Archiv der Kategorie: Fantasy / Science-Fiction

Sterling, Cheryl – What Do You Say to a Naked Elf?

Jane hält sich für eine typische amerikanische Mittzwanzigerin: Jüngstes von fünf Kindern, Single, tagsüber arbeitet sie als Sekretärin und abends verkauft sie auf selbstorganisierten „Tupperpartys“ essbare Unterwäsche und ähnliches Erotikspielzeug. Nach einer dieser Partys gerät ihr auf dem Heimweg auf einer verlassenen Landstraße ein Kaninchen unter die Autoräder und sie verursacht einen Unfall, bei dem ihr Fahrzeug in Flammen aufgeht. Die fünf grazil gebauten Herren in merkwürdiger Kleidung, die ihr helfen, ihre kostbare Erotik-Ladung aus dem Kofferraum zu retten, kommen ihr gerade recht. Als sie ihnen jedoch folgt und sich in einer anderen Welt wiederfindet, ahnt sie, dass das Schicksal ihr einen mehr als üblichen Streich spielt. Ihr Hauptbegleiter ist Charlie, seines Zeichens halb Elf und halb „Fairy“ – was sowohl seine Ähnlichkeit mit Legolas, seine spitz zulaufenden Spock-Ohren als auch seine Flügel erklären sollte. Doch nicht genug der Dinge, muss Jane doch erkennen, dass Charlie zu ihrem Anwalt erkoren wurde – denn der überfahrene Hase war ein gestaltwandelnder Elf und sie findet sich auf der Mordanklagebank wieder. So weit – so schlecht. Doch dann entwickelt Jane plötzlich magische Kräfte und eine entschiedene Fetischvorliebe für Sex mit geflügelten Männern und übernimmt die Organisation der örtlichen sexuellen Befreiungsfront.

Klingt das nach einer Story, die einem Fantasy-Autor während eines schlechten Trips eingefallen ist? Möglich. Im Grunde möchte das Buch sich jedoch in die Reihe der |Fantasy Romance| einreihen. Fantasy vermutlich, weil Elfen, Zwerge, Zauberer etc. vorkommen, sowie ein „Portal“ zwischen den Welten. Romance – vielleicht, weil es im Grunde keine vernünftige Story gibt und das Ganze wirkt wie ein paar zusammengewürfelte Fantasy-Elemente, die sich um ziemlich detaillierte und penetrante Liebesszenen zwischen Jane und dem Elfenmann Charlie gruppieren.

Geschichten, in denen die Heldin oder der Held plötzlich und unerwartet entdecken, dass sie Erbin des Königsthrons sind, sind im Grunde flach, haarsträubend und idiotisch genug. Wenn dies gleich beiden Hauptcharakteren passiert (mit zwei verschiedenen Thronen wohlgemerkt), dann fällt mir dazu vor lauter Plattheit der Autorin eigentlich kein Kommentar mehr ein.

Nehmen wir die Charakterisierungen der Protagonisten und auch der diversen Nebenfiguren, so finden sich stets nur noch weitere Klischees. Im Grunde wirkt das alles sehr nach amerikanischen Vorabendserien. Jane, unsere zunächst so simple menschliche Heldin ist Vertreterin einer Spezies, die in amerikanischen Liebesromanen stets die Hauptrolle zu spielen scheint. Hübsch, Mitte zwanzig, Single, chaotisch, selbstbewusst bis zum Grad der kompletten Selbstüberschätzung und rückhaltlos vorlaut. Sie reißt einen vermeintlichen Gag nach dem nächsten – schade nur, dass keiner davon wirklich lustig ist. Im Zuge der Geschichte mausert sie sich dann zu Superwoman in Elfenland, entwickelt magische Fähigkeiten, entdeckt ihr königliches Blut, wird schwanger, verliebt sich haltlos in anderes königliches Blut etc. etc. Gähn. Ihre für mich hervorstechendste Eigenschaft ist eigentlich ihre absolute Nervigkeit. Sie redet zu viel – vor allem zu viel Schwachsinn, handelt völlig jenseits menschlicher Vernunft und stets außerhalb der Linien des guten Geschmacks. Sie nervt bis über die Kopfschmerzgrenze hinaus. Und sie ist rundum unsympathisch.
Charlie ist ein Legolas-look-a-like. Das ist dann aber auch schon sein einziger Pluspunkt. Er ist ansonsten ein ziemlich langweiliger Charakter, ein typischer Jurist, nur mit Spitzohren und Flügeln, der im Laufe des Buches zu Janes Lebensretter mutiert. Obwohl er der zweite Hauptprotagonist des Buches ist, ist sein Charakter nur unvollständig skizziert. Wir erfahren zwar einiges über seine Vorgeschichte, aber er selbst bleibt eine unbekannte Größe. Es gibt daher beim besten Willen nicht mehr über ihn zu sagen.
Auch die anderen Charaktere sind völlig oberflächlich gezeichnet und haben zum größten Teil nur darauf gewartet, von Jane aus ihrem bislang stumpfsinnigen Elfendasein gerettet zu werden.

Die beiden Hauptcharaktere, Jane und Charlie, werden von der Autorin in ausführlich beschriebenen, völlig überzeichneten Liebesszenen zusammengeworfen – mal wird Jane von Charlie stehend gegen die Tür genommen, dass das ganze Elfenland in dem gemeinsamen Orgasmus erzittert, bis hin zu wollüstig-kitschigen „Ich-liebe-dich-liebst-du-mich-auch“-Szenen an magischen Teichen. Das Ende des Buchs ist die Mutter aller Klischees mit Heirat, Babys und allem drum und dran. Interessantere Geschichten, weniger stereotype Charaktere und weniger offensichtliche Handlungsverläufe findet man selbst in den Sammlungen der Gebrüder Grimm.

Die Sprache des Buches ist der Handlung entsprechend sehr einfach gehalten, sämtliche Wortneuschöpfungen sind erklärt oder ergeben sich aus dem Zusammenhang. Die Sätze sind kurz und einfach gehalten. Selbst für Anfänger im Originalelesen sollte dieses Werk keine besondere Herausforderung darstellen. Eine Übersetzung gibt es bislang nicht.

„What do you say to a naked elf?“ ist Cheryl Sterlings erster veröffentlichter Roman. Zuvor hat Cheryl Sterling, eine ausgebildete Informatikerin aus dem amerikanischen Staat Michigan, verheiratet und Mutter zweier Kinder im Teenager-Alter, Geschichten geschrieben, die in der Gegenwart spielen, die jedoch bislang unveröffentlicht geblieben sind.

Alles in allem ist dies das schlechteste Buch, das ich seit langer, langer Zeit gelesen habe. Weder beherrscht die Autorin die Kunst, den Leser zu fesseln, noch hat sie überhaupt eine richtige Geschichte zu erzählen. Aufgrund der graphischen Erotikszenen ohne verbindende Handlung werte ich das Buch als „Porno mit Elfen“. Der absolut einzige Lichtblick ist der marketingorientierte, originelle Titel, auf den ich hier dann auch komplett hereingefallen bin.

Homepage der Autorin: http://www.cherylsterlingbooks.com

Isaac Asimov – Die Rückkehr zur Erde (Foundation-Zyklus 10)

Golan Trevize wurde von Gaia, dem komplexen Planetenorganismus mit starken mentalistischen Fähigkeiten, dazu ausersehen, das Schicksal der Galaxis zu bestimmen. Gaia erkannte in Trevize die Fähigkeit, ohne ausreichende Daten die richtigen Schlüsse zu ziehen, was ihn geradezu prädestiniert, intuitiv zwischen den verschiedenen Möglichkeiten zu entscheiden: Dem zweiten Imperium nach Vorstellung der Foundation oder der zweiten Foundation, die im Hintergrund die Fäden ziehen würde, oder einem galaxisweiten Superorganismus nach Gaias Vorbild, ein Galaxia, ein allumfassendes Wesen, in dem der Mensch als Individuum keine Rolle mehr spielen wird, sondern jedes Wesen Teil des Ganzen wäre.

Trevize entschied sich für Galaxia, doch vertraut er selbst nicht auf seine von Gaia erkannte Fähigkeit, sondern will wahrhaftig wissen, warum er sich so und nicht anders entschied, da ihm persönlich die Vorstellung, alle Individualität aufgeben zu müssen, nicht erstrebenswert erscheint. Doch mit der gleichen Intuition, die ihn zu dieser Entscheidung trieb, weiß er, dass er die Gewissheit nur auf der Erde, dem vergessenen Ursprungsplaneten der Menschheit, erhalten wird. Also setzt er seine Suche nach der Erde mit dem gravitischen Raumschiff der ersten Foundation fort, begleitet weiterhin von Dr. Pelorat, dem Mythologen und Historiker, und Wonne, einem menschlichen Teil Gaias, die mit ihren durch Gaia vermittelten Fähigkeiten für Trevizes Sicherheit sorgen soll. Da sie immer mit Gaia in Verbindung steht, erfährt Gaia gleichzeitig den Fortschritt der Suche.

Trevize ist der Überzeugung, irgendwo in den gigantischen Bibliotheken der galaktischen Menschheit müssten sich Hinweise auf die Erde finden, da fast jeder Planet mit Mythen und Legenden um diese Welt aufwarten kann. Durch Gendibal, den Sprecher der zweiten Foundation, erfuhr er, dass selbst auf der Hauptwelt des ersten Imperiums alle Informationen über die Erde entfernt wurden, und das unter den Augen der Mentalisten von der zweiten Foundation, was auf eine größere Macht hindeutet. Die Hinweise der Mythen über die Erde, die in allerlei Variationen von einer unerreichbaren, radioaktiven Erde erzählen, überzeugen den ehemaligen Ratsherr Trevize endgültig: Jemand oder etwas von der Erde versucht, ihre Existenz zu verheimlichen – mit mächtigen Mitteln.

Nur auf den verbotenen Welten der ersten Siedlungswelle, den fünfzig Planeten der so genannten Spacers, finden sich vergessene oder übersehene Informationen, die Trevize und seinen Begleitern einen mühseligen Weg in Richtung Erde zeigen. Unterstützt durch den fortschrittlichen Computer des Raumschiffs scheint das Ziel endlich erreichbar zu sein …

Mit dem vorliegenden Roman bringt Asimov seinen Zyklus um die Foundation zu einem fulminanten Abschluss. Schon im vorhergehenden Band „Die Suche nach der Erde“ versuchte er einen Ringschluss mit einigen seiner früheren Werke, indem er die bisher im Foundation-Universum gänzlich fehlenden Roboter behutsam erwähnte. Diese Maschinenintelligenzen und eine großartig angelegte Geschichte der galaktischen Menschheit bilden einen wichtigen Punkt im Hintergrund des Abschlussromans. Mit den zwei Siedlungswellen der Spacers und Settlers wirft er einen Blick zurück und bindet weitere Ideen in das Universum ein, wie auch die Ansatzpunkte der Stahlhöhlen (hier noch in Mythen und Legenden verankert) oder die Radioaktivität der Erde. Auch der Lenker im Hintergrund, der Überroboter Daneel Olivav, stellt eine Anekdote der Vergangenheit und ein Verbindungsglied zu früheren Werken dar, so dass Asimov tatsächlich ein geschlossenes Werk seiner Eroberung des Weltraums schafft.

Asimov ist bekannt für sein Bestreben, jede Geschichte in absoluter Logik zu entwickeln. In Golan Trevize fand er einen herrlich passenden Protagonisten für diese seine Leidenschaft, über ihn konnte er die verschiedenen losen Enden des großen Zyklus’ verknüpfen und die angelegten Rätsel befriedigend entwirren. Obwohl Trevize dadurch manchmal wie ein Übermensch oder antiker Held wirkt, ist er nicht ohne menschliche Schwächen und dadurch durchaus sympathisch. Vielleicht merkte Asimov erst nach dem Ende des Vorgängerromans, welche Probleme ein Galaxia für die Individualität bedeuten würde, vielleicht war aber die Lösung durch die Rückkehr bereits geplant. Jedenfalls greift er genau diesen Punkt mit den ersten Worten des Romans auf und widmet die Geschichte einer befriedigenden Lösung. Ob die Lösung, die er ansteuerte, wirklich befriedigend ist, mag jeder für sich entscheiden, logisch ist sie allemal.

Mit dem 0. Gesetz der Robotik schiebt Asimov einen Punkt nach, der einige Probleme in der Robotpsychologie hervorruft oder auch eindeutiger löst. Hier hätte seine Psychologin Susan Calvin sicherlich ihre Freude gehabt: Ein Roboter darf der Menschheit keinen Schaden zufügen oder durch Untätigkeit zulassen, dass ihr Schaden widerfährt. Die drei anderen Gesetze müssen entsprechend abgestuft werden. Ist das wirklich wünschenswert? Mit diesem Gesetz, das die Roboter selbst entwickelten, können sie sich zur Unabhängigkeit von einzelnen Menschen entwickeln, je nach Auslegung. Daneel geht sogar so weit, sein Jahrtausende altes Gehirn mit dem eines Menschen zu verschmelzen, der unabhängig von den Robotergesetzen ist, um eben diese Gesetze umgehen zu können (natürlich zum Wohl der ganzen Menschheit!).

Gaia ist eine durch Roboter entwickelte Entität, das Ausbreiten dieses Wesens auf die Galaxis würde auch durch Roboter gefördert werden. Demnach wäre Galaxia eine künstliche Entwicklung nach Vorstellung der Roboter, die für die Sicherheit der Menschheit handeln und dabei die Individualität des Einzelnen hintanstellen. Trotzdem hat sich Trevize für diese Variante entschieden, und in diesem Buch gibt Asimov Antwort, warum.

Ganz in Asimovs typischem Stil gehalten, dominieren lange Dialoge den Roman. Mag er manchem Leser anstrengend oder gestelzt erscheinen, fasziniert mich diese Art der Erzählung und bietet mir Asimovs Gedanken und Ideen in Form wunderbarer Unterhaltung dar, die spannender nicht sein könnte. Die Geschichte um die Foundation kommt endgültig zu einem Abschluss, und mit den Anspielungen auf frühere Werke (die hinten im Buch als erweiterter Foundation-Zyklus aufgelistet sind) macht Asimov Lust auf mehr. Wer eintauchen möchte in die Welt der Psychohistorik und asimovschen Erzählweise, dem möchte ich die Foundation wirklich ans Herz legen. Allerdings muss erwähnt werden, dass „Die Rückkehr zur Erde“ nicht für sich allein steht, sondern den direkten Anschluss an „Die Suche nach der Erde“ bildet. Empfehlenswert ist der Einstieg mit der Foundation-Trilogie oder nach Asimovs Zusammenstellung mit dem Sammelband „Meine Freunde, die Roboter“.

Isaac Asimov ist einer der bekanntesten, erfolgreichsten und besten Science-Fiction-Schriftsteller, die je gelebt haben. Neben ihm werden oft Robert A. Heinlein und Arthur C. Clarke genannt. Asimov wurde 1920 in der Sowjetunion geboren und wanderte 1923 mit seinen Eltern nach New York aus. Seine erste Story erschien 1939. Zwischenzeitlich arbeitete er als Chemie-Professor in den USA, er schrieb neben seinen weltbekannten Romanen auch zahlreiche Sachbücher. 1992 verstarb er.

Zum Foundation-Zyklus

Meine Freunde, die Roboter
Die Stahlhöhlen
Der Aufbruch zu den Sternen
Das galaktische Imperium
Die frühe Foundation-Trilogie
Die Rettung des Imperiums
Das Foundation-Projekt
Die Foundation-Trilogie
Die Suche nach der Erde
Die Rückkehr zur Erde

Heitz, Markus – 05:58

„Poolitzer“ is back in the ADL und zu Besuch bei seinen Freunden, dem Ex-Nega-Magier Xavier, dessen Geliebter, der hermetischen Magierin Cauldron, und dem Troll Ultra. Zufälligerweise treibt im Stuttgarter Raum gerade ein Serienmörder sein Unwesen, welcher den Modus Operandi berühmter Vorbilder wie Jack The Ripper (und anderer) akkurat imitiert. Gleichzeitig wird die Modeszene der Metropole durch Fememorde in Unruhe versetzt. Gospini wäre nicht Poolitzer, wenn er nicht eine große Story hinter dem Geschehen vermutete. Bedauerlicherweise fühlt sich sein Chummer Ultra dazu berufen, auf den Spuren seines großen Idols zu wandeln und selbst Journalist zu werden. Und so stürzt sich Serverin Timur Gospini in die Ermittlungsarbeit, im Schlepptau einen riesigen Troll in schrillem Outfit.

Doch wie immer sind ihm Glück und Zufall hold; diesmal in Person des Hypnotiseurs Guru Mahatma Citta aka Ranjit Felix Ficker II. Während einer Vorstellung ging ein Trick schief und dem Künstler kam ein hypnotisierter Zuschauer abhanden, welcher nun zu einem in Serie killenden Zeitgenossen mutiert sein könnte. Gut nur, dass Severin Timur Gospini so gute Kontakte zu den örtlichen Polizei-Behörden, vertreten durch den mittlerweile zum BKA beförderten Vigo Spengler, hat. Das sollte die Angelegenheit zu einem Spaziergang machen, … meint man.

Während die Reporter ihrer Arbeit nachgehen, haben Xavier und Cauldron andere Sorgen. Xavier geht es richtig mies, weil er seine Nega-Magie-Fähigkeiten eingebüßt hat und auch ansonsten körperlich unter den Nachwirkungen des letzten Abenteuers (in „Aeternitas“) leidet. Cauldron fühlt sich berufen, den Geist einer jungen Magierin vor der Vernichtung zu bewahren. Dazu bedarf es allerdings der Hilfe einer Todfeindin, der Gestaltwandlerin Abongi, welche selbst von einem äußerst mächtigen und bösartigen Elementar besessen ist (vgl. „Aeternitas“).

„05:58“ ist der fünfte Shadowrun-Roman von Markus Heitz, dessen belletristischer Output sich quantitativ mittlerweile mit dem anderer Vielschreiberlinge der deutschen Phantastik-Szene messen kann. Da sich Millionen von Fliegen nicht irren können, ist es auch der fünfte Band, in dem Severin Timur Gospini „Poolitzer“ sein enthüllungsjournalistisches Unwesen treiben darf. Ließen sich im vierten Teil, „Sturmvogel“, noch mit viel gutem Willen und nach mehreren Klaren gesellschaftskritische und politische Anspielungen ausmachen, so zeichnet sich „05:58“ durch eine triviale 08/15-Story aus. In wenigen Worten lässt sich diese Buch wie folgt kennzeichnen: Locker-flockig leichte Lesekost, routiniert zusammengeschrieben und so sättigend wie ein Papadam; „Gute Zeiten – Schlechte Zeiten“ in Buchform; magere Protagonisten in einer hanebüchenen Story; Atmosphäre, so fesselnd ist wie ein Werbeclip für Hühneraugenpflaster. Viele Leser – dieselben, die Wolfgang Hohlbein für einen begnadeten Literaten halten – werden dieses fade, deutsche Curry-Gericht lieben. Ich nicht!

