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Jesser, Jody Duncan/Pourroy, Janine – Batman – Das Making-of der Dark-Knight-Trilogie

_Inhalt:_

Gegliedert in die drei Abschnitte „Vorproduktion“, „Produktion“ und „Postproduktion“ rekonstruieren die Film-Journalistinnen Jody Duncan Jesser und Janine Pourroy die Entstehungsgeschichte jener „Batman“-Trilogie, die Christopher Nolan zwischen 2005 und 2012 mit weltweit grandiosen Einspielergebnissen auf die Kinoleinwand brachte.

_Vorproduktion_

In einem ersten Kapitel („Drehbuch“) gehen Jesser/Pourroy auf die Geschichte der Figur ein. 1939 war Batman als Comic-Held erstmals auf Verbrecherjagd gegangen. Seitdem hatten Fernsehen und Kino mehrfach die Figur aufgegriffen. Die beiden von Tim Burton 1989 („Batman“) bzw. 1992 („Batman Returns“) gedrehten Filme gelten nicht nur als Klassiker, sondern schlugen sich auch an den Kassen bemerkenswert erfolgreich. Zwei weitere Fortsetzungen („Batman Forever“, 1995; „Batman & Robin“, 1997) hatten das hoffnungsfroh und einträglich gestartete Franchise jedoch erst beschädigt und schließlich zerstört.

Anfang des 21. Jahrhunderts konnte man davon ausgehen, dass die wütenden Zuschauer die Zumutungen der beiden letztgenannten Streifen vergessen hatten, und einen Neubeginn riskieren. Dieses Mal wollte man es richtig machen, was u. a. die Rückkehr zum düsteren, tragischen, beinahe manischen „Batman“ erforderte, der an der sich selbst auferlegten Verpflichtung, Gotham City lumpenfrei zu halten, zu zerbrechen droht.

Für „Batman Begins“ fiel die Wahl des finanzierenden Warner-Bros.-Studios auf den Regisseur und Drehbuchautor Christopher Nolan, der bisher eher ‚kleine‘ Filme gedreht hatte, die beim Publikum und bei der Kritik aufgrund ihrer betont realistischen Machart großen Anklang gefunden hatten. Diesen Realismus wollte Nolan auch in ’seinen‘ Batman-Film einbringen – eine Entscheidung mit weitreichenden Konsequenzen, denn in einer Ära digitaler Spezialeffekte beharrte Nolan auf ‚altmodischen‘ Filmtricks, die u. a. den kompletten Überschlag eines echten Sattelschleppers in Längsrichtung vorsahen; dies nicht in einem Studio, sondern in einer richtigen Straße zwischen echten Häusern.

Realismus wurde zum Motto der „Batman“-Produktion, wie Jesser/Pourroy exemplarisch in den Kapiteln „Szenenbild“ und „Kostüme und Make-up“ belegen. Es beeinflusste auch die „Besetzung“, musste der Darsteller des Batman doch in der Lage sein, unter einem schweren Kostüm glaubhaft Emotionen und gleichzeitig den Eindruck zu vermitteln, sich heldenhaft in Häuserschluchten stürzen zu können, um überlebensgroße Bösewichte zu bekämpfen.

|Produktion|

Nolans Beharren auf Realismus i. S. von Glaubhaftigkeit durchzieht die gesamte Trilogie. Jesser/Pourroy rollen die ungemein komplexen, von Schwierigkeiten bzw. Herausforderungen geprägten Produktionen von „Batman Begins“ (Kap. 5), „The Dark Knight“ (Kap. 6) und „The Dark Knight Rises“ (Kap. 7) detailliert auf. Der oben erwähnte Sattelschlepper-Stunt wurde zur Kleinigkeit angesichts der Erschaffung einer rasch gigantomanisch anmutenden Parallelwelt, die manchmal nur in einer ehemaligen Luftschiff-Halle eingerichtet werden konnte – im Maßstab 1 : 1, wie Nolan es bevorzugt, weil beim Dreh die Schauspieler buchstäblich sehen, was im Drehbuch beschrieben steht, und das Auge des Zuschauers bestätigen kann, dass hier ohne Tricks und doppelten Boden gearbeitet wurde.

Was selbstverständlich nicht zutrifft, wie Jesser/Pourroy vor allem im Kapitel „Spezialeffekte und Stunts“ enthüllen: Die „Batman“-Trilogie zeigt die gesamte Bandbreite des filmtechnisch Machbaren, die durch Nolans zunächst in der Umsetzung oft für unmöglich gehaltene Vorgaben deutlich verbreitert wurde. Der Aufwand ist beachtlich, die Wirkung enorm.

|Postproduktion|

Dieser Aufwand setzte sich in einer Postproduktion fort, die drei bereits in der Produktion teuren Filmen noch einmal Folgekosten im dreistelligen Millionen-Bereich bescherte. Wie Jesser/Pourroy deutlich machen, lassen sich sowohl optisch monumentale als auch emotionale Szenen im Feinschliff aufwerten. „Schnitt, Musik und Sound“ (Kap. 9) heißen die drei Bereiche, in denen entsprechende Instrumente zum Einsatz kommen, wenn vor der Kamera längst Ruhe eingekehrt ist.

Einmal mehr beeindruckt der Aufwand, den beispielsweise die Sound-Spezialisten auf der Suche nach dem einen, neuen, nie gehörten Klang treiben. Endlich gewürdigt werden in Kapitel 10 („Optik“) die Digital-Hexer, die auch Nolan dort bemühen musste, wo die reale Technik definitiv versagte oder kein Mensch ohne direkte Gefahr für Leib & Leben vor die Kamera treten konnte. Zudem wurden die ‚realistischen‘ Aufnahmen nachträglich aufwändig bearbeitet, denn Hollywood weiß, wie sich Realismus künstlich verstärken lässt.

Selbst ein mit Einfallsreichtum, Liebe und Talent entstandener Film ist ein Produkt. Im 11. Kapitel („Marketing“) decken Jesser/Pourroy die Tricks auf, mit denen ein Film zum potenziellen Blockbuster getrimmt wird. Die klassischen Methoden des Trommelrührens werden im 21. Jahrhundert längst durch ein ausgefeiltes virales Marketing ergänzt. Der Aufwand ist gewaltig – hier wird nicht nur sprichwörtlich mit der Wurst nach der Speckseite geworfen.

|Gewichtige Form|

Wenn eine Filmtrilogie weltweit Zuschauer und Dollars in vierstelliger Millionensumme in die Kinos lockt bzw. einspielt, ist ein Monolith wie dieses Buch durchaus angemessen. Christopher Nolans „Batman“-Filme bieten über ihren Kassenerfolg hinaus hochwertige Unterhaltung. Dies geht über die reinen Action-Szenen hinaus, die den Atem stocken lassen. Dem ‚menschlichen Faktor‘ wird viel Spielraum gegeben, was eigentlich den einem Comic entlehnten und deshalb charakterlich eher zweidimensionalen Figuren eine bisher nicht gekannte Tiefe verleiht.

Die Entstehung dieser drei Filme rief eine Industrie auf den Plan, deren Können und Potenzial zwar bekannt ist: Hollywood lässt seit mehr als einem Jahrhundert routiniert Träume wahr werden. Dennoch macht sich der Zuschauer kein echtes Bild von dem Aufwand, der tatsächlich getrieben wird. Den Film-Journalistinnen Jesser und Pourroy ist zu verdanken, dass dieses Kunsthandwerk einem zu Recht faszinierten Leser vor Augen geführt wird. Es bleibt nur das Staunen – beispielsweise über die Anfertigung einer ganzen Serie von Bat-Mobilen, die über ihr eindrucksvolles Styling hinaus tatsächlich fahr- und sprungbereit waren, obwohl die auf den Effekt fixierten Konstruktionen eigentlich jeder physikalischen Logik spotteten.

|(Ge-) wichtiger Inhalt|

Dem trägt dieses Buch Rechnung, das bereits durch seine optische Opulenz beeindruckt. Layouter Chip Kidd zieht in Sachen Text- und Bildgestaltung alle Register seines Handwerks. Nichts bleibt hier dem Zufall überlassen, damit sich die Form wirkungsvoll mit dem Inhalt verbindet.

Aufgeschlagen klaftert „Batman – Das Making-of …“ beinahe einen halben Meter. Das Papier ist dick und glänzend; es bringt die ausschließlich farbigen Fotos bis in die Details brillant zur Geltung. Der Einband ist wuchtig und hält den Papierblock trotz seiner Masse sicher fest. Als Bettlektüre eignet sich dieses Buch nur bedingt, da es mit 2 Kilogramm Gewicht mächtig auf den Magen drückt.

Als Schwachpunkt entpuppt sich ausgerechnet der Text. Die nüchterne Erkenntnis lautet, dass in „Batman – Das Making-of …“ nicht die Informationsvermittlung im Vordergrund steht. Tatsächlich ist dies ein typisches „Coffee Table Book“, das ‚unauffällig‘ auf entsprechenden Möbelstücken platziert wird und den Besitzer vor Gästen als fein- bzw. kunstsinnigen Zeitgenossen adeln soll.

|Höhere Weihen für ein Comic-Action-Drama|

Der durch Erfahrung klug weil zuvor oftmals aufs Glatteis geführte Leser wird bereits misstrauisch, wenn er im Buchtitel das Wort „offiziell“ entdeckt. Es signalisiert auf der einen Seite den freien Zugang zu primären Informationsquellen. Nicht selten durften die Autorinnen die Dreharbeiten beobachten, die sonst |top secret| sind. Auch hinter den Kulissen waren sie dort anwesend, wo erwischte Medienvertreter ansonsten mindestens nach Guantanamo verschleppt werden. Sie sprachen mit den Beteiligten vor und hinter der Kamera und wurden mit exklusivem Material versorgt.

Diese Bevorzugung hat freilich ihren Preis: |Wes Brot ich ess, des‘ Lied ich sing|, heißt ein altes Sprichwort, das in der multimedialen Gegenwart keineswegs an Geltung eingebüßt hat. Im Gegenteil scheint die Forderung an den Journalisten, Abstand zum Gegenstand seiner Recherche zu halten, um die standesgemäße Objektivität wahren zu können, längst ein altmodisches Auslaufmodell zu sein. Besonders skrupellose Vertreter ihrer Zunft verwischen die Spuren gut bezahlter Manipulationen, die einen Bericht zur verkappten Werbung degenerieren lassen.

Jesser und Pourroy gehören zu den Hofberichterstattern, woraus sie nie einen Hehl machen bzw. machen zu müssen glauben. Sie scheinen tatsächlich den eigenen Hosianna-Rufen Glauben zu schenken. Es fällt schwer, nicht gänzlich dem Zynismus zu verfallen, weil Jesser/Pourroy sich nicht einmal die Mühe machen, ihre auf Hochglanz geschönte Darstellung durch wenigstens einige Flecken glaubhafter wirken zu lassen.

|Der Preis des Privilegs|

Der Arsch von Christopher Nolan muss nicht nur der Himmel auf Erden, sondern auch gewaltig sein. So könnte man böse folgern, wenn man Jesser/Pourroy als ‚Journalistinnen‘ vertraut. Nicht nur sie, sondern praktisch alle vor und hinter der Kamera an der „Batman“-Trilogie Beteiligten haben sich am genannten Ort versammelt und stets sehr wohl dort gefühlt.

Man urteilt als Rezensent automatisch grob, wenn man ständig über dreiste Schwurbeleien wie diese stolpert: Kurz nach Abschluss der Dreharbeiten zu „The Dark Night“ starb Heath Ledger, der Darsteller des Jokers. Der Kopf des Marketing-Teams, das die 185 Mio. Dollar teure Produktion global anzupreisen hatte, wird von Jesser/Pourroy mit folgender Reaktion zitiert: |“Heath verstarb, als unser Marketing gerade eine Pause eingelegt hatte … und wir hatten Zeit, um diesen Verlust zu verstehen, zu trauern und unsere nächsten Schritte zu planen. Zuerst haben wir uns mit seiner Familie getroffen und haben ihnen dargelegt, was wir zukünftig machen wollen.“| Das Ergebnis: |“Wir haben uns zusammengesetzt und haben beschlossen, dass wir wie geplant weitermachen, denn Heath war ein so wichtiger Teil des Films.“| (S. 296)

Die salbungsvolle Verlogenheit, mit der diese angebliche Zusammenkunft geschildert wird, prägt generell den Buch-Text in einem Maß, das zunächst irritiert, dann stört und schließlich ärgert. Auf die „Batman“-Filme können und dürfen die Beteiligten stolz sein. Dennoch geht es um einen als Fledermaus maskierten, selbst ernannten Rächer, der grotesk maskierte Comic-Schurken verprügelt. Es gibt keinen tieferen Sinn in der „Batman“-Saga. Jesser/Pourroy gehören zu denen, die ihr einen Subtext aufzwingen, der ihr mehr schadet als nutzt.

Sie, die ‚Journalisten‘, stellen sich dabei in den Dienst des Filmstudios, das mit seinem Produkt möglichst viel Geld verdienen will. Folgerichtig wurden die Dreharbeiten zum letzten „Batman“-Film nicht einfach abgeschlossen: „Epilog: Die Legende endet“, heißt es ehrfurchtsvoll bei Jesser/Pourroy, die seit vielen Jahren ihr Geld mit der Herstellung von „Büchern zum Film“ verdienen und dies auch in Zukunft zu tun gedenken. Die Auftraggeber können mit ihren Leistungen zufrieden sein. Der Leser ist es nicht.

|Gebunden: 305 Seiten
Originaltitel: The Art and Making of the Dark Knight Trilogy (New York : Harry N. Abrams 2012)
Übersetzung: Peter van Suntum
ISBN-13: 978-3-86873-460-7|
http://www.knesebeck-verlag.de

Jody Duncan Jesser/Janine Pourroy – Batman: Das Making-of der Dark-Knight-Trilogie


Inhalt:

Gegliedert in die drei Abschnitte „Vorproduktion“, „Produktion“ und „Postproduktion“ rekonstruieren die Film-Journalistinnen Jody Duncan Jesser und Janine Pourroy die Entstehungsgeschichte jener „Batman“-Trilogie, die Christopher Nolan zwischen 2005 und 2012 mit weltweit grandiosen Einspielergebnissen auf die Kinoleinwand brachte.

Vorproduktion

In einem ersten Kapitel („Drehbuch“) gehen Jesser/Pourroy auf die Geschichte der Figur ein. 1939 war Batman als Comic-Held erstmals auf Verbrecherjagd gegangen. Seitdem hatten Fernsehen und Kino mehrfach die Figur aufgegriffen. Die beiden von Tim Burton 1989 („Batman“) bzw. 1992 („Batman Returns“) gedrehten Filme gelten nicht nur als Klassiker, sondern schlugen sich auch an den Kassen bemerkenswert erfolgreich. Zwei weitere Fortsetzungen („Batman Forever“, 1995; „Batman & Robin“, 1997) hatten das hoffnungsfroh und einträglich gestartete Franchise jedoch erst beschädigt und schließlich zerstört.

Anfang des 21. Jahrhunderts konnte man davon ausgehen, dass die wütenden Zuschauer die Zumutungen der beiden letztgenannten Streifen vergessen hatten, und einen Neubeginn riskieren. Dieses Mal wollte man es richtig machen, was u. a. die Rückkehr zum düsteren, tragischen, beinahe manischen „Batman“ erforderte, der an der sich selbst auferlegten Verpflichtung, Gotham City lumpenfrei zu halten, zu zerbrechen droht.

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Salisbury, Mark – Tim Burton – Der melancholische Magier

_Aller Anfang war (dieses Mal besonders) schwer_

Tim Burton, geboren 1958 in einem Vorort-Viertel der kalifornischen Stadt Burbank, gilt in Europa mehr noch als in den USA als einer der originellsten und einfallsreichsten Filmemacher der Gegenwart. Obwohl für mehrere Hollywood-Blockbuster (u. a. „Edward mit den Scherenhänden“, 1990; „Batman“ und „Batmans Rückkehr“, 1989 bzw. 1992, „Alice im Wunderland“, 2010) verantwortlich, gelang es ihm, eine eigene Stimme zu entwickeln, zu entfalten und zu erhalten.

Dieser Weg war steil und reich an Stolpersteinen, denn der junge Tim Burton passte schlecht in die stromlinienförmige Welt der Erfolg- und Einflussreichen. Er war als Kind und in der Schule ein Außenseiter, und er blieb es, als er nach einem Studium am „California Institute of the Arts“ ausgerechnet vom Disney-Studio angestellt wurde. Die Liebe zum Morbiden, Abseitigen und dabei Liebenswerten konnte ihm selbst die Fließbandarbeit als Zeichner für Filme wie „The Fox and the Hound“ (1981, dt. „Cap und Capper“) und „The Black Cauldron“ (1985, dt. „Taran und der Zauberkessel“ nicht austreiben. Stattdessen nutzte er die Gelegenheit, abseits der Studio-Großfilme mit angeblich veralteten Techniken wie dem Stop-Motion-Trick zu experimentieren und schräge Kurzfilm-Visionen zu verwirklichen.

Nach „Beetlejuice“ (1988) und „Edward Scissorhands“ (1990, dt. „Edward mit den Scherenhänden“) und dank des gewaltigen Erfolgs der beiden „Batman“-Filme gewann Burton allmählich Routine und Ruf, was ihm ermöglichte, Filme nach eigenen Vorstellungen zu drehen.

_Alles ganz anders und oft besser_

Relativ früh erregte Burtons Werk das Interesse des Film-Spezialisten Mark Salisbury. Er schrieb eine erste Fassung von „Burton on Burton“ 1995, blieb aber mit Burton in Kontakt und wurde schließlich in das „Tim Burton Collective“ aufgenommen. Es umfasst Freunde und Verbündete, die Burton im Laufe der Jahre um sich scharen konnte und auf die er immer wieder zukommt, wenn er einen Film dreht.

