Archiv der Kategorie: Rezensionen

Shocker, Dan – Hexensabbat (Larry Brent, Band 25)

Dieser Band enthält die beiden Heftromane „Hexensabbat“ und „Die Horror-Maschine“, welche erstmalig als Silber-Krimis Nr. 970 und 974 erschienen sind und später in der eigenständigen Heftromanserie „Larry Brent“ als Band 85 und 49 neu aufgelegt wurden.

|Hexensabbat|

In London kommt es zu einer Häufung von Kindesentführungen. Viele Anzeichen deuten auf ein verstärktes Treiben von Hexenzirkeln hin und die Computer der PSA stellen einen Zusammenhang zwischen diesen Ereignissen fest. Larry Brent soll den ermittelnden Inspektor Paul Tabbert unterstützen. Gemeinsam befragen sie eine Zeugin in einer Spielwarenabteilung, wo das letzte Kind verschwunden ist. Dort kommt ihnen Kommissar Zufall zu Hilfe, denn die Zeugin entdeckt just in diesem Moment jene Frau, welche sie mit dem entführten Kind hat weggehen sehen.

Unauffällig verfolgen sie die Frau in ein abgelegenes Waldstück, wo sie ihre Spur verlieren. Larry Brent wird bei der Suche nach der Frau von einem gewissen Lord Shanny niedergeschossen. Als der Agent wieder erwacht, kümmern sich der besorgte Lord und seine Frau um Brent. Der begeisterte Jäger hat den Agenten mit einem Wildschwein verwechselt und glücklicherweise nur einen Streifschuss gelandet. Im weiteren Verlauf kommt es zu einem Gespräch, an dessen Ende sich für Larry immer mehr Verdachtsmomente gegen die Adeligen verhärten. Kurz darauf wird Paul Tabbert telefonisch bedroht und wenig später stirbt der Inspektor an plötzlichem Herzversagen. Ist Hexerei und Teufelsspuk mit im Spiel?

Derweil schafft es Larrys Kollegin Morna Ulbrandson, die ebenfalls auf den Fall angesetzt wurde, sich in einen der Hexenzirkel einzuschleichen und an dem größten Hexensabbat Englands teilzunehmen, zu dem sich sämtliche Satansschwestern unter der Führung des Great Ram versammelt haben, um dem Teufel zu huldigen …

Zunächst beginnt der Roman wie ein gewöhnlicher Sektenroman, wie sie in den siebziger Jahren zu Dutzenden erschienen sind, doch schon bald merkt man, dass man einen echten Larry-Brent-Roman in Händen hält. Es kommt zwar nicht allzu viel Action vor, dafür aber eine Menge Atmosphäre und ein kräftiger Schuss Okkult-Horror, wie man ihn aus Filmen wie „Das Omen“ oder „Rosemaries Baby“ kennt.

Die Identität des Great Ram überrascht den erfahrenen Gruselromanleser zwar nicht allzu sehr, ist aber durchaus logisch und fesselnd beschrieben worden. Die unsichtbare Bedrohung durch den magisch begabten Teufelsdiener, der mittels Voodoo-Magie seine Opfer zu töten vermag, erhöht den Gruselfaktor und lässt auch den Serienhelden in ernste Gefahr geraten. Äußerst gelungen ist auch der Humor, der durch eine gewisse Situationskomik das Geschehen an den richtigen Stellen aufzulockern versteht. Besonders lesenswert ist die Stelle, an der Larry Brent völlig sediert durch ein Gift von Morna Ulbrandson geweckt wird und sich einfach wieder schlafen legen will.

|Die Horror-Maschine|

In China verschwindet ein junger Mann namens Pao Lim spurlos. Er wurde entführt von einer schrecklichen Mutation mit sechs Armen. Die Zeugin des Vorfalls, Tschiuu Lo, erhält einen so schweren Schock, dass sie die Sprache verliert. Die Kreatur bringt Pao Lim zu einem abgelegenen Gebäude, in dem der wahnsinnige Genetiker Professor Wung Experimente mit menschlicher DNS durchführt. Durch eine Maschine ist es ihm gelungen, die Erbinformationen in menschlichen Zellen so zu verändern, dass diese sich wie Krebszellen verformen und Geschöpfe erschaffen werden, die dem Willen des Professors gehorchen.

Um weiterhin mit Menschen experimentieren zu können, lässt Wung Menschen entführen und pflanzt ihnen mit Hilfe seines Assistenten Lon Tung einen Elektrochip ins Gehirn. Einem der Gefangenen, der sich als Geistesgestört ausgegeben hat und dadurch der Operation entgangen ist, gelingt die Flucht. X-RAY-1, der Wind von den Vorgängen in China bekommen hat, reist in die Provinz Kwangchow und verhört den Mann. Anschließend schickt er seinen besten Mann X-RAY-3 inkognito nach China.

Larry gibt sich als amerikanischer Reporter aus und simuliert durch eine von den Medizinern der PSA entwickelten Droge einen Herzinfarkt und seinen daraus resultierenden Tod. Larry wird in das Krankenhaus überführt, in dem auch Tschiuu Lo behandelt werden soll. Doch Lon Tung, der in einer zweiten Existenz dort als Arzt arbeitet, will Tschiuu endgültig in den Wahnsinn treiben und schiebt die Chinesin regelmäßig in die Leichenhalle, wo er sie allein in der Dunkelheit stehen lässt.

Als Larry zu sich kommt und sich mit Hilfe einer biosynthetischen Maske ein neues Aussehen verleiht, erscheint wieder der verbrecherische Arzt mit seinem Opfer. Als sie allein sind, will Larry Tschiuu befreien. Durch diesen neuerlichen Schock erhält sie zwar ihre Stimme wieder und beginnt zu schreien, aber zugleich wird Tung auf die Geschehnisse aufmerksam und überwältigt den Agenten und die Frau. Er nimmt sie mit in Wungs geheimes Labor. Dort erwartet den Amerikaner und seine Begleiterin das nackte Grauen …

Rasant, actionreich, unheimlich und fesselnd. So lässt sich der Roman in wenigen Worten beschreiben. Die Handlung wird konsequent weitergeführt, ohne das Langeweile aufkommt. Larrys Eingreifen wird in allerbester Geheimagenten-Manier geplant, vorbereitet und durchgeführt, dass James Bond vor Neid erblassen würde. Allein das Präparat für den künstlichen „Tod“ des Agenten und die biosynthetischen Masken sind klasse. Die einzelnen Erklärungen, auch bezüglich der Experimente des Professors, sind durchaus schlüssig, wenn auch teilweise sehr an den Haaren herbeigezogen. Aber immerhin ist das hier auch ein Unterhaltungsroman und keine wissenschaftliche Abhandlung.

Auf alle Fälle ist dies ein erstklassiger Larry-Brent-Roman mit einer altbekannten Storyline, eben einem wahnsinnigen Wissenschaftler, der in seinem geheimen Labor menschenverachtende Experimente durchführt und sich ganz nebenbei auch auf die Weltherrschaft vorbereitet. Eines der Lieblingsthemen des Autors, welchem er sich im Laufe der Jahre des Öfteren widmete. Die vorliegende Variante dieses Themas ist wirklich super umgesetzt worden.

|Insgesamt|

Beide Geschichten spielen jede auf ihre Weise mit den Stereotypen des Gruselromans, gewinnen ihnen aber auch jede Menge neue Aspekte ab. Während sich „Hexensabbat“ mit okkulten Phänomenen, basierend auf satanistischem Aberglauben, befasst, beschäftigt sich „Die Horror-Maschine“ mit der Bedrohung durch skrupellose Wissenschaftler, und das mit einer Thematik, wie sie gerade heute wieder hochaktuell ist, wo die Genetik immer mehr ins Kreuzfeuer der Kritik gerät.

Die Romane wurden wieder eindrucksvoll von Pat Hachfeld illustriert, der nicht nur das Ambiente des Hexensabbats grotesk darstellte, sondern auch einem Monster aus der Horror-Maschine ein Gesicht verlieh. Das Artwork des Künstlers passt zu den bizarren Geschichten Dan Shockers wie die Selbstgedrehte zu Iwan Kunaritschew. Das Cover zeigt den Hexensabbat in voller Blüte. Das Bild vermittelt exzellent die Atmosphäre der satanistischen Veranstaltung und präsentiert im Hintergrund die typischen Frauengestalten, wie sie Lonati am liebsten darstellte: Jung, grazil, mit kleinen festen Brüsten, die am liebsten aus dem Bild zu hüpfen scheinen.

_Fazit:_ Spannende Grusel-Thriller mit abwechselungsreichen Handlungen und originellen Einfällen. Dan Shocker in Reinkultur!

http://www.BLITZ-Verlag.de

_Florian Hilleberg_

Fallon, Jennifer – Herrscher des Throns (Die Chroniken von Hythria 3)

Band 1: [„Erbin des Throns“ 2877
Band 2: [„Ritter des Throns“ 3327

Mahkas Strafexzess am Ende des zweiten Bandes hat tiefe Narben hinterlassen. Leila ist tot, und Starros‘ Leben konnte Damin nur deshalb retten, weil er Starros‘ Seele an Dacendaran verkauft hat, wovon Starros überhaupt nicht begeistert ist. Leilas Mutter Bylinda ist seit dem Tod ihrer Tochter nur ein Schatten ihrer selbst, und Mahkas kann nur noch leise krächzen, weil Damin ihm aus purem Zorn über Mahkas Tat den Kehlkopf eingedrückt hat, was selbst Rorin mithilfe der Magie nicht ganz heilen konnte. Jetzt vermutet der Regent von Krakandar hinter allem und jedem eine Verschwörung. Damins Vetter Xanda, der versprochen hat, während Damins Abwesenheit ein Auge auf Krakandar zu haben, absolviert täglich einen gefährlichen Balanceakt …

Marla hat derweil beschlossen, dass Alija Aarspeer mit der Vernichtung Elezaars endgültig eine Grenze überschritten hat! Doch um Alija endgültig zu vernichten, ist sie erneut auf die Dienste der Mördergilde angewiesen. Allerdings bedeutet die Tatsache, dass sie bereits ihren ersten Auftrag an den Raben nicht nur mit Geld bezahlt hat, sondern auch mit dem Versprechen, einen ihrer Söhne zur Ausbildung in die Mördergilde zu geben, eine ungünstige Verhandlungsposition. Denn bisher hat sie dieses Versprechen nicht erfüllt. Und derjenige, der über die Einlösung dieses Versprechens entscheidet, ist einer der gefährlichsten Männer in ganz Groenhaven, und das nicht nur, weil er Alija Aarspeers Liebhaber ist …

Um es gleich vorweg zu sagen: Jennifer Fallon hat mit „Herrscher des Throns“ einen furiosen Abschluss ihrer Chroniken von Hythria abgeliefert!

Der einzige neue Charakter von Bedeutung wird bereits im zweiten Band der Trilogie erwähnt, erhält aber erst jetzt einen Namen und ein eigenes Profil. Galon Miar, der zukünftige Rabe der Mördergilde, ist geheimnisvoll, gutaussehend, intelligent, brutal und unerträglich selbstsicher. Dazu hat er allen Grund, denn er versteht sich nicht nur auf das Geschäft des Tötens, sondern auch auf das der Politik! Nicht, dass er aus politischen Gründen bei den Plänen der beiden Rivalinnen Marla und Alija mitspielt, schließlich gehört es zu den Prinzipien der Gilde, sich aus der Politik streng herauszuhalten. Aber das Spiel um Lug, Trug und Verrat beherrscht er perfekt.

Die Autorin beschreibt ihren Neuzugang vor allem aus Sicht von Marla Wulfskling. Die Wirkung von Galons Ausstrahlung auf die sonst so harte und ungerührte Marla verstärkt die Intensität der Beschreibung zusätzlich und macht Galon dadurch zu einem der gelungensten Charaktere des ganzen Zyklus, obwohl er erst so spät auftaucht.

Nicht, dass dieser Neuzugang unbedingt nötig gewesen wäre. Bei ihrem letzten Duell ziehen Alija und die bisher eher defensive, zurückhaltende Marla alle Register. Außerdem beteiligt sich nun auch Kalan am Kampf gegen Alija, auf eine Weise, die nur zu deutlich zeigt, wessen Tochter sie ist. Galon ist bei diesem Schlagabtausch sozusagen ein exotisches Gewürz, das der Suppe zusätzliche Schärfe verleiht.

Auch der Handlungsstrang um Krakandar bringt deutlich mehr Spannung als im Vorgängerband. Mahkas‘ Wahn wurde durch die von Damins Zornausbruch ausgelöste Paranoia noch schlimmer, und auch Bylinda wandelt durch das Schloss wie ein Geist und redet unverständliches Zeug. Luciena, Xandas Frau, fürchtet um die Kinder, vor allem um ihre Tochter Emilie, die Mahkas immer öfter mit Leila verwechselt. Obwohl die Handlung in Krakandar sich im Grunde kaum bewegt, sorgen Mahkas unberechenbare Grausamkeit und die Angst der übrigen Schlossbewohner für regelrechte Beklemmung, die mit jeder Szene wächst und sich erst löst, als Damin nach Krakandar zurückkehrt. Und obwohl abzusehen war, dass Mahkas ein unangenehmes Ende finden würde, gelingt es der Autorin, den Leser zu guter Letzt doch noch zu überraschen.

Der dritte Handlungsstrang um den Krieg am Witwenmacherpass bietet die meiste Bewegung. Damin hat alle Hände voll zu tun. Nicht nur damit, einen Schlachtplan gegen die Fahrdonjer aufzustellen, denen er zahlenmäßig unterlegen ist. Er muss auch mit dem unfähigen Terin Löwenklau zurechtkommen, seinen Großonkel Lernen bei Laune halten, den ihm Alija auf den Hals gehetzt hat, und seinen Bruder Narvell an die Kandare nehmen, der zu diesem höchst ungünstigen Zeitpunkt mit einem von Terins Adligen einen Streit um dessen Frau vom Zaun gebrochen hat. Hier gibt es nicht nur die meisten Turbulenzen, sondern auch den größten Anteil an trockenem Humor, der aus Damins Charakter und seiner guten Beziehung zu Tejay Löwenklau resultiert.

Außerdem hat Jennifer Fallon den Zyklus gekonnt an die Vorläufertrilogie angeschlossen. Weil sie sich dabei auf Andeutungen beschränkt hat – vor allem in den Gesprächen mit dem Kriegsgott Zegarnald und den kurzen Sequenzen, in denen Adrina von Fahrdonja auftaucht -, wirkt die Anknüpfung leicht und unauffällig.

Ein gelungener Abschluss der Trilogie also. Die es außerdem geschafft hat, sich verglichen mit dem Debüt der Autorin noch zu steigern, und zwar beträchtlich. Das Sahnehäubchen bildet das hervorragende Lektorat, das so gut wie fehlerfrei war. Prädikat: Sehr lesenswert!

_Jennifer Fallon_ stammt aus einer großen Familie mit zwölf Geschwistern. Sie hat in den verschiedensten Jobs gearbeitet, unter anderem als Kaufhausdetektivin, Sporttrainerin und in der Jugendarbeit. Letzteres scheint ihr immer noch nachzuhängen: Unter ihrem Dach leben außer drei eigenen Kindern einige obdachlose Jugendliche als Pflegekinder. Schreiben tut sie nebenher. Die |Dämonenkind|-Trilogie war ihre erste Veröffentlichung. Außerdem stammt die Trilogie |Second Sons| aus ihrer Feder. Und der nächste Zyklus |Tide Lords| ist bereits in Arbeit, Anfang des Jahres erschien der erste Band in Australien unter dem Titel „The Immortal Prince“.

http://www.jenniferfallon.com/
http://www.heyne.de

|Ergänzend:|

[„Kind der Magie“ 1328 (Dämonenkind Band 1)
[„Kind der Götter“ 1332 (Dämonenkind Band 2)
[„Kind des Schicksals“ 1985 (Dämonenkind Band 3)

Adams, Richard – Traveller

Frühjahr 1866 in Lexington, Virginia: Hinter dem Washington Campus steht der Stall von Traveller, einem grauen, neunjährigen Wallach. Sein Herr ist General Robert E. Lee, der legendäre ehemalige Anführer der Armee der Südstaaten, die gerade den Krieg gegen den Norden verloren haben. Trotz der Niederlage ist General Lee ein beliebtes und verehrtes Idol geblieben und jeder kennt sein berühmtes Pferd, das ihm in all den Schlachten treu zur Seite stand.

