Archiv der Kategorie: Kinder- und Jugendliteratur

Chattam, Maxime – Alterra: Die Gemeinschaft der Drei (Band 1)

Es ist nichts geringeres als das Ende der Welt, das der Franzose Maxime Chattam in seinem Jugendroman „Alterra: Die Gemeinschaft der Drei“ heraufbeschwört. Fast so als wolle sich die Natur für alles rächen, was der Mensch ihr aufgebürdet hat, holt sie zum Gegenschlag aus und lässt die Welt im Chaos versinken. Das Szenario ist für sich genommen beklemmend, aber es ist gleichzeitig der Beginn von etwas Neuem und der Aufbruch in ein spannendes Abenteuer.

_Alles beginnt_ damit, dass ein Orkan über New York herein bricht, der stärker und monströser ist als jeder vorangegangene Sturm. Der 14-jährige Matt beobachtet schon vor dem Sturm seltsame blaue Blitze, die die Menschen zu verschlingen scheinen – zurück bleibt nur ein Häufchen Kleidung. Als der Sturm an Intensität gewinnt, tauchen im dichten Schneetreiben in der ganzen Stadt blaue Blitze auf. Matt will seine Eltern warnen, wird aber selbst von einem Blitz nieder gestreckt. Als er aufwacht ist die Wohnung leer – von seinen Eltern ist nur ein Häufchen Kleidung zurückgeblieben.

Als Matt auf die schneebedeckte Straße tritt, wird ihm schon bald klar, dass nicht nur seine Eltern verschwunden sind, sondern so ziemlich alle Erwachsenen. Matt macht sich zusammen mit seinem Freund Tobias auf die Suche nach weiteren Überlebenden der Katastrophe. Doch die Suchenden merken schnell, dass sie es sind, die gesucht werden. Seltsame Wesen mit gleißenden Augen, die auf hohen Stelzen zu laufen scheinen, jagen sie. Matt und Tobias bleibt nur die Flucht aus der Stadt.

Vor den Toren der Stadt bietet sich den Beiden ein gänzlich anderes Bild. Die Welt hat sich in einen wilden, undurchdringlichen Dschungel verwandelt. Matt und Tobias schlagen sich irgendwie durch und stoßen im Westen schließlich auf einer abgelegenen Insel auf eine Gruppe von Kindern, die sich „Die Pans“ nennen. Sie arrangieren sich mit den neuen Lebensumständen und bilden eine verschworene Gemeinschaft. Hier treffen Matt und Tobias die kluge Ambre, die den Beiden schnell zur besten Freundin wird.

Als sich andeutet, dass es in der Gruppe einen Verräter zu geben scheint, bilden Matt, Tobias und Ambre die „Gemeinschaft der Drei“. Gemeinsam wollen sie die Pans vor den Gefahren der neuen Welt beschützen und die Pan-Gemeinschaft retten. Dabei sind die Bedrohungen vielfältig. Von Norden her nähert sich ein bedrohlicher Schatten. Auch die Zyniks, die letzten verbliebenen Erwachsenen machen Jagd auf die Kinder und dann wäre da noch das ungelöste Problem mit dem Verräter …

_Was Maxime Chattam_ in „Alterra: Die Gemeinschaft der Drei“ entwirft, ist eine düstere Endzeitvision und ein spannender Abenteuerroman zugleich. Die Natur schlägt zurück und lässt die Menschheit für all das bezahlen, was sie verbockt hat. Nur die Kinder scheinen ihre zweite Chance zu bekommen. Als einzige Überlebende der Katastrophe müssen sie sich mit der neuen Welt arrangieren.

Doch den Kindern wird der Neuanfang nicht leicht gemacht. Gejagt von den letzten verbliebenen Erwachsenen und konfrontiert mit einer dunklen unbegreifbaren Macht, ist das Überleben nicht gerade ein Zuckerschlecken. Und damit steckt der Leser dann auch schon mittendrin in einer Fantasygeschichte, die dem gängigen Schwarz-Weiß-Schema folgt: Die dunkle Macht, die ihre Schatten auf die Welt wirft und der tapfere Held (Matt), der sich ihr entgegen stemmt.

Schon sehr bald wird klar, dass Matt in der neuen Welt eine besondere Rolle zukommt. Die Stelzenläufer in New York scheinen speziell auf der Suche nach ihm zu sein. Matt scheint dabei so etwas wie der personifizierte Traum eines jeden jugendlichen Fantasy-Rollenspielers zu sein. Mit Aragorns Schwert auf dem Rücken (das Weihnachtsgeschenk der Eltern für den begeisterten Herr-der-Ringe-Fan), stapft er durch das menschenleere New York. Da werden Rollenspielerträume wahr.

Die klassischen Fantasyeinflüsse sind in Chattams Roman genauso offensichtlich wie andere offensichtliche Inspirationsquellen. Wer denkt beim Anblick der Pan-Gemeinschaft auf ihrer Insel nicht an William Goldings „Herr der Fliegen“? Und wer fühlt sich beim Anblick der seltsamen Stelzenläufer in New York nicht an die „Dreibeinigen Herrscher“ erinnert? Was Chattam aus all diesen Einflüssen macht, steht dennoch durchaus für sich. Es ist kein Abklatsch verschiedener anderer Romane, sondern kann sich durchaus als eigenständiges Werk behaupten.

Schnell kommt der Plot in Fahrt und entwickelt eine Menge Spannung. So liest sich der Roman flott herunter. Dass es den Figuren dabei hier und da etwas an Tiefe mangelt, mag man Chattam dennoch nachsehen. Schließlich ist „Alterra“ eben auch ein Jugendroman, da ist eine etwas oberflächlichere Charakterskizzierung nicht allzu verwunderlich. Sicherlich hätte Chattam hier noch etwas mehr herausholen können, dennoch tut diese Schwäche der Spannung keinen Abbruch.

Was irritierend wirkt, ist die Tatsache, dass „Alterra“ sich erst im Laufe der Lektüre als Mehrteiler entpuppt. Man ahnt es bereits im Verlauf der Geschichte, da im letzten Romandrittel einfach noch zu viele Fragen offen bleiben. Das offene Ende der Geschichte lässt einen dann aber dennoch erst einmal gehörig in der Luft hängen – zumal die Geschichte wirklich mittendrin abbricht und der Spannungsbogen dadurch abrupt abgerissen wird. Es ist für den Leser immer angenehmer, wenn er vor der Lektüre weiß, ob er es mit einem abgeschlossenen Roman oder einer Romanreihe zu tun hat. Dies erst im Nachhinein durch einen Cliffhanger vermittelt zu bekommen, hinterlässt einen faden Beigeschmack.

_Dennoch bleibt unterm Strich_ insgesamt ein positiver Eindruck zurück. Chattam erfindet zwar nicht das Rad neu und zeigt recht deutlich, welche Werke ihn inspiriert haben, dennoch ist „Alterra: Die Gemeinschaft der Drei“ ein spannender Roman, der auf eigenen Füßen steht. Die Figuren sind überzeugend, wenngleich sie sicherlich tiefgreifender skizziert sein könnten. Der stetig aufwärts strebende Spannungsbogen lässt einen aber über solche Details gerne hinwegsehen.

„Alterra“ ist ein spannendes Endzeitabenteuer, bei dem man sich gerade auch durch das abrupte Ende wünscht, die Fortsetzung möge möglichst bald erscheinen, denn so lassen Autor und Verlag einen dadurch, dass sie den Leser nicht im Voraus wissen lassen, dass er sich auf einen Mehrteiler einlässt, unschön in der Luft hängen.

|Gebundene Ausgabe: 389 Seiten
ISBN-13: 978-3426283004|

Benedictus, David – Pu der Bär. Rückkehr in den Hundertsechzig-Morgen-Wald

Gibt es ein schöneres Kinderbuch als „Pu der Bär“? Meiner Meinung nach nicht. Umso mehr habe ich mich auf die Rückkehr in den Hundertsechzig-Morgen-Wald gefreut, auch wenn ich von vornherein skeptisch war, ob ein anderer als Alan Alexander Milne dem süßen Bären von wenig Verstand ebenso viel Leben und Liebe einhauchen kann.

_Christopher Robin kehrt zurück_

Die Originalgeschichten um den gelben Bären endeten damit, dass Christopher Robin eingeschult wurde und sich daher von seinen tierischen Freunden im Hundertsechzig-Morgen-Wald verabschieden musste. Doch nun haben die Ferien begonnen und Christopher Robin kommt auf seinem nagelneuen blauen Fahrrad in den Wald gefahren, um seine Freunde zu besuchen. Die große Nachricht spricht sich schnell herum, und so organisieren die Tiere – Pu, Ferkel, I-Ah, Kaninchen, Tieger, Känga, Ruh, Oile und Kaninchens zahlreiche Freunde und Bekannte – ein Wiedersehensfest für Christopher Robin.

In anderen Geschichten um Pu und seine Freunde veranstalten die Tiere einen Buchstabierwettbewerb der buchstäblich ins Wasser fällt, oder einen Kricket-Wettbewerb. In einer Geschichte organisiert Kaninchen eine Tierzählung, die an seinen vielen Bekannten und Verwandten scheitert. Als es wochenlang nicht regnet, bekommen die Gefährten im Hundertsechzig-Morgen-Wald Zuwachs vom Otterweibchen Lotti, das auf dem Trockenen sitzt und bei Christopher Robin gebadet werden muss. In einer anderen Geschichte verschwinden die Bienen, was Pu natürlich in Angst und Schrecken versetzt, so dass er sich unterstützt von seinen Freunden auf die Suche macht und anschließend auch einen Plan fasst, wie man die Bienen wieder zurück in ihren angestammten Baum locken könnte. Zum Schluss feiern die Waldbewohner ein großes Erntedankfest, bei dem sich Christopher Robin schon wieder verabschieden muss, weil die Schule beginnt. Und so müssen wir uns auf der letzten Seite erneut von Pu und Ferkel verabschieden.

_Besser als das Orginal?_

Auf dem Buchrücken wirbt der Verlag werbewirksam mit einem Zitat des meisterhaften Übersetzers Harry Rowohlt, der gesagt haben soll, Alan Alexander Milnes Geist sei über David Benedictus gekommen. Dieser Ausspruch legt für mich die Messlatte unglaublich hoch, denn niemand kann so wunderbar formulieren wie Alan Alexander Milne, der mit seinem unvergleichlichen Schreibstil Charaktere geschaffen hat, die ihresgleichen suchen. Da wäre beispielsweise der gelbe Bär von geringem Verstand, der gerne in seiner Denkecke nach der richtigen Idee sucht oder seine eigenen Fußspuren für die eines schrecklichen Wuschels hält. Oder da wäre das ängstliche Ferkel, das in Milnes Büchern so tapfer gegen das Heffalump gekämpft hat. Sein innerer Monolog, in dem es sich zurecht legt, was es einem Furcht erregenden Heffalump erwidern könnte, wenn es denn auftauchen sollte, zählt für mich zu den absoluten Höhepunkten der Milneschen Formulier- und Fabulierkunst.

David Benedictus versucht in Ansätzen diesen Schreibstil nachzuahmen, indem er Pu beispielsweise lange verworrene Schachtelsätze in den Mund legt, die zeigen sollen, wie verwirrt Pus Gedankengänge oftmals sind, was zu einem Bären mit wenig Verstand passen würde. Dennoch sind Benedictus‘ Sätze immer noch viel zu gradlinig für den Milneschen Bären. Auch Ferkel erweist sich als viel tapferer als bei Milne. Zwar gerät Ferkel auch hier in eine gefährliche Situation, als es in einen dunklen und tiefen Brunnenschacht hinab gelassen werden soll. Doch wo Milne teilweise seitenlang Ferkels Ängste beschrieben und in wunderbaren Worten ausgeschmückt hat, da kommt David Benedictus viel zu schnell zur Sache. Da gibt es einen Satz, in dem wir erfahren, dass Ferkel das Herz in die nicht vorhandene Hose rutscht – und dann lässt Ferkel sich auch schon abseilen. Das ist mir zu gradlinig und zu wenig Milne.

Pus Gesumme sind ein weiteres Stilmerkmal von Milne, der seinen Bären immer wieder Gesumme erfinden lässt, wenn dieser nichts Besseres zu tun hat, wenn er ängstlich ist oder eine besondere Begebenheit festhalten möchte. Doch auch die Gesumme sind in dieser Fortsetzung längst nicht so wundervoll wie bei Milne. Pus Gedankengänge sind zu gradlinig, die Reime zu offensichtlich und die Gesumme oftmals auch mit viel zu viel Inhalt ausgestattet. Denn Milne schaffte es, ein langes Gesumme über Pus Zeh-Weh im Schnee zu formulieren (tideli pom) oder auch ein völlig inhaltsloses Gesumm passend zu Pus Morgengymnastik (Rum-tum-tiedel-um-tum). David Benedictus ist von diesen schriftstellerischen Kunststückchen leider noch sehr weit entfernt. Leider, denn genau diese ausgefeilte und ausschmückende Formulierkunst macht für mich die Faszination bei Pu der Bär aus. Zudem charakterisieren solche Worte und Gedankengänge die Charaktere im Hundertsechzig-Morgen-Wald. Pu und vor allem Ferkel verlieren dadurch aus meiner Sicht deutlich an Profil.

_Neue Geschichten_

Auch die Geschichten wussten mich nicht so recht zu überzeugen. Mir gefiel Lotti als neue Waldbewohnerin nicht, da sie zu wenig Profil gewann. Für meinen Geschmack haben die Waldbewohner die neue Bewohnerin auch etwas zu schnell in ihren Kreis aufgenommen. Ich erinnere ich noch an Tiegers Auftauchen, das für deutlich weniger Freude sorgte und stattdessen die Tiere auf den Plan rief, Tieger aus dem Wald zu vertreiben. Da passt es nicht ganz, wenn Lotti nun mit offenen Armen empfangen wird. Die Geschichten waren mir viel zu alltäglich. David Benedictus greift sich Themen aus dem normalen kindlichen Alltag heraus, wie z. B. das Buchstabieren, die Schule, Sport oder auch Feste. Benedictus traut sich aber nicht, so völlig sinnlose und eigentlich fast schon inhaltslose Themen heraus zu greifen wie Milne, der Pu und Ferkel z. B. auf die Jagd nach einem Wuschel und einem Wischel gehen lässt, die es natürlich nicht gibt. Auch die wunderbare Geschichte um das Heffalump oder die „Expotition“ zum Nordpol, den Pu schließlich in Form eines Pfahles findet, sind von einem ganz anderen Kaliber als die von Tieger, der gesundheitlich so angeschlagen ist, dass er nicht mehr essen mag und nur noch von Afrika träumt. Benedictus beweist hier meiner Ansicht nach zu wenig Fantasie und vor allem zu wenig Mut, auch mal über „Nichts“ zu schreiben beziehungsweise seine Waldbewohner etwas völlig Sinnloses tun zu lassen.

An manchen Stellen baut er Fantasiewörter ein, die auch bei Milne häufig entstanden sind, wenn Pu etwas nicht richtig verstanden hat (z.B. weil etwas Fell in seinem Ohr steckte) oder weil er das Wort nicht kannte und es zu kompliziert für ihn war, aber Benedictus ist auch hier zu vorsichtig und zu gewöhnlich. Pu ist aber außergewöhnlich, das macht gerade seinen Reiz auch mehr als 50 Jahre nach Alan Alexander Milnes Tod aus.