Quasi exklusiv verfasst Salisbury seit einigen Jahren Bücher zu Burton-Filmen, die reich illustriert und von Burton mit (sorgfältig ausgesuchten) exklusiven Informationen angereichert werden. „Burton on Burton“ wurde zur „work in progress“, wie Salisbury in einem Nachwort belegt. Eine ergänzte und erweiterte Version erschien 2000, eine wiederum überarbeitete Fassung 2006. Für die deutsche Ausgabe griff Salisbury exklusiv auf Interviews zurück, die er 2007 und 2009 mit Burton geführt hatte; „Tim Burton“ ist damit in seiner deutschen Ausgabe sogar aktueller als das Original – ein seltener aber vorbildlicher Service des Verlags, denn was nützt dem Leser eine veraltete Biografie und Werkschau? Die ‚modulare‘ Struktur des Buches ermöglicht zudem das zukünftige Andocken weiterer Ergänzungen, die zweifellos kommen werden. Burton ist ein fleißiger Mann, der schon wieder mehrere Filme gedreht hat, die noch keine Aufnahme in Salisburys Buch fanden.

Die enge Beziehung zu Tim Burton prägt das Werk. „Burton on Burton“ ist weder eine die üblichen Stationen eines Lebens abhakende Biografie noch eine kritikintensive Betrachtung und Bewertung der burtonschen Filme durch den Fachmann Salisbury. Stattdessen überlässt der Autor weitgehend Burton selbst das Wort und kanalisiert dessen Erinnerungsfluss höchstens durch eingestreute Fragen, die dem Text eine chronologische Struktur geben.

Das Ergebnis ist ein Buch, das den strengen Filmkritiker nur bedingt zufriedenstellen kann, weil weder Salisbury noch Burton daran denken, das (eigene) Werk unter filmwissenschaftlichen Aspekten zu betrachten. Leser, die gern in privaten Details schwelgen, bleiben erst recht außen vor. Salisbury interessiert sich ausschließlich für Burtons Vita als Filmemacher. Privates wird knapp dort angesprochen, wo es den Künstler Burton betraf. Nicht nur hier mag sich eine vielleicht allzu große Nähe zwischen Autor und Regisseur zwiespältig auswirken. Allerdings fällt zumindest der Verzicht auf die öffentliche Waschung schmutziger Privat-Wäsche, die auch der gar nicht so ätherische und weltfremde Burton zurückgelassen hat, nicht negativ auf.

|Ein literarischer Trip in exotische Welten|

Auch formal geht „Burton on Burton“ eigene Wege. Zum Text treten gleichwertig Fotos, die ‚typische‘ Burton-Filmszenen oder Aufnahmen von Dreharbeiten zeigen. Hinzu treten zahlreiche Zeichnungen und Skizzen, die Burton als Vorlagen für Storyboards und Gedächtnisstützen anfertigte. Es sind kleine Kunstwerke, die für sich stehen sowie Burtons Gedankenwelt oft besser erhellen können als viele Worte. Da für die deutsche Ausgabe durchweg hochwertiges Kunstdruckpapier Verwendung fand, kommen diese schwarzweißen oder pastellfarbigen Zeichnungen ausgezeichnet zur Geltung.

Weil Salisbury wie gesagt zum „Burton Collective“ zählt, hat er Zugriff auf diese Zeichnungen. Sie sind ein fixer Bestandteil jener Bücher geworden, die Salisbury seit 2001 zu beinahe jedem Burton-Film veröffentlicht – bildreich im Burton-Stil gestaltet und mit knappen aber informativen Texten versehen.

Eingeleitet wird „Burton on Burton“ durch gleich zwei Vorworte des ebenfalls zum „Collective“ gehörenden Burton-Freund und Weggefährten Johnny Depp. Er ist dem Regisseur in ewiger Dankbarkeit verbunden, seit dieser ihn 1993 aus der verhassten Fronarbeit an der TV-Serie „21 Jump Street“ erlöste.

|Ein wenig Skepsis ist angebracht|

Tim Burton sagt nur, was er sagen möchte, und Mark Salisbury hakt nicht wirklich nach: Die daraus resultierenden Unschärfen wurden bereits angesprochen. Burton ist keineswegs frei von Selbstkritik. Allerdings fragt man sich, wie tief Burton – auch nur ein Mensch – für dieses Buch in solche Wunden wie „Planet of the Apes“ (2001; dt. „Planet der Affen“) bohrte.

Glaubhaft sind die immer wieder geschilderten Auseinandersetzungen mit Filmstudios und Produzenten, die Burton in seine Arbeit hineinreden, um das Ergebnis möglichst massentauglich und damit einträglich zu trimmen. Hier merkt man dem sich sonst sehr gelassen gebenden Burton die damit einhergehenden Belastungen an. Anders als seine Anti-Helden konnte sich Burton jedoch an der Spitze halten und sogar in Hollywood eine Nische schaffen. Wie ihm dies gelang, muss sich der Leser oft zwischen den Zeilen zusammenreimen: Burton vermag auf beiden Hochzeiten zu tanzen, was ihn als ‚echten‘ Außenseiter eigentlich disqualifizieren müsste. Gern stellt er seine Karriere als Kette glücklicher Zufällen dar, bei der ihm außerdem talentierte Menschen hilfreich unter die Arme griffen. Tatsächlich ist Burton alltagstauglich genug, sich ein beachtliches Netzwerk zu schaffen, auf deren oft prominente Mitglieder er zählen kann.

Der „melancholische Magier“ stellt nur die eine Seite Burtons dar. Sie ist längst auch zur Rolle geworden, in die Burton betont unkonventionell mit tiefschwarzer, der profanen Mode enthobenen Kleidung und der Wirrhaar-‚Frisur‘ des wahren Genies zu schlüpfen weiß. Mit „Burton on Burton“ unterstützt ihn Salisbury dabei, ohne zu hinterfragen. Somit fehlen wichtige Stücke des Puzzles, die Tim Burtons Charakter ausmachen. „Burton on Burton“ ist – um es überspitzt aber dadurch deutlich auszudrücken – durch Fakten gestützte Hagiografie und in Sachen Tim Burton keineswegs der Weisheit letzter Schluss.

Bis zum Erscheinen einer „unautorisierten Biografie“ erfüllt dieses Buch dennoch seinen Zweck. Was Burton künstlerisch antreibt, wird auf jeden Fall deutlich. In diesem Punkt fällt es dem Leser leicht, die Sympathie des Autors (Salisbury) mit dem Subjekt seiner Darstellung (Burton) zu teilen.

|Gebunden: 368 Seiten
Originalausgabe: Burton on Burton. Revised Edition (London : Faber & Faber Limited 1995/2000/2006)
Übersetzung: Sara u. Hannes Riffel
ISBN-13: 978-3-86995-036-5|
http://marksalisbury.blogspot.de
http://www.timburtoncollective.com
http://www.quadrigaverlag.de

Franziska Latell/Werner Sudendorf (Hgg.) – Fritz Langs Metropolis

Nach mehr als 80 Jahren liegt „Metropolis“ wieder komplett vor. Zur Erstaufführung der rekonstruierten Fassung erschien 2010 dieser Prachtband, der die wechselvolle Geschichte des berühmten Stummfilms nicht nur nachzeichnet, sondern mit 600 oft großformatigen Bildern kongenial illustriert: eine faktenreiche und spannende Reise in die Frühzeit des deutschen Kinos. Franziska Latell/Werner Sudendorf (Hgg.) – Fritz Langs Metropolis weiterlesen

Shatner, William/Fisher, David – William Shatner: Durch das Universum bis hierher. Die Autobiographie

_Von der Pike abwärts: Karriere mit Fehlzündungen_

Obwohl Shatner – gewollt oder unwillkürlich, weil es seine Art ist oder sein soll – in seiner autobiografischen Darstellung sprunghaft ist, gern zwischen Zeiten und Themen „springt“ und ein Faible für unterhaltsame aber ablenkende Anekdoten an den Tag legt, folgen seine Erinnerungen insgesamt einem chronologischen Faden. Sowohl der berühmte Kirk als auch der berüchtigte Shatner wurden 1931 in Kanada als Sohn eines jüdischen Billig-Schneiders geboren („Ein kleiner jüdischer Junge aus Montreal“). Die Herkunft und die Erinnerung an ständige Geldnot erwiesen sich als prägend. Immer wieder kommt Shatner auf seine Existenz-Ängste zurück, die ihn zwingen, praktisch jede Rolle anzunehmen, weil er fürchtet, ansonsten aus dem Geschäft zu sein.

William Shatner gehört zu einer Generation junger Nordamerikaner, die nicht mehr in den Zweiten Weltkrieg und in keinen der späteren US-Kriege ziehen musste. Nachdem er seine Liebe zu den darstellenden Künsten entdeckt hatte, konnte er sich ihnen deshalb kompromisslos widmen. Nach 1945 boomte die Unterhaltungsindustrie in Radio, Theater und Film. Hinzu kam wenig später das Fernsehen. Junge Darsteller fanden hier zwar keine hohen Gagen aber ein breites Betätigungsfeld („Anfänge im Radio und Fernsehen“, „Mr. Broadway erobert die Stadt“). Shatner schildert die Möglichkeiten, die freilich mit hartem Konkurrenzdruck einhergingen. Der junge Schauspieler musste seinen Job auf die harte Tour lernen. Er beging Fehler, traf falsche Entscheidungen, wurde hereingelegt – und arbeitete praktisch rund um die Uhr.

Ersten Erfolgen am Theater und im Fernsehen („Ein Star wird geboren“) folgten immer wieder Durststrecken und Routinerollen. Shatner gehörte zum Fußvolk seiner Zunft. Er spielte Gastrollen in beinahe sämtlichen Serien der 1950er und 60er Jahre, ohne dabei ein Profil zu entwickeln, das sein Wiedererkennen garantierte. Shatners „Karriere“ drohte deshalb zu versanden; 1966 war nach anderthalb Jahrzehnten harter Arbeit der Durchbruch weiterhin fern – und die Zeit lief gegen den nicht mehr ganz jungen Schauspieler.

_Der lange Weg zum Shatman_

Dies änderte sich auch nicht, als Shatner im genannten Jahr als Captain Kirk auf der Enterprise anheuerte („Der Weltraum – unendliche Weiten“). Für ihn war dies ein Job wie viele andere, weshalb es ihn weder überraschte noch erschütterte, als „Star Trek“ schon nach drei Jahren abgesetzt wurde. Shatner machte weiter wie bisher und registrierte nur nebenbei und ganz allmählich das Aufkommen des „Star-Trek“-Kultes. Währenddessen zog der Schauspieler geschieden und pleite per Wohnmobil von Drehort zu Drehort und nahm erst recht jeden möglichen und unmöglichen Job an („Shiva“).

In den 1970er Jahren erlebte Shatner privat und beruflich schwierige Zeiten. Die Erinnerung daran kann auch der betont humorvolle Ton nicht überdecken („I’m a rocket man!“). Erst die Neuauflage der klassischen „Star-Trek“-Serie im Kino brachte ihn endlich auf die Gewinnerseite. Shatner startete durch, nutzte den Ruhm und den Kult-Status der Kirk-Rolle, wurde Regisseur, Drehbuchautor und Produzent („Cop, Regisseur & Comedian“).

Anfang der 1990er Jahre heiratete Shatner zum dritten Mal. Der Ehe mit Nerine Kidd und ihrem tragischen, von den Medien gierig aufgegriffenen Ende widmet Shatner ein eigenes Kapitel („Notruf“). Dies gilt auch für den Tod seines Alter Egos („Kirks Ende“), dem zuzustimmen Shatner inzwischen als eine der zahlreichen Fehlentscheidungen seiner turbulenten Karriere betrachtet.

Die Autobiografie klingt in der Gegenwart aus, die William Shatner abermals verheiratet und beruflich erfolgreicher denn je erlebt. An den Ruhestand kann und will das rüstige aber bald 80-jährige Multi-Talent weiterhin nicht denken.

_Ein real phantastisches Leben_

Dass William Shatner seinem Erstaunen über das Erlebte und Überstandene immer wieder Ausdruck verleiht, können seine Leser nach der Lektüre dieser Autobiografie problemlos verstehen. Unabhängig von der (ohnehin aus der Ferne nicht zu beantwortenden) Frage nach seinen oft und gern angeprangerten Schauspiel- oder Charakterschwächen, ist Shatner nicht nur ein Veteran seiner Zunft, sondern ein Zeitzeuge, dessen Erfahrungen in Film, Fernsehen, Theater u. a. Darstellungsformen sechs Jahrzehnte umfassen. Shatner hat alles gemacht, er arbeitete als Schauspieler, Regisseur, Autor, Sänger oder Moderator.

Die Rolle als James T. Kirk erwies sich als Glücksfall seines Lebens. Oft wird Shatner auf den unternehmungslustigen Captain des Raumschiffs Enterprise reduziert und seine Privatperson mit ihm gleichgesetzt. Schaut man sich die unglaubliche Zahl von Figuren an, in die er schlüpfte, wird deutlich, dass Shatner mehr ist als der eitle, übertrieben agierende, viel zu jungen Frauen hinterherjagende Toupet-Träger, als den ihn jüngere Generationen kennengelernt zu haben glauben: Auf diese Weise bleibt man nicht 60 Jahre in einem äußerst schnelllebigen Geschäft aktiv oder gar erfolgreich.

Gleichzeitig ist Shatner ein cleverer Selbstvermarkter, der selbst die negativen Seiten seines Images für sich umzumünzen weiß. „Seine“ Autobiografie ist dafür ein perfektes Beispiel. Shatner firmiert als Autor; mit der Lupe muss man den Namen David Fisher suchen, der die Vorgaben des „Shatman“ in einen lesbaren Text verwandelt hat. Artig dankt ihm Shatner in seinem Vorwort für die „Mitarbeit“, entlarvt sich aber später als „Verfasser“ zahlreicher Romane mit der Information, stets nur Ideen für das grobe Gerüst einer Geschichte in den Raum zu werfen, aus denen anschließend „Co-Autoren“ ein weiteres Buch machen, das Shatner in „seine“ Literaturliste aufnimmt.

_Autobiografie mit Botschaft_

Selbstbewusst und sensibel, rücksichtslos und freundlich, gerissen aber nicht klug: So möchte sich Shatner dargestellt wissen. Er gibt vor, die Rolle des „Shatman“ nur zu spielen, was seine Kritiker im Gegensatz zu seinen echten Fans angeblich nicht begreifen. Shatner unterlegt seine Äußerungen und Aktionen gern mit einem Kontext, den er nachträglich erläutert. Eingestreute Geständnisse charakterlicher Schwächen sollen entwaffnend wirken. Nicht nur einmal gibt Shatner zu, dass Wahrheit für ihn auch ein Stoff ist, den er verformt und verdreht, um ihn für seine Zwecke zu nutzen. Gleichzeitig gibt er sich als Autobiograf betont offen und ehrlich, was er durch eine einfache, kumpelhafte, man könnte auch sagen: anbiedernde Sprache unterstreicht. Mit der Diskrepanz muss sich der Leser auseinandersetzen. Zur stetigen Verunsicherung tragen Shatners Abschweifungen bei, die oft in Hinweise auf die Verkaufsangebote auf seiner Website münden; der geschäftstüchtige Autor bedient sich hier jener Nachrede, er sei geizig und geldgierig.

Auf diese Weise spricht Shatner Vorwürfe selbst an, um sie dann zu „erklären“ und Stück für Stück zu entkräften. Als Biograf hält er auf diese Weise die Fäden auch dann noch fest in der Hand, wenn es in Lebensabschnitte geht, in denen Shatner keine gute Figur macht. Das schließt auch die Jahre der „Star-Trek“-Fernsehserie ein. Shatner räumt dieser Phase verständlicherweise breiten Raum ein. Dabei verhehlt er die Schwierigkeiten mit seinen Schauspielerkollegen oder mit dem Fernsehstudio nicht, übernimmt ein wenig Verantwortung, um anschließend die Dinge so zurechtzurücken, bis man ihn beinahe als Opfer übler Nachrede betrachten möchte.

Das Gedächtnis ist ein subjektiv arbeitendes Funktionselement des Hirns. Shatner hat früher einmal behauptet, ihm seien die „Star-Trek“-Jahre längst entfallen. Dafür wartet er in seiner Biografie mit erstaunlichen Details auf. Shatner hat Rollen in dreistelliger Zahl gespielt. Trotzdem scheint ihm jede Figur präsent zu sein. Ist dies „echtes“ Erinnern oder das Ergebnis nachträglicher Recherche, die als Erinnerung „getarnt“ wurde?

_Autobiografie eines Insiders_

Dieser Verdacht keimt während der Lektüre oft auf. Er mindert die positiven Seiten einer Autobiografie, deren Verfasser (nennen wir ihn der Einfachheit halber weiterhin so) Zeitzeuge einer Film- und Fernsehgeschichte „von unten“ ist. Vor allem der Fan des phantastischen Genres wird immer wieder über Shatner stolpern, der sowohl in der SF als auch im Horror zahlreiche und manchmal sogar tiefe Spuren hinterlassen hat. Shatner war und ist beileibe nicht nur Captain Kirk, sondern auch Bob Wilson in der klassischen „Twilight-Zone“-Episode „Terror at 20.000 Feet“ (1963), Mark Preston im Grusel-Heuler „The Devil’s Rain“ (1975; dt. angemessen dümmlich „Nachts, wenn die Leichen schreien“) oder Walter H. Bascom in der SF-Serie „TekWar“ (1995-96).

