Archiv der Kategorie: Hörspiele / Hörbücher

Mark Brandis – Bordbuch Delta VII (Folge 1)

Unsere Jungs im All: Verteidiger der Freiheit

Anfang des 22. Jahrhunderts bedroht der Putsch des Generals Gordon B. Smith aus Texas die Union Europas, Amerikas und Afrikas. Der deutsche Testpilot Mark Brandis fliegt für die neutrale Venus-Erde-Gesellschaft für Astronautik (VEGA) den Prototypen Delta VII – ein Raumschiff, das mit einem revolutionär schnellen Antrieb ausgestattet ist. Er und die anderen Mitglieder der kleinen Mannschaft unter Commander Harris kehren nach wochenlangem Testflug in eine veränderte Welt zurück …

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Luceno, James / Döring, Oliver – Star Wars – Dark Lord. Teil 2: Auf der Flucht vor dem Imperium

Roan Shryne und Olee Starstone gelingt mit Hilfe des ehemaligen Vigo Cash Garullan die Flucht vor Darth Vader und den neuen imperialen Sturmtruppen. Ein Frachter soll sie in Sicherheit bringen, doch der neue Sith-Lord ist den Jedis dicht auf den Fersen. Darüber hinaus wird Roan mit seiner eigenen Vergangenheit konfrontiert, denn die Kommandantin des Frachtschiffes „Drunken Dancer“ ist seine eigene Mutter.

Derweil muss sich Darth Vader mit den Erinnerungen Anakin Skywalkers auseinandersetzen und gleichzeitig feststellen, dass die Rüstung, die er trägt, keinen menschlichen Körper ersetzen kann …

_Meine Meinung:_

Der Titel der zweiten |Dark Lord|-Episode ist Programm, denn es geht wirklich primär um Roan Shrynes und Olee Starstones Flucht vor dem Imperium. Dass Roan dabei seine eigene Mutter trifft, wirkt zunächst etwas kitschig, bietet aber auch emotionalen Zündstoff. Nur Raumschlachten und Lichtschwertduelle wären auf die Dauer schließlich auch langweilig. Die Folge wird zudem dazu genutzt, die noch frische Figur des Darth Vader weiter auszubauen. Vor allem die innere Zerrissenheit kommt gut zur Geltung, ebenso wie Vaders Verdruss über die Schwächen und Nachteile seiner Cyborg-Rüstung.

Rainer Schöne liefert dabei eine sehr überzeugende Arbeit ab. Gleiches gilt für Torsten Michaelis und Marie Bierstedt. Als Roans Mutter ist Rita Engelmann zu hören, die durch die Synchronisation von Gates „Beverly Crusher“ McFadden bereits einschlägige Science-Fiction-Erfahrung hat. Neben den Synchronsprechern Friedhelm Ptok und Martin Kessler, die ihre Rollen auch in den Filmen verkörperten, gibt es ein Wiederhören mit vielen Hörspiellegenden, angefangen bei Oliver Rohrbeck als Hacker über Douglas Welbat als Bodyguard bis hin zu Norbert Langer, der einen Jedi verkörpert.

Musikalisch und technisch gibt es an dieser Folge erneut nichts auszusetzen. Raumschlachten und Fluggeräusche hören sich genauso realistisch an wie im Kino. Insgesamt liegt also ein weiteres gelungenes, wenngleich etwas ruhigeres Hörspiel als Folge eins vor.

Das Booklet zeigt natürlich wieder Darth Vader, diesmal in einer etwas bedrohlicheren Pose, die den Titel treffend untermauert. Auch hier gibt es im Innenteil des Jewel-Case zwei beeindruckende Illustrationen des dunklen Lords, unter anderem eine sehr gelungene Comic-Zeichnung des Kopfes von Darth Vader.

_Fazit:_

„Auf der Flucht vor dem Imperium“ ist eine gelungene Fortsetzung mit kleineren Längen und Schwächen. Die Story ist im Vergleich zu Folge eins ruhiger und teilweise auch klischeebeladener; die Figur des Darth Vader wird hingegen sehr interessant und facettenreich geschildert.

|Star Wars|-Hörspielumsetzungen auf |Buchwurm.info|:

[„Star Wars – Dark Lord. Teil 1: Die letzten Stunden der Klon-Kriege“ 4967
[„Episode I: Die dunkle Bedrohung“ 1293
[„Episode II: Angriff der Klonkrieger“ 1305
[„Episode III: Die Rache der Sith“ 4534
[„Episode IV: Eine neue Hoffnung“ 686
[„Episode V: Das Imperium schlägt zurück“ 689
[„Episode VI: Die Rückkehr der Jedi-Ritte“ 694
[„Labyrinth des Bösen, Teil 1: Gunrays Geheimnis“ 3291
[„Labyrinth des Bösen, Teil 2: Darth Sidious auf der Spur“ 3292
[„Star Wars: Labyrinth des Bösen“ (Teil 1-3: Das komplette Hörspiel) 4794

|54 Minuten auf 1 CD
ISBN13: 978-3-931780-95-1|
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http://www.karussell.de
http://de.wikipedia.org/wiki/Star__Wars
http://www.starwars-union.de
http://www.starwars.com
http://www.jedipedia.de
[Interview mit Oliver Döring zum Hörspiel „Dark Lord“]http://www.starwars-union.de/index.php?id=interview%3Cb%3Eoliverdoering%3C/b%3E%3Cb%3E08

_Florian Hilleberg_

Camilleri, Andrea – Pension Eva, Die (Lesung)

_Sinnlich: das Bordell als Schule des Lebens_

Die |Pension Eva| ist das Bordell in der sizilianischen Stadt Vigàta. Hier verbringt der junge Nenè viele Stunden. Aber nicht, um mit den Frauen zu schlafen, sondern um sich ihre Geschichten erzählen zu lassen. Denn sie lehren ihn, das Leben zu verstehen. Im Sizilien der vierziger Jahre herrscht Krieg. Was für Nenè auf geheimnisvolle Weise beginnt – die Sexualität, die Hingabe zur Literatur, das Leben selbst – droht unter den Trümmern zu ersticken. Und doch gibt es eine Kraft, die sich wie ein Hauch über die zerbombte Stadt legt und alles verzaubert …

_Der Autor_

Andrea Camilleri ist kein Autor, sondern eine Institution: das Gewissen Italiens. Der 1925 in dem sizilianischen Küstenstädtchen Porto Empedocle geborene, aber in Rom lebende Camilleri ist Autor von Kriminalromanen und -erzählungen, Essayist, Drehbuchautor und Regisseur. Er hat dem italienischen Krimi die Tore geöffnet.

Die Hauptfigur in vielen seiner Romane, Commissario Salvo Montalbano, gilt inzwischen als Inbegriff für sizilianische Lebensart, einfallsreiche Aufklärungsmethoden und südländischen Charme und Humor. Er ermittelt in komplett erfundenen, aber „echt“ erscheinenden Orten wie Vigàta und Monte Lusa.

Die Commissario-Montalbano-Krimis:

– [Die Form des Wassers 306
– [Der Hund aus Terrakotta 315
– [Der Dieb der süßen Dinge 3534
– [Die Stimme der Violine 321
– Das Paradies der kleinen Sünder (Kurzkrimis)
– Die Nacht des einsamen Träumers (Kurzkrimis)
– [Das Spiel des Patriarchen 312
– [Der Kavalier der späten Stunde 670
– [Die Rache des schönen Geschlechts 659 (Kurzkrimis)
– [Das kalte Lächeln des Meeres 594
– [Der falsche Liebreiz der Vergeltung 1812 (Kurzkrimis)
– [Die Passion des stillen Rächers 3138
– [Die dunkle Wahrheit des Mondes 4302

_Der Sprecher_

Gerd Wameling, geboren 1948 in Paderborn, ging 1974 an die Schaubühne in Berlin, deren Ensemble er fast 20 Jahre lang angehörte. Seit 1992 ist er freier Schauspieler und Sprecher und spielte in diversen TV-Filmen und -Serien mit sowie unter anderem in Wim Wenders‘ Kinofilm „In weiter Ferne so nah“. Wameling ist nach Verlagsangaben einer der bekanntesten deutschen Rundfunk- und Hörbuch-Sprecher. Wameling liest eine ungekürzte Fassung.

Das Hörbuch ist eine Produktion des Hessischen Rundfunks. Regie führte Burkhardt Schmidt, die Technik steuerte Patrick Ehrlich.

_Handlung_

Die fünf Kapitel tragen die Titel:

1) Gradus ad Parnassum
2) Die Einschiffung nach Kythera
3) Im Schatten junger Mädchenblüte
4) Zeichen und Wunder
5) Eine Zeit in der Hölle

Schon seit Jahren hat sich der zwölfjährige Nenè Cangialosi gefragt, was es mit der |Pension Eva| auf sich hat. Das langgestreckte Haus steht in der Nähe des Hafens, so dass Seeleute es leicht finden können. Ein Pension ist etwas zwischen Gasthaus und Hotel, aber warum sind dann kaum jemals Gäste zu sehen? Wohnen hier wohl helfende Feen? Als er acht war, erschnupperte er hier einen guten Duft, bis ihn ein Seemann wegschickte, der zu den Frauen hineinging.

In der vierten Klasse erfuhr er alles über das Haus: Es sei ein Bordell und die Frauen, die dort arbeiten, seien Nutten. Aha. Doch was sein Vater sagt, verwirrt ihn noch mehr: Männer gingen hinein, um die Frauen anzusehen. Seltsam. Was soll daran besonders sein?

Als er zwölf ist, bekommt er die Erlaubnis, auf den Speicher seines Elternhauses zu gehen, und zusammen mit seiner Cousine Angela erkundet er die Vergangenheit. Als sie auf die Arzttasche von Onkel Tonio stoßen, spielen sie Doktor und Patient. Ohne falsche Scham zieht sich Angela aus, und Nenè sich auch. Doch eines Tages küssen sie einander auch, und aus dem Spiel wird Leidenschaft.

Nenè erfreut sich dessen, bis er Pater Niccolò fragt, ob körperliche Liebe erlaubt sei. Der Padre erzählt ihm vom Gebot gegen die Unkeuschheit. Angela entgegnet darauf nur, dass ihr Spiel garantiert keine Sünde sei. Als er sie auffordert, ihm zu zeigen, wie „Liebemachen“ geht, lacht sie nur, sein Piepmatz sei noch zu klein. Das trifft Nenè schwer. Na, er muss halt wachsen, muntert sie ihn auf. Er kann es kaum erwarten, die Wahrheit über die Pension Eva zu erfahren. Aber dafür muss man mindestens 18 sein – eine Ewigkeit!

Die Trennung von Angela, die an Tuberkulose erkrankt, ist schwer zu ertragen, und als sie als junge erwachsene Frau zurückkehrt, muss er erfahren, dass sie verlobt ist. Inzwischen hat er sich mit Buchillustrationen aus dem „Rasenden Roland“, einem Ritterroman, getröstet: Viele nackte junge Damen müssen darin gerettet werden. Doch eines Morgens, als die anderen schon in die Kirche gegangen sind und Nenè erstmals einen Männeranzug tragen darf, trifft er Angela in der Küche an. Wow, sie trägt nur ein Unterkleid, durch das er ihre weiblichen Formen sehen kann. Die „Unzucht“, die sie miteinander treiben, ist schöner denn je – und ein Abschied.

Weitere Nachhilfestunden in Liebe gibt die Witwe Bianca Aghirò. Wie Nenè später erfährt, wird sie „das Schulschiff“ genannt, weil sie bereits viele Jünglinge in die Mysterien der Liebe eingeweiht hat. Fortan will Nenè nicht mehr hin, weil er das als Verrat an seinem Freund Mateo empfindet. Dafür ist er umso stärker an der Pension Eva interessiert. Ein glücklicher Zufall spielt ihm in die Hände.

Der Vater seines Schulfreundes Giacolino wird zum Leiter der Pension ernannt, dank einiger Mauscheleien mit den faschistischen Machthabern Monte Lusas. Don Stefano lässt das Haus renovieren und eröffnet es am Neujahrstag 1942. Das Regiment führt die Patrona Donna Flora, und jeweils sechs Mädchen arbeiten in Schichten von 14 Tagen Dauer hier. Dann werden sie durch die nächste Gruppe abgelöst. Die Huren touren durchs ganze Land.

Unter strengen Auflagen dürfen Nenè und sein Freund Ciccio die Pension besuchen – ein großer Tag! Nenè ist erst sechzehneinhalb Jahre alt, als er mit Lebensmitteln beladen die Pension betritt. Donna Flora führt die Jungs durchs Haus und zu den sechs Mädchen. Die Stimmung ist ernst beim Essen, doch sobald Flora sich verabschiedet hat, wirken die Mädels wie ausgewechselt: heiter und aufgekratzt. Schließlich ist der Wein nicht übel. Während eines Fliegeralarms erklärt Grazia, dass sie Angst hat, was Nenè Gelegenheit gibt, sie erstmals zu umarmen.

Die nächste Gelegenheit ergibt sich, nachdem die Mädchen erzählt haben, wie sie das deutsche Kriegsschiff mit den Verletzten aus Afrika besucht haben. Nenè kommen die Mädchen ungeheuer tapfer vor, und sie haben sogar geschafft, was die Bürgerinnen de Stadt sich nicht trauten: Sie trösteten auch die Schwerverletzten. In dieser Nacht kommt Nenè endlich mit Grazia zusammen. Ihr Zungenkuss haut ihn einfach um.

Als er in der Stadtbücherei entdeckt, dass auf dem Platz der Pension Eva ein griechischer und ein römischer Tempel und danach eine christliche Kirche gestanden haben, ist ihm klar, dass die Pension ein heiliger Ort sein muss. Und tatsächlich geschehen dort Zeichen und Wunder, und es erscheint ein wahrhaftiger Engel vom Himmel …

_Mein Eindruck_

Was als Erstes auffällt, ist die Unverklemmtheit, mit der uns der Autor von den Erlebnissen seines Helden erzählt. Wenn hier vom „Vögeln“ die Rede ist, dann wird dies ausdiskutieren, ebenso wie „Unzucht“ und „die Sünden des Fleisches“. Schließlich passieren all diese amourösen Abenteuer in einer höchst katholischen Gesellschaft. Doch der Autor stellt sich nicht auf die Seite der Moralwächter, sondern berichtet unvoreingenommen, wie alles ganz natürlich vonstatten geht. Und wie auch die Frauen Einfälle haben, um auf ihre erotischen Kosten zu kommen. Die unverblümten Beschreibungen betreffen nicht den banalen Akt, sondern stets das allzu menschliche Drumherum.

In dieses Bild passt, dass Nenè ein Beobachter und Erlebender ist, der kein Werturteil über die Huren in der Pension Eva fällt, sondern die wechselnden Mädchen als Arbeiterinnen und Lehrerinnen betrachtet, von denen er einige wichtige Lektionen über das Leben lernen kann. Immer wieder beobachtet er, wie aus dem Sex die Liebe erwächst und bis zur bedingungslosen Aufopferung umkämpft wird. Wie aber auch der Eros eine Spielwiese sein kann, auf dem das menschliche Tier in aller Unschuld zu sich selbst zu finden vermag.

|Der Fall des Engels|

Auch die Religion spielt hier selbstverständlich eine Rolle – wie könnte es in einer so erzkatholischen Gegend anders sein? Religiosität im Puff, warum auch nicht? Ambra ist eine so fromme Hure, dass sie einen ganzen Koffer voller Devotionalien mitgebracht hat: Rosenkränze, Kreuze und Heiligenbilder, ja, sogar geweihtes Wasser. Nach vollbrachtem Tagwerk betet sie inbrünstig. Als eines Tages ein Mann vom Himmel fällt, den sie für einen Engel hält – es ist ein abgeschossener US-Pilot an einem Fallschirm, und ja: er heißt Angelo – erfüllt sich für sie der Traum ihrer sehnsüchtigen Gebete. Selbstverständlich versteckt sie den unbekleideten Mann, versorgt ihn mit Lebensmitteln und Bekleidung. Natürlich auch mit ihrer überquellenden Liebe. Doch dies kann nicht ewig so weitergehen, und dann zeigt sich, dass auch ein Engel einen Retter braucht, der etwas von den weltlichen Dingen versteht. Merke: Frömmigkeit ist okay, solange sie im Rahmen bleibt.

|Ein Kriegsroman|

Ganz nebenbei ist dies auch ein Buch über den Krieg. Lazarettschiffe kündigen die Verluste unter den Soldaten in Übersee an (siehe oben). Fast zwei Jahre lang liegt die Stadt Vigàta im Bombenhagel der britischen und amerikanischen Bombergeschwader. Kurz vor der Invasion der Amis liegt kein Stein mehr auf dem anderen, die Bürger sind zu Höhlenbewohnern in Luftschutzbunkern geworden, die Züge und Schiffe verkehren nicht mehr, es gibt weder Post noch genügend Lebensmittel.

Wird es unter den Amis besser sein? Wohl nicht. Am Tag, als Nenè von der schiffslosen Marine desertiert, erlebt er wie in einem Albtraum oder in einer Fantasmagorie den Untergang seiner Heimat. Die Pension Eva ist ein Schutthaufen, wenn auch die Mädchen in Sicherheit gebracht wurden, wie Ciccio erzählt. Doch unter den Bäumen am Straßenrand wird das uralte Bedürfnis befriedigt: eine apathische junge Frau wird von den GIs benutzt, und ein weiterer GI kassiert für die Benutzung. Im Vergleich damit bewies die käufliche Liebe in der Pension Eva doch wesentlich mehr Kultiviertheit und Humanität. Dort wurden die Frauen wenigstens nicht wie ein Stück Fleisch behandelt, sondern wie menschliche Wesen, die einen Anspruch auf Würde haben.

|Der Sprecher|

Gerd Wameling ist ein ähnliches Stimmwunder wie Rufus Beck und Philipp Schepmann, aber seine Interpretation von Frauenstimmen ist doch etwas gewöhnungsbedürftig. Die weiblichen Figuren klingen natürlich merklich höher als Männerstimmen, und alle klingen ziemlich ähnlich. Eine Ausnahme bildet die resolute Donna Flora, die Vorsteherin im Bordell, die nur dem Leiter Don Stefano verantwortlich ist. Die Männerstimmen gehören entweder neugierigen Jungs wie Nenè oder so erfahrenen Kerlen wie Don Stefano. Die Jungs klingen natürlich frecher und freundlicher als die der Männer, die stets sehr tief und angespannt interpretiert werden.