_Eine Augenweide_

Wunderbar haben mir dagegen die Zeichnungen aus der Feder von Mark Burgess gefallen, der wirklich ganz im Sinne von E. H. Shepard zeichnet und Pu und seinen Freunden Leben ein haucht. Auf jeder Doppelseite finden sich mindestens ein oder zwei Zeichnungen, die immer genau zu der jeweiligen Situation passen und die ganz wunderbar das einfangen, was David Benedictus geschrieben hat. Hier stimmt jedes einzelne Detail, hier stimmt jeder Strich. Dass nicht Shepard selbst gezeichnet hat, habe ich lediglich daran gemerkt, dass Käfer – einer von Kaninchens zahllosen Freunden und Bekannten – nur auf wenigen Zeichnungen auftauchte. Shepard hatte „Klein“, so heißt der Käfer, auf sehr vielen Bildern versteckt, was mir immer sehr gut gefiel. Ein solch durchgängiges Element habe ich bei Burgess nicht gefunden – dennoch: Die Zeichnungen sind grandios gelungen und verdienen all mein Lob, da sie tatsächlich genau das nachahmen, was Shepard einst so fantastisch vorgemacht hat.

_Abschied von Pu_

Für mich als großen Pu-der-Bär-Fan war dieses Buch natürlich ein Pflichtkauf. Bereut habe ich den Kauf nicht, da das Wiedersehen mit Pu und seinen Freunden durchaus schön war und mich streckenweise durchaus zu unterhalten wusste. Aber für David Benedictus hing die Messlatte einfach viel zu hoch. Nie hätte ich mich an ein solches Unterfangen gewagt, das eigentlich zwangsläufig zum Scheitern verurteilt war. So ist Benedictus‘ Schreibstil verglichen mit vielen Autoren durchaus gefällig, verglichen mit Milne allerdings doch recht gewöhnlich. Im Vergleich mit dem Original fällt die Rückkehr in den Hundertsechzig-Morgen-Wald leider nur mittelmäßig aus, obwohl die Zeichnungen dem Original durchaus würdig sind. Aber Pu-Fans werden sich hiervon sicherlich nicht abhalten lassen und sich von Benedictus wieder in den Hundertsechzig-Morgen-Wald entführen lassen.

|Gebundene Ausgabe: 224 Seiten
ISBN-13: 978-3791526799|
Originaltitel: |Winnie-the-Pooh’s Return to the Hundred Acre Wood|
Vom Hersteller empfohlenes Alter: 6 – 7 Jahre

Die drei ??? – Die Höhle des Grauens (Band 109)

Schon seit einiger Zeit erscheinen die aktuellen „Drei ???“ Bücher ohne den berühmten, aber sachlich eigentlich falschen Zusatz „Alfred Hitchcock“. Auch Reprints älterer Geschichten kommen zukünftig ohne ihn aus, wie etwa das 2003 erschienene „Höhle des Grauens“ aus der Feder von Ben Nevis. Der Weg in die Moderne hat lange gedauert. Genauer gesagt seit Band 70 befinden wir uns in der so genannten „Neuen Ära“. Hier sind die drei Detektive gegenüber den alten, klassischen Fällen bereits neuzeitlicher ausgestattet: Autos, Handy, Computer und Internetnutzung sind nun häufig in ihren Geschichten anzutreffen. Tonbandgerät und Walkie Talkies haben ausgedient, auch die Themen sind moderner ausgerichtet. Ihr 111. Fall führt das Trio raus aus Rocky Beach, hinein in die Welt des Erlebnistourismus.

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Marx, André – Die drei ??? – Das Auge des Drachen

Legt man die Chronologie der Hörspielreihe zugrunde, handelt es sich bei „Das Auge des Drachen“ von André Marx um den 113. Fall des Jungdetektivtrios, welches schon seit 1962 die Jugendliteraturlandschaft bereichert. Mittlerweile bezeichnen sich bereits mehrere Generationen als Fans und man wartet meist sehnsüchtig auf neue Buchpublikationen aus dem Stammverlag |Franckh-Kosmos| oder die entsprechenden Vertonungen aus den EUROPA Studios, welche für gewöhnlich kurz danach veröffentlicht werden. Auch hier verhielt es sich nicht anders: beide Versionen debütierten 2003.

_Zur Story_

Die drei Fragezeichen genießen einen entspannten Sommertag in freier Natur. Der Wald nahe Rocky Beach ist ideal zum Relaxen, wenn man ausnahmsweise mal keinen Fall zu bearbeiten hat. Doch dieser Zustand ausgelassener Ferienstimmung, welche in einer zünftigen Schlammschlacht gipfelt, währt nicht lang: Ein seltsamer Ruf, ein dunkler Schemen, welcher in den Baumwipfeln verschwindet und der Schrei eines Mädchens alarmieren die drei Detektive innerhalb weniger Augenblicke. Aus einigen Kratzern blutend finden sie die kleine Emily auf, die steif und fest behauptet von einem Drache angegriffen worden zu sein, als sie „Zauberblumen für die Elfenkönigin“ sammelte. In Anbetracht ihres dreckstarrenden Äußeren müssen die Fragezeichen jedoch erst einmal glaubhaft versichern, dass sie keine Trolle seien.

Justus, Peter und Bob haben auch etwas gesehen und gehört – nur was, das wissen sie noch nicht so genau. Zunächst gilt es aber die Kleine zu verpflastern und wohlbehalten Zuhause bei ihrer Mutter abzuliefern. Sie bieten ihre Dienste an, herauszufinden, was es mit den wundersamen Geschichten von Fabelwesen und selbstverständlich in erster Linie dem ominösen Angriff aus der Luft auf sich hat. Die Sechsjährige ist mit einer überaus lebhaften Fantasie ausgestattet, doch irgendetwas hat sie schließlich attackiert, das ist keine Einbildung gewesen, sondern Tatsache. Mrs Silverstone willigt ein, kennt sie die Phantastereien ihrer Tochter doch zu gut und sieht es überdies gar nicht so gerne, wenn sie alleine durch den Wald streift und ihren Lieblingsort aufsucht.

Dabei handelt es sich um eine geheimnisvolle Skulptur der kürzlich verstorbenen exzentrischen Künstlerin Martha Lake: „Das Auge des Drachen“. Auf ihrem Weg zurück in den Wald begegnen die Fragezeichen dem vermeintlichen Drachen (welcher sich als „Kea“ erweist – einem seltenen neuseeländischen Vogel) und machen am Ende ihrer ziemlich erfolglosen Verfolgungsjagd später sogar noch Bekanntschaft mit der leibhaftigen „Elfenkönigin“. Bei ihren weiteren Ermittlungen stoßen sie auf viele interessante Puzzleteile, die auf eine verschwundene Erbschaft hinweisen – zudem entdecken sie immer mehr Parallelen zwischen Martha Lake und der kleinen Emily; was fehlt, ist das Bindeglied der beiden zueinander. Genau dieses bleibt den Augen der meisten Menschen auf ewig verborgen. Und das ist wörtlich zu verstehen.

_Eindrücke_

Ein nach dem oft erfolgreichen Strickmuster der Serie aufgebauter Plot mit einer ordentlichen Portion Mystery. Dass André Marx ein wenig beim „lachenden Schatten“ und einmal auch bei „gefährliche Erbschaft“ räubert, tut der gut durchdachten und rasant erzählten Geschichte keinen Abbruch. Auch als die Zusammenhänge nach Bereinigung aller Nebelkerzen endlich aufgeklärt werden, ist die Kuh noch lange nicht vom Eis. Der Fiesling schreckt vor nichts zurück. Endlich mal wieder eine Story, bei der auch der Gegenspieler glaubhaft böse und verschlagen ist. Selten waren die Finale bei den drei Fragezeichen in letzter Zeit so packend und die Auflösung des Rätsels so originell. Gut, die Figuren sind nicht bis ins letzte Detail ausgestaltet, das bemerkt man wohl, aber erst, wenn man „Das Auge des Drachen“ eventuell ein zweites Mal – vielleicht etwas genauer – liest.

Das gute Stück geriet aufgrund des süffigen Stils im Übrigen angenehm fluffig. Spannung ist stets genügend vorhanden und die Story plausibel. So genannte Plotholes, die gefürchteten Löcher in der Logik, sucht man vergeblich. Die üblichen 128 Seiten ist man innerhalb kürzester Zeit durch und fühlt sich gut unterhalten sowie intellektuell durchaus gefordert. Wenngleich die Auflösung aus eigener Kraft im Prinzip eigentlich nicht möglich ist. Die Idee, Tetrachromie zum Thema zu machen, ist tatsächlich mal etwas Neues. Aus der Luft gegriffen ist diese besondere Fähigkeit des Sehens auch nicht, es gibt tatsächlich sehr wenige Menschen, die aufgrund eines seltenen Gendefekts diese Fähigkeit besitzen. Mehr sei an dieser Stelle aufgrund des Spannungserhalts dann auch nicht verraten. Es ist ohnehin schwer genug dieses Buch zu rezensieren, ohne jederzeit Gefahr zu laufen, zu viel vorweg zu nehmen.

_Fazit_

André Marx gelang hier ein unterhaltsamer Pageturner, der so ziemlich alle Tugenden der Serie in sich vereint: Mystery, Spannung und gut dosierter Humor gepaart mit einer ziemlich ausgefallenen Grundidee dahinter. „Das Auge des Drachen“ ist somit einer der Lichtblicke jenseits der Hunderter-Marke und muss sich selbst hinter kultigen Glanzfolgen alter Prägung nicht verstecken. Natürlich handelt es sich um Jugendliteratur, doch egal ob alt oder jung, alle Leserschichten dürfen bedenkenlos zugreifen. Auch Quereinsteiger. Wer nicht so die Leseratte ist, mag auch gerne auf die Hörspielvariante ausweichen. Diese ist – obwohl naturgegeben etwas eingekürzt – genauso empfehlenswert wie die originelle Buchvorlage.

_Die Buchdaten auf einen Blick:_

„Die drei ??? – Das Auge des Drachen“
Basierend auf Figuren von Robert Arthur
Erzählt von André Marx
Franckh-Kosmos, 2003
128 Seiten Hardcover
Cover Illustration: Silvia Christoph
Redaktion: Martina Zierold
ISBN-10: 3-440-09659-9
ISBN-13: 978-3-440-09659-8

Marx, André – Die drei ??? – Botschaft von Geisterhand

Die drei Fragezeichen gingen zu Beginn der Neunzigerjahre komplett in deutsche Hand, nachdem die Originalserie „The three Investigators“ in ihrem Ursprungsland Amerika eingestellt wurde, sich hier jedoch weiterhin so großer Beliebtheit erfreute, dass sich der Franckh-Kosmos Verlag die exklusiven Fortführungsrechte sicherte. Die „Botschaft von Geisterhand“ wird erzählt von André Marx, stammt aus dem Jahr 2000 und gehört zur so genannten „Neuen Ära“, welche bis dato anhält. Obwohl es eigentlich gar keine Nummerierung gibt, ist es der 95. Fall des Trios, legt man die Chronologie der bei EUROPA erscheinenden Hörspiele zugrunde, welche ganz maßgeblich zum großen Erfolg der Serie beigetragen haben.

_Zur Story_

Derzeit herrscht Flaute bei den drei Detektiven. Das heißt, Justus triezt Peter mit kniffligen Denksportaufgaben. Ein Unterfangen, welches bestenfalls als schwierig zu bezeichnen ist, wenn man den zuweilen geistig etwas schwerfälligen zweiten Detektiv kennt. Der Müßiggang findet ein jähes Ende, als ein geheimnisvoller Brief eintrudelt. Weder Umschlag noch das leere Blatt Papier in seinem Inneren, das selbstverständlich allen gängigen Geheimschrift-Tests unterzogen wird, weisen auf den Absender hin. Während die drei sich noch den Kopf zerbrechen, klärt das Telefon das Rätsel. Ihre „alte Freundin“ Jelena Charkova eröffnet ihnen – nicht ohne eine gute Portion Häme und Hochnäsigkeit – , dass sie längst auf die drei Jungs warte, das würde aus dem Brief doch hervorgehen. Dieser sei mit einer neuen Geheimtinte aus ihrer Chemie-Giftküche geschrieben.

Allen Animositäten zum Trotz sollen die Jungs antanzen, denn sie habe einen Fall. Sie habe zufällig in einem fehlgeleiteten Telefongespräch mitbekommen, dass ein wertvolles und geheimnisvolles Buch – das „Popol Vuh“ – gestohlen werden soll. Es handelt sich genau genommen um eine sehr alte Übersetzung ins Spanische und nicht das Original selbst. Der Aufbwahrungsort des guten Stücks war aber leider nicht zu entnehmen gewesen, jedoch hat Jelena bereits herausgefunden, wem das Buch seit einer kürzlich statt gefundenen Auktion gehört. Die Zeit drängt, denn der geplante Diebstahl steht unmittelbar am nächsten Tag bevor. Dr. Arroway ist die derzeitige Besitzerin des Buches und ihres Zeichens Spezialistin für die Kultur der Quiche-Maya. Sie ist dank Jelenas Vorarbeit leicht zu finden, und so erreichen die vier ihr Haus Just-In-Time, um sie zu warnen.

Doch Dr. Arroway denkt gar nicht daran, dass Buch weg zu schließen, sie will die Gelegenheit nutzen und Palmer Dixon, einen ihrer hartnäckigsten Konkurrenten auf diversen Auktionen, den sie übrigens auch für den mutmaßlichen Dieb hält, auf frischer Tat ertappen und ihn so endlich los werden. Daher beschließt man, für den nächsten Tag eine Falle zu stellen. Doch Erstens kommt es oft anders und Zweitens, als man denkt. Noch am gleichen Abend verschwindet das Buch einen Tag vor dem eigentlichen Termin spurlos aus dem Arbeitszimmer. War Dixon wirklich der Täter? Wenn ja, warum hat er früher als geplant zugeschlagen? Welches Geheimnis birgt diese alte Übersetzung des Popol Vuh? Diesmal sind die Detektive sogar zu Viert, um die mysteriösen Umstände zu klären. Kleine Rivalitäten beleben dabei das Geschäft ungemein.

_Eindrücke_

Wie alle neuzeitlichen Fälle kennzeichnet auch diesen eine Fülle von Modernisierungen gegenüber der Originalserie. Nicht nur dass die Jungs mittlerweile motorisiert sind, auch ihre ehemals versteckte Zentrale und Rückzugsort – etwa vor der Arbeitsverteilung Tante Mathildas – auf dem Schrottplatz ist längst kein Geheimnis mehr. Der alte Campinganhänger hat zwar damit auch seine obsolet gewordenen Geheimgänge eingebüßt, weist jedoch neben dem altbekannten Labor und der Telefonanlage nun mittlerweile auch Computertechnik auf. Ein Umstand, welchem bei dieser Story sogar besondere Bedeutung zukommt, denn ein Teil der Ermittlungen ist das Ausspähen einer IP-Adresse. Unter technischen Gesichtspunkten hier nicht ganz schlüssig erklärt und ziemlich konstruiert wirkend, aber durchaus spannend inszeniert.

Dabei muss man auch noch bedenken, dass zur Zeit der Entstehung der Geschichte solche EDV- bzw. Internet-Begriffe längst noch nicht so weit verbreitet im Gebrauch waren, wie sie es heute sind. Die drei Fragezeichen greifen damit mal wieder moderne und ungewöhnliche Themen auf. Das gilt auch für die Grundstory als solche. Das Popol Vuh ist tatsächlich existent und so etwas ähnliches wie das „Amduat“, das berühmte ägyptische Totenbuch, nur eben das der südamerikanischen Maya. Kurios ist in diesem Zusammenhang, dass auf dem Cover ein Buch abgebildet ist, welches allerdings ein aztekisches Symbol ziert. Ein Volk, welches aber erst lange nach den Maya auf der geschichtlichen Bühne auftauchte. Das muss man aber nicht wissen, Coverdesignerin Sivia Christoph wusste es augenscheinlich auch nicht.