Ganz unten und ganz oben: Shatner ist seit sechs Jahrzehnten ein Teil der modernen US-Unterhaltungsindustrie. Selbst wenn er sich vor allem an und in Anekdoten erinnert, bliebt übergreifend Interessantes haften. Shatner kennt den Alltag vor und hinter der Kamera. Auf dieser Ebene liest sich seine Autobiografie nicht nur unterhaltsam, sondern liefert Hintergrundwissen aus einer Branche, die längst nicht so glanzvoll ist wie sie sich selbst gern gibt.

Unterm Strich offenbart sich der „Shatman“ so, wie er sich zu offenbaren gedenkt, während er völlige Ehrlichkeit suggeriert, um dies gleichzeitig zu relativieren. Dies sollte der Leser bedenken, der sich gleichzeitig auf eine oft interessante, unterhaltsame und dabei im positiven Sinn „leichte“ Lektüre einstellen kann.

_Autor_

William Shatner wurde am 22. März 1931 in der kanadischen Großstadt Montreal geboren. Er wurde schon in jungen Jahren Schauspieler und trat zunächst im Theater auf. 1956 ging Shatner in die USA und zum Broadway. Parallel dazu spielte er in zahlreichen TV-Dramen, die damals noch live gesendet wurden. Zwei Jahre später tauchte Shatner in „The Brothers Karamazov“/“Die Brüder Karamasow“ an der Seite von Yul Brunner und Maria Schell im Kino auf.

Der echte Durchbruch blieb aus. Viele Jahre spielte Shatner in Kinofilmen und TV-Shows der B- und C-Kategorie. Darin lieferte er trotz seiner theatralischen bis pathetischen Darstellungsweise durchaus achtbare Leistungen ab. 1966 bis 1969 folgte die Hauptrolle in der „Star-Trek“-Serie, die von einer weiteren Durststrecke und den für Shatner typischen Rollen in billigen Filmen und Fernsehserien gefolgt wurde. Erst die Rückkehr als Captain Kirk in den „Star-Trek“-Kinofilmen brachte ihm endlich Erfolg. Er nutzte ihn geschickt, um eine Karriere als Regisseur, Drehbuchautor und Produzent in Gang zu bringen. Seine Aktivitäten als Schauspieler schränkte Shatner gleichzeitig keineswegs ein, versuchte sich als Sänger, wurde Pferdezüchter, gründete eine Firma für Spezialeffekte („Core Digital Effects“) und entwickelte schriftstellerische Ambitionen.

Auch im Alter denkt Shatner nicht an den Ruhestand. Er legt sich ein Arbeitspensum auf, das einen halb so alten Mann schrecken könnte (s. [www.williamshatner.com]http://www.williamshatner.com). In seiner Rolle als unwürdiger Greis besetzt er im Kulturleben der USA etwa dieselbe Nische wie hierzulande Dieter Bohlen oder früher Verona Feldbusch und hat sich als Trash-Ikone und Amerikas liebster Toupet-Träger eine solide Alterskarriere aufgebaut. William Shatner ist in vierter Ehe verheiratet und lebt heute in Südkalifornien und Kentucky.

|Gebundene Ausgabe:
Originaltitel: Up Till Now. The Autobiography (New York : Thomas Dunne Books/St. Martin’s Press 2008)
Übersetzung: Thorsten Wortmann
Deutsche Erstausgabe (geb.): Juli 2009 (Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag)
ISBN-13: 978-3-89602-879-2|
[www.schwarzkopf-schwarzkopf.de]http://www.schwarzkopf-schwarzkopf.de

_William Shatner bei |Buchwurm.info|:_
[„Sternendämmerung“ (Star Trek) 673
[„Sternennacht“ (Star Trek) 688

Alan Dean Foster – Pale Rider: Der namenlose Reiter

Ein mysteriöser Fremder steht den bedrängten Bewohnern eines Goldgräber-Camps erst mit Rat und dann mit Tat zur Seite, als sie durch brutale Revolverhelden vertrieben werden sollen … – Das Buch zum Film, der eine kuriose aber eindrucksvolle Mischung aus Western und Geistergeschichte darstellt, ist mehr als ein für den Buchmarkt ‚frisiertes‘ Drehbuch, sondern ein eigenständiger Roman, der auch für sich allein unterhaltsam funktioniert. Alan Dean Foster – Pale Rider: Der namenlose Reiter weiterlesen

Savile, Steven – Primeval 1 – Im Schatten des Jaguars

_Vorab einige grundsätzliche Informationen:_

In den letzten Jahren des 20. Jahrhunderts begannen sich in England immer wieder „Anomalien“ zu öffnen – Falten oder Risse im Raum-Zeit-Kontinuum, durch die man in die Vergangenheit oder Zukunft gelangt. Der Weg ist nach beiden Seiten offen; neugierige Dinosaurier, Riesenskorpione und andere Kreaturen der Vorzeit haben sich so ihren Weg in die Gegenwart gebahnt und für Entsetzen und viele Todesfälle gesorgt. Das britische Innenministerium richtete das „Anomaly Research Center“ (ARC) ein. Unter der Leitung von James Lester rücken der Evolutionsbiologe Nick Cutter, der im Umgang mit Waffen geübte Stephen Hart sowie der Student Connor Temple und die Reptilien-Expertin Abby Maitland aus, sobald eine Anomalie gemeldet wird, um den Durchbruch hungriger Untiere zu verhindern oder bereits erfolgreiche Invasoren abzufangen.

Eine geheimnisvolle Macht arbeitet gegen die ARC-Gruppe: Helen, Cutters ehemalige Gattin, studiert die Anomalien schon seit Jahren. Sie hat Kontakt zu intelligenten Wesen aus der fernen Zukunft aufgenommen. Helens Ziele sind mysteriös, ihr Vorgehen skrupellos. Immer wieder kreuzen sich ihre und Cutters Wege, denn dieser weiß aus eigener Erfahrung um die Tücken der Anomalien: Er stammt aus einer Zeitlinie, in der es nie ein ARC gab. Offenbar verändern Reisen durch die Zeit die Gegenwart, was Helens unkontrolliertes Treiben umso gefährlicher macht …

(Anmerkung: „Im Schatten des Jaguars“ spielt zeitlich zwischen der 1. und 2. bzw. zu Beginn der 2. TV-Staffel.)

_Das geschieht:_

In Peru sind Cameron und Jaime, die beiden Söhne des britischen Staatssekretärs Sir Charles Bairstow, auf einer Expedition im dichten Regenwald der Region Madre de Dios verschollen. Wie der Zufall (bzw. Autor Steven Savile) spielt, erhält Professor Nick Cutter genau jetzt einen Hilferuf von seinem ehemaligen Studenten Nando Estevez, der als Biologe in der genannten Anden-Region tätig ist und dort immer wieder auf frische Knochen von Tieren stößt, die vor Jahrtausenden ausgestorben sind!

Hat sich in Peru erstmals eine Anomalie außerhalb Englands geöffnet? Cutter alarmiert sein Team. James Lester, Leiter des ARC, setzt es gen Südamerika in Bewegung. Sir Charles hat diesen Außeneinsatz möglich gemacht, nachdem Cameron schwer verletzt und im Delirium aus dem Dschungel taumelte. Eine gigantische Raubkatze habe seinen Bruder umgebracht, erzählt er, was die Theorie von einer Anomalie im Urwald von Madre de Dios unterstützt.

Auf Cameron Bairstow wird im Krankenhaus der Stadt Cusco ein Mordanschlag verübt. Eine unbekannte Macht will offensichtlich alle Zeugen des mysteriösen Vorfalls zum Schweigen bringen. Steckt wieder einmal Helen, Cutters undurchsichtige Ex-Gattin, hinter dem Anschlag? Da außerdem schwer bewaffnete Tierschmuggler und korrupte Regierungsbeamte in Madre de Dios ihr Unwesen treiben, werden Cutter und sein Team bald von allen Seiten attackiert …

_Das „Primeval“-Prinzip_

Menschen lieben Monster, solange sie ihnen nicht in natura begegnen. Film und Fernsehen stellen sie uns im 21. Jahrhundert dank stetig entwickelter Spezialeffekte immer eindrucksvoller vor. Sogar im TV wirken sie nun schaurig-schön ‚echt‘, wenn sie – wie in „Primeval“ üblich – unter Hinterlassung beträchtlicher Sach- und Personenschäden durch Wälder, über Straßen oder gar durch Städte schnauben und toben.

Aus der Konfrontation der Vergangenheit (repräsentiert durch in der Regel naturwissenschaftlich belegte Monster) bzw. Zukunft (vertreten durch fantasievoll ausgedachte Kreaturen) mit der Menschenwelt der Gegenwart schöpft „Primeval“ sein Unterhaltungspotenzial. Vor allem in der ersten Staffel blieb es dabei, in jeder Woche einem neuen Ungetüm hinterherzujagen.

Obwohl sich inzwischen eine Verschwörungsgeschichte um die (freilich immer noch dominierende) Monsterhatz rankt, ist „Primeval“ nie hintergründig oder gar originell und womöglich gerade deshalb so erfolgreich. Eine oberflächliche Figurencharakterisierung erhöht den Wiedererkennungswert. Gäbe es die erwähnte Verschwörung nicht, könnte man sich die Episoden der Serie ohne Verständnisprobleme in beliebiger Reihenfolge anschauen: Zu Beginn einer Folge öffnet sich eine Anomalie, unbemerkt schleicht meist vorzeitliches Leben heraus, macht sich gewalttätig bemerkbar, woraufhin Nick Cutter, unbestechlicher Ritter der Naturwissenschaften, mit Stephen Hart, Projektionsfigur für die Sehnsüchte der weiblichen Zuschauerschaft, dem trotteligen, für ‚komische‘ Verwicklungen zuständigen Connor Temple, sowie der niedlichen Jungmaid Abby Maitland, die als ’neue Frau‘ entweder zuschlägt oder – ganz klassisch – gerettet werden muss, zum Ort des Geschehens eilt. Im Hintergrund treibt der garstige aber eigentlich taffe Lester bürokratische Spielchen, wobei ihm die ebenfalls hübsche Pressefrau Jenna Lewis zur Hand geht, wenn sie nicht dem anti-amourös teflonbeschichteten Cutter hinterherstöckelt. Im Hintergrund tückt Cutters Ex Helen und munkelt von einem ungeheuerlichen, sich über Zeit und Raum erstreckenden Projekt, in das sie auf sorgfältig fragwürdig gehaltene Weise verwickelt ist. Im Finale wird das Ungeheuer der Woche entweder zu Tode gebracht oder in seine Zeit zurückgescheucht, bevor sich die Anomalie schließt; Fortsetzung folgt wie gehabt.

_Monsterhatz jetzt auch global!_

Dass die Anomalien sich im Fernseher auf England beschränken, liegt am begrenzten Serienbudget, das Exkursionen an exotische Ort nicht gestattet. Der Schriftsteller ist an solche Grenzen nicht gebunden. Ihn hält eine wesentlich stärkere Kette: Niemals darf sich im „Primeval“-Roman etwas ereignen, das den Rahmen der „Primeval“-Fernsehserie sprengt! Was Cutter und seine Freunde in Peru und anderswo erleben, bleibt ohne Folgen. Sie werden nicht sterben oder sich auf Dauer fremdverlieben, sondern sich generell so verhalten, wie wir sie kennen. Faktisch kopiert Steven Savile nur das Bekannte, Bewährte und Beliebte von „Primeval“: Das ist der Fluch des „Romans zur Serie“, der immer nur „tie-in“, d. h. einer von möglichst vielen Geschäftszweigen eines Franchises ist, zu dem sich auch „Primeval“ gemausert hat.

Mit der 2008 gestarteten und fortgesetzten Buchreihe soll den „Primeval“-Fans noch ein bisschen mehr Geld aus der Börse gesogen werden. Inhaltliche oder formale Experimente sind deshalb weder erwünscht noch notwendig. Der Leser bekommt, was er erwartet: ‚Neue‘ „Primeval“-Abenteuer im alten Stil. Auf diesem Niveau hält „Der Schatten des Jaguars“, was die Inhaltsangabe verspricht. Die folgenden kritischen Zeilen richten sich deshalb bevorzugt an diejenigen Leser, die auch von purer Unterhaltung ein bisschen mehr erwarten.

_Abenteuer der vorgestanzten Art_

Offen muss die Frage bleiben, ob ein talentierterer Autor als Savile mehr aus seinem Stoff herausgeholt hätte; wie das „CSI“-Franchise belegt, können richtig gute Romane auch am „tie-in“-Fließband entstehen. „Der Schatten des Jaguars“ ist hingegen die übliche Routine. Der exotische Schauplatz ändert daran gar nichts.

Es hapert vor allem an der Umsetzung des Plots. „Der Schatten des Jaguars“ bietet keine Handlung, die über 300 Seiten tragen könnte. Savile zieht sie künstlich in die Länge, ergeht sich in ellenlangen (und kruden, gern pathetischen) Beschreibungen, wo Andeutungen zur Orientierung des Lesers ausreichend wären. Er stellt uns ausführlich Figuren vor, deren Schicksal nicht interessiert, weil sie ohnehin abrupt aus dem Geschehen verschwinden. Nie geht es mit der Handlung stringent voran. Savile konstruiert Zwischenfälle, führt Cutters Crew unnötig in die Irre und verliert sich in Unwichtigkeiten: Was im Fernsehen zügig vorangeht, weil es binnen einer Dreiviertelstunde erzählt werden muss, wälzt sich als Roman träge dem Finale entgegen.

Schade, denn als Buch kommt „Im Schatten des Jaguars“ nicht nur hübsch (bunt) gestaltet, sondern auch mit einem ausführlichen Interview daher: Autor Steven Savile äußert sich auf zwölf Seiten über seine Arbeit in den „tie-in“-Minen moderner Franchises. Die Informationen sind interessant und beantworten manche Frage, die sich dem Leser stellt, der sich über die grobe Machart dieses ersten „Primeval“-Romans wundert.

_Anomalien einer Übersetzung_

Der Lesespaß wird durch die holprige und wenig gelungene Übersetzung zusätzlich beeinträchtigt. Locker-flockig soll wohl sein, was nur salopp und schlampig wirkt: Ein teurer Brandy ist weder ein „Kurzer“ (S. 16) noch ein „Gesöff“ (S. 17), zusätzlicher Batteriestrom kein „Extra-Saft“ (S. 53), und „ratzfatz“ (S. 54) darf auch in einem für den raschen Verbrauch bestimmten Unterhaltungsroman das klassische „rasch“ nicht ‚ersetzen‘.

Im 21. Jahrhundert ist es nicht nur politisch unkorrekt, sondern es berührt auch unangenehm, wenn den der englischen Sprache nur rudimentär kundigen peruanischen ‚Eingeborenen‘ der Wumba-Wumba-Sprech alter Tarzan-Filme aufgezwungen wird. Wenn Fahrer Eloy Stephens Klippensprung per Wingsuit kommentiert, klingt das in der ‚Übersetzung‘ so: „Du nicht fallen gerade runter wie Mann, der jagen Kojote?“

Ärgerlich sind echte, oft sinnentstellende Fehler, die ebenfalls so reichlich vorkommen, dass hier nur einige Beispiele herausgegriffen werden; sie sind – man möge es dem Rezensenten glauben – leider sehr repräsentativ, und die Liste kann auf Wunsch problemlos erweitert werden:

– Man lacht nicht „bitterlich“ (S. 28), sondern höchstens „bitter“.
– Die auf S. 23 mehrfach erwähnten „Essays“ sollten korrekt mit „(wissenschaftliche) Abhandlungen“ oder „Aufsätze“ übersetzt werden, was im Kontext sogleich mehr Sinn ergibt.
– Wenn Stephen Hart auf S. 55 in einem „Sarg“ nach Ausrüstungsgegenständen sucht, ist garantiert eine „Kassette“ gemeint, die im Englischen ebenfalls „casket“ genannt wird.

Im Wissen um diese Peinlichkeiten ist es nicht der Vorzeit-Jaguar, der den tiefsten Schatten auf diesen Roman wirft …

_Autor_

Steven Savile wurde 1969 in der englischen Stadt Newcastle geboren. Nach eigener Auskunft ließ er sich auf der Suche nach Lebenserfahrungen durch den Arbeitsmarkt treiben. Auf seinem Weg war er als unter anderem als Englisch-Lehrer, Vertreter und Berater des Verteidigungsministeriums tätig.

Ende der 1990er Jahre hatte er nicht nur genug Erfahrungen gesammelt, sondern war sich außerdem bewusst geworden, dass er Schriftsteller werden wollte. Er bewarb er sich als „tie-in“-Schreiber und fabrizierte fürderhin Romane und Kurzgeschichten für anspruchsarme, aber erfolgreiche Unterhaltungsserien und TV-Serien. In diesem Metier spielt die Einhaltung vorgegebener Abgabetermine eine größere Rolle als die Schaffung literarisch anspruchsvollen Lesestoffes. Savile reüssierte als Autor, der lieferte, was das jeweilige Franchise von ihm forderte. Seine Produktivität ist enorm, und manchmal schreibt er auch Bücher nach Ideen, die er sich selbst ausgedacht hat.

Savile lebt und arbeitet seit vielen Jahren in der schwedischen Hauptstadt Stockholm. Über seine Aktivitäten informiert er auf seiner Website:
http://www.stevensavile.com.

