Konda an der Spitze eines riesigen Geisterheeres auf der Suche nach dem seltsamen Artefakt, welches Toshi im Auftrag des “Myojin des Griffs der Nacht” aus Eiganjo entwenden konnte (vgl. Band 2: Der Ketzer); und auch O-Kagachi, der uralte Geisterdrache, will den gestohlenen Gegenstand zurück ins Geisterreich holen.

Vor diesem Hintergrund fällt es Toshi zunehmend schwerer, die Wünsche seines Gottes zu erfüllen und dabei zu überleben. Zuerst muss er „Es, das genommen wurde“ aus der Minamo-Akademie, wo er das Artefakt versteckte, vor dem todbringenden Wüten seines ehemaligen Eidbruders Hidetsugu, den Yamabushi und dem „Alles verzehrenden Oni des Chaos“ in Sicherheit bringen, dann der Yuki-Ona die Freiheit schenken und schließlich verhindern, dass die Steinscheibe Konda und O-Kagachi in die Hände fällt. Da er jedoch erstens nicht länger durch den Hyozan-Eid vor dem Troll-Schamanen geschützt ist, ihm zweitens sein Myojin verboten hat, „Es“ in sein Reich zu bringen, womit Toshi ein Flucht- und Reiseweg durch die Schatten verschlossen ist, und drittens das Artefakt zunehmend ein Eigenleben entwickelt, bedarf er aller seiner Künste als Dieb und Magier, um der Lage Herr zu werden.

Da er aber auch nur ein Mensch ist und sowieso dazu tendiert, Regeln sehr großzügig auszulegen, muss er zwangsläufig versagen. In einer äußerst brenzligen Situation flieht er durch das Reich seines Gottes, das Artefakt im Gepäck. Wutentbrannt entzieht ihm daraufhin der Myojin seine Gunst. Kampfentscheidender Fähigkeiten – Unsichtbarkeit, Schattenwandeln, Tödliche Kälte – beraubt, sieht Toshi nur einen Ausweg: Er muss die Scheibe zu den Fuchsmenschen und Prinzessin Michiko bringen, in der Hoffnung, dass deren Magie das, was im Inneren schlummert, erwecken kann, damit es sich selbst schütze.

McGough legt in seinem abschließenden Band das Hauptaugenmerk darauf, die bisherigen Handlungsstränge zu verknüpfen und zu einem überzeugenden Ende zu führen. Obwohl das Tempo hoch und die Seitenzahl knapp ist, leiden weder die Atmosphäre noch die Zeichnung der Charaktere, denn nach wie vor stehen nicht so sehr die Kämpfe selbst im Vordergrund als vielmehr Toshis Umezawas listiges und überlegtes Handeln. Stärker noch als im zweiten Roman dominiert dieser Charakter die nach wie vor exotische und fesselnde Geschichte und – wie gehabt – erwächst ein großer Teil der Faszination aus seiner Interaktion mit den anderen Protagonisten. Durch beißenden Spott, Schmeicheleien, Lügen und – zur Abwechslung auch mal der Wahrheit – entfaltet der Dieb eine manipulative Kraft, die ihresgleichen sucht. Dass er dabei nicht von Bosheit getrieben wird, sondern lediglich einen bequemen Platz in einer teils archaischen, teils sehr strukturierten und hoch zivilisierten Gesellschaft sucht, prägt sein Bild als sympathischen Non-Konformisten.

In der Figur Toshis manifestiert sich ein großer Vorzug aller Kamigawa-Romane besonders offensichtlich: Es gibt kein Schwarz und Weiß, keine engelhaft guten und keine teuflisch bösen Charaktere. Jeder, von Konda über Michiko bis hin zu Hidetsugu, hat eine helle und eine dunkle Seite. Konda strebt Macht nicht nur um ihrer selbst Willen an, sondern ist bemüht, seine Macht auch zum Wohle und zum Schutze seiner Untertanen in die Waagschale zu werfen, wobei er seinen Platz in der ersten Reihe der Kämpfer sieht. Michiko hingegen ist nicht nur naiv und freundlich, sondern auch zu äußerster Grausamkeit fähig, wie sie im finalen Kampf unter Beweis stellt. Doch trotz dieser Komplexität sind die Charaktere nicht beliebig, sondern durch und durch stringent in ihrem Handeln, gehen jeweils ihren eigenen, unverwechselbaren Weg. Genau dies spiegeln in herausragender Weise die letzten beiden Seiten eines Epilogs wider, welchen ich – ohne etwas verraten zu wollen und ohne zu zögern – zu den stimmigsten und besten zähle, denen ich bisher begegnet bin.