Im Gegensatz zum zusammengekürzten Hörspiel hat man im Buch natürlich wesentlich mehr Möglichkeiten, mit größerer Detailtreue zu arbeiten. So ist es nicht verwunderlich, dass die kleinen Schönheits- und Logikfehler, die sich das gleichnamige Hörspiel leistet, in der Buchversion nicht – oder fast nicht – anzutreffen sind. Mit einer Ausnahme, nämlich der Frage der Täterschaft. Diese wird aufmerksamen Lesern schon recht früh offenbar. Zu früh. Lediglich das Warum ist zunächst unklar. Dennoch erhält sich die Geschichte einen gewissen Spannungsbogen, nicht zuletzt weil Jelena Charkova (nach ihrem Debüt in der Folge „Musik des Teufels“) wieder kräftig mitmischt und Justus dabei ziemlich alt aussehen lässt. Im Prinzip hat sie das Rätsel bereits lange vor den drei Jungs gelöst. Und das auch noch weniger umständlich als der voreingenommene erste Detektiv.

_Fazit_

Eine unterhaltsame und in sich runde Geschichte, wobei auch der weniger aufmerksame Leser sehr früh die Lösung des Rätsels ahnt. Hier hätte André Marx lieber etwas mehr Sand in die Leseraugen streuen können, statt sich mit IT-Halbwahrheiten zu verzetteln. Übrigens die einzig wirkliche „Schwäche“ des Falles, der ansonsten aufgrund seiner abwechslungsreichen Handlungsstränge gegenüber dem stark gekürzten Hörspiel fleißig Zusatzpunkte sammeln kann – allein schon wegen der ausgedehnteren, amüsanten Scharmützel von Justus und Jelena. Summa summarum eine durchaus gefällige Episode der drei Fragezeichen und auch für den Quereinstieg in die Serie geeignet.

_Die Buchdaten auf einen Blick:_

„Die drei ??? – Botschaft von Geisterhand“
Basierend auf Figuren von Robert Arthur
Erzählt von André Marx
Franckh-Kosmos, 2000
128 Seiten Hardcover
Cover Illustration: Silvia Christoph
ISBN-10: 3-440-08023-4
ISBN-13: 978-3-440-08023-8

Die drei ??? – Fluch des Piraten (Band 132)

Die beliebte Jugendbuchserie hat nach einigen Ups und Downs in ihrer bewegten Geschichte mittlerweile die 150-Fall-Marke satt überschritten. Schon seit den Neunzigern fand eine mehr oder weniger schleichende Abnabelung von Amerika statt und die Geschichten der drei Fragezeichen wurden ausschließlich von deutschen Autoren weitergeführt. 2007/2008 schien es mal wieder so, als gäbe es keine Einigung mit den Lizenzgebern. So kam es, dass Neuveröffentlichungen zwischen Mitte 2006 und Anfang 2008 eher schleppend stattfanden, bis die Situation bereinigt wurde. Seither hat der Output wieder auf Normalmaß angezogen, der vorliegende Band 135 „Fluch des Piraten“ von Ben Nevis, stellt jedoch noch eine ???-Veröffentlichung aus jener turbolenten Ära dar.

Zur Story

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Die drei ??? und der Nebelberg (Band 103)

Nach einigen mehr oder weniger ausgedehnten Schwächephasen in der Serie, erlebten die drei Fragezeichen um die Jubiläumsausgabe Nummer 100 herum wieder einmal eine Renaissance. Es dürfte ungefähr schon der dritte oder vierte Frühling sein und er hält weiter an. Daran konnten auch die jüngst erst beigelegten Lizenzstreitigkeiten nichts ändern. Beim „Nebelberg“ von André Marx handelt es sich um einen der neueren Fälle aus dem Jahr 2002. Der Einfachheit halber sei ihm die entsprechende Nummer (105) der gleichnamigen EUROPA-Hörspielserie verliehen. Die Bücher sind weder nummeriert, noch folgen sie – außer in wenigen Ausnahmefällen – einer festgelegten chronologischen Abfolge.

_Zur Story_

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George R. R. Martin – Adara und der Eisdrache

Weihnachtsgeschenk für alle Winterkinder

Adara ist ein Winterkind. Nur sie kann auf dem Eisdrachen reiten, der die Kälte bringt. Als der Krieg näherkommt und die Drachen des Königs einer nach dem anderen vom Feind besiegt werden, scheint es keine Rettung zu geben. Da träumt Adara von ihrem einzigen Freund, dem Eisdrachen. Zusammen reiten sie. Doch kann Eis auch Drachenfeuer standhalten?

Der Autor

George R. R. Martin – Adara und der Eisdrache weiterlesen

Mull, Brandon – Fabelheim

Die Eltern der dreizehnjährigen Kendra und des zehnjährigen Seth gehen für knapp drei Wochen auf Kreuzfahrt. In dieser Zeit sollen die Geschwister bei ihren Großeltern in Connecticut wohnen, die sie bisher nur von kurzen Besuchen kennen. Während Oma Ruth verreist ist, empfängt Großvater Stan Sorensen die Kinder sehr freundlich. Sie bekommen ein großes Dachbodenzimmer voller altmodischer, aber origineller Spielsachen und in dem riesigen Garten gibt es einen Swimmingpool.

Allerdings verbietet ihnen ihr Opa, den angrenzenden Wald zu besuchen, da dort Zeckengefahr herrsche. Seth hält sich nicht daran und entdeckt nicht nur einen wunderschönen Garten mit See und Pavillons im Innern, sondern auch eine Hütte mit einer seltsamen alten Frau. Kendra wiederum wundert sich über die vielen Kolibris und Schmetterlinge, die stets den Garten umschweben und denen Milch bereitgestellt wird.

Schließlich weiht ihr Großvater sie in sein Geheimnis ein: Der Wald ist ein geheimer Ort namens „Fabelheim“, seit Jahrhunderten eine der wenigen Zufluchtsstätten für aussterbende magische Geschöpfe wie Elfen, Satyrn und Nixen. Ihr Opa ist der Verwalter, der sie versorgt und sich darum kümmert, dass weder die gefährlichen Wesen hinaus- noch unbefugte Besucher hineinkommen.

Außerdem erfahren sie von der Organisation „Gesellschaft des Abendsterns“, die seit vielen Jahren den Ort finden will, um die Wesen für ihre bösen Zwecke zu benutzen. Kendra und Seth versprechen, niemandem etwas zu erzählen. Doch in der gefährlichen Mittsommernacht, in der alle Geschöpfe Freigang haben, bricht der neugierige Seth eine der Regeln – und am nächsten Morgen ist ihr Opa verschwunden …

Kaum hat sich die Harry-Potter-Welle ein wenig gelegt, wurde die Kinderfantasy durch die Biss-zum-Reihe aufs Neue entfacht. Phantastik für Kinder und Jugendliche genießt Hochkonjunktur, und mit „Fabelheim“ ist der Startschuss zu einer sehr vielversprechenden neuen Buchreihe gefallen, die sowohl Kinder als auch junggebliebenen Erwachsene beste Unterhaltung bringen dürfte.

|Spannende und phantasievolle Handlung|

Alles beginnt wie ein typischer Kinderroman mit zwei Geschwistern, die recht unwillig ihrem Ferienaufenthalt entgegensehen. Ihre kürzlich verstorbenen Großeltern väterlicherseits haben testamentarisch als letzten Wunsch allen erwachsenen Angehörigen eine Kreuzfahrt durch ihre Heimat Skandinavien spendiert, und für diese Zeit sind Opa und Oma Sorensen die einzig infrage kommenden Babysitter. Das beeindruckende Grundstück bietet den Geschwistern allerlei Abwechslung mit einem Baumhaus, einem Swimmingpool, einem geräumigen Dachboden mit einem zahmen Haushuhn und faszinierendem Spielzeug. Trotzdem reizt sie der verbotene Wald, und der abenteuerlustige Seth will schließlich hinter das Geheimnis kommen. Die Wahrheit ist beeindruckender, als sie es sich je hätten erträumen lassen.

Ihr Opa ist einer der Verwalter, die Generation für Generation über Fabelheim wachen. Die Milch einer Riesenkuh lässt Sterbliche die Fabelwesen erkennen, die für normale Augen ohne dieses Hilfsmittel wie gewöhnliche Schmetterlinge oder andere Tiere aussehen. Natürlich wird es jetzt erst richtig spannend, denn ihr Opa weiht die Geschwister längst nicht in alle Geheimnisse über Fabelheim ein, besonders die grausamen oder unheimlichen Details sollen sie nicht erfahren – das kommt alles später, denn unter Umständen werden sie selbst einmal die Verwaltung des Reiches übernehmen. Besonders aufregend wird es in der Mittsommernacht, in der alle Wesen frei ums Haus herumtoben und mit allen möglichen Tricks versuchen, Einlass zu erhalten, und so grauenvolle Dinge anstellen, dass jedem angeraten ist, nicht aus dem Fenster zu schauen.

Nach dem beschaulichen Beginn gibt es eine Menge dramatischer Verwicklungen – sei es, dass Seth sich gegen die Elfen versündigt, indem er einen Leichtsinnsfehler begeht, sei es, dass ihr Opa nach der Mittsommernacht verschwunden ist, oder die Frage, was es mit ihrer Oma auf sich hat, hinter deren Abwesenheit sich offenbar ein weiteres Geheimnis verbirgt. Ein großer Pluspunkt des Buches ist seine Eigenständigkeit. Obwohl es als Start für eine Reihe gedacht ist, bleiben am Ende keine wichtigen offenen Fragen und man ist nicht gezwungen, den nächsten Band zu lesen. Andererseits gibt es dezente Andeutungen dazu, was in den nächsten Bänden stärker thematisiert werden könnte, allem voran die „Gesellschaft des Abendsterns“, die ein Komplott plant, das hier nur am Rande eine Rolle spielt, sowie das geheimnisvolle, mächtige Artefakt, das irgendwo in Fabelheim verborgen liegt.

Die Bewohner Fabelheims sind gängige Wesen aus der Mythologie, aber dennoch originell aufbereitet. Interessant ist vor allem Großvaters Aussage, dass sich ihre Moral stark von derer der Menschen unterscheidet und keines der Wesen „gut“ im menschlichen Sinne ist – vielmehr seien die besten unter ihnen lediglich nicht böse. So wie die meisten Menschen gedankenlos Insekten töten, so denken sich die unsterblichen Fabelwesen nichts dabei, menschliches Leben auszulöschen, das aus ihrer Perspektive quasi wertlos ist. Die hübschen Elfen, die Kendra und Seth in der Literatur als liebevolle Wesen kennen, sind hier vor allem eitel und selbstsüchtig, immer darauf bedacht, sich in einem Spiegel zu betrachten. Die Wichtel helfen zwar tatsächlich wie in der verbreiteten Vorstellung, Ordnung im Haus zu schaffen – aber nie, um den Menschen zu helfen, sondern einfach, weil sie die Ordnung an sich lieben.

Wirklich gefährlich wird es mit den Najaden, den schönen Wasserfrauen, die sich einen Spaß daraus machen, Unschuldige zu sich hinabzuziehen, und der bösen Hexe, die in einer Hütte sitzt und nur darauf lauert, dass jemand vorbeikommt, der ihre magischen Kräfte braucht und ihr als Gegenleistung den Knoten löst, der sie dort gefangen hält. Die Regeln in Fabelheim sind nicht ganz leicht zu durchschauen – so kann man gewöhnlich nicht mit Magie bekämpft werden, solange man keinem Wesen geschadet hat, Hilfe aber kann man wiederum nicht erwarten, denn das Verhalten der Fabelwesen gleicht einer Herde, die dem Tod eines Artgenossen mehr oder weniger gleichgültig gegenübersteht. Das unberechenbare Verhalten, das Kendra und Seth verwirrt, sorgt beim Leser für Spannung, weil es ihn im Ungewissen belässt.

|Gelungene Charaktere|

Kendra und Seth sind zwar nicht besonders originell, aber als Hauptfiguren für einen in erster Linie für Kinder gedachten Roman dennoch gelungen. Seth ist ein kleiner Wildfang, immer auf Entdeckungstour und gerne mal frech und ungehorsam. Kendra übernimmt als ältere Schwester viel Verantwortung, ohne dabei ein langweiliges Mustermädchen zu sein. Ihr Großvater ist zunächst geheimnisvoll und recht schweigsam, dabei aber immer sympathisch.

Ein reizvoller und komplexer Nebencharakter ist Lena, die weit gereiste, ältere Haushälterin, deren Vergangenheit eng mit Fabelheim verbunden ist und deren weiteres Schicksal Potenzial birgt, in einem der folgenden Bände noch einmal aufgegriffen zu werden. Opas Gehilfe, der schweigsame Dale, ist ein bisschen blass geraten, interessanter ist aber sein seit seiner Verzauberung autistisch agierender Bruder, für den er auf eine Erlösung hofft, was sicher ebenfalls noch ausführlich thematisiert wird. Oma Sorensen tritt zwar erst spät in Erscheinung, ist dann aber eine sehr liebenswerte, patente Person mit Sinn für Humor. Überhaupt gibt es etliche lustige Szenen und scharfzüngige Dialoge zwischen den Geschwistern, und die ersten Erfahrungen mit den ungewohnten Wesen sorgen auch für amüsante Momente.

|Nur kleine Schwächen|

Zumindest der erste |Fabelheim|-Roman ist nicht so detailverliebt wie zum Beispiel die Harry-Potter-Bände, in denen die Dichte an wunderbaren Charakteren und immer neuen Entdeckungen kaum ein Ende nimmt. Manche der Kreaturen werden nur kurz gestreift, über ihre Hintergründe erfährt man nicht so viel, wie man es sich wünscht. Ein bisschen nervtötend ist mit der Zeit auch Seth‘ Ungehorsam. Seinen Ausflug in den Wald kann man noch nachvollziehen, die Elfen-Katastrophe vielleicht auch noch, aber sein Verhalten in der Mittsommernacht ist recht unverständlich, vor allem, da er inzwischen am eigenen Leib bereits die Gefahren Fabelheims erlebt hat und gewarnt sein müsste – selbst ein besonders neugieriger Junge dürfte nicht so naiv handeln, daher wirkt sein Verhalten stellenweise eher unrealistisch und konstruiert. Ein bisschen enttäuschend dürfte auch sein, dass man früh über den Geheimbund „Gesellschaft des Abendsterns“ informiert wird, der dann aber doch keine besondere Rolle mehr spielt, sondern erst in den nächsten Bänden ins Geschehen einsteigt.

_Als Fazit_ bleibt ein gelungener Auftakt einer mehrbändigen Fantasyreihe für Kinder und Jugendliche, der vor allem durch eine abwechslungsreiche, spannende Handlung und eine interessante Grundidee besticht. Das Buch lässt sich flüssig lesen, bietet eine ausgewogene Balance zwischen ernsten und lustigen Momenten, sympathische Charaktere und genug Potenzial für die nachfolgenden Bände, die hoffentlich bald auf Deutsch erscheinen. Abgesehen von nur kleinen Mankos ein lesenswertes Buch für Kinder ab etwa zehn Jahren.