_Impressum_

Originaltitel: Primeval – Shadow of the Jaguar (London : Titan Books 2008)
Deutsche Erstausgabe: März 2009 (Cross Cult Verlag/Primeval 1)
349 Seiten
EUR 12,80
ISBN-13: 978-3-941248-11-3
http://www.cross-cult.de

Sohn, Amy – Sex and the City

Carrie Bradshaw, Miranda Hobbes, Charlotte York und Samantha Jones sind die Heldinnen meiner Endzwanziger. Die vier verkörpern wahre Freundschaft unter Frauen – ganz ohne den viel zitierten Zickenkrieg, aber natürlich nicht ohne Männer, nicht ohne Mode und natürlich nicht ohne Sex. Mit ihnen zusammen habe ich viele Stunden vor dem Fernseher verbracht, habe mit ihnen gelitten, mich mit ihnen gefreut und mich mit ihnen verliebt. Und wer wie ich einen dicken Kloß im Hals hatte, als Carrie am Ende von Staffel sechs die alles entscheidende SMS von Mr. Big bekommen hat, in der wir erstmals seinen wahren Namen lesen konnten, der dürfte sich ebenso sehr auf den Film gefreut haben, der in diesem Sommer nun endlich unsere Kinos geentert hat. Pünktlich zum Kinostart erschien bei |Schwarzkopf & Schwarzkopf| das Buch zum Film, das mit zahlreichen Hochglanzfotos aufwarten kann und den Fan viele Filmszenen nochmals Revue passieren lässt.

_Hochzeit mit Hindernissen_

Carrie ist immer noch glücklich mit ihrem Mr. Big. Zusammen suchen sie in New York ein Apartment, doch das stellt sich genauso schwierig heraus wie die Suche nach der Liebe. So sind sie gespannt auf die 33. Wohnung, die sie sich ansehen, doch auch die ist ein echter Reinfall. Aber im gleichen Haus ist noch eine weitere Wohnung frei, das Penthouse. Und genau dort fühlt sich Carrie wie im Immobilienhimmel. Die Wohnung ist ihr absoluter Traum und hat nur einen einzigen Haken: einen winzigen Kleiderschrank! Doch Big verspricht ihr, die Finanzierungsprobleme zu lösen und ihr einen größeren Kleiderschrank zu bauen.

Als Carrie ihren langjährigen Freundinnen von der traumhaften Wohnung erzählt, kommen ihr Zweifel, denn was passiert, wenn die Beziehung doch scheitert und sie aber ihre eigene Wohnung aufgegeben hat? Diese Zweifel unterbreitet sie abends beim gemeinsamen Kochen ihrem „alten Freund“ Big. Und schneller als Carrie je gedacht hätte, beschließen die beiden, dann eben zu heiraten. Damit beginnen die großartigen Planungen zur Hochzeit des Jahres. Carrie wird eingeladen zu einem Brautmodenshooting für die |Vogue|. Eigentlich wollte sie ja in einem ganz schlichten Kostüm aus dem Second-Hand-Laden heiraten, doch dann verliebt sie sich in ein Kleid von Vivienne Westwood, das ihr die Designerin auch tatsächlich schenkt. Carrie schwebt auf Wolke neun. Doch wovon sie nichts ahnt: In Big keimen die ersten Zweifel, ob es wirklich noch um die beiden geht oder nur um ein großes Event. So kommt es, wie es kommen muss: Der Tag der Hochzeit ist gekommen, doch wer nicht kommt, ist Big …

Aber auch Carries Freundinnen haben einiges durchzumachen: In Mirandas Ehe ist eigentlich alles in Butter – dachte sie zumindest, bis Steve sich beschwert, dass sie schon seit Monaten nicht miteinander geschlafen haben. Das wiederum war der erfolgreichen Karrierefrau gar nicht bewusst. Doch es kommt noch schlimmer: Bald darauf gesteht Steve ihr einen Seitensprung. Daraufhin zieht Miranda kurz entschlossen mit dem gemeinsamen Sohn Brady aus. Auch bei Samantha regen sich erste Zweifel, ob die Beziehung mit Smith noch das Richtige ist für sie. In ihrem Leben, das früher nur auf sie fixiert gewesen ist, dreht sich seit Jahren alles nur noch um ihren Freund. Das schmeckt ihr gar nicht, zumal ihr gutgebauter Nachbar jede Nacht mit einer (oder zwei) anderen Frau(en) im Bett landet. Nur bei Charlotte ist noch keine Gewitterwolke am Ehehimmel aufgezogen, ganz im Gegenteil – das Schicksal hält eine wundervolle Überraschung für sie parat …

_Von Kopf bis Fuß in Liebe eingehüllt_

Auf rund 180 Seiten kann der Leser den gesamten Film und in stark verkürzter Form auch die sechs Staffeln von SATC Revue passieren lassen. Zunächst bekommen wir zwei Vorworte zu lesen – eins vom Drehbuchautor Michael Patrick King, der die Entstehung des Drehbuchs schildert, und eins von Sarah Jessica Parker höchstpersönlich, die ihre Vorbereitungen auf den Filmdreh beschreibt. Anschließend geht es um die Entstehungsgeschichte des Filmes, wir erfahren, wie die extravaganten Brautkleider für Carries |Vogue|-Shooting ausgewählt wurden, welche Schwierigkeiten es gab, an Carries Schreibtisch und diverse Outfits zu gelangen, und wir können lesen, wie Fans und Journalisten die Dreharbeiten lahmgelegt und die Filmemacher versucht haben, möglichst viel vom Film geheimzuhalten.

Nach dieser kurzen Einstimmung geht es direkt in die Handlung. Zu jeder Staffel der Serie gibt es einen einseitigen Abriss mit ausgewählten Fotos. Der natürlich größte Teil des Buches widmet sich aber ausführlich dem aktuellen Kinofilm (Achtung an alle Fans: Wer den Film noch genießen möchte, sollte |erst| den Film schauen und dann das Buch lesen). Viele DIN-A4-große Hochglanzfotos zeigen die schönsten Szenen des Filmes. Ergänzt werden die Fotos von einem kurzen Text, der beschreibt, was in der jeweiligen Szene geschieht. Außerdem gibt es dort einige Eindrücke der Schauspielerinnen, des Drehbuchautors oder der Kostümdesigner zu lesen, die interessante Hintergrundinfos zu bieten haben. In den Texten finden sich zwar viele Dinge, die man aus dem Film schon kennt, dennoch sind hier auch viele kleine und nette Details zu entdecken, die mir im Kino entgangen waren. So malt Carrie in Lilys Bilderbuch die Schuhe von Cinderella blau aus – ein Hinweis auf die blauen Manolos, die in ihrem überdimensionalen Schuhschrank im Penthouse stehen und am Ende des Filmes noch eine große Rolle spielen. Oder wir erfahren, dass Sarah Jessica Parker sich in einen Gürtel – der den Spitznamen Roger erhält – so sehr verliebt hat, dass sie ihn gleich in mehreren Szenen und zu mehreren Outfits (insgesamt trägt sie 80 während des Filmes!) trägt, bis man ihn ihr wegnimmt …

Was mir besonders gut gefallen hat, sind die schönsten Zitate des Filmes („Ewig dein. Ewig mein. Ewig uns“); hier kann man sich nochmal bestens an die Filmszenen erinnern und im Gedächtnis die ganzen Szenen durchspielen – herrlich! Durch das Buch habe ich nun noch mehr schöne Zitate im Kopf als nach dem Kinobesuch.

Merkwürdig fand ich allerdings, dass ich einige Szenen aus dem Buch im Film nicht gefunden habe. Vermutlich sind also nach dem Druck des Buches noch einige Szenen der Schere zum Opfer gefallen! Ich kann mich zum Beispiel definitiv nicht daran erinnern, Charlotte und Harry in Kostümierung gesehen zu haben, und ich denke, Harry als Fester aus der Addams Family hätte man kaum vergessen können, wenn die Szene im Film aufgetaucht wäre. Auch wurden manche Szenen im Buch nicht völlig korrekt beschrieben; so ging Carrie gen Ende des Filmes in das Apartment, um ihre Manolos zu retten, nicht, um Big zu treffen. Doch dies trübt den Gesamteindruck dieses farbenprächtigen und informativen Buches nicht wirklich.

Der Schluss des Buches widmet sich – nach den Männern und der Liebe – dem nächstwichtigen Thema der gesamten Serie, nämlich der Mode. Nach einer kurzen Einleitung, in der wir erfahren, welche Gedanken sich die Kostümdesigner gemacht haben, um die vier Frauen ihrem Alter, ihrem Charakter und ihrer Lebenserfahrung entsprechend passend einzukleiden, und welche Designer alle vertreten sind, findet sich auf den nächsten Seiten für jede der vier Hauptdarstellerinnen eine Fotostrecke, auf der all die Outfits aus dem Film mit Angabe der jeweiligen Designer zu sehen ist. Für mich nicht unbedingt interessant, da ich nicht vorhabe, auch nur eines der Teile nachzukaufen, dennoch nett anzusehen, zumal ich gestehen muss, dass ich mich an viele der Kleidungsstücke gar nicht erinnern kann – zum Teil, weil sie auch nur sehr, sehr kurz zu sehen sind. Und last but not least sind die Schauplätze des Drehs mit kurzer Beschreibung aufgeführt – ein Detail, das mir beim geplanten USA-Besuch im kommenden Jahr sicherlich nützlich sein wird, um zumindest den einen oder anderen Ort aufsuchen zu können.

_Ewig Sex and the City_

Insgesamt ist dies ein absolutes Must-have für Fans. Wer den Film gesehen hat und sich nochmal die wichtigsten Szenen in Erinnerung rufen möchte, ist hier genau richtig. In Hochglanzqualität können wir die vier Hauptdarstellerinnen nochmals bei ihren turbulenten Unternehmungen begleiten und ganz in Ruhe auf jedes Detail achten. Ich werde das Buch sicherlich noch häufig durchblättern, um die Zeit bis zum Erscheinen der DVD des Filmes zu überbrücken. Klare Kaufempfehlung!

http://www.schwarzkopf-schwarzkopf.de
http://www.hbo.com/city/

Jones, Henry jr. – Tagebuch von Indiana Jones, Das

Im Jahre 1908 schenkte ihm sein Vater ein in Leder gebundenes Tagebuch, in dem der junge Henry Jones, Spitzname „Indiana“ und zu diesem Zeitpunkt neun Jahre alt, seine Erlebnisse aufzeichnen sollte. Obwohl selten einer Meinung mit dem Senior, einem bedeutenden Sprachwissenschaftler, beherzigte der spätere Archäologe dessen Rat und schuf das einmalige Dokument eines Lebens, das der Wissenschaft und dem Abenteuer gewidmet war.

Schon den jungen Indiana Jones zeichnete eine unbändige Reiselust aus, die er – zunächst noch als Begleiter seines ähnlich umtriebigen Vaters – ausgiebig ausleben durfte. Er lernte diverse Prominenz seiner Ära kennen, darunter 1908 Lawrence von Arabien und 1909 den ehemaligen US-Präsidenten Teddy Roosevelt, an deren Seiten er diverse gefährliche und geheime Erlebnisse meisterte.

1916 schloss sich Jones dem mexikanischen Revolutionsführer Pancho Villa an; eine Feuerprobe, die ihm eine Rückkehr in ein ’normales‘ Leben endgültig unmöglich machte. Für den jungen Idealisten bot es sich förmlich an, in den I. Weltkrieg zu ziehen, den Jones mit viel Glück und wenigen Verletzungen, aber desillusioniert überlebte. Weitere Reisen kreuz und quer durch die Welt schlossen sich an, bis Jones 1933 eine Professur an der Universität Princeton angeboten wurde, wo er als anerkannter und beliebter Archäologie lehrte und zwischenzeitlich immer wieder neue Schatzsuchen unternahm.

1935 geriet Jones zusammen mit der Nachtclub-Sängerin Wilhelmina „Willie“ Scott und seinem chinesischen Mündel „Shorty“ in eine magische Palastintrige, die den jungen Maharadscha des nordindischen Fürstentums Pankot in die Marionette eines dämonischen Hohepriesters verwandelte. Das Trio befreite den Herrscher und holte einen der magischen Shankara-Steine zurück.

In Ägypten geriet Jones 1936 erstmals ins Visier der Nazis, die dort im Auftrag Adolf Hitlers nach der Bundeslade suchten. Weil er sie ihnen vor der Nase wegschnappte, erinnerten sie sich seiner gut, als sich ihre Wege 1938 abermals kreuzten; dieses Mal jagten Jones jr. und sr. gemeinsam dem Heiligen Gral hinterher und obsiegten. Abermals das Nachsehen hatten die Nazis im Wettlauf mit dem jüngeren Jones um die Geheimnisse des versunkenen Kontinents Atlantis (1939).

1947 wurde Jones in den Kalten Krieg verstrickt. In den Ruinen des Turms zu Babel traf er auf ein Geheimkommando der Sowjets, das hier nach antiken Wunderwaffen fahndete und eine empfindliche Niederlage einstecken musste. Seitdem wurde Jones‘ Wirken vom sowjetischen Geheimdienst genau verfolgt. 1957 kam es im südamerikanischen Kolumbien zu einer weiteren Auseinandersetzung um einen legendären Kristallschädel der Inkas, in dessen Verlauf Jones sein Tagebuch verlor, das in den Besitz der Sowjets überging.

_Die Irrfahrt eines Tagebuchs_

Dort wurde es sorgfältig ausgewertet, kommentiert und eingelagert, bis es nach der Auflösung der UdSSR (1991) irgendwann (und gerade rechtzeitig zur Kino-Premiere des vierten „Indiana-Jones“-Films …) wieder zum Vorschein kam. So geht jedenfalls die Mär, die um dieses „Tagebuch des Indiana Jones“ gestrickt wurde. Mit dem erwähnten Film läuft die Merchandising-Maschinerie erneut auf Hochtouren. Allerlei meist überflüssige und überteuerte Mätzchen werden den Indy-Fans angeboten, die darauf wie der berühmte Pawlowsche Hund auf die Klingel zur Wurst reagieren.

Selbstverständlich gibt es einen ‚richtigen‘ Roman zum Film „Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels“ (2008), aber das ist selbstverständlich nicht genug des Franchises. Das „Tagebuch“ ist ein halbwegs origineller Versuch, die immerhin 19-jährige Lücke zu schließen, die zum dritten Film der Serie („Indiana Jones und der letzte Kreuzzug“, 1989) klafft. Zwar folgten diesem noch diverse Romane, eine TV-Serie sowie PC-Games, aber das Interesse der breiten Öffentlichkeit flaute dennoch ab.

Das „Tagebuch …“ bietet nun vor allem der jüngeren Generation die Möglichkeit, Indys Vorgeschichte zum „Königreich“ zu rekapitulieren. Jones‘ ‚offizielle‘ Biografie umspannt immerhin fünf Jahrzehnte, in denen unser Held nie untätig blieb. Tatsächlich ist der Stoff, aus dem seine Geschichte gewoben ist, so umfangreich, dass er den Rahmen eines nur 160 Seiten umfassenden Tagebuchs definitiv sprengt. Das „Tagebuch“ ist deshalb ein Kompromiss, eine Sammlung von Höhepunkten, die Jones‘ abenteuerliches Leben wenigstens skizzieren.

_Die Quellen des Tagebuchs_

Dabei versuchen die eigentlichen Autoren – nur schlichtgeistige Leser glauben an die tatsächliche Autorenschaft eines realen Indiana Jones -, sämtliche Aspekte des Franchises unter einen Hut zu bringen. (Dieses Bild bietet sich an …) Das erweitert noch die Faktenbasis und verhindert, dass vor allem die Jugendjahre sowie die Jahre zwischen 1938 und 1957 allzu fragmentarisch wirken.

Eingeflossen sind letztlich folgende Elemente der Jones-Chronik:

1908-1934: „Die Abenteuer des jungen Indiana Jones“ (TV-Serie, 1992/93), „Indiana Jones und der letzte Kreuzzug“ („Indiana Jones and the Last Crusade“, Film, 1989)
1935: „Indiana Jones und die Legende der Kaisergruft“ („Indiana Jones and the Emperor’s Tomb“, PC-Game, 2003)
1935: „Indiana Jones und der Tempel des Todes“ („Indiana Jones and the Temple of Doom“, Film, 1984)
1936: „Jäger des verlorenen Schatzes“ („Raiders of the Lost Ark“, Film, 1981)
1938: „Indiana Jones und der letzte Kreuzzug“ („Indiana Jones and the Last Crusade“, Film, 1989)
1939: „Indiana Jones and the Fate of Atlantis“ („Indiana Jones and the Fate of Atlantis“, PC-Game, 1992)
1947: „Indiana Jones und der Turm zu Babel“ („Indiana Jones and the Infernal Machine“, PC-Game, 1999)
1957: „Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels“ („Indiana Jones and the Kingdom of the Crystal Skull“, Film 2008)

Wenigstens die [Ereignisse der Filme]http://www.powermetal.de/video/review-372.html sollte man im Hinterkopf haben, da sich die Rekonstruktion der verschlungenen Lebenspfade des Indiana Jones sonst mühsam bis unmöglich gestaltet: Das „Tagebuch“ dient eher der Auffrischung von Erinnerungen als der Information.

_Ein feines Stück Buchhandwerk_

Das Besondere am angeblichen „Tagebuch von Indiana Jones“ ist seine scheinbare Authentizität. Jeder Leser soll und kann glauben, das Original aus den Gewölben des russischen Geheimdienstes in den Händen zu halten. Sorgfältig wurde das Werk gestaltet: als Mischung aus Arbeitskladde, in der Jones, der Archäologe, wissenschaftliche Gedanken festhält, Grundrisspläne verlorener Stätten zeichnet und mysteriöse Artefakte skizziert, und Tagebuch, in das der Privatmann Jones Einblick in sein Inneres, seine Gedanken, Ängste und Wünsche bietet sowie Fotos, Zeitungsausschnitte oder abgelaufene Tickets einklebt, die Erinnerungswert für ihn besitzen. (1953 heftete er z. B. den Prospekt für einen modernen Kühlschrank ein, der ihn sehr faszinierte; direkt darunter findet sich der Umschlag einer Einladung zur Amtseinführung von US-Präsident Eisenhower – eine Kombination, die bezüglich Indys Charakter Bände spricht!)