Vier Jahre lang erzählt Traveller dem Hauskater Tom, der ihn abends besuchen kommt, von seinen Erlebnissen aus dem Krieg und seinem Leben mit seinem geliebten Herrn, den er „Marse Robert“ nennt. Als Füllen gewinnt er bereits früh den ersten Preis bei einer Pferdeausstellung, 1861, während der Kriegsvorbereitungen, wird er von Captain Joseph M. Broun als Schlachtpferd erworben und geht kurz darauf in den Besitz von General Lee über, der großen Gefallen an Traveller findet.

Als der Krieg ausbricht, hat das naive Tier noch keine Ahnung, was es erwartet. Traveller erlebt grauenvolle Gemetzel, bei denen unzählige Menschen und Pferde ihr Leben lassen. Einzig sein grenzenloses Vertrauen in seinen geliebten Herrn Marse Robert lässt ihn die Strapazen des Krieges durchstehen. Traveller erlebt blutige Schlachten, Kanonenfeuer und eisige Winter, aber auch vereinzelte schöne Momente durch die Freundschaft zu anderen Pferden und vor allem durch Marse Robert, der ihm näher stand als je ein anderes Lebewesen …

Es ist Dank „Black Beauty“ nicht der erste Roman aus Sicht eines Pferdes, und Autor Richard Adams ist spätestens seit seinem berühmten [„Unten am Fluss“ 2025 für Bücher aus der Tierperspektive bekannt. Dennoch ist es etwas Besonderes, sich einem real existierenden Tier zu widmen, das nicht nur immer noch populär ist – wenn auch hierzulande weniger -, sondern auch von historischen Begebenheiten berichtet.

|Lebendig gestaltete Charaktere|

Der Leser erlebt Traveller als neunjährigen Veteranen, der um seine Bedeutung weiß, sich oft etwas blasiert und herablassend gibt und trotz seiner reichen Erfahrung geradezu rührend naiv geblieben ist. Das merken auch andere Pferde, die ihm während des Krieges begegnen und die meist mehr Einblick in die Geschehnisse haben als der ahnungslose Traveller, der genau deswegen später immer häufiger den Mund hält, um als Pferd eines wichtigen Generals keinen schlechten Eindruck zu hinterlassen. Traveller versteht wenig von den Sitten der Menschen. Er weiß nur, dass sein „Marse Robert“ der beste Mensch ist, der ihm je begegnete, und dass er allein ihm zuliebe alle Strapazen aushalten wird. Aus der anfänglich guten Chemie entwickelt sich nach und nach eine Seelenverwandschaft, in der Reiter und Pferd gegenseitig die Gedanken des anderen lesen können.

Von seinem Herrn und Meister General Lee zeichnet Traveller ein konsequent glorifiziertes Bild. Bis heute wird General Robert E. Lee in den USA für sein taktisches Geschick verehrt, das den Norden trotz großer Unterlegenheit in der Ausrüstung fast bezwang, auch wenn er den Krieg letztlich verlor, und seine Beliebtheit bei den Soldaten ist keine Erfindung Travellers. Trotz dieser daher nicht unrealistischen Schilderung ist offensichtlich, dass Traveller seinem Herrn so treu ergeben ist, dass er wohl in jeder Handlung des Generals etwas Positives sähe. Auch wenn man sich dieser Subjektivität bewusst ist, gewinnt Marse Robert auch beim Leser schnell die Sympathien. Trotz seines Alters und gewisser Leiden bemüht er sich um seine Soldaten und lehnt Sonderbehandlungen ab. Stets hat er ein gutes Wort für die Pferde parat und kümmert sich so oft wie möglich eigenhändig um sein Lieblingspferd Traveller. In all den Wirren des Krieges bilden diese kleinen Momente einen Lichtblick voller Menschlichkeit und man ist gerne bereit, diesem General Respekt zu zollen.

Auch andere Pferde spielen eine wichtige Rolle in Travellers Erzählungen. Da ist etwa der unleidliche Richmond, ein früheres Pferd des Generals, das allen anderen Tieren feindselig begegnet und später an einer schlimmen Kolik zugrunde geht. Da ist der scheue Braunschnecke, der zu nervös und unsicher für die Wirren des Krieges ist, die ruhige, ältere Stute Lucy Long, die nach dem Krieg von General Lees Tochter geritten wird, der Jugendfreund Grobian, mit dem es später ein herzliches Wiedersehen gibt, der arrogante Rollo, der Traveller mit seinen Prahlereien auf die Nerven geht, und das Präsidentenpferd Donner, das Traveller zynische Einblicke in die Handlungen der Menschen liefert. Den meisten Respekt empfindet Traveller für Klein-Rotfuchs, ein winziges, auf den ersten Blick unscheinbares Pferd, das seinem Herrn Stonewall Jackson ebenso treu ergeben ist wie Traveller seinem Marse Robert. Der spirituell begabte Rotfuchs dient nicht nur als Vorbild für Traveller, sondern sorgt mit seinen seherischen Fähigkeiten für einige Gänsehaut-Momente, in denen er manch tragisches Krieges-Ereignis vorausahnt.

Neben General Lee stehen bei den menschlichen Charakteren vor allem Stonewall Jackson und Jeb Stuart im Vordergrund. Stonewall Jackson, von Traveller treffend „Mütze-im-Gesicht“ genannt, ist Lees engster Vertrauter und wichtigste Unterstützung während des Krieges. Bis heute halten sich Theorien, nach denen der Süden womöglich den Krieg gewonnen hätte, wäre Jackson nicht 1963 tödlich verwundet worden. Auch Jeb Stuart, der immer im überraschenden Moment auftaucht, erhält ein lebendiges Porträt. Seit er Traveller bei der ersten Begegnung seine Eignung als Kavalleriepferd attestierte, wird er von dem Pferd stets „Komm-zur-Kavallerie“ genannt, und sein aristokratisches Pferd Skylark hinterlässt bei Traveller bei den ersten Begegnungen einen leichten Eindruck der eigenen Unzulänglichkeit.

|Sorgfältige Recherche|

Bereits im Vorwort verweist der Autor auf einige Werke, die er als Quellen für gewisse Begebenheiten herangezogen hat, sodass man gewiss sein kann, dass vieles aus Travellers Erzählungen der Wirklichkeit entspricht. Dabei ist es als Leser spannend zu beobachten, wie historische Ereignisse aus der Sicht des Pferdes wiedergegeben werden, auch wenn man dafür etwas Hintergrundwissen benötigt. Die Jugendzeit von Traveller und das Leben mit seinen früheren Besitzern wird authentisch dargestellt, auch sein Gesprächspartner, der Hauskater Tom, hat tatsächlich existiert, wie man aus Briefen des Generals weiß, und die anderen Pferde, denen er im Krieg begegnet, beruhen ebenso auf Fakten – tatsächlich hat es vor allem der kleine Rotfuchs zu ebenfalls großer Popularität geschafft. Lees Unfall, der seine Hände für längere Zeit außer Gefecht setzt, wird hier zu einem Wendepunkt in Travellers Leben, da das Pferd sich als fahrlässig Schuldiger sieht und von dem Tag an endgültig bereit ist, sein eigenes Leben für das seines Herrn aufs Spiel zu setzen. Intensiv dargestellt wird die Szene, in der der General vom Tod seines Vertrauten Stonewall Jackson erfährt. In Anspielung auf Jacksons Amputation des linken Arms, die ihm jedoch nicht das Leben retten konnte, ist der Ausspruch Lees verbürgt, Jackson habe seine linke, er jedoch mit ihm seine rechte Hand verloren – ein berühmtes Zitat, das er gegenüber Traveller in einem Augenblick der Verzweiflung wiederholt.

|Humor und Groteske|

Humor mag in einem Buch, das vom Krieg handelt, zwar im ersten Moment überraschen, doch Richard Adams gelingt es großartig, amüsante Szenen einzuflechten. Dafür ist vor allem Travellers naive Art und sein Unverständnis gegenüber vielen menschlichen Dingen verantwortlich. Es beginnt schon damit, dass in den Monaten vor 1862 alle Männer aufgeregt vom Krieg sprechen und sich darauf freuen, endlos losziehen zu dürfen. Für Traveller ist damit klar, dass „der Krieg“ ein wunderschöner Ort sein muss, wahrscheinlich eine friedliche Weide mit saftigem Gras und vielen anderen glücklichen Pferden. Wenn er am Ende seines Berichts bedauert, dass er, trotz seines sehr schönen Lebens, niemals zum „Krieg“ gelangt ist, bleibt dem Leser allerdings fast das Lachen im Halse stecken. Humor und Beklemmung liegen dicht beieinander. Travellers schnodderige Sprache und seine mitunter fahrige Art, die zum Abschweifen neigt, lädt zum Schmunzeln ein, gleichzeitig aber erzählt er von grauenhaften Szenen auf den Schlachtfeldern, von verletzten Menschen, von unzähligen Toten, von Angst und von Schmerzen. Lachen kann man erst wieder bei harmloseren Szenen, etwa wenn ein verzweifelter General Lee in Travellers Gegenwart „gütiger Gott“ murmelt und sein treues Pferd vermutet, dass er im Eifer des Gefechts seinen Namen vergaß und „Gott“ ein früheres Pferd von Marse Robert gewesen sein muss.

|Kleine Schwächen|

Es bedarf einer gewissen Überwindung, sich in den ungewöhnlichen Sprachstil von Traveller einzulesen. Was im Original ein typischer Südstaatendialekt ist, wurde versucht, von Joachim Körber adäquat ins Deutsche zu übertragen, sodass Traveller eine recht ungehobelte, einfache Sprache verwendet, die an Gossenniveau erinnert. Mit Vorliebe werden Silben verschluckt oder zusammengezogen, was dann in Worten wie „türlich“, „ham“, „nich“ und „haste“ sowie gerne in einer doppelten Verneinung wie „keiner nich“ resultiert. Der Stil lädt damit zwar nicht gerade zum Verschlingen des Romans ein, doch schneller als man denkt, hat man sich darin eingelesen und möchte diesen Dialekt am Ende nicht mehr missen. Ein wenig schade ist, dass Travellers Gesprächspartner, Hauskater Tom, stets stumm bleibt. Der Leser hört nur das Pferd reden, ab und zu gibt er wieder, was Tom gerade macht, aber insgesamt bleibt der Kater profillos. Ebenfalls bedauert man, dass Travellers spezieller Freund Klein-Rotfuchs nicht mehr auftaucht und er nichts über dessen Schicksal erfährt. Dabei ist bekannt, dass Rotfuchs nicht nur den Krieg überlebte, sondern danach noch ein bewegtes Leben führte und erst 1885 im hohen Pferdealter von 35 Jahren verstarb. Genug Gelegenheit also, dass Traveller ihm noch einmal über den Weg gelaufen wäre. Ein wenig inkonsequent ist außerdem die Übersetzung der Namen, die Körber mal ins Deutsche überträgt und mal das Original beibehält. Aus „Little Sorrel“ und „Thunder“ werden „Klein-Rotfuchs“ und „Donner“, dagegen behalten Traveller und auch „Skylark“ ihren amerikanischen Namen.

Das größte Manko liegt in einer kleinen Unlogik gegen Ende des Buches. Traveller hat den Ausgang des Krieges gehörig missverstanden, was sich in den ersten Tagen noch nachvollziehen lässt, da er gewisse Situationen einfach fehlinterpretiert. Allerdings bleibt er auch Jahre später noch bei seiner Ansicht, was unrealistisch ist, da er ja die Sprache der Menschen versteht und zudem immer wieder andere Pferde trifft – genug Gelegenheit also, um unwillkürlich zu erfahren, wie die Dinge wirklich stehen. Selbst der naive Traveller müsste vier Jahre nach Kriegsende begriffen haben, dass er mit seinen Ansichten falsch lag.

_Als Fazit_ bleibt ein absolut empfehlenswerter Roman, der das Thema „Amerikanischer Bürgerkrieg“ auf unkonventionelle Weise angeht. Eine gelungene Mischung aus Fantasy und Historie, die sorgfältig recherchierte Fakten mit Fiktion vereint. Der Stil ist zwar zunächst gewöhnungsbedürftig und es sind kleine Schwächen enthalten, doch insgesamt liegt ein überzeugendes Werk vor, das man sich weder als Historien- noch als Phantastikfreund entgehen lassen sollte.

_Der Autor_ Richard Adams, Jahrgang 1920, studierte in Oxford Literatur und Geschichte. Sein Debütroman [„Watership Down: Unten am Fluss“ 2025 wurde als Buch und ebenso als spätere Verfilmung ein Welterfolg. Adams Spezialgebiet sind Werke, in denen Tiere die Hauptrolle spielen. Weitere Bücher von ihm sind u. a. „Shardik“, „Das Mädchen auf der Schaukel“ und „Die Hunde des Schwarzen Todes“.

http://www.edition-phantasia.de

Edginton, Ian / Hartley / Harrison / Wheatley – Star Wars 62: Das Band der Ehre

_Inhalt_

|“Das Band der Ehre“|

Ein Sergeant muss sich vorm Jedi-Rat für die letzte gescheiterte Mission beantworten. Bei einem Notmanöver landeten die Truppen auf einem Planeten, der unter der Führung von Direktor Oviedo von rebellischen Truppen bevölkert wurde. Der Plan Oviedos versprach ihm Macht und Ruhm, doch die gestrandeten Kämpfer leisteten ihm und seinen Droiden Widerstand und nahmen ihn für die Rückreise nach Coruscant gefangen. Unterwegs verstarb er jedoch unerwartet.

|“Geist“|

Han Solo hat bei einem Sabacc-Spiel eine Karte gewonnen und verspricht sich hiervon, einen wertvollen Schatz zu bergen. Während seiner Suche trifft der Kopfgeldjäger auf einen verfolgten Jedi, mit dessen mysteriöser Aura Solo sich überhaupt nicht anfreunden kann. In einem plötzlichen Gefecht mit seinen Verfolgern erkennt er jedoch, dass der Jedi auf der guten Seite der Macht steht.

|“Lucky Stars“|

Auf Elerion wurde ein Holo-Würfel mit wichtigen Informationen über die geheimen Rebellenstützpunkte gestohlen. Prinzessin Leia wird von einer gewissen Orma beauftragt, den Würfel wieder zurückzuholen, nachdem ihr die Information zugetragen wurde, dass er sich im Umfeld eines anrüchigen Spielcasinos befinden soll. Leia lässt sich auf eine verführerische Robe ein und lässt gleichsam ihre Reize spielen, um den Würfel mit allen Möglichkeiten vor dem Imperium zu verbergen.

_Persönlicher Eindruck_

Eigentlich hätte in Ausgabe Nr. 62 der „Star Wars“-Comics die Fortsetzung von „Dark Times“ publiziert werden sollen. Doch aus unerfindlichen Gründen – das Intro schreibt, Autor Doug Wheatley habe sich im „Star Wars“-Universum ein wenig verflogen – müssen Fans nun einen kleinen Aufschub hinnehmen und sich mit drei Mini-Geschichten aus dem riesigen Fundus der Sternenkrieg-Comics begnügen.

Allerdings handelt es sich hierbei nur um recht belanglose Episoden aus verschiedenen Phasen der historischen Zeittafel. Mit der Titelstory „Das Band der Ehre“ wird die schwächste sofort vornan gesetzt: Autor Ian Edington hat in einer reflektierenden Geschichte eine gescheiterte Mission der Truppen der Republik aufgearbeitet und dabei den Begriff der Ehre mit einigen pathetischen Floskeln heraufbeschworen, inhaltlich damit jedoch einen ziemlich langweiligen Plot kreiert, dem es spürbar an einem erkennbaren Höhepunkt bzw. Spannung im Allgemeinen mangelt.

Unwesentlich besser ist das kurze Abenteuer des jungen Han Solo, welches vom Umfang her lediglich einen besseren Zeitungs-Strip abgibt, im Prinzip aber auch so nichtssagend wie ein solcher ist. Schön, mal eine Episode des Kopfgeldjägers Solo zu sehen, mehr aber auch nicht.