Wie man sieht, gelingt es dem Sprecher sowohl die wichtigsten Figuren zu charakterisieren als auch eine Szene emotional angemessen darzustellen. Das ist sicherlich das grundlegende Können eines erfolgreichen Sprechers, doch Wameling absolviert die Aufgabe bravourös, nur dass die Charakterisierung der männlichen Nebenfiguren stets gleichförmig ausfällt.

Da das Hörbuch weder Geräusche noch Musik aufweist, brauche ich darüber kein Wort zu verlieren.

_Unterm Strich_

„Die Pension Eva“ ist nicht nur, wie das Thema nahelegt, ein sinnliches Lese- oder Hörvergnügen, sondern auch ein höchst interessantes und humorvolles. Die Einteilung des Buches entspricht dem des klassischen Bildungsromans: Unwissenheit und Neugier, erste Erfahrungen in der Lehrzeit, unbeschwerte Gesellenzeit, weisere Zeit als Meister, schließlich die Läuterung durch „eine Zeit in der Hölle“ des Krieges. Ein Bordell als „Parnass“ zu titulieren, also als Musentempel mit heiligmäßigem Nimbus, ist schon eine Unverfrorenheit, die ihresgleichen sucht. Aber es passt zu der unterschwelligen These, das Bordell als die wahre Lehranstalt für das Leben hinzustellen – in der Schule wird eh nur gebüffelt.

Aber daraus folgt nicht, dass die Bewohnerinnen dieses Musentempels als Hetären auf den Sockel gestellt werden. Es sind häufig einfache Mädchen vom Lande, und da sie nur zwei Wochen in der Stadt sind, entstehen kaum feste Bindungen. (Das ändert sich erst, als es zu gefährlich geworden ist, über Land zu fahren: Die Mädchen werden sesshaft.) Die Mädchen sprechen alle möglichen Dialekte, arbeiten insgeheim mitunter für die verbotenen Kommunisten, haben Verwandte, die im Knast sitzen, oder sind so fromm, dass sie wie Ambra einem religiösen Wahn zu erliegen drohen. Kurzum: Sie sind Menschen wie du und ich.

Dadurch wird die Begegnung der Männer mit ihnen unverkrampft. Für Nenè sind die Begegnungen mehr als Transaktionen, sondern eine Lehrstunde. Dass er einmal erleben darf, wie seine Fantasien aus dem „Rasenden Roland“ in lebendiges Spiel umgesetzt werden, bestätigt ihm einerseits, wie relevant diese Geschichten noch heute in der Sphäre der Liebe sind, andererseits aber auch, wie übertrieben die Ritterlichkeit in diesen epischen Darstellungen ist. In der Pension Eva dürfen auch mal die weiblichen „Pferde“ oben sein und den „Ritter“ reiten. Gleichberechtigung gibt es also an den unwahrscheinlichsten Orten. Und nicht zuletzt diese ungezwungene Darstellung machte mir das Buch so sympathisch.

Auf den letzten Seiten finden sich zahlreiche ergreifende Szenen und Informationen, die von einer großen Tragödie künden, aber auch die Wiederauferstehung eines Totgeglaubten und einer Verschwundenen. Das Leben geht weiter, für manche besser, für manche schlechter. Es ist ein gelungen ernstes Finale für einen ansonsten in heiterem Dur erzählten Roman.

|Das Hörbuch|

Der Sprecher Gerd Wameling sorgt mit seiner Stimmenvielfalt für eine Menge Abwechslung. Wenn eine Frau oder ein Mann spricht, so ist der Unterschied sofort zu bemerken. Zwischen ganz hoch und ganz tief lässt der Sprecher eine Reihe von Abstufungen durch, so etwa für die tief sprechende Donna Flora und für die relativ hoch sprechenden Jünglinge. Auch entsprechende Emotionen weiß der Sprecher ungefiltert zu vermitteln, so etwa ungehemmtes Schluchzen oder auch Lachen. Die Pension Eva ist kein Parnass, sondern das Leben selbst.

|Originaltitel: La pensione Eva, 2006
Aus dem Italienischen übersetzt von Moshe Kahn
226 Minuten auf 4 CDs|
http://www.argon-verlag.de

Hrissomallis, Simeon – Faith – The Van Helsing Chronicles: Tag der Vergeltung (Season 1 – Episode 12)

Episode 1: [„Die Zusammenkunft“ 4811
Episode 2: [„Verwandlungen“ 4826
Episode 5: [„Dämonische Leidenschaft“ 4833
Episode 6: [„Ravens Geheimnis“ 4850
Episode 10: [„Das Böse im Menschen“ 4910
Episode 11: [„Wendepunkt“ 4955

Faith wurde von Christopher Lane fast getötet, und nur durch das schnelle Eingreifen Ravens konnte sie die Flucht ergreifen. Die junge Frau weiß nicht mehr, wem sie trauen kann und wem nicht. So flüchtet sie zu Direktor Arowic, der Faith nach Griechenland bringt, denn die Zeichen stehen auf Sturm. Anscheinend bereitet sich das große Tier aus der Offenbarung des Johannes auf die Rückkehr vor, um den Menschen die Apokalypse zu bringen. Doch ihre Gegner haben der jungen Van Helsing eine teuflische Falle gestellt und Faith läuft dem Feind direkt in die Arme …

Währenddessen schließen sich Faiths Freunde mit Adam van Helsing alias Hunter zusammen. Sie erkennen, dass sie alle nur manipuliert wurden, um Faith abzukapseln und alles für die Endzeit vorzubereiten. Hunters ehemaliger Partner Alex Christ ist niemand Anderer als der Prophet des Biestes. Bevor die Gefährten den Dämon ausschalten können, reagiert Alex Christ und erschießt Christopher Lane in dessen Wohnung …

_Meine Meinung:_

Der erste Teil der Trilogie, welche Staffel eins abschließt, ist bereits ein Volltreffer. Diese Folge zeigt, wie spannende Hörspiele sein müssen, und der Cliffhanger ist mehr als gelungen. Die Handlung jagt von einer Spannungsspitze zur nächsten, ohne Ermüdungserscheinungen zu zeigen. Selten kommen einem knapp 70 Minuten so kurz vor, und endlich werden viele Fragen und Andeutungen der ersten elf Episoden geklärt.

Die Sprecher laufen zu Höchstform auf und zur Stammcrew gesellen sich Namen wie Jürgen „Michael Caine“ Thormann, Klaus „Morgan Freemann“ Sonnenschein und Tobias „Brad Pitt“ Meister. Die Ereignisse streben unaufhaltsam dem großen Finale entgegen, und man kann es kaum erwarten, endlich zu erfahren, wie es weitergeht – insbesondere als Shania offenbart, hinter welcher Maske sich das große Tier verbirgt, und der Hörer es dennoch nicht erfährt, weil die Sprecherin Barbara Stoll neutral weiterspricht. Musik und Effekte sind ganz großes Kino und passen perfekt in das Geschehen, ohne unnatürlich zu wirken oder die Sprecher zu überlagern. Der Ton der CD ist kristallklar und bildet das Tüpfelchen auf dem i. Allerdings gibt es auch einen kleinen Fehler, denn Faith erzählt, dass der Kampf gegen die Mächte der Finsternis wie eine Auseinandersetzung mit der Medusa ist. Schlägt man einen Kopf ab, wachsen zwei andere nach. Was Faith meint, ist allerdings eine Hydra, die Medusa hingegen hat ein Schlangenhaupt, dessen Anblick den Betrachter versteinert.

_Zur Aufmachung:_

Die Booklet-Illustration ist sehr grell und plakativ. Eine der weniger überzeugenden Arbeiten von Timo Würz, zumal dieses Cover dem Inhalt der grandiosen Episode nicht gerecht wird.

_Fazit:_

„Tag der Vergeltung“ ist eine erstklassige Folge und ein bombastischer Beginn der abschließenden Staffel-Trilogie. Die Handlungsfäden streben einem fulminanten Höhepunkt entgegen. Unterlegt wird diese Handlung durch realistische Effekte und einen klangvollen Soundtrack, und Spitzensprecher erwecken die Charaktere zum Leben.

_Besetzung:_

Faith: Nana Spier (Sarah Michelle Gellar, Claire Danes, Drew Barrymore)
Shania: Dorette Hugo (Jennifer Garner, Christina Ricci in „Ally McBeal“)
Vin: Boris Tessmann (David ‚Angel‘ Boreanaz)
Raven: David Nathan (Johnny Depp, Christian Bale, James ‚Spike‘ Marsters)
Christopher Lane: Thomas Nero-Wolff (Hugh Jackman, Jason Statham, Anthony ‚Giles‘ Head)
Hunter: Udo Schenk (Ray Liotta, Ralph Fiennes, Kevin Bacon, Gary Oldman, Jeffrey Combs …)
Direktor Arowic: Helmut Krauss (Marlon Brando, James Earl Jones, John Goodman, Jerry ‚Deep Throat‘ Hardin in „Akte X“)
Wanja Antonowic: Klaus Sonnenschein
Arnulf Wilberg: Tobias Meister (Brad Pitt, Kiefer Sutherland, ‚Yoda‘)
Baltram Wilberg: Kim Hasper
Alex Christ: Torsten Michaelis (Wesley ‚Blade‘ Snipes, Sean Bean)
Dr. Cromwell: Aart Vader
Professor Hatcher: Jürgen Thormann (Michael Caine, Peter O’Toole, Sir Ian ‚Gandalf‘ McKellen)
Nathan Pierce: Martin Kessler (Nicolas Cage, Vin Diesel)
Themistoklis: Tasos Komvolidis
Lazaros: Simeon Hrissomallis
Erzählerin: Barbara Stoll

|68 Minuten auf 1 CD|
http://www.rb-company.de
http://85.25.136.73/shop2/index.php?user=rbcompany

_Florian Hilleberg_

Luceno, James / Döring, Oliver – Star Wars – Labyrinth des Bösen. Teil 1: Gunrays Geheimnis

Die Jedi-Ritter Anakin Skywalker und Obi-Wan Kenobi sind auf der Suche nach Vizekönig Nute Gunray. Dieser kann den Jedis zwar in letzter Minute entkommen, doch dafür fällt ihnen ein eigens für Gunray angefertigter Hightech-Stuhl in die Hände, mit dessen Hilfe der Vizekönig holografische Nachrichten seines Verbündeten Darth Sidious erhielt. Der Rat der Jedi weiß, dass der Sith vernichtet werden muss, wenn in der Galaxis wieder Frieden wieder einkehren soll …

_Meine Meinung:_

Die Idee, wichtige |Star Wars|-Romane, welche die Lücken zwischen den Filmen füllen sollen, als hochwertige Hörspiele herauszubringen, ist schlicht genial. Wo George Lucas sich ziert, die Rechte für die Verfilmungen herauszugeben, ist das Medium Hörspiel ideal dazu geeignet, das echte |Star Wars|-Feeling hervorzurufen. Hinzu kommt, dass eine Lesung keineswegs dem Stoff gerecht werden würde, und |WortArt| hat sich sichtlich Mühe gegeben, um die Hörspiele zu produzieren.

Durch die Bank konnten Oliver Döring und sein Team sämtliche Synchronsprecher der Filme ins Boot holen, und allein Philipp Moog als Obi-Wan Kenobi und Wanja Gerick als Anakin Skywalker sind genauso grandios wie in den Kinostreifen. Als Commander Cody beziehungsweise als dessen Klone brilliert wieder einmal Martin Kessler, der ansonsten Nicolas Cage oder Vin Diesel seine Stimme leiht. Besonders eindrucksvoll ist auch Friedhelm Ptok, der auch hier wieder Kanzler Palpatine verkörpert. Doch auch die Nebenrollen, welche nur in der literarischen Vorlage von James Luceno vorkommen, wurden von Döring ideal besetzt. So sind hochkarätige Sprecher und Schauspieler wie Dietmar Wunder, Raimund Krone, Matthias Haase und Karlheinz Tafel mit von der Partie und maßgeblich daran beteiligt, das Hörspiel zumindest stimmlich auf das Niveau der Filme zu heben.

Dasselbe gilt für die Effekte und die Musik, welche direkt den Filmen entnommen wurden und so für die richtige Atmosphäre sorgen. Ansager und Erzähler ist – wie schon in den Kinofilm-Adaptionen von |WortArt| – Joachim Kerzel. Dabei gebührt Oliver Döring ein riesiges Lob für das Skript, denn die meisten Szenen erklären sich selbst, so dass die Passagen nicht durch langwierige Monologe seitens des Erzählers gestört werden. Dem Hörspiel zugute kommt außerdem, dass die Vorlage von James Luceno frei von Albereien im Stile von Jar Jar Binks und dergleichen ist. Des Weiteren bleibt der Fan von Gefühlsduseleien verschont und bekommt das unverfälschte und originale |Star Wars|-Gefühl zu spüren. Ein würdiger Auftakt zu einem spannenden Dreiteiler.

Auch äußerlich macht das Hörspiel einen mehr als guten Eindruck und präsentiert eindrucksvoll das Konterfei des neuen Bösewichts General Grevious.

_Fazit:_

„Gunrays Geheimnis“ ist ein atemberaubendes Weltraum-Spektakel mit Wahnsinns-Effekten und echter Filmmusik. Erstklassige Synchronsprecher und eine packende Handlung machen dieses |Star Wars|-Hörspiel zu einem Erlebnis. Das sollte sich kein Fan entgehen lassen.

|55 Minuten auf 1 CD
ISBN 3-8291-1884-8 / 978-3-8291-1884-2|
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_Florian Hilleberg_

Klönne, Gisa – Nacht ohne Schatten (Lesung)

_Spannender Frauenkrimi, enttäuschender Vortrag_

Köln, kurz nach Mitternacht: Der Fahrer einer S-Bahn liegt erstochen neben seinem Zug. Wenig später wird in der Nähe eine bewusstlose junge Frau gefunden. Wer ist sie? Das Opfer von Menschenhändlern, eine Prostituierte? Stammt sie aus Osteuropa? Als Kommissarin Judith Krieger zusammen mit ihrem Kollegen Manni Korzilius die Ermittlungen aufnimmt, steigt Unbewältigtes wieder an die Oberfläche: ihre Vergangenheit im Frauenhaus, in dem sie als Jurastudentin jobbte. Und während Manni Judith immer weniger versteht, wittert ein anderer ihre Schwäche – jemand, der Frauen quält und auch vor Mord nicht zurückschreckt. Jemand, der Judith sehr gefährlich wird. (Verlagsinfo)

_Die Autorin_

Gisa Klönne wurde 1964 an einem unbekannten Ort geboren. Studium der Germanistik und Anglistik sowie Politologie, außerdem Theater- Film und Fernsehwissenschaften an in- und ausländischen Universitäten.

Nach erfolgreichem Abschluss Festanstellungen in verschiedenen Zeitschriftenredaktionen. Außerdem umweltpolitisch korrekt beim BUND (Bund für Umwelt und Naturschutz in Deutschland) in verschiedenen Bereichen tätig. Seit 1999 ist Gisa Klönne selbständig und beschäftigt sich neben der Mitarbeit in zahlreichen Verbänden mit dem Schreiben von Romanen und Herausgeben von Anthologien.

Sie hält Seminare zu Themen wie „Reportage und Porträt, Schreiben fürs Internet, Pressearbeit und Kreativ Schreiben“ und ist nicht zuletzt als Reisereporterin unterwegs. Zurzeit lebt Gisa Klönne in Köln und der nächste Krimi ist in Arbeit. (Alle Angaben stammen von der Webseite www.koeln-krimi.de und lassen sich unter der Autorenhomepage www.gisa-kloenne.de nachprüfen.)

Ebenso von Gisa Klönne:

1) [Der Wald ist Schweigen 2126
2) [Unter dem Eis 3047
3) [Nacht ohne Schatten“ 4857 (Buchausgabe)

_Die Sprecherin_

Maren Eggert ist seit 2000 festes Ensemblemitglied am Hamburger Thalia-Theater. Sie erhielt 2002 den Boy-Gobert-Preis der Körber-Stiftung und wurde 2007 mit dem Ulrich-Wildgruber-Preis ausgezeichnet. Einen Namen als Film- und Fernsehschauspielerin machte sich Eggert u. a. in Oliver Hirschbiegels Film „Das Experiment“ und im Kieler „Tatort“. (Verlagsinfo)

Regie führte Margrit Osterwold. Die Aufnahme fand im Eimsbütteler Tonstudio im Dezember 2007 statt.

_Handlung_

Samstagmorgen nach Dreikönig. Dr. Ekaterina Petrowa ist froh, dass sie in Köln arbeiten darf. So eine schöne, aufgeräumte Stadt, und eine Aufenthaltsgenehmigung hat sie auch. Sie arbeitet am Rechtsmedizinischen Institut der Uni, aber zu ihrem Leidwesen muss sie auch das Frauenhilfe-Projekt ihrer Vorgängerin übernehmen: „gegen häusliche Gewalt“. Na ja, wenn sie ihren Job behalten will, so hat ihr Chef Karl-Heinz Müller ihr klargemacht, muss sie auch dies übernehmen. Obwohl sie eigentlich noch keinen Draht zu den deutschen Frauen und ihrer Mentalität hat. Denn aufgewachsen ist Ekaterina auf einer einsamen Strafgefangeneninsel im Weißen Meer vor der Halbinsel Kola. Ihre Vorfahren waren Samen, darunter sogar eine waschechte Schamanin. Ihr Vater erschlug im Suff ihre Mutter, einen Tag vor Ekaterinas sechstem Geburtstag. Das war das Ende ihrer Kindheit.

Eine große Frau spricht sie an und fleht um Hilfe. Sie nimmt sie erstmal mit ins Büro und fragt nach ihrem Namen. Sie soll sie „Ines“ nennen, sagte die große, sehr schlanke Frau. Als sie sie untersucht, stößt Ekaterina auf Spuren von schwerer Misshandlung, ja, sogar von Vergewaltigung. Auf dem Unterkleid sind Blutstropfen. Ist es ihr eigenes Blut? Ekaterina schaltet wegen ihrer Unerfahrenheit nicht schnell genug. „Ines“ ist schon wieder verschwunden, kaum dass Ekaterina ihr geraten hat, zur Polizei zu gehen. Wenn doch Ines an keiner Stelle verwundet ist, von wem stammt dann das Blut?