So ein Buch ist einerseits robust – das hat Henry Jones, der strenge Vater, selbstverständlich bedacht – und andererseits mitgenommen von weiten Reisen in engen Rücksäcken, ‚verziert‘ mit Wasser- und Stockflecken, verschmierten Fingerabdrücken und Rissen; im Mittelteil fehlen gar vier Seiten, die nur eine zackige Risskante zurückließen.

Alle genannten Schäden wurden im Replikat nachgeahmt. Schon der Tagebuchdeckel ist etwas Besonderes; er wurde wie der ‚originale‘ Ledereinband wattiert und an den Seiten vernäht. Ein oben und unten am hinteren Rücken fixiertes Gummiband dient als Lesezeichen oder hält die Seiten zusammen, die so nicht auffächern und verknicken können. Das Papier ist dick und gelb-bräunlich eingefärbt. Was Indiana Jones einklebte oder –heftete, ist anhand uralter Fotoecken und Tesafilm-Streifen erkennbar. Diese Einlagen sind nicht separat reproduziert, sondern eingedruckt: ein Zugeständnis an den Buchmarkt. Das „Tagebuch“ liegt mit seinem Preis von 19,90 €uro im oberen Bereich dessen, was ein Indy-Fan für diesen Artikel ausgeben würde. Allzu teuer durfte es in der Herstellung also nicht werden.

Das macht sich manchmal unschön bemerkbar. Während die aus den Filmen entnommenen Fotos sowie die vom Autorentrio Anthony Magnoli, Kristen Wisehart und Joanna Price geschaffenen Zeichnungen, Skizzen und Dokumente gelungen sind und als zeitgenössische Quellen überzeugen können, trifft dies auf die extra für das „Tagebuch“ angefertigten bzw. retuschierten Bilder nicht zu. Die in Fotos der Zeit projizierten Gesichter der Schauspieler sind jederzeit als solche erkennbar; ein und dasselbe Porträt des jungen Sean Connery diente sogar zweimal als Grundlage. (Nebenbei: Wenn auf zwei Steckbriefen der SS für Indiana Jones das Geburtsdatum 1899 angegeben wird, kann Vater Henry wohl kaum 1890 geboren sein!)

_Das ‚deutsche‘ Tagebuch – ein besonderes Kapitel_

Die deutsche Ausgabe des „Tagebuchs“ benötigte mehr als eine Übersetzung. Weil dies persönliche Aufzeichnungen sind, die lange vor der Erfindung des Notebooks geführt wurden, schrieb Indiana Jones selbstverständlich mit der Hand. Diese Kunst ist heute im Aussterben begriffen; auch für das „Tagebuch“ setzte sich niemand mit einem Füllhalter oder Bleistift hin: Im 21. Jahrhundert gibt es auch Handschriften als Schriftfonts. Nichtsdestotrotz wirkt das Ergebnis trotz der etwas zu klaren Schriftführung glaubhaft. Zudem musste berücksichtigt werden, dass viele Leser Handschriften womöglich gar nicht mehr entziffern können.

Im O-Ton belassen wurden die ‚eingeklebten‘ Buch- und Zeitungstexte, Speisekarten, Tickets u. a. Dokumente. Die deutsche Ausgabe enthält eine Tasche, in der sich eine separate Übersetzung findet. Damit bleiben wirklich keine Fragen offen. Weitere Hintergrundinformationen liefern eingefügte Zettel, auf denen russische Geheimdienst-Spezialisten diverse Einträge kommentieren; nicht jeder Leser weiß, wer Lawrence von Arabien oder Pancho Villa waren.

Lohnt unterm Strich die Anschaffung? Schlägt man das „Tagebuch“ erst einmal auf, ist man durchaus gefesselt. Viele Bilder und Zeichnungen kennt man aus den „Indy“-Filmen. Nun kann man sie in Ruhe betrachten. Nette Gags am Rande enthüllen sich vor allem dem Eingeweihten, wie überhaupt dieses Tagebuch nur Bekanntes aufwärmt. Für den „Indy“-Fan und Sammler ist dieses Büchlein natürlich ein Muss – dies aber wohl nur für ihn oder sie. Auch als Geschenk für den Filmfreund eignet sich das „Tagebuch“. Ansonsten kommt ein Gutteil des Erlöses für dieses Buch notleidenden Künstlern zugute: Steven Spielberg und George Lucas …

http://www.oetinger.de

James Marriott/Kim Newman (Hgg.) – Horror. Meisterwerke des Grauens von Alien bis Zombie

Der große Spaß am Grusel

Die Geschichte des Horrorfilms stellen James Marriott und Kim Newman in elf Kapiteln und auf 250 Seiten dar, wobei sie von fünf Mitarbeitern (Stephen Jones, Rebecca Levene, Kerri Sharp, Stephen Thrower, Pete Tombs) unterstützt werden.

„Horror“ outet den Filmhorror einleitend als Spross einer künstlerischen Tradition, die wesentlich älter als das Kino ist. Der Mensch lässt sich gern Angst einjagen, wenn er sich dabei ungefährdet weiß. Bis ihm per Zelluloid eingeheizt werden konnte, lieferten Literatur und Theater, was sein Herz (oder sein Magen?) begehrte. Folgerichtig waren die ersten Horrorfilme nicht nur in ihrer Darstellung, sondern auch formal sehr theatralisch. James Marriott/Kim Newman (Hgg.) – Horror. Meisterwerke des Grauens von Alien bis Zombie weiterlesen

Wax, Wendy / Black, Holly – Geheimnisse der Spiderwicks, Die – Das Buch zum Film

_Mit Elfen und Kobolden zum Film im Wald_

Es waren einmal ein paar Kinder, die entdeckten rings um ihr neues Heim eine fantastische Welt – voller Elfen, Wichtelmännchen, Greifen – und finsterer Kobolde. Die Buchserie [„Die Spiderwick-Geheimnisse“ 4697 ist nun mit Nick Nolte und Mary Louise Parker verfilmt worden. Der Film kam am 13. März 2008 in unsere Kinos. Dies ist das offizielle Begleitbuch zu diesem Film.

_Die Autorin & der Film_

Zur Autorin Wendy Wax macht der Verlag keine Angaben. Aber dafür umso mehr zu den Mitwirkenden am Film. Die Drehbuchautoren heißen: Karey Kirkpatrick, John Sayles und David Berenbaum. Die bekanntesten DarstellerInnen sind:

Nick Nolte: als Mulgarath
David Strathairn: als Arthur Spiderwick
Mary-Louise Parker: als Helen Grace, Mutter von Jared, Simon und Mallory
Joan Plowright: als ihre Tante Lucinda Spiderwick
Martin Short: spricht Thimbletack, das Wichtelmännchen
Sarah Bolger: als Mallory Grace
Freddie Highmore: als Jared & Simon Grace

_Inhalte_

|1) Vorwort|

Holly Black, die Autorin, und Tony DiTerlizzi, der Illustrator, behaupten, sie hätten von Jared und Simon Grace den Auftrag erhalten, die unglaublichen Erlebnisse der Grace-Familie aufzuschreiben und der Nachwelt zu überliefern. Daraus wurden ersten fünf Spiderwick-Bücher. Karey Kirkpatrick und John Sayles machten aus diesen fünf Bänden ein zusammenhängendes und in sich abgeschlossenes Drehbuch für den Kinofilm. Man muss also weder Vorkenntnisse mitbringen noch ein offenes Ende wie in [„Der Goldene Kompass“]http://www.powermetal.de/video/review-1335.html befürchten – ein hübsch verpacktes Paket.

|2) Die Geschichte|

Die Zwillinge Simon und Jared ziehen mit ihrer älteren Schwester Mallory von New York City aufs Land, nachdem sich ihre Eltern haben scheiden lassen. Sie leben jetzt bei ihrer Mutter, die sich nun keine New Yorker Wohnung mehr leisten kann, aber zum Glück noch ein Domizil von ihrer Großtante Lucinda überlassen bekommt: Haus Spiderwick.

Es sieht wie eine Ansammlung übereinander gestapelter Hütten aus, findet Jared. Und ist mindestens hundert Jahre alt. Und die Wände müssen hohl sein, nach den Geräuschen zu urteilen, die er darin hört. Als Mallory wagemutig mit dem Besenstiel ein Loch in die Wand haut, wird dahinter etwas sehr Merkwürdiges sichtbar: eine winzige Wohnung mit ulkigem Inventar – und ganz bestimmt nicht für Menschenkinder gemacht. Aber für was dann?

Am nächsten Morgen weckt Jared und Simon ein schrilles Kreischen von ihrer Schwester. Jemand hat ihre Haare an den Rahmen ihres Bettes festgebunden. Nein, so etwas haben die beiden noch nie gesehen. Wer oder was kann so etwas nur tun, und warum? Weil Mallory die Wand eingeschlagen hat? Das ist ja wohl lächerlich!

Als Jared erkundet, wohin der Speisenaufzug führt, landet er in einem geheimnisvollen Zimmer, aus dem keine Tür hinausführt. An der Wand hängt ein Porträt seines ehrwürdigen Ahnen Arthur Spiderwick, und auf dem Sekretär liegt ein altes, vergilbtes Blatt Papier. Darauf steht ein Rätsel, und obwohl Jared eigentlich nicht der Bücherwurm der Familie ist, muss er sofort das Rätsel lösen.

Hoch oben im obersten Kämmerchen des Hauses landet er endlich vor einer großen Truhe. Er strengt seinen Grips an und findet darin ein Buch. Es ist das allerseltsamste Buch, das er jemals gesehen hat. Es handelt von Elfen …

|3) Der Drehort|

Die Außenaufnahmen fand in den Wäldern eines Naturschutzgebietes in der Nähe der ostkanadischen Stadt Montréal statt. Dort wurde das Spiderwick-Herrenhaus errichtet. Es regnete offenbar die meiste Zeit, aber die Fotos von den herbstlichen Wäldern sind wirklich schön. Effektreiche Szenen mit Verwandlungen, Fabelwesen usw. fanden stets im Studio statt. Dort regnete es nicht in die Kamera.

|4) Das Herrenhaus|

Das Spiderwick-Anwesen wurde komplett am Drehort errichtet. Es war nicht bloß Fassade wie in den Western, sondern auch innen komplett ausgestattet, so dass man den Eindruck hat, es sei wie eine Art Dornröschenschloss schon seit hundert Jahren nicht mehr bewohnt worden, aber alles sei noch wie damals.

|5) Der Regisseur Mark Waters|

Mark Waters ist bekannt für seine Arbeit mit jungen Schauspielern, so etwa mit Freddie Prinze jr. (1997 in „The House of Yes/Wer hat Angst vor Jackie-O.?“ und 2001 in „Hals über Kopf“) und mit den Darstellern von „Girls United – Vorsicht bissig!“ sowie „Ein voll verrückter Freitag“. Dementsprechend begeistert äußern sich die Jungdarsteller ihm gegenüber.

Sehr merkwürdig ist jedoch das Foto, das diese Doppelseite abschließt. Drei Männer in dunklem Anzug und Krawatte umlagern eine Kamera: der angebliche Kameramann, der Drehbuchautor (Kirkpatrick) und ein sitzender Bursche, der wohl den Regisseur spielt, aber gar nicht so aussieht. Was hat dieses Foto mit IBM-Manager-Klonen hier zu suchen?

|6) Die Schauspieler|

Freddie Highmore („Wenn Träume fliegen lernen“, „Charlie und die Schokoladenfabrik“, „Der Goldene Kompass“) ist der Hauptdarsteller, denn er spielt sowohl Simon als auch Jared Grace – eine knifflige Sache, die er aber offenbar bravourös meistert. Zwei Fotos belegen, dass es ihn doppelt gibt (oder einen guten Spiegel …)! Freddie sind ganze vier Fotoseiten gewidmet.

Sarah Bolger („In America“, „Stormbreaker“) spielt Jareds geplagte Schwester, die 15-jährige Fechterin Mallory Grace. Ein Foto zeigt sie mit einem Degen – na ja, für Fechtprofis nicht gerade die geeignete Waffe, aber wer weiß, wo sich dieses Trumm im Haus gefunden hat. Ein weiteres Foto zeigt sie als Mallory mit an den Bettrahmen geflochtenen Haaren – autsch!

Mary-Louise Parker alias Helen Grace und Joan Plowright alias Tante Lucinda Spiderwick ist je eine Seite gewidmet. Parker ist aus „Grüne Tomaten“ und „Grand Canyon“ bekannt, Plowright ist Hollywood-Urgestein. Die Bühnenschauspielerin wirkte in zahllosen Kinderspielfilmen mit, u. a. in „101 Dalmatiner“ und „Der neugierige Affe“.

David Strathairn, der Helens Großonkel Arthur Spiderwick spielt, ist einer meiner Lieblingsschauspieler. Er strahlte ruhige, verlässliche Sympathie aus. Seinen Schurken in „L.A. Confidential“ habe ich ihm nie abgenommen, aber dafür war er als Rundfunkdirektor in George Clooneys Film „Good Night and Good Luck“ erstklassig.

Andrew McCarthy als Richard Grace (der im Buch meines Wissens nie vorkommt) trat schon in „St. Elmo’s Fire“ und „Immer Ärger mit Bernie“ auf. Dass Nick Nolte in diesem Reigen nicht erwähnt wird, ist seltsam, denn schließlich tritt er ja laut Foto selbst auf – wenn er nicht gerade in Mulgarath, den Oberkobold, verwandelt ist. Auf Seite 36 und 37 verliert die Autorin ein paar Worte über diesen großartigen Charakterdarsteller und stellt ihnen neben die Sprecher Martin Short („Thimbletack“) und Seth Hogen („Hosqueal“).

|7) Das Produktionsteam|

Mark Canton ist einer der Produzenten, Elle Goldsmith-Vein die Schauspieleragentin, James Horner der Sounddesigner und Jim Bissel der künstlerische Gestalter (Art Director). Kommt Horner einem bekannt vor? Ja, das ist der Bursche, der den fabelhaften Soundtrack zu Camerons „Titanic“ und Gibsons „Braveheart“ komponierte. Sieht gar nicht so alt aus, obwohl er doch schon für die Kinofilme von „Star Trek II“ und „Star Trek III“ komponierte. Hm. Er wird dieses Jahr jedenfalls 55 und hat bislang neben zahllosen Nominierungen auch zwei |Oscars|, zwei |Golden Globes| und drei |Grammys| vorzuweisen.

|8) Die fantastischen Wesen|

In einen Fantasyfilm geht man natürlich vor allem wegen der Fabelwesen hinein. Diese kommen diesmal aus Phil Tippetts Visual Effect Sudios. Phil hat offenbar sein Handwerk in George Lucas‘ SFX-Firma „Industrial Light and Magic“ (ILM) gelernt. Nach „Star Wars Episode VI“ machte er sich 1983 selbständig und kreierte u. a. die Spezialeffekte für Spielbergs Dinos in „Jurassic Park“. Mittlerweile ist er auf dreidimensionale Figurenanimation mit dem Computer (CGI) spezialisiert, also genau das, was in „Spiderwick“ zu sehen ist.

Die Fabelwesen: Thimbletack, das Wichtelmännchen; die Kobolde inklusive Mulgarath; Hogsqueal, ebenfalls ein Wicht; ein Greif und diverse elfenhafte Waldgeister.

|9) Ausstattung und Requisite|

Der Art Director Jim Bissel und seine Ausstatter habe ganze Arbeit geleistet. Sie stöberten drei Monate lang auf Flohmärkten, auf Versteigerungen und bei |eBay|, um die Utensilien für Arthur Spiderwicks Räume und Thimbletacks Nest herbeizuzaubern. Wegen der unterschiedlichen Größe der Figuren musste man auch die Räume jeweils anders bauen. Und auch der Speisenaufzug, mit dem Jared ins Geheimzimmer gelangt, ist in mehreren Varianten vorhanden.

|10) Die Spezialeffekte|

Michael Lantieri war für die Spezialeffekte zuständig und arbeitete demzufolge mit dem Kameramann Pablo Helman und dem SFX-Mann Phil Tippett zusammen. Während Phil am Computer werkelte, war Lantieri mehr für Explosionen und dergleichen zuständig. Er arbeitete schon an „Fluch der Karibik 2“ und „Lemony Snicket“ mit. Für die Visuellen Effekte in „Vergessene Welt – Jurassic Park 2“ erhielt er einen |Oscar|.

|11) Achtung! Aufnahme!|

Die Dreharbeiten erforderten auch eine Menge Action, besonders während der finalen Verfolgungsjagd zwischen Jared und Mulgarath, dem Oberkobold. Um die Darsteller nicht zu gefährden, setzte der Regisseur Stuntleute ein. Stunt-Koordinator war David McKeowen. Diese Fotostrecke hat immerhin vier Seiten und erklärt viele Aspekte haarklein.

Die letzte Seite bringt keineswegs irgendwelche langweiligen Listen, sondern ein großformatiges Vierfarbfoto. Darauf übergibt der Geist (?) von Arthur Spiderwick seinem Großneffen Jared das [„Handbuch für die fantastische Welt um dich herum“. 3195 Bekanntlich ist mit diesem begehrten Buch nicht nur große Verantwortung, sondern jede Menge Ärger verbunden.

_Mein Eindruck_

Dieses Buch schaut aus wie ein dickes Album, das in weinrotes Leder geschlagen ist und in dem Seiten aus dickem cremefarbenem Papier eingeheftet sind. Auf dieses Papier, so will es die Illusion, wurden dann die Fotos geklebt, aber nicht etwa in Hochglanz-Hightech-Look, sondern mit antiquierten Rahmen, also gewellt oder gezackt usw.