_Der Autor_ Brandon Mull stammt aus Connecticut und lebt heute mit seiner Familie in Utah. Schon zu Schulzeiten träumte er davon, eines Tages als Schriftsteller leben zu können. Nach seinem Universitätsabschluss veröffentlichte er den ersten |Fabelheim|-Roman, der ein Bestseller wurde. In den USA sind bereits vier Bände erschienen.

|Originaltitel: Fablehaven
Originalverlag: Aladdin
Aus dem Amerikanischen von Hans Link
Gebundenes Buch mit Schutzumschlag, 352 Seiten
ISBN-13: 978-3-7645-3022-8|

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Marr, Melissa – Gegen das Sommerlicht

Schon von Kindesbeinen an werden dem Mädchen Ashlyn, das bei seiner Großmutter wohnt und von klein auf Wesenheiten sehen kann, welche für andere Menschen unsichtbar sind, drei Regeln eingetrichtert. Erstens: Schau unsichtbare Elfen nicht an. Zweitens: Antworte niemals unsichtbaren Elfen. Und Drittens: Errege niemals die Aufmerksamkeit von Elfen.

Lange Zeit konnte Ash dadurch ein ganz normales Leben führen, bis sich von einem Augenblick zum nächsten für sie alles verändern soll. Denn unbewusst erregt sie die Aufmerksamkeit zweier Elfen, von denen einer ein Elfenkönig zu sein scheint. Dieser beginnt nun, sie zu umgarnen und dazu zu bringen, sich in ihn zu verlieben. Ashlyn, die nur zu gut über die Bosheit solcher Kreaturen Bescheid weiß, versucht mit allen Mitteln, sich dem Elfen, der Keenan heißt, zu entziehen.

Bald schon vertraut sich Ash ihrem besten Freund Seth an, der ihr helfen will, doch je mehr Ashlyn versucht, mehr über die Absichten des Elfen zu erfahren, desto tiefer wird sie unfreiwillig in die Welt der Elfen hineingezogen … und schon bald scheint es für sie kein Zurück mehr zu geben.

_Eindrücke:_

Die Geschichte in „Gegen das Sommerlicht“ hat auf jeden Fall etwas Interessantes an sich. Sie spielt in unserer Welt und unserer Zeit, wird aber von Elfen und anderen Wesenheiten bevölkert, die sich vor dem Auge der Menschen verbergen. Im Gegensatz zu vielen anderen Fantasy-Geschichten, die von Elfen und Feen handeln, ist „Gegen das Sommerlicht“ allerdings keine, die von der Schönheit und Güte der Elfen erzählt. In dieser Erzählung sind die Elfen bösartig und gefährlich und erinnern in jeder Hinsicht an die Sagen und Mythen aus der Feenwelt aus Irland. Sie spielen den Menschen böse Streiche, blenden sie, wenn sie unerlaubt von ihrer Existenz erfahren, und locken sie mit Musik, Speisen und Getränken in ihre Märchenwelt, aus der es kein Zurück mehr in die reale Welt gibt. Natürlich gibt es Mittel und Wege, um sich vor den Elfen zu schützen, wie zum Beispiel Eisen, von dem sich Elfen fernhalten müssen, oder bestimmte Kräuter und Tees, aber so richtig helfen tun selbst diese Dinge nicht, wenn man einmal die Aufmerksamkeit eines Elfen erregt hat.

Genau das passiert Ashlyn. Und als wäre diese Tatsache an sich nicht schon schlimm genug: Es ist kein normaler Elf, der es auf die junge Frau abgesehen hat. Bei ihrem Verfolger handelt es sich um den Sommerkönig Keenan, einen sehr mächtigen Elfen, der Ashlyn zu seiner Sommerkönigin machen will. Schon seit mehreren Jahrhunderten sucht er die Richtige, die mit ihm über das Elfenvolk regieren kann und die Macht seiner Mutter, der bösen Winterkönigin, bricht. Doch Ashlyn ist ganz und gar nicht so willig, wie es alle Mädchen bei Keenans Anblick vor ihr waren. Denn sie weiß, dass er ein gefährlicher Elf ist, und versucht sich so gut wie möglich von ihm fern zu halten. Außerdem ist da auch noch ihr bester Freund Seth, zu dem sie alsbald ein wesentlich engeres Verhältnis aufbaut als ihre Freundschaft.

An sich gefällt mir die Idee des Buches recht gut. Zwar kann man wohl schlecht sagen, dass es sich um eine neuwertige und innovative handelt, aber das muss es ja auch nicht unbedingt. Allerdings hat es an der Umsetzung der Geschichte meiner Meinung nach etwas gehapert, sodass das Buch letztlich nicht ganz so gut war, wie ich mir erhofft hatte.

Das größte Problem in „Gegen das Sommerlicht“ sind die Charaktere. Egal ob es um die Protagonisten oder um die Nebencharaktere geht, keiner kann in der Geschichte so wirklich überzeugen. Die meiste Zeit wirken die Charaktere sehr flach und es fällt recht schwer, sich von ihnen ein tiefer gehendes Bild zu machen, geschweige denn mit ihnen mitzufühlen. Der Charakter von Ashlyn geht anfangs noch, doch später werden ihre Reaktionen immer unrealistischer und ihre Sprache pubertärer, unter anderem, wenn sie bezüglich des Daseins der Sommerkönigin von einem „Job“ spricht. Seth, ihr bester Freund, ist da schon ein wenig besser gelungen, aber auch bei ihm gibt es einige Dinge, die mich gestört haben. Beispielsweise fand ich die Tatsache, dass er Ashlyns Geständnis, sie könne Elfen sehen, welche für die normalen Menschen unsichtbar sind, ohne Weiteres aufgenommen und geglaubt hat. Ich meine, wer würde so etwas schon (und vor allem: ohne Beweise) sofort glauben?

Doch die Krönung des Ganzen bildet dabei noch Keenan. Dieser wird zu Anfang als unglaublich schön und unwiderstehlich beschrieben und strahlt noch eine gewisse Stärke aus. Später aber, als er merkt, dass er bei Ashlyn nicht landen kann, wird er immer zimperlicher und erinnert eher an ein unsicheres Weichei als einen mächtigen Elfenkönig. Dabei fällt es dem Leser letztendlich auch immer schwerer, die einzelnen Charaktere, insbesondere Keenan und Ashlyn, wirklich ernst zu nehmen.

Was den Schreibstil von Melissa Marr angeht, bin ich mit meiner Meinung etwas zwiegespalten. Einerseits gefällt mir ihre Art, die Geschichte zu erzählen, ganz gut, doch einige Aspekte trüben dieses Bild etwas. Sie umschreibt das Aussehen und das Verhalten der Elfen stets malerisch und sehr passend. Keenan stellt sie beispielsweise mit Worten dar, die an den Sommer erinnern, und seine Mutter, die Winterkönigin, beschreibt sie gefühlskalt. Das ist ihr ganz gut gelungen. Andererseits wechselt sie, insbesondere dann, wenn sie Ashlyn oder ihre Freunde sprechen lässt, immer wieder zwischenzeitlich in einen aufgesetzten Jugendjargon, der einfach nicht so recht in die Geschichte hineinpassen will. Zwar kann man nun sagen, dass es nicht unrealistisch ist, wenn Jugendliche wie Ashlyn in einer leichten Jugendsprache sprechen, aber es wirkt in diesem Fall einfach nicht authentisch. Da das aber nicht allzu oft der Fall gewesen ist, lässt sich über diesen kleinen Schönheitsmakel noch einmal hinwegsehen.

Auch über das Ende der Geschichte habe ich mich etwas gewundert. Ich habe mich die ganze Zeit gefragt, wie Melissa Marr das Problem wohl lösen wird. Ashlyn liebt Seth und umgekehrt, aber auch Keenan hat ein Auge auf Ashlyn geworfen, und von ihrer Vereinigung hängt ein großer Teil des Elfenvolks ab. An sich ein interessantes Dilemma, dessen Ausgang für die meisten Leser nicht gerade vorhersehbar ist und aus dem man sicherlich ein gutes Ende hätte machen können. Allerdings hat es sich die Autorin meiner Meinung nach etwas zu einfach gemacht. Das Problem wird auf eine ziemlich simple Art und Weise gelöst und plötzlich ist alles wieder gut, obwohl es kurz davor noch eine unüberwindbare Katastrophe zu sein schien. Ich hätte mir hier eindeutig ein etwas innovativeres und ruhig auch dramatischeres Ende für die Geschichte gewünscht.

_Fazit:_

Letztendlich kann das Buch nicht wirklich überzeugen, aber ein kompletter Reinfall ist es auch nicht. Die Idee an sich ist ganz nett, aber leider wurde sie nicht ganz so gut umgesetzt, wie man es sich gewünscht hätte.

_Melissa Marr:_

Die Autorin Melissa Marr studierte Literatur und unterrichtet an verschiedenen Colleges. Sie arbeitet gerne in seltsamen Bars, reist viel herum und interessiert sich für Tattoos. Heute lebt sie mit ihrem Mann in Virginia. Vor kurzem erschien der zweite Band ihrer Geschichte, „Gegen die Finsternis“.

|Wicked Lovely|:

Band 1: Gegen das Sommerlicht (Wicked Lovely)
Band 2: Gegen die Finsternis (Ink Exchange)
Band 3: Fragile Eternity

|Originaltitel: Wicked Lovely
Aus dem Englischen von Birgit Schmitz
347 Seiten, Hardcover
ISBN-13: 978-3-551-58168-8|
http://www.carlsen.de
http://www.melissa-marr.com

Finn, Thomas – flüsternde Stadt, Die (Die Wächter von Astaria 2)

Band 1: [„Der letzte Paladin“]

|“So wie du es bei der Aufnahme in den Orden geschworen hast, wirst du dem Schrecken, der Astaria droht, standhaft die Stirn bieten (…)
Erhebe dich, Paladin vom Orden der Morgenröte. Du bist jetzt ein Ritter.“|

Fabio hat es endlich vollbracht: seine Paladinausbildung zum Ritter beendet. Von keinem Geringeren als dem Großmeister Silvestro persönlich erhält er den Ritterschlag. In ausgelassene Feierlaune kann er allerdings nicht verfallen. Dunkle Zeiten sind es, in denen Fabio sich unter Beweis stellen muss, denn das Reich Astarias ist in Gefahr und wird von innen wie von außen angegriffen.

Vermeintliche Freunde entpuppen sich als Verräter, die den Paladinorden infiltrieren, während sich riesige Goblinheere an den Grenzen sammeln und nur darauf warten, in das geschwächte Reich einzufallen. Der verderbliche Einfluss Astronos, des gefallenen Erzstellars, bringt das Gefüge durcheinander.

Nur gut, dass Fabio immerhin treue Freunde an seiner Seite weiß. Da sind Celeste, eine überaus talentierte Sternenmysterikerin, Sylvana, eine bedrohlich wirkende, aber im Herzen gutmütige Werwölfin, und Meister Acrimboldo, ein technisch visierter Himmelsmechaniker. Zusammen stellen sie sich den Bedrohungen, um Astaria vor dem Untergang zu bewahren.

_Originelles Jugendbuch_

„Die flüsternde Stadt“ bildet den zweiten Teil der Trilogie |Die Wächter von Astaria|. Thomas Finn bedient das Genre des in den letzten Jahren unermüdlichen angewachsenen Jugendbuchsektors mit einem originellen Roman abseits des üblichen Einheitsbreis. Das hat er bereits mit der ebenfalls im |Ravensburger Buchverlag| erschienenen Trilogie |Die Chroniken der Nebelkriege| unter Beweis gestellt.

Zwar steht auch in |Die Wächter von Astaria| mit Fabio eine wenig kantige, sondern eher klassische Hauptfigur im Mittelpunkt, mit der sich der Leser bei deren Abenteuern und der charakterlichen Entwicklung problemlos identifizieren kann. Finn überzeugt aber durch seine mehrschichtigen Nebenfiguren, bei denen bis zum Ende nie sicher ist, auf welcher Seite sie wirklich stehen. Finns Roman überzeugt ebenso durch einen gut durchdachten Plot, dessen Handlungsstränge harmonisch ineinander übergehen, ohne aufgesetzt zu wirken. Und er überzeugt durch eine farbenfrohe Welt, die an die schillernden Metropolen des spätmittelalterlichen Italiens erinnern, kombiniert mit Magie- und Steampunk-Elementen.

_Nahtlose Fortsetzung_

Nach Einführung der Charaktere, der Schauplätze und der nahenden Bedrohung in „Der letzte Paladin“ steigt „Die flüsternde Stadt“ direkt in die Handlung ein. Fabio befindet sich im Castello di Arborea, auf der Ordensburg der Paladine. Abgeschieden auf einer Insel, 150 Meilen vom Festland entfernt, ist die heraufziehende Dunkelheit hier nur vage wahrzunehmen. Die wenigen noch stationierten Paladine sind angespannt, aber die Gefahr scheint weit entfernt.

Als Fabio vom Seneschall Ernesto eine Nachricht erhält, dass der Großmeister Silvestro ihn in Stella Tiberia sprechen will, haben die Warterei und das quälende Nichtstun endlich ein Ende. Sofort setzt Fabio auf das Festland über und sucht den Großmeister der Paladine in der Sternenburg auf. Der will von ihm vor allem persönlich wissen, was sich in den letzten Wochen abgespielt hat. Dass Fabio es mit Astronos Schergen in Gestalt von Sternenvampiren aufgenommen hat, die bereits im Geheimen viele wichtige Ämter in Politik und Militär und im Adel bekleiden, stieß vielerorts auf taube Ohren. Im Gegensatz zu vielen hochrangigen Paladinen glaubt der Großmeister Silvestro aber die Geschichte und belohnt Fabio nicht zuletzt für seinen Mut durch den Ritterschlag.

Vor den Toren der Stadt und an den Reichen des Landes spitzt sich die Lage in der Zwischenzeit weiter zu. Nach Venezia ist nun auch Verona gefallen und in der Hand der Feinde. Tausende von Goblins ziehen durch die Lande und hinterlassen eine Spur der Verwüstung. Auch Stella Tiberia ist in Alarmbereitschaft. Ein Meer von Zelten und Soldaten prägt das Straßenbild. Doch die militärische Präsenz täuscht die vermeintliche Sicherheit nur vor und kann schließlich nicht verhindern, dass ein Angriff von innen heraus erfolgt.

Während einer Versammlung von Paladinen und Sternenmysterikerinnen, um die nächsten Schritte gemeinsam abzustimmen, entpuppt sich ein früherer Freund Fabios als Anhänger Astronos und aktiviert im Tagungsraum eine ganze Schar arkanomechanischer Skorpione. Der hinterhältige Angriff fordert das Leben des Großmeisters Silvestro.

Die Zeit drängt nun umso mehr und verlangt außergewöhnliche Bündnisse, die es seit Jahrhunderten nicht mehr gegeben hat. So wird der alte Pakt von Sonne und Mond reaktiviert, der je einen Paladin an eine Sternenmysterikerin bindet, um gegenseitigen Schutz und ein Maximum an Handlungsspielraum zu bieten: je ein kampferprobter Beschützer an der Seite einer magiebegabten Sternenmysterikerin. Fabio gerät dadurch ausrechnet an die mürrische Denebola, die Fabios Freundschaft zu Himmelsmechanikern und Werwölfen kritisch gegenüber steht. Nicht unbedingt das beste Zweierbündnis. Doch immerhin untersteht die hübsche Celeste Denebola als Novizin, auf die Fabio schon während seiner Zeit als Knappe ein Auge geworfen hat.

Gemeinsam macht sich die kleine Gruppe in die Stadt Firenze auf, um dort einen drohenden Angriff der Goblins abzuwehren. Gerade in dieser schwierigen Situation behaken sich die Herrschaftshäuser der Stadt und streiten darum, wer die Verteidigung anführen soll. Ein Ritterturnier, an dem auch Fabio teilnimmt, soll den Sieger schließlich ermitteln. Ausgerechnet der Hauptgewinn, ein magischer Schild unbekannter Herkunft, der dem Gewinner neben dem Führungsanspruch über die Armeen zusteht, entpuppt sich als Instrument, das den Krieg entscheiden könnte. Dabei stellt sich heraus, dass nicht nur hochnäsige Adelsgecken, sondern auch Sternenvampire an dem Turnier teilnehmen und auf den Schild aus sind. Fabio muss die Hilfe alter Freunde in Anspruch nehmen und ungewöhnliche Bündnisse schmieden, um den Schild zu ergattern, Astronos Schergen zu enttarnen und die Heere der Goblins zurückzuschlagen.

