Archiv der Kategorie: Rezensionen

Boyd, William – Ruhelos

William Boyd wird vielfach als einer der überragenden Erzähler der europäischen Gegenwartsliteratur betrachtet. Seine Werke wurden mehrfach prämiert, so auch sein aktuelles Werk „Ruhelos“. „Ruhelos“ steht in der Tradition des Spionageromans, geht aber dabei auch ganz klar über die Grenzen des Genres hinaus.

Die Handlung spielt sich auf zwei zeitversetzten Ebenen ab. Ausgangspunkt ist Oxford im Jahr 1976. Im Sommer dieses Jahres erfährt Ruth Gilmartin Details aus dem Leben ihrer Mutter Sally, die alles auf den Kopf stellen. Sally Gilmartin heißt in Wirklichkeit Eva Delektorskaja, ist eine russische Emigrantin und wurde 1939 von Lucas Romer für den britischen Geheimdienst angeworben. Eva soll die Arbeit fortführen, die ihr von den Nazis ermordeter Bruder Kolja angefangen hat.

Eva willigt ein, wird unter Lucas‘ Anleitung zu einer hochkarätigen Spionin ausgebildet und arbeitet fortan für die British Security Coordination. Ziel dieser kleinen Geheimdiensteinheit ist es, durch geschickte Nachrichtenmanipulation den Weg für den Kriegseintritt der Amerikaner zu ebnen. Eva macht ihre Sache gut und arbeitet stets zur vollen Zufriedenheit ihrer Vorgesetzten, bis es bei einem Einsatz in New Mexico zu einem heiklen Zwischenfall kommt, der für Evas gesamtes weiteres Leben von Bedeutung ist …

Im Jahr 1976 fühlt Eva sich immer noch von den damaligen Ereignissen verfolgt und vertraut sich ihrer Tochter Ruth an, die daraufhin eigene Recherchen beginnt. Ehe Ruth sich versieht, steckt sie auch schon selbst mitten in der Geschichte drin und wird vom Sog der Ereignisse mitgerissen …

William Boyd greift in seinem Roman einen Aspekt der britischen Geheimdienstgeschichte auf, der in der Öffentlichkeit eher wenig bekannt ist: die Geschichte der British Security Coordination. Diese Einheit operierte von New York aus und versuchte dort direkten Einfluss auf die Medien zu nehmen. Man manipulierte die Nachrichten so, dass der in Europa tobende Krieg den Amerikanern als größere Bedrohung der eigenen Sicherheit erscheinen musste, als er es bis zum Angriff auf Pearl Harbour wirklich war. Die Briten wussten, dass die Amerikaner wohl nur dann in das Kriegsgeschehen eingreifen würden, wenn auch Amerika einer unmittelbaren Bedrohung ausgesetzt war, und genau diesen Eindruck versuchte die British Security Coordination mit ihrer Arbeit zu erwecken.

Auch Eva Delektorskaja arbeitet in „Ruhelos“ für diese Einheit, und ihre Geschichte sorgt für einige Spannung. Es ist eine typische Agentengeschichte, die stets dem Leitsatz „Traue niemandem“ folgt. Trauen und Misstrauen spielen eine zentrale Rolle. Eva vertraut wirklich niemandem, denn auch unter den Kollegen durchwühlt man sich gerne mal gegenseitig die Manteltaschen, während der andere gerade auf dem Klo sitzt. Und dennoch ist es gerade das Vertrauen, das Eva am Ende in Gefahr bringt. So gesehen ist der Handlungsverlauf zwar nicht wirklich überraschend, aber dennoch ist es aufregend zu beobachten wie die Agentin Eva mit der Situation umgeht.

Ein wenig erinnert „Ruhelos“ an die Romane, die Ken Follett rund um das Thema zweiter Weltkrieg und Spionage geschrieben hat. Die Spannung ist eine ganz ähnliche, wenngleich sie bei Follett noch wesentlich greifbarer ist. Auch Follett rückt die Protagonisten in den Mittelpunkt der Betrachtung und inszeniert ein spannendes Geflecht aus Spionagethriller und Liebesgeschichte. Boyd arrangiert seine Geschichte in einem ganz ähnlichen Spannungsfeld.

So gesehen ist das, was er mit „Ruhelos“ abliefert, nicht unbedingt neu, aber Boyd geht das Ganze mit einer sehr dichten Erzählweise und einer hohen Intensität an, und das macht dann eben doch den Reiz der Geschichte aus. Die zeitversetzte Erzählweise baut eine gewisse Spannung auf. Der Leser ist gespannt zu erfahren, wie Vergangenheit und Gegenwart miteinander verknüpft sind, welche Auswirkungen die eine Erzählebene auf die andere hat.