Kurz nach Mitternacht reißt das Klingeln des Telefons Kriminalhauptkommissarin Judith Krieger aus üblen Albträumen, in denen sie ein rätselhafter Satz verfolgt: „Jetzt weißt du, wie es ist.“ Die Dienststelle meldet den Fund eines toten S-Bahnfahrers im Gewerbepark. Sie fährt sofort hin. Auch ihr Kollege Manni Korzilius wird aus dem Schlaf gerissen, aber erst um acht Uhr, und dann auch noch angenehmerweise von seiner Freundin Sonja. Trotzdem müssen beide raus in den strömenden Regen.

Die Obduktion des korpulenten Toten, der als Wolfgang Berger identifiziert worden ist, durch die Rechtsmediziner Müller und Petrowa ergibt: elf Einstiche mit einem einschneidigen Schneidewerkzeug. Später findet Dr. Petrowa einen Abdruck neben Einstich Nummer fünf: Die Klinge hat ein Parierelement, damit der Daumen nicht auf die Klinge rutschen kann. Solche Messer gibt’s nicht oft, finden die Kriminaler heraus. Und die Einstiche sind gewiss keine Profiarbeit. Ein Mord im Affekt wohl eher. Wolfgang Bergers Wohnung ist die eines einsamen Mannes: voller nackter Frauen an den Wänden.

Gleich neben dem Fundort erstreckt sich eine alte Fabrikhalle, in der nun die subventionierten Ateliers von Künstlern untergebracht sind. Hier sucht Judith Krieger nach möglichen Zeugen der Tat. Die Bildhauerin Thea Marcus scheint etwas zu verbergen, findet Judith, doch als Täterin kommt sie wohl kaum in Frage, denn die Frau hat seit einem Autounfall – sie wurde angefahren – ein kaputtes Knie und geht am Stock. Sie berichtet von ihrer Kollegin Nada, mit bürgerlichem Namen Nanette Danner, die ihr Atelier nebenan habe: eine viel bewunderte Performance-Künstlerin. Aber wo sich Nada aufhalte, könne sie beim besten Willen nicht sagen. Aber sie werde bald zu einer Benefizgala erwartet. Da fällt Judiths Blick auf die Holzskulpturen. Haben Bildhauer nicht auch Schnitzmesser?

Am Sonntag erneuter Alarm: In einer Pizzeria unweit der S-Bahn-Gleise brennt es. Die Feuerwehrmänner finden die verkohlte Leiche eines Mannes, der mit Handschellen gefesselt ist. Und in einem ehemaligen Luftschutzkeller liegt eine komatöse junge Frau, die höchstens 18 Jahre alt ist. Als Judith die Schachteln Kondome und Kleenex sieht, ist ihr sofort klar, dass die Frau wohl eine Prostituierte sein muss. Und sie wurde vergewaltigt und gefoltert, außerdem hat sie Tuberkulose, eine typisch russische Krankheit. In Wolfgang Bergers Brieftasche findet Manni Tage später das Foto dieser Frau: „Für Wolfi, Svetlana“ steht auf der Rückseite. Eine erste Spur.

Kam Svetlana allein nach Deutschland? Unwahrscheinlich. Wandte sie sich an Frauenhilfeorganisationen? Judith erinnert sich mit schlechtem Gewissen an ihre eigene Zeit in einem Frauenhaus, wo sie als Studentin jobbte. Sie schloss Freundschaft mit der Psychologin Cornelia Offinger, die von ihr erwartete, nach dem Jurastudium Anwältin zu werden und die Aktion „Frauen für Frauen“ aufzubauen. Vor 15 Jahren verließ Judith die Organisation, um Polizistin zu werden. Es war eine Art Verrat, aber auch die bessere Alternative, findet sie. Nun geht sie zurück zu Cornelia, um die Svetlanas zu finden.

_Mein Eindruck_

Gewalt gegen Frauen in Deutschland ist das Hauptthema dieses neuen Klönne-Krimis, und die Autorin schickt ihre Protagonistin Judith Krieger in einen unauflösbaren Konflikt. Denn diesmal soll Judith herausfinden, woher Svetlana und ihre Schicksalsgenossinnen gekommen sind und wem sie in Deutschland in die Hände fielen. Das stellt sich als schwieriger heraus als erwartet. Denn die Zwangsprostitution ist straff durchorganisiert von global operierenden Menschenhändlern, die jedes Jahr 30.000 Frauen als „Frischfleisch“ nach Deutschland einschleusen. Warum hört man nichts mehr von ihnen? Weil die Frauen so verängstigt und massiv unter Druck gesetzt werden, dass sie keinen Mucks mehr von sich geben, wenn sie ihre Arbeit verrichten müssen. Ein mitfühlender Freier wie Wolfgang Berger, Svetlanas Freund, ist da schon eine Art Lichtblick.

Lichtblick in einer Schattenwelt, die sozusagen unter dem Radar der Polizeibehörden lebt. Und sollte doch einmal einer dieser Sexsklavinnen die Flucht gelingen, so versteckt sie sich in einer Frauenhilfeorganisation, wenn sie Glück hat. Und zwar sowohl vor ihren ehemaligen „Besitzern“ als auch vor der Polizei, die meist nichts Eiligeres zu tun hat, als eben diese Mädchen, da illegal eingereist, wieder in ihre Herkunftsländer abzuschieben, wo sie dann erneut eingefangen und versklavt werden.

Judith hat den Kontakt zu so einer Versteckten nur über ihre alte Freundin Cornelia erhalten. Wenn sie das Vertrauen Cornelias und der Versteckten nicht verraten soll, dann darf sie diese Quellen auch nicht an die Polizei ausliefern. Dass sich Judith so stur anstellt, findet ihr Chef Millstedt alles andere als konstruktiv und witzig – er suspendiert sie vom Dienst, bis sie es sich anders überlegt. Manni, ein Zeuge dieser ungewöhnlichen Szene, ist konsterniert. Allerdings verhält er sich dann auch ein wenig treudoof: Statt Judith zu helfen, den wahren Mörder zu finden, verlässt er sich darauf, dass Svetlanas Zuhälter schon reden werde – Pustekuchen! Und so hält er wie ein braver Deutscher Schäferhund Wache an Svetlanas Krankenbett, damit die Zeugin nicht abgemurkst wird. Mit ausgeschaltetem Handy …

Trickreich gelingt es Gisa Klönne, drei verschiedene Erzählstränge miteinander zu verknüpfen. Dazu gehören das weitere Schicksal von „Ines“, deren sich Ekaterina Petrowa annimmt, aber auch, wie sich zeigt, zwei verschiedene Fälle, denen Judith nachgeht. Der eine dreht sich um Svetlana und Wolfgang Berger, doch der andere nimmt seinen Ausgang in der „Kunstfabrik“ und dreht sich um eine Stütze der Gesellschaft. Daraus ergibt sich dann unversehens die Verbindung zu „Ines“.

Denn besagte männliche „Stütze der Gesellschaft“ ist der werte Gatte, Vergewaltiger und Misshandler von „Ines“. Hier spiegelt sich das, was Judith schon in der Schattenwirtschaft unter den Zwangsprostituierten gefunden hat: dass sich verheiratete Frauen erniedrigen und ausbeuten lassen, ohne dagegen aufzubegehren. Vielmehr geben sie sich sogar noch selbst die Schuld daran: Sie seien „nicht gut genug für ihn“ und hätten es nicht anders verdient. Klingt wie eine Klage der Schwiegermutter über die unzureichende Schwiegertochter.

Durch diese Spiegelung der Ausbeutung erst im illegalen Lager der Frauen auf das Lager der angeblich „ehrbaren“ Ehefrauen legt die Autorin auf deutliche Weise nahe, dass es für beide Lager höchste Zeit wäre, sich zu solidarisieren. Herbeiführen könnte dies eine Gruppe wie „Frauen für Frauen“ oder das Frauenprojekt gegen häusliche Gewalt, das nun Ekaterina Petrowa leitet. Doch durch ihr Sprachrohr Judith Krieger erfahren wir von der Autorin, dass diese Solidarität eine Utopie ist. Denn selbst unter geprügelten Frauen gebe es Verräterinnen und Kollaborateurinnen – sie benutzt wirklich dieses Kriegsvokabular -, was es den Aktivistinnen schwer, wenn nicht sogar unmöglich macht, Erfolge zu erringen. Und sei es auch nur der Schutz verfolgter Frauen.

Wie man sieht, ist der Roman von Anfang bis Ende eine einzige Anklage gegen diese Missstände in der spezifisch deutschen Gesellschaft. Laut der von Klönne angeführten EU-Statistik hat jede vierte (!) deutsche Frau Erfahrung mit häuslicher Gewalt gemacht. Damit befindet sich Deutschland auf dem Niveau der Slowakei und Zyperns. Ich persönlich glaube, dass in Zeiten der zunehmenden Armut diese Zahlen noch drastisch steigen werden, denn je weniger Mittelschicht es gibt und je größer die wirtschaftliche Not in der sogenannten Unterschicht, desto größer die Tendenz, Frauen in jeder Hinsicht auszubeuten. Und wo Frauen ausgebeutet werden, sind als zweite Leidtragende deren Kinder betroffen. Diesen Zustand der deutschen Gesellschaft bezeichnet das poetische Bild von der „Nacht ohne Schatten“ zusammen. Denn Schatten gibt es nur, wo auch Licht ist.

|Die Sprecher|

Maren Eggert gelingt es nicht, ihre Stimme in signifikantem Maß zu modulieren, um die Figuren zu charakterisieren. Sie kann jedoch ihren stimmlichen Ausdruck so variieren, dass sie zumindest den emotionalen Ausdruck einer Figur darstellen kann. „Ines“ beispielsweise fleht Ekaterina an, ihr zu helfen, und flüstert mitunter. Sehr häufig habe ich einen resignierten, enttäuschten Tonfall unter den weiblichen Figuren vernommen: von „Ines“ sowieso, aber auch von Thea Marcus. Und von Judith hört man oft den Ausdruck von Verbitterung, Wut und Frust. Einziger Lichtblick ist die weibliche Solidarität, die sie mit Cornelia Offinger realisieren kann. All dies ist ein wenig stereotyp. Gleiches gilt für die männlichen Figuren, die entweder Sturköpfe wie Millstedt, Dumpfbacken wie Manni oder Lachbomben wie Karlheinz Müller sind.

Ihre stärksten Momente hat Maren Eggert zweifelsohne, wenn sie ganz eindringlich eine innere Landschaft malt und dem Hörer eröffnen darf, so etwa die intensiven Erinnerungen Ekaterinas an ihre Gefängnisinsel oder Judith Kriegers Albträume. (Am Schluss weiß Judith endlich, was der Traumsatz „Jetzt weißt du, wie es ist“ bedeutet: Sie weiß, wie es ist, eine wehrlose, geschlagene und ausgebeutete Frau in Deutschland zu sein.) Der letzte Satz ist ebenfalls ein Monolog und stammt weder von Judith noch Ekaterina, sondern von Svetlana – eine Überlebende. Wenigstens eine.

_Unterm Strich_

Seit ihren beiden ersten Romanen „Der Wald ist Schweigen“ (die Vorfälle werden in „Nacht ohne Schatten“ kurz angerissen) und „Unter dem Eis“ hat die Autorin ihr anspruchsvolles Niveau halten können, nicht dem Druck der Popularität nachgegeben. Sie gräbt stattdessen immer tiefer in Judith Kriegers Vergangenheit und verbindet ihre Protagonistin stets auf einer persönlichen Ebene mit den Fällen, die sie zu untersuchen hat. Denn sie trennt Arbeit der Strafverfolger nicht in Bürokratie, Ermittlung und Judikative (Staatsanwalt), sondern macht die Ermittlung stets zu einer persönlichen, menschlichen Erfahrung, die keinen Ermittler unverändert lässt. Der Krimi wird so zum modernen Bildungsroman. Das war schon bei Mankells Kurt Wallander so und bei Nessers Van Veeteren.

Diesmal hat Klönne ein heißes Eisen namens Ausbeutung von und Gewalt gegen Frauen in Deutschland angefasst. Mit einiger Glaubwürdigkeit, die die Öffentlichkeit wohl nur einem weiblichem Krimiautor zugute hält, stellt sie grausame, menschenverachtende Verhältnisse bloß, die anscheinend die Billigung eines dominanten Teils der Gesellschaft genießen. Und wenn man die Chats liest, in die sich Judiths Kollege Manni wagt, so weiß man ziemlich schnell und genau, welche Kreise dies sind. Die Autorin schert nicht alle Freier über einen Kamm, das wäre ja unvernünftig, sondern weiß zu differenzieren. Aber so wie jede andere Art von Geschäft hierzulande realisierbar ist, solange es Kohle bringt, gilt dies auch für die Ausbeutung von Frauen, gleichgültig ob in einem Puff oder in einer Villa im feinsten Kölner Vorort.

|Das Hörbuch|

Maren Eggerts Vortrag empfand ich als spannungslos, eintönig und ohne jede Charakterisierung. Aus welchem Grund die junge Schauspielerin mit Preisen überhäuft wurde, erschließt sich dem Hörer in keiner Weise. Ihre stimmliche Ausdrucksfähigkeit kann jedenfalls nicht der Grund gewesen sein. Am besten funktioniert ihr Vortrag bei der Beschreibung innerer Landschaften und Zustände. Würde sie Proust vortragen, wäre sie dafür hervorragend geeignet. Weil auch der Text um einiges gekürzt worden sein muss, würde ich die Lektüre des Buches empfehlen.

|314 Minuten auf 4 CDs
ISBN13: 978-3-89903-494-3|
http://www.hoerbuch-hamburg.de
http://www.gisa-kloenne.de

Luceno, James / Döring, Oliver – Star Wars – Dark Lord. Teil 1: Die letzten Stunden der Klon-Kriege

Kanzler Palpatine ist es gelungen, zum Imperator aufzusteigen, und Anakin Skywalker wurde zum Sith-Lord Darth Vader. Nur wenige Jedi-Ritter überlebten den verhängnisvollen Befehl 66, der alle Klon-Krieger veranlasste, die Jedis zu vernichten. Zu den Überlebenden gehören auch die Jedi-Meister Roan Shryne und Bol Chatak sowie ihr Padawan Olee Starstone. Und das auch nur, weil einer der Klonkrieger den direkten Befehl 66 hinterfragt und verweigert hat.

Doch nun werden die drei Jedis erbarmungslos gejagt. Nur wenn sie ihre medialen Fähigkeiten nicht anwenden und ihre Lichtschwerter wegwerfen, haben sie eine Chance, den imperialen Truppen zu entkommen. Schließlich werden sie dennoch gefangen genommen, obwohl niemand ahnt, wer ihnen da in die Hände gefallen ist. Plötzlich erscheint Palpatines neue rechte Hand auf dem Planeten: Darth Vader. Bol Chatak fordert den Sith zum Duell, denn sie hat als Einzige ihr Lichtschwert behalten. Ein erbarmungsloses Duell beginnt …

_Meine Meinung:_

Mit diesem Hörspiel startet |WortArt| eine neue vielversprechende Kurzserie nach einem weiteren Bestseller des versierten |Star Wars|-Autors James Luceno. Die Handlung setzt unmittelbar nach „Episode III“ ein und überschneidet sich sogar mit dieser. Torsten Michaelis als Roan Shryne und Claudia Urbschat-Mingues als Bol Chatak geben überzeugende Jedi-Ritter ab, ebenso wie Marie Bierstedt, die die junge Padawan darstellt. Gerade Letztere beweist einmal mehr ihre Vielseitigkeit. Für das Label |Titania Medien| steht sie immerhin als „Anne“ vor dem Mikro. Als Darth Vader brilliert Rainer Schöne, der bereits am Ende von „Epsiode III“ den Bösewicht stimmlich verkörperte. Friedhelm Ptok spielt abermals den Kanzler Palpatine beziehungsweise den Imperator Darth Sidious, während die Klon-Krieger überzeugend und authentisch von Martin Kessler gesprochen werden. Diese drei Mimen sind hingegen schon sämtliche Charaktere, die man aus den Kinofilmen kennt.

Die Protagonisten sind neu und unverbraucht, bringen frischen Wind in die Galaxis und konnten von dem Autor Luceno völlig frei interpretiert und ausgebaut werden, was letztendlich nicht nur dem Roman, sondern auch dem Hörspiel zuträglich ist. Die Handlung entwickelt sich sehr rasant, und gerade die Klon-Krieger werden von stupide agierendem Kanonenfutter zu eigenständig denkenden Wesen. In Sachen Effekte hat |WortArt| bereits in den frühen |Star Wars|-Produktionen bewiesen, dass sie den Filmen in nichts nachstehen. Auch bei der vorliegenden Folge hat man das Gefühl, einen Science-Fiction-Blockbuster im CD-Player zu haben. In Punkto Humor knüpft das Hörspiel ebenfalls an die Leinwand-Produktion an und vermittelt vor allem durch die panischen Kommentare der Droiden ein Gefühl der Heiterkeit. Gesprochen wurden die kriegerischen Gesellen übrigens von dem Comedian Hennes Bender, der bereits Hörspielerfahrung gesammelt und in der Serie „Caine“ einen überzeugenden Gastauftritt hatte. Dass sich einer der größere Kampfdroiden mit seiner dumpf verzerrten Stimme eher wie ein verirrter Dämon aus den „John Sinclair“-Episoden anhört, sei |WortArt| an dieser Stelle verziehen, denn was den Hörer in dieser Folge erwartet, ist |Star Wars| pur, und man kann es kaum erwarten, den zweiten Teil einzulegen.

Das Layout passt sich der literarischen Vorlage an und zeigt das Buchcover als vergrößerten Ausschnitt. Darüber hinaus gibt es sowohl auf der Rückseite des Booklets als auch unter der CD im Jewel Case Illustrationen von Vader – das zeigt dem Hörer unmissverständlich, um wen es in dieser Produktion letztendlich geht.