_Spannung bis zur letzten Seite_

Bis zur letzten Seite bleibt Thomas Finns zweiter Roman um |Die Wächter von Astaria| spannend. Keine langatmigen Handlungspassagen, keine unnötigen Ausschweifungen trüben den Lesespaß. Das ist auf dem deutschen Buchsektor keineswegs üblich und zeugt von einer hohen Qualität, die vor allem durch ihre Konstanz besticht. Finn formuliert klar und plastisch. Seine Sprache ist eher einfach als anspruchsvoll, hält aber gerade durch die einfache Struktur den Leser gefangen. Hier wird nicht aufgebauscht und eine Erwartung geschürt, die der Autor später enttäuschen muss. Vielmehr ist das klare Grundgerüst sichtbar, seine Eckpfeiler sind ein mit seinen Aufgaben wachsenden Helden, eine romantischen Liebesbeziehung, Geheimnisse wie das der Eisernen Bibliothek oder des magischen Schildes und verabscheuungswürdige Bösewichte. Ummantelt von kreativen Einfällen, die sich vor allem in den Erfindungen der Himmelsmechaniker widerspiegeln – Erfindungen, die Finn beim Schreiben spürbar Spaß gemacht haben müssen -, und bunten Schauplätzen von einer untergegangenen Stadt bis hin zu einem spannend wie authentisch inszenierten Ritterturnier, ergibt das einen Lesestoff, von dem man so schnell nicht wegkommt.

|512 Seiten, gebunden
Empfohlen ab 12 Jahren
ISBN-13: 978-3-473-35295-1|
http://www.thomas-finn.de
http://www.ravensburger.de

_Thomas Finn auf |Buchwurm.info|:_

[Interview mit Thomas Finn vom Dezember 2007]http://www.buchwurm.info/artikel/anzeigen.php?id=85
[Interview mit Thomas Finn vom Februar 2006]http://www.buchwurm.info/artikel/anzeigen.php?id=59
[„Der Funke des Chronos“ 2239
[„Das unendliche Licht“ 2646 (Die Chroniken der Nebelkriege 1)
[„Der eisige Schatten“ 3610 (Die Chroniken der Nebelkriege 2)
[„Die letzte Flamme“ 4382 (Die Chroniken der Nebelkriege 3)
[„Das Greifenopfer“ 1849 (Das schwarze Auge)
[„Das Greifenopfer“ 2844 (Das Schwarze Auge, Hörbuch 3)
[„Der Hexer von Salem“ 2660 (Grundregelwerk)

Nimmo, Jenny – Charlie Bone und der Schattenlord (Die Kinder des roten Königs 7)

Band 1: [„Charlie Bone und das Geheimnis der sprechenden Bilder“ 1992
Band 2: [„Charlie Bone und die magische Zeitkugel“ 2448
Band 3: [„Charlie Bone und das Geheimnis der blauen Schlange“ 3308
Band 4: [„Charlie Bone und das Schloss der tausend Spiegel“ 3464
Band 5: [„Charlie Bone und der rote König“ 3468
Band 6: [„Charlie Bone und das magische Schwert“ 4685

Eigentlich sollte Charlie es wirklich besser wissen. Aber natürlich ist seine Neugierde stärker als die Vernunft; und so kommt es, dass Charlie sich in den Keller schleicht, wo seine Großmutter und seine Großtanten ein ungewöhnliches Gemälde abgestellt haben – ein Gemälde mit Eigenleben sozusagen, denn obwohl darauf niemand zu sehen ist, auf den Charlie sich konzentrieren und zu dem er ins Bild steigen könnte, findet er sich ungewöhnlich schnell mitten in der dargestellten Landschaft wieder. Und die gehört zu keinem geringeren Ort als dem Schloss des Schattenlords, den Charlie und seine Freunde vor kurzem erst unter großen Anstrengungen losgeworden sind. Vor allem aber ist Charlie auf Dauer nicht der Einzige, der sich in dieses schaurige Bild verirrt. Bald darauf erwischt es auch – Billy Raven.

_Der Schattenlord_ selbst taucht erstaunlich wenig auf. Dafür werden zwei andere Figuren wichtig:

Otus Darkwood stammt aus einer längst vergangenen Zeit und wird vom Schattenlord gefangen gehalten. Dem Namen ist unschwer zu entnehmen, dass er einer von Charlies Vorfahren ist. Und er ist ziemlich groß, denn er hat Riesenblut in den Adern. Allerdings kann er Charlie nur kurze Zeit beschützen.

Mathilda ist die Enkelin des Schattenlords. Und sie bildet einen erstaunlichen Kontrast zu den übrigen Bewohnern des Schlosses. Sie lächelt und ist freundlich, ja, sogar hilfsbereit, während alle anderen – ihre Großmutter, ihr Großvater und ihr Bruder – von kühl über unfreundlich bis abweisend wirken, obwohl sie nur am Rande auftauchen. Zu ihren Großeltern scheint sie keine besonders enge Beziehung zu haben; an einer Stelle fällt sogar eine Bemerkung, die klingt, als gehörte Mathilda gar nicht wirklich zur Familie. Offenbar hat sie sich bisher ziemlich allein gefühlt, denn ihr Bruder scheint auch nicht besonders umgänglich zu sein. Billy dagegen, der trotz Charlies Freundschaft selbst sehr einsam ist, weil er keine eigene Familie hat, gefällt ihr sofort. Er gefällt ihr so gut, dass sie ihn gar nicht mehr hergeben will …

Mathilda ist im Grunde der einzig wirklich interessante Neuzugang. Otus ist zwar ein netter Kerl, gibt als Charakter aber nicht allzu viel her. Er taucht nur zweimal kurz auf, einmal, um Charlie zu retten, und dann, um von Charlie gerettet zu werden. Mathilda aber fasziniert durch den Kontrast zu ihrer Familie und ihr zwiespältiges Verhalten, denn obwohl sie freundlich und hilfsbereit wirkt und offenbar niemandem etwas Böses will, unterstützt sie doch – ob mit oder ohne Absicht – den Zauber ihres Großvaters, den dieser auf Billy gelegt hat.

_Was die Handlung angeht_, so macht natürlich nicht nur das ungewöhnliche Gemälde Scherereien.
Titania Tilpin, Joshuas Mutter, versucht angestrengt, Amorets zerbrochenen Spiegel wiederherzustellen, um den Schattenlord erneut in Charlies Welt zu holen. Bisher war sie nicht sehr erfolgreich, doch sie lässt nichts unversucht, um Unterstützung zu erhalten, sei es von den Kindern des roten Königs, die zur dunklen Seite gehören, sei es von anderen Magiern oder Sonderbegabten, die sich über Jahrzehnte hinweg in der Piminy Street verkrochen und bedeckt gehalten haben.

Und Manfred Bloor hat Dagbert dazu angestiftet, Charlie Bones magische Zauberstab-Motte zu stehlen. Das führt insofern zu Verwicklungen, als Dagbert – obwohl er die Motte an Manfred weitergeben musste – versucht, einen Tauschhandel mit Tancred abzuschließen. Er will seinen Seeigel aus Meergold wiederhaben, denn so lange dieser in seiner Sammlung aus magischen Talismanen fehlt, kann Dagbert seine Macht nicht voll entfalten. Der Ausgang dieses Duells findet allerdings nicht gerade Manfreds Zustimmung …

Von dem mondabhängigen Wankelmut, der Dagbert im vorigen Band so interessant machte, ist diesmal nicht viel zu spüren. Titania Tilpins Bemühungen, was den Spiegel angeht, betrachtet Dagbert mit arroganter Gleichgültigkeit. Aber mit Manfred Bloor scheint er sich prächtig zu verstehen. Offenbar spielt dieser Teil der Geschichte von einer Woche vor bis eine Woche nach Neumond. Was andererseits bedeuten würde, dass sich Dagberts Charakter demnächst wieder wandeln müsste …

_Was diesen Band jedoch_ am stärksten von allen anderen unterscheidet, ist, dass er nicht so in sich abgeschlossen wirkt wie seine Vorgänger. Das liegt daran, dass der rote Faden, der inzwischen von dem Rätsel um Billy Ravens Eltern und deren Erbe gebildet wird, diesmal so stark im Vordergrund steht. Während zum Beispiel in Band zwei der rote Faden – das Rätsel um Charlie Bones Vater – im Vergleich zu den Turbulenzen um Henry und die Zeitkugel nur eine Randerscheinung ist, bildet er durch Billys Eintritt in das Gemälde diesmal den Mittelpunkt des Geschehens. Und obwohl Charlie wieder einmal die obligatorische Rettungsaktion hinter sich gebracht und Otus aus dem Gemälde herausgeholt hat, steckt Billy immer noch drin.

Auch von den Nebensträngen kann nur einer ein Ergebnis vorweisen, und das ist der um Dagbert und Tancred. Die Sache mit Amorets Spiegel ist ebenfalls offen geblieben. Dies und einige andere Kleinigkeiten wie die Schwierigkeiten der Onimouses oder die Aktivitäten von Tante Venezias Stiefsohn Eric erwecken den Eindruck, als bahnte sich da etwas Größeres an. Eine solche langfristige Entwicklung außerhalb des roten Fadens war dieser Reihe bisher eher fremd.

Am ungewöhnlichsten empfand ich allerdings die Tatsache, dass immer wieder ein bevorstehender Angriff auf Charlies Eltern angedeutet wird. Das geht jetzt schon zwei Bände lang so, aber bisher ist nichts passiert. Dabei würde eine gezielte Attacke auf die beiden sämtliche Aktivitäten im Zusammenhang mit Billy Raven überflüssig machen. Allmählich frage ich mich, worauf die Bloors denn eigentlich warten …

_Letztlich_ kann ich über diesen Band dasselbe sagen wie über seinen direkten Vorgänger: Wirklich langweilig war er nicht, was diesmal vor allem der interessanten Idee mit dem besonderen Gemälde und Mathilda, sowie auch ein wenig dem Duell zwischen Dagbert und Tancred zu verdanken war. Allerdings hat diesmal wieder ein wenig die Geschmeidigkeit gefehlt, die einzelnen Handlungsstränge ergaben keine so nahtloses und glattes Gesamtbild wie in Band V. Vielleicht werden die bisher so lose nebeneinander herlaufenden Stränge im nächsten Band etwas enger miteinander verknüpft, sodass dieser Eindruck sich etwas abschwächt. Dieser achte Band mit dem Titel „Charlie Bone and the Red Knight“ soll im September 2009 erscheinen und endgültig der letzte der Serie sein.

_Jenny Nimmo_ arbeitete unter anderem als Schauspielerin, Lehrerin und im Kinderprogramm der |BBC|. Geschichten erzählte sie schon als Kind, Bücher schreibt sie seit Mitte der Siebziger. Unter anderem stammt der Zyklus |Snow Spider| aus ihrer Feder, sowie „Im Garten der Gespenster“, „Der Ring der Rinaldi“ und „Das Gewächshaus des Schreckens“. „Charlie Bone und das Geheimnis der sprechenden Bilder“ ist der erste Band des Zyklus |Die Kinder des roten Königs| und hat sie auch in Deutschland bekannt gemacht.

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Arden, William / Arthur, Robert – Die drei ??? und das Gold der Wikinger

Die Serie nährte sich zu Beginn der Neunzigerjahre dem Ende ihrer amerikanischen Wurzeln, bald schon sollten nur noch deutsche Autoren weitere ???-Geschichten verfassen. „Das Gold der Wikinger“ gehört jedoch noch zu jenen Klassikern, in denen immer noch Alfred Hitchcock ein Wörtchen mitzureden hat. Fiktiv, versteht sich. Der große Regisseur hatte der Serie damals seinen guten, zugkräftigen Namen verliehen oder besser gesagt: verkauft. In Deutschland erschien die vorliegende Story 1989 und bekam – obwohl die Buchveröffentlichungen anderen Gesetzen gehorchen – als |EUROPA|-Hörspiel die 45 verpasst. Das allerdings nur zu rein informativen Zwecken, um sie halbwegs zeitlich einordnen zu können, denn die Romane besitzen keinerlei Nummerierung.

_Zur Story_

Im Auftrag von Bobs Vater sind die drei Jungs mit ihrem Angelboot unterwegs, um Fotos einer lokalen Festivität zu schießen. Das soll etwas Geld in die derzeit klamme Kasse des Detektivbüros spülen. Alle fünf Jahre trifft sich die angesehene Familie Ragnarson auf der noch ihr benamsten Felseninsel „Ragnarson Rock“, um ein Spektakel zu veranstalten – dabei geht’s um die Ankunft des aus Norwegen stammenden Familiengründers, welcher 1849 auf jener Insel nach einem Schiffsunglück strandete. Mit Hilfe eines dort gefundenen Indianerkanus gelang ihm die Überfahrt zum Festland, wo ein großer Teil der Familie auch heute noch in Rocky Beach wohnt. Zwar hat er sich damals nicht wirklich mit den ortsansässigen Indianern angelegt, doch Legendenbildung fußt bekanntlich nur selten auf Tatsachen.

So hat sich die Tradition entwickelt, dass sich bei dem Fest Angehörige und Freunde teils als Wikinger, teils als Chumasch-Indianer verkleiden und einen symbolischen Kampf ums Eiland führen. Hernach bleibt man auf der Insel und feiert eine Woche lang feucht-fröhlich. Doch diese Jahr läuft einiges schief. Nicht nur, dass die drei Jungs nahe der Insel auf ein herrenloses Anglerboot stoßen, wobei die vorliegenden Spuren auf einen blutigen Zwischenfall schließen lassen. Nein, auch an Land gibt es keine Atempause. Einer der Ragnarsons fordert erst mit finanziellem Anreiz, dann unverhohlen drohend die Herausgabe der Filme mit den Bildern, muss aber mit leeren Händen abziehen, als Hauptkommissar Reynolds auftaucht.

Am nächsten Tag wird Bob von einem mysteriösen Pick-up verfolgt und letztendlich in den Straßengraben abdrängt. Die beiden Insassen können die Negative zwar in ihre Finger bekommen, doch Justus hatte im Labor der drei ??? bereits Abzüge erstellt, sodass die Juniordetektive wenigstens nicht mit leeren Händen dastehen. Bei ihren Ermittlungen stoßen die drei auf einige interessante Details der Familienvergangenheit, auf einen vermeintlichen Geist und werden von den Ragnarsons offiziell engagiert, um weitere seltsame Begebenheiten auf der Insel zu untersuchen. Dort verschwinden Gegenstände, gespenstische Gestalten taumeln durch den nächtlichen Nebel und schauriges Wolfsgeheul sowie irres Gelächter haben bereits viele Partygäste zermürbt und ihnen das Fest verleidet.

_Eindrücke_

William Arden war in der Vergangenheit immer für eine interessante Geschichte gut und auch der im amerikanischen Original „[…] Wrecker’s Rock“ (sinngemäß: Schiffbruchfelsen) treffender betitelte, doch in Deutschland in „Gold der Wikinger“ umbenannte Fall ist einer der komplexeren Art, was sich auch schon in der leicht überdurchschnittlichen Seitenzahl von 142 widerspiegelt. Für gewöhnlich hat das typische Drei-Fragezeichen-Buch davon exakt 128. Es sind eine Menge unterschiedlicher Fäden gegen Ende zusammenzuweben, was auch befriedigend schlüssig gelingt. Der Plot teilt sich in mehrere Schauplätze und Stränge auf, was grundsätzlich zu begrüßen ist, und anders als im Hörspiel tragen auch Peter und Bob ihr nicht geringes Scherflein zum Gelingen bei.