Das Beste hat man sich für den Schluss bewahrt, wobei eine solche Belobigung bitte in Relation zum sehr schwachen Rest zu betrachten ist. Leia kämpft in „Lucky Stars“ gegen einige schmierige Verbündete des Imperiums und zeigt sich bei ihrer Jagd nach dem gestohlenen Holo-Würfel äußerst freizügig. Nach einem zwischenzeitlichen kurzen Höhepunkt war’s das dann aber auch schon wieder, und bis auf ein wenig nette Unterhaltung in bekanntem Rahmen hat der Leser auch nicht sonderlich viel mitnehmen können.

So bleibt neben einem großen Fragezeichen ob der merkwürdigen Veröffentlichungspolitik nichts als Unzufriedenheit zurück. Der mit Spannung erwarteten Fortsetzung von „Dark Times“ folgt ein völlig wertloses Sammelsurium langweiliger und zusammenhangsloser Tie-ins, die noch nicht einmal so interessant wie die Rubriken zum Schluss des Magazins sind. Selbst beinharte Fans der Serie dürfen bei Nr. 62 gerne mal aussetzen und erst dann wieder zugreifen, wenn „Dark Times“ tatsächlich weitergeführt wird.

http://www.paninicomics.de/?s=gruppen&gs__gruppe=10314

Shocker, Dan – Dartmoor (Larry Brent, Band 24)

Das Buch enthält die beiden Heftromane „Der Gehenkte von Dartmoor“ und „Bis zum letzten Schrei“, die zum ersten Mal 1972 in der Reihe Silber-Krimi aus dem |Zauberkreis|-Verlag erschienen sind.

|Der Gehenkte von Dartmoor|

David Gallun, alias X-RAY-1, empfängt in der PSA-Zentrale in New York das Signal vom Tod seines Agenten X-RAY-14. Der letzte Aufenthaltsort des Agenten war Dartmoor, das berüchtigste Sumpfgelände Englands. Larry Brent, alias X-RAY-3, erhält von seinem Chef den Auftrag, den Tod seines Kollegen aufzuklären. Da Chiefinspector Higgins von Scotland Yard das mysteriöse Verschwinden von 19 Häftlingen aus dem berühmten Gefängnis im Moor aufklären soll, schließt sich Larry Brent seinem alten Freund an.

Doch die Rätsel sind noch viel verworrener, als die beiden Kriminalisten zunächst annehmen. Die Leiche von X-RAY-14 wird an einem berüchtigten Galgen inmitten des Sumpfes gefunden, die rechte Hand wurde dem Agenten abgetrennt. Den PSA-Ring, der das Signal an die Zentrale in New York weiterleitet, entdeckt Larry in der Auslage eines Antiquitätengeschäftes, der Selbstzerstörungsmechanismus hat nicht angeschlagen. Wie passen aufgebrochene Särge, denen die Nägel fehlen, der größte Gangsterboss Londons, der sein Quartier nahe Dartmoor aufgeschlagen hat, und der exzentrische Sir Charles Parkinson ins Bild?

|Bis zum letzten Schrei|

Auf einem Schloss im Elsass geht die Weiße Frau um. Alle hundert Jahre fordert sie neue Opfer. Jetzt ist die Zeit gekommen, in der sie wieder zuschlägt. Eine junge Frau, die eine Nacht in dem geschichtsträchtigen Gemäuer verbringt, wird ihr erstes Opfer. Larry Brent wird von seinem Chef David Gallun nach Frankreich geschickt, da die Computer der PSA die Wiederkehr des Geistes errechnet haben und eine Untersuchung des Phänomens für Notwendig erachten. Getarnt als Geisterjäger, begibt sich der PSA-Agent mit einer Reisegruppe zum Ort des gruseligen Geschehens …

Bereits auf den ersten Seiten stellt Dan Shocker seinen enormen Ideenreichtum unter Beweis. Die Story um den Gehenkten in Englands berühmtesten Sumpf erinnert unweigerlich an alte Edgar-Wallace-Filme und verströmt immer noch den trashigen Charme der siebziger Jahre. Es ist faszinierend zu lesen, wie sich eine Frage nach der anderen dem Leser und den Protagonisten stellt und wie der Autor die Handlungsfäden zusammenführt und den Gordischen Knoten in einem dramatischen Finale löst.

Die Lösung des Falles wirkt dabei so unglaublich überzogen, dass es einfach Spaß gemacht hat zu lesen, wie Larry den Tätern auf die Spur kam. Die plastische Schilderung des Schauplatzes Moor hat zu einem Großteil zu der schauerlichen Atmosphäre des Romans beigetragen.

Interessant zu lesen war auch, dass mal ein anderer Agent außer Larry Brent oder seine Kollegen Iwan Kunaritschew und Morna Ulbrandson erwähnt wurde. Leider erfährt der Leser außer dem Namen nichts über X-RAY-14. Mit der Erklärung des defekten Selbstzerstörungsmechanismus des PSA-Ringes macht es sich der Autor dagegen ein wenig zu leicht. Doch der Leser wird mit einer rasanten Handlung, liebevoll gezeichneten Charakteren und einem Wiederlesen mit Chiefinspector Higgins belohnt.

Die zweite Story ist eine geradezu klassische Gespenster-Geschichte um das Phänomen der „Weißen Frau“. Der Text hat zwar einen nicht unbeträchtlichen Gruselfaktor, allerdings plätschert die Handlung auch seitenlang vor sich hin, ohne dass die Handlung großartig vorankommt. Larry selbst kommt erst nach 28 Seiten ins Spiel und es dauert abermals 35 Seiten, bis er richtig in den Fall einsteigt.

Dafür beschreibt der Autor einen Urlaub von Morna Ulbrandson, der mit dem Fall eigentlich nichts zu tun hat, außer, dass sie zufällig den Sohn des Schlossbesitzers trifft, der hoch verschuldet ist. Und natürlich treffen sich Morna und Larry am Ende des Romans auch rein zufällig vor dem Tor des Gemäuers. Wenn die aparte Schwedin nicht schon zuvor nicht schon seitenlang als Spannungskiller aufgetreten wäre, dann wäre das zufällige Treffen der beiden Agenten ein richtig guter Gag geworden.

Larrys Inkognito war dagegen sehr gelungen, und es wirkte schon amüsant, wie sich Larry als schrulliger Geisterjäger ausgegeben hat. Nur die ständige Titulierung als „Ghost Hunter“ hat genervt und ist einfach nicht zeitgemäß. In den Siebzigerjahren war es modern, wenn in Heftromanen englische Begriffe fielen, doch heutzutage liest es sich eher altbacken. Larrys Verfolgungsjagd durch die unterirdischen Gewölbe wird von dem Autor gekonnt dargestellt und die beklemmende Atmosphäre der stockdunklen Gänge überträgt sich unweigerlich auf den Leser. Leider wurde das Finale sehr abrupt und unspektakulär abgehandelt, so dass der Leser den Roman unbefriedigt zur Seite legen muss.

Die Innenillustrationen von Pat Hachfeld runden den Gesamteindruck des Buches hervorragend ab. Das Bild zum zweiten Roman wirkt allerdings sehr fade, aber es gibt auch keine wirklich unheimliche Szene in dem Roman, die zeichnerisch gut darzustellen gewesen wäre. Das Cover des Buches ziert das Original-Titelbild des Heftromans „Bis zum letzten Schrei“ und zeigt eine Szene aus dem Traum des Schlossherren.

_Fazit:_ Origineller, kurzweiliger Einstieg vor der unheimlichen Kulisse einer englischen Moorlandschaft und ein fader, begrenzt spannender Abschluss des Buches. Der Band zeigt, wie ambivalent die Storys bisweilen ausfallen können und wie schwierig dadurch die Bewertung des Buches wird.

http://www.BLITZ-Verlag.de

_Florian Hilleberg_

Veloso, Ana – Duft der Kaffeeblüte, Der

|“Vom Winde verweht mit brasilianischem Feuer“|, so preist das Buchcover Ana Velosos Erstlingsroman an und hängt die Messlatte für Freunde „historischer Schmöker mit Liebesgeschichte inklusive“ sehr hoch, doch so viel sei vorweggenommen: Dieses kurze Zitat verspricht nicht zu viel, denn wer Margaret Mitchells „Vom Winde verweht“ geliebt hat und vielleicht noch ein Fan von „Fackeln im Sturm“ ist, der ist bei Ana Veloso sehr gut aufgehoben.

Die siebzehnjährige Vitória da Silva lebt auf der blühenden Kaffeeplantage Boavista zusammen mit ihrem älteren Bruder Pedro und ihren Eltern. Vita liebt das Leben und wird von ihm geliebt, an jedem Finger hat die hübsche junge Dame einen Verehrer, aber keiner konnte bislang ihr Herz erobern, doch das soll sich ändern, als ihr Bruder mit drei seiner Freunde zu Besuch auf die Plantage kommt. Eines Nachmittags taucht an der Tür der Plantage ein verwahrloster Mann auf, dem Vita kurzerhand die Tür vor der Nase zuknallt, weil er sich erdreistet hat, an der Vordertür statt am Dienstboteneingang zu klingeln. Zu Vitas Schande stellt sich hinterher allerdings heraus, dass sie damit Pedros Freund León Castro des Hauses verwiesen hat, der abends geschniegelt und gestriegelt auftaucht und sich als der berühmte Journalist und Abolitionist vorstellt.

Von Anfang an knistert es zwischen Vita und León, der sie immer wieder mit diesem Missverständnis aufzieht und sich als ihr persönlicher Sklave gibt. Als Vita daher einige Zeit später eine Einladung von León zu einer Theaterpremiere in Rio de Janeiro erhält, setzt sie alle Hebel in Bewegung, um tatsächlich nach Rio reisen zu können, doch leider bekommen ihre Eltern spitz, was Vita plant, und verpassen ihr Hausarrest. Doch das wird Vita und León nicht trennen können. Als Vitas Bruder Pedro und seine Angebetete Joanna nämlich ihre Verlobung auf Boavista feiern, ist auch León eingeladen, der Vita ebenso verfallen ist wie sie ihm.

Als sie bei einem nächtlichen Treffen von einem Unwetter überrascht werden, flüchten sie sich in eine Hütte und erleben dort ihre erste gemeinsame Liebesnacht, die Vita allerdings ungewollt ein „Geschenk“ hinterlässt, sie wird nämlich schwanger. In einem Brief setzt sie León von der Schwangerschaft in Kenntnis, doch dieser unternimmt eine längere Reise und ist für Vita unerreichbar. Diese ist am Boden zerstört und tief verletzt, verzweifelt wägt sie ihre Alternativen ab. Soll sie das Kind abtreiben oder zur Adoption freigeben und anschließend ins Kloster gehen? Oder soll sie womöglich einen ihrer ungeliebten Verehrer heiraten? Keine der Alternativen erscheint ihr erträglich, doch als schließlich ein Brief Leóns eintrifft, erleichtert dieser ihr die schwere Entscheidung …

Ana Velosos Debütroman ist großes Kino; sie zeichnet eine exotische Welt im ausklingenden 19. Jahrhundert. Vita lebt ein glückliches Leben auf der florierenden Kaffeeplantage ihrer Eltern und genießt den Reichtum. Aufgrund der Krankheit ihrer Mutter muss Vita schon früh Verantwortung übernehmen, doch ihre starke Persönlichkeit erleichtert ihr diese Arbeit. Erst als León sich aus der Verantwortung stiehlt, wächst ihr alles über den Kopf. Wir erleben eine Welt in Brasilien, die noch dominiert ist von der Sklaverei, doch dann platzt der berühmte Sklavereigegner León Castro in das Leben der da Silvas und ist bei Vitas Eltern natürlich kein gern gesehener Gast. Als eines Tages der stumme Félix von Boavista verschwindet, ahnt noch niemand, dass León ihm zur Flucht verholfen hat und Félix nun auf seiner Plantage arbeitet und dort lesen und schreiben lernt.

Zu der Zeit, in der die Geschichte beginnt, bricht das System in Brasilien zusammen, die Sklaverei steht kurz vor der Abschaffung und auch die Monarchie ist deutlich marode geworden. All diese Umwälzungen erleben wir hautnah mit, auch den Tag, als die Sklaven plötzlich befreit sind und ihre Plantagen verlassen, um ihr Glück in der Stadt zu suchen. Die vormals reichen Plantagenbesitzer stehen vor dem Nichts und müssen nun ihren eigenen Haushalt führen und die Plantagen verfallen lassen, da sie niemanden haben, der den Kaffee ernten kann. Doch Vita hat vorgesorgt; sie lebt bereits als reiche Frau in Rio, die ihr Geld in andere Industriezweige investiert und gut angelegt hat, was ihr so viel Wohlstand beschert hat, dass sie ihre ganze Familie damit weiter versorgen kann.

Vor diesem dramatischen Hintergrund erzählt Ana Veloso die Geschichte der Vita, die in der Tat viele Charakterzüge einer Scarlett O’Hara trägt. Natürlich ist sie das schönste Mädchen weit und breit, das sich vor Verehrern kaum retten kann, aber ihr Herz verschenkt sie dann an einen Rebellen, mit dem ihre Eltern nicht einverstanden sind. Genau wie Rhett und Scarlett zwischen Liebe und Hass schwanken, ist auch die Beziehung von Vita und León von großer Leidenschaft, aber auch viel Leid und Schmerz geprägt, da sie einfach nicht zueinander finden wollen.

Zu Beginn schafft es Ana Veloso überzeugend, die magische Anziehungskraft zwischen Vita und León zu beschreiben, von der ersten Begegnung an knistert es zwischen den beiden, und dem erfahrenen „Historienschmöker-Leser“ ist natürlich sofort klar, dass sich zwischen ihnen eine leidenschaftliche und dramatische Affäre entwickeln wird. Als Vita dann aber schwanger wird und León durch die Lande reist, anstatt sich um seinen entstehenden Nachwuchs zu kümmern, kommt es zum Bruch zwischen den beiden. Vita schickt León einen Hilferuf, auf den León gar nicht reagiert.

Als sie sich einige Zeit später wiedersehen, erfährt Vita, dass León von ihrer Schwangerschaft nichts gewusst hat. Doch anstatt das Missverständnis aufzuklären, eiern die beiden ziellos umeinander und verletzen sich fortan bewusst gegenseitig. Mir ist Vitas Verhalten ehrlich gesagt nicht ganz klar geworden. Sie hätte eventuell die Möglichkeit gehabt, ihre Beziehung zu León zu retten, aber sie macht es nicht. Hier konnte Ana Veloso das Handeln ihrer beiden Hauptfiguren leider nicht ganz glaubwürdig schildern. In punkto Charakterzeichnung überzeugt Ana Veloso nicht auf ganzer Linie, denn auch Vitas Bruder Pedro zeigt teilweise merkwürdige Anwandlungen, die nicht immer schlüssig erscheinen. Aber vor dem exotischen Hintergrund und vor allem der spannenden historischen Rahmenhandlung mag man das Veloso durchaus verzeihen.

Während sich Ana Veloso zu Beginn des Buches noch auf die Familie da Silva konzentriert und sich die gesamte Handlung auf Boavista abspielt, spaltet sich die Erzählung im weiteren Verlauf der Geschichte in mehrere Handlungsstränge auf. So begleiten wir den stummen Félix auf seiner Flucht vor der Sklaverei, die er ohne Leóns Hilfe nie geschafft hätte. Dank León erhält Félix Arbeit und kann das Schreiben erlernen, sodass er sich mithilfe einer Tafel schließlich auch verständigen kann. Die Geschichte um Félix, der es schafft, in Rio sein eigenes Leben zu führen, nimmt später viel Raum ein und fügt sich stimmig in das Buch ein, was aber erst sehr spät klar wird, wenn uns Ana Veloso gen Ende mit einigen erschütternden Details füttert. Auch von Pedro und seiner Frau Joana werden wir viel zu lesen bekommen, sodass wir uns manchmal über weite Strecken des Buches von Vita trennen müssen. Genau das hat mich aber immer wieder zum Weiterlesen verleitet, weil ich natürlich wissen wollte, wie es mit den beiden Hauptfiguren weitergeht. Ohne den bunten Strauß an Nebenhandlungen hätte „Der Duft der Kaffeeblüte“ mit Sicherheit nicht sein volles Aroma entfaltet und kein solches Tempo entwickelt.