_Fazit:_

„Die letzten Stunden der Klon-Kriege“ ist eine Spitzenfolge und ein fulminanter Auftakt zu der neuen |Star Wars|-Serie aus dem Hause |WortArt|. Die Macher, allen voran Oliver Döring, haben wieder alle Register gezogen, um dem Fan das echte Krieg-der-Sterne-Gefühl zu vermitteln, was ihnen wahrlich gelungen ist.

|Star Wars|-Hörspielumsetzungen auf |Buchwurm.info|:

[„Episode I: Die dunkle Bedrohung“ 1293
[„Episode II: Angriff der Klonkrieger“ 1305
[„Episode III: Die Rache der Sith“ 4534
[„Episode IV: Eine neue Hoffnung“ 686
[„Episode V: Das Imperium schlägt zurück“ 689
[„Episode VI: Die Rückkehr der Jedi-Ritte“ 694
[„Labyrinth des Bösen, Teil 1: Gunrays Geheimnis“ 3291
[„Labyrinth des Bösen, Teil 2: Darth Sidious auf der Spur“ 3292
[„Star Wars: Labyrinth des Bösen“ (Teil 1-3: Das komplette Hörspiel) 4794

|55 Minuten auf 1 CD
ISBN13: 978-3-931780-94-4|
http://www.WortArt.de
http://www.karussell.de
http://de.wikipedia.org/wiki/Star__Wars
http://www.starwars-union.de
http://www.starwars.com
http://www.jedipedia.de
[Interview mit Oliver Döring zum Hörspiel „Dark Lord“]http://www.starwars-union.de/index.php?id=interview%3Cb%3Eoliverdoering%3C/b%3E%3Cb%3E08

_Florian Hilleberg_

Poe, Edgar Allan / Hala, Melchior / Sieper, Marc / Hank, Dickky / Weigelt, Thomas – Landors Landhaus (POE #27)

Edgar Allan Poe und Leonie Goron möchten nach ihrer Rückkehr nach Amerika schnellstmöglich heiraten. Zu diesem Zweck mieten sie das Landhaus des wunderlichen alten Mr. Landor. Bald schon offenbart das Landhaus ein düsteres Geheimnis, und Landor gesteht, dass auf dem Haus ein alter Fluch lastet. Doch auch Leonie Goron hat einiges vor ihrem Geliebten Poe verheimlicht, und abermals verzweifelt der gepeinigte Mann beinahe an der erdrückenden Last der Wahrheit …

_Meine Meinung:_

Nach dem ruhigen Beginn der 7.Staffel in Folge 26 geht es in diesem Hörspiel ebenso ruhig weiter, allerdings um einiges mysteriöser. Was sich in [„Die Flaschenpost“ 4946 bereits andeutete, wird in „Landors Landhaus“ zur Gewissheit, nämlich dass dieser Zyklus sich eingehend mit der Vergangenheit und dem Mysterium um Leonie Goron beschäftigt, die in der vorliegenden Folge schon sehr deutlich durchscheinen lässt, dass sie ihren Gefährten Poe bereits einige Male belogen hat. Aus welcher Absicht heraus, ist sowohl für den Hörer als auch für Poe ungewiss.

Dieser Umstand ist einer der herausragenden Faktoren dafür, dass die Serie so erfolgreich ist und die Spannung erhalten bleibt, sich im Gegenteil sogar von Folge zu Folge steigert. Der Hörer ist im Wesentlichen auf dem gleichen Wissenstand wie der Protagonist und muss wie Poe Stück für Stück des Puzzles zusammentragen, um am Ende vielleicht ansatzweise zu erahnen, was auf ihn zukommt. Viel mit den Kurzgeschichten Poes hat auch dieses Hörspiel nicht gemein, was der Qualität der Produktion und der Handlung aber keinen Abbruch tut.

Neben den Hauptdarstellern brilliert in dieser Folge Peter Schiff als Landor, der bereits in unzähligen Hörspiel- und Filmproduktionen mitwirkte, unter anderem als Stimme des Computers HAL in „2001: Odyssee im Weltraum“. Musik und Effekte bewegen sich auf sehr hohem Niveau, wobei Letztere eher sparsam eingesetzt wurden, was allerdings an der ruhigen Handlung liegt. Ein besonderer Genuss ist auch bei dieser Episode der grandiose Bonustrack mit dem Lied „Elenore“, gesungen von Schauspiel-Legende Christopher Lee.

Die Aufmachung mit dem bizarren, verwachsenen Baum im Vordergrund ist wieder ein Meisterstück der Schwarzweiß-Fotografie. Darüber hinaus hat das Booklet im Vergleich zum Vorgänger nichts Neues zu bieten.

_Fazit:_

Knapp eine Stunde lang wird der Hörer in gewohnter Qualität spannend unterhalten und der neue Zyklus kommt langsam aber sicher in Fahrt. Wie nicht anders zu erwarten, werden zunächst mehr Fragen aufgeworfen als neue Erkenntnisse offenbart. Das erhöht natürlich die Spannung, und einmal mehr wird dem Hörer bewusst, dass es nichts bringt, sich eine Folge dieser Serie herauszupicken. Die Komplexität und das Niveau der Hörspiele kommen erst in ihrer Gesamtheit vollends zur Geltung.

|58 Minuten auf 1 CD|
http://www.poe.phantastische-hoerspiele.de
http://www.luebbe-audio.de

_Florian Hilleberg_

Peter Lerf, Martin Sabel, Jan-Soeren Haas – Der Unendliche

_Handlung:_

Kathie und ihre Freunde wollen eine unbeschwerte Party in einer einsamen Hütte im Wald feiern. Um einige Sachen wie Lebensmittel und Alkohol zu besorgen, fährt die junge Frau einen Tag früher los. Als der Rest der Clique schließlich eintrifft, sind Kühlschrank und Speisekammer zwar gut gefüllt, doch von Kathie fehlt jede Spur: Diese wurde von einem geheimnisvollen Fremden namens Gorga entführt und in einer Höhle gefesselt, wo er ihr offenbart, was er wirklich ist.

Bereits vor mehr als 500 Jahren trieb er sein Unwesen und führte eine junge Frau in Versuchung, die als Hexe gebrandmarkt, gefoltert und schließlich hingerichtet wurde. Gorga, ein unsterblicher Dämon, ist einsam und langweilt sich. Verzweifelt sucht er eine Gefährtin, welche er für seine dunklen Triebe benutzen kann.

Um Kathies Willen zu brechen, beginnt der dämonische Gorga ein tödliches Spiel mit ihren Freunden …

_Meine Meinung:_

„Der Unendliche“ ist eine Koproduktion der Labels |Gigaphon Entertainment| und |Pandoras Play|. Erstere ist eine sehr junge Firma des Schauspielers Martin Sabel sowie des Autors und Produzenten Peter Lerf, die demnächst mit ihrer neuen Fantasy-Serie „Dragonbound“ startet. |Pandoras Play| hat sich bereits mit innovativen Serien wie „U-666“, „Das dunkle Meer der Sterne“ oder auch „Schattensaiten“ und „Grüße aus Gehenna“ einen Namen gemacht.

Das vorliegende Hörspiel ist eine in sich abgeschlossene Gruselgeschichte, die von Peter Lerf geschrieben wurde. Das Drehbuch ist intelligent, originell und legt den Sprechern realistische Dialoge in den Mund, die sich nie gekünstelt oder konstruiert anhören. Lediglich mit der Clique Jugendlicher, die in einer einsamen Waldhütte Party machen will und nach und nach dezimiert wird, bedienen die Macher das gängige Klischee der Teenie-Horror-Filme à la „Halloween“, „Scream“ oder „Prom Night“.

Allerdings geht es hier nicht nur um einen Killer, der seine perversen Veranlagungen auslebt: Hauptperson und Antagonist dieses 150-minütigen Hörvergnügens ist Gorga, der Unendliche, ein Dämon, der eine geeignete Gefährtin sucht und ein perfides Spiel mit seinen Opfern treibt. Dargestellt wird der hinterhältige Bösewicht eindringlich und realistisch von Martin Sabel. Der Schauspieler ist im Audio-Bereich vor allem als der Magier Masoy aus den „Drizzt“-Hörspielen von |Lausch – Phantastische Hörspiele| bekannt, oder auch als böser Zauberer Kaskaras aus dem Debüthörspiel „Legend – Hand of God“ des Labels |Weirdoz|. Und genauso wie in den eben erwähnten Produktionen liefert der Mime eine eindrucksvolle Arbeit ab und verleiht dem Charakter mit seiner markanten und dunklen Stimme sehr viel Tiefe und Lebendigkeit. Die Emotionen des Dämons werden von Sabel hervorragend transportiert, und die Arroganz und Hochmütigkeit dieses Wesens, das so viel älter ist als die Menschen, kommen perfekt zur Geltung. Auch der trockene, bissige Humor dieser Figur wirkt keinesfalls aufgesetzt und animiert an der einen oder anderen Stelle zum Lachen, ohne dass die Ernsthaftigkeit der Handlung in Frage gestellt würde oder gar die Spannung darunter litte.

Als Protagonistinnen stehen Martin Sabel die Sprecherinnen Roswitha Schreiner und Malah Helman zur Seite; beides junge, talentierte Schauspielerinnen aus Berlin, die auch im vorliegenden Hörspiel eine unglaublich gute Vorstellung liefern und so manchen Kollegen alt aussehen lassen. Die Darstellung der jungen Frau Kathie oder des Mädchens LeeAnn, welches als Hexe verurteilt wird, gelingt den beiden Damen jedenfalls hervorragend. Erzähler ist in diesem Hörspiel Markus Haase, der leider an einigen Stellen ein wenig hölzern und emotionslos spricht, aber im Großen und Ganzen dennoch eine ordentliche Arbeit erledigt. Erwähnenswert ist auf alle Fälle noch Erik Hansen, der den Richter O’Leary spielt, welcher den Prozess gegen LeeAnn leitet. Die herrische, ungeduldige und selbstgefällige Art dieses Charakters wird von Hansen mit seiner tiefen Stimme authentisch wiedergegeben und man merkt, wie er sich in seine Rolle hineingedacht hat. Leider hat die Handlung einige Längen und zieht sich stellenweise erheblich, vor allem auf der ersten CD.

In Punkto Effekte und Hintergrundgeräusche kann „Der Unendliche“ ebenfalls auf ganzer Linie überzeugen. Die Szenerie wird immer von angemessenen und realistischen Backgroundsounds begleitet, wie beispielsweise dem Zwitschern von Vögeln, dem Zirpen von Grillen oder auch dem Murmeln von Stimmen. Die Musik ist ein wahrer Ohrenschmaus, und vor allem der Song am Ende der Story ist wirklich gelungen und passt ideal zum Abspann.

Lediglich in Sachen Layout ist das Hörspiel sehr einfach gehalten und zeigt eine Grafik, die zwar passend zum Inhalt ist, aber ansonsten kaum als einfallsreich bezeichnet werden kann. Dennoch: Hörspielfans auf der Suche nach einer spannenden Gruselgeschichte werden durch das bösartige Augenpaar sicherlich neugierig gemacht und schlussendlich ja mit einer interessanten und großartig inszenierten Story belohnt.

_Fazit:_

Das Einzelhörspiel von |Gigaphon| ist eine intelligente Gruselmär, die in Story und Handlungsablauf neue Wege beschreitet und interessante Charaktere zu bieten hat, welche von hochprofessionellen Sprechern verkörpert werden. Vor allem Martin Sabel, Roswitha Schreiner und Malah Helman spielen ihre Rollen grandios. Musik und Hintergrundgeräusche sind von allererster Güte. Nur die Handlung wirkt in den 150 Minuten Spielzeit zum Teil sehr ausgewalzt und die Teenie-Party in der Waldhütte erinnert stark an einschlägige Filme.

150 Minuten auf 2 CDs
www.pandorasplay.de

Florian Hilleberg

Hrissomallis, Simeon – Faith – The Van Helsing Chronicles: Wendepunkt (Season 1 – Episode 11)

Episode 1: [„Die Zusammenkunft“ 4811
Episode 2: [„Verwandlungen“ 4826
Episode 5: [„Dämonische Leidenschaft“ 4833
Episode 6: [„Ravens Geheimnis“ 4850
Episode 10: [„Das Böse im Menschen“ 4910

Faith erfährt, dass ihr Vater immer noch am Leben ist und als welche Person er sich all die Jahre ausgegeben hat.

Während die junge Frau ihr Leben wieder in geordnete Bahnen zu bringen versucht, reisen Christopher Lane, Shania und Vin in einen kleinen Ort, in dem vor genau einhundert Jahren ein Kindermörder hingerichtet wurde. Vor seinem Tod stieß er einen grauenhaften Fluch aus, dass er zurückkehren würde. Ein toter Friedhofswächter scheint ein erster Hinweis auf die Rückkehr des Teufelsdieners zu sein, und als Christopher Lane und seine Kameraden den nächtlichen Totenacker inspizieren, bekommen sie es mit einer Kreatur zu tun, wie sie ihnen noch nicht begegnet ist …

_Meine Meinung:_

In dieser Episode erfährt der Hörer wichtige Fakten über Faiths Vater sowie über die wahre Identität einiger Hauptfiguren. Vor der großen Abschluss-Trilogie wird es somit noch einmal richtig spannend, und neben einer packenden Handlung geben sich einmal mehr die ganz großen Sprecher der Hörspiel- und Synchronbranche die Klinke in die Hand. Angefangen beim Stammpersonal: Nana Spier, David Nathan, Thomas-Nero Wolff, Boris Tessmann und Dorette Hugo. Weiter geht es mit Martin Kessler, Udo Schenk, Torsten Michaelis, Lutz Riedel und Oliver Rohrbeck. All diese Mimen sind mit viel Engagement bei der Sache und liefern erstklassige Arbeit ab. Allerdings kann das ständige Selbstmitleid von Faith auf die Dauer etwas enervierend sein. Dafür kommen die Vin-Masters-Fans voll auf ihre Kosten, denn erstmals darf der Bursche zeigen, was wirklich in ihm steckt.

Besonders eindrucksvoll gelungen sind in dieser Folge die Effekte, vor allem als der dämonische Baum mit seinem Wurzelwerk angreift. Darüber hinaus strotzt das Hörspiel vor versteckten Anspielungen auf die alte |John Sinclair|-Hörspielserie. Die Szene zu Beginn mit dem Kindermörder erinnert an das Kulthörspiel „Die Teufelsuhr“, während die Albereien während des Kampfes mit den Echsenmonstern als satirische Einlage zu verstehen sind. Den Namen Jeff Denver kennen |Sinclair|-Fans aus dem Tonstudio-Braun-Tape „Das Horror-Taxi von New York“.

Das Cover ist dagegen allerhöchstens als durchschnittlich zu bewerten und bereitet den Hörer in keiner Weise darauf vor, welch gelungenes Hörspiel ihn erwartet.

_Fazit:_

„Wendepunkt“ ist eine spannende Folge, die vor dem abschließenden Dreiteiler der ersten Staffel noch einmal alle Register zieht. Sprecher, Musik und Effekte sind von allererster Güte und machen auch die elfte Folge der Van-Helsing-Chroniken zu einem kurzweiligen Hörvergnügen. Wenn auch nicht unbedingt das ganz große Kino für die Ohren, wie auf dem Backcover angekündigt, so bietet |Faith| doch immerhin eine perfekte TV-Serie für die Lauscher. Leider erfordert auch diese CD Vorwissen seitens des Zuhörers.

_Besetzung:_

Faith Van Helsing: Nana Spier (Sarah Michelle Gellar, Claire Danes, Drew Barrymore)
Shania Francis: Dorette Hugo (Jennifer Garner, Christina Ricci in „Ally McBeal“)
Melvin Masters: Boris Tessmann (David ‚Angel‘ Boreanaz)
Hunter: Udo Schenk (Ray Liotta, Ralph Fiennes, Kevin Bacon, Gary Oldman, Jeffrey Combs …)
Christopher Lane: Thomas-Nero Wolff (Hugh Jackman, Jason Statham, Anthony ‚Giles‘ Head)
Raven: David Nathan (Johnny Depp, Christian Bale, James ‚Spike‘ Marsters)
Alex Christ: Torsten Michaelis (Wesley Snipes, Sean Bean)
Sheriff Langdon: Oliver Rohrbeck (Ben Stiller, Michael Rapaport)
Bürgermeister Murphy: Heiner Heusinger
Jack Wilburn: Jörg Ade
Nathan Pierce: Martin Keßler (Nicholas Cage, Vin Diesel)
Peter Franklin Denver: Lutz Riedel (Timothy Dalton, Richard Gere, Udo Kier, Sam ‚Holland Manners‘ Anderson)
Jeff Denver: Nils Weyland
Jim: Marco Sand
Brad: Santiago Ziesmer (Steve Buscemi, Tony Cox, Seth ‚Oz‘ Green)
Kristin: Carola Ewert (Selma Blair, Eliza ‚Faith‘ Dushku)
Direktor Arowic: Helmut Krauss (Marlon Brando, James Earl Jones, John Goodman, Jerry ‚Deep Throat‘ Hardin in „Akte X“)
Erzählerin: Barbara Stoll

|59 Minuten auf 1 CD|
http://www.rb-company.de
http://85.25.136.73/shop2/index.php?user=rbcompany

_Florian Hilleberg_

Smith, Tom Rob – Kind 44

Gerade in einem so überstrapazierten Genre wie der Kriminalliteratur stechen Autoren hervor, die mit einem ungewöhnlichen Handlungsort oder der Verlagerung des Plots in eine literarisch eher weniger beachtete Epoche einen zusätzlichen Anreiz zur Lektüre schaffen. Zu diesen Autoren gesellt sich auch der Brite Tom Rob Smith mit seinem Erstlingswerk „Kind 44“.

„Kind 44“ spielt im Russland der Stalin- bzw. Nach-Stalin-Zeit. 1953 wird in Moskau auf den Bahngleisen die grausam zugerichtete Leiche eines kleinen Jungen gefunden. Doch in der Sowjetunion der damaligen Zeit gibt es offiziell keine Verbrechen, denn die würden schließlich belegen, dass das idealisierte Gesellschaftsbild des Kommunismus doch nicht so perfekt ist, wie alle glauben sollen. Warum sollte ein Mensch einen anderen töten, wo es doch allen prächtig geht und alle gleichwertig sind?