Zu allererst vermisse ich das Spezifische und die Düsterheit des Backgrounds. Oberflächliche Bezüge – und mehr als das wird man kaum finden – machen noch keinen Shadowrun-Roman, ein bisschen Riggen, Decken (nein, nicht die Dame von nebenan) und Zaubern noch keine fesselnde Story, wobei es alleine Cauldrons „Auftritte“ sind, die dem Buch den zarten Hauch eines Dark-Science-Fantasy-Elementes verleihen.

Der Rest der Geschichte ist so austauschbar und beliebig wie die Protagonisten. Diese sind nicht mehr als Abziehbilder, leidlich animierte Strichmännchen, die sich verbal Sahnetorten ins Gesicht schmeißen. Zugegeben: Poolitzer und seine Chummer kennen wir schon aus den vorangegangenen Bänden und insofern brauchten sie keine sehr detaillierte Zeichnung, aber das entschuldigt nicht, sie bar jeglicher nachvollziehbarer Motivation durchs Bild taumeln zu lassen. Ich konnte weder die Beweggründe für Ultras vorübergehende Journalimus-Fixierung, noch Cauldrons helfende Zauberhand, Fickers Persönlichkeitsstörung oder das Handeln des Slashers nachvollziehen, denn auch hier begnügt sich Heitz mit oberflächlich konstruiert wirkenden Erklärungen, mit Trivialitäten wie beispielsweise einer juckenden Journalistennase oder obskuren Mutterinstinkten.

Das „Originelle“ in diesem Buch beschränkt sich auf zwei Story-Twists gegen Ende und einige vermeintlich lustige Namen, von denen „Fritz Ficker“ sehr schön den dumpfen, trashigen Humor des Autors (oder des Publikums?) illustriert.
Weniger wäre mehr gewesen! Weniger Protagonisten, weniger Handlungsstränge, weniger Oberflächlichkeit, weniger Zufälle. Stattdessen Konzentration auf das Wesentliche oder wenigstens auf irgendetwas, denn für sich genommen bietet jeder der Stränge ausreichend Potenzial für eine atmosphärisch dichte, glaubwürdige Geschichte. So aber ist „05:58“ einer der schwächsten Shadowrun-Romane der letzten Jahre.

Ein belangloser, uninspirierter Shadowrun-Roman, der zwar routiniert heruntergeschrieben wurde, den ich aber auf Grund der fehlenden Atmosphäre und der „soapigen“ Handlung guten Gewissens nicht einmal Shadowrun-Fans empfehlen kann. Wahrscheinlich werden sich aber genug Leser finden, die dieses Werk als gelungen ansehen. Schade!

_Frank Drehmel_
|Diese Rezension wurde mit freundlicher Genehmigung unseres Partnermagazins [X-Zine]http://www.x-zine.de veröffentlicht.|

William Nicholson – Der Windsänger

Dieses Buch ist das erste von William Nicholson, doch kennt ihn vermutlich jeder… zumindest jeder Kinogänger. Nein? Nun: „Nell“? „Shadowland“? „Gladiator“? Zu diesen Filmen hat der Engländer die Drehbücher (mit-)geschrieben; ein Profi im Mediengeschäft also. Und man merkt auch seiner ersten Buchveröffentlichung an, dass er’s kann: diesem exzellent geschriebenen Fantasy-Roman „für Kinder“, den auch Erwachsene verschlingen werden. Ich habe knapp fünf Stunden gebraucht, um das Buch zu lesen, und fand hinterher nur schade, dass es schon zu Ende war.

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Stackpole, Michael A. – Weg des Richters, Der

„Vom Autor der besten BATTLETECH-Romane“ (Cover) ist in meinen Augen nicht unbedingt eine Empfehlung. Hätte mir meine Stammbuchhändlerin, eine große Fantasy-Kennerin, dieses Buch nicht wärmstens empfohlen, hätte ich wohl kaum einen Blick hineingeworfen – und einen hervorragenden Roman verpasst.

Stackpole führt uns in die Welt eines längst zerbrochenen Imperiums, auf dessen Trümmern sich neue Reiche gegründet haben. Doch eine Konstante gibt es nach wie vor: die Tahlion, Hüter des Gleichgewichts und des Rechts, ein Orden geradezu legendärer Kämpfer, Falkenreiter, Magier und Rechtsprecher, zu Hause in der uneinnehmbaren Stadt Tahlianna; von dort senden sie ihre Boten aus. Ihre Soldaten führen die Armeen aller Reiche, was meist eine Machtbalance garantiert. Geleitet werden die sieben Tahlion-Klassen von Hochwaltern, welche wiederum dem Meister unterstehen. Eine besondere Gruppe bilden die Dienstleister, angeführt von Seiner Exzellenz, einer Figur, die nur in wenigen Szenen auftritt, aber höchst zwiespältig und ebenso interessant ist. Die spektakulärste Klasse jedoch sind die Rechtsprecher. Ihr Training ist extrem hart, denn sie müssen praktisch alles können, selbst ein wenig Magie beherrschen. Als Einzelkämpfer durchstreifen sie das Land, um Verbrecher zu eliminieren und andere gefährliche Aufträge zu erfüllen; man schätzt ihre Dienste, aber man fürchtet sie auch, denn sie können ihre Feinde töten, indem sie ihnen die Seelen nehmen.

Nolan, Ich-Erzähler und Hauptfigur des Buches, ist einer von ihnen. Als er zwölf war, wurde seine Familie von Eroberern aus dem Reich Hamis getötet, und er machte sich allein auf den Weg nach Tahlianna, um Rechtsprecher zu werden und den Mord einmal zu rächen. Dank seines Mutes und seines Willens wird Nolan in den Orden aufgenommen. Er durchläuft eine doppelt harte Schule, denn eigentlich ist er für einen Novizen schon zu alt. Stackpole wechselt stets zwischen zwei Handlungssträngen: Ein Kapitel erzählt vom aktuellen Auftrag Nolans, das nächste von wichtigen Stationen seiner Ausbildung, und so fort. Allmählich entsteht ein intensives Bild des Haupthelden, eines nachdenklichen, mutigen und gerechten Mannes; zugleich lernt man die Tahlion-Gesellschaft als eine (spartanische) Utopie kennen. Der Autor schildert dabei auch Details wie die Einnahme des Essens und die Vergabe der Zimmer, doch gerade diese machen das Buch über die spannende Handlung hinaus interessant. Beeindruckend ist das Mysterium, das hinter den Tahlion steht und besonders die Rechtsprecher betrifft; stark angetan hat es mir das Reinigungsritual, das sie durchlaufen müssen, wenn sie eine Seele genommen haben. Hier erfährt man auch, wieso die Richter ihre Macht nicht missbrauchen können. Doch das Bild des Ordens ist kein ganz und gar lichtes – Stackpole zeigt auch, dass politisches Geschäft bisweilen nicht nur edle Mittel erfordert …

Die Handlung spitzt sich zu, als König Tirrell von Hamis von unbekannten Attentätern beseitigt werden soll. Nolan scheint der einzige geeignete Kandidat zu sein, um den König zu retten. Er besteht die erforderliche Prüfung, lehnt jedoch den Auftrag ab: Schließlich müsste er den Mann beschützen, dessen Soldaten seine Familie ausgelöscht haben. Aber Seine Exzellenz, der Politiker hinter den Kulissen, vermag ihn auf drastische Weise umzustimmen – und die Geschichte geht äußerst spannend weiter, mit unerwarteten Umschwüngen und Enthüllungen …

„Der Weg des Richters“ hat alles, was sehr gute Fantasy braucht: eine schlüssig und komplex konstruierte Welt, Kämpfe, Magie, den Weg eines Jungen zum Helden, Konflikte und Gefahren, Bestien in Menschen- und anderer Gestalt, Barden und Lieder, Liebe, Rivalität und Verrat … Stackpole schrieb das Buch 1986, vor Beginn seiner eigentlichen Karriere. Der Text wurde abgelehnt: Für den Erstling eines unbekannten Autors sei er zu lang. Doch verschaffte die Talentprobe dem Autor seinen ersten BATTLETECH-Auftrag. Es folgten STAR WARS-Romane, schließlich ein veröffentlichter Fantasy-Roman – und endlich konnte auch „Der Weg des Richters“ erscheinen.

Zum Glück!

_Peter Schünemann_
|Diese Rezension wurde mit freundlicher Genehmigung unseres Partnermagazins [buchrezicenter.de]http://www.buchrezicenter.de veröffentlicht.|

Sara Douglass – Der Herr des Traumreichs

Die Adern. Ein harmloser Name für eine unerträgliche Hölle. In Schmutz, Hitze und Gestank schuften hier zahllose Sträflinge, um Glomm abzubauen, einen teerhaltigen Rohstoff, auf dem der größte Teil des Wohlstands in diesem Land beruht. Sie sterben innerhalb weniger Jahre, entweder in einstürzenden Stollen, ertränkt vom hereindringenden Meerwasser, das direkt oberhalb der Stollen rastlos auf und ab wogt, an purer Erschöpfung oder an einer der vielen Krankheiten, die in den Minen grassieren. Jeder Heiler des Landes ist durch Edikt der Krone verpflichtet, drei Wochen im Jahr in diesen Bergwerken Dienst zu tun und Kranke zu behandeln.

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Baxter, Stephen – Orden, Der (Kinder des Schicksals 1)

Baxter ist einer dieser SF-Autoren, an denen sich die Geister der Kritiker scheiden. Das mag daran liegen, dass seine Bücher von so unterschiedlicher Art – oder Qualität – sind. Mir hat sein |Xeelee|-Zyklus recht gut gefallen, „Zeitschiffe“ wurde von anderen heftig kritisiert und auch für seine „Multiversum“-Trilogie konnte ich mich nicht so begeistern. Wenn er tatsächlich einer der „weltweit bedeutendsten Autoren naturwissenschaftlich-technisch orientierter Science Fiction“ ist, dann steht es um Letztere wohl ziemlich schlecht.

Das Buch „Der Orden“ (der Originaltitel „Coalescent“ war wohl zu gewagt fürs deutsche Publikum) ist zumindest zu neunzig Prozent keine naturwissenschaftlich-technisch orientierte Science-Fiction. Für etliche hundert Seiten schien es mir sogar, als hielte ich da seinen ersten Versuch in den Händen, Mainstream-Autor zu werden. Aber dann dringt das Phantastische doch noch durch, wenn auch zäh und wirr. Überhaupt ist der Gesamteindruck des Romans einer von Langeweile. Ich fürchte, die einzige Spannung, die sich bei mir einstellte, rührte von der Erwartung her, dass irgendwann doch mal irgend etwas Interessantes passieren müsse.

Die Haupthandlung um einen Mann namens George Poole findet in der Gegenwart oder ganz nahen Zukunft statt. Im Nachlass seines verstorbenen Vaters findet er ein Foto von sich mit einer Schwester, die er nicht kennt. Er beginnt ein wenig herumzuforschen, aber irgendwie halbherzig. Schließlich findet er heraus, dass seine Eltern seine Zwillingsschwester Rosa aus Geldnot zu einem christlichen Orden gaben, der in Rom sitzt. Seitdem hat er nie wieder etwas von ihr gehört. (Dass er ihre Existenz vergessen hat, obwohl sie bis zum 5. Lebensjahr in der Familie war, ist nur eine von vielen Ungereimtheiten.) Poole geht nach Rom und findet sie und den Orden sogar.

Eine zweite Handlung spielt in Britannien zum Ende der römischen Herrschaft. Und jawohl, Baxter kann sich natürlich nicht enthalten, König Artus einzuflechten, obwohl das für die Handlung vollkommen unnötig ist. Regina, eine Tochter aus gutem Hause, erlebt den Niedergang der Zivilisation in Britannien im Laufe ihres Lebens am eigenen Leib. Nachdem sie etliche Stationen hinter sich gebracht hat, darunter die der Geliebten von Artus, landet sie in Rom, wo sie „dank ihres starken Charakters“ – oder was immer – in einem Orden vestalischer Jungfrauen die Führungsrolle übernimmt.

George Pooles Familie stammt von dieser Regina ab, und dass sie es tatsächlich belegen kann, hängt mit der Besessenheit des geheimen Ordens zusammen, Aufzeichnungen anzulegen.

Wie sich zeigt, leben heutzutage Tausende weiblicher Ordensmitglieder tief unter Rom in der so genannten „Krypta“, ohne dass die Außenwelt davon weiß. Man handelt mit historischen Informationen, Genealogie usw., schließlich kann man auf 1600 Jahre alte lückenlose Aufzeichnungen zurückgreifen. Aber das ist nicht alles. Poole und sein Kumpel Peter, ein Verschwörungstheoretiker, finden heraus, dass die „Schwestern“ zu einer Art Mutanten geworden sind. Sie bilden einen „Schwarm“ (im Original vermutlich das übliche hive), existieren wie ein Ameisenhaufen nur zum Selbstzweck der Existenz des Ordens, eine Sache, die Regina damals in Gang gebracht hatte. Einige von ihnen sind dazu verdammt, als Gebärmaschinen zu fungieren, während andere ihr ganzes Leben lang nicht einmal geschlechtsreif werden können. Diese Mutation, die allem widerspricht, was man über die Geschwindigkeit der Evolution weiß, ist eine weitere Ungereimtheit des Buches.

Nebenbei erwähnt werden immer mal astronomische Entdeckungen, wenn man so will. Zu Reginas Zeiten erscheinen Lichter am Himmel – vielleicht Novae? Zu Pooles Zeiten entdeckt man weit außerhalb des Sonnensystems im Kuiper-Gürtel eine geometrische Formation, dann wird dunkle Materie beobachtet … aber was soll’s? Nichts davon hat irgendeine Bedeutung für die Handlung! Es erscheint wie belangloses Geplapper des Autors, wie übrigens so vieles in dem dicken Band.

Eine weitere Person, das Mädchen Lucia aus dem Orden, spielt für einige Kapitel eine Hauptrolle, sie versucht dort auszubrechen, aber das gelingt ihr letztlich nicht. Schließlich soll der Vollständigkeit halber noch die Handlungsebene 20000 Jahre in der Zukunft erwähnt werden, die gegen Schluss ein paarmal auftaucht und so brutal wie sinnlos ist.

Keine der handelnden Personen konnte mein Interesse oder meine Sympathie wecken. Ob in Vergangenheit oder Gegenwart, alles ist einfach nur scheußlich und abstoßend. Vielleicht soll das widerwärtige Leben im Frühmittelalter zeigen, wieso Regina schließlich dazu kam, den Orden so und nicht anders zu begründen. Was dabei herauskommt, sind menschliche Ameisen. Eine Gemeinschaft, die in Arbeitsdrohnen und Gebärmaschinen aufgeteilt ist und vollkommen unerklärlicherweise neben der normalen menschlichen Gesellschaft existieren konnte, ohne dass je etwas darüber bekannt wurde.

Für eine gewisse Zeit dachte ich, Baxters Buch sei feministisch, weil es zunächst wie etwas anmutete, das LeGuin, McCaffrey oder Zimmer-Bradley verzapft haben könnten. Sein Bild von den Frauen, die hier hauptsächlich auftreten, wurde dann aber eher zum Gegenteil. Er stellt sie wie geistlose Brüterinnen hin, die nur die Fortpflanzung um ihrer selbst willen im Kopf haben, instinktgeleitete Gruppenwesen, die von der Erhaltung von „Blutlinien“ faseln und alles und jeden für dieses Ziel opfern. Kein Wunder, dass der Verschwörungstheoretiker Peter sie als Bedrohung für die Menschheit ansieht.

Sicher hat Baxter seine historischen Hausaufgaben gemacht, ich kenne mich da nicht genug aus, um sagen zu können, ob alles korrekt ist, was er sehr ausführlich zur Zeit des Niederganges Roms zu sagen hat. Seine Einbindung eines sozusagen „historischen“ Artus finde ich überflüssig, außerdem haben andere das schon besser gekonnt. Wer sich für diese Zeit interessiert, wird jedoch echte historische Romane lesen, nicht Bücher, die durch Sprünge in die Gegenwart verwirren und mit esoterischen Philosophierereien nerven. Baxter beschreibt ohnehin nur die überaus bedrückende Atmosphäre des Verfalls von Kultur und Zivilisation.

Alles in allem, ein langatmiges, enttäuschendes Werk, das auf der fragwürdigen Idee aufbaut, dass sich Menschen am Rande des Existenzminimums zu „Schwärmen“ zusammenrotten, um zu überleben. Warum beobachten wir das dann eigentlich nicht heutzutage allerorten?

_Wilko Müller jr._
|Diese Rezension wurde mit freundlicher Genehmigung unseres Partnermagazins [buchrezicenter.de]http://www.buchrezicenter.de veröffentlicht.|

Alpers, Hans J. / Fuchs, Werner / Hahn, M. Ronald / Munsonius, Jörg M. / Urbanek, Hermann – Lexikon der Fantasy-Literatur

Das „Lexikon der Fantasy-Literatur“ auspacken, heißt zuerst einmal: Gewicht stemmen! 1.600 Gramm lebendige Fantasy wuchtet das Autorenteam auf die Waage. Der erste Eindruck ist bekanntlich oft der gewichtigste, aber bei diesem Lexikon trifft das eben in besonderer Weise zu. Dagegen sehen Schmalschinken wie das selige „Lexikon der Science-Fiction-Literatur“, das anno dazumal im |Heyne|-Verlag erschien, auf den ersten Blick ein wenig schwach auf der Brust aus, doch ein zweiter Hingucker relativiert die Euphorie: Heynes Büchlein im Taschenformat umfasste knapp 1.300 Seiten. Na ja, behandelt werden 400 Autoren, dieses Fantasy-Lexikon dürfte numerisch mehr zu bieten haben (nein, ich zähle nicht nach, und einen Hinweis auf die Anzahl der Autoren habe ich nirgendwo entdecken können).

Wo ich gerade von Format spreche, sollte nicht unerwähnt bleiben, dass |FanPro| sich nicht hat lumpen lassen. Das Lexikon kommt in einer sehr stabilen, offensichtlich für dauerhaften Gebrauch konzipierten Gestaltung mit sehr schön aufbereiteten Cover und einer soliden Verarbeitung daher. Während eben Gebrauchsbücher wie das eben genannte SF-Lexikon rasch aus den Fugen geraten, spricht bei |FanPro|s Foliant vieles dafür, dass es bis zu einer möglichen Neuauflage seine ansehnliche Form beibehalten wird. Bei dem zu Recht verlangten Preis käme mir das sehr entgegen.