Allerdings merkt man der Serie zu diesem Zeitpunkt bereits eine leichte Ideenarmut an; es finden sich eine ganze Reihe Elemente aus früheren Fällen wieder. Ganz besonders stark fühlt man sich an „Phantomsee“, „Geisterinsel“ und „Roter Pirat“ erinnert. Ganz ohne wiederkehrende Klischees aus der eigenen Serie kommt man natürlich nicht aus, damit ist auch nicht die berühmte Karte der drei ??? gemeint, welche als absolut unvermeidlicher Running Gag in jeder Geschichte vorkommt. Es sind vielmehr das Herumreiten auf Justus‘ Leibesfülle, Peters Überängstlichkeit und die fast schon legendäre Skepsis der Erwachsenen dem Trio gegenüber – diesmal ausgerechnet von Bobs ansonsten so aufgeschlossenem Vater. Das alles ist aber weniger störend. Etwas anderes nervt aber schon länger, und das sogar immer stärker, je weiter die Reihe voranschreitet.

Die Rede ist von „Alfred Hitchcock“ und „seinen“ mehr oder minder hilfreichen Zwischenkommentaren. Waren diese früher feinsinnig und -humorig, haben sie sich im Laufe der Zeit stetig zu dösigem und im Prinzip unnötigem BlaBla entwickelt. Glücklicherweise war diese Ära alsbald vorüber. Bleibt zu erwähnen, dass die Übersetzung und Bearbeitung von Urgestein Leonore Puschert für die deutsche Ausgabe, trotz der rasch heran nahenden Neunziger, solch verbreitete Begriffe wie „Trittbrettfahrer“ lieber mit dem absolut ungebräuchlichen „Hintendransteher“ übersetzt. Auch die „Seejungfrau“ dürfte mit der Titulierung „Meerjungfrau“ lieber angesprochen werden – auch wenn es sich hier lediglich um eine tätowierte Vertreterin dieser Spezies handelt. Und die Coverillustrationen von Rasch waren auch schon mal besser.

_Fazit_

Wenn man durch das eher schludrig anmutende Hörspiel vorbelastet an das Buch herangeht, erlebt man die positive Überraschung, dass die Geschichte hier wesentlich besser aufgeht – mal abgesehen davon, dass sie um einiges detailreicher und ausgeklügelter daherkommt. Das macht unterm Strich durchaus verdaulichen und unterhaltsamen Lesestoff nicht nur für Fans der Serie. Die schamlos aus anderen Episoden zusammengeborgten Versatzstücke sorgen aber bei Letztgenannten dafür, dass das „Gold der Wikinger“ sicher nicht auf höhere Ränge in der Hall of Fame der Drei-Fragezeichen-Fälle aufsteigen wird.

_Die Buchdaten auf einen Blick:_

OT:“The three Investigators in the Mystery of the Wrecker’s Rock“
William Arden nach der Idee von Robert Arthur
Ersterscheinung: 1986, Random House
Deutsche Ausgabe: Franckh-Kosmos, 1989
Übersetzung und Bearbeitung: Leonore Puschert
ISBN: 3-440-05930-8 (Erstauflage)
142 Seiten Hardcover
Cover-Illustration: Aiga Rasch

aktuelle Ausgabe:

omnibus/cbj
160 Seiten Broschur
ISBN-13: 978-3-570-21177-9

http://www.omnibus-verlag.de
http://www.dreifragezeichen.de
http://www.rocky-beach.com

Erhältlich auch in anderen Formaten und Bindungen.

Gier, Kerstin – Rubinrot – Liebe geht durch alle Zeiten 1

_Immer auf dem Sprung_

Gwendolyn Sheperd ist 16 Jahre alt und lebt in einem palastähnlichen Haus voller Geheimgänge und Verstecke. Ihre Familie ist nicht weniger geheimnisvoll, hat doch Cousine Charlotte angeblich ein Zeitreisegen vererbt bekommen, welches sie unkontrollierte Zeitsprünge in die Vergangenheit machen lassen wird. Auf das zukünftige Dasein als Zeitreisende wurde Charlotte ihr bisheriges Leben lang mit Tanz- und Fechtunterricht sowie dem Pauken von diversen Sprachen, Geschichte und Benimmregeln in den verschiedenen Jahrhunderten gründlich vorbereitet. Über diese bornierte und ehrgeizige Cousine hinaus gehören Gwens Geschwister, Gwens liebevolle aber undurchsichtige Mutter, die leicht durchgeknallte Tante „Mad“-Maddy, die aristokratisch hochnäsige Lady Arista, Charlottes Mutter (Tante Glenda) und als einziger Mann ein undurchschaubarer Butler zum Familienhaushalt.

Bereits auf den ersten Seiten wird dem Leser klar, was Gwendolyn erst nach dem ersten Viertel des Buches zu glauben bereit ist: tatsächlich ist sie es, welche das Zeitreise-Gen geerbt hat und nun völlig unvorbereitet zwischen den Zeiten hin- und herwechselt. Ihre Fähigkeit, Geister zu sehen und mit ihnen zu kommunizieren, weist schon bei ihrem ersten Gespräch mit dem Schulgeist James Pimplebottom darauf hin, dass sie entgegen ihrer Selbstwahrnehmung etwas Besonderes sein muss. Und so beginnt mit ihrem Initiationssprung eine aufregende Zeit für Gwen.

Plötzlich findet sie sich inmitten einer Organisation wieder, welche seit Jahrhunderten daran arbeitet, das Blut einer bestimmten Anzahl von Genträgern zusammenzutragen. Alle Genträger sind in ihrer Bedeutung einem Edelstein zugeordnet. Demnach steht Gwendolyn für den Rubin. Leider wird der vermutlich esoterische Hintergrund dieser Edelsteintheorie nicht erklärt. Doch mit Hilfe eines edelsteinbesetzten Chronografen kann die Zeit angewählt werden, in welche die Genträger springen sollen. Das bietet zum einen eine gewisse Kontrolle über das sonst unvorhersehbare Timing der Zeitsprünge sowie Sicherheit für Leib und Leben, aber zugleich auch die Möglichkeit für den im 18. Jahrhundert lebenden mysteriösen [Grafen von Saint Germain,]http://de.wikipedia.org/wiki/Graf__von__Saint__Germain eine in diesem Band noch undefinierte Macht zu erlangen, wenn alle Blutproben gesammelt sein werden. Einmal wurde dieses Vorhaben bereits verhindert, als die Genträger Lucy und Paul sich mit Hilfe von Gwendolyns Mutter mit dem ersten Chronografen in die Vergangenheit absetzten.

Während Gwen nun von Charlotte und deren enttäuschter Familie angefeindet wird, muss sie sich außerdem mit dem schnöseligen Gideon arrangieren, der ebenfalls das Zeitreise-Gen in sich trägt und durch seinen Altersvorsprung von einem Jahr bereits zahlreiche Zeitsprünge auf der Suche nach weiteren Genträgern absolviert hat. Die Autorin versucht es vergeblich so aussehen zu lassen, als wären Charlotte und Gideon ein Paar, und auch die anfängliche Abneigung Gwens, die von Gideons blendendem Aussehen und seiner weniger freundlichen Art ihr gegenüber angezogen und gleichzeitig abgestoßen wird, nimmt man der Autorin nicht ab. Zu offensichtlich wird von Anfang an darauf hingearbeitet, dass sich Gwen und Gideon ineinander verlieben.

Ein großes Plus sind jedoch die liebevoll ausgearbeiteten Nebencharaktere wie der erwähnte Schulgeist oder Tante Maddy. Hinzu kommen eine französische Kostümdesignerin, die unter unablässiger Plauderei die entsprechende Bekleidung für die einzelnen Jahrhunderte schneidert, und Gwens beste Freundin Leslie, die plötzlich jede Menge Zeit damit verbringt, Historisches und Geheimnisvolles für Gwen im Internet zu recherchieren, während Gwen selbst versucht, ein wenig mehr Einsicht in die Geheimgesellschaft und ihre Ziele zu erhalten. Diese Charaktere tragen maßgeblich zum Witz bei, der den Roman konstant durchzieht und das Lesen trotz inhaltlicher Defizite recht vergnüglich gestaltet.

Gerade als die Handlung etwas mehr Tempo aufnimmt und der spannende Teil des Abenteuers beginnt, ist der Roman auch schon an seinem Ende angelangt. Der Leser bleibt in der Luft hängen. Warum hat Gwens Mutter sie eindringlich davor gewarnt, irgendjemandem zu vertrauen? Warum hat der Graf Gwendolyn bedroht? Wer steckt hinter dem Mordanschlag auf Gideon und Gwen? Und was steckt tatsächlich hinter Pauls und Lucys Flucht mit dem zweiten Chronografen? Der Roman wirft eine Vielzahl von Fragen auf, deren Beantwortung auf den kommenden Band verschoben wird. Solchermaßen bleibt das unbefriedigende Gefühl zurück, dass man nur eine längere Einleitung und den Beginn der eigentlichen Geschichte gelesen hat.

Die bisher vor allem durch Frauen- und Liebesromane bekannt gewordene deutsche Autorin Kerstin Gier hat mit „Rubinrot. Liebe geht durch alle Zeiten“ ein als „All-Age-Roman“ deklariertes Buch vorgelegt, das durch die originelle Idee des Plots zwar reifere Leser anzieht, bisher für diese aber nur wenig Überraschendes bietet. Lesevergnügen entsteht eher durch die lustige Schilderung der typischen Probleme eines pubertierenden Mädchens, das unter komplizierten Bedingungen die ersten Erfahrungen mit der Liebe macht.

Hingewiesen werden muss jedoch auf die liebevolle Aufmachung des Buches. Der |Arena|-Verlag hat sich für einen Schutzumschlag in der Farbe Altrosa entschieden, der zusammen mit dem erhabenen schwarzen Aufdruck von Ranken, Fledermäusen und Drachenköpfen, einem Schattenriss von Gideon und Gwendolyn und der teilweise rubinroten Aufschrift nicht nur den hochwertigen Eindruck des Hardcovers unterstützt, sondern auch optisch auf vergangene Zeiten verweist, während er zugleich haptisch sehr ansprechend ist. Das rote Lesebändchen hingegen ist beinahe nutzlos, da sich der Roman in kürzester Zeit flüssig lesen und den Wunsch nach einer baldigen Lektüre der Fortsetzung [„Saphirblau“ 6266 entstehen lässt.

|352 Seiten, gebunden
ISBN-13: 978-3401063348|
http://www.arena-verlag.de

Start

_Kerstin Gier auf |Buchwurm.info|:_

[„Die Mütter-Mafia“ 4328
[„Die Patin“ 4344
[„Für jede Lösung ein Problem“ 4374

Feldkirchner, Jennifer – Neue Abenteuer vom kleinen Stinktier Paule

Band 1: [„Paule das kleine Stinktier“ 4931

Paule ist zurück! Nachdem wir ihn schweren Herzens kurz nach seiner allerersten Schneeballschlacht verlassen mussten, weil er sich hundemüde zum Winterschlaf hingelegt hat, treffen wir ihn nun wieder. Und Jennifer Feldkirchner hat sich neue spannende Abenteuer für Paule und seine Freunde ausgedacht, die zudem liebevoll bebildert sind.

_Aus dem Winterschlaf erwacht_

Nach monatelangem Schlaf erwacht Paule im beginnenden Frühling. Doch der Rest von Müffelsdorf ist noch nicht so auf den Beinen. So stromert er los und sucht zunächst natürlich seine Freunde. Die taffe Bella ist bereits erwacht und bald stößt auch Lisa zu den beiden. Einer der ersten Wege führt die drei zu ihrer geheimen Höhle. Dort hat sich über den Winter der Staub eingenistet, sodass sie zunächst einen gründlichen Frühlingsputz machen müssen, bevor sie es sich auf ihrem Kuschelteppich gemütlich machen können.

In der Schule warten gute Neuigkeiten auf die kleinen Stinktiere: Die Lehrerin, Frau Stinki, unternimmt einen Ausflug mit ihren Schülern. Vor einem mysteriösen Hügel bleiben die Stinktiere stehen und wundern sich, was das Besondere daran sein soll. Noch haben sie nicht bemerkt, dass es sich um einen riesigen Termitenhügel handelt, aber schnell pieken die kleinen Biester den vorlauten Fritzi, und Frau Stinki erzählt ihren Schülern viel Lehrreiches über die kleinen Tierchen. Im Traum suchen Paule in der kommenden Nacht riesige Termiten auf, aber da er im Unterricht gut aufgepasst hat, kann er vor den übergroßen Termiten fliehen.

Opa Rosenbusch weiß wieder einmal einige spannende Geschichten zu erzählen, und hier erfahren wir auch, wie er seine geliebte Frau kennengelernt hat. Besonders lustig sind aber seine Ausflüge in eine Bierbrauerei und in einen Vergnügungspark; so wird selbst Opa Rosenbusch in der Achterbahn ganz blass um die Nase, und die Geisterbahn lehrt ihn schließlich das Fürchten, sodass Opa beschließt, nie wieder in einen Vergnügungspark zu gehen

Paule und seine Freunde erleben noch viel mehr spannende, lustige und gruselige Abenteuer. So lädt der Besuch auf dem Friedhof zum Fürchten ein, und auch die Rabenplage, die Müffelsdorf heimsucht, erinnert ein kleines bisschen an Hitchcocks „Vögel“, immerhin fressen die bösen Raben den Müffelsdorfer Stinktieren alle Vorräte weg! Am Ende wird natürlich alles gut, und wir verlassen Paule dieses Mal glücklich und zufrieden – mit einem wunderschönen neuen Spielplatz in der Schule.

_Das stinkt mir nicht_

Unser kleiner stinkender Romanheld Paule erlebt wieder einmal große Abenteuer – einige erlebt er in den Erzählungen seines Opas nach und andere wiederum geschehen nur im Traum. Die Geschichten sind in diesem zweiten Buch noch turbulenter als im Einstiegsband. Da ist nicht nur der gruselige Ausflug auf den Friedhof, bei dem die kleinen Stinktiere sich furchtbar erschrecken und sich auch in Paules Stimme ein Zittern einschleicht, sondern da tauchen auch noch die bedrohlichen Raben auf, die den Stinktieren das Haar vom Kopf wegfressen und sich nur mit einer List vertreiben lassen. Auch im Traum bekommt Paule einiges auf den Deckel und muss so manch brenzlige Situation überstehen – sei es der Kampf gegen eine fiese Wucherpflanze, die Flucht vor Riesentermiten oder sein tollpatschiges Auftreten in einer völlig gläsernen Welt, die er mit seinem Buschelschwanz ganz schön aus der Bahn bringt.

Paule ist ein herrlich unperfekter Held, mit dem sich sicherlich viele junge Leser wunderbar identifizieren können. Paule hat zwei nette Freundinnen, einen großartigen Opa und eine liebe Oma, die ihm stets Kekse vorsetzt, wenn er zu Besuch kommt. Außerdem erlebt er so einiges in seinem Leben, sodass ihm sicher nie langweilig wird. Aber er hebt dabei nie ab, sondern denkt immer auch an seine Freunde. Im einen Traum macht er gar ein trauriges Gespenst glücklich, in einer anderen Geschichte rettet er ein freundliches Stachelschwein. Perfekt ist Paule dennoch nicht, immerhin hat er diese kleine sympathische Schwäche, dass ihm ab und an – wenn er ganz schrecklich aufgeregt ist – eine grüne Stinkwolke entweicht.