Am Ende bleibt ein sehr positiver Eindruck zurück. Ana Veloso versetzt ihre Leser in das 19. Jahrhundert und nimmt uns mit nach Brasilien auf eine florierende Kaffeeplantage, die schließlich aber verfällt, als die Sklaven befreit werden und niemand mehr den Kaffee ernten kann. Vor diesem spannenden Hintergrund zeichnet sie eine tragische und bewegende Familien- und Liebesgeschichte, die einen einfach gefangen nehmen und hinreißen muss. Wer schon „Vom Winde verweht“ verschlungen hat, wird auch dieses Buch lieben!

http://www.knaur.de

Takei, Hiroyuki – Shaman King 3

[Band 1 3432
[Band 2 3623

_Handlung:_

Zum ersten Mal beschäftigt sich ein Band ausschließlich mit einem Handlungsstrang. Holzschwert-Ryu, ein Rowdy und so etwas wie ein Feind Yos, wird auf der Suche nach einem Unterschlupf für sich und seine Bande von einem Geist namens Tokagero in Besitz genommen. Dieser wurde von Amidamaru, der nun als Geist in Yos Diensten steht, ermordet, da dieser als Dieb es auf sein Schwert abgesehen hatte. Nun versucht Tokagero, Rache an Amidamaru zu nehmen, und ihm ist dabei jedes Mittel recht.

_Comic:_

Neben einigen Stärken wie klassischem japanischem Humor und den wieder mal gelungenen Zeichnungen fallen in diesem Band einige Schwächen auf. So wird wie im Vorgängerband das Thema Freundschaft thematisiert, schafft aber diesmal die Kurve nicht und wird teilweise etwas zu kitschig. Auch wurde das Thema bereits im letzten Band ausgereizt und wird diesmal nur noch breitgetreten. Des Weiteren ist der Kampf bei weitem nicht so gelungen wie der letzte. So geht es eher von einer Geiselsituation in die nächste, ein Schlagabtausch kommt gar nicht vor und die ganze Zeit wird definitiv zu viel geschwafelt.

Dafür wird der Charakter des Holzschwert-Ryu etwas genauer beleuchtet, und die für viele Mangas essenzielle „Alltagsstimmung“ kommt auf. Die Charaktere wirken bekannt, die Kampfweise ist klar und auch der Humor amüsiert wie in gewohnter Weise durch flotte Panelwechsel.

_Zeichenstil:_

Der eigenartige Stil ist auch diesmal ohne große Veränderung übernommen worden. Im Vergleich zu den Vorgängerbänden fällt auf, dass hier viel häufiger Totalaufnahmen benutzt und auch wesentlich mehr Stillbilder genutzt werden.

Das Highlight des Bandes stellt allerdings das Charakterdesign von Tokagero dar. Dessen Namen bedeutet übersetzt Echsenmensch, und genauso sieht er auch aus. Durch gekrümmte Haltung, ein plattes Gesicht und reptilienartige Augen wirkt er nicht nur sehr verschlagen, sondern auch wunderbar bösartig. Auch dessen Bewegungen und Mimik beeindrucken im Laufe des Bandes häufig. Die Darstellung wirkt vor allem einzigartig und ist definitiv einer der Höhepunkte des Bandes.

_Fazit:_

Das Klischee eines Mangas, der Kampf jeder gegen jeden, ist nun endlich erreicht, und passend zum Gefühl der Gewohnheit, das sich langsam einstellt, geht auch der Band selber etwas in die Knie. Selten spannend und teilweise übertrieben kitschig, macht der Band dennoch aufgrund der guten Zeichnungen von Hiroyuki Takei einiges an Boden gut. Gegen Ende wird dann noch der Beginn einer durchgängigen Storyline angekündigt, die zumindest jetzt schon Lust auf mehr macht.

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Diverse Autoren – Bart Simpson Comics 31

_Inhalt_

|“Das große Los“|

Krusty veranstaltet eine riesige Lotterie, deren Gewinner sich fünf Minuten lang in einem Spielzeugladen austoben und den Einkaufswagen voll laden darf. Tausende Bewerber versuchen ihr Glück, doch nur einer gewinnt: Bart Simpson. Prompt belagern alle möglichen Menschen den jungen Simpson und bitten ihn darum, im Einkaufsrausch auch eine Kleinigkeit für sie abzustauben. Überfordert mit all den Wünschen verschlägt es Bart schließlich in die Einkaufspassage. Fest entschlossen, einen Krusty-Bot abzustauben, fegt er durch die Regale. Allerdings ist die Gier der neugierigen Schaulustigen nicht zu bremsen, so dass der Run auf die Gratis-Spielzeuge für Bart zum Höllentrip avanciert.

_Persönlicher Eindruck_

Die Hauptgeschichte des neuen „Bart Simpson Comics“ spiegelt den Traum vieler Kinder wider: einmal im Leben freizügig durch die Spielzeugabteilung zu rennen und so viel einpacken, wie in den Wagen passt – wer hat davon nicht schon einmal geträumt? Für Bart wird dieser Traum alsbald Realität, dies jedoch mit einem enorm bitteren Beigeschmack: Denn mit einem Mal wagen sich die seltsamsten Gestalten an ihn heran und belagern ihn mit ihren ganz speziellen Vorstellungen der Dinge, die Bart aus dem Spielzeugparadies holen und ihnen beschaffen soll. Dabei hatte er es eigentlich nur auf eine einzelne Krusty-Figur abgesehen, die ihm anhand ihrer besonderen Fähigkeiten dabei helfen sollte, so viele Gegenstände wie möglich einzuladen. Doch Barts Schlachtplan für diesen Ernstfall ist zum Scheitern verdammt, und statt ordentlich abzusahnen, bleibt am Ende nur die Enttäuschung.

Autor Evan Dorkin hat mit „Das große Los“ einen typischen Jungen-Comic geschaffen, der indirekt eine unterschwellige Kritik an der amerikanischen Überflussgesellschaft lostritt, ohne dabei jedoch jedwede Spitzfindigkeit auszulassen. Die Geschichte ist nett illustriert und inhaltlich völlig in Ordnung, lässt aber ein Stück weit des bekannten Bisses vermissen. Diesbezüglich hätte Dorkin sicher noch etwas aggressiver zu Werke gehen können. Aber eine wirkliche Kritik ist dies nun auch nicht.

In einigen weiteren Mini-Geschichten wird ein weiterer Einkaufstag im Leben von Bart Simpson aufgegriffen und außerdem eine Comic-Rubrik mit Tipps vom Händler des Raritätenladens in Springfield eingeflochten. Weiterhin treten Maggie und Moe in der letzten Kurzgeschichte als detektivisches Superduo auf und machen einer hübschen Blondine den Garaus.

Insgesamt bleibt die Nr. 31 eine gute, wenn auch nur leicht über dem Durchschnitt liegende Ausgabe mit einem guten Hauptplot und recht kurzweiligen Nebenschauplätzen. Man vermisst bisweilen ein wenig den selbst ironischen Witz solcher Autoren wie Ian Boothby sowie dessen ständige Skurrilitäten innerhalb einer Geschichte. „Das große Los“ ist eine vergleichsweise normale Handlung mit wenigen Überraschungen, dafür aber mit nettem Aufbau – Ähnliches gilt selbstredend für die kürzeren Erzählungen, die auf keinen sonderlich interessanten Inhalt zurückgreifen. ‚Nett‘ ist schließlich auch das Stichwort, welches insofern okay ist als die Zielgruppe dieses Comics eher eine jüngere ist als bei den klassischen „Simpsons Comics“ und somit die Ansätze gerne etwas jugendlicher ausgerichtet sind. Insofern werden Fans der aktuellen Seasons hier nur bedingt Beifall klatschen, wohingegen Bart-Fans die kurzen Storys wahrscheinlich okay finden werden. Anders gesagt: Gefälliges Material, aber vom Hocker haut es sicherlich niemanden.

http://www.paninicomics.de/?s=gruppen&gs__gruppe=10310

Neil Gaiman, Sam Kieth, Mike Dringenberg, Malcolm Jones III – Sandman 1 – Präludien & Notturni

Story

Wir schreiben das Jahr 1916: Ein mythischer Kreis versammelt sich im Bestreben, einen der Ewigen zu beschwören. In der Hoffnung, Death einkerkern zu können, läuft die dunkle Trance unter der Anleitung von Roderick Burgess jedoch anders als geplant. Statt Death wird Dream in die Verbannung des Gefängnisses geschickt und nimmt damit auch allen Menschen ihre Träume – 70 Jahre lang. Durch einen Akt des Zufalls gelingt es ihm nach einer halben Ewigkeit, wieder frei zu kommen, was ihn direkt dazu veranlasst, die Insignien seiner Macht wieder aufzuspüren.

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Müller-Kraenner, Sascha – Energiesicherheit. Die neue Vermessung der Welt

Fast kein Tag vergeht, an dem man nicht in den Nachrichten von steigenden Benzinpreisen, dem Energiehunger des aufstrebenden China und dem Kleinkrieg der amerikanischen Besatzungsmacht in Afghanistan und Irak hört. Der Energiebedarf der etablierten Industrienationen und schnell wachsender Schwellenländer wie China und Indien bei knappen oder zumindest schwerer zugänglichen Vorkommen an Kohle, Öl und Gas haben dazu geführt, dass eine dauerhafte und sichere Energieversorgung keine Detailfrage der Wirtschaftspolitik, sondern mittlerweile ein Kernthema für die Chefsache Außen- und Sicherheitspolitik ist.

Sascha Müller-Kraenner hat in seinem Buch „Energiesicherheit. Die neue Vermessung der Welt“ die gegenwärtige weltweite Energiesituation dargestellt und sich Gedanken über Auswege gemacht. Dabei ist ihm zwar ein nicht immer ausgewogenes, aber erfreulich nüchternes, sachliches und weitgehend faktengesättigtes Ergebnis gelungen. Das beginnt damit, dass er seinen Titelbegriff „Energiesicherheit“ nicht den Assoziationen des Lesers überlässt, sondern in einem kurzen Eingangskapitel klar definiert. Für Müller-Kraenner bezeichnet er nicht nur eine langfristige, verlässliche Energieversorgung, sondern auch die Berücksichtigung der Sicherheitspolitik und des Umweltschutzes in der Energiepolitik.

Besonders lesenswert sind die Kapitel über Russland sowie China und andere asiatische Staaten von Indien bis Japan. Mit einer hierzulande seltenen Klarheit stellt er die geopolitische Lage, d. h. Bodenschatzverteilung, Topographie, Grenzverläufe sowie die teils vereinbaren, teils divergierenden nationalen Interessen dar. Die Vorstellung der bekannten und vermuteten Öl- und Gasvorkommen im mittleren Asien von Iran über Kasachstan bis Sibirien macht die gegenwärtige politische Lage verständlicher. Dass Deutschland als importabhängiges Land hier mit viel diplomatischem Geschick seine Interessen vertreten muss und nicht als reiner Tor der Weltbeglückung zu dienen hat, macht Müller-Kraenner deutlicher als mancher Politiker. Auch die Situation der USA wird betrachtet, allerdings nicht der gleichen kritischen und ausführlichen Analyse unterzogen wie die übrigen erwähnten Staaten. Genauso auffällig ist, dass bei der Diskussion der offiziellen und inoffiziellen Atommächte (S. 186ff) Israel ausgeklammert wird. Da wundert es auch nicht, dass die US-kritischen südamerikanischen Regierungen von Chavez bis Morales sehr undifferenziert kritisiert werden, während der Milliardenspekulant George Soros, der Gerüchten zufolge schon fast einen privaten Geheimdienst unterhalten soll, als uneigennützige Friedenstaube gepriesen wird. Dass das Kapitel über die EU etwas richtungslos bleibt, mag daran liegen, dass regelungswütige Eurokraten, die gleichzeitig Tabakanbau und Nichtraucherkampagnen unterstützen, sich von harten Interessenkonflikten lieber fernhalten.

Müller-Kraenner liefert auch einige Lösungsansätze. Wenn er dem von Energieimporten abhängigen Industriestaat Deutschland die Diversifizierung bei Energieträgern und Exporteuren, Energieeinsparung und eine höhere Ausnutzung der Primärenergie vorschlägt, ist so weit zuzustimmen. Dass er die beiden letzten Punkte nur kurz anreißt, geht in Ordnung, da er ja kein Technikbuch geschrieben hat. An anderen Punkten merkt man, dass der Autor, der einige Jahre für die den „Grünen“ nahestehende Heinrich-Böll-Stiftung gearbeitet hat, nicht über seinen Schatten springen kann. Die These, nach der CO2 das Klima beeinflusst, ist für ihn eine nicht hinterfragbare Wahrheit, auch wenn auffällig viele Wissenschaftler in letzter Zeit mit Formulierungen wie „wahrscheinliche Ursache“ oder „Mitverursacher“ zurückrudern. Ebenso ist für ihn die Ablehnung der Atomenergie über jeden Zweifel erhaben. Dass Uran ebenso wie Öl und Gas importiert werden muss, ist in der Tat ein schwerwiegendes Argument. Wenn aber alle Welt außer Deutschland wieder verstärkt auf Atomkraft setzt, hätte man zumindest die Frage erörtern müssen, ob womöglich nicht alle anderen Unrecht haben, sondern wir. Beim Thema der sogenannten „erneuerbaren“ oder alternativen Energien vermisst man erwartungsgemäß das Zauberwort „Wirkungsgrad“ (Für Nicht-Physiker: Der Wirkungsgrad eines Kraftwerks ist das Verhältnis der nutzbaren, von ihm zur Verfügung gestellten Sekundärenergie zu der von ihm benötigten Primärenergie.) Andererseits enthält das Buch interessante Abschnitte über Wasserstoff und Biomasse als künftig nutzbare Energieträger. Alternative Energien müssen für die langfristige Planung sicher ein Thema für Forschung und Entwicklung sein; jetzt und in absehbarer Zukunft jedoch, das muss man ganz klar sehen, sind sie kein Ersatz für Atomkraft und fossile Energieträger.

Die politischen Lösungsansätze des Autors kann man nur als blauäugig bezeichnen. Hier setzt Müller-Kraenner als Kind der deutschen Konsensokratie auf internationale Abkommen, bei denen gegenseitige Abhängigkeiten geschaffen werden und Staaten mitunter gegen eigene Interessen handeln. Die Frage ist, welches Land, das das nicht nötig hat, sich auf so etwas überhaupt einließe. Die USA, die Ölexporteure besetzen, Russland, das sich frühere Sowjetrepubliken mit Bodenschätzen durch Zuckerbrot und Peitsche wieder gefügig zu machen versucht, und China, das mit verschiedensten Regimen von Asien über Afrika bis Lateinamerika (!) langfristige Lieferanten bindet, machen jedenfalls auf ihre Art Nägel mit Köpfen. Das alles ist in seinem eigenen Buch nachzulesen.

Das Gesamturteil über das Buch fällt unentschieden aus. Wer sich über den Ist-Zustand der Energielage informieren will, dem kann man „Energiesicherheit. Die neue Vermessung der Welt“ unbedingt empfehlen. Wer Anregungen zum Soll-Zustand sucht, schaut sich besser anderweitig um.

http://www.kunstmann.de

James Robinson, P. Dini, D. Kramer, J. H. Williams – Batman 3

Inhalt

|“Im Zwiespalt, Teil 7 und 8″|

Gerade erst hat Batman eindeutig nachweisen können, dass Harvey Dent für die Morde an den einstigen Superschurken nicht verantwortlich sein kann, da hört er im TV-Gerät die traurige Nachricht, dass dieser sich wieder als Two-Face durch Gotham City schlägt und seinen ehrbaren Weg der vergangenen Jahre unerwartet verlassen hat. Bruce Wayne geht der Sache auf die Spur und entdeckt Two-Face völlig fanatisch im Zoo der Stadt, immer noch besessen vom Gedanken, seine alte Identität erneut aufleben zu lassen. Währenddessen verfolgt Batman die wahren Drahtzieher der Mordserie und schenkt seinem neuen Gefährten Tim alias Robin endgültig sein Vertrauen.