Der Mord wird also kurzerhand zum Unfall erklärt. Das Opfer war der Sohn eines MGB-Kollegen von Leo Demidow, dem nun die Aufgabe zufällt, der Familie klarzumachen, dass ihr Sohn beim einem tragischen Unfall starb und sie ihre Mordanschuldigungen dringend fallenlassen sollten, wenn ihnen Leib und Leben wichtig sind. Für den Geheimdienstoffizier Leo Demidow ist diese Angelegenheit eine eher lästige Unterbrechung seiner Jagd nach einem flüchtigen Verräter.

Doch im Laufe der Jagd nach dem flüchtigen Verräter gerät auch Leo plötzlich ins Fadenkreuz seiner MGB-Kollegen, und so wird ihm die unangenehme Aufgabe aufgedrückt, seine eigene Ehefrau zu denunzieren. Leo steckt in der Zwickmühle, steht aber zu seiner Frau Raisa und bekommt postwendend die Quittung: Versetzung und Degradierung.

Fortan hockt Leo also in der Provinz als kleiner Milizposten, und als dort eine ähnlich zugerichtete Leiche gefunden wird wie seinerzeit in Moskau, beschleichen Leo Zweifel an der Unfalltheorie, an die er früher noch so gerne geglaubt hat. Auf eigene Faust fängt er an zu ermitteln und bringt damit nicht nur sich selbst, sondern auch seine Frau in höchste Gefahr …

„Kind 44“ ist ein Krimi, der über die Grenzen des Genres hinausgeht. Nicht der eigentliche Krimiplot macht dabei den Reiz aus, sondern das Drumherum. Tom Rob Smith liefert mit „Kind 44“ eben keinen reinen Krimi ab, sondern darüber hinaus eine Bestandsaufnahme Russlands zur Zeit Stalins und kurz nach dessen Tod.

Anhand der Figur des Leo Demidow lässt Smith den Leser auf beide Seiten des Systems blicken. Anfangs ist Leo noch der systemtreue MGB-Offizier, der seine Pflichten nicht hinterfragt und stets in dem guten Glauben handelt, das Richtige zu tun. Als er aber durch den zweiten Leichenfund an seinem neuen Arbeitsplatz in Wualsk zu dem Schluss kommen muss, dass er (und nicht nur er, sondern auch das MGB; |Ministerstvo Gosudarstvennoi Bezopasnosti|, Ministerium für Staatssicherheit 1946 – 1953) sich geirrt hat und schon der Todesfall des Sohns seines Kollegen ein Mord war, ist Leo gezwungen, sich gegen das System zu wenden.

Mordermittlungen sind nicht zugelassen, denn Morde gibt es im Kommunismus natürlich nicht. Dementsprechend kann Leo nur heimlich ermitteln, und das bedeutet für ihn und seine Frau Raisa, dass er sich auf ein äußerst gefährliches Unternehmen einlassen muss. Vor diesem Hintergrund entfaltet auch der Krimiplot eine großartige Spannung. Leo kann jederzeit auffliegen, und dann hätte nicht nur der Mörder gewonnen, sondern Leo wäre bestenfalls in den [GULag]http://de.wikipedia.org/wiki/GULag gewandert oder schlimmstenfalls direkt hingerichtet worden.

Der geschichtliche Hintergrund spielt somit eine tragende Rolle im Krimiplot. Smith verdeutlicht sehr plastisch, wie sich die Menschen damals in Russland gefühlt haben dürften. Ein falsches Wort oder eine falsche Geste konnte die Anklage als Verräter bedeuten, und die Mühlen der Justiz waren damals absolut gnadenlos. Was die Menschen durchmachten – Kriege, Säuberungen, Hunger -, ist für sich genommen schon unvorstellbar. Die Angst, als Vaterlandsverräter denunziert und angeklagt zu werden, selbst ohne sich irgendeiner derartigen Tat schuldig gemacht zu haben, muss stets präsent gewesen sein. In einem Staat, den die Wahrheit nicht interessiert, muss jeder um Position und Leben bangen. Smith beschwört dieses Klima der ständigen Angst und des Misstrauens mit seinem Roman sehr greifbar herauf.

Mit Leo Demidow hat er eine sehr ambivalente Hauptfigur geschaffen, die einerseits dem System treu folgt, aber im Laufe der Geschichte ihre Meinung ändert und gegen alle Widerstände an ihren heimlichen Ermittlungen festhält. Obwohl Leo anfangs noch alles andere als ein Engel ist und sich auch im Verhältnis zu seiner Frau Raisa noch so manches Detail offenbart, das Leo in ein ungünstiges Licht rückt, hat er die Sympathien des Lesers schnell auf seiner Seite. Er ist der Held der Geschichte, aber eben ein Held mit einer dunklen Seite, und das verleiht ihm Glaubwürdigkeit.

Smith bedient sich einer klaren und präzisen Sprache und strickt einen gut inszenierten Plot, der von Anfang bis Ende einem klaren, stetig aufwärts strebenden Spannungsbogen folgt. Obwohl der Plot nicht immer ganz gradlinig verläuft und zwischen dem ersten und zweiten Leichenfund viel Zeit verstreicht, bleibt die Geschichte durchweg spannend. Smith schlägt eben zwischendurch etwas persönlichere Bahnen ein, beleuchtet Leo und Raisa näher und baut dabei seine Figurenskizzierung aus.

Für die Hörbuchfassung hat man Schauspieler Bernd Michael Lade verpflichtet, der als Vorleser leider nicht die beste Figur abgibt. Zwar hat er eine angenehme, warme Stimme, liest aber mitunter etwas abgehackt und holt an unpassenden Stellen Luft, als würde ihm manchmal mitten im Satz die Puste ausgehen. Hier und da meine ich so etwas wie ein unterdrücktes Gähnen herausgehört zu haben, und noch nie habe ich in einem Hörbuch so bewusst das Umblättern der Seiten heraushören können. Mit einem anderen Erzähler hätte man also sicherlich noch einiges mehr aus der Geschichte herausholen können.

Bleibt unterm Strich aber dennoch ein positiver Eindruck zurück. Zwar hat das Hörbuch wegen der im Vergleich zu anderen Produktionen eher schwachen Sprecherleistung abgesehen von der Tatsache, dass man nicht selber lesen muss, keinen nennenswerten Vorteil gegenüber der Buchfassung, ist schon allein der Geschichte wegen überaus empfehlenswert. „Kind 44“ ist durchweg spannend erzählt und garniert den Plot mit einer interessanten zeitgeschichtlichen Komponente. Darum sei zum Kauf unbedingt geraten – wenngleich man nach Möglichkeit lieber zum Buch als zum Hörbuch greifen sollte.

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422 Minuten auf 6 CDs

Arthur Schnitzler / Daniela Wakonigg – Die Weissagung (inszenierte Lesung)

Wenig unterhaltsam: psychologischer Realismus

Vor zehn Jahren hat ein Wahrsager Herrn von Umprecht einen Blick in die Zukunft gewährt: er selbst tot auf einer Bahre. Seitdem führt Umprecht ein Leben in Furcht und versucht, jenem Augenblick aus dem Weg zu gehen. Aber nichts, was er tut, scheint die Erfüllung der Weissagung abwenden zu können.

Da bekommt er das Angebot, in einem Theaterstück mitzuspielen, in welchem er am Ende tot auf einer Bahre liegen soll. Ist dies der Augenblick in seiner Zukunft, den ihm der Wahrsager geweissagt hat?

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Poe, Edgar Allan / Hala, Melchior / Sieper, Marc / Hank, Dickky / Weigelt, Thomas – Flaschenpost, Die (Poe #26)

Edgar Allan Poe weiß nun um seine wahre Identität. Er ist selbst der große Dichter, den alle Welt für tot hält. Und gerade das ist das Problem. Sollte er damit an die Öffentlichkeit gehen, würde man ihn wieder für verrückt erklären und einsperren. Poe beschließt, mit Leonie ein neues Leben zu beginnen und hält um ihre Hand an.

Gemeinsam suchen sie eine Überfahrt nach England, doch eine grauenhafte Seuche an Bord zwingt sie dazu, vom Schiff zurück an Land zu fliehen. Poe versucht sich indes an neuen Kurzgeschichten und Gedichten, doch das Schicksal holt ihn abermals ein, als ein Leser seines Werkes den gebeutelten Mann beschuldigt, billige Plagiate des großen Dichters Edgar Allan Poe zu fabrizieren. Gerade erst dem teuflischen Dr. Baker entronnen und sich seiner eigenen Identität bewusst, muss Poe erkennen, dass er trotz allem lebendig begraben ist in seinem neuen Leben …

_Meine Meinung:_

Ruhig und besonnen beginnt die neue Staffel der Erfolgsserie „Edgar Allan Poe“, die mit dieser Folge den zweiten großen Handlungsstrang beginnt. Damit, dass Poe in Episode 25 seine wahre Identität erfährt und die Gefahr durch Dr. Baker gebannt wurde, ist der erste große Handlungsbogen abgeschlossen, der stark komprimiert auch als |Bastei Lübbe|-Taschenbuch unter dem Titel „Lebendig begraben“ erhältlich ist. Daher bildet „Die Flaschenpost“ für Neueinsteiger die ideale Startfolge.

Die vorliegende Episode beginnt also sehr ruhig und verhalten; die neuen Abenteuer kommen erst langsam in Fahrt und düstere Andeutungen sprechen dafür, dass Poe auch in Zukunft keinen Frieden finden wird. Exzellent ist einmal mehr die schauspielerische Leistung von Ulrich Pleitgen und Iris Berben, die in ihren Rollen hörbar aufgehen. Sehr eindringlich gestaltet sich vor allem die Szene, in der Poe und Leonie vor dem missgestalteten Dr. Baker stehen. Darüber hinaus bietet das Hörspiel wenig Dramatik und beschäftigt sich zum größten Teil mit den Selbstzweifeln des Protagonisten.

Atmosphäre und Effekte sind von gewohnt hoher Qualität, nur in Sachen Musik gibt es leider nichts Neues zu vermelden – weiterhin werden die bekannten Stücke verwendet. Hier sollte man ein wenig Abwechslung walten lassen, um einem Gewöhnungseffekt vorzubeugen. Mit einer Spielzeit von 74 Minuten, unterteilt in 18 Tracks, werden die Möglichkeiten des Mediums ausreichend genutzt. Als Bonus gibt es den klangvollen Song „Elenore“, gesungen von Christopher Lee!

Booklet und Covergrafik bieten dem Hörer den gewohnten Anblick eines edlen Gothic-Dramas. Inhaltlich hat das Begleitheftchen immer noch wenig zu bieten, außer einer Vorstellung der Hauptdarsteller sowie der üblichen Besetzungsliste und einer Aufstellung der bislang erhältlichen Hörspiele.

_Fazit:_
„Die Flaschenpost“ ist ein verhaltener Beginn der siebten Staffel und des neuen Handlungsstranges um Edgar Allan Poe. Produktionstechnisch und sprachlich bewegt sich die Folge auf dem üblichen hohen Niveau. Lediglich die Musikstücke sind dem Kenner der Folgen bereits bekannt und bieten nichts Neues.

|74 Minuten auf 1 CD|
http://www.poe.phantastische-hoerspiele.de
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_Florian Hilleberg_

Saviano, Roberto – Gomorrha. Reise in das Reich der Camorra

Neapel im südlichen Italien ist ein wunderschöner und malerischer Ort. Als drittgrößte Stadt ist sie neben Rom und Mailand ein wichtiges Zentrum, allerdings weniger unter dem wirtschaftlichen Gesichtspunkt. Vielmehr gibt es wichtige kulturelle Sehenswürdigkeiten wie Paläste, Burgen, Schlösser, Klöster und Kirchen, Kunstausstellungen und Galerien. zu bestaunen.

Die Arbeitslosenquote von 20 bis 30 Prozent ist für die Größe von einer Million Einwohnern und den kulturellen Reichtum der Gegend eher verwunderlich. Exakte wirtschaftliche Zahlen sind aber schwer zu bestimmen, da die Camorra mit einer Art von Schattenwirtschaft über die ganze Region herrscht.

Die Camorra ist eine Verbrecherorganisation, die ähnlich wie die Cosa Nostra und die sizilianische Mafia strukturiert ist, ein Syndikat, das schon längst alles in der Stadt und der Region steuert. Die Wirtschaft befindet sich fest in der Hand des organisierten Verbrechens, still geduldet von Politikern, Stadträten und Bürgermeistern, die aus Angst und Abhängigkeit nicht reagieren können oder wollen, die Polizei und die Staatsanwaltschaft tragen einen fast aussichtslosen Kampf aus. Erpressung und Einschüchterung tun ihr Übrigens dazu, und immer wieder geraten auch unschuldige Zivilisten in den Bandenkriegen zwischen den Clans und Familien und bezahlen nicht selten mit ihren Leben.

Im Jahre 2006 wurden beispielsweise bis Oktober rund 700 (bekannt gewordene) Morde verübt, und die Politiker erwogen in dieser Extremlage bereits, das Militär in der Stadt einzusetzen. Neapel ist zu einem Schauplatz der Gewalt geworden: Drogenhandel, Prostitution, Produktpiraterie von Luxusgütern, durch Korruption und Erpressung organisierte Großaufträge im Baugewerbe, hinzu kommen der Waffenhandel und auch die illegale Müllentsorgung, die immer mehr an Bedeutung gewinnt. Die Camorra hat bei alldem keine Angst vor der Staatsanwaltschaft oder dem Innenministerium, natürliche Feind gibt es keine, und wenn sich jemand gegen die Interessen der Clans und Familien stellt, so ist dies gleichbedeutend mit Selbstmord.

Der 28-jährige Roberto Saviano, ein Journalist aus Casal die Principe, hat die Geschäftspraktiken der Camorra in seinem Erstlingswerk „Gomorrha“ beschrieben. Dabei geht er deutlich ins Detail, schildert die Machenschaften und Verflechtungen der organisierten Kriminalität, und hat dennoch keine Furcht davor, die Namen der Oberhäupter der Clans und Familien zu nennen. Gewagt hat so etwas noch niemand ,und Roberto Saviano ist sich durchaus bewusst, dass sein Mut ihn das Leben kosten könnte.

„Gomorrha“ ist ein erschütternder Bericht, kein Roman, aber auch nicht als Sachbuch einzuordnen. Es ist ein gut recherchierter und aufwühlender Tatsachenbericht, der uns Mitteleuropäer beschämen sollte, zumindest aber jeden Menschen, der vielleicht von der organisierten Kriminalität profitiert oder bewusst darüber hinwegsieht. Was müssen die Journalisten der Region über den jungen Mann denken, der einen solchen Mut aufbringt? Schütteln sie den Kopf über seinen Übermut oder zollen sie Roberto Saviano Respekt, wenn auch nur still und anonym?

_Inhalt_

„Gomorrha“ ist ein Buch voller düsterer und erschreckender Tatsachen. Roberto Saviano fesselt seine Leserschaft dabei dermaßen, wie es sonst nur ein atmosphärisch dichter Roman schaffen kann. In Italien erschien „Gomorrha“ tatsächlich als Belletristik; hier liegt die Vermutung nahe, dass das Verlagshaus |Mondadori|, das sich im Besitz des früheren Ministerpräsidenten Berlusconi befindet, von dem Gewicht der Wahrheit um die Camorra distanzieren wollte. Aber dieses Tatsachenwerk gehört definitiv nicht das Genre fiktiver Literatur.

Der Macht der Camorra und dem Strudel aus illegaler Gewalt, Blutrache und globalen Geschäften kann man sich in Neapel nicht entziehen, geschweige denn wegschauen oder ignorieren. Das Buch ist diesbezüglich gründlich recherchiert und atemlos anklagend geschrieben. Alle Fälle sind aktenkundig und zumindest durch Beweise und Indizien in einer Ehrlichkeit beschrieben, die beispiellos ist. Robert Saviano malt ein Schreckensbild und verbindet dies mit eigenen Erinnerungen und Emotionen. Anklagend, wütend und empört beschreibt er Fehden und kriegerische Auseinandersetzungen der Clans. Er beschreibt Drogensupermärkte und erzählt von Schulkindern, die mit kugelsicheren Westen bekleidet Schmiere stehen. Er beschreibt ‚Unfälle‘ ,auf Baustellen deren Opfer vor Übermüdung und Überbeanspruchung von Notärzten nicht behandelt werden, aus Angst davor, sich damit Feinde zu machen. Angeschossene Opfer werden blutend auf der Straße liegen gelassen, aus Angst davor, die Killer könnten zurückkommen.

Seine Reisen durch die neapolitanische Unterwelt unternimmt der junge Autor zu Fuß oder mit seiner Vespa. Manchmal ist er nur Zuschauer, manchmal auch Beteiligter. Als Hafenarbeiter getarnt, schuftet er bei Morgengrauen und löscht Schmuggelware für die Camorra. Wenig später lernt er den Schneider Pasquale kennen, der wie viele seiner Kollegen für einen Hungerlohn Kleider näht, die unter einem berühmten Modelabel weiterverkauft werden, was Unsummen an Profit für die Bosse bedeutet.

Eines Abends beim Fernsehen mit seiner Familie sieht Pasquale im Fernsehen, wie die Schauspielerin Angelina Jolie bei der Oscar-Gala über den roten Teppich flaniert. Sie trägt einen weißen Hosenanzug, den er persönlich entworfen und genäht hat. Für einen Hungerlohn hat er sein Talent eingesetzt und Designs kreiert, die von den Oberen Zehntausend geschätzt werden, aber beweisen kann er es nicht, um Kapital daraus zu schlagen, ansonsten wäre dies sein Tod und vielleicht der seiner ganzen Familie. Pasquales Gehalt beträgt 600 €uro im Monat.

Dies ist nur eine kleine Szene aus „Gomorrha“, doch sie beschreibt die Hoffnungslosigkeit und tiefe Frustration jener Menschen, die mit ehrlicher Arbeit in ihrer Heimatregion nichts erreichen können. Saviano sieht Monate später den Schneider Pasquale wieder; inzwischen arbeitet dieser als Fahrer für die Camorra und wird besser bezahlt, und in seiner Brieftasche trägt er einen Zeitungsausschnitt: Angelina Jolie im weißen Hosenanzug.

Roberto Saviano beschreibt weitere Einzelschicksale, wie z. B. auch das eines 32-jährigen Priesters, der anklagend gegen die Camorra auftritt und gegen die Verbrecherorganisation predigt. Auch er wird das Opfer von Killern und nach seiner Ermordung auch noch in Tageszeitungen verhöhnt und angeklagt.