In der Gegenwart ist es vor allem das Leben von Ruth, das im Mittelpunkt steht. Boyd erzählt von Ruths Erlebnissen als Englischlehrerin, die Sprachunterricht für ausländische Berufstätige anbietet. Er erzählt von ihrem Privatleben, ihrem Sohn, der aus einem kurzen Verhältnis zu einem deutschen Professor hervorgegangen ist, von Ludger, dessen Bruder, der mit der RAF in Verbindung steht und sich bei Ruth eingenistet hat. Boyd baut einige Nebenstränge auf, die aber allesamt von eher marginaler Bedeutung für die eigentliche Handlung sind.

Teilweise kann man sicherlich den Kritikpunkt äußern, dass die Nebenhandlungen eher wie schmückendes Beiwerk erscheinen. Sie mögen zwar von Bedeutung für Ruth sein, aber für die Handlung spielen sie im Grunde eine so untergeordnete Rolle, dass man auf sie auch hätte verzichten können, zugunsten eines etwas gradlinigeren Plots – zumal sie tendenziell dann auch im Nichts verschwinden.

Dennoch stören diese Randerscheinungen der Handlung zumindest im Hörbuch nicht wesentlich. Martina Gedeck liest die Geschichte so gekonnt, dass die Handlung mit der Zeit zu einem faszinierenden Sog wird. Man verliert sich in der Geschichte, vergisst dabei die Zeit und stört sich daher auch kaum an Teilen der Handlung, die im Grunde keine Bedeutung haben. Ich könnte mir gut vorstellen, dass mich diese Dinge mehr gestört hätten, wenn ich den Roman selbst gelesen hätte und das reicht in meinen Augen auch schon aus, um leise Zweifel daran zu hegen, ob „Ruhelos“ wirklich das große literarische Meisterwerk ist, als das der Verlag es anpreist.

Doch das soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass „Ruhelos“ eine sehr intensive und atmosphärisch dichte Geschichte erzählt, die den Leser in seinen Bann schlägt. Die Figur der Eva Delektorskaja ist faszinierend und ein spannendes Objekt der Beobachtung, ihre Geschichte eine wirklich fesselnde. Auch die Art und Weise, wie ihre Erlebnisse sich in die Gegenwart fortsetzen, ist absolut interessant.

So bleibt unterm Strich trotz kleinerer Schönheitsfehler ein positiver Eindruck zurück, der sicherlich gerade auch in der absolut gelungenen Hörbuchproduktion und der tollen Vortragsweise von Martina Gedeck begründet liegt. „Ruhelos“ ist spannend und dicht erzählt, eine intensive Geschichte, welche die Bandbreite der menschlichen Gefühle auslotet und sehr schön mit den Begriffen Vertrauen und Misstrauen umgeht. Und so ist „Ruhelos“ dann auch mehr als einfach nur ein Spionagethriller. Obendrein beleuchtet Boyd mit der Medienmanipulation der British Security Coordination ein interessantes und wenig bekanntes Kapitel der Geschichte des Zweiten Weltkriegs. Alles in allem also durchaus empfehlenswerte Kost, die gerade auch als Hörbuch für ein paar kurzweilige Stunden sorgt.

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Diverse – Simpsons Comics 125

_Inhalt_

|“Homie in: Eins plus eins ergibt null“|

Als die Simpsons im Fernsehen von der mittlerweile achten Hochzeit von Montgomery Burns‘ Nichte Victoria erfahren, bekommt Marge plötzlich schlechte Laune und besinnt sich der Erfahrungen, die sie bzw. ihr Gatte in der Vergangenheit mit dem reichen Frauenzimmer hatten. Noch damals zu High-School-Zeiten, als Marge und Homer gerade ein Paar waren, funkte Victoria kurzzeitig dazwischen. Homie hatte gerade erst zwei Tickets für ein Konzert in der Aula der Schule gewonnen, und weil Marge bereits einen Termin bei ihrer Selbstfindungsgruppe hat, schwenkt Homer gerne auf die sich freiwillig anbietende Schönheit Victoria Burns um. Weil er Marge jedoch nicht enttäuschen und ihr seine Liebe demonstrieren will, sagt er auch ihr zu, am Konzertabend ihre Begleitung zu sein. Als es dann hart auf hart kommt, ist Homer in einer gehörigen Zwickmühle; er will beiden Frauen gerecht werden und eilt so von Rendezvous zu Rendezvous – bis seine Partnerinnen sein merkwürdiges Verhalten hinterfragen und die Ursache durchschauen …

_Meine Meinung_

Geschichten aus der College-Zeit des Alt-Hippies Homer sind eigentlich immer für ordentliche Unterhaltung gut. Und daran soll sich auch mit der Hauptgeschichte der 125. „Simpsons Comics“ nichts ändern, denn wieder einmal werden hier alle Klischees aufgefahren, die damals, zu Zeiten, als Woodstock für die jugendliche Generation das Maß aller Dinge war, angesagt waren.