„Die schönen Leute“

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Shocker, Dan – Mordleiche, Die (Larry Brent, Band 23)

Der Band enthält die beiden Heftromane „Die Mordfalter“ und „Die Leiche aus der Kühltruhe“, welche erstmals als Silber-Krimi Band 954 und 958 erschienen sind.

|Die Mordfalter|

Larry Brent soll in Paris einen Mittelsmann der PSA treffen, der angeblich eine besondere Entdeckung gemacht hat. Doch Landrue hält sich nicht an den vereinbarten Termin. In seiner Wohnung findet Larry Brent die Leiche eines Mannes, der an Herzversagen starb, aber es ist nicht Landrue. Auf Nachfrage bei seinem Chef X-RAY 1 erfährt Larry, dass sich Landrue mit einem Insektenforscher namens Dodot getroffen hat und sich der PSA-Mitarbeiter mit gehäuften Fällen von Herzversagen befasste. Bei der Obduktion der Leiche finden die Ärzte heraus, dass das Opfer keinerlei Rückenmark mehr besitzt und sich stattdessen Insekteneier mit Raupenlarven dort befinden.

Larry fährt in die Gegend, wo sich der Forscher angeblich herumtreibt, nämlich eine alte verrufene Kneipe in der Nähe einer Müllhalde. Doch der PSA-Agent muss unverrichteter Dinge wieder abziehen. Larry Brent und die Pariser Polizei wollen einen weiteren Insektenforscher hinzuziehen, da der Verdacht besteht, dass die gehäuften Fälle von Herzversagen auf die Raupen und Falter zurückzuführen sind. Sie übergeben ihm die Eier aus der obduzierten Leiche. Als Larry mit der Polizei vor der Wohnung des Wissenschaftlers steht, sehen sie Hunderte von Faltern durch das Fenster. Der Entomologe wurde ein Opfer der Mordfalter. Versuche, die Tiere mit DDT auszuräuchern, scheitern und den Tieren gelingt die Flucht. Was steckt hinter dem Überfall der Mordfalter? Eine Laune der Natur oder der kranke Geist eines verrückten Wissenschaftlers?

|Die Leiche aus der Kühltruhe|

Gerome Wallace leidet an einem inoperablen Krebsgeschwulst. In der Hoffnung, dass in nicht allzu ferner Zukunft ein Heilmittel gefunden wird, schließt der Großindustrielle einen Vertrag ab, in dem er festlegt, dass er sich einfrieren lässt, bis eine Heilung möglich ist.

Als der klinische Tod von Wallace schneller eintritt als erwartet, wird alles nach den Wünschen des Todkranken erfüllt. Doch etwas läuft gewaltig schief, denn plötzlich erwacht Gerome Wallace in seiner Kühltruhe und entsteigt seinem kalten Grab. Ein lebender Toter, dessen Psyche erheblich Schaden genommen hat. Als Gerome dann erfährt, dass seine um viele Jahre jüngere Frau Linda ihn seit längerem mit einem guten Freund betrügt, brennen bei der lebenden Leiche sämtliche Sicherungen durch und ein grausamer Rachefeldzug nimmt seinen Anfang.

Larry Brent wird auf den Fall aufmerksam, als ihn ein befreundeter Psychiater auf den Fall einer jungen Frau hinweist, die sich von einer grauenhaften Gestalt verfolgt sieht. Was zunächst als Halluzinationen abgetan wird, erweist sich bald als Irrtum. Denn die junge Frau namens Sandy Jovlin ist das uneheliche Kind eines gewissen Gerome Wallace, der vor kurzem angeblich verstorben ist …

Das Buch bietet dem Leser zwei kurzweilige, spannende Gruselgeschichten aus der Feder Dan Shockers, hervorragend überarbeitet von einem gewissenhaften Lektorat, welches den einen oder anderen sprachlichen Fauxpas ausgewetzt hat.

Die erste Story ist ein klassischer Ökothriller und zugleich ein düsterer Tierhorror-Roman, welcher in einfacher, heftromantypischer Manier vor den Folgen übermäßigen Einsatzes von Insektiziden warnt und dem Leser drastisch vor Augen führt, dass sich der Mensch dadurch letztendlich selber gefährdet. Die Art und Weise, wie Dan Shocker seine Mordfalter sich vermehren und auf Raubzug gehen lässt, legt Zeugnis ab von dem schöpferischen Ideenreichtum des Autors. Dass die Falter ihre Eier in das ausgesaugte Rückenmark legen, erhöht dabei den Ekelfaktor, macht den Roman aber auch irgendwie glaubhafter.

Einzig und allein der Bankraub und die Handlung um die beiden Bankräuber nimmt sehr viel Raum ein, der später bei der Darstellung der Falterbedrohung und deren Bekämpfung fehlt. Dafür wurde die Atmosphäre der fragwürdigen Spelunke und der Müllhalde plastisch und lebensnah beschrieben.

In der zweiten Geschichte hat Dan Shocker eine Rachegeschichte konstruiert, die sich aber auch differenziert mit der Angst vor dem Sterben befasst und sich dem umstrittenen Thema widmet, ob es sinnvoll ist, sich einfrieren zu lassen, um später wiederbelebt zu werden, wenn eine Heilung erfolgversprechend ist. Sehr gekonnt und realistisch beschreibt der Autor die Angst des Gerome Wallace vor dem Tod und sein Entsetzen, als er bemerkt, wie er lebendig eingefroren werden soll. Auch das Erwachen in der Kühltruhe lässt den Leser nicht nur vor der erwähnten Kälte schaudern.

Leider verschenkt der Schriftsteller viel Potenzial bei der Handlung um Sandy Jovlin. Diese Nebenhandlung birgt zwar einige interessante Facetten, wird aber im Finale eher unbefriedigend aufgelöst. Auch der Psychoterror, den Gerome seiner Frau angedeihen lässt, wird zu überhastet abgearbeitet, um den Leser wirklich zu berühren. Man merkt dem Roman deutlich an, dass er zu wenig Seiten hat, um beiden Plots gerecht zu werden. Gemeint ist zum einen die Story um die Rache des wiedererwachten Gerome Wallace und zum anderen die Aktion mit dem Doppelkörper des Untoten aus einer parallelen Antiwelt. Gerade das Finale wurde viel zu schnell über die Bühne gebracht. Viel zu nüchtern, sachlich und undramatisch wird das Problem aus der Welt geschafft.

Dass der Roman schon vor zirka 30 Jahren geschrieben wurde, merkt man ihm trotz allem an einer Szene deutlich an, in der Tequila als neuartiges, noch unbekanntes Getränk angepriesen wird und der Autor das Ritual mit Salz und Zitrone minutiös beschreibt, weil es in Deutschland noch nicht so bekannt ist. Das wirkt für den heutigen Leser sehr amüsant, wo das richtige Genießen von Tequila quasi zur Allgemeinbildung gehört. Dem Seriencharakter wird in diesem Band insofern Rechnung getragen, als sich Larry Brent an zwei Fälle erinnert, die er erst vor Kurzem erlebt hat. Das gibt dem Leser ein größeres Gefühl der Zusammengehörigkeit mit der Hauptfigur, mit der er quasi die gleichen Erinnerungen teilt.

Die Illustrationen von Pat Hachfeld sind beide äußerst gelungen, und vor allem das Bild zu den Mordfaltern gehört mit zu Hachfelds besten Arbeiten. Das Frontcover ist dagegen eine der überzeugendsten Arbeiten des mittlerweile verstorbenen Künstlers Lonati. Es ist das Originalcover zu dem Roman „Die Leiche aus der Kühltruhe“ und wurde speziell für diesen Roman angefertigt, was den Wiedererkennungswert der Szenen in der Geschichte erhöht. Zum Ende hin wird Gerome genau so beschrieben wie auf dem Bild dargestellt, und der rote Hintergrund einschließlich dem dämonische Antlitz vermittelt eine stimmige Gruselatmosphäre.

_Fazit:_ Zwei klassische Larry-Brent-Abenteuer, welche das Talent und den Einfallsreichtum Dan Shockers dokumentieren. Nur in der zweiten Story geht der Geschichte zum Ende hin die Luft aus und schließt den Roman eher unbefriedigend ab.

http://www.BLITZ-Verlag.de

_Florian Hilleberg_

Villatoro, Marcos M. – Furia

Der |Knaur|-Verlag veröffentlichte im Frühjahr 2006 den Thriller [„Minos“ 2626 des amerikanischen Autors Marcos M. Villatoro und begeisterte damit die deutschen Leser. Diesen Sommer legt der Verlag nach. Allerdings ist das Buch, das in Deutschland unter dem Titel „Furia“ erscheint, nicht wie erwartet ein Folgeroman, sondern der direkte Vorgänger zu „Minos“. Als Originalausgabe erschien „Furia“ bereits vor „Minos“, was sicherlich auch in Deutschland strategisch geschickter gewesen wäre, da viele Handlungsstränge, die in „Minos“ vorkommen, hier ihren Anfang nehmen.

Romilia Chacón, die achtundzwanzigjährige Latina und alleinerziehende Mutter, ist gerade mit ihrer Mamá und ihrem Sohn nach Nashville gezogen. Bereits zu ihrem Antritt beim Mordkommissariat wird sie mit einem Toten konfrontiert. Der Journalist Diego Saénz wird erschossen aufgefunden. Der Täter lässt es so aussehen, als ob sich Saénz in selbstmörderischer Absicht das Gehirn weggeschossen hätte, doch Romilia lässt sich nicht täuschen.

Als sie am Tatort eine grüne Jadepyramide findet, wird ihr klar, dass die Sache, der sie auf der Spur ist, vielleicht ein bisschen zu groß für sie ist.
Denn die Jadepyramide war das Kennzeichen des Serienmörders Benny Bitan, den Romilias Kollege Jerry Wilson gerade dingfest gemacht hat. Was hat der tote Journalist zu bedeuten? Ist der wahre Serienmörder noch auf freiem Fuß oder hat Bitan etwa einen Nachahmer gefunden?

Im Mittelpunkt des Thrillers steht die Ich-Erzählerin Romilia Chacón, die man getrost als starke Frauenfigur bezeichnen kann. Dank ihrer Herkunft hat sie ein entsprechendes Temperament und macht sich mit ihrer Hitzköpfigkeit und ihrer Durchsetzungsfreude nicht nur Freunde in ihrem Arbeitsumfeld.

Obwohl sie dort den taffen Cop gibt, hat sie auch eine weiche Seite, die sich offenbart, wenn sie mit ihrem dreijährigen Sohn und ihrer konservativen Mutter zusammen ist. Villatoro lässt sehr viel von Romilias Privatleben in die Geschichte einfließen, wodurch die Persönlichkeit der jungen Frau sehr gut ausgelotet wird. Da sie als direkte Erzählerin fungiert, ist sie dem Leser sehr nahe und es fällt leicht, sie zu verstehen. Die geringe Distanz wird dem Roman an einigen Stellen allerdings zum Verhängnis, denn dadurch wird es schwer, Romilia auch einmal von außen zu betrachten.

Entsprechend eng verknüpft mit Romilia ist der persönliche, interessant gestaltete Schreibstil. Er zeichnet sich neben der Verwendung vieler spanischer Begriffe, die teilweise übersetzt werden oder erschlossen werden können, vor allem durch den scharfzüngigen Humor der Protagonistin aus. Ihre frechen, manchmal schlüpfrigen Bemerkungen, die sich oft auf den Machismo bei der Polizei beziehen, lockern das Buch unheimlich auf.

Trotzdem fällt auf, dass „Furia“ bei weitem nicht so solide und flüssig geschrieben ist wie „Minos“. Das Potenzial von Villatoro lässt sich zwar erkennen, aber er verzettelt sich dabei, seine Protagonistin möglichst menschlich darzustellen. Deswegen schweift er manchmal zu unwichtigen Dingen wie Romilias Liebe zu Büchern ab, vergisst dabei aber, dass ein bisschen mehr Vergangenheit der jungen Frau auch geholfen hätte.

Insgesamt ist „Furia“ einfacher gestrickt und weniger vielschichtig als „Minos“ – nicht nur in Bezug auf Schreibstil und Protagonistin. Die Handlung kann ebenfalls nicht völlig überzeugen, weil sie eindimensional abgebildet wird. Es gibt wenig Höhepunkte und einige logische Ungenauigkeiten sorgen dafür, dass die Spannungskurve recht flach verläuft. Das Ende verspricht zwar eine echte Überraschung, aber die ist ein wenig zu konventionell umgesetzt worden. Der große Showdown präsentiert sich deshalb als heimeliges Tischfeuerwerk, das nicht so ganz zünden möchte.

Es bleibt also festzuhalten, dass „Furia“ ein bisschen wie die Generalprobe von „Minos“ wirkt. Das Buch ist recht einfach gehalten, was sich negativ auf die Spannung niederschlägt, und dem Schreibstil fehlt der letzte Schliff. Romilias Persönlichkeit steckt ebenfalls noch in den Kinderschuhen, aber ihr unschlagbarer Humor und ihre ungewöhnliche Art stimmen den Leser versöhnlich.

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Trugenberger, Luca – Siegel des Schicksals, Das (Die Wege des Drachen 2)

Buch 1: [„Der magische Dorn“ 3227

Nachdem Damlo sich am Ende des ersten Bandes entschlossen hat, nicht nach Hause zurückzukehren, sondern den Zwergen Clevas und Irgenas zum weißen Turm von Belsin zu folgen, ist er erst einmal ziemlich erleichtert. Doch diese Erleichterung weicht schon bald der Reue, als die drei von einer Horde Orks angegriffen und getrennt werden. Auf sich allein gestellt, fährt Damlo weiter, um an einem vereinbarten Treffpunkt auf die Freunde zu warten. Sie kommen nicht!

Schließlich muss Damlo sich eingestehen, dass sie wahrscheinlich nicht überlebt haben, und dann verhindert ein Überfall auf die Brücke auch noch, dass Damlo den Riguario überquert. Niedergeschlagen schließt Damlo sich einigen Kaufleuten an, die ebenfalls nach Süden wollen und sich anschicken, die Brücke zu umgehen. Das bedeutet einen enormen Umweg über die Hauptstadt Eria, die kurz vor dem Bürgerkrieg steht …

_Die Riege der Personen_ hat sich nur wenig ausgeweitet.

Zum einen wäre da Ticla zu nennen, die Tochter des Regenten von Eria. Ein vorwitziges, temperamentvolles junges Mädchen, das heimlich Fechtunterricht nimmt und auf Säulen und Fassadensimsen herumklettert, um Ratsversammlungen zu belauschen. Dem hohen Priester Ijssilien hat sie eine Horde roter Waldameisen ins Priestergewand gesteckt, weil er sie wegen ihres Verhaltens getadelt hat.

Ijssilien ist einer dieser bigotten Kerle, die vor allem deshalb so streng auf sittliches Verhalten weiblicher Personen achten, damit sie sich nicht eingestehen müssen, dass sie selber geile Böcke sind, sondern im Zweifelsfall die Schuld immer auf das „unsittliche“ Benehmen der Frau schieben können. Abgesehen davon lässt er sich auch sonst vor allem von seinem besonderen Hass auf Ticla leiten, ohne auch nur einen Funken Verstand an die politischen Folgen seiner kleinlichen Intrigen zu verschwenden.

Außerdem taucht ein Mann namens Norzak von Suruwo auf. Schon bald ist klar, dass es sich hier um einen Diener des Schattens handelt, und zwar um einen hochrangigeren als die schwarzen Degen. Offiziell als neutraler Beobachter am Hof von Eria, intrigiert er ganz kräftig gegen den Regenten, denn der Erste Diener des Schattens will einen Bürgerkrieg, was Norzak selbst lieber vermeiden würde. Er will nur den Regenten loswerden und selbst herrschen. Dumm nur, dass der Erste Diener außer dem Bürgerkrieg auch noch die geheime Ladung auf dem Karren der Zwerge haben will, und Norzak ihm diese trotz aller Mühe bisher nicht besorgen konnte …

Die übrigen Neuzugänge – wie die Kaufleute, denen Damlo sich anschließt, oder auch Ticlas Vater – bleiben eher unscheinbare Randfiguren und verschwinden recht bald wieder in der Versenkung.