Diese persönlichen Eindrücke bleiben den Lesern und Hörern am stärksten im Gedächtnis haften. Saviano verzichtet dabei nicht immer auf Effekthascherei. Die Emotionalität der Berichterstattung entspricht seiner Wut, seiner Empörung, seiner Klage gegen diese Organisation, für die Menschen nur austauschbare und minderwertige Figuren auf der kriminellen Bühne sind.

Man fühlt die Wut des Autors förmlich, und seine apokalyptischen Szenen hinterlassen auch beim Leser eine ganze eigene Form von Entrüstung und Entsetzen, z. B. dann, wenn der Autor beschreibt, wie die Clans den Giftmüll aus Norditalien nach Süden verfrachten. Diesen vergraben sie unter kampanischem Ackerland und es entstehen ganze Landstriche und Hügel, in denen Giftmüll lagert. Diese Ländereien werden verseucht an Bauern verkauft, die dies stillschweigend akzeptieren, denn was bleibt ihnen auch sonst anderes übrig? Die Clans verdienen an diesen Geschäftsabläufen doppelt und dreifach und kennen keine Skrupel, denn Moral, Recht und Ethik sind in ihrer Sprache nicht vorhanden. Nach Schätzungen der Justiz entsorgte diese Müllmafia im vergangenen Jahr 26 Millionen Tonnen illegaler Abfälle, einen Großteil davon in den Provinzen Caserta und Neapel.

_Kritik_

Roberto Saviano Erstling ist ein einziges Schreckensgemälde über die vielleicht blutigste und brutalste Region im Süden von Europa. Die Camorra ermordete allein in diesem Jahr 72 Menschen. In und um Neapel terrorisieren 15 Clans die Bewohner und machen Milliardengeschäfte, die in legale Unternehmen reinvestiert werden. Die Camorra ist der wichtigste Arbeitgeber der Region, und mit Hilfe von korrupten Politikern blüht diese immer mehr auf. Über 70 Bürgermeister hat das Justizministerium wegen Amtsmissbrauch abgesetzt – vielenorts finden sich keine Lokalpolitiker mehr, die für die Ämter kandieren wollen.

Saviano beschreibt diese seine Welt für die Tagszeitung |La Repubblica| und das Wochenmagazin |L’Espresso|. „Gomorrha“ hat sich in Italien bestens verkauft und eine gesellschaftliche Debatte ausgelöst, wie man es noch nicht erlebt hat. In vielen Medien und Radiosendungen, auf Websites und auch in Leserbriefen wird immer wieder die Frage gestellt: Wie konnte dies alles geschehen?

Roberto Saviano musste seine Wohnung in Neapel räumen und nach erhaltenen Morddrohungen steht er nun unter Polizeischutz. Ein Schriftsteller, der mit seinem Buch zwar weltberühmt, aber auch zum Vogelfreien erklärt wurde. Saviano schreibt: |“Ich bin geboren im Land Camorra, wo mehr Menschen ermordet werden als irgendwo sonst in Europa, wo Geschäftemacherei und brutale Gewalt unauflöslich miteinander verbunden sind und nur das einen Wert besitzt, was Macht verspricht.“| Denn im Grunde geht es allen Überhöhungen der organisierten Kriminalität, allen Legenden um „Scarface“, allen geheimen Ritualen und mystischen Bünden zum Trotz nur um eines: um Geld. So einfach ist das.

Die Camorra oder auch „il sistema“, das System, ist ein gigantisches Wirtschaftsimperium, und Saviano beschreibt es anklagend mit scharfen Worten. Aber sein Buch ist auch eine Mahnung, eine Aufforderung, die Augen zu öffnen, Stellung zu beziehen und gegen „das System“ anzukämpfen.

_Fazit_

„Gomorrha“ ist ein düsteres Buch. Die Reise in das Reich der Camorra wird aufwühlend und wütend erzählt. Heikko Deutschmann, 1962 in Innsbruck geboren, liest „Gomorrha“ für |Hörbuch Hamburg|, und man merkt ihm sehr gut an, dass das Buch ihn bewegt und nicht kaltlässt. Alleine schon im Vorwort des Chefredakteurs Giovanni di Lorenzo – |Die Zeit| – spürt der Hörer, wie sehr die Erzählung eine Emotionalität aufbaut und unter die Haut geht.

Das Buch ist nichts für schwache Nerven. Es ist kein Thriller, der unserer Fantasie entspringt. Roberto Saviano beschreibt eindringlich seine Heimat und deren kriminelle Realität. Er klagt an und legt Beweise vor. Er schildert das Morden und Sterben in all seiner Erbärmlichkeit und Jämmerlichkeit. Es gibt keine fiktionalen Charaktere, keine schattenhaften, anonymen Schauspieler. Saviano nennt Namen, Strukturen und Details, welche die ganze Organisation mehr bedrohen, als es die italienische Justiz jemals für möglich gehalten hat und sich erhoffen konnte. Saviano hält sich dabei an Fakten, die so atemberaubend sind, dass man sie kaum glauben will. Er glaubt aber auch an die Kraft seiner Worte, die er gezielt als Waffe einzusetzen weiß.

|“Wenn wir die Mafia wirksam bekämpfen wollen, dürfen wir sie weder in ein Monster verwandeln noch denken, sie sei ein Blutsauger oder Krebs. Wir müssen akzeptieren, dass sie uns ähnlich ist“|, schrieb der bekannte sizilianische Richter Giovanni Falcone. 1992 wurde er von der Mafia ermordet. Roberto Saviano führt vor, wie untrennbar Legalität und Illegalität im globalisierten Kapitalismus miteinander verstrickt sind. Wie funktioniert eine kriminelle Organisation? Wer „Gomorrha“ liest bzw. hört, wird dies in Ansätzen verstehen können. Er wird begreifen, wie Drogen verkauft und Gelder gewaschen werden, wie Modeartikel hergestellt und verkauft werden, wie ganze Müllberge verschoben werden und wie Menschen ohne Skrupel getötet werden, weil dies zum Alltag der Camorra gehört. Und es wird transparent, wie eng die Politik, die Wirtschaft und das Verbrechen in Kampanien/Neapel miteinander im Einklag stehen. Im Grunde geht es nur um das Geld für einige Wenige, niemals um das Schicksal und das Leben der dort lebenden Menschen.

Für den Autor Roberto Saviano geht es aber auch ganz unmittelbar um das Überleben. Die Camorra ist nachtragend und wartet nur darauf, dass sich die Wellen der Entrüstung legen, um dann zum tödlichen Schlag auszuholen. Fakt ist es auch, dass Saviano bedroht wird. Er schläft in Kasernen, bewacht wird er ständig von zwei Polizisten, und niemals verbleibt Saviano länger am gleichen Ort. Robert Saviano lebt wie ein Verbrecher – auf der Flucht, im Untergrund, immer in Gefahr.

Seinen Häschern widmete der Untergetauchte jedoch den letzten Satz in seinem Buch: |“Ihr verfluchten Dreckskerle, ich lebe noch!“|

_Details_

Aus dem Italienischen von Friederike Hausmann und Rita Seuß
Gekürzte Lesung von Heikko Deutschmann
4 CDs, 297 Minuten mit 69 Tracks

Die italienische Originalausgabe erschien 2006 unter dem Titel „Gomorrha“
2007 Carl Hanser Verlag München
Vorwort: Giovanni di Lorenzo, Hamburg Januar 2008 (Chefredakteur |Die Zeit|)
Hörbuch Hamburg: HHV GmbH, Hamburg 2008
http://www.hoerbuch-hamburg.de
ISBN-10: 3899034864
ISBN-13: 978-3899034868

_Der Sprecher_

Heikko Deutschmann war nach dem Schauspielstudium Ensemlemitglied an der Berliner Schaubühne und am Hamburger Thalia-Theater, im Schauspiel Köln und im Schauspielhaus Zürich. Außerdem spielte er in zahlreichen Filmen mit und ist ein begehrter Hörbuchsprecher. Für |Hörbuch Hamburg| hat er u. a. „Der Erlöser“ und „Das fünfte Zeichen“ von Jo Nesboe, „Die dunkle Seite des Mondes“ von Martin Suter, Stendhals „Rot und Schwarz“ sowie von Thomas Glavinic „Die Arbeit der Nacht“ gelesen.

Wilson, Paul F. – Handyman Jack – Schmutzige Tricks (Folge 1)

_Taffer Handwerker: Zorro trifft Bruce Willis_

Wenn der Abfluss mal verstopft ist, sollte man Handyman Jack lieber nicht rufen. Jack repariert nämlich andere Sachen: Probleme, mit denen sonst niemand fertig wird. Er kümmert sich für gutes Geld darum, dass Unrecht bestraft wird. Dabei verlässt er sich auf eine Kombination aus Können und Dreistigkeit. Handyman Jack ist ein Held – aber auch ein Rätsel. Er lebt im Untergrund. Niemand kennt seine Identität. Jack verkörpert eine tödliche Mischung aus „Zorro“ und Bruce Willis.

Folgende Geschichten von F. Paul Wilson finden sich auf diesem Thriller-Hörbuch:

1) Zwischenspiel im Drugstore
2) Ein ganz normaler Tag
3) Familiennotdienst

_Der Autor_

F. (Francis) Paul Wilson (geboren 1946) ist ein US-amerikanischer Besteller-Autor von Mystery-, Thriller- und Horror-Romanen. Wilson studierte Medizin am Kirksville College of Osteopathic Medicine und ist heute immer noch praktizierender Arzt. Wilsons bekannteste Romanfigur ist der Anti-Held Handyman-Jack (engl. Repairman-Jack). Neben Mystery-, Science-Fiction- und Horror-Romanen schreibt Wilson auch Medizin-Thriller. Außerdem ist er ein großer Fan von H. P. Lovecrafts Cthulhu-Mythos und hat auch selbst ein paar Storys in Anlehnung an diesen Mythos geschrieben. F. Paul Wilson lebt mit seiner Frau, zwei Töchtern und drei Katzen an der Küste von New Jersey.

Stephen King ist laut Verlag der Präsident des Handyman-Jack-Fanclubs.

„Schmutzige Tricks“ ist das erste Hörbuch über Handyman Jack. Das nächste trägt den Titel „Der letzte Ausweg“.

F. Paul Wilson auf |Buchwurm.info|:

[„Das Kastell“ 795
[„Tollwütig“ 2375
[„Die Gruft“ 4563

_Der Sprecher_

Detlef Bierstedt ist Schauspieler und Synchronsprecher. Als deutsche Stimme von George Clooney verleiht er diesem Lässigkeit und Charme. Seit 1984 hat er über 600 Synchron-Rollen gesprochen und war als Schauspieler in der TV-Serie „Tatort“ zu sehen. Als Spezialist für spannende Thriller hat er auch „Diabolus“ von Dan Brown vorgetragen. Nun haucht er Handyman Jack Leben ein. (Verlagsinfo)

_Die Macher_

Für Regie, Produktion & Dramaturgie zeichnet Lars Peter Lueg verantwortlich, für Schnitt, Musik & Tontechnik Andy Matern.

Lars Peter Lueg ist der exzentrische Verlagsleiter von |LPL records|. Der finstere Hörbuchverleger hat es sich zur Lebensaufgabe gemacht, das Grauen aus kalten Kellern und feuchten Grüften hinaus in die Welt der Lebenden zu tragen. LPL produziert alle Hörbücher & Hörspiele selbst und führt auch Regie. Er erhielt als Produzent einen Preis für „Das beste Hörbuch/Hörspiel des Jahres 2003“. Eine seiner Regiearbeiten wurde vom renommierten |hörBücher|-Magazin mit dem Prädikat „Grandios“ ausgezeichnet. Außerdem erhielt er beim Hörspielpreis 2007 eine Auszeichnung für die „Beste Serienfolge“. (Verlagsinfo)

Andy Matern ist seit 1996 als freiberuflicher Keyboarder, Producer, Remixer, Songwriter und Arrangeur tätig. Er kann mehr als 150 kommerzielle CD-Veröffentlichungen vorweisen. Darunter finden sich nationale und internationale Chart-Platzierungen mit diversen Gold- und Platin-Auszeichnungen. Andy Matern wurde als „Bester Hörspielmusiker des Jahres 2005“ ausgezeichnet. Sein neuestes Edelmetall wurde ihm für die Musik zu den Dan Brown-Hörbüchern „Illuminati“ (Doppel-Platin) und „Sakrileg“ (Platin) verliehen. (Verlagsinfo)

_Die Erzählungen_

_1) Zwischenspiel im Drugstore_

Jack feiert am 19. April immer den King-Kong-Tag. Er besteigt das Empire State Building und legt für die noble Bestie einen Kranz nieder. Leider muss er an diesem Feiertag alle seine Waffen zu Hause lassen, und dieser Umstand erweist sich als verhängnisvoll.

Seine alte Bekannte Loretta, ein recht stämmiges Frauenzimmer mit ständig schlechter Laune, zieht es in einen Drugstore in der New Yorker Innenstadt. Sie ist hungrig. In dem verwinkelten Regalaufbau des Gemischtwarenladens verlieren sie sich aus den Augen. Plötzlich bedroht ein großer Schwarzer Jack mit einem Revolver und befiehlt ihm, sich zu den anderen Gefangenen zu legen. Jack braucht nicht lange, um zu kombinieren, dass hier gerade ein Raubüberfall stattfindet.

Der Schwarze hat noch drei Komplizen, und ihr Anführer scheint der Mann aus Ecuador zu sein, der Loretta so anzüglich angesprochen hat. Mister Ecuador lässt den Stellvertreter des Geschäftsführers holen, damit dieser den Geldsafe öffnet. Doch Mr. Patel ringt verzweifelt die Hände, denn er beteuert, dass er die Safekombination nicht kenne. Da schnappt sich Mister Ecuador ausgerechnet Loretta, um ihr eine Pistole an den Kopf zu halten. Glücklicherweise ist Loretta so geistesgegenwärtig, nicht Jack um Hilfe anzuflehen, denn wäre er erpressbar geworden.

Immerhin lenkt Jack das Augenmerk des Anführers auf die allgegenwärtigen Überwachungskameras an der Decke. Als sein Helfer die ersten davon zerschießt, ergreift Jack die Gelegenheit beim Schopf und verdrückt sich in die Gänge. Verzweifelt sucht sein Blick in den Regalen nach Dingen, die sich als Waffen gegen vier schwer bewaffnete Räuber einsetzen lassen. Auch das Sprinklersystem will nicht anspringen, somit fällt das Anrücken der Feuerwehr flach.

Da fällt Jacks Blick auf Campingausrüstung. Damit kann selbst ein unbewaffneter Mann, sofern er kluge Einfällen hat, schon einiges anfangen, findet er. Eine lange Schlacht im Supermarkt beginnt …

|Mein Eindruck|

In diesem turbulenten Auftakt zu dieser Storyauswahl betätigt sich Handyman Jack als eine Art New Yorker Innenstadt-Rambo. Über den Ausgang soll hier nichts verraten werden, aber man kann davon ausgehen, der er in der Lage ist, noch weitere Abenteuer zu erleben.

Dies ist die erste Story, die ihn charakterisiert, daher seien ein paar Worte über ihn verloren. Das Wichtigste, das man über ihn wissen muss: Er sieht völlig durchschnittlich aus. Tatsächlich ist ihm seine Durchschnittlichkeit so wichtig, dass er sich stets der Menge, der Mode, der Stadt und dem Stadtviertel anpasst, als wäre er ein Chamäleon. Unauffälligkeit und Verstellung sind seine zwei wichtigsten Helfer, um seinen Job tun zu können.

Sein Job besteht darin, außerhalb des Polizeiapparates und der Verbrecherorganisationen bedrängten Bürger in Not zu helfen. Nicht unentgeltlich, versteht sich. Er ist halb Bürgermiliz, halb Privatdetektiv, doch die Zusammenarbeit mit den Bullen scheint er strikt abzulehnen, warum auch immer. Sein bevorzugtes Arbeitsgebiet scheint die Lower Westside zu sein, eine frühere Arbeiterwohngegend, in der sich zunehmend schnöselige Yuppies breitmachen, sehr zu Jacks Missfallen.

In der nächsten Episode legt er sich mit Schutzgelderpressern und der Drogenmafia an. Eine knifflige Aufgabe, so zwischen allen Fronten …

_2) Ein ganz normaler Tag_

Vor lauter Langeweile lungert Jack müßig in seinem schäbigen Hotelzimmer, in dem nichts auf seine Identität hinweist, und erschlägt mit japanischen Wurfsternen eine Kakerlake nach der anderen. Da schlägt plötzlich ein Schuss durch sein Fenster, verfehlt ihn jedoch. Er eilt in Deckung, sieht den Scharfschützen mit seinem Gewehr davoneilen. Das findet Jack schon mal bemerkenswert. Ein Scharfschütze sollte doch stets in der Lage sein, sein Ziel zu treffen, oder? Es sei denn …

Sein Pieper geht los: George Kouropolis, der Besitzer des „Highwater Diner“, ruft ihn zu Hilfe, wie ausgemacht. Er braucht zwei Minuten, um in den Keller zu rasen und über die Gasse in Georges Lagerraum und anschließend die Küche zu treten. Da merkt er schon, dass die Kacke heftig am Dampfen ist. Zwei fiese Typen sind gerade dabei, die rechte Hand des guten George in seinen eigenen Fleischwolf zu stecken, um – was wohl? – zu machen.

Jack zeigt ihnen erstmal, wo der Hammer hängt, und begibt sich ins das Zentrum der Gewalt, den Gastraum. Hier beherrschen Matt Rileys Männer die Lage. Jacks Blick fällt auf eine hübsche junge Dame, deren Bluse zerfetzt ist. Sie starrt ihn ebenso erstaunt an wie die anderen. Doch Jacks Gesicht ist maskiert, und auf der Skimaske ist ein Kürbiskopf aufgemalt. Er gibt sich als Jack O’Lantern aus, den guten Geist von Halloween. Dann beginnt er unter dem Sauhaufen der Schutzgelderpresser aufzuräumen.