Der ganze Look ist also an den der Spiderwick-Romane angeglichen. Das ergibt durchaus einen Sinn, denn die Romane geben ja vor, eine Art Tagebuch der drei Grace-Geschwister zu sein und somit ein authentisches Dokument. Diesen Eindruck soll auch das Buch zum Film vermitteln. Die Fotos sind übrigens fehlerlos wiedergegeben – kein Wunder bei diesem hochwertigen Papier. Und die Übersetzung hält sich an den Sprachgebrauch der Spiderwick-Romane, so dass keine Verwirrung entsteht. Dafür sorgt schon Anne Brauner, die gleiche Übersetzerin.

Allerdings hatte die Autorin Wendy Wax wohl etwas mit der Fülle des Materials zu kämpfen. Sie teilte die Abschnitte zweimal so auf, dass es schwer nachzuvollziehen ist. Ich habe den Film nicht gesehen, aber warum taucht Nick Nolte nur bei den Sprechern auf, wenn doch sein Foto belegt, dass er auch als er selbst auftritt? Und was haben die drei Herren mit Anzug und Krawatte beim Filmteam zu suchen? Könnte dies ein kleiner Insiderwitz der Herren sein, um die Produzenten zu veräppeln? Denn ganz offensichtlich ist es ein gestelltes Fotomotiv. Schade, dass keines der Fotos über eine Bildunterschrift verfügt (das hätte dem Albumcharakter widersprochen), denn hier wäre sie wirklich nützlich gewesen.

_Unterm Strich_

Das Buch zum Film spricht sowohl die Leser der Romane an, die nun den Film sehen wollen, als auch die Leute, die nur den Film gesehen haben, aber nicht die Bücher kennen. Beide Zielgruppen sind ungefähr ab acht Jahren alt. Dementsprechend einfach ist die Sprache der Begleittexte gehalten. Sie überfordert keinen der jungen Leser, zudem sprechen die Fotos für sich. Für den, der durch das Buch zum Film oder die Verfilmung Appetit bekommen hat, mehr über die fantastische Spiderwick-Welt zu erfahren, dem bietet der |cbj|-Verlag eine Fülle von Zusatzwerken an.

Natürlich ist im Grunde jedes „Buch zum Film“ Geldmacherei – sowohl des Filmstudios als auch des druckenden Verlags. Aber trifft dieser Vorwurf nicht auf jedes Werk zu, der ein Medienphänomen begleitet, sei es Jacksons „Herr der Ringe“ oder „Spiderwick“? Immerhin kostet das Buch mit knapp sieben Euronen nur wenig mehr als eine Lifestyle-Zeitschrift im Kiosk – und bleibt wesentlich länger aktuell, wenn man die DVD zum Film und die unausweichlichen Spiele bedenkt.

|Originaltitel: The Spiderwick Chronicles – Official Movie Companion, 2008
48 Seiten
Aus dem US-Englischen von Anne Brauner|
http://www.cbj-verlag.de
http://www.spiderwick.de
http://movies.uip.de/diegeheimnissederspiderwicks

Diane Carey – Neuer Ärger mit den Tribbles (Star Trek: DS9)

Das geschieht:

105 Jahre ist es her, dass der klingonische Spion Arne Darvin von Captain Kirk entlarvt wurde. Von seiner düpierten Regierung fallen gelassen, fristet der Ex-Agent sein Dasein als erfolgloser Kaufmann; Kirk hat er blutige Rache geschworen. Nun bietet sich ihm unverhofft eine Möglichkeit. Darvin erfährt, dass die „Doppelkugel der Zeit“, das Artefakt einer unbekannten Zivilisation, auf den Planeten Bajor gebracht werden soll. Der Auftrag, die Doppelkugel von Cardassia Prime abzuholen, geht an die „Defiant“ unter Captain Sisko von der Föderations-Raumstation „Deep Space Nine“.

Unbemerkt kann sich Darvin Zugang zur Doppelkugel verschaffen. Wie ihr Name bereits verrät, ermöglicht sie Zeitreisen. Darvin aktiviert sie und lässt sich ein Jahrhundert zurück in die Vergangenheit versetzen. Kurz bevor es auf der Raumstation „K-Sieben“ zu dem für sein jüngeres Ich verhängnisvollen Zusammentreffen mit Captain Kirk kommen wird, gedenkt er seinem Feind eine Falle zu stellen. Diane Carey – Neuer Ärger mit den Tribbles (Star Trek: DS9) weiterlesen

David West Reynolds & James Luceno & Ryder Windham – Star Wars Episoden I-VI – Das Kompendium (Die illustrierte Enzyklopädie)

Einst war das „Star Wars“-Univerum noch recht überschaubar. Man kannte die tragenden Charaktere wie seine besten Freunde, und insgesamt war die Handlung ausschließlich auf die Skywalker-Familie, Han Solo, die einzelnen Androiden und natürlich Darth Vader und den Imperator fokussiert. Klar, man kannte Leute wie Boba Fett und Jabba The Hut, und wer ein bisschen weiter hinter die Fassade blickte, wird auch noch den einen oder anderen Namen eines imperialen Offiziers rezitieren können. Doch über die alten Jedi-Legenden und einige, in dieser kurzen Aufzählung noch nicht erwähnten Figuren hinaus glichen die wenigen Nebendarsteller des Science-Fiction-Spektakels unbedeutenden Statisten, deren Rolle für den Verlauf der Handlung ebenso unwichtig schien wie ihr Ansehen bei Fans und Fanatikern.

David West Reynolds & James Luceno & Ryder Windham – Star Wars Episoden I-VI – Das Kompendium (Die illustrierte Enzyklopädie) weiterlesen

West Reynolds, David / Saxton, Curtis / Jenssen, Hans / Chasemore, Richard – STAR WARS Episoden I-VI – Das Kompendium (Die Risszeichnungen)

Es ist unbestritten, dass das umfangreiche „Star Wars“-Universum ohne seine zahlreichen Fanatiker und Freaks längst nicht von einer derartigen Faszination geprägt wäre, wie man sie auch abseits der beiden Trilogien in allen möglichen Bereichen der modernen Medien immer wieder erleben darf. Schaut man sich den enormen Einfluss von George Lucas‘ legendären Meisterwerken mal aus einer eher analytischen Perspektive an, scheint es kaum fassbar, inwiefern die Jedi-Ritter und ihre Komparsen im Laufe der Jahre ein nimmer aufzuhaltendes Eigenleben entwickelt und das Leben nicht gerade weniger begeisterter Zuseher maßgeblich verändert haben. Freaks eben, die von einem Mythos infiziert wurden, ihn leben, atmen und … nun, wir wollen nicht übers Ziel hinausschießen.

Unbestritten gibt es diese fanatische Anhängerschaft aber wohl in keinem medialen Umfeld in einem derart immensen Ausmaß wie beim „Krieg der Sterne“, so dass nicht anzuzweifeln ist, dass die beiden kürzlich erschienenen Kompendien zur Sternensaga sicherlich auf reißenden Absatz stoßen werden. Zielgruppe des hier besprochenen Werks ist aber ganz eindeutig der Kreis der Freaks. Hans Jenssen und Richard Chasemore, zwei fantastische Zeichner, die ihr gesamtes Dasein der Geschichte um die Skywalker-Tragödie verschrieben haben, konnten sich im ersten „Star-Wars-Kompendium“ der Episoden I-VI nicht nur selbst verwirklichen, sie haben zudem ihr persönliches Gesamtwerk in den Risszeichnungen dieses überdimensionalen Lexikons veröffentlicht. Begleitet von den Texten von David West Reynolds und Curtis Saxton liefern sie die Illustrationen zum gesamten maschinellen Fuhrpark aller sechs Streifen und beleuchten in intensiver Kleinarbeit alle technischen Details eines jeden Raumers, Pod-Racers und Sternzerstörers, dass es selbst dem leidenschaftlichsten Liebhaber des Science-Fiction-Spektakels die Spucke raubt.

Mit dem Schwerpunkt auf den ersten drei Episoden – was sicherlich dadurch bedingt ist, dass die neueren Streifen ganz deutlich auf ein opulentes Effekt-Feuerwerk ausgerichtet waren – wird hier jedes auch nur für wenige Sekunden aufgetauchte Raumschiff fokussiert unter die Lupe genommen und seine individuellen Funktionen anhand eines Grundrisses und umfassender Erklärungen in allen Einzelheiten beschrieben. Jeder Blaster, jede noch so versteckte Bordkanone und generell alle verborgenen Facetten der Maschinen werden offengelegt und setzen der Phantasie des staunenden Anhängers nun endgültig keine Grenzen mehr. Befürchtungen, die Fülle der Details würde in einer unübersichtlichen Anordnung enden, können derweil ebenfalls als haltlos erklärt werden; fast alle Gleiter und Schiffe werden mit einer Doppelseite bedacht, auf der man durch den Grundriss die vielen Einzelheiten eingetrichtert bekommt und mit wachsender Seitenzahl immer weiter für sein „Star Wars“-Technikdiplom geschult wird. Unglaublich, wie Qualität und Quantität des Materials hier gänzlich neue Standards für eine cineastische Ehrerbietung setzen. Selbst das weitaus jüngere Mammut-Spektakel „Herr der Ringe“ könnte mit einer vergleichbaren Veröffentlichung sicher nicht an dieses gehaltvolle Meisterstück anknüpfen, das steht nach der Betrachtung opulent ausstaffierter Extravaganzen wie dem republikanischen Kanonenboot sowie dem übergroß aufgeführten Todesstern ohne Zweifel fest.

Zuletzt ist es dann doch die edle Aufmachung, die das Kompendium mit den Risszeichnungen in seiner Unantastbarkeit komplettiert. Hier wurde in jeglicher Hinsicht geklotzt, sei es nun in der Fülle und Brillanz der eindrucksvoll dokumentierten Recherche, bei den genialen Illustrationen der beiden Zeichner, im generellen Umfang und letztendlich natürlich bei der hochwertigen Papierqualität. Alles in allem ist dieses übergroße Hardcover-Album damit die definitive Bibel für die Technik-Freaks unter den „Star Wars“-Begeisterten und daher selbst bei einem Preis von knapp 40 € eine verpflichtende Investition für die auch heute noch wachsende Zielgruppe. Eine Warnung sei nur an diejenigen gerichtet, die bei einer derartigen Reizüberflutung die Kontrolle verlieren; es ist nämlich zu befürchten, dass man mit einem Mal so tief in das Star-Wars-Universum versinkt, dass eine von Euphorie getragene Isolation droht. Aber ehrlich gesagt: Nach den überwältigenden Eindrücken dieses Mega-Wälzers könnte ich es absolut niemandem verdenken!

http://www.vgs.de

Grobel, Lawrence – Al Pacino: Im Gespräch mit Lawrence Grobel

Al Pacino ist bekannt für seine großartige Leistung in Filmen wie „Der Pate“, „Scarface“, „Der Duft der Frauen“, „Im Auftrag des Teufels“ oder „Der Kaufmann von Venedig“. Doch Pacino ist nicht nur im Filmgeschäft äußerst erfolgreich, er ist auch ein engagierter Theaterdarsteller. Er hat u. a. an der Inszenierung von Stücken Brechts, Williams, Oscar Wildes und natürlich Shakespeares mitgewirkt.

Al Pacino wurde am 21. Juli 2007 vom American Film Institute (AFI) mit dem „Life Achievement Award“ für sein Lebenswerk geehrt. Eine Bilanz zu diesem Lebenswerk wie das Ende 2006 erschienene „Al Pacino: Im Gespräch mit Lawrence Grobel“ war überfällig.

Obgleich keine Biographie im strengen Sinne, ist dieses Buch dennoch mehr als eine reine Sammlung von Interviews. Die neun Interviews, welche im Zeitrahmen von 1979 bis 2005 entstanden, ermöglichen nicht nur Einblick in die Persönlichkeit Al Pacinos, sie zeigen auch auf subtile Art und Weise die Entwicklung einer engen Freundschaft zu seinem Interviewer auf.

Der renommierte Journalist Lawrence Grobel erregte erstmals durch seinen Beitrag zum 25. Geburtstag des |Playboy|-Magazins Pacinos Aufmerksamkeit. Grobel hatte nicht nur Marlon Brando (den Pacino sehr bewundert) interviewt, sondern schien auch mit diesem auf einer Wellenlänge zu liegen, was sich durch eine große Offenheit seitens Brando bezahlt machte. Daraufhin kontaktierte Pacino den |Playboy| und erklärte seine Bereitschaft, selbst interviewt zu werden – unter der Bedingung, dass Lawrence (später sollte er ihn „Larry“ nennen) Grobel dieses Interview machen würde. Dies war eine Sensation, denn bis dato hatte Pacino noch jedes Interview verweigert.

In einem der späteren Gespräche mit Grobel erläutert Pacino sehr deutlich, weshalb er generell sein Privatleben weitgehend von der Öffentlichkeit fernhalten will:

|“Wenn man Sachen über einen Schauspieler weiß, fängt man an, Sachen in seine Filme hineinzuinterpretieren. […] Es verändert seine Arbeit und was er als Künstler zu vermitteln versucht. Deshalb sage ich immer, dass die Arbeit für mich spricht. […] Ich versuche nicht, geheimnisvoll zu sein, nur um geheimnisvoll zu sein. Ich mache es für die Arbeit. Ich denke immer daran, dass es nicht gut ist, wenn man als Schauspieler zu oft in den Medien auftaucht. Wenn ich mir ein Theaterstück ansehe, gehe ich meist auch nicht hinter die Bühne. Einfach nur, weil ich das Bild behalten will, das ich gerade gesehen habe. Ich will die Illusion nicht zerstören.“| (S.165 / 166)

Al Pacino ist als Privatperson ebenso schillernd wie als Schauspieler. Die Kontraste sind augenfällig: Auf der einen Seite ist Pacino 1979 bereits ein Superstar – er hat schließlich mit seiner Rolle als Michael Corleone in Coppolas „Der Pate“ schon 1972 Filmgeschichte geschrieben. Auf der anderen Seite empfängt er Grobel in einer chaotischen 3-Zimmer-Wohnung, der jeder erkennbare Luxus abgeht. Pacino, der sich selbst aus ärmlichsten Verhältnissen emporgearbeitet hat, ist 1979 sichtlich irritiert, weil er sich mit seiner neuen gesellschaftlichen Position noch nicht wirklich arrangiert hat. Grobel repräsentiert für ihn eine fremde Welt, und er ist dementsprechend misstrauisch. Aber gleichzeitig fasziniert ihn die Tatsache, dass sich plötzlich unzählige Menschen für seine Meinung interessieren.

26 Jahre später begegnen uns zwei zusammen gealterte Freunde. Pacino, inzwischen 65 Jahre alt, sitzt am Pool seines Hause in Beverly Hills und stellt Grobel ein sehr persönliches Projekt vor: Die im Juni dieses Jahres in den USA erschienene DVD-Kollektion „Pacino: An Actor’s Vision“ [Diese Box enthält wichtige Regiearbeiten Pacinos (zwei davon bisher unveröffentlicht): „The Local Stigmatic“, „Chinese Coffee“ und „Al Pacino’s Looking for Richard“. Eine Veröffentlichung in Deutschland steht noch aus.] Im Gespräch mit Grobel wird deutlich, dass Pacino hier mit Film und Theater zwei Welten zu vereinigen sucht, die für ihn eine gleichermaßen hohe Bedeutung haben.

Aber auch Grobel geht weiterhin konsequent seiner Berufung nach. Seine Freundschaft zu Pacino hält ihn nicht davon ab, kritische Fragen zu stellen und selbst eine klare Position zu vertreten. Die Berufsrollen „Star“ und „Journalist“ werden nicht aufgehoben, eine letzte Grenze bleibt gewahrt. Doch macht es grade den Charme dieser Gespräche aus, dass sich hier zwei Menschen unterhalten, die sich – abseits jeden geschäftlichen Kalküls – wirklich etwas zu sagen haben.

So festigt sich für den Leser nach und nach ein sehr intimes Bild von der Persönlichkeit eines Menschen, der bewusst die Öffentlichkeit scheut. Die zeitlichen Lücken zwischen den einzelnen Interviews gleichen hier dramatischen Pausen. Ob Pacino nun ungewollt in eine gesellschaftliche Debatte hineingezogen wird, einen guten Freund verliert oder sich von Grobels Studenten interviewen lässt – stets finden wir mit jedem Gespräch eine neue Ausgangssituation vor.

Wenn Pacino dann über seine Arbeit spricht, vermag er zwar anhand von einzelnen Beispielen seine favorisierten Herangehensweisen an die Schauspielkunst zu illustrieren, aber was sich genau im Akt des Schauspielens manifestiert, bleibt auch ihm selbst ein Mysterium. Woraus er seine Kraft schöpft, lässt sich aber zumindest erahnen; in den Gesprächen tauchen immer wieder dieselben Motive auf. Insbesondere zwei davon erweisen sich hier als maßgebliche Inspirationsquelle: William Shakespeare und Marlon Brando. Shakespeare lieferte Pacino den Instinkt für anspruchsvollen Stoff und den Esprit, Brando den Ansporn für tiefe Charakterdarstellung.

Pacino erweist sich in den Gesprächen mit seinem Freund Grobel als intelligent, schlagfertig und humorvoll; die Gespräche sind durchgehend interessant und flüssig zu lesen.

Abgerundet wird das Buch durch eine ausführliche Einführung Grobels in das Lebenswerk Pacinos, bislang unveröffentlichte Privatfotos des Schauspielers, eine komplette Auflistung aller Filme und Theaterstücke, in welchen er mitgewirkt hat, sowie ein Vorwort des Virtuosen selbst.