Gleich zum Preis, denn ob ich zu Anfang die Leut erschrecke oder zum Schluss: gesagt werden muss es. 60 Euronen sind kein Pappenstiel und schnell mal aus der Portokasse rausgeschüttelt. Umgerechnet sind das beinahe passgenau drei vom neuen Hohlbein („Anubis“ zu 19,90). Mal nachgedacht: auf den Hohlbein verzichtet, dann noch zwei andere Bücher in der selben Qualitätslage, die ich nach einmaligem Lesen vielleicht zufrieden, vielleicht auch nicht beiseite lege und für immer vergesse, stattdessen einen richtig spannenden Schmöker gekauft namens „Lexikon der Fantasy-Literatur“ … das lässt sich wahrlich überlegen. Mir jedenfalls fiele die Entscheidung förmlich in den Schoß, und sie wöge 1,6 Kilo …

Aber für einen solchen Kauf bedarf es guter Gründe. Einer wäre, |FanPro| für das lobenswerte Wagnis zu belohnen, in Zeiten des allgegenwärtigen Internets und der grassierenden Googlemanie, die den Bedürftigen mit Informationen zuschüttet, jedenfalls vieles zugänglich macht, was bislang verborgen oder nur schwer erreichbar war. Brauche ich das Lexikon als Interessierter dann überhaupt?

Ich bin mir sicher: ja! Ich recherchiere auch gerne und manchmal zu häufig via Internet. Es kommt – die Erfahrung macht ein jeder – sehr viel zusammen, was sich gar nett liest, ausgedruckt ergäbe das für einen x-beliebigen Autor beispielsweise, dem man einen Nachmittag über die ganze Welt hinterherjagt, gleich einen netten Stapel an Papier. Infos in Hülle und Fülle – aber ist das sinnvoll? Leider nicht immer, einerseits sind viele Informationen nicht verifiziert, jeder Hansel (Entschuldigung, wenn sich jemand angesprochen fühlt) kann nun geradewegs behaupten, Arnie Schwarzenegger sei der Autor der Conan-Geschichten über einem österreichischen Bauern-Barbaren, der gar nicht fiktiv ist, sondern lebt, und wer den sehen möchte, müsse nur das Fitness-Center am Fiaker-Markt frequentieren. Okay, deutlich gesagt: Wer gibt mir die Sicherheit, dass die Informationen von Hinz und Kunz zutreffen, echt sind, verlässlich? Niemand, und deshalb genügt eine schnelle (oder auch zeitraubende) Internet-Recherche nicht, um zuverlässig Details herauszuarbeiten.

Beim vorliegenden Print-Lexikon gehe ich davon aus, dass durch den profilierten Mitarbeiterstab eine gewissenhafte Aufarbeitung des Datenmaterials erfolgt ist, demzufolge alle Inhalte so weit stimmen und ich mich darauf verlassen kann, die Angaben auch zitieren zu können. Bei Internet-Informationen dünkt mir das eher ein Drahtseilakt zu sein, bei dem ich permanent ganz schön auf die Schnauze fallen kann.

Der profilierte Mitarbeiterstab bedarf einiger Worte, obwohl die Erwähnung von Alpers, Hahn und Urbanek jedem Kundigen den Pfad aufzeigt: da sind Urgesteine der phantastischen Sekundärliteratur (und darüber hinaus) am Werke, die sich im Genre auskennen und wissen, wo es langgeht. Sie werden begleitet von weiteren Mitarbeitern, die sich der Legion an Autoren angenommen haben: Dr. Florian F. Marzin, Heinz Jürgen Galle, Gustav Gaisbauer oder Dr. Franz Rottensteiner sind, wie die Mehrzahl der übrigen auch, so lange im Metier unterwegs, dass erstklassige Arbeit erwartet werden darf.

Diese Arbeit eröffnet sich dem Leser natürlich erwartungsgemäß. Die Autoren werden alphabetisch sortiert gelistet. Bei Pseudonymen erfolgt ein Verweis auf den Autor; unter Pseudonym geschriebene Titel werden entsprechend zugeordnet und benannt. Ein erläuternder Text befasst sich in unterschiedlichem Umfang mit den wichtigen Werken. Danach folgen die deutschen bibliographischen Einträge, wobei Serien gesondert aufgeführt werden. Fremdsprachige Veröffentlichungen eines Autors werden unter diesen Einträgen nicht gelistet (was auch wegen des Umfangs gar nicht möglich wäre), die Originalveröffentlichungen werden jedoch im biographischen Teil genannt. Sollte ein Autor Genre übergreifend tätig sein, werden nur seine Fantasytitel aufgeführt.

Sachbücher, die für die Fantasy-Literatur von Bedeutung sind (zum Beispiel Dr. Helmut Pesch: „Fantasy – Theorie und Geschichte einer literarischen Gattung“), wurden als Ausnahmen ebenso eingebunden. Einige Autoren ohne deutsche Veröffentlichungen wurden wegen ihrer Bedeutung gleichfalls aufgenommen.

Im Anhang notiert wurden weiterhin wichtige Fantasy-Preise und ihre Preisträger („Deutscher Fantasy Preis“, „Phantastik-Preis der Stadt Wetzlar“, „World Fantasy Award“) sowie eine Auflistung der Serien mit Fantasythema.

Den Einstieg in die Materie gewinnt der Leser durch vier Artikel von Florian F. Marzin und Rainer Nagel: „Quellen der Fantasy-Literatur“ (Marzin), „Die Geschichte der Fantasy-Literatur“, „Reiche und Welten der Fantasy-Literatur“ und „Die Artuslegende“ (jeweils Nagel).

Der Stoff reicht für nächtelanges Lesen! Und es macht wirklich Freude, einfach aufs Geradewohl durch die Seiten zu wandern, irgendwo springt einem doch wieder ein Fakt ins Auge, den man so nicht kannte oder nicht mehr in Erinnerung hatte. Zudem ist es erstaunlich, wie viele deutschsprachige Autoren Fantasyromane geschrieben haben – wobei ein Bonmot des Lexikons dabei augenscheinlich wird. Es wurden nicht bloß die großen Verlage wie |Heyne|, |Goldmann| oder |Klett-Cotta| mit Aufmerksamkeit bedacht, sondern auch die als „Book on Demand“ oder in Kleinverlagen erschienenen Bücher. Wer dabei desavouiert knurrt, dass die Leserschaft solcher Romane so überschaubar ist wie der Big-Brother-Zoo, der sei besänftigt: ich hab lieber ein wenig zu viel, als ein bisschen zu wenig. Autorenbeschreibungen, die mich nicht interessieren, die kann ich ignorieren. Autorennamen, die dagegen wichtig sind und fehlen, die würde ich schmerzlich vermissen. Nach meinem Dafürhalten ist das Lexikon wirklich umfassend, ich wäre aber nicht überrascht, wenn wegen der Unüberschaubarkeit des Genres nicht doch der eine oder die andere Autorin durchgerutscht wäre (aber davon wird der Verlag sicherlich schnell informiert, wie ich die sehr wissende Leserschaft einschätze).

Nach diesen lobenden Worten könnte vielleicht doch die Frage auftauchen, ob es nicht irgendetwas zu mäkeln geben würde. Na ja, es muss ja noch etwas zu verbessern geben …

Beispielsweise hätte ich mir mehr Ausführlichkeit bei den vier Artikeln gewünscht. Wenn schon sekundärliterarische Beiträge, dann ähnlich ausgiebig wie im zuvor erwähnten Science-Fiction-Lexikon, bei dem diese Kapitel knapp 140 Seiten aufs Papier bringen. Okay, da mag dann der Preis die entscheidende Rolle spielen, aber etwas dezidierter hätten die Ausführungen zu den einzelnen Subgenres „High Fantasy“, „Heroic Fantasy“, „Dark Fantasy“ und so weiter ausfallen können (wodurch zeichnet sich „Sword & Sorcery“ aus, welche Vertreter repräsentieren die Linie von ihren Anfängen bis heute), damit ein Nicht-Fantasy-Fachmann die einzelnen Autoren und ihre Werke eindeutig bewerten kann. Rainer Nagel pflegt dies in seinen Beitrag „Die Geschichte der Fantasy-Literatur“ zwar ein, überlässt aber dann die Definition beispielsweise von „epischer Fantasy“ dem Leser. Das sagte mir beim SF-Epigonen doch besser zu, bei dem Spielarten wie die „Space Opera“ durchaus eingehend begutachtet und auch in ihren Ausprägungen bewertet wurde.

Bewertungen der Romane sucht man im Übrigen meist vergebens, weil dies auch nicht unbedingt beabsichtigt war, wie die Herausgeber im Vorwort betonen: „Die Information steht dabei über der kritischen Bewertung.“ Das ist in Ordnung, aber andererseits auch schade. Ich hätte sehr gerne einige sicherlich nicht unsüffisante Bemerkungen von Ronald M. Hahn gelesen, bei dem ich eine eher kritische Haltung zur Fantasy erwarte. Wie amüsant etwas Derartiges sich dann liest, beweist „Das neue Lexikon des Horrorfilms“ …

Viele Portraits zieren Fotos der Autoren, aber nach meinem Geschmack hätten die besonders bei den zeitgenössischen Vertretern etwas reicher an Land gezogen werden können. Insbesondere bei den deutschen Autoren sollte dies doch möglich sein. Es lockert ja nicht nur auf, sondern untermalt auch das Bild vom Autor, das sich beim Leser aufbaut und das sich hinter der Biographie verbirgt.

Und warum Robert Jordan ein Schattendasein mit einer mageren Randnotiz fristet, obwohl seine „Wheel of Time“-Serie ohne Frage internationale Relevanz für die Fantasy besitzt (und wovon die unzähligen Internetseiten beredt Zeugnis ablegen, die sich speziell mit der Welt beschäftigen), Wolfgang Hohlbein dagegen 2 ½ Seiten in Beschlag nimmt, das ist eines der großen Mysterien der Fantasy-Literatur. Na ja, es veranschaulicht eben, dass manche Beiträge auch sehr von den Vorlieben oder Nachforschungen der Lexikon-Verfasser abhängig sind.

Und: Der Redaktionsschluss ist mir entweder durch die Lappen gegangen – oder er fehlt als Angabe doch tatsächlich. Der gehört aber in ein solches Werk, um den Stand der Aktualität erfassen zu können.

Natürlich sind das Peanuts, die unter den Tisch fallen, wenn das Lexikon in seiner Gesamtheit betrachtet wird. Und dabei gibt es nichts zu deuteln, das „Lexikon der Fantasy-Literatur“ ist ein bedeutendes Stück Sekundärliteratur, das sich zwischen Tolkien und Leiber so richtig wohl fühlt –am liebsten aber durchgeblättert werden will. Diejenigen Fantasy-Leser, die über das reine Konsumieren hinaus Interesse an der Literatur haben, etwas erfahren wollen über die Autoren und ihr Schaffenswerk, Nachschlagen möchten, wer wann welche Bücher beim Verlag publizierte, der wird bestens verköstigt. Ein dicker Prachtband, der rundum satt macht.

Und bitte keine Ausflüchte von wegen „teuer“: Dieses Lexikon gehört einfach in jeden Bücherschrank.

_Karl-Georg Müller_
|Diese Rezension wurde mit freundlicher Genehmigung unseres Partnermagazins [X-Zine]http://www.x-zine.de veröffentlicht.|

Foster, Robert / Pesch, Helmut W. – große Mittelerde-Lexikon, Das

Vielleicht eine mögliche Erklärung, warum das vorliegende Buch erst 22 Jahre nach der englischen Fassung auch bei uns erschien, ist wohl der Hype, den Peter Jackson dank seiner Verfilmung der „Herr der Ringe“-Trilogie losgetreten hat. Mittelerde ist aber viel mehr als nur der Ringkrieg, was sich in den vielen auf den Markt geschwemmten Publikationen zum Film nur zum Teil widerspiegelt. Fosters „Das große Mittelerde-Lexikon“ befasst sich jedoch nicht nur mit diesem kleinen Ausschnitt, sondern liefert interessante Backgrounds in Stichwortform über die gesamte Bandbreite von Tolkiens faszinierender Welt. Bemerkenswerterweise stammt das Werk diesmal nicht von |Klett-Cotta|, dem angestammten Tolkien’schen Haus- und Hof-Verlag in Deutschland, der sich sonst für die Publikationen hierzulande (fast) exklusiv verantwortlich zeichnet, sondern von |Bastei Lübbe|.

_Zum Inhalt_
Für diese aktuell gültige Fassung des Lexikons aus dem Jahre 1978 sind die Informationen aus vielen Quellen auch außerhalb des Herrn der Ringe zusammengetragen worden. Unter anderem: „Letters“ (dt.: „Briefe“), „Lost Tales of Middle-Earth“ (dt.: „Das Buch der verlorenen Geschichten Mittelerdes Band 1 und 2“), „The Silmaril“ (dt.: „Das Silmarillion“) und aus „The Hobbit“ sowie anderen Publikationen, wie „The History of Middle-Earth“ (dt.: „Nachrichten aus Mittelerde“) oder „The Adventures of Tom Bombadil“, um nur die Wichtigsten zu nennen. Zumindest letzteres Werk dürfte hierzulande kaum bekannt sein, da es auf Deutsch bislang noch nicht veröffentlicht wurde.

Bereits im Vorwort weist der Autor darauf hin, dass er lediglich „hofft“, ein vollständiges Werk abgeliefert zu haben, das frei von Fehlern ist – hierzu muss man wissen, dass die Geschichten von Tolkien (da über einen Zeitraum von Jahrzehnten verfasst und zusammengetragen) selbst immer wieder von ihm redigiert und angepasst wurden. Somit sind durchaus erkennbare Inkonsistenzen in der Logik oder Doppeldeutungen unausweichlich, für die Foster nichts kann und die in der Natur der Sache liegen. Wann immer Begriffe nicht eindeutig zuzuordnen sind, wird jedoch gesondert darauf hingewiesen.

Für die deutsche Version zeichnet sich Helmut W. Pesch verantwortlich, dem es oblag, sogar noch mehr Arbeit investieren zu müssen, da die deutschen Versionen, Nomenklaturen, Eigennamen etc. nicht nur teils stark von den Originalen Tolkiens abweichen, sondern zudem zwei verschiedene Übersetzungen in deutschsprachigen Raum veröffentlicht wurden. Die Neueste stammt von Wolfgang Krege (2000) und gilt gegenüber der von Margaret Carroux und E. M. von Freymann (letzte Überarbeitung 1991) als die exaktere – wenn auch viele die Ur-Übersetzung für die stimmungsvollere halten. Dementsprechend musste für die Eindeutschung des Lexikons wesentlich mehr Aufwand betrieben werden.

Neben dem etwa 750 Seiten starken Hauptteil des alphabetisch sortierten Lexikons finden sich am Anfang das Vorwort des Autors, das Vorwort des deutschen Überarbeiters und Übersetzers und eine kurze Einführung, wie dieses Buch zu verwenden ist. So erhält der interessierte Leser einen kurzen Einblick hinter die Kulissen der wichtigsten Sprachen und Zeitrechnungen Mittelerdes, ihre Grammatik und Unterschiede der Deutungen. Im Anhang stehen noch einige Ahnentafeln und Zeitleisten zur Verfügung, an denen man ablesen kann, wann welche Kultur innerhalb der vier Zeitalter mit welcher Sprache gesprochen hat oder noch „heute“ (will heißen: zur Zeit des Ringkriegs) spricht.

Die meisten Begriffe, die uns in Tolkiens Werken begegnen, sind auf „Quenya“ (der Sprache der Hochelben, „Eldar“ genannt) oder auf „Sindarin“ (der Sprache der Grauelben, der „Sirdar“ und „Noldor“) basierend. Hinzu kommt die Gemeinsprache, der sich alle verschiedenen Völker untereinander bedienen: das „Westron“ (die Sprache der Westernis „Númenor“, die einen Teil von allem enthält), sowie spezielle lokale Dialekte, beispielsweise etwa die Sprachen der Hobbits, Rohirrim oder auch Mordors. Wann immer ein ethymologischer Zusammenhang besteht oder Mehrfachbedeutungen vorhanden sind, so ist meist ein Querverweis dazu vorhanden oder die Begriffe stehen (mehrfach) direkt untereinander mit unterschiedlichen Erklärungen nebst Quellenangaben.

_Meinung_
Der Stoff dürfte den meisten viel zu trocken daherkommen und richtet sich ausschließich an Hardcore-Fans und wirklich Interessierte, die tiefer in die komplexe Materie von Tolkiens Welt einzutauchen gedenken. Zwar sind die Querverweise und Erklärungen zu den Begriffen ganz nett zu lesen, verraten aber demjenigen, der nicht oder nur wenig mit der Geschichte Mittelerdes vertraut ist, sicherlich nicht viel. Um das Buch wirklich schätzen zu können, bedarf es der Kenntnis nicht nur der Filme und des Romans zum Herrn der Ringe und dem Hobbit. Die meisten, die sich dieses Buch eventuell zulegen möchten, werden sicherlich zumindest diese Teile der Story kennen und deshalb mehr erfahren wollen.

Leider setzt das Lexikon in einigen Passagen die Print-Versionen der Romanvorlagen und auch des Silmarillions voraus („leider“ ist hier als Relativ zu verstehen – diese Bücher gehören eh in jede Bibliothek). Auf das ihnen beigelegte Kartenmaterial wird oftmals verwiesen, doch dem Lexikon selbst hat man weder Illustrationen noch eigene Karten spendiert, was ich bedauerlich finde, denn „Fremde“ bekommen hier Orte um die Ohren gehauen, die als böhmische Dörfer gelten, wenn man zum Beispiel nur die Filme kennt oder aber den Herrn der Ringe zwar irgendwann mal gelesen, jedoch die Bücher nicht (mehr) zur Hand hat.

Über die Vollständigkeit der behandelten Begriffe kann man nicht meckern, bislang habe ich zu jedem Komplex, zu dem ich weitere Informationen suchte, auch tatsächlich Auskunft erhalten, wenn auch manchmal über Umwege, weil das entsprechende Wort zwar gelistet, aber eben an anderer Stelle erläutert wird. So springt man zuweilen von Querverweis zu Querverweis, bis man schlussendlich die gewünschte Information gefunden hat. Das ist bei Lexika aber nun wirklich nichts bahnbrechend Neues – schließlich ist es kein Roman, der eine Geschichte chronologisch erzählt, sondern ein Nachschlagewerk.