_Die Handlung_ ist ein wenig komplexer geworden als im ersten Band, wo der Handlungsstrang sich nur teilte, wenn Damlo vorübergehend nicht mit seinen Begleitern zusammen war. Durch die Ausweitung des Blickwinkels auf die Geschehen in Eria sind die Handlungsstränge um Ticla und Norzak dazugekommen, von denen zumindest Letzterer dem Zyklus auch langfristig erhalten bleiben dürfte. Das Hauptaugenmerk liegt allerdings auf Damlo, was zu einem recht ungewöhnlichen Schlenker im Erzählverlauf führt, denn erst, als Damlo in Eria Nachricht über den Verbleib seiner Freunde erhält, wird rückblickend deren Schicksal nach der Trennung von Damlo erzählt.

Während dieser kurze Ausflug in die Rückblende nur wenig stört, ist der Anfang des Buches ein wenig holperig geraten. Die Erzählung setzt nahtlos und unmittelbar an das Ende des ersten Bandes an. Nachdem Damlo sich entschieden hat weiterzureisen, will er ins Schloss zurückkehren, um seinen Freunden seine Entscheidung mitzuteilen, was gar nicht so einfach ist, da die Wachen ihm nicht glauben, dass er dort erwartet wird. Ziemlich ausführlich wird geschildert, wie Damlo die Wachen und Diener überlistet, um an sein Ziel zu gelangen, nur um fast unmittelbar darauf bereits mit den Zwergen wieder unterwegs zu sein. Ein Bezug zwischen diesen beiden Punkten fehlt völlig.

Offenbar wollte der Autor dem Leser auf diese Weise den Wiedereinstieg in die Handlung erleichtern, denn die Anfangspassage im Schlosspark ist mit Erinnerungen an wichtige Ereignisse des ersten Bandes gespickt. Dadurch wirkt sie allerdings etwas bemüht, und auch der Übergang zur eigentlichen neuen Handlung kommt zu abrupt, um glatt und flüssig zu wirken. Dazu kommt, dass die Einleitung der weiteren Entwicklungen in diesem Band wenig elegant da zu offensichtlich daherkommt. So hatte ich im Gegensatz zum ersten Band diesmal ein wenig Mühe, mich einzulesen.

Danach las sich das Buch mühelos. Die Handlung ist diesmal weniger turbulent gestaltet. Nach der Schlacht mit den Orks tut sich zunächst eine ganze Weile nichts, was vor allem daran liegt, dass Damlo zum einen zu ängstlich und zum anderen zum Kämpfen gar nicht ausgebildet ist. Ein großer Teil des Buches entfällt auf Damlos alleinige Weiterfahrt bis zur Riguario-Brücke und seine Reise mit den Kaufleuten bis Laria. Eine ziemlich ereignislose Zeit – abgesehen von der kurzen Schlacht auf der Brücke, an der Damlo allerdings nur als Beobachter teilgenommen hat – und der Autor nutzt dies, um sich ausführlich Damlos Innenleben zuzuwenden. In dieser Erläuterung von Damlos Seelenzustand hört man deutlich den Psychologen sprechen. Damlos Tun wird dadurch zwar nachvollziehbar, die Darstellung bleibt aber zu trocken, um mehr als den Verstand des Lesers zu erreichen.

Wirklich lebendig wird es erst wieder, als Damlo sein Geld geklaut wird und er anfängt, sein Leben wieder in die Hand zu nehmen. Als er schließlich nach Eria kommt und dort unversehens gleich in zwei unterschiedliche Intrigen hineingerät, nimmt die Geschichte endlich Fahrt auf.

_Ich muss sagen_, dass ich „Das Siegel des Schicksals“ nicht ganz so gut fand wie „Der magische Dorn“. Dadurch, dass Damlo diesmal hauptsächlich ohne die Zwerge und Uwain unterwegs ist, blieb zwar viel Gelegenheit, auf eigenen Beinen zu stehen, dafür fehlten mir das kauzige Gekabbel der Zwerge und der ironische Witz des Halbelfen. Auch wollten sich diesmal die einzelnen Bestandteile der Handlung nicht so gleichmäßig ineinander fügen, wie das noch beim ersten Band der Fall war. Zu offensichtlich wurden die einzelnen Häppchen dargeboten, die zur – zugegebenermaßen interessanten – Lösung des Rätsels um Damlos besondere Natur und seine Fähigkeiten führten. Irgendwie wirkte alles etwas zu bemüht, die Leichtigkeit, mit der beim ersten Band noch äußere Handlung und innere Entwicklung des Helden zu einer Einheit zusammenflossen, fehlte hier. Schade.

Bleibt zu hoffen, dass sich das beim dritten Band wieder ändert. Schließlich gibt es ja noch einiges zu tun: den Belsin zu erreichen, den Ersten Diener herauszufinden und unschädlich zu machen, und vor allem Damlos Magie beherrschen zu lernen.

_Luca Trugenberger_ lebt in Italien. Nach seinem Medizinstudium arbeitete er einige Zeit als Schauspieler, um dann doch wieder zur Medizin zurückzukehren. Heute ist er in Rom als Psychotherapeut tätig, doch die künstlerische Ader ist immer noch vorhanden. „Der magische Dorn“ war sein erster Roman und sofort erfolgreich. Der dritte Band des Zyklus erscheint im Januar 2008 unter dem Titel „Der Angriff der Schatten“.

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Hartley, Welles / Harrison, Mick / Wheatley, Doug – Star Wars 61: Dark Times 1 (von 5) – Der Weg ins Nichts

_Story_

Die blutbefleckten Hände des Imperators greifen unaufhaltsam durch die Galaxis und machen dabei vor keinem Jedi halt. Der jüngste Streifzug der imperialen Truppen führt dabei auf den Planeten New-Plympto, auf dem das Volk der Nosaurier einen letzten verzweifelten Kampf gegen die Sturmtruppen führt. Während ihr menschlicher Anführer Dass Jenir gemeinsam mit dem tapferen Bomo wacker die Defensive hält, gelingt es einer kleinen Truppe Überlebender, rechtzeitig zum Raumhafen zu fliehen und von dort aus die intergalaktische Flucht vorzubereiten.

Doch das Werk der beiden letzten Kämpfer trägt keine Früchte. Bomos Familie und die übrigen Frauen und Kinder werden kurz vor der Abreise gefangen und versklavt. Aber Jenir gibt nicht auf. Er überzeugt seinen nosaurischen Mitstreiter davon, dass ihr Kampf einen tieferen Sinn haben muss, und schlägt sich bis zum Raumhafen durch. Doch die Hoffnung, zwischen den dort befindlichen Truppen einen Ausweg zu finden, ist sehr gering.

_Meine Meinung_

Nach der verheißungsvollen letzten Quadrologie [„Rebellion“ 3399 starten die „Star Wars Comics“ in Ausgabe Nr. 61 in eine neue, zunächst auf drei Episoden angelegte Serie namens „Dark Times“. Die hier abgehandelten Ereignisse schließen unmittelbar an die Handlung von „Episode III – Die Rache der Sith“ an und sind damit noch vor der vorherigen Serie angesiedelt.

Im Mittelpunkt des Interesses steht der Jedi-General Dass Jenir, ein verwegener Kämpfer, den ein ganzes Volk zum Helden gemacht hat, weil er der drohenden imperialen Diktatur auf dem Planeten New Plympto bis zuletzt Widerstand leistet und die Tapferkeit der Nosaurier bis zum Höchstmaß anstachelt. Wohlwissend, dass sein Kampf keine Erfolgsaussichten hat, schlägt er für die hilflose Zivilbevölkerung noch ein wenig Zeit heraus, damit zumindest diese der Sklaverei entfliehen kann, während die nosaurischen Krieger von vornherein dem Tod geweiht scheinen.

Mit diesem Schicksal hat sich auch der tapfere Bomo abgefunden, dessen Familie mit dem letzten Transporter gen Raumhafen abreist, in der Hoffnung, ihr Oberhaupt eines Tages wiederzusehen. Doch Bomo verschweigt seine hoffnungslosen Aussichten und stürzt sich an der Seite Jenirs erneut in den letzten Aufstand. Durch einen Zufall bleiben sie als Einzige verschont, müssen aber tatenlos mit ansehen, wie ihre ehemaligen Gefährten ausgerottet werden. Angestachelt vom Willen, ihrem verzweifelten Handeln doch noch einen Sinn zu geben, reisen sie Bomos Familie hinterher, erfahren unterwegs jedoch von einem Trupp weiterer Überlebender, dass die letzten Transporter abgefangen und ihre Insassen zum Sklavenmarkt abtransportiert wurden. Die Tapferkeit der verbliebenen Nosaurier scheint indes gebrochen, weshalb es schon drastischer Maßnahmen bedarf, um ihren Mut wieder zu wecken und zumindest den Versuch zu starten, der Situation zu entfliehen. Doch was dies betrifft, war Dass Jenis schon immer ein Künstler.

Unterdessen befürchten die Vertreter des Imperium, allen voran Vader, dass ihr Dasein in nächster Zeit von Untätigkeit geprägt sein wird. Die Schlacht gegen die Rebellen und die Jedi läuft wie gewünscht, und ein Eingreifen seiner Lordschaft scheint nicht nötig. Vader zweifelt in einzelnen Rückblenden zum ersten Mal an der dunklen Seite, überspielt dies jedoch in blinder Unterwürfigkeit dem Imperator gegenüber. Aber auch die Sturmtruppen hegen derartige Gedanken und befürchten, dass sie künftig zu einem Laben in Frieden verdammt sind – was wiederum vollkommen der Motivation ihrer Erschaffung widersprechen würde.

Im ersten Teil von „Dark Times“ liefert das Autorenteam Welles Hartley & Mick Harrison nicht nur den actionreichen Auftakt in eine neue Serie, sondern auch einige interessante Nebengedanken, die zunächst abseits des Hauptplots ablaufen, dennoch aber zum Nachdenken anregen. Es scheint zumindest so, als würden in Vader erste revolutionäre Gedanken geweckt. Währenddessen haben Harrison und Hartley in Dass Jenir einen interessanten neuen Charakter erschaffen, der sich im ersten Teil von „Dark Times“ als würdiges Skywalker-Äquivalent behaupten kann und durch sein wagemutiges Handeln den Grundstein für eine viel versprechende Mini-Serie setzt. Die ersten Eindrücke übertreffen zumindest schon einmal die vorherige Geschichte, die Zeichnungen sind wie gehabt brillant und die Action in diesem Teil schon mal kaum mehr zu überbieten. Damit bietet „Der Weg ins Nichts“ bereits zu diesem Zeitpunkt einen hohen Maßstab, an dem sich die beiden nachfolgenden Teile messen müssen – in der Hoffnung, dass sie daran nicht scheitern!

Ergänzt wird das Ganze durch die üblichen Rubriken. Im historischen Teil wird die Geschichte der Sith aufgegriffen; dazu gibt es einen Überblick über die aktuellen „Star Wars“-Veröffentlichungen auf dem Buch-, Comic- und Hörspiel-Markt. Fanatiker hingegen werden mit Kurzberichten über einen gewissen Ben Skywalker und einem technischen Querschnitt des |Mankvin-814 Starfighters| verwöhnt.

http://www.paninicomics.de/?s=gruppen&gs__gruppe=10314

Vlugt, Simone van der – Schattenschwester

Mit ihrem Roman [„Klassentreffen“ 3850 stürmt die niederländische Autorin Simone van der Vlugt zurzeit die Bestsellerlisten, doch auch ihr zweiter Thriller „Schattenschwester“ steht dem in Spannung und Dramatik nichts nach …

Marjolein arbeitet als Lehrerin an einer Gesamtschule und ist mit ihrem Job überglücklich, jedenfalls bis zu dem Tag, an dem ihr Problemschüler Bilal sie mit einem Messer bedroht und Marjolein in Angst aus dem Klassenzimmer flüchtet. Dieser Tag ist es, der ihr restliches Leben (das nicht mehr allzu lange andauern wird) verändern wird.

Von ihrem Schuldirektor Jan van Osnabrugge bekommt Marjolein wenig Unterstützung, da die Schülerzahlen konstant zurückgehen und Jan fürchtet, dass noch mehr Lehrer entlassen werden müssen, wenn die Schule nun auch noch für negative Schlagzeilen sorgt. Aber auch Marjoleins Mann Raoul zeigt wenig Verständnis, denn Marjolein verfügt über genügend Geld, um ihren Job aufgeben zu können, Raoul kann also nicht verstehen, wieso sie ihr Leben aufs Spiel setzt, zumal die beiden eine 6-jährige Tochter haben.

Einzig zu ihrer Zwillingsschwester Marlieke kann sich Marjolein jederzeit flüchten, um sich bei ihr auszuweinen und um Rat zu fragen. Marlieke und Marjolein sehen sich zwar unglaublich ähnlich, doch vom Typ her könnten sie kaum unterschiedlicher sein. Marlieke ist die ruhige und zurückhaltende Schwester, die sich gerne in bequeme Sachen und Armeehosen kleidet, während Marjolein offensiv auf die Menschen zugeht und mit ihren Reizen nicht geizt. Doch mit ihrer forschen Art macht sie sich offensichtlich auch Feinde, denn nach dem Vorfall mit Bilal ist es noch nicht getan: Kurz darauf wird Marjoleins Auto zerkratzt und mit dem Schriftzug „Hure“ verschandelt, aber auch eine Morddrohung lässt nicht lange auf sich warten. Während Marjolein immer verzweifelter wird, traut sie sich immer noch nicht, die Vorfälle zur Anzeige zu bringen, da sie Angst davor hat, Bilal dadurch erst recht gegen sich aufzubringen.

Simone van der Vlugts Geschichte teilt sich in zwei Handlungsstränge auf; der eine ist aus Marjoleins Sicht erzählt und handelt von den Bedrohungen, die Marjolein zu ertragen hat. Und während sie wenig Verständnis erhält und sich zudem Sorgen um die Treue ihres Ehemannes machen muss, ahnt sie nicht, dass sie bald ermordet werden wird. Der zweite Handlungsfaden schildert die Ereignisse nach Marjoleins Mord aus Sicht ihrer Zwillingsschwester.

Diese beiden Handlungsebenen führt Simone van der Vlugt parallel weiter. Während Marjoleins Panik also immer mehr zunimmt und sie beginnt, Gespenster zu sehen, ist Marlieke in Trauer um ihre ermordete Schwester und begibt sich auf Spurensuche, um den Mörder auf eigene Faust dingfest zu machen. Der Leser weiß dabei allerdings noch nicht, wie weit die Ereignisse um Marlieke in der Zukunft liegen und wie viel Zeit Marjolein also noch bleibt. Durch den ständigen Wechsel der Perspektive und der Zeit baut die Autorin unglaublich viel Spannung auf, die uns an das Buch fesselt, bis wir es schließlich spätabends oder auch mitten in der Nacht schließlich durchgelesen haben und wissen, was mit Marjolein geschehen ist.

Besonders die Handlungsebene, die aus Marliekes Sicht geschildert ist und in welcher der Leser schon weiß, dass Marjolein sich einen Todfeind gemacht haben muss, birgt viel Spannung. Hier lernen wir Marjolein aus einer ganz anderen Perspektive kennen, denn obwohl sie uns in ihren eigenen Passagen sehr sympathisch erscheint, müssen wir hier erkennen, dass sie nicht die freundliche und perfekte Frau ist, die sie gerne sein möchte. Selbst ihre Zwillingsschwester Marlieke ertappt sich dabei, dass sie sich ohne ihre einnehmende Schwester viel freier fühlen kann. Hinzu kommt ihre heimliche Liebe zu Raoul, die sie bislang immer verbergen musste, damit niemand merkt, dass sie sich in den Mann ihrer eigenen Schwester verliebt hat.

In diesen Passagen lernen wir auch Marliekes beste Freunde kennen, nämlich Sylvie und Thomas, die Marlieke eine große Stütze sind in ihrer Trauer. Thomas ist unsterblich verliebt in Marlieke und weiß doch, dass sie nicht das Gleiche für ihn empfindet. Allerdings ahnt er noch nicht, dass er einen Nebenbuhler hat, mit dem er es einfach nicht aufnehmen kann. So erscheint es uns ganz selbstverständlich, als Sylvie und Thomas schließlich ein Paar werden, denn die schöne Sylvie ist schon lange hinter Thomas her.