Fazit: Der würdige Abschluss einer erstklassigen Trilogie, die mit ihrer Originalität nicht nur ein – wenn nicht sogar das – Aushängeschild der Magic-Roman-Reihe ist, sondern auch das Fantasy-Genre im Allgemeinen bereichert.

© _Frank Drehmel_
|Diese Rezension wurde mit freundlicher Genehmigung unseres Partnermagazins [X-Zine]http://www.x-zine.de/ veröffentlicht.|

Marzi, Christoph – Malfuria

Nachdem Christoph Marzis „Lycidas“-Trilogie zu Ende erzählt ist und auf ihre im März anstehende Hörbuchpremiere bei |Audible.de| wartet, ist der Autor aus dem Saarland nun mit einer neuen Fantasy-Trilogie am Start. Zugeschnitten auf eine etwas jüngere Zielgruppe, erscheint die Reihe im Jugendbuchverlag |Arena|. Mit „Malfuria“ legt Marzi für diese Reihe den Grundstein.

„Malfuria“ spielt in Barcelona und wie schon bei [„Lycidas“ 1081 bleibt die Zeit etwas unergründlich. Die Stadt wirkt altertümlich und (post)modern zugleich, eine Zeit voller Wunder und so unergründlich, dass sie für sich genommen schon sehr reizvoll wirkt.

Hier begleitet der Leser die junge, angehende Kartenmacherin Catalina und den Lichterjungen Jordi. Jordi sieht als Sohn des Leuchtturmwärters als Erster, was Unheilvolles auf Barcelona zusteuert: die |Meduza|, ein fliegendes Schiff, das die Schatten in die Stadt bringt.

Schon bald verlassen unheimliche Gestalten das Schiff: Schatten, die ihr Gesicht hinter einer Harlekin-Maske verbergen. Sie bringen Kälte und Dunkelheit in die Stadt und sind auf der Suche nach jemandem – nach Catalina, die in der Windmühle des alten Kartenmachers Marquéz lebt.

Und so muss Catalina fliehen. Unterwegs trifft sie auf Jordi, den sie unfreiwillig mit in die Geschichte hineinzieht. Zusammen versuchen sie den Schatten zu entkommen und machen dabei so manche abenteuerliche Bekanntschaft. Sie treffen El Cuento, den Wind, der ihnen bei der Flucht hilft, sie besuchen das mysteriöse Haus der Nadeln und sie entdecken ein lange gehütetes Geheimnis, das eng mit Catalinas Schicksal verknüpft ist: Malfuria.

„Malfuria“ ist eine Fantasygeschichte, die für Jugendliche wie Erwachsene gleichermaßen interessant ist. Dass Marzi über eine ausgesprochen rege Phantasie verfügt, hat er mit seiner „Lycidas“-Reihe hinlänglich bewiesen. Auch in „Malfuria“ gibt er wieder wunderbare Einfälle zum Besten, kreiert eine fantastische Atmosphäre und erzählt eine Geschichte voller Spannung und Magie.

Während „Lycidas“ zusammen mit seinen beiden Nachfolgebänden [„Lilith“ 2070 und „Lumen“ recht ausführlich und weitschweifig erzählt ist, kommt „Malfuria“ eher kompakt daher. Gradlinig und in flottem Tempo wird die Geschichte erzählt. Trotz der Kompaktheit entwickelt der Plot eine charakteristische Atmosphäre, die vielleicht nicht ganz so dicht ist, wie man es von „Lycidas“ kennt, aber dennoch spannend.

Die Figuren wirken lebendig und wachsen dem Leser schnell ans Herz. Die Welt, durch die sie sich bewegen, ist farbenprächtig und gespickt mit wundersamen Kreaturen und Orten. Ein erstes Highlight der Geschichte ist das Auftreten der Eistreter, die schattenähnlichen Kreaturen mit den Harlekin-Masken. Sie hätten auch gut in die uralte Metropole gepasst, die Marzi in „Lycidas“ beschreibt, und ähneln ein wenig dem Nebel, der in [„Lumen“ 3036 auftaucht und Unheil verbreitet. Sie wirken düster und unheimlich und sorgen für reichlich Spannung.