Ein interessanter Aspekt ist, dass man im Vorbeilesen ganz andere Dinge findet, als man explizit gesucht hat, und sich dann immer weiter festliest. Auf seiner Suche nach anderen Informationen stolpert man über diese fast automatisch, weil sie einem per Zufall ins Auge springen, wenn man sich von Schlagwort zu Schlagwort hangelt. Das Nachschlagewerk ist bestimmt kein Buch, das man von vorne nach hinten (quasi buchstäblich von A bis Z) durchackert und hinterher die Weisheit Mittelerdes mit Löffeln gefressen hat, vielmehr greift man dazu, wenn man bestimmte Namen, Orte oder Begebenheiten wieder in Erinnerung rufen und die Zusammenhänge besser verstehen lernen will. Nebenher nimmt man eine Menge der von Tolkien eigens für Mittelerde erfundenen Sprache(n) auf.

_Fazit_
Wer alleine nur die bisher erschienenen Verfilmungen gesehen hat, mag sich das fette Nachschlagewerk für recht günstige zehn Euro gerne zulegen. Es ist ein guter Anfang, um weiter ins faszinierende Thema Mittelerde einzudringen, wird aber dem Betreffenden höchstwahrscheinlich nicht sehr hilfreich sein, denn die Filme reißen das Gesamtbild allenfalls leicht an. Leser der Romane Mittelerdes kommen da schon etwas besser weg und werden eine ganze Menge bekannter Gestalten, Mythen und Begebenheiten wiederfinden, doch auch hier gibt es zu bedenken, dass der Ringkrieg zwar das umfassendste Werk ist und auch den Löwenanteil in diesem Lexikon einnimmt, doch nicht wenige der Begriffe und Personen sind aus den früheren Zeitaltern entlehnt.

Die Kenntnis (mindestens) des Silmarillions ist somit schon fast absolute Bürgerpflicht, von der restlichen als Quellen angegebenen Literatur mal ganz zu schweigen. Man muss schon den Willen mitbringen, sich auch auf eine vollkommen ausgestaltete, fiktive Sprache einzulassen, will man das Lexikon effektiv nutzen und vor allem verstehen. Trotzdem muss auch ich, als recht beschlagener Fan, das Fehlen von Kartenmaterial oder Illustrationen bemängeln. Neueinsteigern verwehrt das den Zugang zum ansonsten exzellenten Nachschlagewerk enorm. Im Gegensatz zu manch unnötigen 08/15-Publikationen, die im Kielwasser der Filme rausgehauen wurden, gehört das große Mittelerde-Lexikon fraglos zu den wirklich empfehlenswerten Veröffentlichungen aus dem Bereich der Sekundärliteratur über Mittelerde.

_Die Buchdaten auf einen Blick:_
Originaltitel: „The Complete Guide to Middle-Earth“
– Ein alphabetischer Führer zur Fantasy-Welt von JRR Tolkien –
Genre: Sekundärliteratur / Quellenliteratur
Ersterscheinung: 1971, überarbeitet 1978 – Ballantine / Random House
Deutsche Erstveröffentlichung: Dezember 2002 – Bastei Lübbe
Übersetzung und Überarbeitung: Helmut W. Pesch
Titelillustration: Arndt Drechsler
Seiten: 810 / Paperback
ISBN: 3-404-20453-0

Bauer, Ines; Luger, Sabina; Ott, Judith – Schatten über Byzantium (Demonwright)

Die Dämonen des |Demonwright| sind erwacht und greifen erneut nach Byzantium. Fast das ganze Land ist schon von ihren orkischen Dienern unter Kontrolle gebracht, nur die Stadt Palvecia und die zugehörigen Landstriche erfreuen sich noch einer zweifelhaften Freiheit und Unabhängigkeit. Die Kaufleute murren, denn die Straßen sind unsicher im Land, und der Herzog Mortak von Palvecia ist nicht in der Lage, sie zu schützen. Das Volk darbt und hungert, und erstmals seit ewigen Jahren vereist der Hafen in der Winterkälte.

Herzog Mortak befragt das Orakel des Eldir, des weisen Gottes mit seherischer Kraft. Durch den Mund des Oberpriesters Egil erfährt Mortak von der einzigen Hoffnung für Byzantium: Die drei Artefakte, die schon vor undenklichen Zeiten aus der Schale in der Hand der Eldirstatue im Tempel verschwanden, müssen gefunden und wiederbeschafft werden, dann würde die dunkle Macht zurückgedrängt. Aber nicht irgendjemand soll die Suche antreten, auch nicht Mortak selbst, sondern seine Kinder!

Der faule Sohn, Arifes, der schon immer alle Verantwortung auf seine Schwester Sefira abgewälzt hat, will sich auch jetzt hinter ihr verstecken und schiebt ihre Schutzlosigkeit als Frau vor, um dem Auftrag zu entgehen. Da ereilt den herzoglichen Sitz die Kunde, dass Sefiras Verlobter von Orks brutal getötet wurde, und Sefira sieht keinen Grund mehr, den Auftrag abzulehnen, ganz zu schweigen von ihrem Verantwortungsgefühl für Land und Volk. Also brechen sie auf, geschützt von drei Kristallen, die ihnen in höchster Not auf der Suche Rettung verheißen sollen.

Unglücklicherweise werden sie getrennt, und Afires flieht in die Stadt zurück, wo er im Suff von der Diebin Nantalin überrumpelt und von seinem Kristall befreit wird. Nantalin wurde von einem unbekannten Mann beauftragt, den Geschwistern zu folgen und sie um die Kristalle zu erleichtern, bevor sie die Artefakte würden bergen können. Nun verfolgt sie Sefira, die unterdessen auf Plünderer gestoßen ist und sich in ihrer Unterkunft erholt. Auch Arifes hat von ihrem Aufenthaltsort erfahren. Als er mit seiner Schwester die weiteren Pläne erörtert (unter anderem wollen sie den Zwerg Oolith suchen, der durch sein Alter etwas von den Artefakten gehört haben könnte), werden sie von Nantalin belauscht, die sich alsbald auf den Weg zu Oolith macht.

Die orkische Schamanin Chahfkrish und der Orkführer Kherr stehen mit den dämonischen Xul in Verbindung und trachten ebenfalls nach den Kristallen, die die Schlüssel zu den Artefakten darstellen. Unter Chahfkrishs Führung nähert sich das Heer Palvecia, Kherr verfolgt die Geschwister und kommt ihnen immer näher. Es scheint, als könnte die Rückkehr der Artefakte in die Schale bis zum Vollmond verhindert werden, was den Untergang Byzantiums bedeuten würde …

Obwohl das Buch nicht besonders dick ist, lässt sich die Geschichte nicht in wenigen Worten umreißen, so komplex und vielschichtig ist sie erzählt. Die Entwicklung des feigen und faulen Arifes, dem sogar das Schicksal seiner Schwester im Moment der Gefahr egal ist, zum Orkschlächter und führsorglichen Beschützer dauert über die gesamte Handlungszeit und geht fast unmerklich vonstatten. Zwar erahnt man Einzelheiten wie das Schicksal Nantalins und den Hintergrund des höfischen Verrats, das tut aber weder der Spannung noch dem Lesefluss Abbruch, weil die hinweisenden Sätze zur richtigen Zeit kommen.

Einzig die schnelle Zuneigung Sefiras zu diesem Schönling Sid kurz nach dem Tod ihres Verlobten erscheint etwas unnatürlich und führt zu Widerwillen. Glücklicherweise wird dazu ein passender Ausweg gefunden, denn die Eisschmelze setzt pünktlich ein.

Byzantium selbst erscheint nicht sonderlich groß, wenn die Helden etwa ein Drittel der Insel in knapp einem Monat bewandern können. Darum erstaunt auch nicht die gute Ortskenntnis des alten Zwergs Oolith, der noch andere Einblicke in die Geschehnisse zu haben scheint, da er aufopfernd sowohl Arifes als auch seiner Konkurrentin Nantalin hilft und sie vor dem schnellen Zugriff des Orks Kherr bewahrt. Schade, dass wir nicht mehr über ihn erfahren konnten.

Trotz des dichten Handlungverlaufs gelingt es den Autorinnen vorzüglich, auf den Hintergrund der Götterwelt und der Landesgeschichte einzugehen; dadurch gewinnt die Geschichte an Substanz und Glaubwürdigkeit. Man leidet mit Arifes, als er seinem Pferd die Qualen erspart, gleichzeitig muss man sich das Lachen verkneifen, denn die in hohem Bogen über die Deckung fliegenden Bröckchen des Unwohlseins wirken in Anbetracht der ernsten Situation erfrischend. Überhaupt bildet sich um Arifes und Nantalin ein ungreifbares Feld der Komik. Außer Frage steht, dass zwischen ihnen ein gewisses Knistern besteht, und umso erheiternder kommen Augenblicke wie das nackte Im-Schnee-wälzen oder die pragmatische Sicht der Dinge, als ihr verhinderter Führer, der weiße Rabe, seinen Weg erst in den und dann wieder aus dem Magen von Arifes findet – und damit seinen Zweck doch noch erfüllt.

Natürlich ist das Anagramm des Namens der Geschwister augenfällig. Dass dies ein wichtiges Element der Geschichte ist, glaube ich nicht, eher handelt es sich wohl um eine kleine Neckerei der Autorinnen. Insgesamt gefällt mir der Roman ausgesprochen gut, er ist spannend, tiefgründig und so unterhaltsam, dass ich ihn erst um zwei Uhr morgens zur Seite legen konnte – als er ausgelesen war. Dabei lässt sich nicht feststellen, ob wirklich drei Autorinnen mitwirkten oder doch nur eine Person (aber nach direkter Bekräftigung von Ines Bauer ist es tatsächlich Teamarbeit), das lässt auf ein hervorragendes Zusammenspiel schließen. Es ist ein Buch geworden, das Beachtung verdient. Apropos verdient: Beruhigend, dass auch Nargol sein Fett wegkriegt!

Verlagsseite: http://www.wurdackverlag.de

Lustbader, Eric Van – dunkle Orden, der

Mit „Der dunkle Orden“ schließt Eric Van Lustbader seinen dreiteiligen Fantasyzyklus um die magische Welt Kundala ab, die von den hochtechnisierten V’ornn überfallen und unterjocht wurde.

Lustbader hat eine komplexe Welt voller Gegensätze geschaffen; was im ersten Band [„Der Ring der Drachen“ 254 noch ein stark an Herberts |Dune|-Zyklus angelehntes Werk war, entwickelt sich im Folgeband „Das Tor der Tränen“ zu einem Kampf der Kontrahenten innerhalb der eigenen Reihen. Mit den Dämonen Kundalas, die in die Welt drängen, kommt noch eine weitere Partei ins Spiel.

So brodelt es in den Reihen der V’ornn, als die niedere Kriegerkaste der Khagggun von den neuen Machthabern, der Familie Stogggul, in den Rang einer Hohen Kaste erhoben wird. Die Flottengeneräle bekämpfen sich untereinander, während der Widerstand der Kundalan zersplittert und uneinig ist. Doch auch in religiöser Hinsicht ist Konfliktstoff gegeben, die Ramahan (Priester/Zauberer) der Göttin Miina sind bereits kurz nach der Invasion der V’ornn von ihrem Glauben abgefallen und geben sich der Schwarztraumzauberei Kyofu hin.

Doch wie passt die höchste Kaste der V’ornn – die geheimnisvollen Gyrgonen, mit Technologie ausgestattet, deren Möglichkeiten weit über der normaler V’ornn steht und an Magie grenzt – in dieses Bild? Sie sehen in der Magie Kundalas den letzten Weg, um der drohenden Vernichtung durch die ominösen „Centophennni“ zu entgehen. Magie ist ihnen unbegreiflich, aber vielleicht der einzige Weg, um die Geheimnisse der Goronenpartikel zu meistern, die als Waffe verwendet mächtiger sind als alles, was die V’ornn zur Verteidigung aufbieten können.

Gleichberechtigung und Emanzipation spielen ebenfalls eine große Rolle; so laufen viele V’ornn-Frauen aus der niederen Kaste der Tuskugggun (Heim, Kinder und Herd …) zum kundalanischen Widerstand über, unter ihnen auch Marethyn, die Schwester des neuen, besonders grausamen Herrschers der V’ornn auf Kundala, Kurgan Stogggul. Seine Sippe hat die gegenüber den Kundalan allzu freundliche Familie Ashera abgelöst und ausgelöscht. Bis auf seinen Jugendfreund Annon …

Dieser ist ein V’ornn/Kundalan-Mischling, Sohn des ermordeten Königs Eleusis Ashera und seiner kundalanischen Konkubine Giyan. Bei ihm drängt sich die Assoziation zu „Dune“ geradezu auf, denn ähnlich wie Paul Atreides ist er der ersehnte Messias, Retter Kundalas. Als der Dar Sala-at soll er Miinas heiligen Drachen Seelin befreien, die „Perle“ Miinas in seinen Besitz bringen und die V’ornn von Kundala vertreiben. Zum besseren Verständnis sei erwähnt: Annon wurde bereits im ersten Band umgebracht und gilt als tot – sein Geist teilt sich den Körper mit dem der Kundalan Riane, er wurde also körperlich in eine Frau umgewandelt. Das schafft eine ganze Menge Probleme, denn er liebt die Kundalan Eleana, die zudem sein grausamer „Freund“ Kurgan bereits im ersten Band vergewaltigt und geschwängert hat.

Auf eine Aufzählung der zahlreichen, schillernden Nebencharaktere, wie den später zum Nawatir, Kämpfer der Göttin Miina, umfunktionierten Truppkommandeur Rekkk Hacilar, der auch Annon zuerst einmal getötet hat (dies erinnert ein wenig an die Geschichte um Jesus und den Legionär, der ihm den Speer in die Seite rammte), möchte ich hier verzichten. Die von Lustbader geschaffene Welt ist unheimlich komplex, bevölkert von zahllosen interessanten Charakteren und spielt mit den gelungenen Kontrasten zwischen verschiedenen Arten der Magie bis hin zur Nekromantie, Genetik und modernster Technologie.

Daraus kann man eine eindeutige Empfehlung ableiten: Obwohl es ein Glossar gibt, ist dieses wenig hilfreich, zu komplex sind die Zusammenhänge, zudem ist es lieblos und unvollständig – ein Einstieg muss zwingender denn in vielen anderen Serien mit dem ersten Band „Der Ring der Drachen“ erfolgen.

Was bietet nun der letzte, abschließende Band dieses wilden Mixes aus Horror, Fantasy und SciFi?

Zuerst kommt die Erkenntnis, dass das anfänglich so sehr an Dune angelehnte Szenario sich vollständig eigenständig entwickelt hat und innovative neue Ideen bietet; die lebhafte Welt Kundala ist Lustbader ob und gerade wegen ihrer Gegensätze einfach perfekt gelungen. Die Chance, bei einem Mix dreier Genres literarischen Schiffbruch zu erleiden, ist nicht gerade gering, und an einigen Untiefen kommt auch Lustbader nicht vorbei: Er fordert einen für Neues offenen Leser, der konzentriert liest. Denn einfach zu konsumieren ist sein Zyklus nicht.

Die Vielfalt hat auch ihren Preis. So wimmelt es nur so von ständig neuen Handlungssträngen und Nebenhandlungen, die leider oft nicht abgeschlossen oder abgewürgt werden. Das hohe Erzähltempo und häufige Wechsel der Bezugsperson der Erzählung führen oft auch zu einer sehr subjektiven Sicht der Welt, in der Charaktere hervorgehoben werden, die Umgebung aber bestenfalls skizziert wird, was ich allerdings nicht als negativ empfunden habe.

Leider verliert sich so auch ein wenig der Faden, es gibt keine eigentliche Hauptfigur, wie man es ob der Rolle Annons/Rianes annehmen könnte. Der abschließende Band tröpfelt anfangs vor sich hin, man weiß nicht im Geringsten wie es weitergehen soll, plötzliche Sprünge eröffnen dann neue Perspektiven. Dies ist ähnlich ärgerlich wie die bereits im zweiten Band aufgetretenen „Deus ex Machina“-Effekte. Lustbaders Handlungsführung weist hier erhebliche Defizite auf, die erste Hälfte des Buches ist dadurch ein zäher, orientierungsloser Brocken, der nicht gefallen kann.

Das letzte Drittel ist dafür actionreich und spannend – leider ist das Ende bitter enttäuschend. Vieles bleibt ungelöst, es gibt keinen krönenden Abschluss, man glaubt kaum, dass das Buch hier endet. Ob man hier Lustbader zu einer Trilogie genötigt hat? Komplexe Serien haben oft Schwierigkeiten, zu einem guten Ende zu kommen … hier aber drängt sich der Eindruck einer erzwungenen Raffung auf. Das würde auch die zunehmenden Sprünge und Unglaubwürdigkeiten besser erklären. So scheint die Dreiecksaffäre zwischen dem Nawatir, der ihn verschmähenden Giyan und der ihn liebenden Inggres arg gekürzt worden zu sein, sie ist oberflächlich und endet plötzlich. Dasselbe gilt für die Dämonen, die den zweiten Band dominierten und sich seitdem wohl nicht mehr aus der Hölle getraut haben.

Annon/Rianes und Eleanas Beziehung sowie die in diesem Band erfolgende Metamorphose Kurgans haben allesamt einen Ende-offen-Charakter, noch wird Kundala befreit im klassischen Sinne.

_Fazit:_ Es ist schade, wie dieser faszinierende Zyklus endet. Ist er am Ende an seiner überbordenden Komplexität gescheitert oder auf Drängen des Verlages, der die Saga in drei statt fünf Bänden abgeschlossen sehen wollte? Zumindest wurden diese drei Bände in der sehr gut gelungenen deutschen Übersetzung nicht wie so oft üblich gesplittet.

Dieser Zyklus ist faszinierend – aber die wunderschöne Welt, die Lustbader geschaffen hat, leidet am Ende unter zu vielen offenen Handlungssträngen, zu vielen Charakteren und fehlendem roten Faden. Schade! Diese Fantasywelt hatte so viel Potenzial, leider enttäuscht und verärgert sie mit diesem Finale. Wer von Standard-Fantasy oder SciFi gelangweilt ist, wird sie dennoch lieben. Allen anderen kann ich aufgrund der genannten Defizite nur abraten.

Hoffnung besteht dennoch: Das kann nicht das Ende sein – vielleicht folgt ja eine zweite Trilogie, welche die Handlung fortführt, die vielen offenen Fragen klärt und einem nicht das Gefühl gibt, mittendrin aufzuhören!