Doch obwohl Marlieke selbst nicht mehr sein möchte als Thomas‘ gute Freundin, wird sie plötzlich eifersüchtig und fühlt sich ausgeschlossen, als ihre beiden Freunde sich näher kommen. Ablenkung sucht Marlieke in ihrer Arbeit als Fotografin und in der Suche nach dem Mörder ihrer Schwester. Sie kann es immer noch nicht glauben, dass Bilal unschuldig sein soll, auch wenn die Polizei sein Alibi überprüft und ihn wieder frei gelassen hat. Als sie sich jedoch alleine auf die Suche nach Bilal macht, begibt sie sich in große Gefahr.

Die Charakterzeichnung ist Simone van der Vlugt über weite Strecken sehr gut gelungen. Wir lernen die handelnden Figuren immer besser kennen und erfahren dabei ganz nebenbei, dass es neben Bilal doch noch Menschen gegeben hat, die Marjolein nach dem Leben hätten trachten können. Auch Raoul hat etwas zu verbergen; eine gute Freundin von Marjolein hat ihn nämlich mit einer schönen Frau gesehen, als er sich eigentlich mit einem Kunden treffen wollte, um ein wichtiges Geschäft abzuschließen. Aber Marjolein selbst wird nie mehr erfahren, ob ihr Mann sie wirklich betrogen hat.

Kleine Abzüge in der B-Note fängt sich die Autorin in der Zeichnung von Marjoleins Charakter ein, denn diese Hauptfigur können wir nicht ganz durchdringen. Manchmal handelt sie so irrational, dass man sie gerne schütteln und auf den Boden der Tatsachen zurückbringen möchte. In vielen Situationen drängt sie sich so weit in den Vordergrund, dass kaum noch schlüssig begründet werden kann, warum sie bislang so viele Freunde und einen liebenden Ehemann gehabt haben kann.

Was der Autorin allerdings wieder erstklassig gelingt, ist der Aufbau ihres Spannungsbogens. Zunächst beginnt ihr Roman noch relativ harmlos; zwar wird Marjolein an der Schule mit einem Messer bedroht und ängstigt sich fortan vor ihren eigenen Schülern, doch erst als die Perspektive zu Marlieke wechselt und wir uns auf Marjoleins Begräbnis wiederfinden, nimmt die Geschichte richtig Fahrt auf. Zusammen mit Marlieke möchten wir unbedingt herausfinden, was Marjolein wirklich geschehen ist; allerdings ahnt der Leser natürlich von Beginn an, dass nicht Bilal hinter der Tat steckt, denn diese Auflösung wäre einfach zu simpel.

Ausgesprochen geschickt flicht Simone van der Vlugt immer neue Verdachtsmomente in ihre Geschichte ein, sodass wir am Ende gar nicht mehr wissen, wen wir eigentlich verdächtigen sollen. Wie schon in ihrem Bestseller „Klassentreffen“ gehen die Verdächtigungen hin und her, und am Ende überrascht uns die Autorin schließlich doch mit einer Auflösung, die man nicht erwartet hat. Im Gegensatz zu ihrem durchweg überzeugenden Thriller „Klassentreffen“ schafft es Simone van der Vlugt aber nicht, ihre Auflösung so stimmig zu gestalten, dass man ihr Buch vollends befriedigt zuschlagen könnte. Am Ende war ich doch ein wenig enttäuscht, auch wenn ich zugeben muss, dass ich den wahren Täter nicht im Visier hatte. Doch das Tatmotiv erscheint mir persönlich etwas zu weit hergeholt.

Die Romanhandlung ist in über sechzig kurze Kapitel unterteilt, sodass man kaum Luft holen kann und die Schreibe entsprechend knackig ist. „Klassentreffen“ war zwar nicht minder spannend, doch hat sich Simone van der Vlugt dort mehr Zeit genommen, um Atmosphäre aufzubauen und die Situation besser auszugestalten, um den Leser richtig mitzureißen. Etwas eintönig erschien mir der Schreibstil der Autorin; viele Sätze beginnen mit „es“ und wirken dadurch lieblos aufs Papier geworfen. Möglicherweise liegt das auch an der Übersetzung, das kann ich nicht beurteilen, ein schriftstellerisches Highlight ist „Schattenschwester“ aber sicherlich nicht.

Doch unter dem Strich ist auch „Schattenschwester“ ein sehr spannender und gut konstruierter Psychothriller, der ein unglaubliches Tempo anschlägt und seine Leser geschickt an der Nase herumführt. Nur Kleinigkeiten sind es, die den Gesamteindruck trüben. So hat Simone van der Vlugt in mir eine neue Stammleserin gefunden, die schon jetzt dem nächsten Thriller von ihr entgegenfiebert.

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DeFalco, Tom – The Amazing Spider-Man – Die Welt des Netzschwingers

Erst kürzlich geisterte der Name Spider-Man wieder weltweit durch die Medienlandschaft; der dritte Kinostreifen sprengte die Besucherrekorde und lieferte endgültig den Beweis, dass der berüchtigte Spinnenmensch in der Hollywood-Variante zu Recht über alle Maßen gelobt wird. Während die Verfilmungen jedoch seit jeher auf ein opulentes Effekt-Feuerwerk setzen, greifen Spider-Man-Schöpfer Stan Lee und seine über die Jahre hinzugestoßenen Kollegen lediglich auf Bleistift, Papier und Tusche zurück und haben in den vergangenen 44 Jahren langsam aber sicher etwas aufgebaut, das selbst in der Comic-Welt seinesgleichen sucht.

Beginnend mit dem ersten Auftritt der maskierten Spinne im Jahre 1963 hat sich Spider-Man Jahr für Jahr zum wohl beliebtesten Comic-Helden aller Zeiten entwickelt und selbst Figuren wie Batman, Hulk und die X-Men auf der Beliebtheitsskala überholt. Heuer sind die Comics des |Marvel|-Helden nach wie vor die Krone des monatlichen Serien-Zyklus und seine Popularität ungebrochen. Eine Karriere sondergleichen, die in erster Linie darauf beruht, dass mit Spider-Man kein gewöhnlicher, sondern ein allzu menschlicher Superheld erschaffen wurde. Die Spinne macht Fehler wie jeder andere auch, ist definitiv nicht unfehlbar und zeigt abseits ihrer Streifzüge Emotionen und Gefühle. Auch eine Lebensgefährtin ist ihm beschieden, wenngleich seine Familiengeschichte seither noch tragischer verläuft.

Doch all das sind nur winzige Partikel im faszinierenden Universum des einst von Lee ins Leben gerufenen Geschöpfes. Was indes wirklich hinter Spider-Man steckt, seine gesamte Geschichte im Rahmen der Vielzahl an Comic-Serien, seine Kontrahenten, die verschiedenen Schicksale, die er vor allem auf privater Ebene hat erleiden müssen, all das wird nun in einem beeindruckenden illustrierten Dokument namens „Die Welt des Netzschwingers“ noch einmal ausführlich beschrieben. Tom DeFalco, seines Zeichens selber über 20 Jahre lang als Autor für den populären Spinnenmenschen im Dienst, hat die Herausforderung angenommen, 44 Jahre Spider-Man zu beleuchten, die Historie chronologisch festzuhalten und dabei wirklich jede einzelne Besonderheit, die innerhalb dieser Zeit Einfluss auf die Serie gehabt hat, aufzugreifen und noch einmal aus der heutigen Perspektive einzuordnen. Herausgekommen ist dabei ein üppiges, mit reichlich Detailverliebtheit bearbeitetes Werk, das in dieser Sparte eine bislang unvergleichliche Referenz ist und für weitere derartige Veröffentlichungen mit respektablem Beispiel vorangeht.

DeFalco nutzt zunächst die Gelegenheit, die Person Peter Parker näher zu beschreiben. Anhand umfassender Illustrationen werden die Eigenschaften des Menschen und der Spinne mit Ausschnitten aus den Comics, Schaubildern, Querschnitten und Hintergrundstorys aufgezeigt. Der Autor gewährt einen Einblick in die Fähigkeiten des Mannes im Spinnenkostüm, zeigt die unterschiedlichsten Inkarnationen des Heroen und seine allgemeinen Superkräfte. Anschließend wirft er einen Blick auf sein Privatleben, seinen Job beim |Daily Bugle| und nicht zuletzt auf die teils recht außergewöhnliche Riege seiner Partner, zu denen im Laufe der Jahre unter anderem Dracula(!) und Howard The Duck(!!) gehört haben. All dies wird stets mit vielen Schnipseln aus den entsprechenden Original-Ausgaben belegt.

Anschließend beginnt dann die chronologische Aufarbeitung der einzelnen Jahrzehnte der Spider-Man-Comics. So beginnt man die einzelnen Schurken zu beschreiben, die Spider-Man in seinen ersten Abenteuern das Leben schwer machten. Das Chamäleon, der Geier und auch der nach wie vor lebendige Doktor Octopus, Spider-Mans Gegner im zweiten Kinofilm, gehörten zu den ersten Kontrahenten der Spinne. Dazu gesellen sich mit Kraven dem Jäger, Mysterio und dem grünen Kobold weitere legendäre Schurken, von denen einige zum Ende des Jahrzehnts die sinistren Sechs formten, die jedoch auch im Kollektiv im Kampf gegen den Netzschwinger machtlos waren.

Die Siebziger indes brachten viele Verbrecher ans Tageslicht, die heuer wohl nur noch in Insider-Kreisen bekannt sind. Der Mafioso Hammerhead, der arrogante Silvermane und der Rocket Racer verschwanden später spurlos. Dafür erschienen jedoch prägende Charaktere wie Black Cat, der Schakal, Morbius und Will O‘ The Wisp. Außerdem war es das Jahrzehnt der ersten heftigen Schicksale. Spider-Mans Freundin Gwen Stacy verstarb und hinterließ einen trauernden Superhelden, der sich selbst die Schuld für ihren Tod gab. Ähnliche Ereignisse wie den Mord an seinen Onkel Ben und den Tod von Tante May hat es in der Folgezeit in regelmäßigen Abständen gegeben, so dass die Geschichte einer steten Progression unterlag, die in diesem Genre ebenfalls einzigartig ist.

Mit der Zeit wurden die Gegner Spider-Mans schließlich immer mächtiger und größer, ihre Waffen immer ausgefeilter und ihre Kräfte entwickelten ein Niveau, das dem des Superhelden meist sogar überlegen war. Es folgte die Zeit der ersten richtigen Crossover und des großen Erfindungsreichtums. Spider-Mans Popularität wuchs unaufhaltsam an, und einen Beitrag zu seiner Serie zu schreiben, galt als Ritterschlag im Genre. Somit wurde die Szenerie mit neuen Serien geradezu bombardiert, schrumpfte sich dann jedoch in den Neunzigern auch wieder gesund, nachdem die Macher erkannten, dass zu viele Köche langfristig den Brei verderben würden.

Schließlich gelangte man ins neue Jahrtausend, und dies mit blendenden Aussichten: Eine neue Generation des Comic-Publikums wurde geboren und ihre Helen den Bedürfnissen der Kids angepasst. Auch das traditionsbewusste Comic-Label |Marvel| konnte vor der Moderne keinen Halt mehr machen und perfektionierte die Gestalt seines erfolgreichsten Schützlings bis zum heutigen Zeitpunkt. Doch all dies wäre natürlich niemals möglich gewesen, hätte der Titelheld seine Menschlichkeit nie bewahrt und wäre er dadurch nicht zu einem ständigen Sympathieträger und einer außergewöhnlichen Identifikationsfigur geworden.

Die Entwicklung dessen könnte letztendlich kaum besser dokumentiert werden als in diesem informativen und mit Details aus dem Leben der Spinne gefüllten Lexikon. „Die Welt des Netzschwingers“ liefert eigentlich alle Informationen, die der geneigte Fan und Freak benötigt, dies jedoch verpackt in einem überschaubaren, lockeren Rahmen. Tom DeFalco ist nämlich selber ein großer Fan der Superhelden, verfügt über ein unheimlich fundiertes Hintergrundwissen und hat somit auch ein sehr gutes Verständnis davon, was der geneigte Leser erwartet und wie man ein solches Buch überhaupt aufbaut.

Das Ergebnis ist ein wahres Monstrum, ein liebevoll aufgemachter Wälzer für Genießer, Fachsimpler und Fans aller Generationen. Das Wichtigste ist am Ende jedoch, dass der Autor ganz genau auf den Punkt gebracht hat, warum die Geschichte des Spinnenmenschen so erfolgreich verlaufen konnte und warum Spider-Man im Vergleich zu den übrigen Superhelden noch einmal ganz differenziert betrachtet werden muss. So ist „Die Welt des Netzschwingers“ ein außergewöhnliches Zeitdokument über ein außergewöhnliches Stück der amerikanischen Kultur und überdies in einer Form aufgearbeitet, von der man auch sagen muss, dass sie für heutige Standards außergewöhnlich ist. Keine Frage: Hier sind 30 € sehr gut angelegt!

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Roslund, Anders / Hellström, Börge – Bestie, Die

_Trailer:_

Ein psychopathischer Kindermörder, der aus dem Gefängnis flieht. Und wieder mordet.
Ein Vater, der den Mörder seiner Tochter aufspürt und erschießt.
Eine Stadt, die Beifall klatscht für diese Tat.
Ein Richter im Konflikt.
Ein Urteil mit schrecklichen Folgen.

_Die Autoren:_

Anders Roslund, geb. 1961, ist ein anerkannter Fernsehjournalist und preisgekrönter Dokumentarfilmer. Er leitet die „Culture News“ auf Kanal 1 des schwedischen Fernsehens.

Börge Hellström, geb. 1957, ein ehemaliger Strafgefangener, ist freier Autor und Berater in mehreren schwedischen Fernsehsendungen zum Thema Drogenabhängige und Jugendliche im Strafvollzug.

_Rezension:_

Schon lange war ich nicht mehr so ambivalent in der Bewertung eines Buches wie bei „Die Bestie“. Vorweg: Die Thematik des Buches ist wichtig, da Kindesmissbrauch und damit verbundene Tötung endlich kein Tabuthema mehr sind. Daher hätte dieser „Thriller“ auch ein bedeutsames Buch werden können. |Hätte|, denn leider ist er das in diesem Sinne doch nicht. Dabei ist er im Ansatz nicht schlecht.

Es geht um Menschen, ihre Neigungen und Abneigungen, ihre Werte und Abgründe, ihre Obsessionen – und ihr gesellschaftliches Miteinander (oder Gegeneinander?). Allen voran steht Bernt Lund, ein Psychopath, der zwei Kinder ermordet und geschändet hat und dem es gelingt, aus dem Gefängnis zu entfliehen.

Damit beginnt für Kommissar Ewert Grens und seinen Mitarbeiter Sven Sundkvist ein Wettlauf mit der Zeit, denn Lund ist eine tickende Zeitbombe und vergewaltigt und tötet wieder ein kleines Mädchen. Frederik Stefansson, Schriftsteller und Vater des ermordeten Kindes, macht sich auf die Suche nach dem Mörder seiner Tochter und erschießt ihn. Damit löst er eine Lawine aus, die das ganze Land in Unruhe versetzt und das Thema „Lynchjustiz“ und seine Folgen greifbar werden lässt, aber auch unser aller Menschlichkeit mit ihren Facetten – die durch teilweise recht derbe Verbalitäten unterstrichen wird, die aber für mich die Aussagen unterstreichen, dass wir alle unsere dunklen Seiten in uns tragen. Da sind Lennart Oscarsson, der ein Doppelleben führt und bisexuell lebt und liebt, eine Richterin im Gewissenskonflikt und vorurteilsbehaftete Menschen, die den „Fall“ als Entschuldigung für ihre eigenen Taten beklatschen und heranziehen.

Dennoch kommt der Roman streckenweise nicht so recht in Schwung. Der Handlungsbogen ist stellenweise sehr zähfließend und Spannung kommt erst zum Schluss auf, und auch dort nicht vollends. Der Thrill ist eher subtil. Auch das Gesellschaftsbild wird mit zunehmender „Handlung“ eher eindimensional und lässt den Leser unbefriedigt zurück. Schade um das Thema, das eine sorgfältigere Herangehensweise verdient hätte.