Während die Damen der Schöpfung sich mit politisch motivierten Gruppierungen auseinandersetzten und aus meditativen Übungen Kraft gewannen, spielten die Jungs liebend gerne den Schürzenjäger. Ein solcher ist Homie eigentlich nicht, schließlich ist er hin und weg von seiner neuen Liebe Marge Bouvier, die den tollpatschigen Tunichtgut so nimmt, wie er nun mal ist. Und dennoch lässt es sich der schüchterne Dummkopf nicht nehmen, dem Angebot der gerade angereisten Snob-Lady Victoria Burns zuzustimmen und die gerade gewonnen Tickets für das Konzert der „Larry Davis Experience“ für ein unerwartetes Rendezvous mit der unbekannten Schönheit einzusetzen. Naiv, wie er nun einmal ist, lässt Homer sich auf zwei parallel stattfindende Termine mit seinen beiden Herzdamen ein und fliegt – wie sollte es anders sein – am Höhepunkt auf. Wer hätte das gedacht …

Nun, die Story ist sicherlich vorhersehbar, aber dennoch typisch für die vereinzelt auch in der TV-Serie zu sehenden Rückblenden in Homers und Marges Jugendzeit. Es geht mal wieder darum, Homers Qualitäten als Taugenichts offen darzustellen, wenngleich er dieses Mal nicht ganz so deftig sein Fett wegbekommt wie in vielen vergleichbaren Episoden. Daher halten sich der zynische Wortwitz und die stets spontane Situationskomik dieses Mal auch etwas im Rahmen, wenngleich die Lachmuskeln auch hier phasenweise sehr gut trainiert werden. Dafür glänzt die Story einmal mehr mit einigen versteckten Anspielungen auf die damalige Zeit, deren Generation hier ein wenig selbstironisch auf die Schippe genommen wird – aber eben auch in einem für „Simpsons“-Verhältnisse nicht sonderlich außergewöhnlichen Rahmen.

Schlussendlich ist Nr. 125 ein recht gewöhnlicher Part dieser Serie, allerdings mit einigen Highlights in den Rubriken (zum Beispiel U2 und die SMASHING PUMPKINS in ‚Musikalische Gäste bei den Simpsons‘). Kurzum: Es gibt sicherlich bessere Storys als „Eins plus eine ergibt null“ – aber innerhalb dieser Reihe auch bedeutend schlechtere. Einwände, das Teil zu verhaften, gibt es von meiner Seite jedenfalls nicht …

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Caluka, Erin D. – Earth Universe: 2140 – Der letzte Krieg (Band 1)

_Story_

Die Erde im Jahr 2140: Die Eurasische Dynastie (ED) und die United Civilized States (UCS) stehen sich in einer erbitterten Schlacht gegenüber. Mit hoch technisierter Kriegsmaschinerie und Cyborg-Armeen erobern sie die letzten neutralen Territorien und streiten um die wenigen Rohstoffe, die auf dieser Welt noch vorhanden sind. Vor allem das wertvolle Uran löst einige brutale Konflikte aus und heizt die Spekulationen um einen bevorstehenden Atomkrieg weiter an.

Der junge Wissenschaftler Ben Hagvenn bekommt von diesen Aktivitäten nur am Rande etwas mit; vor genau zwölf Jahren hat man ihn in einem Evakuierungskommando auf eine Mondbasis gebracht und währenddessen seine Eltern gefangen genommen. Seitdem hat Ben nie wieder Frieden mit sich und den Mächten der Welt schließen können; er verabscheut die Politik und hofft lediglich, eines Tages wieder zu seiner Familie zurückzukehren. Als sich schließlich die Chance bietet, wieder auf der Erde zu arbeiten, nimmt er dankend an, geht jedoch entgegen den Abmachungen seinen eigenen Weg.

Angetrieben vom unbändigen Willen, seine verschollene Schwester zu finden, schlägt er sich durch das weltweite Kampfgetümmel und wird Zeuge der erbitterten Rivalität zwischen den eurasischen Kräften des Khans mit seiner Militärstrategin Suzan Mercowa und den Diplomaten des UCS, angeführt von ihrem erst 15-jährigen Präsidenten Chuck und dem Superhirn Mastercom. Als er schließlich selber zum Spielball der beiden verfeindeten Fronten wird und zur letzten Hoffnung für den Frieden avanciert, wird ihm erst bewusst, wie ernst die Lage um die schon fast komplett zerstörte Erde ist. Und dennoch verfolgt er konsequent sein Ziel – bis zum bitteren Ende.