Thomas Ziegler – Die letzten Tage Lemurias (Perry Rhodan. Lemuria 5)

Auf einer abgelegenen Welt des 87. Tamaniums – so etwas wie Staaten im lemurischen Imperium, dem Großen Tamanium – soll sich die geheime Temporalforschungsstation des lemurischen Suen-Clans befinden, protegiert durch den Tamrat Markam. Zwar wurden diese Forschungen verboten, doch jetzt, kurz vor der endgültigen Niederlage der Lemurer gegen die Bestien, greift man zum letzten Ausweg: Ein kleiner Kreuzerverband mit dem lemurischen Chefwissenschaftler an Bord soll diese Welt aufsuchen und die Gerüchte um eine Zeitmaschine überprüfen – um im Falle ihres Zutreffens eine Flotte in die Vergangenheit zu schicken, die den Heimatplaneten der Bestien vor deren Aufbruch ins All vernichten soll. Ein unglaubliches Zeitparadoxon.

Der kleine Verband wird unterwegs von Raumschiffen der Bestien aufgehalten und fast aufgerieben, ehe ein größerer Verband eingreift. Der Befehlshaber weiß nichts von dem Geheimauftrag und beordert die Überreste des Verbands zur Abwehr über einen bedrohten Planeten. Zufällig ist Levian Paronn oberster Technad des Planeten und erhält als solcher Einblick in die Berichte der Offiziere. Er erfährt von dem geplanten Zeitexperiment und erkennt, dass hier seine Bestimmung liegt, die ihm vor wenigen Jahren von einem Überwesen prophezeiht wurde. Er übernimmt den Auftrag und fliegt den bewussten Planeten an.

Icho Tolot, der halutische Freund Perry Rhodans und später Nachkomme der Bestien, erscheint in eben dieser Zeitstation auf dem Planeten aus dem Zeittransmitter und versetzt unwillentlich die Besatzung in Angst und Schrecken, die ja in ihm eine Bestie sehen muss. Um seine Loyalität zu beweisen, greift Tolot persönlich in einen Angriff der Bestien ein, die auf dem Planeten ein Blutbad anrichten. Er tötet einige seiner Vorfahren und hofft ständig, kein Zeitparadoxon zu verursachen.

Levian Paronn taucht auf und versucht, Tolot als letzten vermeintlichen Überlebenden der Bestien zu töten, dieser kann sich aber entziehen und gestikuliert wild, um Paronn auf den Atombrand aufmerksam zu machen, der, von den Bestien gelegt, die Welt vernichten wird. Paronn lässt den Zeittransmitter abbauen, doch bevor er ihn von der Welt transportieren kann, vernichtet ein weiteres Schiff der Bestien seinen Raumer. Auf der einen Seite der wütende Atombrand, auf der anderen Seite die gelandeten Bestien, scheint es für Paronn und seine Mission keine Zukunft zu geben. Es sei denn, die Fremde Bestie (damit denkt er an Tolot) griffe nochmals zu seinen Gunsten ein …

Thomas Ziegler wurde 1956 in der Nähe von Uelzen als Rainer Zubeil geboren, zog nach Wuppertal und Köln und verfasste phantastische Romane, in denen er immer wieder auf grundlegende Motive zurückkam: Seine Warnung vor rechtsradikalen Bewegungen, Kritik an von demokratischer Kontrolle entzogener Wirtschaft, seine Skepsis den Medien gegenüber und seine Betrachtungen von Natur, Umwelt, Ökologie. Ziegler sprudelte über vor Fantasie, was auch von seinem Autorenkollegen und späteren Rhodan-Autor Uwe Anton belegt wurde, mit dem er einige Romane in Kooperation schrieb. Zwischenzeitlich, nach seiner kurzen Einlage als Exposéautor bei Perry Rhodan, zog sich Ziegler aus der Phantastik zurück und widmete sich anderer Literatur, in der immer wieder Köln zum Schauplatz wurde. Erst in den letzten Jahren kehrte er zu seinen Wurzeln zurück und es war sogar ein Wiedereinstieg bei Perry Rhodan geplant. Kurz nach Fertigstellung des Manuskripts zum vorliegenden Roman verstarb Rainer Zubeil/Thomas Ziegler viel zu früh am 11. September 2004.

Mit seinem letzten Roman hat Ziegler seinen Beitrag zu neuen Einblicken in die lemurische Geschichte geleistet und gleichzeitig zur Lösung der letzten Fragen in diesem Minizyklus beigetragen. Levian Paronn, dessen Herkunft bisher im Dunkeln lag, kommt aus der Epoche des Niedergangs der lemurischen Zivilisation, vom Ende des Kriegs gegen die Bestien. Er ist Wissenschaftler und Technad; die mysteriöse Übergabe des Zellaktivators wird von Tolot so interpretiert, dass ES seine Finger im Spiel hat. Anscheinend hat ES noch etwas vor mit den Lemurern, oder es hätte ihnen nicht durch Paronn und die Zeitschleife um Tolot eine zweite Chance, die Überbrückung der Jahrtausende mit Generationsschiffen in die Gegenwart, gewährt. Also taucht ein neues Rätsel auf: Was bezweckt die Superintelligenz ES mit diesem Vorgehen? Allzu schwerwiegende Auswirkungen dürfte es nicht haben, oder im nächsten und letzten Band des Zyklus schlägt die Mission doch noch endgültig fehl, denn meines Wissens tauchen diese neuen Lemurer in der Heftserie bisher nicht auf.

Ziegler verarbeitet die bei Zeitreisegeschichten immer auftauchenden Fragen nach Paradoxa und der logischen Probleme sehr zufriedenstellend (auch dieses Themas nahm er sich oft und gern an in seinen Werken): Während man in den letzten Zyklen der Heftserie zu einer wenig erbaulichen Logik kam, nach der die Protagonisten bei Zeitreisen machen können, was sie wollen, ohne Paradoxa hervorzurufen, da „alles geschieht, weil es bereits geschah“, lässt Ziegler seinen Protagonisten Tolot viel über diese Problematik nachdenken und kommt eben nicht überzeugt zu diesem Ergebnis. Tolot ist der Meinung, man müsse sich durchaus vorsehen als Zeitreisender, um keine schwerwiegenden Fehler zu machen. Er zum Beispiel könnte in der Epoche durchaus doppelt existieren und es wäre fatal, seinem anderen Ich zu begegnen. Oder wenn er die Zerstörung des Zeittransmitters nicht verhindert hätte, wäre Paronn nicht in die Frühzeit der Lemurer gelangt, um dort die Sternenarchen auf die Reise zu schicken. Durch sein Wissen um die Zukunft (aus seiner Sicht eigentlich der Gegenwart) versucht Tolot, Veränderungen der Vergangenheit zu verhindern oder die Vorraussetzungen für eben die bekannte Zukunft zu schaffen. Paronn dagegen arbeitet bekanntlich darauf hin, über den langen Weg einer Jahrtausende währenden Zeitschleife doch noch das große Paradoxon hervorzurufen, um die Bestien seiner Zeit zu vernichten. Dass er damit die Nachfahren der Lemurer, die Terraner und so weiter auslöschen würde, interessiert ihn nicht, denn aus seiner Sicht sind sie nur eine mögliche Zukunft, die nicht eintreten muss (Ziegler beschreibt Paronn als Entwickler einer Multiversumstheorie, und nach diesen Gesichtspunkten ist Paronns Einstellung sogar nachvollziehbar – bis zu dem Punkt, dass er über die Zeitschleife die Zukunft ja erleben wird und sie dann nicht mehr eine Möglichkeit ist, sondern eben Realität).

Man sieht, Ziegler schafft mit diesem Roman eine befriedigerende Ansicht der Zeitproblematik als seine Kollegen in der Hauptserie, obwohl er sich schwerpunktmäßig auf die Erzählung seiner Geschichte konzentriert und so ein spannendes, sehr unterhaltsames Abenteuer um Icho Tolot entstehen lässt. Dabei hatte er eine denkbar schwierige Aufgabe, denn durch die vorhergehenden Romane ist in groben Zügen klar, wie Tolot in der Vergangenheit eingreifen muss.

Insgesamt kann Ziegler an das hohe Niveau von Andreas Brandhorst anknüpfen und dem Zyklus eine weitere Facette verleihen, die ihn über die Vorgänger „Odyssee“ und „Andromeda“ erhebt. Bleibt zu hoffen, dass Zieglers Ansichten über die Zeit von seinen Kollegen aufgegriffen werden und er damit dem unbefriedigenden „es geschieht, weil es geschah“ ein Ende setzt, denn eindeutig lässt sich so eine spannendere Geschichte erzählen. Mir hat dieser Roman sehr gut gefallen, und damit bewahre ich Rainer Zubeil in bestem Andenken.

Der Autor vergibt: (4/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (1 Stimmen, Durchschnitt: 3,00 von 5)

Clemens, James – Buch der Rache, Das (Alasea / Banned and the Banished 3)

Elena soll sich ans Meer gewöhnen. Das muss sie, denn A’loatal und das Buch sind nur über das Meer zu erreichen. Doch kaum ist sie zu einer dieser Übungen an Bord des kleinen Schiffes gegangen, werden sie von Meerkobolden angegriffen. Elena wird von einem Giftstachel getroffen, doch ihre Magie verhindert, dass sie stirbt. Stattdessen beschert ihr die Nähe des Todes eine neue Form von Magie, mit deren Hilfe sie den Stab ihres Bruders in eine magische Waffe umwandelt. Sie haben die Meerkobolde kaum zurückgeschlagen, da geraten sie in eine erneute, größere Gefahr, an die sie Er’ril verlieren …

Währenddessen ist Mikela unterwegs zur Hafenstadt Port Raul, wo sie, wenn alles planmäßig geklappt hat, ihre in Schattenbach zurückgelassenen Gefährten finden soll. Sie findet sie tatsächlich, spürt jedoch nicht, dass einer von ihnen inzwischen ein Bösewächter geworden ist. Von der Sumpfhexe Cassa Dar gewarnt und von Tol’chuks Herzstern geführt, wollen sie Elena zu Hilfe eilen. Eine weitere Prophezeiung spaltet die Gruppe jedoch erneut. Während Tol’chuk, Merik und Mama Freda mit einer kleinen Gruppe von Zo’ol aufs Meer hinaussegeln, folgen Mikela, Kral und die beiden Gestaltwandler aufgrund einer weiteren Prophezeiung dem obersten Piraten der Stadt zurück in seine Heimat, zum Nordwall, wo die Zwerge drohen, nach Süden zu marschieren.

Saag-wan und Kast sind inzwischen unterwegs, um das Seefahrervolk der De’rendi zu suchen und sie als Verbündete für die Schlacht um A’loatal zu gewinnen. Die De’rendi dagegen sind den Mer’ai aufgrund ihrer Vergangenheit nicht unbedingt wohlgesonnen, und es wird ein schweres Stück Arbeit, sie inmitten eines tobenden Sturmes zu überzeugen, dass sie sich zum geplanten Angriffstermin am vereinbarten Treffpunkt einfinden.

Abgesehen davon wird die Zeit knapp. Denn der oberste Dunkelmagier hat beschlossen, das Buch des Blutes zu zerstören, damit es der Hexe nicht in die Hände fallen kann …

Der dritte Band des Zyklus arbeitet mit den bisher meisten Handlungssträngen. Clemens ist jedoch klug genug, nicht alle gleichzeitig nebeneinander herzuführen, sondern sich – wie bisher auch – immer auf zwei zu beschränken, die einander abwechseln: das Geschehen um Elena wechselt mit dem um Mikela und pausiert nach den ersten dreihundert Seiten, um den Handlungsfaden um die Mer’ai und die De’rendi weiterzuführen. An dem Punkt, wo die vereinigten Seetruppen zu Elena und ihren Gefährten stoßen, wird der Handlungsfaden um den verschwundenen Er’ril in den Wechsel eingeflochten. Das dient nicht nur der Übersichtlichkeit, sondern auch der Spannung, denn es ist klar, dass Clemens den Handlungsfaden um Elena nicht still legt, ohne vorher eine bedrohliche Aussicht auf das weitere Geschehen anzudeuten.

Die Gruppe um Mikela taucht erst am Ende des Buches wieder auf. Da für das Bestehen eines Abenteuers jedoch immer eine bestimmte Kombination von Fähigkeiten erforderlich ist, müssen die entstandenen Lücken irgendwie ersetzt werden, Rollenspiel lässt grüßen. Wie im [„Buch des Sturms“ 996 angedeutet, wird Joachs Rolle weiter ausgebaut. Abgesehen von der Waffe, die Elenas Magie im formt, spielt sein Traum eine wichtige Rolle in den Ereignissen, die mit dem Buch in Zusammenhang stehen, und gibt dem Leser Stoff zum Rätseln. Außerdem freundet er sich mit einem der Zo’ol an. Wer diese Männer genau sind und woher sie kommen, wird in diesem Band nicht verraten, vielleicht tauchen sie später noch einmal auf. Mama Freda, die in Port Raul zur Gruppe stößt, stammt aus dem Dschungel im Süden, einem Landstrich, der bisher zwar auf der Landkarte angedeutet war, aber jetzt zum ersten Mal auftaucht. Die alte Frau ist eine Heilerin. Zwar ist sie blind, kann aber durch die Augen ihres Haustieres sehen. Das kleine äffchenartige Tier eignet sich dadurch gut als Spion und Kundschafter.

Während der Ausbau der Gruppe durch die Zo’ol und Mama Freda ein weiteres Steinchen im geographischen Mosaik darstellt, liefert der Handlungsstrang um die Mer’ai und De’rendi eines für die Historie der Welt Alasea. Einer der Ältesten des Rates erzählt Saag-wan und Kast die Geschichte ihrer Völker. Auch das Auftauchen der Elv’en bedeutet ein solches Mosaiksteinchen, wobei deren Charakter bisher keine Spekulationen darüber zulässt, welche Rolle sie im weiteren Verlauf spielen werden.

Was mich an diesem Band erstaunt hat, war der frühe Zeitpunkt, zu dem Clemens dem Leser verrät, hinter welchem der Gefährten sich der Bösewächter verbirgt. Ich hatte damit gerechnet, dass Clemens dies als Spannungselement einer unbekannten Bedrohung benutzen würde. Letztlich hat es sich allerdings gezeigt, dass dieser Aspekt für den Kampf um A’loatal überhaupt keine Rolle gespielt hat. Die Gewichtung lag eindeutig auf den Kriegsvorbereitungen und dem Ausbruch des Krieges, für mehr war wohl auch kein Platz.
Der Krieg selbst nahm nur die letzten zweihundert Seiten in Anspruch, und davon drehte sich das meiste um Elenas Suche nach dem Buch. Die Schlacht war lediglich eine Randerscheinung, die befürchteten Szenen blutigen Gemetzels blieben aus. Worauf der Autor aber nicht verzichten wollte, war das Ungeziefer des Bösen, wenngleich man sagen muss, dass auch das etwas in den Hintergrund getreten ist. Es tauchen weniger neue auf, die Beschreibungen sind weniger detailliert, die damit befasste Handlung ist kürzer.
Der Wyvern, das dunkle Wesen aus Joachs Traum, fällt dabei völlig aus dem Rahmen. Er wird als eines von vier Toren bezeichnet, wobei komplett offen gelassen wird, wohin diese führen und worum genau es sich dabei handelt. Sie scheinen jedoch ziemlich unmittelbar mit dem Bösen verbunden zu sein, werden also sicherlich noch an Bedeutung gewinnen.

Bereits in den ersten beiden Bänden [„Das Buch des Feuers“ 969 und „Das Buch des Sturms“ hat der Autor, nachdem der jeweilige Endkampf ausgefochten und der Höhepunkt damit überschritten war, bereits durch Andeutungen den Folgeband vorbereitet. Das verhindert ein völliges Abflauen der Spannung, weckt die Neugier und hält den Leser bei der Stange. In diesem Fall halten beide Szenen auch noch eine überraschende Wendung bereit. Überhaupt steht „Das Buch der Rache“ seinen Vorgängern in nichts nach, im Gegenteil. Die Handlung und die Welt werden komplexer und vielfältiger. Trotz der stets gleichen Methode, nach der Clemens seine Erzählungen aufbaut, gelingen ihm immer wieder überraschende Wendungen, und er versteht es jedes Mal aufs Neue, den Leser gefangen zu nehmen und die Spannung immer weiter anzufachen. Man kann einfach nicht anders als weiterlesen.

Warum der Verlag, der sich bei den Titeln der Vorgängerbände einigermaßen an die Bedeutung gehalten hat, jetzt auf einmal „Wit’ch war“ als „Das Buch der Rache“ überträgt, ist mir leider unverständlich. Die kurzen Rachedrohungen der beiden Dunkelmagier gegen Er’ril, Joach und gegeneinander gehen bei der Gewichtung der eigentlichen Handlung im Krieg völlig unter und dürften also kaum ein ausreichender Grund für eine solche Abweichung darstellen. Ob es am Wechsel des Übersetzers liegt …? Vielleicht werden das die folgenden Bände zeigen.

James Clemens ist gebürtiger Amerikaner, wuchs aber in Kanada auf. Er studierte Veterinärmedizin und eröffnete schließlich eine Praxis in Californien. 1998 erschien der erste Band des Zyklus |Banned and the Banished| unter dem Titel „Wit’ch fire“. In der deutschen Übersetzung wurde daraus „Das Buch des Feuers“. Die übrigen Bände folgten, jedes Jahr einer. Nach einer längeren Pause soll im Juli dieses Jahres der erste Band des neuen Zyklus |Godslayer Chronicles| unter dem Titel „Shadowfall“ herauskommen.

Homepage des Autors: http://www.jamesclemens.com

Heidrun Jänchen, Christian Savoy, Andrea Tillmanns – Der eiserne Thron

Ernst Wurdack, der Begründer und Inhaber des Wurdack-Verlags, initialisierte vor einigen Jahren einen Wettbewerb für Amateurautoren der Phantastik, den er auch immer noch durchführt. Unter http://www.storyolympiade.de findet man im Internet die Ausschreibungen der mittlerweile zweijährig stattfindenden Olympiade, die von ihren Teilnehmern stets ein breites Thema in origineller Weise bearbeiten lässt. Und den Gewinnern winken ansehnliche Preise: Jeder Autor, dessen Geschichte in der Wettbewerbsanthologie veröffentlicht wird, erhält ein Belegexemplar des Buches; die drei Erstplatzierten erhalten die Möglichkeit, einen Roman zu schreiben. Ursprünglich sollten diese Romane im Fantasy-Universum des Rollenspiels „Demonwright“ angesiedelt sein, und aus dieser Zeit resultiert der Roman „Der eiserne Thron“.