Fazit: „Al Pacino: Im Gespräch mit Lawrence Grobel“ ist ein Musterbeispiel für exzellenten Journalismus. Wer sich für Film oder Theater begeistert, wird hier bestens unterhalten werden. Für Pacino-Fans ist das Buch ohnehin ein Muss.

|300 Seiten plus Fotos
Aus dem US-Englischen von Anne Litvin und Madeleine Lampe|
http://www.schwarzkopf-schwarzkopf.de

|Siehe ergänzend dazu die [Rezension 3194 von Dr. Michael Drewniok zum Buch.|

Maria Hilz – Audie Murphy. Eine Bio- und Filmografie

Hilz Audie Murphy Cover kleinEin kurzes, dramatisches, tragisches Leben

Ein Leben als Kampf: 1924 wird Audie Murphy als Sohn armer Wanderarbeiter in Texas geboren. Er wächst in schwierigen Familienverhältnissen auf, muss schon früh auf eigenen Füßen stehen und dabei manchen Tiefschlag einstecken. Sobald er volljährig ist, tritt Murphy in die Armee ein. Der Zweite Weltkrieg führt ihn über Nordafrika nach Sizilien und – den zurückweichenden deutschen Truppen folgend – quer durch ganz Europa. Dabei entpuppt sich der blutjunge Mann als Paradesoldat, der immer wieder durch gewagte Erkundungsgänge, gefährliche Kommandounternehmen und tollkühne Attacken auffällt. Als der Krieg endet, ist Murphy der höchstdekorierte Angehörige der US-amerikanischen Streitkräfte und ein Nationalheld. Maria Hilz – Audie Murphy. Eine Bio- und Filmografie weiterlesen

Frank-Burkhard Habel – Ekel Alfred

Gestatten – Tetzlaff mein Name, ich bin hier der Gastgeber

Heinz Schubert verkörperte in den 70er-Jahren in der Gestalt des Alfred Tetzlaff – von seinen Freunden „liebevoll“ Ekel Alfred genannt – den Typus des hässlichen Deutschen und spaltete damit die Nation. Seine Seitenhiebe auf Willy Brandt, den Emigrantenkanzler, und die Sozis, die seiner Meinung nach zum Zerfall Deutschlands beitragen, sind zum Kult geworden und sind charakteristisches Moment einer der letzten richtig guten deutschen Familienserien.

Frank-Burkhard Habel – Ekel Alfred weiterlesen

Grahame-Smith, Seth – große Porno-Buch, Das

„Das große Porno-Buch“ verspricht Einblicke in ein Genre, das zwar ebenso alt wie der Film selbst ist, doch von den Filmhistorikern und -fachleuten seltsamerweise mit weitgehender Missachtung gestraft wird, obwohl sich der Pornofilm heute zu einer regelrechten Industrie entwickelt hat, die allein in den USA Jahresumsätze in zweistelliger Milliardenhöhe erzielt. Diesem Versäumnis möchte der Verfasser – so gibt er jedenfalls vor – in sieben Kapiteln abhelfen.

Seine „Kurze Geschichte des Pornofilms“ (S. 11-36) führt zurück ins ausgehende 19. Jahrhundert. Sobald es die Technik gab, Bilder zu Filmen zu reihen, wurde sie genutzt, um nackte Menschen bei eindeutigen Aktivitäten zu zeigen. Dies war freilich keineswegs die Geburtsstunde der Pornografie, denn die gab es zu diesem Zeitpunkt schon so lange, wie es möglich war, Nacktheit und Sex bildlich und literarisch darzustellen. Der Film bot dem Porno nur eine neue Ausdrucksform mit allerdings ungeahnten Möglichkeiten.

Obwohl der Pornofilm mehr als ein Jahrhundert alt ist, bestand er notgedrungen lange Jahre aus simplen „Fickfilmchen“, deren Bezeichnung ihre inhaltliche wie formale Qualität adäquat widerspiegelt: Die Justiz drängte den Porno im Bund mit moralisch aufgestörten Saubermenschen in die Illegalität ab. Salonfähig wurde er erst in den 1970er Jahren: Das Kapitel „Pornokunde: Die Klassiker“ (S. 37-86) erzählt von der kurzen Zeit, als sein Sprung in die Seriosität der Mainstream-Kinos möglich schien und nackte Tatsachen im Rahmen echter Handlungen präsentiert wurden.

„Im Pantheon des Porno“ (S. 87-126) sieht der Verfasser jeweils zehn Damen und Herren (sowie fünf Regisseure), die sich in dieser „goldenen Ära“ einen Namen gemacht haben. Er stellt sie und ihr Filmschaffen (oder -treiben) in kurzen Worten vor und erläutert, wieso der Pornofilm des späten 20. und 21. Jahrhunderts kaum mehr „Stars“ kennt: Durch Video und DVD ist er zu einem Massengeschäft degeneriert, in dem Quantität vor Qualität rangiert und die Halbwertszeit vor allem für die austauschbaren Darstellerinnen jener von Schnee in der Wüste entspricht.

„Wer suchet, der findet“ (S. 127-152), nämlich Pornos für jeden Geschmack und noch so abseitige Vorlieben. Der Verfasser taucht vorsichtig ein in eine seltsame Parallelwelt mit eigenem Jargon („ATM“, „Bukkake“, „Creampie“, „Hentai“ usw.), den zu übersetzen ihn zu überfordern scheint bzw. zu blumig-schraubigen Umschreibungen zwingt. Außerdem stellt er in diesem Kapitel die unerhörten Möglichkeiten des Internets vor, schildert das Innere einer (US-amerikanischen) „XXX“-Videothek und hat sich zwecks Recherche auch in Sexshops und an Kioske getraut.

Die „Schöne schmuddlige Welt“ (S. 153-166) stellt den Verfasser vor das Problem, als stolzer und typischer US-Bewohner den Globus außerhalb seines Heimatlandes anscheinend nie bereist zu haben, weil dort bekanntlich überall Terroristen lauern und Verworfenheit herrscht. Folglich hat er sich für seine Darstellung des pornografischen Alltags in den Ländern zwischen Afghanistan – der Krieg am Golf fördert zumindest auf dieser Ebene den kulturellen Austausch – und dem United Kingdom primär des Internets bedient. Was er nicht herausfinden konnte, ersetzte er – siehe die Beiträge „Deutschland“ und „Japan“ – durch Hörensagen, Vorurteile und Dummheit.

Die technische Seite des Pornofilms versucht Grahame-Smith im Kapitel „Drehen Sie Ihre eigenen Pornos“ (S. 167-188) darzustellen. Wer tritt in solchen Filmen auf, welche Kameras kommen zum Einsatz, wie ist das Licht zu setzen – solche und andere Fragen werden seltsamerweise so beantwortet, als sei die Welt des Pornos ausschließlich eine des Amateurfilms.

Diverse „Extras“ (S. 189-201) runden das „Porno-Buch“ ab: Ein „Pornoglossar“ erläutert Fachtermini des Genres. Ergänzt wird fast jeder Eintrag durch Anmerkungen des Verfassers, der sich hier abermals erfolglos als Comedian versucht. „300 echte Pornotitel“ künden vom Einfallsreichtum der Pornofilmer, den Hollywood-Mainstream zu parodieren („An Officer and a Genitalman“, „For a Few Inches More“, „Lord of the Cock Rings“). Abschließend folgen ein Register, ein Verzeichnis der Bildquellen und eine in ihrer Peinlichkeit schwer erträgliche Danksagung.

Aus der Inhaltsbeschreibung – in die sich schon früh des Rezensenten merklicher Ärger mischt – wird schnell deutlich, dass „Das große Porno-Buch“ keinesfalls zu den Glanzleistungen der Reihe |Heyne Hardcore| gehört; tatsächlich ist es wohl auch im Original ein Schuss in den Ofen. Das liegt zum einen an der erwähnten „Anrüchigkeit“ des Themas, das eine seriöse Behandlung anscheinend unmöglich macht bzw. diejenigen, die über das fachliche und schriftstellerische Rüstzeug verfügen es darzustellen, von einer ernsthaften Recherche abschreckt. Auch Seth Grahame-Smith macht ausdrücklich deutlich, dass er kein Journalist ist. Wir werden mit dem Werk eines Amateurs & Infotainers konfrontiert – und genauso wirkt es.

Das andere Hindernis könnte auch ein fähiger Verfasser nicht umschiffen: Die Zensur, die es in vielen Ländern dieser Welt angeblich nicht (mehr) gibt, während sie tatsächlich nur ihren Namen und ihre Erscheinungsform verändert, gestattet es nicht, ein „richtiges“ Sachbuch zum Thema Porno mit einschlägigen Abbildungen zu versehen. Das ist in den USA so, und das gilt auch für Deutschland, d. h. nicht nur in Bayern. Unter diesen Umständen ist eine Darstellung, die ihren Namen verdient, schwierig bis unmöglich. An ihre Stelle treten zweifelhafte „Als-ob“-Machwerke wie dieses, dessen Untertitel „Ein unzensierter Blick hinter die Kulissen der Sexindustrie“ eine dreiste Lüge zum Zwecke der Lockung vertrauensvoller Käufer darstellt.

Eine detaillierte Analyse der Textbeiträge möchte ich mir und den Lesern dieser Zeilen ersparen; sie würde viele, viele Seiten füllen, deren Quintessenz sich knapp und präzise so zusammenfassen lässt: Grahame-Smith weiß nicht viel und hat sich offensichtlich darauf beschränkt, diverse Null-Infos aus Pressemappen und Werbeflyern zu klauben, die er grob sortiert und mit eigenen „Zwischentexten“ zu einem „Buch“ zusammengeklittert hat. Selbst das Ordnen fiel ihm schwer, denn das Inhaltsverzeichnis belegt ein wüstes Durcheinander ohne roten Faden – wenn dem „Verfasser“ nichts mehr einfiel, begann er ein neues Kapitel.

Grahame-Smith nimmt sein Thema und damit seine Leser nicht ernst. Damit ist nicht gemeint, dass man sich des Pornofilms nicht humorvoll annehmen dürfte. Doch Grahame-Smith scheint sich vor allem nicht wirklich in die Höhle des Löwen zu wagen, sondern späht nur vom Eingang ängstlich hinein. Grahame-Smith bleibt die meiste Zeit auf der Flucht vor seinem Thema. Was sollen seine nutzfreien „Tipps“ zum Dreh eigener Pornofilme? Sein mit allgemeinen Daten und Ereignissen zur Filmgeschichte gespickter „historischer Rückblick“? Sein vor weißen Flecken, Ignoranz und Fehlern strotzender „pornografischer Atlas“? Grahame-Smith schindet Seiten, trotzdem ist das Buchende noch weit, als ihm endgültig die Luft ausgeht.

Die Dürftigkeit der so gewonnenen „Erkenntnisse“ wird selbst dem Verfasser aufgefallen sein. Er bemüht deshalb einen alten Trick, der aus der Zeit stammt, als sich das Filmpublikum an „richtige“ Pornofilme erst gewöhnen musste: Nackte Haut wird mit Klamauk gemischt. Bevor es „ernst“ wird vor der Kamera, geschieht etwas „Komisches“, das die gefährliche und „verbotene“ erotische Spannung löst. Da Grahame-Smith das nicht wie in den deutschen Lederhosen-Filmen der 1970er Jahre erreichen kann, indem er den Herrn Pfarrer durch das Schlafzimmerfenster stürzen lässt, versucht er es mit einen anbiedernd humorigen Tonfall, der aussagen soll: Seht her, ich schreibe zwar über den Porno, aber ich bin kein Ferkel, dem solche Sauereien gefallen, und mein Buch ist nur ein großer Spaß, den wir uns jetzt alle gemeinsam auf Kosten des Pornos machen.

Der Spaß bleibt aus, denn plumper Klamauk und Schweinigeleien ersetzen ihn (eben nicht) und erzeugen beim Leser Ratlosigkeit und Ärger. Daran kann das an sich sehr hübsche Layout des „Porno-Buches“ nichts mehr ändern. Sehr grell und bunt kommt es daher, mischt Raster und Muster mit etlichen Schriftfonts und -größen. Auch das Fotomaterial kann sich zumindest sehen lassen, was seine Abbildungsqualität angeht, die zu keiner Kritik Anlass gibt. Vor allem die nostalgischen Plakate von Pornofilmen der 1970er Jahre werden auf feinem Kunstdruckpapier gestochen scharf wiedergegeben.

Schade um den Aufwand, denn was die Bildauswahl betrifft, bringt Grahame-Smith das traurige Kunststück fest, ein „Porno-Buch“ mit einer Altersfreigabe ab sechs Jahren zu fabrizieren. Jedes Foto wurde sorgfältig „entschärft“, sei es, indem betont „harmlose“ Schnappschüsse ausgewählt wurden, oder sei es, dass per Bildausschnitt so manipuliert wurde, dass „Anstößiges“ buchstäblich abgeschnitten wurde. „Nacktheit“ wird ausschließlich durch blanke Busen definiert, was in den USA völlig ausreicht, um brünstige Junghengst-Hirne zu Schaum zu verkochen, wie man aus „American Pie“ und anderen Lehrfilmen weiß. Im deutschen Werbefernsehen geht es „schärfer“ zu als in diesem Buch, was angesichts des Themas sicher keine Empfehlung ist.

So ist dieses „Porno-Buch“ nichts als (allerdings nicht im Kaufpreis) billige Bauernfängerei und tauglich höchstens als deutlicher Beleg dafür, dass es mit der „sexuellen Freiheit“ auch im 21. Jahrhundert nicht weit her ist. Wer wirklich etwas wissen möchte über Sex in der Filmgeschichte, greife zum fast zeitgleich veröffentlichten Band „Erotic Cinema“, verfasst von Douglas Keeney und erschienen im |Taschen|-Verlag. Obwohl der Porno weitgehend ausgeklammert bleibt, wird das Thema informativ und offen behandelt und auch so bebildert, was Grahame-Smith und seinem Zielpublikum vermutlich einen Hirnschlag bescheren (und immerhin weitere Dumm-Dumm-Geschosse aus dieser Richtung verhindern) würde.

|Anmerkung|

„Seth Grahame-Smith kann es immer noch nicht fassen, dass ihn jemand dafür bezahlte, ein Jahr lang Pornos zu schauen. Er lebt in Los Angeles mit seiner erstaunlich toleranten Frau Erin und Logan, seinem unglaublich vergesslichen Hund. Dies ist sein erstes Buch.“

Lüftet dieser Klappentext das Geheimnis dieses gedruckten Trauerspiels? Wenn mich meine Grammatik-Kenntnisse nicht im Stich lassen, bezieht sich „Dies ist sein erstes Buch“ auf den Hund Logan, was die „Qualität“ des Werks sowie das Autorenfoto erklären konnte …

PS: „Seth Grahame-Smith“ ist (natürlich?) ein Pseudonym, hinter dem sich der Filmemacher Seth Jared Greenberg (geb. 1976) verbirgt.

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Mulvey, Laura – Citizen Kane. Der Filmklassiker von Orson Welles

Die Geschichte vom märchenhaften Aufstieg und bodenlosen Fall des Zeitungsmagnaten Charles Foster Kane, dem beruflich (scheinbar) alles gelingt, während man sein Privatleben nur als Jahrzehnte währendes Desaster bezeichnen kann, wurde vom Regisseur/Drehbuchautor/Hauptdarsteller Orson Welles im Jahre 1941 als Filmdebüt in Szene gesetzt. Dem gerade 26-Jährigen war an den Kinokassen wie in der Presse zunächst wenig Erfolg beschieden; zu weit war Welles der Bildsprache und den Erzählstrukturen seiner Zeit voraus. Fast zwei Jahrzehnte dauerte es, bis sich zumindest unter den Kritikern die Erkenntnis durchsetzte, dass Welles mit „Citizen Kane“ eines der wenigen echten Meisterwerke der Filmgeschichte gelungen war – ein Film, der nicht nur für sich selbst stehen konnte, sondern stilbildend und vorbildlich ganze Generationen von Filmschaffenden prägen sollte.

„Citizen Kane“ ist heute weniger ein Film als eine Legende. Seit um 1960 die moderne Filmkritik „erfunden“ wurde, ist Orson Welles‘ Meisterwerk auf den ersten Rang jeder Kritikerliste der „besten Filme der Geschichte“ quasi abonniert! Schon diese beinahe blinde Liebe ließ es der Filmhistorikerin und -journalistin Laura Mulvey ratsam erscheinen, zum 60. „Geburtstag“ von „Citizen Kane“ einen kritischen Blick auf diesen Film zu werden. Plappern die Kritiker ein Lob nach, das ihre Vorfahren und Kollegen seit vier Jahrzehnten wie ein Mantra anzustimmen pflegen? Oder kann „Citizen Kane“ auch im 21. Jahrhundert seinem Ruf gerecht werden?

Das hier in der Filmbuch-Reihe des |Europa|-Verlags vorgelegte Bändchen aus der Feder Mulveys kann diese Frage beantworten – uneingeschränkt und überzeugend positiv, wenn auch mit gewissen Einschränkungen. Zum einen ist es schwer, einen Film-Monolithen dieses Kalibers auf etwas über einhundert Seiten zu bewerten, zum anderen ist „Citizen Kane“ in den USA bereits im Jahre 1992 erschienen. Mehr als ein Jahrzehnt Rezeptionsgeschichte fehlt also, doch hier steht Ihr Rezensent mutig Gewehr bei Fuß, um in die Bresche zu springen …

Wer heutzutage das Glück hat, „Citizen Kane“, den Film, zum ersten Mal zu sehen (und dann womöglich in einem Programmkino, d. h. auf der „richtigen“ Leinwand, für die er geschaffen wurde!), mag kaum glauben, dass dieser Streifen vor mehr als einem halben Jahrhundert entstanden ist. Er ist gealtert, keine Frage, aber dennoch lässt sich noch gut nachvollziehen, welcher Quantensprung der Filmgeschichte dank Orson Welles im Jahre 1941 gelang. Vor und hinter der Kamera ereignete sich künstlerisch Revolutionäres – nicht, dass Welles und seine genialen Mitstreiter (die von den Chronisten gern verschwiegen werden, auf dass der Stern des verehrten Meisters um so heller strahle) das Rad neu erfunden hätten: Die meisten (erzähl-)technischen Tricks und Kniffe gab es schon vor 1941, doch niemals zuvor hatte jemand ihr Potenzial entdeckt, wurden sie so konsequent und furios eingesetzt wie in „Citizen Kane“.