In Abes Waffenladen „Ischer“ besorgt sich Jack neue Waffen und Munition. Besonders an Wurfsternen braucht er Nachschub: zwei Dutzend. Draußen auf der Straße erwischt ihn um ein Haar ein schwerer Zementsack. Jemand hat es definitiv auf ihn abgesehen, kombiniert er. Aber wer? Julio, Besitzer einer weiteren Kneipe, verklickert ihm, ein Typ namens Ed Surlett habe nach ihm gefragt. Jack erinnert sich an den Passfälscher Tom Levinson, dem er gegen Surlett half, und wie Surlett schließlich hinter Gittern landete. Nun stellt sich heraus, dass Levinson Jack verraten hat. Surlett, wieder in Freiheit, will sich an Jack rächen. Aber warum hat er ihn vorgewarnt? Und woher weiß Surlett so genau, wo sich Jack, der Meister der Tarnung, zu finden ist?

Als ihn ein alter vietnamesischer Wäschereibesitzer namens Tranh um Hilfe gegen die Drogenmafia bittet, kommt eine weitere Sache ins Rollen. Tranhs Ex-Boss Tony Capisi hat den Löffel abgegeben und ist von Aldo D’Amico abgelöst worden. Doch Tranh ist Aldo zu nichts verpflichtet und will aussteigen. Schon am nächsten Tag will Aldo wieder mit einer Rauschgiftladung bei Tranh vorbeischauen.

Hm, Jack kombiniert lange, wie er gleich drei Angreifer – denn auch Riley will sich rächen – auf einen Schlag loswerden kann. Als er endlich den rettenden Einfall hat, bereitet er sich auf eine lange, bleihaltige Nacht vor …

|Mein Eindruck|

Diese Erzählung ist der längste und komplexeste Beitrag auf diesem Hörbuch. Schließlich hat es Jack diesmal mit gleich drei Gegnern zu tun, wovon einer unsichtbar bleibt. Jedem gegenüber muss er sich anders verhalten. Rileys Schlägern gegenüber markiert er den starken Mann und trickst sie durch Täuschung aus. Auch bei Aldo d’Amico spielt er Theater, allerdings ist er diesmal der durchgeknallte Spinner, mit dem man sich besser nicht anlegt. Und um alle drei Gegner gegeneinander auszuspielen, muss er sich nur richtig blöd stellen. Anschließend erschlägt er dann wohl wieder Kakerlaken mit Wurfsternen.

_3) Familiennotdienst_

Eigentlich hatte sich Jack geschworen, nie einen Fall anzunehmen, in dem es um enge menschliche Beziehungen geht. Doch beim lukrativen und verlockenden Angebot des New Yorker Baulöwen Oscar Schaffer, Mitte 50, macht er eine Ausnahme. Er hätte es ablehnen sollen.

Shaffers Firma hat eine geschäftliche Beziehung zu der Firma, in der sein Schwager Gus arbeitet. Doch Gus verprügelt Shaffers Schwester Celia regelmäßig. Sie erträgt diese Misshandlung seit zehn Jahren, weiß Gott warum. Einmal wollte Oscar Gus eine Lektion erteilen, wurde aber leicht abgewehrt. Seitdem kann Oscar nicht mehr selbst einschreiten, denn er wäre sofort der Hauptverdächtige, sollte Gus etwas zustoßen. Also bleibt nur, sich an einen externen Helfer zu wenden. Und hier kommt Jack ins Bild. Jack hält sich bedeckt, sagt aber zu, einer Dame in Not zu helfen. Gegen einen saftigen Vorschuss.

Als Gus und seine Frau Celia eines Abends heimkehren, sieht der schon seit Tagen auf der Lauer liegende Jack sofort, dass etwas in der Luft liegt: dicke Luft. Wenig später linst er durchs Fenster in das Haus der beiden Turteltäubchen. Gus hat seine Hände umwickelt und boxt seine Frau in die Nieren. Nur damit man keine blauen Flecken sieht. Jack weiß, was Nierenschläge anrichten. Celia würde Blut pissen und tagelang Schmerzen haben. Er beschließt, in Aktion zu treten.

Als Gus den Lärm in seinem Wohnzimmer hört, lässt er von seiner Folter ab und stürzt zur Quelle des Lärms. Da steht ein Mann mit Baseballkappe in seinem Haus. In seinem Haus! Offenbar ein Einbrecher. Der Typ entschuldigt sich auch und will sogar wieder abhauen, aber da hat Gus noch ein Wörtchen mitzureden. Er greift an …

Als Jack seinen Auftraggeber anderntags wiedertrifft, benimmt Shaffer sich verächtlich. Er knallt ihm das restliche Honorar vor die Füße und will verduften. Aber das lässt Jack nicht zu, denn schließlich steht sein Ruf auf dem Spiel. Er zwingt Shaffer auszuspucken, was los ist. „Was los ist!“ schreit ihn Shaffer an – und knallt ihm den Bericht des Gerichtsmediziners vor den Latz.

Gus Kesselman ist tot?! Jack fasst es nicht. Als er Kesselmans Haus verließ, lag Kesselman lediglich mit gebrochenen Beinen am Boden, aber völlig lebendig. Und er ließ den Schrank, in den er Celia gesperrt hatte, offen stehen. Wie also kann das sein? Dann geht ihm ein Licht auf. Celia hatte im Verlauf der Auseinandersetzung erfahren, dass ihr Mann, dessen Schläge sie ertrug, sie nie geliebt, sondern vielmehr ihren Tod herbeigesehnt hatte …

|Mein Eindruck|

Diese Erzählung unterscheidet sich radikal von den beiden anderen. War in der ersten Story nur Action gefragt, in der zweiten aber auch schon psychologisches Gespür und raffinierte Taktik, so ist hier vor allem Psychologie gefragt. Natürlich geht es im Laufe der Auseinandersetzung auch handfest zur Sache, aber die entscheidenden Wendungen erfolgen doch im Innern der Figuren. Es ist ein Psychodrama nach allen Regeln der Kunst, mit einer fiesen Pointe. Diesmal stößt Jack an seine Grenzen und gelobt, künftig die Finger von Ehestreitereien zu lassen.

_Der Sprecher_

Das Hörbuch wird von Detlef Bierstedt kompetent und deutlich artikuliert vorgetragen, so dass man dem Text mühelos folgen kann. Er muss sich nicht besonders anstrengen, denn die amerikanischen und italienischen Namen auszusprechen, ist eigentlich kein großes Kunststück für einen Mann mit Allgemeinbildung. Mehrmals war ich dennoch von seiner Kenntnis der Aussprache bestimmter Begriffe und Namen beeindruckt.

Da sich die Anzahl der Figuren sich in Grenzen hält, gerät man nie in Gefahr, die Übersicht zu verlieren. Bierstedt versucht sein Möglichstes, die Figuren zu charakterisieren. Die wichtigste Figur ist natürlich Handyman Jack selbst, der Ich-Erzähler. Er klingt zwar nicht wie Bierstedts Synchronfigur George Clooney, aber doch einigermaßen cool und abgebrüht, wie ein Nachfahre von Philip Marlowe.

Der Vietnamese Tranh erhält von Bierstedt eine hohe Stimmlage zugewiesen, als wäre eine Art Mandarin aus China. Seine Ausdrucksweise ist leise und kultiviert. Die New Yorker Schurken hingegen sind das genaue Gegenteil: hart und rau, mit einer tiefen Stimmlage. Ganz besonders Aldo D’Amico gehört zu dieser Kategorie. Frauenfiguren sind dünn gesät, doch auch sie weiß Bierstedt mit sanfter Sprechweise und höherer Stimmlage darzustellen. Einmal spricht sogar die junge Tochter Vicky von Jacks Freundin Gia, und hier geht Bierstedts Stimme ganz hoch. Die Kleine klingt erst dann auch wirklich wie ein Kind.

Bei so wenig Abwechslung in den Stimmlagen kommt es darauf an, die stimmliche Expressivität der jeweiligen Szene anzupassen und so den Ausdruck emotionaler und abwechslungsreicher zu gestalten. Dies gelingt dem Sprecher wesentlicher erfolgreicher, und so kann sich der Hörer über Jammern, Verzweiflung, Hysterie, Schniefen, Stammeln, Verlegenheit, Angst, Spott, Arroganz, Sarkasmus, Nervosität, Erleichterung, Erschütterung, Aufregung, Besorgnis, Freude und viele andere Gefühlsausdrücke freuen. Ganz eindeutig ist dies Bierstedts eigentliche Stärke. Hörbar macht ihm dieser Aspekt seiner Arbeit am meisten Spaß.

_Musik_

Das Intro stimmt den Hörer bereits auf eine spannende, dynamische Handlung ein und erinnert von fern an Film-noir-Musiken. Das Outro entspricht dem Intro. Dazwischen hören wir immer wieder Musik, um die Pausen zu füllen, beispielsweise um einen Szenenwechsel anzudeuten. So etwas wie Hintergrundmusik ist nur in inszenierten Lesungen und Hörspielen üblich, wird daher hier nicht praktiziert.

_Unterm Strich_

Die erste Story stellt den Helden und Ich-Erzähler als eine Art Ein-Mann-Bürgerwehr vor, die zwar stets auf der „richtigen Seite“ kämpft, aber dabei vor allen Arten von Gewaltanwendung nicht zurückschreckt. Seine Opferzahl – wenn auch nicht immer Leichen – ist beachtlich. Vielleicht muss man Amerikaner oder zumindest New Yorker sein, um das besonders toll zu finden.

Die zweite Geschichte, die längste dieser Auswahl, ist recht komplex aufgebaut und verlangt vom Hörer ein gutes Gedächtnis. Nicht immer ist angesichts vieler Akteure in einer Szene, wie etwa im „Highwater Diner“, sichergestellt, dass man sich alle Namen merken kann. Dann muss man sich die Szene eben nochmals anhören. Der Schluss ist clever und fies eingefädelt, die Behandlung seiner Gegner fällt bei Jack gewohnt ruppig aus – siehe oben. Aber am besten ist es natürlich, wenn sie sich wie hier gegenseitig erledigen.

In Story Nummer drei findet Jack quasi seinen Meister, aber nicht etwa hinsichtlich der Action oder moralischer Niedertracht, sondern lediglich hinsichtlich der Brutalität. Diese ereignet sich quasi off-screen und wird nicht dargestellt, doch allein schon die Andeutungen können einem sensiblen Hörer auf den Magen schlagen. Zu diesem Zeitpunkt dürfte man aber schon durch die vorangegangenen Erzählungen entsprechend vorgewarnt und abgebrüht sein.

Handyman Jack hat durchaus das Zeug, um Freunde hartgesottener Geschichten zu erfreuen. Seine Moral lässt ihn immer wieder auf der Seite der Guten stehen. Und sein Humor ist nicht durchgehend schwarz, sondern auch ein wenig schräg, so etwa, wenn Jack seinem Freund Julio nachfühlen kann, dass die Yuppies in der Gegend überhand nehmen und Gegenmaßnahmen zu ergreifen sind. Insgesamt ist er also ein Bursche, dessen Aktionen zwar an Superhelden wie Spider-Man erinnern, der aber im Gegensatz dazu immer schön auf dem Teppich bleibt. Das fand ich relativ sympathisch.

|Das Hörbuch|

Das Hörbuch wird von Detlef Bierstedt in gewohnter Weise kompetent gestaltet, bietet aber ansonsten keine Zutaten wie etwa Musikuntermalung oder gar eine Geräuschkulisse. Musik füllt lediglich die Pausen für die Szenenwechsel.

Fortsetzung folgt: „Handyman Jack – Der letzte Ausweg“.

|3:30 Stunden auf 3 CDs
Übersetzung vom Festa-Verlag
ISBN 978-3-7857-3552-7|
http://www.lpl.de
http://www-luebbe-audio.de
http://www.festa-verlag.de

Merlau, Günter – Akasha (Die Schwarze Sonne V)

Folge 1: [„Das Schloss der Schlange“ 2317
Folge 2: [„Böses Erwachen“ 4022
Folge 3: [„Weißes Gold“ 4023
Folge 4: [„Vril“ 4308

_Story_

BND-Agent Berger kehrt nach einem verheerenden Flugzeugabsturz auf seltsame Art und Weise ins Leben zurück. Lebendig begraben, wird er im Jahre 1838 von einigen Farmern geortet, die Schreie aus einem Sarkophag vernehmen. Berger muss sich damit abfinden, plötzlich die Rolle des Arthur Salton einnehmen zu müssen, dessen Körper sich in diesem Grab befand – und der von seiner wunderschönen Frau Lucille, längst tot geglaubt, warmherzig wieder in Empfang genommen wird.

Während der auferstandene Arthur sich mit der ländlichen Idylle anfreundet, den Entwicklungen in einer Gemeinde aber dennoch skeptisch gegenübertritt, wird Nathaniel de Dalis nach einem zweimonatigen komatösen Wahn wieder aus seinem Schlummer erlöst. De Salis nutzt jedoch die Gunst der Stunde, um Adam Salton auf den Pfad seiner Bestimmung zu entsenden. Adam soll den Weltenberg Kailash dreizehnfach umrunden und dort das Buch Akasha aufstöbern, welches die Geheimnisse um seine Person und Herkunft offenlegen soll. Doch in Tibet angekommen, wird auch der junge Salton von einigen Nachtmahren heimgesucht. Wer und was steckt nun hinter den Mysterien, von denen Nathaniel scheinbar mehr weiß, als er zugeben will?

_Persönlicher Eindruck_

Der Genuss einer weiteren Episode der |Schwarzen Sonne| bringt den aufmerksamen Hörer zunächst einmal dazu, mehrfach kräftig durchzuatmen und die komplexen, vielschichtig strukturierten Ereignisse sacken zu lassen. Gerade nach der letzten Doppelfolge verstrickte sich das Autorenteam in einem Wust an vorerst wirren Zusammenhängen, die im Sumpf umfassender Charakter- und Zeitsprünge eine enorme Disharmonie in die bisherige Übersichtlichkeit der Serie brachten. Diesbezüglich ist nun fürs Erste Entwarnung angesagt; im nunmehr fünften Kapitel der okkulten Fantasy-Saga schreitet die Story wieder wesentlich linearer fort und spezialisiert sich auf einige Teilstränge, ohne dabei erneut das gesamte Handlungsgefüge aufzugreifen. Es sind vornehmlich Berger alias Arthur Salton und sein späterer Enkel Adam, die über den Zeitraum mehrerer Monate in ihrem Handeln begleitet und deren düstere persönliche Geheimnisse Stück für Stück wenigstens andeutungsweise aufgedeckt werden.

Nichtsdestotrotz werden auch in „Akasha“ wieder zahlreiche Sprünge vollzogen, die im Rahmen des sehr hohen Erzähltempos höchste Konzentration erfordern. So erfährt der Zuhörer von einem verzweifelten Jules Verne, der vergeblich versucht, Nathaniel und Adam telegrafisch zu erreichen, man spürt die innere Zerrissenheit eines Arthur Salton, der sich in seinem neuen Körper zunächst gar nicht wohlfühlt, schließlich aber dazu verdammt ist, die Lage zu akzeptieren und sich auf die Umstände einzulassen. Und natürlich richtet sich der Fokus auch wieder auf Adam, diesmal jedoch etwas distanzierter, wenngleich der junge Salton nach wie vor das Bindeglied zwischen allen Strängen bleibt. Allerdings ist seine Bestimmung nach wie vor nicht transparent, was den mystischen Inhalten der Geschichte natürlich weiteres Futter liefert. Offensichtlichkeit ist jedenfalls kein Markenzeichen der Story, was letzten Endes aber auch wünschenswert ist, denn so bleiben stets Freiräume, um den Plot auf weitere Ebenen zu verteilen – was in „Akasha“ auch weiterhin geschieht, wenn auch nicht mehr ganz so verworren.

Somit gelingt Hörspiel-Initiator Günter Merlau auch gewissermaßen die Rehabilitation von seinen leicht kritisierten vorherigen Werken, die inhaltlich stellenweise im Zeichen des Nationalsozialismus standen, welcher hier als bittere Nuance der Erzählung hinzugefügt wurde. Auch wenn diese Verknüpfung sicherlich interessant erscheint und der Story auch weiteres Potenzial verschaffte, so wurde sie mancherorts überhaupt nicht gerne gesehen, soll jedoch künftig wieder in die Handlung zurückkehren. Schließlich gilt es immer noch, reichlich Rätsel aufzudecken und Spuren zielgerichtet weiterzuverfolgen. Ein Vorausblick auf die nächste Episode zeigt, dass dieser Aspekt der Geschichte noch lange nicht abgeschlossen ist. Doch ist das an dieser Stelle noch irrelevant.

Wichtig hingegen ist, dass mit „Akasha“ die vermisste Übersichtlichkeit in das Grundgerüst der Erzählung zurückgekehrt ist und somit auch eine deutlicher fokussierte Herangehensweise gewährleistet werden konnte. Die fünfte Folge aus „Die Schwarze Sonne“ sollte gerade denjenigen, die sich mit den letzten beiden Kapiteln ein wenig überfordert fühlten, wieder richtig gut bekommen, wobei der Unterhaltungsfaktor unabhängig davon nach wie vor unheimlich groß ist. Einmal mehr zeigt Merlau nämlich in dieser Inszenierung, wie lebendig und stimmungsvoll das moderne Hörspiel sein kann – und setzt mit „Akasha“ ergo auch zum wiederholten Male Maßstäbe!

http://www.die-schwarze-sonne.de
http://www.merlausch.de

Åsa Larsson – Der schwarze Steg

Mit ihren bisherigen beiden Krimis hat die Schwedin Åsa Larsson ein wirklich gutes Händchen bewiesen. Für ihr Debüt „Sonnensturm“ gab es 2003 den Preis als bestes schwedisches Krimidebüt. Für den Nachfolger „Weiße Nacht“  bekam sie den Schwedischen Krimipreis 2004. Dass man von ihrem dritten Roman „Der schwarze Steg“ folgerichtig einiges erwarten darf, liegt somit auf der Hand.

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Sassenberg, Volker – Gabriel Burns – Zwei Horizonte (Folge 29)

Die Fäden zusammenlaufender Handlungsstränge sind ausgelegt, die bevorstehende Apokalypse, die Vancouver und damit den Stützpunkt von Bakermans Team in Gabriel Burns zu Fall bringen könnte, mehrfach angekündigt. Nun erwarten die Hörer eine Zuspitzung der Ereignisse. Bekommen sie diese mit Folge 29 „Zwei Horizonte“ geboten?