An Bücher, die eine Auszeichnung erhalten haben – so wie dieses den renommierten skandinavischen Krimipreis „Glasnyckeln“ -, legt man automatisch andere Maßstäbe als an andere. Diesen wird „Die Bestie“ nicht gerecht. Denn genau von dieser – sprich: Lund – erfährt man viel zu wenig. Es fehlt das Täterprofil; dieses wird – wie bei den anderen Charakteren – nur an der Oberfläche gestreift und geht nicht in die Tiefe. Dabei sind die Ansätze – hier der eigene Missbrauch des Täters als Kind – nicht sinnlos, sie werden nur nicht konsequent weitergeführt. Umso bedauerlicher, und da wiederhole ich mich gerne, weil das Buch ein wichtiges Thema behandeln will.

Kommen wir zu einem weiteren Punkt. Auch wenn ich minimalistische Stile liebe, so bin ich auch, was den Stil der beiden Autoren angeht, zwiegespalten. Nun bleibt bei einer Übersetzung natürlich – ohne den Vergleich mit dem Originaltext ziehen zu können – die Möglichkeit, dass es zu stilistischen Änderungen kommen kann. So ist das eventuell auch in diesem Fall. Leider ist auch das Lektorat, das aus- und angleichend hätte eingreifen müssen, alles andere als zufriedenstellend.

So bleibt als Fazit ein Krimi, der ein wichtiges Thema behandeln will, diesem aber nicht völlig gerecht wird und auch nicht unbedingt vor Spannung strotzt.

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Lemieux, Jean – Gesetz der Insel, Das

Im Herbst des Jahres 2001 möchte André Surprenant, Sergent-Détective der Polizei auf Cap-aux-Meules, einer der Madeleine-Inseln vor der Ostküste der kanadischen Provinz Quebec, endlich mit seiner Gattin den längst überfälligen Urlaub antreten. In letzter Sekunde verhindert dies ein Anruf von Roméo Richard, dem reichen Krabbenfischer und Bürgermeister des Nachbarorts Havre-aux-Maisons, der seine Tochter Rosalie vermisst. Die lebenslustige, dem Trunk, dem Hasch und den Männern ein wenig zu sehr zugetane 19-Jährige wurde zuletzt in der Inselkneipe „Caverne“ gesehen. Auf Cap-aux-Meules gibt es keine schweren Verbrechen, so dass Surprenant die Suche ohne Hilfe „vom Festland“ aufnimmt; auf der Insel regelt man die Dinge gern unter sich.

Dann wird Rosalie gefunden – geschändet, erwürgt und mit gebrochenem Genick hat sie ihr Mörder zurückgelassen, den nackten Körper „verziert“ mit Muschelschalen. Das Bundeskriminalamt setzt dem Sergent-Détective einen „Spezialisten“ vor die Nase. Denis Gingras ist ebenso berühmt für seine Erfolge als Ermittler wie berüchtigt für seine Arroganz. Auf Cap-aux-Meules lässt er Surprenant und dessen Beamte spüren, dass er sie für inkompetent hält. Als er den geistig verwirrten Damien Lapierre aufstöbert, der vor Jahren für einen Mädchenmord verurteilt wurde, hält er den Fall für gelöst. Dass Lapierre hartnäckig leugnet und die Indizien getürkt wirken, ignoriert Gingras.

Surprenant kennt „seine“ Insel und ihre Bewohner. Er spürt, dass Lapierre nicht der Mörder ist. Vom argwöhnischen Gingras hart gedeckelt, beginnt Sergent mit eigenen Nachforschungen. Er stößt hinter den Kulissen der scheinbar verschlafenen Gemeinde auf ein kriminelles Wespennest. Das organisierte Verbrechen nistet sich auf den Madeleine-Inseln ein. Schmuggel und Rauschgifthandel werden im großen Stil betrieben. Schon früher sind andere Mitglieder der Familie Richard auf verdächtige Weise gestorben. Rosalie hatte deshalb private Nachforschungen angestellt und ist dabei womöglich zu unvorsichtig gewesen. Die wahre Geschichte überrascht und erschüttert Surprenant dann allerdings doch bis ins Mark, zumal er sich in der Gewalt des Mörders befindet, als er sie endlich erfährt …

Der immer noch anhaltende Erfolg des Kriminalromans führt in Deutschland dazu, dass auch Werke aus bisher kaum oder gar nicht bekannten Regionen den Weg in die hiesigen Buchläden finden. Neben Skandinavien, Afrika oder Asien gehört auch Kanada zu diesen „Entwicklungsländern“. Das riesige Land auf dem nordamerikanischen Kontinent bietet eine fabelhafte Kulisse für Krimis. Es gibt quasi menschenleere, von der Zivilisation unberührte Wälder und Tundren, aber auch moderne Großstädte mit ihren typisch urbanen Verbrechen.

Längst ist Kanada für das organisierte Verbrechen kein weißer Fleck auf der Karte mehr. Das erstaunt nicht, wenn es um Städte wie Vancouver, Montréal oder Toronto geht. Doch auch das scheinbar idyllische Hinterland blieb keinesfalls ausgespart. Auf den Madeleine-Inseln vermutet der ahnungslose Tourist eventuell Wilddiebe, Schwarzbrenner oder Schmuggler. Aber das 21. Jahrhundert bzw. das längst globalisierte Verbrechen hat selbst hier fest Fuß gefasst: Nachdem die Fischer die örtlichen Bestände an Fischen und Krabben vernichtet haben, gehen sie dazu über, ihre Schiffe als Transporter für die Rauschgiftmafia einzusetzen, die auf hoher See ihren „Stoff“ wassert, der dann geborgen und an Land transportiert wird.

Auch sonst wird mit harten Bandagen gekämpft. Von Gemeinschaftsgeist ist wenig zu spüren in Cap-aux-Meules oder Havre-aux-Maisons. Die Einheimischen kapseln sich gegen die „Fremden“ ab, ohne deren Geld sie noch wesentlich schlechter dastünden. Die alte Ordnung ist dahin, „Das Gesetz der Insel“ kein Instrument für die Verbrechen der Gegenwart mehr. Dass eine menschliche Tragödie für Rosalies Verantwortung ist, ändert daran auch nichts. Selbst wenn sich die Insulaner schließlich wieder in Sicherheit wiegen, weiß André Surprenant es besser.

„Das Gesetz der Insel“ erzählt sowohl von einem Kriminalfall als auch vom grundsätzlichen Konflikt zwischen zwei Polizisten, die unterschiedliche Auffassungen von ihrem Beruf haben. Sergent-Détective Surprenant ist der altmodische Ermittler, der auf seinen Bauch ebenso hört wie auf seinen Kopf. Er kennt die Inseln und ihre Bewohner und ist – obwohl Polizist – in ihre Gemeinschaft integriert. Auf einer Insel müssen die Menschen miteinander auskommen. Da braucht es einen Polizisten mit Fingerspitzengefühl. Ermittler zu sein, ist für Surprenant ebenso Beruf wie Berufung. Er nimmt zu viel Anteil am Geschehen, projiziert unwillkürlich seine Tochter an die Stelle von Rosalie und wird von dem leicht naiven Willen getrieben, das Böse von den Inseln zu vertreiben.

Denis Gingras übernimmt die Rolle des „Auswärtigen“. Er ist ein Polizist der Großstadt, der sich der Möglichkeiten moderner Hightech ebenso selbstverständlich bedient, wie er sich auf seine Erfahrungen mit „richtigen“ Verbrechen verlässt, von deren Verfolgung man auf den nach seiner Ansicht „rückständigen“ Madeleine-Inseln keine Ahnung hat. Gingras hat kein Gespür für die ungeschriebenen Gesetze einer abgeschlossenen Inselgemeinde. Er ignoriert diese oder hält sie für altmodische Relikte einer vergessenen Vergangenheit. Für ihn zählen nur harte Fakten, die er jedoch nicht hinterfragt oder interpretiert. Hingegen weiß Surprenant, dass auf den Madeleines Alt und Neu nebeneinander existieren und die Dinge längst nicht immer so sind, wie es scheinen.

Gingras vermag sich nicht vorzustellen, dass er auf einen Kriminellen treffen könnte, der „klüger“ ist als er. Das macht ihn voreingenommen und blind – aber nicht blöd: Der Polizist des 21. Jahrhunderts ist stets auch auf seinen Ruf bedacht. Deshalb kontrolliert Gingras den auf eigenen Spuren wandelnden Surprenant vorsichtshalber scharf, damit ihn dieser nicht mit Indizien konfrontiert, die seine (vor den Medien vertretenen) Theorien als falsch entlarven.

Genretypisch steht dieser Surprenant natürlich nicht nur dienstlich unter Druck, sondern schlägt sich auch mit privaten Problemen herum. Mit seiner langjährigen Ehe steht es nicht zum Besten; der Sergent flüchtet sich in die Arbeit, um sich den Konsequenzen zu entziehen. Gleichzeitig hat er ein Auge auf eine attraktive Kollegin geworfen. Surprenant steckt in einer Midlife-Crisis, die ihn deprimiert die Gegenwart mit den hochfliegenden Plänen seiner Vergangenheit vergleichen lässt.

Charaktere wie dieser sind zahlreich auf den Madeleines – vom Leben niedergeschlagen, beruflich oder privat gescheitert, erfüllt vom nagenden Gefühl, etwas verpasst zu haben auf ihrer schönen Insel, die Autor Limeaux wie ein Gefängnis darzustellen weiß. Jeder Mann, jede Frau, mit der es Surprenant im Verlauf seiner Ermittlungen zu tun bekommt, hütet hinter einer oft glänzenden Fassade diverse Skelette im Schrank, die freilich nicht immer mit dem eigentlichen Kriminalfall zu tun haben: „Das Geheimnis der Insel“ ist kein auf den „Whodunit“-Plot fixierter Krimi, sondern beschreibt den Einbruch des Bösen in eine Welt, deren Darstellung dem Verfasser genauso wichtig ist wie der „Fall“. Dem Puristen mag das Ergebnis weder Fleisch noch Fisch sein, aber diejenigen, die um das literarische Potenzial des Genres „Kriminalroman“ wissen und seine Grenzen weiter stecken, wird „Das Geheimnis der Insel“ als nie sensationelles aber angenehmes Lektüreerlebnis im Gedächtnis haften.

Jean Lemieux wurde am 21. Januar 1954 in Iberville geboren. Er ist als Schriftsteller mit französisch-kanadischer Stimme bekannt geworden, arbeitet jedoch hauptberuflich als Mediziner. Zwischen 1980 und 1982 führte er eine Praxis auf den Madeleine-Inseln vor den ostkanadischen Küste. Ab 1983 kam er auf mehreren ausgedehnten Reisen nach Kalifornien, Australien, Asien und Europa, bevor er auf die Inseln zurückkehrte und verstärkt als Schriftsteller aktiv wurde. Seit 1994 lebt und arbeitet Lemieux – weiterhin auch als Arzt – in Québec.

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Silva, Daniel – Engländer, Der

Daniel Silva, ehemaliger |CNN|-Journalist, erfreut die Leserwelt schon seit einiger Weile mit seinen Thrillern. In „Der Engländer“ steht erneut Gabriel Allon, Mitglied des israelischen Geheimdienstes und nebenberuflicher Restaurator, im Vordergrund.

Gabriel, der nach dem Bombenattentat auf Ehefrau und Kind zurückgezogen in Cornwall lebt, wird zur Restauration eines Bildes in die Villa eines Schweizer Bankiers und Kunstsammlers bestellt. Es ist klar, dass sein Auftrag mehr beinhaltet als das Bild. Auguste Rolfe hatte sich an den israelischen Geheimdienst gewandt, um diesem etwas anzuvertrauen.

Doch als Gabriel die Villa erreicht, liegt der Hausherr erschossen in seinem Salon. Die Schweizer Polizei versucht Gabriel den Mord anzuhängen, doch die Ermittlungen werden eingestellt. Gabriel entdeckt, dass einige sehr wertvolle Gemälde aus Rolfes Kunstsammlung gestohlen wurden – und dass einige dieser Bilder eine schmutzige Nazivergangenheit zeigen. Irgendjemand scheint verhindern zu wollen, dass diese Vergangenheit ans Tageslicht gerät, und schreckt auch nicht davor zurück, über Leichen zu gehen.

Anna Rolfe, die Tochter des Toten und eine weltberühmte Geigerin, gerät in tödliche Gefahr, als Gabriel sie nach den Geschäften ihres Vaters befragt. Gabriel tut alles, um sie zu beschützen, aber der Feind scheint überall zu lauern und hat es nicht nur auf Anna abgesehen …

Silva hat mit „Der Engländer“ einen überwältigenden Thriller geschrieben. Alles wird von der vielschichtigen, genial verwobenen Konstruktion des Buches getragen, die von hinten bis vorne durchdacht zu sein scheint. Dabei liefern die politischen und geheimdienstlichen Verstrickungen von vornherein einen guten Nährboden für einen spannenden Plot.

Silva nutzt dies aus, um mit einigen handwerklichen Tricks noch mehr Spannung ins Spiel zu bringen. Abrupt endende Kapitel oder handlungsrelevante, herausgeschnittene Stücke entwickeln eine unausweichliche Sogwirkung. Die Personen, die distanziert und rätselhaft dargestellt werden, scheinen alle in etwas verwickelt zu sein, so dass Silva viele verschiedene, wenn auch kurze Erzählstränge zur Verfügung stehen, die er einflechten kann.

Die Personen stellen einen weiteren, nicht zu verachtenden Spannungsfaktor dar. Zum einen sind sie, wie schon erwähnt, so dargestellt, dass sie in sich bereits einen „kleinen Thriller“ ergeben, soll heißen, dass ihre Vergangenheit und ihre Geheimnisse nur tröpfchenweise in die Geschichte einsickern. Man möchte folglich unbedingt wissen, was denn nun wirklich hinter Gabriel oder dem mysteriösen Auftragskiller steckt, den alle nur „Engländer“ nennen. Der Leser spürt ganz genau, dass beinahe alle Charaktere Dreck am Stecken haben, aber Silva hält sich damit zurück, zu viele Informationen freizugeben.

Dadurch entsteht natürlich ein sehr distanzierter Eindruck von den Personen, was in diesem Fall aber nicht negativ ins Gewicht fällt. Zum einen passt die Verschlossenheit sehr gut zu Handlung und Erzählstil und zum anderen gibt sie Silva die Möglichkeit für interessante Brüche innerhalb der Geschichte. Diese entstehen, wenn er den sonst so gefühlskalt wirkenden Protagonisten plötzlich echte Emotionen unterjubelt. Meist sind das kurze Momente der Schwäche, die man so nicht erwartet. Diese kleinen Überraschungen sorgen dafür, dass das Buch an Tiefe gewinnt und dadurch noch vielschichtiger wird, als es ohnehin schon ist.

Der Schreibstil verbindet den sorgsam konstruierten Plot und die gelungenen Charaktere mit einer nüchternen, klaren Sprache. Der Autor benutzt weder blumige Rhetorik noch trödelt er mit nutzlosen Informationen herum. Er kommt auf den Punkt, auch wenn die eine oder andere Beschreibung im Buch etwas zu genau geworden ist. Bei Landschaften oder Ortsbeschreibungen sind seine detaillierten Erklärungen definitiv ein Pluspunkt, aber dass er bei jeder Autofahrt erwähnen muss, in welchen Gang der Fahrende gerade schaltet, ist unnötig.

Das ist dann aber auch der einzige Kritikpunkt, den „Der Engländer“ zulässt. Ab und an sind die Beschreibungen des ansonsten passend kühlen Schreibstils etwas zu minutiös. Ansonsten versteht sich Daniel Silva darauf, in „Der Engländer“ einen ausgesprochen vielschichtigen und spannenden Plot zu konstruieren und entsprechend darzustellen, der dem Leser den Atem raubt.

http://www.piper-verlag.de

|Siehe ergänzend dazu Dr. Maike Keuntjes [Rezension 1930 zu „Die Loge“.|