Herzog Rogvald, dessen Onkel König der Südermark und damit Inhaber des Eisernen Throns ist, fühlt sich abgeschoben auf der in entlegenen Sümpfen trotzenden Burg Kalderstein. Im letzten Scharmützel gegen die Goblins ist er als Held hervorgegangen und kann seinen jetzigen Status nicht verstehen.

Bei einem Besuch der Stadt Isenborg, Sitz der königlichen Feste, tötet er den südermarkschen Prinzen im Streit um eine Frau – nur seinem Freund Frett ist es zu verdanken, dass Rogvald nicht gefasst wird. Nun kommt ein Stein ins Rollen: Rogvald wird auf der Totenfeier von dem neuen Thronerben beleidigt und sinnt auf dessen Tod, um selbst auf den Thron zu gelangen. Mit Fretts Hilfe lockt er den jungen Prinzen bei widrigem Winterwetter in ein Moor, wo er vor einem soldatischen Zeugen versinkt. Rogvald kann nichts nachgewiesen werden, aber die Schwester der Prinzen ist misstrauisch.

Bald schon verunglückt der König tödlich auf der Jagd, und Rogvald sieht sich seinem Ziel nahe. In einem letzten Aufbäumen spinnt die Prinzessin Walrike eine Intrige, der Rogvald zum Opfer fallen soll. Doch sie fliegt auf, und damit stellt sich das Volk hinter Rogvald. Walrike flüchtet. Als Rogvald sich auf den Thron setzt, blickt ihm sein eigenes Gesicht entgegen, das spöttisch sagt: „Du hast es geschafft.“

Im zweiten Teil erfährt die zwergische Heilerin Thania von dem Unheil, das über die Stadt Isenborg hereingebrochen ist, und von dem dunklen Geheimnis, das den König Rogvald umgibt. Auf der Suche nach Prinzessin Walrike findet sie in einem Kobold einen treuen Freund, der ihr vor ihren Häschern hilft und sie aus der Südermark herausführt.

Ein Soldat der südermarkschen Garde greift selbst nach dem Thron, denn mit seiner vorgeblichen Tochter, die er unterdrückt und benutzt, hat er einen nicht zu unterschätzenden Trumpf in der Hand: Sie ist eine Wandlerin. In Gestalt einer Goblinführerin führt sie das dunkle Volk nach Isenborg, doch sucht sie nach einem Weg, sich gegen ihren Vater aufzulehnen. Der Kampf um den Thron ist noch nicht zu Ende …

Der Roman ist dreigeteilt: Im ersten Teil schildert Heidrun Jänchen mit hintergründigem Humor und Raffinesse den Weg Rogvalds nach Isenborg. Sie vermeidet so gut es geht blutige Schlachten und Tote, allerdings kommt sie um die tragenden Morde an der Königsfamilie nicht herum. Das Problem löst sie elegant, so dass man wie in einem guten Film nie die grausige Tat an sich „sehen“ kann. Andrea Tillmanns lässt ihre Heilerin alles tun, damit niemand zu Schaden kommt. Nur um den Tod der Zwergin abzuwenden, muss ein – zugegeben mordlustiger – Soldat sein Leben lassen. Christian Savoy ist da kaltblütiger. „Seine“ Orks, Goblins und Menschen zeigen sich von ihrer rauhesten Seite. Wo es Konflikte gibt, hält Yakh, der Gott des Todes, reiche Ernte.

In ihrer sprachlichen Gewandtheit nehmen sich die drei Autoren nichts und müssen sich auch hinter „Profis“ nicht verstecken. Stilistisch einwandfrei entführen sie den Leser in das karg anmutende Land der Südermark und bieten ihm ein unterhaltsames Schauspiel höfischer Ränke und grausamer Hinterlist. Nur der offenherzigen Zwergin sind das Töten und Kämpfen und das Heldentum zuwider, sie nimmt uns lieber mit auf eine Wanderung in das wundersame Reich der Kobolde, die in ihren Bäumen weit entfernt von Hirnlosigkeit und Primitivität sind, sondern mit ausgeklügelten Systemen überraschen.

Andrea Tillmanns und Christian Savoy bringen solide Arbeit ohne große Überraschungen, aber spannend und unterhaltsam geschrieben. Der Weg der Zwergin Thania ist vorgezeichnet, kann nur im Erfolg münden, der allerdings der Zwergin nicht völlig zusagt: Sie bekämpft nur das größere Übel. Savoys Protagonist Belrador ist schnell zu erkennen als tragische Figur, der ihre eigene Hinterlist zum Verhängnis zu werden droht. Trotzdem findet man Zugang zu ihm und weiß nicht so recht, ob man ihm den Sieg nicht doch gönnen könnte, denn auch Walrike macht keinen sympathischen Eindruck. Allerdings fällt hier im letzten Teil ein kleiner Schwachpunkt auf: Savoy wechselt sehr oft und unvermittelt, oft auch mitten im Absatz, die Perspektive, springt von einer Person zur nächsten und offenbart ihre Gedanken.

Heidrun Jänchen ist es gelungen, ihr Kapitel mit einer Überraschung abzuschließen. Schließlich haben wir ihren Held Rogvald und dessen Freund Frett über neunzig Seiten gebannt begleitet, nicht unbedingt wohlwollend, aber seiner Tragik des Genötigten doch bewusst, und seine Handlungen führten stets auf irgendeine Weise zum Erfolg, so dass die Begegnung mit seinem Doppelgänger äußerst unerwartet kam. Immerhin wissen wir jetzt, wie Yakh aussieht.

„Der eiserne Thron“ ist ein spannendes, hintergründiges, unterhaltsames Buch, das man in Nullkommanichts durchliest. Seine Platzierung beim Deutschen Phantastik Preis – 3. Platz in der Kategorie Roman-Debüt-National – spiegelt das hohe Niveau der jungen Autoren wider, die hier ihr Romandebüt gaben. Für 2006 hat der Wurdack-Verlag einen Folgeroman von Jänchen angekündigt, in dem es auch für einige der Protagonisten aus dem „Thron“ heißt: Nach Norden!

ISSN 1612-0566 Band 1
Erhältlich über den Wurdackverlag!

Der Autor vergibt: (4/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (No Ratings Yet)

Charles Stross – Singularität

„Einer der originellsten Science-Fiction-Romane, die je geschrieben wurden!“

„Wie einst William Gibson haucht Charles Stross der Science Fiction neues Leben ein!“

Mit diesen flammenden Zitaten heischt der Roman im Regal um Aufmerksamkeit. Charles Stross? Nie gehört! Aber wen die New York Times als neuen Superstar bezeichnet, muss der Aufmerksamkeit doch wert sein, oder?

Charles Stross, geboren 1964 in Leeds, England. „Singularität“ ist sein erster Roman und wurde gleich ein großer Erfolg.

In der Zukunft der Menschheit wird mit Singularität jenes Ereignis bezeichnet, bei dem die Erdbevölkerung um zwei Drittel geschrumpft wurde und fast alle Regierungen zerbrachen, da der Rückhalt, vor allem der steuerliche Rückhalt durch die Bevölkerung fehlte. Ein mächtiges Wesen (oder Volk?) sortierte die Menschen nach Ideologie und Wesensart, um verschiedene Kolonien in der Galaxis zu gründen. Die neuen Kolonien wie auch die zurückbleibende Erde rüstete das Wesen, das sich „Eschaton“ nennt, mit so genannten „Füllhörnern“ aus: Geräte, die jede nur vorstellbare Ware herstellen können und zur Selbstreplikation befähigt sind. Damit verlor die Wirtschaft ihren Sinn, eigentlich brach das Chaos aus.

Das Eschaton auferlegte den Menschen, „in seinem Zeitkegel“ keinerlei Manipulationen der Zeit vorzunehmen, um seine Existenz nicht zu gefährden. Man einigte sich darauf, dieser Forderung zu entsprechen, denn das Eschaton konnte jegliche Missachtung mit Vernichtung strafen. Auf der Erde blieben als einzige Organisation die UN bestehen, allerdings mit sich oft verschiebenden Zielen und Ansprüchen. Die anderen Planeten entwickelten je nach Zusammenstellung der Bevölkerung verschiedene Regierungssysteme, immer auf der Grundlage der neuen Möglichkeiten. Nur in der „Neuen Republik“ wurden die Füllhörner vernichtet, Information und Technik dem Volk vorenthalten, so dass sich eine feudale Herrscherklasse entwickeln konnte.

Das ist in groben Zügen der Hintergrund, vor dem Charles Stross seine Geschichte spielen lässt. Durchaus originell. Aber es kommt noch besser: Über einer abgelegenen Kolonie der Neuen Republik erscheint das „Festival“ und stiftet Unruhe. Es lässt Telefone vom Himmel regnen, in einer kommunikationsarmen Gesellschaft ein Unding. Durch diese Geräte nimmt es Kontakt zu den Menschen auf und fordert: „Unterhaltet uns!“

Das Festival ist auf Informationen aus, es tauscht seine Dienste gegen die Geschichten und das Wissen der Bevölkerung. Jeder, der ihren Forderungen nachkommt, darf sich etwas wünschen. Das System auf dem Planeten bricht zusammen. Revolutionäre erhalten Füllhörner, jemand lässt Geld regnen, was unbeachtet bleibt, da jeder alles hat, was er will. Ein Hilferuf ist die letzte Hoffnung für das ansässige Herzogtum.

Aus gesellschaftlichen Gründen muss der Kaiser den dienstältesten Admiral mit dieser schwierigen Lage betrauen, unglücklicherweise altern auch Admirale in Friedenszeiten normal, und da der Rückzug in den Ruhestand nicht vorgesehen ist, muss dem senilen Admiral Kurtz zumindest das Angebot gemacht werden. Der ist natürlich Feuer und Flamme, aber noch geistig klar genug, um einen fähigen Geschwaderkommandeur mitzunehmen. Geplant ist eine Fast-Verletzung der Kausalität, indem man mit neuartigen Triebwerkszusätzen erst in die Zukunft vordringt, um sich dort über Nachrichtensonden Informationen über den Gegner zu holen, und dann in die Vergangenheit zurückkehrt, aber nicht so weit, dass man vor Eintreffen des Festivals im Zielsystem anlangt, sondern sehr kurz danach – also einfach eine enorm schnelle Reaktion vortäuscht.

Um der Geschichte zu beweisen, man habe die Kausalität nicht verletzt, wird die UN-Inspektorin Rachel Mansour als Beobachterin eingeladen. Und noch ein Fremder ist mit von der Partie: Maschineningenieur Martin Springfield von der Erde, der durch sein republikwidriges Verhalten die Spionageabwehr auf sich zieht.

Die Lord Vanek ist das Flaggschiff der Operation. Und während sich in den Wochen der Anreise Rachel und Martin nahe kommen, intrigieren verschiedene Parteien in verschiedenen Punkten; so verbindet der republikanische Spion Wassily die Überwachung von Martin mit seinem Unbehagen einer selbstständigen Frau gegenüber, indem er auch Rachel nachspioniert. Das kommt dem Sicherheitsbeauftragten der Vanek gelegen, der Rachels diplomatische Immunität umgehen und sie kriegsgerichtlich erledigen will (aus ähnlich missgünstigen Gründen wie denen von Wassily). Nebenbei arbeitet Martin für eine höhere Instanz an der Sabotage der Fast-Kausalitätsverletzung, und Rachel spielt ihre diplomatischen Beziehungen aus, um die Flottenführung von der Sinnlosigkeit eines bewaffneten Angriffs auf das Festival zu überzeugen.

Derweil breitet sich das Festival auf dem okkupierten Planeten „Rochards Welt“ aus und bereitet seine Wiedergeburt vor. Es ist fremdartiger, als sich (fast) alle Beteiligten je ausmalen können …

Rachel Mansour ist die typische starke Frauenpersönlichkeit mit einem komplizierten Lebenslauf, der über verschiedene Stationen zur Waffeninspektorin der Vereinten Nationen führt. Natürlich nutzt sie die fortschrittlichen Möglichkeiten der Zukunft für ihre körperliche Aufwertung, so ist sie gespickt mit technischen Verstärkern und Beschleunigern, die sie jedem normalen Nahkämpfer überlegen machen. Zusätzlich trainiert sie (nackt) asiatische Kampfkünste und unterzog sich diversen Verjüngungskuren, die ihr die körperliche Leistungsfähigkeit und das Aussehen einer Endzwanzigerin bei einem tatsächlichem Alter von über einhundert Jahren bescheren. In ihrer Vergangenheit gibt es einige böse Erfahrungen, die sie zu einer energischen Atomwaffengegnerin machen. Und eigentlich hat sie sich fest vorgenommen, keinerlei persönliche Beziehung zu einem Mann einzugehen. Wie es der Zufall will, hat sie ihre Rechnung ohne Martin gemacht.

Martin Springfield hütet ein kurioses Geheimnis (kurios für die Menschen seiner Umgebung): Eigentlich arbeitet er für eine irdische Raumschiffswerft als Vertragsingenieur und gelangt als solcher an Bord der Lord Vanek, hintergründig verfolgt er Ziele, die denen von Rachel weit voraus sind. Es geht ihm nicht um die Abwendung eines Krieges, sondern um die Einhaltung der Kausalitätsabkommen mit dem Eschaton. Sein Auftraggeber, Herrmann, tritt nicht direkt in Erscheinung, verfügt aber über scheinbar unbegrenzte Machtmittel. Dass Martin so vorbehaltlos sein Leben aufs Spiel zu setzen bereit ist, fällt dem Leser gar nicht weiter auf, denn Herrmann versichert ihm, alles Mögliche für seine Rettung zu tun. Und außerdem steht er in hohem Sold bei Herrmanns Organisation.

Burija Rubenstein leitet die organisierte Revolution auf Rochards Welt. Er scheint ein wenig der idealisierte Kommunist zu sein, dem die Füllhörner endlich die Gelegenheit geben, seine Ideen durchzusetzen. Durch die KRITIKERIN, eine Begleiterin des Festival, erhält er Einblicke in die tief greifenden Veränderungen, die das Festival bewirkt. Dass ihn diese Erlebnisse mit Realität gewordenen Aspekten russischer Märchen konfrontieren, lässt ihn abstumpfen und etwas von seinem unruhigen, drängenden Revolutionsgehabe verlieren. So transportiert ihn die KRITIKERIN zum Beispiel in ihrem wandelnden Haus auf drei Hühnerbeinen, sie selbst hat allerdings kaum Ähnlichkeiten mit der Baba Jaga. Im Mittelteil des Buches wirkt diese Erzählebene so irrwitzig, dass sie dem Ganzen einen überdrehten Charakter verleiht. Von dem Wesen des Festivals erfährt man dadurch wenig, was schade ist, denn so bleiben die Informationen auf die wie nebensächlich eingeworfenen Dialoge zwischen Martin und Rachel beschränkt.

Obwohl auch einige der anderen im Buch erwähnten Figuren wichtige Rollen spielen (wie der Kommandant des Flaggschiffs, der eine Art intelligenten Patriotismus darstellt), bleiben diese drei Personen die Hauptakteure und Bezugspunkte der Erzählebenen. Die Ebene der Flotte im Anflug auf den Gegner birgt wenig Neues, allzu sehr geht der Autor auf die Abläufe in einer Befehlszentrale während der Manöver ein und überhäuft den Leser mit der undurchsichtigen Befehls- und Meldungssprache zwischen Soldaten – wie realitätsnah das ist, lässt sich aus meiner Sicht nicht beurteilen. Es liefert eine oberflächliche Stimmung an Bord, stört aber die durchaus interessanten Aspekte der Beziehungen zum Beispiel zwischen dem Admiral und seinem Stab. Dadurch kann Stross ein starkes Augenmerk auf die Abläufe der kämpferischen Begegnung zwischen Republik und Festival bieten, und man ist erstaunt, wie der Kommandant dieses und jenes aus nicht vorhandenen Schiffsbewegungen schließen kann, obwohl er doch keinerlei Erfahrung mit einem Raumkampf und keine Vorstellung vom Festival hat.

Die abgedrehte Schilderung der Vorgänge auf Rochards Welt vereinfacht nicht gerade das Verständnis des Festivals oder auch der Geschichte an sich, hier hat der Autor wie schon erwähnt etwas zu dick aufgetragen in dem Bemühen, eine originelle Form der Invasion zu entwickeln. Bleibt also nur die Beziehung zwischen Rachel und Martin, und tatsächlich erfährt man in diesem Zusammenhang die meisten Details, die das Geschehen begreiflich machen oder der Geschichte als Hintergrund dienen. Komischer Zufall bleibt, dass Wassily, der Spion der Republik, einen Unfall im Weltraum übersteht und auch noch auf Burija trifft, der sich als sein verschwundener Vater entpuppt und von ihm umgebracht werden soll. Dabei stellt sich heraus, dass Wassily programmiert auf diesen Moment ist und seine Spionage nur als Vorwand diente, ihn auf das Flaggschiff zu bringen. Unglaubwürdig, denn auf Rochards Welt hätte die Republik viel erfolgversprechendere Möglichkeiten gehabt, den Revolutionär auszuschalten, als über einen Agenten durch eine Raumschlacht mit ungewissem Ausgang.

Mit „Singularität“ hat Charles Stross ein durchaus interessantes und ausbaufähiges Universum entworfen, in dem noch viele Geheimnisse schlummern. Die Wesenheit des Eschaton ist eines dieser Rätsel und scheint mir ein Aufhängepunkt weiterer Romane zu sein – immerhin ist mit „Supernova“ ein weiteres Buch angekündigt, und das Schicksal von Martin und Rachel lässt erahnen, dass wir hier die Geburt eines neuen Agentenpärchens miterlebt haben. Insgesamt ist „Singularität“ gut und unterhaltsam lesbar, auch wenn mich die sehr häufigen Anmerkungen des Übersetzers gestört haben, da sie sich größtenteils mit physikalsichen Gesetzen beschäftigen oder Anspielungen des Autors erklären sollen. Das bringt auch gleich die negative Seite der Geschichte auf den Punkt. Der Autor brachte zu viele Bezüge zu unserer Realität, die entweder nur ausgebildete Physiker oder seine Landsleute verstehen können (da werden zum Beispiel Anspielungen auf Fernsehserien oder neueste wissenschaftliche Erkenntnisse gebracht, die auch durch die Übersetzung oder die ausführlichen Erläuterungen des Übersetzers nicht zum Lesegenuss beitragen).
Lässt man all diese kleinen schmälernden Punkte außer Acht, ergibt sich eine interessante Geschichte, die Lust auf mehr macht. Allerdings kann man über die Zitate des Buchumschlags nur lächeln.