Die anderen Figuren stehen dem natürlich in nichts nach, auch wenn man in diesem Buch nicht mehr ganz so viel über Lisa erfährt. Bella dagegen mausert sich zu einer ebenbürtigen Partnerin, die im sportlichen Wettkampf brilliert, als Monster verkleidet für Furore sorgt und es gar schafft, für ihre beiden besten Freunde einen Kinoabend auf die Stinktierbeine zu stellen. Lisa ist zwar immer mit dabei, doch bleibt sie inzwischen etwas im Hintergrund, was mich aber gar nicht störte, da mir Bella ohnehin viel besser gefällt mit ihrer ganz eigenen Art.

_Lustig, lehrreich, liebenswert_

Die Paulegeschichten richten sich natürlich vordergründig an Kinder und eignen sich auch hervorragend zum Vorlesen, aber dennoch haben auch jung gebliebene und etwas in die Jahre gekommene Leser ihre helle Freude an den lustigen Geschichten. Für Kinder findet sich einiges Lehrreiches, so lernen sie beispielsweise gemeinsam mit Paule und seinen Mitschülern einiges über das Leben von Termiten. Aus Paules Verhalten lässt sich aber noch mehr lernen; so ist er stets hilfsbereit und freundlich. Als ihm ein Stachelschwein begegnet, das sich verlaufen hat, bietet er gleich seine Hilfe an und sorgt dafür, dass das Stachelschwein wieder den rechten Weg findet. Besonders liebenswert fand ich aber, wie Paule versucht hat, im Traum das traurige Gespenst aufzumuntern, indem er ihm klar gemacht hat, dass es nun fliegen und sich unsichtbar machen kann. Auf solche Ideen muss man erstmal kommen – herrlich!

Sehr gut gefallen haben mir auch die Vorbereitungen zur Kostümparty, die alle Stinktierkinder engagiert in Angriff genommen haben, um unterstützt von ihren Eltern und Großeltern sensationelle Kostüme zu entwerfen. Aber auch den Bau eines Spielplatzes gehen die Stinktiere gemeinsam an, so planen die Kinder zunächst mit Frau Stinki zusammen, was alles gebaut werden soll und was man dafür braucht, und anschließend veranstalten sie einen Papa-Kind-Tag, um auch alles zu realisieren. Und wie so häufig, so ziehen alle Stinktiere in Müffelsdorf an einem Strang, sodass der Spielplatz erfolgreich entstehen kann.

_Die bunte Welt der Stinktiere_

So niedlich die Geschichten auch sind, so gut mir die Charaktere gefallen, so wären sie doch nichts (oder zumindest nicht viel) ohne die fantastischen Zeichnungen, die Jennifer Feldkirchner passend zu den meisten Szenen angefertigt hat. Auf manchen Seiten finden sich gleich mehrere Zeichnungen in Schwarzweiß, aber die Highlights sind natürlich die ganzseitigen Farbzeichnungen, die uns zeigen, wie farbenfroh es in der Welt der Stinktiere wirklich zugeht. In allen Bildern gibt es wieder einmal eine Menge zu entdecken, denn mitunter hat Jennifer Feldkirchner dort Details versteckt, die nicht immer zu der Geschichte gehören, das ganze Geschehen aber auflockern. So streckt ein freches Stinktierkind hinter Frau Stinkis Rücken die Zunge raus, in einem Bild seilt sich ganz unauffällig eine Spinne ab und auf einem anderen hat sich eine kleine Maus eingeschlichen.

Die Schwarzweiß-Zeichnungen kommen wie schon im ersten Band oft mit wenigen Strichen aus, und doch verleiht Jennifer Feldkirchner ihren Figuren immer den passenden Gesichtsausdruck und die passende Geste. Besonders lustig fand ich den betrunkenen Opa Rosenbusch, um den herum die Welt sich dreht, aber auch Paules oftmals stark schielende Augen sind einfach allerliebst.

Auch die neuen Abenteuer vom Stinktier Paule lassen sich immer wieder in die Hand nehmen und durchblättern, denn an den Zeichnungen kann man sich so schnell nicht sattsehen und auch in den Geschichten kann man durchaus häufiger stöbern. Und so warte ich jetzt schon darauf, dass ich das Buch irgendwann einmal einem lieben Patenkind schenken und vorlesen kann!

http://www.stinktier-paule.de

Marr, Melissa – Gegen das Sommerlicht

_2005 begann Stephenie Meyer_ ihren Siegeszug als Jugendbuchautorin mit Hang zur Blutsaugerei. Bislang hat ihre [Reihe 5508 um Teenager Bella und ihre Vampirliebe Edward vier Bestseller und einen nicht minder erfolgreichen Kinofilm hervorgebracht. Kein Wunder, dass Geschichten mit ähnlichen Inhalten plötzlich aus dem Boden sprießen. Melissa Marr springt in ihrem Debütroman „Gegen das Sommerlicht“ zwar nicht auf den Vampir-Zug auf, aber die Geschichte, die sie erzählt, weist einige Parallelen zu denen ihrer amerikanischen Kollegin auf.

_Ashlyn besitzt ein Geheimnis_, das niemand erfahren darf, wenn es nach ihrer Großmutter geht: Sie kann seit ihrer Geburt Elfen sehen. Wer glaubt, dass es sich dabei um zarte, beflügelte Wesen handelt, der liegt allerdings falsch. Elfen sind menschengroß und es gibt sie in allen möglichen Variationen. Als Tiere, Hexen, Waldwesen oder eben als Menschenähnliche. Sie gehören nicht unbedingt zu den friedlichsten Zeitgenossen: Sie quälen sich nicht nur gegenseitig, sondern erlauben sich auch ihre Späße mit den Leuten, die sie natürlich nicht sehen können.

Ashlyn gibt nicht zu erkennen, dass sie von der Existenz der anderen weiß. Doch eines Tages wird es schwer für sie, dies zu verbergen. In einem Comicladen wird sie von Keenan, dem Sommerkönig der Elfen, angesprochen. Er versucht mit ihr zu flirten, doch Ashlyn kann hinter seinen Menschenzauber sehen. Und sie weiß, dass man Elfen nicht trauen sollte. Tatsächlich hat Keenan nicht ganz uneigennützige Hintergedanken. Das Machtgleichgewicht in seiner Welt ist aus dem Lot geraten, seit Beira, die Winterkönigin, seinen Vater getötet hat. Nun regiert sie selbst und sie ist keine besonders freundliche Monarchin. Die einzige Möglichkeit für Keenan, die Macht an sich zu reißen und damit die Welt vor der Kälte zu retten, ist das Auffinden der Sommerkönigin. Jahrhunderte verbringt er schon damit, nach der Richtigen zu suchen, aber viele haben Angst vor der letzten Prüfung oder bestehen sie nicht.

Doch bei Ashlyn glaubt er, dass sie die Richtige ist. Sie kann nicht nur die Elfen sehen, sondern widersteht auch seinem betörenden Charme. So glaubt er jedenfalls. Ashlyn hingegen klammert sich an ihr letztes bisschen Trotz, um nicht in Keenans Fänge zu geraten. Sie erhält dabei wertvolle Hilfe von Seth, ihrem besten Freund. Oder ist er sogar mehr als nur ein Freund? Eines Tages vertraut sie sich ihm an und gemeinsam versuchen sie, vor Keenan und seinen Plänen zu entfliehen. Doch ein Elf gibt nicht so schnell auf …

_Ähnlich wie bei Meyers Büchern_ fällt es auch bei „Gegen das Sommerlicht“ schwer, es in ein Genre einzuordnen. Die Elemente aus der Fantasy sind allgegenwärtig, aber die Liebesgeschichte, sie sich zwischen den Buchdeckeln findet, könnte auch in einem Kitschroman stehen. Ashlyn und der ewig geduldige Seth sind ein legitimes Pendant zu Bella und Edward. Obwohl jung an Jahren, geht es ihnen weniger um Sex, Drugs und Rock ’n‘ Roll, sondern vielmehr um wahre, romantische Liebe. Das mag man nun authentisch finden oder nicht – Tatsache ist, dass Marr die Geschichte recht schön erzählt, aber nur wenig Neues hinzufügen kann. Teilweise wirkt gerade der Teil der Handlung, der sich um Ashlyn und Seth dreht, ziemlich abgenutzt.

Lob verdient Marr für ihre Darstellung der Elfenwelt. Sie hat einen Kosmos geschaffen, der von einer Vielzahl unterschiedlichster Wesen erfüllt ist und viele Überraschungen bereithält. Manchmal hätte sie beinahe noch mehr ins Detail gehen können, obwohl ihre Darstellungen sehr bildhaft und teilweise humorvoll sind. Der Handlungsstrang, der sich mit Keenans Suche nach seiner Sommerkönigin beschäftigt, überzeugt wesentlich mehr als die Liebesgeschichte. Die Ereignisse sind nicht vorhersehbar, und immer wieder kommt es zu überraschenden Wendungen. Gerade bei der Frage, ob Ashlyn auf Keenan hereinfallen wird oder nicht und ob sie den Elfen helfen wird, kann die Autorin punkten. Sie erschafft eine quälende Ungewissheit, die dazu führt, dass man das Buch nicht mehr zuschlagen kann.

Daran ist ihr Schreibstil allerdings nicht ganz schuldlos. Mit sehr einfachen, aber wirkungsvollen Worten schmückt sie ihre Geschichte aus und zieht den Leser in ihren Bann. Leichtfüßig und sehr nah an ihrer Hauptperson schildert sie nicht nur die Handlung, sondern auch die Gedanken- und Gefühlswelt von Ash. Kursiv gedruckte Überlegungen sorgen dafür, dass man sich gut mit Ashlyn und ihren Sorgen identifizieren kann, auch wenn das Sujet der Geschichte eher ein jüngeres Publikum anspricht. Obwohl nicht aus der Ich-Perspektive erzählt wird, erzeugt die Autorin dabei eine ähnliche Beziehung zwischen Leser und Protagonistin, wie dies auch Meyer in ihren Büchern gelingt.

Die Parallelen sind vielleicht nicht beabsichtigt, aber sie sind da. Eine Liebesgeschichte mit Happy End, eine jugendliche Erzählerin mit Sympathiefaktor und ein Hauch Kitsch sind die Zutaten, die „Gegen das Sommerlicht“ mit den Büchern Stephenie Meyers gemeinsam hat. Was die Geschichte angenehm von den Bestsellern abhebt, ist zum einen die überraschend bunte Welt voller magischer Wesen, zum anderen ist die Geschichte düsterer und wesentlich näher an der heutigen Jugend. Ashlyns Freundinnen sind normale, pubertäre Gören, während Seth alles andere als der perfekte Lover ist. Er wohnt in einem Wohnwagen, zusammen mit einer Boa Constrictor, und ist gepierct und tätowiert. Dieser Hauch von Subkultur ist ungewöhnlich für ein Jugendbuch mit dieser Thematik und hätte gerne mehr ausgearbeitet werden können.

_Wem die „Bis(s)“-Bücher_ dementsprechend zu harmlos sind, der kann sich vielleicht mit Melissa Marr anfreunden. „Gegen das Sommerlicht“ ist zwar kein Überwerk, aber durchaus genießbar und macht Appetit auf mehr. Und wer weiß: Vielleicht wird Marr ja eines Tages nicht mehr Meyer, sondern mit „richtigen“ Dark-Fantasy-Autorinnen verglichen …

|Originaltitel: Wicked Lovely
Aus dem Englischen von Birgit Schmitz
347 Seiten, Hardcover
ISBN-13: 978-3-551-58168-8|
http://www.carlsen.de
http://www.melissa-marr.com

Wilks, Mike – Mirrorscape – Gefangen im Reich der Bilder

_Eigentlich ist es eine trostlose Welt_, in welcher der junge Melkin Womper lebt. Die Gilden kontrollieren im Land Nem so ziemlich alles, was irgendwie von Wert ist, und so muss der Sohn einer einfachen Weberfamilie in der Provinz sich damit begnügen, sich aus Ruß und Wasser selbst Tusche zu mixen, um seiner Leidenschaft nachgehen zu können: dem Zeichnen. Mel ist äußerst talentiert, und weil das auch sein Mentor Fra Theum erkannt hat, bekommt Mels Familie eines Tages Besuch von einem Boten aus der fernen Hauptstadt, der Mel gerne als Lehrling für die berühmte Künstlerwerkstatt von Ambrosius Blenk anwerben möchte.

Mel kann sein Glück kaum fassen, und ehe er sich versieht, tritt er im Hause Blenk auch schon seine Lehrstelle an. Als jüngster Lehrling und Provinzler hat er es nicht leicht. Er bekommt immer die unangenehmsten Arbeiten zugeschoben und wird von Oberlehrling Groot pausenlos schikaniert. Die einzigen Freunde, die er findet, sind sein Lehrlingskollege Ludo und das Küchenmädchen Wren.

Zu dritt erkunden sie häufig die verborgenen Dienstbotengänge der alten Schule und beobachten dabei eines Tages, wie ihr Meister Ambrosius Blenk in einem Gemälde verschwindet. Offenbar sind die Bilder Portale in eine andere Welt. Ludo, Wren und Mel sind höchst fasziniert und machen sich daran, die Welt hinter den Leinwänden auf eigene Faust zu erkunden. Das entpuppt sich schon bald als gefährliches Unterfangen, denn sie begegnen dort den unheimlichsten Kreaturen.

Auch die Schergen der machtgierigen Gilden scheinen ihre Finger schon bis nach Mirrorscape, die Welt hinter den Bildern, auszustrecken. Als sie eines Tages Ambrosius Blenk entführen, um Mirrorscape in ihre Gewalt zu bringen, liegt es an Mel, Ludo und Wren, ihrem Meister zur Seite zu stehen. Doch alleine sind auch sie machtlos. Sie können nur auf die Hilfe der Rebellen hoffen, die sich tief unter der Stadt vor den Häschern der Gilde versteckt halten. Mel, Ludo und Wren stehen vor dem größten und gefährlichsten Abenteuer ihres Lebens …

_Es ist eine höchst eigenwillige Welt_, die Autor und Illustrator Mike Wilks mit „Mirrorscape – Gefangen im Reich der Bilder“ entworfen hat. Man kann ein Gemälde betreten und die komplexe Welt, die sich hinter der Leinwand verbirgt, erkunden. Was den Protagonisten dort alles begegnet, zeugt von der unbändigen Fantasie des Autors. Die seltsamsten Kreaturen tummeln sich dort und die eigenartigsten Dinge passieren. Es gibt schaurige Ungeheuer, monströse Welten, in denen einem die Zeit Streiche spielt, lebende Häuser und noch vieles mehr.

Mike Wilks hat sich in seinem künstlerischen Schaffen durchaus schon einen Namen als Illustrator surrealer Traumwelten gemacht. Seine Bilder haben es unter anderem schon bis ins |Museum of Modern Art| in New York und ins |Victoria and Albert Museum| in London geschafft.

Diesem Anspruch wird er auch mit seinem bislang ersten Roman gerecht. „Mirrorscape“ ist ein Ort, der vor Fantasie nur so strotzt, und Wilks zeigt dabei, dass er seine fantastischen Ideen eben nicht nur mittels Bildern greifbar machen kann, sondern auch mit Worten. Das ist einerseits ganz schön, denn so bleibt es dem Leser überlassen, sich ein eigenes Bild von „Mirrorscape“ zu machen, andererseits wären Illustrationen sicherlich eine sehr schöne Ergänzung der Geschichte gewesen. So muss sich der Leser mit einigen wenigen Zeichnungen am Anfang des Buches begnügen. Schade eigentlich.