Obwohl sich nicht nur anhand der Eistreter Parallelen zu Marzis Vorgängerwerken ziehen lassen, ist „Malfuria“ kein „Lycidas“-Abklatsch. Zwar werden bestimmte Themen variiert, wie die Eistreter oder auch die Menschen mit den Münzenaugen, die an die Kinder mit Spiegelscherbenaugen in der Hölle von „Lycidas“ erinnern, dennoch ist „Malfuria“ ein eigenständiges Werk. Die Atmosphäre ist eben doch eine andere und Barcelona hat als Handlungsort noch einmal einen ganz eigenen Charme.

Der Plot ist gut aufgebaut. Nachdem Marzi die beiden Protagonisten Jordi und Catalina in die Handlung eingeführt hat, zieht er mit Catalinas überstürzter Flucht aus der Windmühle gleich die Spannungsschraube kräftig an. Was folgt, ist eine Flucht kreuz und quer durch Barcelona, auf der Catalina und Jordi sowohl unheimliche wie auch freundliche Begegnungen machen und die zum Ende hin geradezu rasant wird. Die unheimlichen Häscher sind den beiden dicht auf den Fersen, und für Catalina gibt es so manche schmerzhafte Erkenntnis zu verkraften.

Insgesamt schafft Marzi eine Ausgangslage, die für die im Juli anstehende Fortsetzung vielversprechend aussieht. Die Geschichte enthält noch einiges an Potenzial und die Weiterentwicklung der Hauptfiguren, insbesondere Catalina, verspricht interessant zu werden.

Alles in allem also ein durchaus vielversprechender Trilogieauftakt: sympathische Figuren, ein schöner Plot voller fantastischer Ideen, die beweisen, dass mit Marzi auch nach „Lycidas“ weiterhin zu rechnen ist. In der Riege deutscher Fantasyautoren verschafft er sich so ein hübsches Logenplätzchen. „Malfuria“ ist eine farbenprächtige und spannend erzählte Fantasygeschichte, der man eine große Leserschaft wünscht und die im Juli hoffentlich ebenso schön weitergeht.

http://www.malfuria.de/
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Gardner, Craig Shaw – Battlestar Galactica: Das Geheimnis der Zylonen (Band 2)

Passend zur Neuauflage der legendären Science-Fiction-Serie „Kampfstern Galactica“ erscheint nun bei |Panini Books| auch eine Buchserie, die sich mit neuen Schlachten zwischen Menschen und Zylonen beschäftigt. Nachdem vor kurzem bereits die offizielle Vorgeschichte in Romanform veröffentlicht wurde, beginnt die neue Reihe nun mit dem ersten Band „Das Geheimnis der Zylonen“. Allerdings beginnt sie auch schwächer als erwartet …

_Story_

20 Jahre nach dem Krieg gegen die Zylonen befinden sich die Kolonien immer noch in der Phase des Wiederaufbaus. Diese wird seit einiger Zeit verstärkt von einzelnen Plünderern genutzt, die quer durchs Universum ihre Beutezüge starten und vor allem bei den Vertretern der Kolonien auf Ablehnung stoßen. Einer von ihnen ist Tom Zarek, ein Verlierertyp, dessen letzter Ausweg ihn auf das Schiff des störrischen Kapitäns Nadu gebracht hat. Unter seiner Regie soll Zarek schon bald eine Mission zu einer seltsamen Raumstation machen, auf der zwei Piloten Nadus plötzlich verschwunden sind. Allerdings endet Toms erster Auftritt als Führungskraft in einer Katastrophe: Auf der merkwürdigen Forschungsstation befinden sich neben einem alternden Wissenschaftler auch einige Zylonen, die sofort durchschaut haben, dass die Plünderer Böses im Schilde führen und daraufhin kurzen Prozess machen. Als einzigem Überlebendem gelingt es Tom, seinen Transporter an einen entlegenen Winkel des Planeten, auf dem die Forschungsstation angesiedelt ist, zu fliegen, doch bevor er notlanden muss, kann er noch einen letzten Funkspruch übermitteln, der schließlich den Kampfstern Galactica auf den Plan ruft.