Über die USA des Jahres 1941 brach der Film herein wie ein kultureller Feuersturm. Seit knapp zehn Jahren schwang das Hayes-Office die Knute der Zensur und hatte in Hollywood praktisch jeden künstlerisch-subversiven Funken erstickt. Das Publikum war eingelullt und abgestumpft; Experimente verschreckten es eher statt es zu inspirieren. Dabei könnte niemand den Schöpfern von „Citizen Kane“ vorwerfen, sie hätten ihren Zuschauern bleischweres Kopf-Kino vorgesetzt. „Citizen Kane“ erzählt eine mitreißende Geschichte und geizt wahrlich nicht mit Schauwerten. Aber Welles kaut seinem Publikum diese Geschichte nicht vor, sondern fordert Aufmerksamkeit und die Bereitschaft mitzudenken – und das ist seit jeher riskant.

Orson Welles (1915-1985) war gerade 25 Jahre alt, als er mit den Dreharbeiten zu seinem ersten Film begann – ein Wunderkind, das als Unterhaltungskünstler bereits mit allen Wassern gewaschen war, seine Landsleute am Theater mit kühnen Inszenierungen klassischer und moderner Stücke und 1938 mit dem Radio-Schocker [„Krieg der Welten“ 1475 in Angst und Schrecken versetzt hatte und sich nun anschickte, Hollywood zu erobern. Seitens des RKO-Studios mit unerhörter Autonomie ausgestattet, spielte Welles mit der sprichwörtlichen Unbekümmertheit des jungen Genies mit den Konventionen des Kinos, definierte es (teilweise) neu und scherte sich wenig um geschriebene oder ungeschriebene Regeln oder gar Tabus. Das Ergebnis ließ ihn an prominenter Stelle in die Kinoannalen eingehen. Freilich zahlte Welles bis zu seinem eindeutig verfrühten Tod einen bitteren Preis dafür. Nie wieder sollte ihm ein Werk wie „Citizen Kane“ gelingen, obwohl ihm die Filmgeschichte auch später noch manchen Meilenstein verdankt.

Schlimmer noch: „Citizen Kane“ zerstörte Welles‘ Karriere, bevor sie in Gang kommen konnte. Er hatte seinen Charles Foster Kane ein wenig zu offensichtlich an William Randolph Hearst, den ungekrönten (und reizbaren) Zeitungszaren, angelehnt und sich außerdem deutlich auf die Seite Präsident Franklin D. Roosevelts und dessen Politik des „New Deal“ geschlagen, die Hearst, Erzkapitalist der ersten Stunde und eingeschworener Gegner jeglicher Bemühungen, zur Überwindung der Weltwirtschaftskrise die Reichen und Superreichen zur Kasse zu bitten, erbittert bekämpfte. Dazu kamen die von Welles eher als Inspiration denn als Herausforderung verstandenen Anspielungen auf das gesellschaftlich eigentlich unhaltbare, aber von der devoten Presse totgeschwiegene Verhältnis Hearsts zum mehr als fünfzig Jahre jüngeren Filmsternchen Marion Davies, das er später auch heiratete. Der alte Mann, der sich rühmte, in seinen zahlreichen Zeitungen den spanisch-amerikanischen Krieg von 1898 inszeniert zu haben, begann nach 1941 einen vernichtenden und objektiv kriminellen Medienfeldzug gegen Welles, der sich davon auch nach Hearsts Sturz nicht mehr erholen konnte.

Aber hier geht es ja nicht um Orson Welles‘ Niedergang, sondern um „Citizen Kane“. Mulvey skizziert knapp aber umfassend die Vorgeschichte, die Umsetzung und die unmittelbare wie langfristige Rezeption des Films, der bei allem überbordenden Ideenreichtum durchaus ein zuverlässiger Spiegel seiner Zeit ist. Die bedrückende geistige Enge von „God’s Own Country“ wird ebenso offenbar wie die Mechanismen der gut geölten Hollywood-Maschinerie, die sich über Jahrzehnte an der Quadratur des Kreises versuchte: der industriellen Produktion lukrativer Träume. „Citizen Kane“ spiegelt drastisch wider, was dem blühte, der es wagte, Hollywood als die wunderbare Spielzeugeisenbahn zu betrachten, als die es von den großen Studios in der Öffentlichkeit gern dargestellt wurde. Unter diesen Bedingungen ist es erstaunlich, dass ein Film wie dieser überhaupt zustande kommen konnte.

Ein wenig störend wirkt hier und da Mulveys Versuch, „Citizen Kane“ und seinen Schöpfer auf Biegen und Brechen mit den Mitteln der Psychoanalyse zu „entschlüsseln“. Solche nachträglichen Interpretationen lösen oft „Rätsel“, die sehr elegant wirken, an die ihre Schöpfer allerdings selbst im Traum nicht gedacht haben: Eine Rose ist manchmal nur eine Rose, wie es so schön heißt. Dennoch kann Mulvey trotz der gebotenen Kürze – „Citizen Kane“ erschien quasi als Begleitheft des renommierten „British Film Institute“ zum Neustart des Films – mit einigen Entdeckungen aufwarten. Die zahlreichen und sehr schönen Schwarzweißfotos runden das Lektürevergnügen des überdies sorgfältig übersetzten Bandes ab, der einmal mehr traurig macht, dass die „Film-Bibliothek“-Reihe (sowie der „alte“ |Europa|-Verlag) selbst längst Geschichte sind.

http://www.neuer-europa-verlag.de/

Collins, Max Allan / Clemens, Matthew V. / Reichs, Kathy – Bones – Die Knochenjägerin: Tief begraben

In diesen heißen Herbsttagen hält sich Special Agent Seeley Booth vom FBI in Chicago auf, wo er hofft, endlich den Fall Gianelli zum Abschluss zu bringen. Vater Raymond und Sohn Vincent üben seit vielen Jahren ihr mafiöses Terrorregime aus, ohne dass sie jemals zur Rechenschaft gezogen werden konnten. Nun hat sie ausgerechnet Stewart Musetti, ihr Auftragskiller, verraten und sich den Behörden gestellt. Booth und seine Kollegen haben sich allerdings zu früh gefreut: Aus seinem angeblich geheimen Versteck verschwindet Musetti mitsamt den vier FBI-Männern, die ihn beschützen sollten, spurlos. Die Gianellis werden wohl wieder einmal triumphieren, was Booth schier in den Wahnsinn treibt.

Nun wird ihm der Fall auch noch entzogen, denn ein Unbekannter legte ein „Geschenk“ ausgerechnet vor dem FBI-Büro in Chicago ab: ein Skelett, dessen Knochen sorgfältig mit Draht fixiert wurden. Sind dies die Überreste des Überläufers Musetti? Booth will sichergehen und fordert Dr. Temperance Brennan an. Die berühmte Anthropologin arbeitet für das Jeffersonian Museum in Washington, D. C., und hat dem FBI und Booth schon mehrfach hilfreich zur Seite gestanden.

Auch dieses Mal kann sie helfen, obwohl ihre Untersuchung für Schrecken und Missmut sorgt: Das Skelett setzt sich aus den Knochen von mindestens vier Menschen zusammen, die in einem Zeitraum von vier Jahrzehnten starben! Der potenzielle Mörder schickt einen Brief, in dem er sich seiner Taten brüstet und das FBI auffordert, ihn zu fangen. Er erhöht den Einsatz, indem er wenig später einen weiteren Skelett-„Bausatz“ auslegt.

Dank eines aufmerksamen Polizeibeamten kann ein Serienmörder gefasst werden, unter dessen Haus sich viele Leichen finden. So gilt dieser Fall als abgeschlossen, doch dann taucht ein drittes Skelett auf. Nichts ist wirklich geklärt, es gibt immer noch mehrere offene Fälle, von denen einer bis in die Ära des legendären Chicagoer Gangsterbosses Al Capone zurückreicht …

Die TV-Serie „Bones“ gehört zu jenen heute sehr beliebten Pathologenkrimis, die ihr Stück vom „CSI“-Kuchen zu ergattern suchen, indem sie die Schraube in Sachen Mord & Totschlag noch einige Umdrehungen anziehen. Nie sind es einfach „nur“ Leichen, die der Forensikerin Temperance Brennan auf den Untersuchungstisch gelegt werden. Stets ist etwas seltsam oder bizarr, sehr gern präsentieren sich die Überreste optisch spektakulär, d. h. sind scheußlich anzusehen.

An das aus dem Fernsehen bekannte Schema hält sich Autor Collins, der abermals einen seiner überdurchschnittlichen „Romane zur Serie“ vorlegt (statt eigenständige Werke zu verfassen, die seine Klasse eindrucksvoll unterstreichen). Wie es seine Art ist, kupfert er nicht die Vorlagen ab, sondern erweitert das vor allem in der Figurenzeichnung etwas stereotype Bild (s. u.) durch eigene Ergänzungen, die auch der Story sehr gut stehen.

Schon der Prolog stimmt auf eine mysteriöse Geschichte ein. Er führt zurück in die Jahre des II. Weltkriegs, die Chicago weiterhin als „Revier“ des organisierten Verbrechens zeigen, das einst Al Capone in die Stadt gebracht hatte. Collins profitiert hier von seinen Recherchen zu einer eigenen Serie historischer Krimis um den Privatdetektiv Nate Heller, die sicherlich zum Besten gehören, was das Genre zu bieten hat.

Der Forderung nach möglichst kniffligen Mordfällen leistet der Autor Folge, indem er einen Serienmörder ins Spiel bringt, der Skelettpuzzles fabriziert. Damit sind ideale Voraussetzungen für den Auftritt von „Bones“ Brennan gegeben, die zwar ständig darüber schimpft, dass man sie von dringlichen Eigenforschungen abhält, um sogleich mit Feuereifer an den Ermittlungen teilzunehmen.

Die Plots der TV-Serie zeichnen sich nicht durch besonderen Realismus aus, was der Unterhaltsamkeit wenig Abbruch tut. Collins bleibt auch hier in der Spur, ist jedoch Profi genug, die Gesetze der kriminalistischen Logik zu wahren. Das Ergebnis ist ein Roman, der als Krimi wesentlich überzeugender wirkt als die meisten Fernseh-Episoden. Dabei setzt uns Collins ziemlich starken Tobak vor, der die Grenze zum reinen Horror mehr als einmal schrammt. Vor allem die finale Abrechnung mit dem Mörder lässt an Schauerlichkeit nichts zu wünschen übrig.

Max Allan Collins präsentiert mit „seiner“ Temperance Brennan eine Figur, die nicht seinem Hirn entsprungen ist. Das ist für ihn, der schon mehrere TV-Serien für Romane adaptiert hat, nicht neu, doch dieses Mal klinkt er sich in eine Reihe ein, die bereits in Buchform Bestseller-Geschichte geschrieben hat. Temperance Brennan ist eine Schöpfung der Schriftstellerin Kathy Reichs und als solche seit 1997 auf den Buchmärkten der westlichen Welt omnipräsent. Während Collins seine „Bones“-Romane zur Fernsehserie schreibt, verfasst Reichs selbst weitere Brennan-Abenteuer.

Das ermöglicht den Vergleich zwischen beiden Versionen und ist spannend, da sowohl Reichs als auch Collins zu den Großen des Genres Kriminalroman gehören. Allerdings stellt sich rasch heraus, dass die Gegenüberstellung schwierig wird. Die Temperance Brennan der Reichs-Romane ist mit der „Bones“ aus dem Fernsehen nicht wirklich identisch. Literatur und Film/Fernsehen sind unterschiedliche Medien mit eigenen Regeln. „Bones“ ist daher eine deutlich simplifizierte Brennan-Version. Auch sie wird von diversen Selbstzweifeln und Problemen geplagt, doch diese bleiben der spannenden Handlung, die möglichst viele Zuschauer bannen soll, eindeutig untergeordnet.

An dieses Konzept hält sich Collins, und zumindest Ihr Rezensent hält das für eine gute Entscheidung, denn Kathy Reichs ist nicht die psychologisch begabte Verfasserin, für die sie sich hält. Sie stürzt „ihre“ Brennan in Irrungen & Wirrungen, die in dieser Intensität einfach langweilen, weil sie nie das Niveau einer Seifenoper übersteigen. Collins hält sich an das zuschauerkompatible Modell der „Bones“-Brennan und gibt ihm nur dort Tiefe, wo es die Handlung fördert.

Allerdings zwingt ihn das Korsett der Vorlage an anderer Stelle zu Kompromissen. Eine Grundkonstante der „Bones“-Serie ist die Konzentration auf das Paar Booth und Brennan. Ihr Verhältnis lässt sich mit dem alten Sprichwort „Was sich liebt, das neckt sich“ erschöpfend beschreiben. Tatsächlich werden in „Bones“ entsprechende Pseudo-Gags und dramatische Verwicklungen (vor allem im Vergleich mit den „CSI“-Serien) ebenso zahlreich wie plump eingesetzt, dass daraus einerseits Lächerlichkeit und andererseits Verdruss entsteht. Collins arbeitet die Wesenszüge der beiden Hauptpersonen wesentlich behutsamer heraus und kann auf diese Weise einigen Schaden ausbügeln, den diese in ihren Fernseh-Inkarnationen nahmen.

In einem Punkt konnte sich Collings den Fallstricken der Vorlage entziehen: „Tief begraben“ spielt in Chicago und damit weit entfernt von Brennans Forschungszentrale in Washington. Nur am Rande tauchen deshalb die nervenden weil klischeehaft überzeichneten Sidekicks der Serie – die kupplerische Gesichtsrekonstrukteurin Angela Montenegro, der verschwörungssüchtige Jack Hodgins, der Genietrottel Zack Addy und der pompöse Museumsleiter Goodman – auf. Dem Roman kommt das auf jeden Fall zugute. „Tief begraben“ setzt als Thriller zwar trotzdem keine Maßstäbe. Dennoch ist dieses Buch nicht nur für den „Bones“-Fan, sondern auch für den „normalen“ Krimifreund gut lesbar, weil spannend, planvoll konstruiert und mit routinierter Meisterschaft geschrieben.

Max Allan Collins wurde 1948 in Muscatine, US-Staat Iowa, geboren. Er entwickelte wie viele Kinder ein ausgeprägtes Interesse an Comics, entdeckte aber auch generell seine Liebe zur Populärkultur: zum Thriller, zur Musik, zum Fernsehen und für den Film. In den ersten beiden Jahren als Student arbeitete Collins als Reporter. Ab 1971 unterrichtete er Englisch an einem College. 1977 gab er dies auf und etablierte sich als freier Schriftsteller. Sechs Jahre zuvor hatte er seinen ersten Roman verkaufen können: „Bait Money“ (dt. „Köder für Nolan“) wurde zugleich das Debüt seines ersten Serienhelden Nolan, der als professioneller Dieb ständig mit der Polizei wie mit der Unterwelt in Konflikt gerät.

1975 schuf Collins seine bisher bekannteste und erfolgreichste Figur. Ursprünglich war der Privatdetektiv Nathan Heller als Held einer Comic-Serie geplant, die jedoch ihre Premiere nicht mehr erlebte. Die aufwändigen Recherchen versetzten den Schriftsteller in die Lage, Heller 1983 mit „True Detective“ (dt. „Chicago 1933“) einen ebenso voluminösen wie eindrucksvollen ersten Auftritt zu verschaffen. Wie selten zuvor im Genre gelang Collins die Einbettung des klassischen „Schnüfflers“ in das historische Umfeld der frühen 1930er Jahre.

Im Comic-Bereich feierte Collins erste Erfolge als Texter für den Klassiker „Dick Tracy“, der seit 1931 läuft. Collins führte die Serie an ihre Ursprünge zurück und zu neuem Ansehen. Er textete auch für „Batman“ und schuf mit dem Zeichner Terry Beatty die erfolgreiche Comic-Serie „Ms. Tree“ um eine weibliche Privatdetektivin.

1990 entdeckte Collins ein neues Betätigungsfeld: Als „Dick Tracy“-Spezialist wurde er engagiert, das Buch zum Film von und mit Warren Beatty zu verfassen. Auch zwei Fortsetzungen flossen aus seiner Feder. Der Damm war gebrochen, seitdem schreibt Collins (unterstützt von Co-Autoren; im vorliegenden Buch ist es Matthew V. Clemens) immer wieder „tie-ins“, die gegenüber den allzu oft minderwertigen, weil als „Nebenprodukt“ zum Film produzierten Romanen weniger talentierter bzw. inspirierter Kollegen durch ihre sorgfältige Machart und ihre Lesbarkeit auffallen.

Die Schaffenskraft des fleißigen Schriftstellers ist mit den beschriebenen Aktivitäten längst nicht erschöpft. Max Allan Collins schreibt und spielt seit den 1970er Jahren Rockmusik und gehörte verschiedenen Bands an, die durchaus kleinere Erfolge verzeichnen konnten. Im Film ist er inzwischen als Drehbuchautor („A Matter of Principa“, 2003), Produzent und Regisseur (u. a. die Independant-B-Thriller „Mommy“, 1995, und die Fortsetzung „Mommy’s Day“, 1997) aktiv, wenn auch auf diesem Gebiet (noch) nicht gerade berühmt.

http://www.blanvalet.de