Wilks schafft es aber nicht nur, die Welt hinter den Bildern sehr fantasievoll anzulegen, auch das Land Nem, die reale Welt, braucht sich nicht hinter den Fantasiewelten zu verstecken. Jede Gilde kontrolliert in Nem einen der fünf Sinne. Farbpigmente sind dabei das Kostbarste, was es gibt, und so kontrolliert die fünfte Gilde dieses wertvolle Gut und hat sich damit zur mächtigsten Institution im Land aufgeschwungen. Farben verwenden darf nur, wer sich die entsprechenden Pläsiere leisten kann und dadurch eine Legitimation erwirbt. Und so sind Kunst und bunte Kleider eben ein purer Luxus, von dem Mel in seinem bisherigen Leben in der Provinz nur träumen konnte. Auch die reale Welt von Nem bringt einige skurrile Eigenarten mit sich, wie die von Menschenkraft betriebenen Straßenbahnen und die Sklaven auf der Insel Kig, die vom Abbau der kostbaren Farbpigmente mit der Zeit eine farbige Haut bekommen. Nem ist für den Leser ein ähnlich skurriler Ort wie Mirrorscape.

Klingt also nach den Zutaten eines lesenswerten fantastischen Romans, dennoch muss man der Geschichte eine nicht geringe Schwäche ankreiden. Wilks Fantasie zeichnet den Roman aus, erzählerisch weist er aber so einige Schwachpunkte auf. Dass die Figurenskizzierung eher oberflächlich bleibt, ist sicherlich nicht verwunderlich, da es sich schließlich um ein Jugendbuch handelt. Dass man aber mit der Zeit mit Mel nicht mehr so richtig mitfiebert, weil er einfach zu souverän jedes eigentlich lebensgefährliche Abenteuer in Mirrorscape besteht, ist dann doch ein wirklicher Makel.

Als Mel zusammen mit Ludo durch eine Leinwand tritt, sieht es erst noch ganz vielversprechend aus. Die beiden werden von sonderbaren Kreaturen bedroht – eine Begegnung, die Ludo beinahe das Leben kostet. Mel schafft es nur mit Mühe und Not, seinen Freund zu retten. Doch schon beim nächsten Besuch in Mirrorscape mutiert Mel dann zum Überflieger. Er stellt sich jeder Herausforderung, und nichts kann ihn aufhalten. Kein Bösewicht ist zu mächtig, keine Gefahr zu groß. Das drückt im Laufe des Romans, der sich ab etwa der Hälfte größtenteils in Mirrorscape abspielt, dann doch ziemlich die Spannung.

Sprachlich ist das Ganze recht einfach und kindgerecht gehalten. Für die jüngeren Leser dürften manche Stellen des Buches aber ziemlich harter Tobak sein. Wie schon Wilks Illustrationen, die oft einen beunruhigenden, düsteren Einschlag haben, so ist auch der Roman teils düster und sogar gruselig. Für all zu zartbesaitete Gemüter also vielleicht nicht ganz die passende Lektüre.

_Bleiben unterm Strich_ gemischte Gefühle zurück. Zwar fasziniert Wilks mit seinen fantastischen Ideen und seiner bizarren Welt, dennoch offenbart er aber vor allem mit Blick auf den Spannungsbogen erzählerische Schwächen. Zwar strebt der Spannungsbogen kontinuierlich aufwärts, aber er wird durch die Souveränität, mit der Protagonist Mel von einem brenzligen Abenteuer zum nächsten wandert, ziemlich untergraben. So geht leider einiges an Potenzial verloren, aber wer weiß, vielleicht gelingt es Wilks ja schon mit dem nächsten Band, wieder einiges an Boden gut zu machen – schließlich ist „Mirrorscape“ als Trilogie angelegt.

|Originaltitel: Mirrorscape
446 Seiten, gebunden
Einbandgestaltung von David B. Hauptmann
Mit Vignetten von Mike Wilks
Aus dem Englischen von Bettina Münch
Empfohlen ab 12 Jahren
ISBN-13: 978-3-7891-5125-5|
http://www.oetinger.de

Philip Reeve – Gwyna – Im Dienste des Zauberers

In Artors Welt: zwischen Illusion und Drama

Als ihr Hof von Artus‘ Kampftruppe geplündert und niedergebrannt wird, rettet sich die junge Gwyna („Maus“) mit einem Sprung in den kalten Fluss. Sie ist eine exzellente Schwimmerin und Taucherin. Artus‘ Barde Myrddin (= Merlin) findet die Halberfrorene am Ufer und nimmt sich ihrer an, denn er weiß sich ihre Tauchfähigkeit zunutze zu machen. Er ist schließlich auch Artus‘ Propagandaminister und will seinen Herrn zum Herrscher über ganz England machen.

In seinem Auftrag schlüpft Gwyna, die er als Junge verkleidet, in verschiedenste Rollen, darunter als Knappe und als Spionin am Hof der Königin. Doch dann wird die Königin Opfer eines Verrats – und Gwyna schwebt als deren Vertraute unvermittelt in Lebensgefahr …

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Die drei ??? – Zwillinge der Finsternis (Band 141)

Der Teufel in Rocky Beach?

Die Geschichte beginnt wie schon andere zuvor: Titus Jonas sitzt mit seinem Neffen bei einer Auktion, um neuen Trödel zu ersteigern. Dieses Mal geht es um den Nachlass des reichen Horace Vanderbilt. Und tatsächlich kann Titus einige Schnäppchen machen, auch wenn er sich von dem 150 Dollar teuren silbernen Klopapierhalter fernhält. Neben Stühlen findet sich in seiner Ausbeute eine Kiste mit Büchern, die bei der Auktion verramscht wurde. Als Justus seinem Onkel nach der Auktion dabei hilft, das Zeug in den Lieferwagen zu bringen, muss er zu seinem Leidwesen erkennen, dass der Wagen einen Platten hat und er sich nun nicht nur mit dem schweren Trödel abplagen muss, sondern auch noch mit einem nervigen Reifenwechsel.

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Thompson, Kate – silberne Pferd, Das

_Es waren zwei Königskinder …_

Als der jugendliche Reiter Michael den verlassenen Pfad entlangreitet, trifft er am Flussufer Annie. Annie, die mit den vielen Piercings so viel anders ist als er selbst. Eine Leidenschaft teilen sie: Beide lieben Pferde. Michael erklärt sich bereit, Annie Reitstunden zu geben, und mit der Zeit verlieben sie sich. Doch Annie umgibt ein düsteres Geheimnis, welches sie trotz ihrer Liebe nicht preisgeben kann. Er muss den tückischen Fluss durchqueren, um sie für sich zu gewinnen…

Die Geschichte basiert nach Angaben der Autorin auf dem Volkslied „Annan Water“ aus dem 17. Jahrhundert, das 1890 erstmals in schriftlicher Form veröffentlicht wurde.

_Die Autorin_

Kate Thompson, 1956 geboren, wuchs in England auf, trainierte Rennpferde in USA, studierte Jura in London und machte ausgedehnte Reisen durch Indien, bevor sie sich in Kinvara im irischen County Galway niederließ. Dort entwickelte sie ihre Leidenschaft für das Fiddlespiel. Sie hat eines ihrer Zimmer in eine Werkstatt umgewandelt, in der sie alte Instrumente restauriert.

Sie schreibt Lyrik, Drehbücher, Romane und Kinder- und Jugendbücher, für die sie bereits zweimal den |Irish Children’s Book of the Year Award| gewonnen hat. Ihr Roman [„Zwischen den Zeiten“ 3668 wurde laut Verlag mehrfach ausgezeichnet.

_Handlung_

Der etwa 14 Jahre alte Michael lebt mit seinen Eltern Jean und Frank auf einer Pferdefarm. Ursprünglich stammt die Familie aus Yorkshire, doch nach dem Tod der kleinen Tochter zogen die Eltern ins schottische Dumfries, von wo Jeans Familie stammt. Hier schuftet Michael von frühmorgens bis spätabends für eine Gewinnbeteiligung am Pferdehandel. Die Schule leidet natürlich darunter, aber Michael gelingt es, seine Eltern darüber zu täuschen, wie mies seine Leistungen in Wahrheit sind. Das wird sich bald ändern …

Bei einem Ausritt mit der lebhaften silbergrauen Stute (des deutschen Titels) und einem Wallach auf einem vergessenen Pfad gelangt Michael an einen Fluss, vor dem die Stute zurückschreckt. Angesichts des Wassers geht ihm ein Vers eines Liedes durch den Sinn, das ihm seine Großmutter in Dumfries immer vorgesungen hat: „Annan Water“. Das Wasser verkündet einem jungen Mann, der zu seiner liebsten Annie will, Unglück.

Zwei Erwachsene und ein Teenager-Mädchen begrüßen ihn. Mike wundert sich über die vielen Piercings, die das Mädchen im Gesicht trägt. Sie stellt sich als Annie vor und würde sehr gerne reiten lernen. Sie wohnt am anderen Flussufer mit ihrer Mutter, die an Multipler Sklerose leidet. Ein Nachbar namens Jimmy Souter, den Mikes Mutter noch als Nachbarn kennt, unterstützt die beiden.

Aus den Reitstunden für Annie wird schnell mehr, als sie sich begeistert und mit Schwung an den Arbeiten auf dem Pferdehof beteiligt. Auch Jean und Frank sind von ihr begeistert, weil sie ihnen so viel Arbeit abnimmt. Doch Michael ist von ihr mehr als nur beflügelt: Er verliebt sich unversehens in sie. Doch während er sie küsst, vergisst er seine Pflichten. Seine Mutter Jean stürzt mit ihrem Pferd auf regennassem Boden. Beim Parken am Krankenhaus verursacht er einen Verkehrsunfall, den er seinen Eltern verschweigt.

Obwohl er mit Annies Motivation eine Pferdeschau nach der anderen gewinnt und sie selbst ebenfalls einen Sieg nach Hause holt, ist das dicke Ende doch unausweichlich. Und als Annies Vater aus dem Knast entlassen wird und mit Annie wegziehen will, dreht Michael vor Angst und Frust vollends durch. Darauf hat der tückische Fluss vor Annies Haus nur gewartet …

_Mein Eindruck_

Der Leser fragt sich unwillkürlich, was denn an diesem recht prosaischen Plot bitteschön „phantastisch“ sein soll. Tatsache ist jedoch, dass nirgends auf dem Umschlag das verräterische Etikett „Fantasy“ steht und es sich daher einfach um eine recht poetisch aufgemotzte Romanze handeln darf. Vielleicht sind deswegen allenthalben weiße Blümchen auf dem Umschlag zu finden.

Wer also wie ich von Kate Thompsons phantastischen Romanen wie [„Zwischen den Zeiten“ 3668 begeistert war, dürfte sich relativ enttäuscht sehen. Aufhänger der Story ist besagtes altes Volkslied „Annan Water“, das unsere zwei Königskinder trennt, so dass sie nicht ordentlich zueinander kommen können.

Wer jedoch genauer hinschaut, der entdeckt, dass die beiden Hauptfiguren Michael und Annie aus ihren jeweiliges familiären Gefängnissen ausbrechen wollen und müssen, um ihrer inneren Bestimmung folgen zu können. Michael möchte eigentlich ein Tierarzt sein, doch der Pferdehandel in der Drei-Mann-Familie nimmt ihn derartig in Beschlag, dass er sogar für die Hausaufgaben zu müde ist. In Annie steckt eine verhinderte Künstlerin oder Innenarchitektin. Sie ist jedoch durch Frust und Schuldgefühle in ihrem Unterbewusstsein so sehr gegen sich selbst gerichtet, dass sie sich pierct und ritzt, um sich spüren zu können (Borderline-Persönlichkeitsstörung).

Der dunkle Fluss stellt die Barriere dar, die die beiden sowohl buchstäblich als auch psychologisch und sozial voneinander trennt. Folglich muss einer von beiden irgendeinen Weg finden, die Barriere zu finden und so sie beide zu befreien. Der Haken dabei ist die große Gefahr, die den Versuch der Überquerung mit dem Tode bedroht.

Letzten Endes ist es, wie sich zeigt, eine Frage des Vehikels: Die quecksilbrige Stute („the bonny grey mare“ des Liedes) verweigert den Dienst, doch der brave Wallach trägt Michael gerne in das tosende Wasser, auch um den Preis des eigenen Lebens. Wie das Lied es ausdrückt: Wahre Liebe baut eine Brücke, und Treue ermöglicht das Fundament.

Bange Wochen vergehen, in denen die Familien nichts von dem verschwundenen Liebespaar hören. Haben sie es geschafft, zueinander zu gelangen, oder treiben sie mit dem Fluss dem Meer entgegen? Das soll hier nicht verraten werden. Im Lied geht der Überquerungsversuch unglücklich aus.

|Realismus|

Was mich jedoch besonders für das Buch eingenommen hat, ist nicht die recht konventionelle Liebesromanze, sondern der beeindruckend realistisch geschilderte Alltag eines Pferdehändlerhofes. Hier wird nicht gezüchtet oder aufgezogen, sondern nur gehandelt. Allerdings müssen die Ponys und Pferde zugeritten werden, um einen Mehrwert damit erzielen zu können. Die sichersten und gehorsamsten Tiere erzielen auf Pferdeschauen nicht nur Auszeichnungen, sondern in den nachfolgenden Verhandlungen auch bessere Preise.

Es gibt eine gute Episode, in der die Autorin, vertreten durch Jean und Michael, nichtsnutzige, schlechte Reiter kritisiert. Eine dünkelhafte Mittelklassemami will für ihren ebenso hochnäsigen, aber schweigsamen Sohnemann ein passendes Pony kaufen. Das Pony ist brav und gut ausgebildet, doch der junge Reiter ist viel zu ängstlich und nimmt das Tier viel zu stark an die Kandare, so dass es völlig durcheinander gerät. Die ganze Partie endet schließlich, wie es Michael hat kommen sehen: in einem Sturz. Selbstredend gibt Supermami dem Ponybesitzer die Schuld statt ihrem inkompetenten Sohn. Dass Michael Recht hat, zeigt er später bei einem Schaurennen.

_Unterm Strich_

Solche Szenen kann man sich sehr plastisch wie einen Film vorstellen. Das Buch besteht fast nur aus solchen Szenen und lässt sich daher ohne Mühe verstehen und lesen. Die Schrift ist groß gehalten, die Kapitel sind kurz wie bei James Patterson.

In Irland käme so ein Buch wahrscheinlich nur in einer winzigen Auflage als Liebhaberausgabe auf den Markt, aber die Autorin hat bei uns dank der guten Presse- und Marketing-Arbeit des Verlags ein größeres Publikum.

Dieses Publikum besteht vor allem aus weiblichen Fans, und sie dürften sich für die Romanze auf dem Pferdehof besonders begeistern. Mich selbst hat mehr die realistische Darstellung von Michaels Umwelt überzeugt. Von Annie hingegen erfahren wir nur sehr wenig, weil intensivere psychologische Szenen kaum vorhanden sind, in denen sie das Ritzen und Piercen näher erklären kann.

Für ein Buch, das die realistische und in die Gegenwart verlegte Umsetzung eines alten Volksliedes darstellt, vermag „Das silberne Pferd“ dennoch sehr gut zu unterhalten. Man darf jedoch keine höheren Erwartungen hegen. Weder Krimi- noch Fantasyliebhaber kommen hier auf ihre Kosten. Und der Liedtext ist auch nicht ins Deutsche übertragen worden.

|Originaltitel: Annan Water, 2004
Aus dem Englischen von Kattrin Stier
219 Seiten
Empfohlen ab 12 Jahren
ISBN-13: 978-3-570-30447-1|
http://www.cbj-verlag.de