Der Autor vergibt: (3.5/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (1 Stimmen, Durchschnitt: 5,00 von 5)

Clemens, James – Buch des Sturms, Das (Alasea / Banned and the Banished 2)

Elena und ihre Gefährten sind nach dem grausamen Kampf mit den finsteren Geschöpfen Gul’gothas in die Berge zu Krals Stamm geflüchtet, wo sie den Winter verbracht haben. Jetzt ist der Frühling da, und die Gruppe bricht auf, um Elena nach A’loatal zu bringen, wo das Buch des Blutes verborgen ist. Doch das Böse wartet bereits auf sie und hat tückische Fallen aufgestellt. In dem kleinen Städtchen Schattenbach kommt ihnen Merik abhanden, und Elena wird von einer Sumpfschlingpflanze befallen. Die Gruppe ist gezwungen, sich zu teilen. Kral, Tol’chuk und Mogwied bleiben in Schattenbach, um Merik zu suchen, und Elena macht sich in Begleitung von Er’ril, Mikela und Ferndal auf den Weg in die Sümpfe, um die dort lebende Hexe aufzusuchen, damit sie sie von dem Gewächs befreit, das sich bei jedem Einsatz von Elenas Magie weiter auf ihrem Körper ausbreitet.

Während Elena und ihre Gefährten quer durch Alasea unterwegs sind, vegetiert ihr Bruder Joach unter dem Bann des Dunkelmagiers, der ihn gefangen genommen hat, in A’loatal dahin. Sein Geist ist ungetrübt, doch er hat keinerlei Gewalt über seinen Körper, der den Befehlen des Dunkelmagiers unterworfen ist. Bis er eines Tages in die Nähe des großen Koa’kona-Baumes im großen Innenhof gelangt, dem Zentrum der alten Magie des Chi, die hier früher herrschte. Danach ist er plötzlich wieder sein eigener Herr. Er verbirgt dies vor seinem Entführer und beginnt heimlich, die alten Gemäuer zu erkunden auf der Suche nach einem Fluchtweg. Was er schließlich findet, ist viel mehr als das …

Gleich mit Beginn des zweiten Bandes treibt Clemens den Handlungsverlauf um Elena wieder zügig voran. Bedrohung folgt auf Bedrohung, Kampf auf Kampf, beinahe ohne Unterlass, denn die ereignislose Zeitspanne zwischen der erfolgreichen Überquerung des Gebirgspasses bis nach Schattenbach überspringt er einfach. Die einzige ruhigere Phase bietet der Handlungsstrang in A’loatal, mit dem sich die Handlung um Elena abwechselt. Allerdings zieht auch hier das Erzähltempo nach hinten zu dramatisch an.
Die Spannung, schon von Anfang an relativ hoch angesetzt, steigert sich zum Ende hin dramatisch, wohingegen der Endkampf selbst sich als zwar spektakulär aber nicht unbedingt nervenzerreißend erweist. Die dunklen Wesen, die diesmal die Gefährten bedrohen, sind nicht weniger widerlich und abstoßend wie bisher. Die größere Spannung aber erzeugt der im Vergleich zu den übrigen Ungeheuern geradezu gewöhnlich wirkende Zwerg, der Elena bis ins Sumpfland verfolgt, allein durch seine ungeheure Bosheit wie die Unverletzlichkeit des Steins, aus dem er gemacht ist. Gegen diese unaufhaltsam näher kommende Bedrohung und das damit einhergehende Warten wirkt der eigentliche Kampf letztlich wie eine Erlösung. Die Ruhe vor dem Sturm ist eben doch oft unangenehmer als der Sturm selbst.

Clemens ist generell gnadenloser in seiner Erzählart als viele andere Autoren. Er scheut auch nicht davor zurück, Mitglieder der Gruppe um seine Heldin zu opfern, während in den meisten anderen Fällen der enge Kreis um die Hauptperson von Verlusten verschont bleibt. Wobei „zum Opfer fallen“ nicht unbedingt den Tod bedeuten muss. Andere Arten von Verlusten wie Verrat oder Manipulation kommen genauso vor. Dass dem Leser die Identität der Opfer nicht jedes Mal verraten wird, steigert wiederum die Spannung.
Andererseits kommen auch neue Mitglieder dazu. Mikela, die Schwertkämpferin, erweist sich als wertvolle Verbündete, denn sie ist eine Sucherin und in der Lage, Elementarmagie in anderen zu erkennen. Und auch in den Sümpfen finden die Gefährten Verbündete. Was sich dadurch nicht verändert, ist dieser Hauch von Rollenspiel, der der Gruppe anhaftet. Auch zeigen sich erste deutliche Tendenzen dahingehend, dass Beschützer und Schutzbefohlene dabei sind, sich ineinander zu verlieben. Ein immer wieder gern verwendetes Mosaiksteinchen der Literatur, dem wohl keiner auf Dauer entkommen kann. Aber man kann eben nicht alles haben, und der Punkt stört weit weniger als die bereits im Zusammenhang mit dem ersten Band erwähnte Bezeichnung von Magie als Magik!

Abgesehen vom eigentlichen Handlungsverlauf baut Clemens auch seine Welt weiter aus. Je mehr die Geschichte fortschreitet, desto vielgestaltiger und detaillierter wird Alasea. Meervolk und Seedrachen tauchen auf, die ein Gegengewicht zu den üblen Kreaturen des Bösen bilden, und selbst der Sumpf ist ein auf seine eigene Weise faszinierender Ort. Außerdem wird durch die Erzählungen der Sumpfhexe die Vorgeschichte der Eroberung Alaseas eingehender beleuchtet. Puzzleteil für Puzzleteil setzt sich ein Bild zusammen, das jetzt schon die Vermutung aufkommen lässt, es könnte den Wesenskern des Bösen aufdecken und damit für den endgültigen letzten Kampf entscheidend sein.
Der liegt allerdings noch in weiter Ferne, jenseits zweier weiterer Bände, und die Bände werden dicker. Vorerst steht der Kampf um A’loatal an, denn dort befindet sich das Buch. Nur ist A’loatal inzwischen in schwarzen Händen …

„Das Buch des Sturms“, im Original „Wit’ch Storm“, ist eine furiose Fortsetzung des ersten Bandes [„Das Buch des Feuers“. 969 Es erscheint kaum möglich, die Spannung noch weiter zu erhöhen. Wahrscheinlich ist zu befürchten, dass die bevorstehenden Szenen des Krieges eine Menge Unangenehmes beinhalten werden. Wenn man allerdings vom zweiten Band auf den dritten schließen kann, dann hat jeder, der sich von blutigen Details und diversen Scheußlichkeiten nicht abgeschreckt fühlt, mit ziemlicher Sicherheit eine ganze Reihe von starken Adrenalinschüben vor sich.

James Clemens ist gebürtiger Amerikaner, wuchs aber in Kanada auf. Er studierte Veterinärmedizin und eröffnete schließlich eine Praxis in Californien. 1998 erschien der erste Band des Zyklus |Banned and the Banished| unter dem Titel „Wit’ch Fire“. In der deutschen Übersetzung wurde daraus „Das Buch des Feuers“. Die übrigen Bände folgten, jedes Jahr einer. Nach einer längeren Pause soll im Juli dieses Jahres der erste Band des neuen Zyklus |Godslayer Chronicles| herauskommen unter dem Titel „Shadowfall“.

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Bujold, Lois McMaster – Paladin der Seelen (Chalion Band 2)

„Paladin der Seelen“ ist eine Art Fortsetzung von [„Chalions Fluch“. 517 Das Buch spielt einige Jahre nach den dort geschilderten Ereignissen in der gleichen Fantasy-Welt, die Autorin vermeidet es aber, die früheren Hauptpersonen noch einmal auftreten zu lassen. Bei dem, was diese durchzumachen hatten, wäre es wohl auch schwierig, da noch einen draufzusetzen. Stattdessen nimmt sie eine Randfigur des ersten Buches, die frühere Königin Ista, und schildert deren weiteres Leben.

Ista hatte ein tragisches Schicksal. Von den Göttern als junges Mädchen für eine Aufgabe ausgewählt, an der sie einst scheiterte, verbrachte sie Jahrzehnte in tiefer Depression als Opfer des „Fluchs von Chalion“, weggeschlossen in einer entlegenen Burg. Mit dem Brechen des Fluchs ist sie nun zwar befreit, weiß aber mit ihrem Leben nichts anzufangen.
Hier beginnt nun das Buch. Es ist eine Wonne, wie Bujold die Spannung aufbaut, Hinweise gibt, Fäden knüpft und den Leser in den Bann zieht.

Der Originalverlag |Eos| weiß das wohl, nutzt das auch aus und gibt dem potenziellen Leser auf seiner Website sechs Kapitel zum Schnuppern. (Eine digitale [Schnupperfassung]http://www.amazon.com/gp/reader/0380818612/ gibt es auch bei amazon.com nachzulesen.) Bei mir haben diese sechs Kapitel jedenfalls bewirkt, dass ich mir das Buch sofort vorbestellt habe – und ich habe keinen Cent davon bereut!

Man darf sich Ista nicht als altes Mütterchen vorstellen, mit 40 Jahren ist sie zwar aus der Jugend heraus, vor allem in einer Welt, die von der Anlage ungefähr unserer Renaissance entspricht, hat aber durchaus noch den Blick für einen knackigen Po bei einem Mann. Von ältlichen Gouvernanten und Haushofmeistern überwacht, bleiben ihr aber nur ihre Träume. Allerdings fangen die Götter an, sich in diese Träume einzumischen …

Ista bricht aus ihrem goldenen Käfig aus. Sie schafft es, eine Pilgerfahrt bewilligt zu bekommen, und was wie eine bessere Landpartie beginnt, gerät schnell aus den Fugen. Immer mehr Dämonen nisten sich in Tieren und auch Menschen ein, feindliche Truppen schleichen sich durch die Lande – und Istas Träume werden immer heftiger.

Nach einer Reihe von lebensgefährlichen Abenteuern ist sie wieder in – scheinbarer – Sicherheit und begegnet dort dem Mann ihrer Träume in Person. Leider liegt er im Sterben. Oder doch nicht? Was hat es mit seinem Halbbruder auf sich? Die Fairness gebietet, nicht zu viel zu verraten, da ich niemandem den Lesespaß verderben will. Jedenfalls hat Ista, nachdem alles vorbei ist, wieder ein Ziel im Leben, und eine Aufgabe, die sie ausfüllt.

Das Buch weist zunächst ein eher langsames Tempo auf, das aber öfters sehr schnell ins Dramatische umschlagen kann, wobei das Verwirrspiel der Rätsel vielschichtig, doch absolut logisch ist. Als Leser wird man trotzdem immer wieder überrascht, und das Ende ist, wenngleich nicht als „Happy“, so doch als befriedigend zu bezeichnen.

Man sollte „Chalions Fluch“ vorher gelesen haben. Es ist zwar nicht unbedingt notwendig, aber das dortige Geschehen bildet nun einmal den Hintergrund und den Auslöser für die hier geschilderten Ereignisse. (Abgesehen davon ist „Chalions Fluch“ ein Buch, das kein Fantasy-Freund verpassen sollte!)

Das einzig Traurige ist, dass es wieder einige Zeit dauern wird, bis Bujold ihren nächsten Roman fertig gestellt hat.

_[Dr. Gert Vogel]http://home2.vr-web.de/~gert.vogel/index.htm _

Clemens, James – Buch des Feuers, Das (Alasea / Banned and the Banished 1)

Elena ist gerade zur Frau geworden. Das ist eigentlich nichts Beunruhigendes. Nur die Verfärbung ihrer Hand kommt ihr seltsam vor. Sie erfährt schon bald, was es damit auf sich hat. Die Erkenntnis erschreckt sie zutiefst: Sie ist eine Hexe! Und der Herrscher ihres Landes ist deshalb offenbar voller Begierde hinter ihr her. Um sie einzufangen, schickt er Magier und andere Helfer aus. In einer überstürzten, halsbrecherischen Flucht entkommen Elena und ihr Bruder den Häschern. Sie wollen versuchen, die Stadt zu erreichen, wo ihre Tante Fila lebt. Doch als sie dort ankommen, müssen sie feststellen, dass sie ein aufgebrachter Pöbel erwartet. Nur der überraschenden Hilfe durch drei Fremde ist es zu verdanken, dass Elena ihren Verfolgern entgeht. In Sicherheit ist sie damit noch lange nicht!

Wie bei den meisten vielbändigen Zyklen ist auch hier der erste Band die große Einleitung, die dem Aufbau der Welt und der Personen dient. Es ist eine finstere Welt, die Clemens da zeichnet, eine eher durchschnittliche Landschaft von Gebirgen, Ebenen und Wäldern, aber voller Lug und Trug und dunkler Magie, bevölkert mit einer Menge ebenso grausamer wie widerlicher Geschöpfe, denen im Laufe der Handlung immer mehr von Elenas Familienmitgliedern zum Opfer fallen.
In dem Maße, wie sie ihre Verwandten verliert, gewinnt sie neue Verbündete. Einige davon sind uralt, andere stammen aus ihrer eigenen Zeit. Aber an allen ist etwas Besonderes:
Er’ril, der Schwertkämpfer, der sich als Gaukler durch die Lande schlägt, war einst Zeuge, wie das Buch des Blutes geschaffen wurde, auf dem die Hoffnung aller Kämpfer gegen die Finsternis ruht. Ein einarmiger Mann, von der Zeit und der Aussichtslosigkeit seines Kampfes verbittert, muss er zuerst seine Vorurteile gegen Hexen überwinden, ehe er zu Elenas Beschützer werden kann.
Kral hat seine Bergheimat eigentlich nur verlassen, um ein Skal’tum zu töten, ein Ungeheuer, das seinem Klan Schaden zugefügt hat. Der Mann wie ein Fels, der niemals lügt und die Lüge in anderen Wesen erkennen kann, wird ebenfalls zu Elenas Beschützer.
Ni’lahn ist eine Nymphai, die letzte ihrer Art. Alle anderen starben, als ihre Bäume einer schlimmen Krankheit zum Opfer fielen. Jetzt zieht Ni’lahn mit ihrer Laute, die die Seele ihres Baumes bewahrt, durch das Land und sucht ein Heilmittel für ihren sterbenden Baum.
Tol’chuk, ein Og’er, wurde von seinem Stamm ausgesandt, die Seelen der Verstorbenen seines Volkes zu befreien, die in einen roten Kristall eingeschlossen sind. Dabei trifft er auf zwei Si’lura, Gestaltwandler, die in ihrer derzeitigen Gestalt stecken geblieben sind: Ferndal und Mogwied, Wolf und Mann. Die beiden wollen nach A’loatal, wo noch ein Rest Magie aus der Zeit vor der Finsternis verblieben sein soll, weil sie hoffen, dass dies den Bann aufheben wird.
Und dann ist da noch Merik, der Elv’e. Als sein Volk vor langer Zeit, noch lange vor Anbruch der Finsternis, aus Alasea vertrieben wurde, wurde der König als Geisel zurückgehalten. Nun sucht Merik dessen Nachfahren. Und die Hexe, deren Erscheinen prophezeit wurde und den Untergang der Welt bedeuten soll.
Sie alle treffen mehr oder weniger zufällig zusammen und ergeben einen ziemlich bunt zusammengewürfelten Haufen von verschiedenen Völkern, was nicht ganz ohne Spannungen abläuft. Der geradlinige Kral gerät recht bald mit dem arroganten Merik aneinander, und zwischen Merik und Ni’lahn herrscht uralter Hass. Selbst Mogwieds Verhältnis zu seinem Bruder ist nicht ungetrübt. Die sich überstürzenden Ereignisse schweißen sie trotz aller Gegensätze zu einer Truppe zusammen, die nur ein Ziel hat: Elena zu schützen. Denn Elena beherrscht ihre Macht so gut wie gar nicht und ist auch äußerst unwillig, sie zu benutzen.

Die Handlung wird mit ziemlichem Druck vorangetrieben. Die fünfhundert Seiten des Buches bestehen fast ausschließlich aus Flucht und Kämpfen, und das hohe Erzähltempo lässt dem Leser kaum Zeit zum Durchatmen. Bis die gesamte Gruppe zusammengefunden hat, verläuft die Handlung in mehreren Erzählsträngen. Clemens wechselt den Strang gnadenlos immer genau dann, wenn der Leser ihn gerade am wenigsten verlassen will, und dreht damit kräftig an der Spannungsschraube!
Die Charaktere bleiben dadurch zwangsläufig etwas auf der Strecke. Zwar werden Gedanken und Gefühle durchaus deutlich beschrieben, gehen aber im allgemeinen Stress zu sehr unter. Die Gruppe wirkt dadurch ein wenig plakativ, wie eine Rollenspielgruppe, wenn man mal davon absieht, dass der Oger hier ein Mitglied und kein Gegner ist.
Das Gewürm und die Ungeheuer, mit denen Clemens seine Welt bevölkert hat, sind alle äußerst unangenehm, und die Szenen in diesem Zusammenhang stellenweise wirklich unappetitlich. Das Gros der Fantasy scheint ohne solche Details irgendwie nicht mehr recht auszukommen, und manchmal wünscht man sich etwas mehr von der subtilen Angst der |Neun|, die ihren Schrecken ganz ohne Ekel und Blut verbreiten.
Die etwas ausgefallenen Schreibweisen für Nymphe, Elfe und Oger dienen wahrscheinlich der Extravaganz, stören aber nicht. Was ich dagegen als massiv störend empfinde, ist die Bezeichnung von Magier/-in und Magie als Magiker/-in und Magik! Ich muss mich wirklich stark konzentrieren, um die Worte im Kontext so frühzeitig zu erkennen, dass ich sie gar nicht mehr wirklich lesen muss, sondern einfach in normaler Schreibweise ergänzen kann. Und jedes Mal, wenn es nicht klappt, stolpere ich darüber. Wie überaus lästig.

Im Großen und Ganzen ist dieser erste Band des Zyklus gut gelungen. Wer kein Problem mit blutigen Szenen und scheußlichen Wesen hat und eine Vorliebe für Action und schnelle, bewegte Handlungsabläufe hegt, kommt hier garantiert auf seine Kosten. Denn es ist wirklich ununterbrochen spannend. Und am Ende wird der Leser mit der Gewissheit allein gelassen, dass die Gruppe drauf und dran ist, den Kopf einem hungrigen Drachen ins Maul zu stecken, der nichts anderes tut, als gerade darauf zu warten! Es ist schier unmöglich, den zweiten Teil nicht zu lesen!