Dieser begibt sich mit voller Besatzung auf sofortigem Wege zu diesem versteckten Außenposten und schickt unter der Leitung von Admiral Sing erfahrene Leute wie Adama und Tigh zum Ort des Geschehens. Obwohl sich die zylonischen Kräfte ihnen gegenüber bei der Ankunft friedlich verhalten, spüren die beiden, dass hier etwas verdammt faul ist. Spätestens als dann ein längst tot geglaubter Zerstörer am Himmel erscheint und in Adama und Tigh Erinnerungen an die unerbittliche Schlacht gegen die Zylonen weckt, wird ihnen bewusst, dass ein weiterer Krieg gegen die Kampfroboter unmittelbar bevorsteht …

_Meine Meinung_

Nach den sehr positiven Eindrücken der kürzlich angelaufenen TV-Serie hatte ich mir von diesem Roman wirklich einiges erwartet. Und Craig Shaw Gardner lässt sich anfangs auch nicht lange bitten und kommt in allen drei untergeordneten Handlungseinheiten schnell auf den Punkt – bis zu der Stelle, an dem schließlich alle Beteiligten sich auf bzw. in der näheren Umgebung der Raumbasis befinden. Dann jedoch mangelt es an geschickten Überleitungen, um die zuvor ausgelöste Spannung aufrechtzuerhalten. In einem zähen Geplänkel marschieren Adama und Tigh durch die fremde Station, in der seit Jahren Zylonen und Menschen Seite an Seite gelebt haben, und immer wieder bekunden sie dabei ihr Misstrauen. Doch die Handlung wird parallel nicht mehr entsprechend vorangetrieben. Ähnlich verläuft es in der Geschichte um Tom Zarek. Kurz nachdem er das blutige Gemetzel zwischen seine ehemaligen Gefährten und den plötzlich auftauchenden Zylonen bezeugen musste und anschließend gerade noch flüchten konnte, werden seine Aktionen nach und nach belangloser und haben mehr etwas von einer permanenten Hinhaltetaktik als von einem spannungsvollen Sub-Plot, der nur darauf wartet, wieder in die Hauptgeschichte eingebunden zu werden.

Generell kippt die Handlung in der Mitte der Story mit der Abnahme der Action. Ging es zuvor noch mehrmals richtig rund, werden die Dialoge im zweiten Abschnitt des Buches stets langweiliger, weil sie einfach keine Informationen hergeben, die für die Geschichte wichtig sein könnten. Immerzu zeigt die eine Seite ihre Zweifel, während die andere beteuert, ihre Forschungen in friedlicher Absicht zu betreiben. Dieses permanente Hickhack hätte man sicher kürzer gestalten können, zumal dem Autor am Ende die Zeit fehlt, um den actionlastigen Höhepunkt gebührend auszukosten. Nachdem alle Stränge zusammengeführt wurden, kommt es nämlich erwartungsgemäß zum großen Aufeinandertreffen zwischen den Zylonen des Zerstörers und den Menschen von der Galactica, doch statt hier die epischen Ausmaße der Original-Vorlage aus den späten Siebzigern zu wählen, rasselt man zum Ende hin nur noch Fakten herunter und vernachlässigt somit sowohl die zunächst demonstrierte Detailverliebtheit als auch den wichtigsten Aspekt, die Spannung an sich. Zwar mögen die Dinge, die als Überleitung zum nächsten Roman berichtet werden, recht vielversprechend klingen, aber wenn dieser schwierige Weg es sein muss, der für einen solchen Cliffhanger erforderlich ist, dann wurde hier das Ziel verfehlt.

Immerhin, „Das Geheimnis der Zylonen“ hat seine Momente und lässt den begeisterten Galactica-Fan zumindest teilweise auf seine Kosten kommen. Der Moment zum Beispiel, als plötzlich ein ganzes Zylonen-Battalion auftaucht und die Plünderer alles andere als gebührend empfängt, bewirkt eine kurze Gänsehaut-Situation, weil man hier sofort ein entsprechendes Bild vor Augen hat. Aber von diesen kurzen Blitzlichtern kann leider nicht die komplette Geschichte zehren.

Dementsprechend enttäuscht darf man letzten Endes auch von diesem schwachen Auftakt sein, wenngleich nach den Ereignissen der letzten Seiten von „Das Geheimnis der Zylonen“ der kleine Hoffnungsfunke bestehen bleibt, dass man in der Fortsetzung dann richtig loslegt. Hoffentlich – es wäre wirklich schade, wenn das Qualitätssiegel Galactica durch eine vergleichbar schwache Romanserie getrübt würde.