_Vorgeschichte: Folgen 1 bis 28_

Vancouver: Steven Burns, erfolgloser Schriftsteller, hält sich mehr schlecht als recht als Taxifahrer über Wasser. Sein Leben ändert sich jedoch schlagartig, als er an den geheimnisvollen Bakerman gerät – oder treffender: als Bakerman Steven kontaktiert, um ihn in ein mysteriöses Projekt einzuweihen, das sich unheimlicher Phänomene angenommen hat. Warum Bakerman, der dieses Projekt leitet, gerade Steven für seine Pläne auserkoren hat, wird dem Schriftsteller in dem Moment klar, als er an seinen Bruder Daniel zurückdenkt. Dieser verschwand nämlich im Alter von vier Jahren auf seinem Geburtstag, als Steven ihn bat, in eine Kiste zu steigen und einen Zaubertrick über sich ergehen zu lassen. Doch das Resultat war kein harmloses Kinderspiel, denn Daniel war plötzlich wie weggezaubert und blieb spurlos verschwunden.

Obwohl Bakerman auf die Geschehnisse von Stevens geheimnisvoller Zaubergabe anspielt, bleibt er ihm die Antworten schuldig. Und wenn er etwas herausrückt, dann nur sehr spärlich und darauf bedacht, die wahren Hintergründe im Dunkeln zu lassen. Denn Bakerman möchte Stevens Fähigkeiten erst einmal testen und eine Vertrauensbasis aufbauen. So schickt er ihn über den gesamten Globus; immer dorthin, wo auf eigenartige Weise Menschen verschwinden, von gefährlichen Experimente berichtet wird oder scheinbare Naturphänomene ans Tageslicht treten.

Steven Burns zur Seite stehen Joyce Kramer und Larry Newman, die das Viererteam um Bakerman komplettieren. Joyce ist bereits seit vielen Jahren ein treuer Verbündeter Bakermans und stellt seine Pläne nicht in Frage. Larry hingegen ist erst kurze Zeit nach Steven zur Mannschaft gestoßen, als sich der frühere Forstbeamte in den Wäldern von Yukon widernatürlichen Phänomenen ausgesetzt sieht und daraufhin beschließt, das Böse zu bekämpfen. Die zehn fahlen Orte sind es, die Steven Burns, Bakerman, Joyce und Larry in Atem halten. Orte, an denen das Böse zum Vorschein kommt und Tore in eine andere Welt geöffnet werden, um die Menschheit durch Kreaturen aus der Hölle zu vernichten.

Bukarest, der erste fahle Ort, ist gefallen. Der zweite könnte bald folgen. Während Bakerman und Joyce, fürs Erste untergetaucht, ihre Rückkehr planen und sich Larry Newman in den Händen Victor Zeysen befindet, ist Steven Burns in einer Welt zwischen Leben und Tod gefangen und steht endlich dem Wesen gegenüber, das ihn zu dem gemacht hat, was er ist: der Erste der Grauen Engel.

_Inhalt_

In bewährter Tradition laufen auch in Folge 29 mehrere Handlungsstränge nebeneinander, die zunächst keinen Verknüpfungspunkt aufweisen, dann aber am Ende in ein großes Finale münden. Sowohl die in Folge 28 „Im Kreis des Vertrauens“ begonnenen Geschehnisse um die entführten Kinder, denen Larry Newman in Bukarest auf die Spur gekommen ist, als auch die Rückkehr von Bakerman und Joyce stehen im Zentrum der Episode. Eingerahmt wird die Folge 29 von kurzen Szenen um Steven Burns, der sich, gefangen in einer Zwischenwelt, einer Entscheidung stellen muss, die weitreichende Konsequenzen nach sich zieht.

Bukarest: Larry Newman und seine Begleiterin Anahita können sich aus ihrer Gefangenschaft befreien und heften sich an die Fährte Victor Zeysens, der nicht nur eine Schlüsselrolle im Fall der entführten Kinder zu spielen scheint, sondern möglicherweise auch um den Verbleib Steven Burns Bescheid weiß. Immerhin stößt Larry auf Stevens Armbanduhr, die bei seiner Flucht aus einem verwinkelten Gebäude auf dem Boden entdeckt. Für eine genauere Suche bleibt jedoch keine Zeit, denn Larry und Anahita beobachten Zeysen und sein Team beim Einladen mehrere Kisten in einen Zug mit unbekanntem Zielort. Im letzten Moment klettern sie auf und machen eine furchtbare Entdeckung. Obgleich mit der Aufschrift ‚Chloroform‘ versehen, werden Kinder in den Kisten verfrachtet. Mit unterschiedlichen Nummern markiert, kann Larry schnell eins und eins zusammenzählen: Die Kisten sind für die fahlen Orte bestimmt, um dort ihren Fall herbeizuführen. Als der Zug schließlich hält und die Kiste Nummer acht in ein Flugzeug nach Kanada verladen wird, verabschiedet sich Larry von Anahita und begleitet als blinder Passagier die Fracht nach Vancouver – in der Hoffnung, die nahende Katastrophe in der Stadt noch zu verhindern.

Zur selben Zeit erholen sich Joyce Kramer und Mr. Bakerman auf Douglas Island, einer verlassenen Insel im Süden Vancouvers. Ihre Rückkehr in die Welt der Lebenden – noch immer halten sie viele für tot – will gut vorbereitet sein. Untätig sind sie jedoch nicht, und während vor allem Bakerman alle bisherigen Hinweise auf verschwundene oder getötete Personen und eigenartige Verstrickungen noch einmal überprüft, stößt er schließlich auf eine heiße Spur: Bernard Cardieux. Dieser ist zwar schon tot, sein Haus aber noch nicht verkauft, so dass Bakerman und Joyce wenig später zu dem Anwesen aufbrechen. Tatsächlich entdecken sie im Keller noch einen funktionstüchtigen Laptop, der eine wichtige Aufzeichnung enthält. Könnte des Rätsels Lösung, wie ihre Gegner noch aufgehalten werden können, im Wolfram liegen? Bevor sie der Spur nachgehen können, bekommen sie einen wichtigen Anruf von Larry Newman, der ihnen eine Warnung schickt und sie zu einer verlassenen, weißen Villa lotst, in der eine Versammlung von Zauberern stattfinden soll. Doch der Anruf kommt zu spät, denn bevor Joyce und Bakerman die Villa erreichen, beobachten sie aus der Ferne, wie nach und nach sämtliche Stadtteile Vancouvers in völlige Dunkelheit getaucht werden. Der Fall eines weiteren fahlen Ortes hat begonnen.

Losgelöst von diesen Ereignissen betritt Steven bzw. Gabriel Burns eine neue Welt und steht dem Flüsterer gegenüber. Er will keine Marionette größerer Mächte mehr sein und seinen eigenen Weg wählen, und dazu zählt auch, endlich seinen Bruder Daniel wiederzufinden, der als kleines Kind verschwunden ist. Nun ist Daniel plötzlich in greifbarer Nähe und Gabriel gewillt, ihn aus dieser Zwischenwelt zurückzuholen. Doch das könnte das Gleichgewicht gefährden – und dies in einer Situation, die keinen Aufschub duldet.

_Bewertung_

Der |Gabriel Burns|-Hörer bekommt mit Folge 29 „Zwei Horizonte“ das geboten, was er von der Serie gewohnt ist: eine spannende, komplex durch mehrere Handlungsstränge verbundene Erzählung, die rasant auf einen neuen Wendepunkt innerhalb der Geschichte zusteuert. Um die Bedeutsamkeit der Ereignisse zu unterstreichen, fährt Produzent Volker Sassenberg in „Zwei Horizonte“ ein Klanggewand auf, das sämtliche Register zieht und sich selbst vor großen Kinoproduktionen nicht verstecken muss. Vor allem die Eingangs- und die Abschlussszene um Steven Burns sind von einem epischen Soundtrack mit imposantem Chorgesang unterlegt, der im Hörspielsektor seinesgleichen sucht. Die eigentliche Handlung wird dabei fast zur Nebensache, weiß aber in dieser Folge mehr denn je zu gefallen und zieht dankenswerterweise wieder etwas an Tempo an.

Die prominenten Sprecher leisten wie gewohnt gute Arbeit. Viele bereits bekannte Nebenfiguren, mitunter einige aus dem ersten Teil, kehren für kurze Gastauftritte zurück und machen deutlich, dass der Fortlauf der Handlung gut durchdacht ist und nichts dem Zufall überlassen wird. Eine genaue Kenntnis der bisherigen Ereignisse ist zwingend notwendig. Aus dem Kontext gerissen ist Gabriel Burns nicht zu verstehen. Wer sich jedoch die Zeit nimmt und |Gabriel Burns| intensiv verfolgt, der wird mit einem umso intensiveren Hörgenuss belohnt, der auch für die Zukunft noch viele Höhepunkte verspricht.

http://www.gabrielburns.de/

Siehe ergänzend dazu auch unsere Besprechungen zu den aktuellen Buchveröffentlichungen

[„Gabriel Burns: Die Grauen Engel“ 3892
[„Gabriel Burns: Verehrung“ 3960

Hrissomallis, Simeon – Faith – The Van Helsing Chronicles: Das Böse im Menschen (Season 1 – Episode 10)

Episode 1: [„Die Zusammenkunft“ 4811
Episode 2: [„Verwandlungen“ 4826
Episode 5: [„Dämonische Leidenschaft“ 4833
Episode 6: [„Ravens Geheimnis“ 4850

Faith hat immer noch mit der Tatsache zu kämpfen, ein menschliches Wesen getötet zu haben. Als sie ihre Freunde Shania und Vin besucht, kommt sie in Kontakt mit der Feen-Magie ihrer Freundin. Eigentlich wollte Shania einen Weg finden, das Böse im Menschen zu bannen. Doch durch Luzifers Amulette, die Faith um den Hals trägt, wird die Magie umgekehrt, und all das Böse, das auch in der Jägerin existiert, kommt zum Ausbruch. Faith wird zu einem unkalkulierbaren Risiko und zu einer Bedrohung für alle, die sich ihr in den Weg stellen …

_Meine Meinung:_

Die Handlung knüpft nahtlos an den Vorgänger an und stellt wieder einmal entscheidende Weichen für die Zukunft. Dadurch ist diese Folge alles anderes als geeignet für Einsteiger, denn selbige würden die Zusammenhänge nur schwer verstehen und könnten nur wenig mit Faiths Wesensveränderung anfangen. Nana Spier legt bei der Interpretation ihrer Rolle ein wahres Meisterstück der Schauspielkunst ab. Wie sie die Gefühle der jungen Frau wiedergibt und auslebt, ist schlichtweg atemberaubend.

Weniger gelungen ist dagegen Heiner Heusingers Darstellung des Gangsterbosses Rick Mitchum. Als dieser sein Schäferstündchen mit Rufina und Valeria abhalten will, schießt Heusinger weit übers Ziel hinaus und wirkt einfach unglaubwürdig. Später, als Untoter, spielt er seinen Part viel authentischer. Die restlichen Hauptdarsteller, allen voran David Nathan, erledigen ihre Arbeit gewohnt professionell, und abermals ist Torsten Michaelis in der Rolle des undurchsichtigen Mister X zu hören, der in dieser Folge eine richtige Identität erhält, nämlich Alex Christ. Die Handlung ist sehr düster und macht eine Altersfreigabe ab 16 unumgänglich. Die vom Bösen durchdrungene Faith demütigt ihren Freund Raven in einer perfiden Weise, und die Szene, in der sie sich mit Alex Christ ‚vergnügt‘, ist schon starker Tobak.

Im Finale des Hörspiels erwartet den gespannten Hörer eine wirkliche Überraschung, denn eine der Hauptfiguren muss ihr Leben lassen. Darüber hinaus wird auch in dieser Episode nicht mit Action gegeizt und sowohl Effekte, als auch die Musik sind mehr als passend.

_Zur Aufmachung:_

Das Cover von Timo Würz vermittelt einen treffenden ersten Eindruck von dem, was den Hörer in den kommenden 60 Minuten erwartet: nämlich eine düstere Mischung aus Sex und Gewalt.

_Fazit:_

„Das Böse im Menschen“ ist eine kurzweilige, aber auch sehr düstere Folge von Faith, die sich erstmalig richtig gehen lässt. Nana Spier beweist, welch großartige Schauspielerin sie ist. Technisch ist die Folge einfach brillant, nur Einsteiger sollten sich eher eine der ersten Episoden zulegen, denn Vorwissen ist unbedingt notwendig.

_Besetzung:_

Faith Miles: Nana Spier (Sarah Michelle Gellar, Claire Danes, Drew Barrymore)
Shania Francis: Dorette Hugo (Jennifer Garner, Christina Ricci in „Ally McBeal“)
Melvin Masters: Boris Tessmann (David ‚Angel‘ Boreanaz)
Hunter: Udo Schenk (Ray Liotta, Ralph Fiennes, Kevin Bacon, Gary Oldman, Jeffrey Combs …)
Valeria Claudia: Urbschat-Mingues (Angelina Jolie, Jennifer Connelly)
Rufina: Uschi Hugo (Brittany Murphy, Tara Reid, Julie ‚Darla‘ Benz)
Christopher Lane: Thomas-Nero Wolff (Hugh Jackman, Jason Statham, Anthony ‚Giles‘ Head)
Raven: David Nathan (Johnny Depp, Christian Bale, James ‚Spike‘ Marsters)
Erzählerin: Barbara Stoll
Alex Christ: Torsten Michaelis (Wesley Snipes, Sean Bean)
Rick Mitchum: Heiner Heusinger
Bedienung: Carola Ewert (Selma Blair, Eliza ‚Faith‘ Dushku)
Arzt: Lutz Riedel (Timothy Dalton, Richard Gere, Udo Kier, Sam ‚Holland Manners‘ Anderson)
Bruno: Jörg Ade
Tony: Santiago Ziesmer (Steve Buscemi, Tony Cox, Seth ‚Oz‘ Green)

|60 Minuten auf 1 CD|
http://www.rb-company.de
http://85.25.136.73/shop2/index.php?user=rbcompany

_Florian Hilleberg_

Thomas, Jeffrey / Merlau, Günter – Punktown (inszenierte Lesung)

„Punktown“ ist das gleichnamige Hörbuch zu drei Dark-Fiction-Storys des Schriftstellers Jeffrey Thomas:

|Die Bibliothek der Leiden|

Der Polizeiermittler Mac Diaz besitzt einen implantierten Chip, der es ihm ermöglicht, die Details einzelner Verbrechen und Tatorte auf unbestimmte Zeit zu speichern und sich jederzeit an sie zu erinnern. Nebenwirkungen sind die Flashbacks und Albträume, die den Mann seither verfolgen.

|Alles aus Liebe|

Ein junger Performance-Künstler macht seine Gefährtin Nimbus zu seinem prunkvollsten Kunststück. Als die beiden in arge finanzielle Nöte geraten, verkauft sich Nimbus an den reichen außerirdischen Geschäftsmann Darik Stuul.

|Völlig vertiert|

Ein Einsatzkommando der Polizei jagt einen außerirdischen Tierhändler in einem alten, verwinkelten Gebäude. Doch keiner weiß, wie dieser Verbrecher aussieht, und dies ist für die Männer ein Wagnis, denn sie wissen nicht, wem sie letztlich gegenüberstehen: dem Tierhändler oder einer seiner Kreaturen.

_Meine Meinung:_

Günter Merlau vertonte das surreale Werk des Dark-Fiction-Autors Jeffrey Thomas, dessen Bücher im |Festa|-Verlag in ansprechender Aufmachung erscheinen, als Mischung aus Hörspiel und Hörbuch. Der Erzähler fungiert zumeist auch als Hauptfigur, geleitet den Hörer durch die Handlung und liest dabei den Text ausführlich vor. Lediglich die Dialogpartner haben andere Sprecher erhalten, so dass der Erzähler nicht die Stimme variieren muss, um beispielsweise wie eine Frau zu klingen. Natürlich wird hier dem Sprecher die Möglichkeit genommen, Text und Charakter selbst zu interpretieren. Nach langen Monologen und sich anschließenden kurzen Gesprächsfetzen wirkt die fremde Stimme im Kontext oft als störend.

Gelungen ist dagegen das zweigleisige Hörstück „Alles aus Liebe“, welches zum Großteil von Simone Pahl alias Nimbus und Martin Schleiß als Künstler Teal gesprochen wird. Der außerirdische Geschäftsmann Stuul wird eindrucksvoll von Michael Prelle dargestellt, dessen Name immer für Qualität bürgt. Dieses Hörstück ist das zweite und zugleich längste in der 3-CD-Box und besitzt zum Teil sehr intensive Erotik-Szenen, die an ein akustisches Werk von H. R. Giger erinnern.

In der ersten Story „Die Bibliothek der Leiden“ spricht Bernd Hölscher den Protagonisten Diaz. Dem Schauspieler gelingt es hervorragend, die Resignation und Verzweiflung, welche diese Figur empfindet, in seiner Stimme zu transportieren. Als Mutter des Polizisten brilliert Elga Schütz, deren schauspielerische Leistung als Malice Do’Urden in der Serie |Drizzt| unvergessen bleibt. Das Highlight des Hörbuches bildet aber die Darstellung des SEK-Mannes Yu durch den Sprecher Jan Spitzer, der mit seiner markanten Stimme für ein unvergessenes Hörerlebnis sorgt. Unterlegt werden die düsteren Geschichten alle von einer surrealen Musik und realistischen Effekten.

Die Geschichten von Thomas wirken wie eine groteske Mischung aus „Sin City“ und den Erzählungen von Edgar Allan Poe. Die Storys sind atmosphärisch sehr dicht und spielen in einer dunklen Zukunft, die alles andere als erstrebenswert ist.

Äußerlich macht die aufklappbare CD-Box einen sehr kunstvollen Eindruck. Die Illustrationen von Marc Robitzky passen perfekt zu den unheimlichen, düsteren Kurzgeschichten von Thomas und vermitteln einen treffenden ersten Eindruck, der dazu animiert, in das Werk hineinzuhören.

_Fazit:_ „Punktown“ ist eine gekonnt inszenierte Story-Sammlung des Autors Jeffrey Thomas mit professionellen, namhaften Sprechern und einem der düsteren Atmosphäre angepassten Musicscore.

|150 Minuten auf 3 CDs|
http://www.merlausch.de
http://www.festa-verlag.de

_Jeffrey Thomas auf |Buchwurm.info|:_
[„MonstroCity“ 2175

_Florian Hilleberg_