James Clemens ist gebürtiger Amerikaner, wuchs aber in Canada auf. Er studierte Veterinärmedizin und eröffnete schließlich eine Praxis in Californien. 1998 erschien der erste Band des Zyklus |Banned and the Banished| unter dem Titel „Wit’ch fire“. In der deutschen Übersetzung wurde daraus „Das Buch des Feuers“. Die übrigen Bände folgten, jedes Jahr einer. Nach einer längeren Pause soll im Juli dieses Jahres der erste Band des neuen Zyklus |Godslayer Chronicles| unter dem Titel „Shadowfall“ herauskommen.

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King, William – Wolfsschwert (Warhammer 40.000: Ragnar-Zyklus Band 4)

Ragnar ist bei den Wolflords von Fenris in Ungnade gefallen, nachdem er im Kampf gegen Magnus, den Primarchen der Thousand Sons, den heiligen Speer des Russ eingebüßt hat. Dennoch erscheint die Strafe, die ihm auferlegt wird, im ersten Moment vergleichsweise milde: Er wird auf den Heimatplaneten der Menschheit, Terra, abkommandiert, um dort in den Reihen der Wolfsklingen dem Navigatorenhaus Belisarius, das durch jahrtausendealte Verträge eng mit dem Orden der Space Wolves verbunden ist, zu Diensten zu sein.

Doch wie so oft trügt der erste Anschein. Zwischen den Häusern Belisarius und Feracci herrscht seit langem ein Krieg, der im Verborgenen mit Verrat, Intrigen und Attentaten geführt wird. Während des Transits zum Heimatplaneten kann Ragnar im letzten Moment den Mord an Gabriella Belisarius verhindern und am Ziel seiner Reise – Terra – muss er erfahren, dass die Wiege der Menschheit in keiner Weise dem glorreichen und ruhmreichen Bild in den Erzählungen seines Ordens entspricht: Moralische Verkommenheit und Dekadenz auf der einen Seite und die gnadenlose Ausbeutung von Menschen in den ewig-dunklen und verseuchten Schluchten der Makropolen auf der anderen lassen die harten Bedingungen auf Fenris geradezu friedlich und paradiesisch erscheinen; die Clans der Space Marines werden von den normalen Bürgern gehasst und auch die Wolfsklingen, der zynische Torin und der fette Haegr, scheinen weit von den Idealen seines Ordens entfernt.
Als ein Auftrag sie gegen religiöse Fanatiker führt, erkennen die drei Marines, dass der Arm der Verräter weit in das verbündete Haus reicht und sie froh sein können, wenn sie mit dem Leben davonkommen. Angesichts einer Übermacht aus Hunderten Zeloten und einem mächtigen Psioniker, bleibt ihnen nur die Flucht auf die untersten Ebenen der Makropole und die Hoffnung, dass es ihnen gelingen wird, sich an die Oberfläche zurückzukämpfen. Angewiesen auf die Hilfe von Menschen, die ihnen misstrauen, und verfolgt von zahllosen Feinden beginnen sie ihren Aufstieg, während sich oben die Schlinge um den Hals der Celestarchin Lady Juliana Belisarius immer weiter zusammenzieht.

Einmal mehr beweist King, dass er sein Handwerk beherrscht und in der Lage ist, sowohl das komplexe WH40k-, als auch das WHFB-Universum zum Leben zu erwecken.

Die actionbetonte Handlung ist in gewohnt routinierter Art und Weise verfasst, Kings Schreibstil ist so gefällig und flüssig, dass der Leser gerne über kleine Schwächen in der Charakterisierung von Protagonisten und in der Dramaturgie hinwegsieht.

Haegr wirkt im wahrsten Sinne des Wortes überdimensioniert, seine obelixhaften Fressgelage vollkommen überzeichnet und selbst unter Berücksichtigung der außerordentlichen Space-Marine-Physiologie unglaubwürdig. Die Wortgefechte mit Torin sind zwar anfangs unterhaltsam, stellen aber mit Fortgang des Romans den Leser mehr und mehr auf die Geduldsprobe.

Etwas größeren Augenmerk hätte King auf den geheimnisvollen, übermenschlichen Assassinen Xenothan und dessen Verbindungen zur Inquisition richten können; hier verschenkt er einiges an Potenzial und vergibt die Möglichkeit, einen starken Antagonisten aufzubauen.

Dafür gewinnt Ragnar im Vergleich zu den ersten Romanen durchaus an Tiefe, wächst in seiner Auseinandersetzung mit dem bis ins Mark korrupten System Terras und der menschenverachtenden und intriganten Politik sowohl der Navigatorenhäuser im Besonderen, als auch des Imperiums im Allgemeinen. Selbst wenn er nach wie vor treu seinen mörderischen Dienst leistet, so beginnt doch der Zweifel in seinem Herzen zu nagen. Der Autor umschreibt diesen Sachverhalt sehr gelungen mit „Sünde der Relativierung“, wonach es keine per se wertvolleren Menschen gibt und die Leistung des Individuums immer im Kontext seines Umfeldes beurteilt werden muss. Ein kleiner Untersekretär der dritten Klasse in der Imperialen Fabrik Nummer sechs wäre demnach ebenso viel „wert“ wie ein Space-Marine-Veteran. Und diese Erkenntnis steht im fundamentalen Widerspruch zur grundsätzlich faschistischen Ideologie nicht nur der Space Wolves, sondern aller Orden.

Hinsichtlich der Dramaturgie scheint es im ersten Moment bedauerlich, dass der Ausgang des Konfliktes teilweise dadurch vorweggenommen wird, dass die eigentliche Geschichte eine Rückblende, eine Erinnerung Ragnars ist und die ursprüngliche Zeitebene des Prologs in einer unbestimmten Zukunft liegt. Andererseits bediente sich King schon in seinen ersten drei Ragnar-Romanen dieses nicht-linearen Konstruktionsprinzips, trägt also hier nur dem einheitlichen Erscheinungsbild der Reihe Rechnung. Und letztendlich verliert dieser Aspekt angesichts der mitreißenden Action und fesselnden Atmosphäre ohnehin an Bedeutung, weil es King mühelos gelingt, den dystopischen Charakter des Warhammer-40k-Szenarions einzufangen. Zwar reizt er nicht den zentralen Aspekt der Geschichte – die Intrigen zwischen den Navigatorenhäusern – bis in den letzten Dialog und die kleinste Szene aus, dennoch ist sich der Leser auf Grund einiger geschickt gesetzter Akzente der moralischen Verderbtheit jederzeit bewusst. Auch in der Schilderung der unmenschlichen Lebensbedingungen auf den unteren Ebenen beweist er genügend Augenmaß, um den Leser nicht mit einer Aneinanderreihung beschreibender Passagen zu langweilen, sodass dieser mit „Wolfsschwert“ einen zwischen Action und Stimmung sehr gut ausbalancierten Roman in den Händen hält.

Etwas, wofür nicht der Autor verantwortlich zeichnet, ist das schlechte Coverbild von Geoff Taylor. Daran, dass die Gestaltung der neueren Warhammer-40k-Romane grundsätzlich keine künstlerische Offenbarung darstellt, hat man sich ja schon gewöhnt, dieses Machwerk jedoch stellt alles bisher Gesehene in den Schatten: schlampige Ausführung, ohne Sinn für Perspektive, Proportionen und dynamisches Posing, sowie ein völliges Versagen in der Gestaltung von Gesichtszügen. Das ist insofern schade, als dieses stereotype, schlecht gearbeitete Bild durchaus potenzielle Leser vom Kauf eines unterhaltsamen Buches abschrecken könnte.

Fazit: Eine atmosphärisch dichter, temporeicher Warhammer-40.000-Roman, der sich in seinen düsteren Abschnitten durchaus mit den großartigen WH40k-Büchern Ian Watsons messen kann, der allerdings auch gute Kenntnisse des allgemeinen WH-Backgrounds voraussetzt.

|Originaltitel: Wolfblade
Übersetzer: Christian Jentzsch|

_Frank Drehmel_
|Diese Rezension wurde mit freundlicher Genehmigung unseres Partnermagazins [buchrezicenter.de]http://www.buchrezicenter.de/ veröffentlicht.|

Bujold, Lois McMaster – Barrayar – Der junge Miles

Für den Sohn des ehemaligen Regenten des Kaiserreichs Barrayar sollte es kein Problem sein, an der Offiziersakademie aufgenommen zu werden. Doch nicht an Beziehungen oder gar Geist mangelt es Miles Vorkosigan, nein, er ist ein eineinhalb Meter großer, eher hässlicher, verkrüppelter Zwerg mit brüchigen Knochen, die keiner Belastung standhalten – die Folge eines Soltoxin-Attentats auf seine Mutter während der Schwangerschaft.

Beim knallharten Hindernislauf, Voraussetzung für die Aufnahme, bricht sich Miles wie schon so oft mehrere Knochen – damit ist seine militärische Laufbahn beendet, noch bevor sie begonnen hat. Seinem ultrakonservativen Großvater Piotr bricht er damit das Herz, der alte Mann stirbt kurze Zeit später.

Doch Miles Stunde ist noch nicht gekommen – dieses Buch ist die Geschichte seines Aufstiegs vom gescheiterten Offiziersanwärter zum gewitzten Söldnerführer Admiral Naismith.

_Klein, hässlich, charmant, erfolgreich …_

Mit Miles Vorkosigan führt Lois McMaster Bujold die schillerndste Figur ihres preisgekrönten Barrayar-Zyklus ein, der in komplett überarbeiteter Neuauflage bei |Heyne| erscheint. Der erste Sammelband der Neuauflage, [„Barrayar – Cordelias Ehre“, 865 enthielt bereits den mit dem |Hugo Award| ausgezeichneten Roman „Barrayar“ sowie „Scherben der Ehre“, in dem die Vorgeschichte dieser für eine Space-Opera ungewöhnlichen Heldenfigur geschildert wird.

„Der junge Miles“ enthält die Romane „Der Kadett“ und „Der Prinz und der Söldner“ – Letzterer wurde 1990 mit dem |Hugo Award| ausgezeichnet. Desweiteren ist die Novelle „Die Berge der Trauer“ enthalten, die im selben Jahr mit dem Kritikerpreis |Nebula| ausgezeichnet wurde!

Damit orientiert sich |Heyne| an der tatsächlichen Chronologie des Handlungsverlaufes, nicht an den Erscheinungsdaten der Romane. Insbesondere die Aufnahme der Novelle „Die Berge der Trauer“ in diesen Sammelband ist lobenswert, bisher konnte man sie nur außerhalb der Reihe in einem Sammelband erhalten. Damit stellt die Neuauflage die perfekte Gelegenheit dar, den kompletten Barrayar-Zyklus zu lesen – chronologisch geordnet und vollständig.

_Was macht den Barrayar-Zyklus besser als andere Space-Operas?_

Barrayar spielt in ferner Zukunft, die Menschheit beherrscht bereits die überlichtschnelle Raumfahrt, Wurmlöcher dienen als Sprungtore in ferne Sonnensysteme. Viele kleine Sternenreiche stehen im permanenten Konflikt, insbesondere um strategisch und wirtschaftlich bedeutsame Systeme mit vielen Wurmlöchern. Die Gesellschaft des technologisch und kulturell leicht rückständigen Kaiserreichs Barrayar erinnert an einen Mix aus dem Zarentum der Romanovs (die Adelskaste der „Vor“ stellt Offiziere und Regierung, der Kaisertitel ist erblich) und Stalinismus, dank Politoffizieren und ausgeprägtem Geheimdienstapparat. Der berechtigte Ruf der Grausamkeit eilt den Barrayanern voraus, insbesondere mit dem Nachbarreich Cetaganda und der kleineren Beta-Kolonie kommt es schon nahezu traditionell zu blutigen Gefechten.

Miles ist der lebende Gegensatz zu der militaristischen, konservativen und traditionellen Gesellschaft Barrayars, in der für ihn kein Platz ist – dabei braucht gerade sie seinen Witz, um in einer Zeit des Umbruchs und der Reformen zu bestehen.

_“Der Kadett“_ zeigt uns Miles freche, witzige Art. Thomas Manns Hochstapler Felix Krull könnte es nicht besser, gegen Miles Eskapaden sind seine Gaunereien kleine Fische. Als Söldner Miles‘ mit einer illustren Crew bemanntes Raumschiff, die vom psychopathischen Leibwächter bis hin zum barrayanischen Deserteur reicht, überprüfen, beschließen sie anstelle des Piloten wie sonst üblich doch eher die schöne Elena Bothari als Faustpfand an Bord zu nehmen …

Nun möchte ich nicht zu viel verraten, aber nicht nur werden diese Söldner überwältigt, nein, Miles gibt sich selbst als Söldnerhauptmann aus, „Admiral Naismith“ von den „Dendarii-Söldnern“ ist geboren. Diese nicht-existente Truppe wird bis zum Ende des Romans auf über 3.000 Mann anschwellen, gestandene Söldnergeneräle treten in die Dienste der Dendarii und ordnen sich Admiral Naismith unter. Zuhause auf Barrayar sorgt dies für Aufruhr, man will Miles Vater vorwerfen, sein Sohn stelle eine Söldnerarmee auf, was dem Gesetze nach nicht erlaubt ist und mit dem Tode bestraft werden muss.

Für Unterhaltung ist gesorgt. Gibt es mit Miles‘ Freund, Ivan Vorpatril, dem Offizier und Sunnyboy, sowie anderen Charakteren viel zu lachen und zu schmunzeln, mischen sich auch tragische Elemente in dieses Drama. Elena weiß nichts von ihrer Herkunft, sie ist das Produkt einer Vergewaltigung, die ihr Vater damals im Krieg gegen Escobar begangen hat. In diesem Band kommt es zur Konfrontation Elenas mit der Wahrheit – und der ihres Vaters, Sergeant Bothari, mit ihrer Mutter, die er auf eine absurde und abartige Weise liebt. Diese Zusammenhänge werden zwar erwähnt, jedoch erschließen sie sich nur Kennern des ersten Barrayar-Sammelbandes zur Gänze.

In _“Die Berge der Trauer“_ muss sich Miles seinen ganz persönlichen Problemen stellen. In den rückständigen Gebieten Barrayars werden missgebildete Kinder nach wie vor getötet (Barrayar erlebte einen Atomkrieg, mutierte Neugeborene wurden in der Vergangenheit bereits bei der Geburt beseitigt). Eine junge Mutter bittet Graf Vorkosigan um Gerechtigkeit, sie vermutet, ihr Mann habe ihr Kind wegen seiner Hasenscharte getötet. Miles soll Gerechtigkeit sprechen und den Täter finden.

Diese Novelle wurde mit dem |Nebula Award| ausgezeichnet. Was mich etwas verwundert, denn außer ein Schlaglicht auf die dunklen Seiten des sonst so tragisch-komischen Lebens von Miles zu werfen, konnte ich in ihr keine Moral, keinerlei Lösungsvorschlag oder dergleichen erkennen. Auch hat sich die Amerikanerin Bujold um ein Thema gedrückt, welches in den USA ziemlich heikel ist: Aberglaube darf vorkommen, aber Kritik an kirchlichen Dogmen oder jeglicher Hinweis auf Religion fehlen interessanterweise. Das betrifft nicht nur diesen Roman, in der Zukunft des Barrayar-Universums wird wohl keinerlei Gottheit mehr angebetet. So umgeht man Probleme und bleibt politisch korrekt. Die Geschichte ist tragisch und rührend, charakterisiert Miles und seine Probleme mit einer Gesellschaft, die bereits leicht Behinderte als minderwertig erachtet und ablehnt. Ich hätte mir dennoch etwas mehr erhofft.

In _“Der Prinz und der Söldner“_ wird Miles als Absolvent der Offiziersakademie zum Dienst auf einer in arktischer Ödnis gelegenen Station verdonnert, er soll lernen, sich unterzuordnen. Doch natürlich kommt es zum Eklat mit dem kommandierenden Offizier, Miles gerät in die Bredouille und wird nur dank des Einflusses seines Vaters vor dem Militärgericht gerettet. Seine Karriere in der Flotte ist damit so gut wie ruiniert – doch man sieht eine Chance beim Geheimdienst für Miles …

Die Dendarii-Söldner wurden mittlerweile von einem der alten Söldneroffiziere übernommen, die Miles lange Abwesenheit ausgenutzt haben. Zusammen mit einem vorgesetzten Offizier des Sicherheitsdienstes soll Miles sich der Sache annehmen. Doch wie soll man es anders erwarten – bald überschlagen sich die Ereignisse: Ein Krieg zwischen Vervain, Cetaganda und Barrayar droht, eine gewitzte Söldnerkommandeurin verursacht Miles einiges Kopfzerbrechen und der Kaiser Barrayars, Miles Jugendfreund Gregor, ist ebenfalls „abhanden“ gekommen und wird von seinem eigenen Sicherheitsdienst gesucht.

Eine komplizierte, vertrackte Geschichte, in der Miles ein ums andere Mal seine Schlagfertigkeit und Gewitztheit unter Beweis stellen kann. Die sich entwickelnde Handlung ist einfach atemberaubend und wurde demzufolge zu Recht auch mit dem |Hugo Award| ausgezeichnet. Action, Romantik, Humor – diese Geschichte hat alles.

_Ein Muss für Fans leichter SciFi-Lektüre_

Obwohl die |Barrayar|-Romane in erster Linie auf Unterhaltung ausgelegt sind, enthalten sie doch viele tragisch-komische Elemente, die sie von anderen, bierernsten und klischeehaften Space-Operas oder billig-kitschigen Persiflagen abhebt. Diese Ausgabe ist sehr empfehlenswert, Übersetzungsfehler früherer Ausgaben wurden weitgehend korrigiert, eine Karte sowie ein recht aufschlussreiches Nachwort der Autorin, die zentrale Figur ihrer Romane, Miles, betreffend, wurden beigefügt.

Vielleicht ist es die bittere Note der Komödie, die Miles so sympathisch macht. Er ist von vorneherein ein Loser, eine ganze Welt steht gegen ihn, und dennoch setzt er sich mit Witz und Finesse durch, und wir freuen uns mit ihm. Aber nicht alles gelingt Miles, in der Liebe zu der wunderschönen Elena muss er die bittere Pille des „besten Freundes“ schlucken, und wir fühlen mit ihm. Seinen Großvater enttäuscht er wahrlich tödlich, sein Traum von einer Karriere in der Flotte geht nicht in Erfüllung – aber er findet eine neue Perspektive bei „seinen“ erfundenen Dendarii – Söldnern, die ihn geradezu verehren und sich aus einer Lüge zur Realität entwickeln.

Ich kann diesen Roman jeden SciFi-Fan nur ans Herz legen, möchte aber dennoch zum besseren Verständnis des komplexen Universums den Einstieg mit dem ersten Sammelband, [„Barrayar – Cordelias Ehre“, 865 empfehlen.

Die offizielle Homepage der Autorin:
http://www.dendarii.com/