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Foon, Dennis – Stadt der vergessenen Kinder, Die (Das Vermächtnis von Longlight, Band 2)

Band 1: [„Die Stunde des Sehers“ 2211

Roan hat fast schon zu hoffen gewagt, dass es ihm und seinen Freunden gelungen wäre, die Kinder aus Fairview in Sicherheit zu bringen. Doch eines Tages fallen die Kinder aus heiterem Himmel alle gleichzeitig in Ohnmacht, und alle Versuche Alandras, sie wieder aufzuwecken, scheitern. Roan erkennt, dass er sich aus seiner Deckung hervorwagen muss, will er den Kindern helfen. Und schließlich ist da ja auch noch seine Schwester Stowe, die er retten muss …

Stowe wurde von den Meistern darin ausgebildet, ihre Fähigkeiten einzusetzen. Doch obwohl sämtlichen Meistern bewusst ist, dass Stowes Kraft schon jetzt die ihre weit übersteigt, sind sie sich doch nicht über das Ausmaß ihres Könnens im Klaren: Stowe kann ihren Körper verlassen! Und auf diese Weise entdeckt sie, dass sie die ganze Zeit, seit sie in Metropolis ist, belogen und benutzt wurde. Sie beschließt, sich zu rächen, aber das ist nicht einfach, wenn man keiner Menschenseele trauen kann. Und dann stellt sich auch noch heraus, dass sie süchtig ist. Nach Staub …

Schon dieser kurze Inhaltsabriss zeigt, dass die Handlung, die sich im ersten Band noch nahezu ausschließlich um Roan drehte, diesmal zweigeteilt ist:

Roan ist durch die Ereignisse des ersten Bandes bereits ziemlich gereift. Er hat Entscheidungen getroffen, Verantwortung übernommen. Das heißt aber nicht, dass er nicht immer noch dazu lernt! Unter anderem sieht er sich durch die Ereignisse gezwungen, seine Ansichten über die Bluttrinker zu revidieren. In der Art, wie er mit seinen neuen Erkenntnissen umgeht, zeigt sich deutlich das Potential, das zu nutzen er letztlich gezwungen sein wird. Denn seine Bestimmung ist es, Krieg gegen Metropolis zu führen. Und das, obwohl er sich jetzt schon zwischen seinen beiden Hauptverpflichtungen – dem Schutz der Kinder und der Rettung seiner Schwester – zu verzetteln droht, und obwohl er die Anwendung von Gewalt in seinem Innersten noch immer vehement ablehnt.

Stowe taucht zum ersten Mal als eigene Person mit Gedanken und Gefühlen auf. Sie ist ein überaus mutiges Mädchen und sehr charakterstark, ihre einzige Schwäche ist ihre Sucht nach Staub. Unter dem Druck der feindseligen Umwelt, in der sie sich befindet, ist sie noch schneller gereift als ihr Bruder. Tatsächlich ist zwischen Stowe und ihrem Bruder kein großer Altersunterschied mehr zu spüren, obwohl sie vier oder fünf Jahre jünger ist als Roan. Aber natürlich wurde ihr von ihren Lehrern nur das beigebracht, was sie unbedingt lernen musste, um die Aufgaben zu erfüllen, die die Meister nicht selbst bewältigen können, weil ihnen die Fähigkeiten dazu fehlen. Daraus resultiert eine gewisse Unerfahrenheit, die Stowe trotz ihrer Stärke zunehmend in Bedrängnis bringt …

Neben Stowe bringt der zweite Handlungsstrang auch noch andere Personen ins Spiel:

Kordan, einer von Stowes Lehrern, ist dagegen ein ziemlicher Hanswurst. Seine Fähigkeiten sind eher mäßig, dafür ist sein Charakter umso mieser, geprägt hauptsächlich von Feigheit und Neid gegenüber Stowe.

Willum, ihr anderer Lehrmeister, dagegen ist absolut undurchschaubar. Er behandelt Stowe freundlich und geduldig, gibt aber nicht das Geringste von sich preis. Es ist schwer, ihn nicht zu mögen, aber trauen will man ihm auch nicht so recht.

Der wichtigste Neuzugang ist Darius, der Bewahrer und Erzbischof der Stadt Metropolis. Seine Herrschaft trägt durchaus Anzeichen von Irrsinn – Kinder werden verschleppt und als Ersatzteillager missbraucht, nur um die herrschende Klasse uralter Greise am Leben zu halten! Die Bewohner der Stadt, über die er der nahezu uneingeschränkte Alleinherrscher ist, sind fast alle durch eine Art implantiertem Computerchip gleichgeschaltet. Die Stadt selbst ist sowohl auf realer Ebene als auch im Traumfeld nach außen hin geradezu verbarrikatiert. Dennoch kann man Darius nicht direkt als größenwahnsinnig bezeichnen. Seine Ziele – Unsterblichkeit und absolute Kontrolle über uneingeschränkt alles – mögen aberwitzig sein, er selbst aber ist völlig klar im Kopf, kalt, berechnend und skrupellos, und das macht ihn nur umso gefährlicher! Mit Darius und seiner Stadt Metropolis hat der bisher so anonyme Feind ein Gesicht bekommen.

Und nicht nur der Gegner hat sich deutlicher herauskristallisiert, auch der geschichtliche Hintergrund wurde präziser beleuchtet. Stowe fragt Willum und erhält einige Antworten, Roan findet auf seinem Weg mit dem Geschichtenerzähler einige Dinge heraus. Die verschiedenen Gruppen, denen Roan bisher begegnet ist – sein eigenes Dorf, die Bewohner der Oase, die Brüder und Kiras Dorf -, werden allmählich in Zusammenhang zueinander gesetzt. Das Bild, das daraus entsteht, zeigt: Der verheerende Krieg, der das Land so vollkommen zerstört hat, ist noch gar nicht zu Ende! Und jede der Gruppen, die darin verwickelt ist, scheint ihr eigenes Süppchen zu kochen. Mit diesen Leuten soll Roan gegen Metropolis in den Krieg ziehen? Dann hat er aber noch eine ganze Menge Arbeit vor sich!

Ein zusätzlicher Effekt, den die Einbettung der Ereignisse in einen historischen Zusammenhang mit sich bringt, ist die Vermeidung von Schwarz-Weiß-Effekten. Das Tun der Charaktere rund um Roan und Beule wird nachvollziehbarer, macht sie menschlicher. Auch die „Guten“ sind nicht perfekt, und die „Bösen“ waren zumindest früher einmal Leute wie alle anderen auch. Bei manchen, wie zum Beispiel Saint, ist es gar nicht möglich, sie eindeutig der einen oder anderen Seite zuzuordnen.

Eine interessante Facette des Buches bildet der Staub. Dieser Stoff, den die Staubesser benutzen, um das Traumfeld zu erreichen, stammt nicht ursprünglich von der Erde und ist deshalb begrenzt. Seine Beschreibung klingt wie die einer bewusstseinserweiternden Droge. Der Streit um die Folgen, die sich aus seiner Benutzung ergaben, war der Auslöser für den Krieg. Roan allerdings besitzt die Fähigkeit, das Traumfeld ohne Staub zu erreichen. „Er kann gehen, wohin er will“, sagt Mabatan über ihn, also auch an Orte, die andere nicht erreichen oder aber nicht wieder verlassen können. Hier wird der fließende Übergang zwischen Fantasy und Science-Fiction deutlich. Elegant und ohne Holpern, frei von logischen Brüchen und ganz unaufdringlich durchzieht diese Mischung das Buch und verzahnt alles miteinander.

Kurz gesagt: Im zweiten Band des Zyklus hat sich einiges weiterbewegt. Der historische Hintergrund sowie die Verhältnisse in Metropolis und die Ereignisse rund um Stowe haben viele neue und interessante Aspekte in die Geschichte eingebracht. Die lebensfeindliche Umwelt sowie die Häscher des Erzbischofs – nebenbei, man beachte: Erzbischof! Nicht König oder General oder Präsident! – halten die Ereignisse um Roan unter steter Spannung, während Stowe ständig sowohl die Entdeckung ihres Wissens als auch ihrer geheimen Fähigkeiten fürchten muss. Die Charaktere sind vielfältig und frei von plakativen Klischees.

Mit anderen Worten: Dennis Foons |Das Vermächtnis von Longlight| entwickelt sich zu einem kleinen Juwel und ist ein deutlicher Hinweis darauf, dass es sich lohnt, gelegentlich nach weniger bekannten Namen zu greifen und nicht immer nur nach solchen, die einem ständig überall begegnen.

Dennis Foon wurde in Detroit, Michigan, geboren und lebt seit 1973 in Kanada. Er war Mitbegründer eines Jugendtheaters und schrieb zahlreiche Drehbücher für Film und Fernsehen, u. a. für die TV-Serie „Die Fälle der Shirley Holmes“, aber auch Theaterstücke. Seine Drehbücher und Dramen wurden vielfach ausgezeichnet, für das Stück „Invisible Kids“ erhielt er den British Theatre Award. Der dritte Band des Zyklus unter dem Titel „The keeper’s shadow“ erschien im September letzten Jahres. Bis das Buch auf Deutsch erscheint, wird es also wohl noch eine Weile dauern.

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