_Meine Meinung_

Mittlerweile bin ich Romanadaptionen von erfolgreichen Computerspielen gegenüber sehr skeptisch eingestellt, schließlich war die Zahl der Enttäuschungen in diesem Genre zuletzt ziemlich groß. Überraschenderweise konnte mich dann aber der erste Band zu „Earth Universe“ komplett vom Gegenteil überzeugen, denn die eiskalte Science-Fiction-Story, die hier in relativ kompakter Form aufgerollt wird, hat’s wirklich in sich.

Autorin Erin D. Caluka hat hier ein atmosphärisch sehr dichtes, allerdings auch sehr beängstigendes Werk erschaffen, dessen apokalyptischer Tenor sich auf mitreißende Art und Weise durch die abwechslungsreiche Story zieht. Bereits in den ersten Zeilen wird dem Leser der Ernst der Lage bewusst, als der kleine Ben Hagvenn auf grausame Weise von seiner Familie getrennt wird. Doch so dramatisch diese Trennung erscheint, so gefühlskalt wird sie im direkten Anschluss behandelt und dient quasi nur als Aufhänger für einen elementaren Teil der Story. Statt hier nämlich am Ball zu bleiben, unternimmt die Autorin einen plötzlichen Zeitsprung und schildert sofort die Folgen dessen, was vor Bens Flucht noch angedeutet wurde. Der Krieg ist in vollem Gange und nach jahrelangen Zerstörungen steht eine Entscheidung unmittelbar bevor. Der junge Hagvenn hat in dieser Zeit maßgeblich an der Entwicklung von Atombomben gearbeitet, ohne dabei zu wissen, dass diese bereits in naher Zukunft zum Einsatz kommen könnten, um seinen Herkunftsplaneten komplett zu vernichten.

Bevor ihm das Ausmaß der technischen Entwicklungen und der politischen Kriegsführung jedoch bewusst wird, ist er damit beschäftigt, seine Vergangenheit aufzuarbeiten. Er nutzt das erste sich bietende Schlupfloch, um seinem Arbeitgeber zu entkommen und nach seiner Schwester zu suchen, die kurz vor der damaligen Flucht bei der ED angeheuert hatte. Doch die Suche gestaltet sich als schier unlösbare Aufgabe, als Ben ins Kreuzfeuer der beiden Kriegsmächte gerät und als Spion der UCS ins Herz der ED eindringen soll, um Informationen zu beschaffen, die eines Tages doch noch den ersehnten Frieden bringen sollen. Aber der blinde Fanatismus der Ostmächte und der kaum zu schwächende Siegeswille ihres Diktators ist nicht zu brechen; selbst Suzan Mercowa, die einst als die wohl beste Militärstrategin ihrer Nation in Szene getreten war, mittlerweile aber durchschaut hat, dass die ED mit dem angekündigten Atomschlag die gesamte Welt vernichten wird, kann das brutale Inferno aus eigener Kraft nicht mehr aufhalten. Lediglich eine enge Zusammenarbeit von DD und UCS könnte das Desaster noch abwenden; doch auf beiden Seiten will niemand Eingeständnisse machen. Und so rennt die Welt trotz allen Bemühens von Diplomaten und neutralen Personen mitten in ihr Verderben.

„2140 – Der letzte Krieg“ – der Titel deutet bereits an, welch bedrückte Atmosphäre diesen Roman prägt; er lässt jedoch nicht darauf schließen, dass die Geschichte mitsamt der apokalyptischen Inhalte auch tatsächlich das hält, was man sich nach den Erfahrungen mit dem PC-Game davon erhofft hat. Dies ist nämlich beim ersten Teil der gerade gestarteten Roman-Serie der Fall. Die Story ist voller Überraschungen und macht sich sämtliche Elemente zunutze, um die klirrende Gefühlskälte, die das gesamte Szenario bestimmt, auch in ihrem Grundwesen zu betonen. Das Resultat ist für ein verhältnismäßig knapp bestücktes Buch wie dieses – immerhin ist nach 280 Seiten schon wieder Schluss (vorläufig zumindest) – absolut überzeugend. Es mangelt zwar an echten Identifikationsfiguren, weil einfach jeder in gewisser Weise Dreck am Stecken hat, doch das hier geschilderte Komplott entwickelt sich zu einem sphärisch immer beeindruckenderen Monster, das einen bis zur letzten Seite fesselt. Auch wenn die Speerspitze der Science-Fiction-Schriftsteller sicher noch nicht erreicht wird, so muss man „2140 – Der letzte Krieg“ ohne Einschränkungen attestieren, einen begeisternden Einstieg in diese neue Serie zu liefern und allen Befürchtungen zum Trotz bestens zu unterhalten. Na also, das geht doch mit dem Game-Adaptionen!

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Peter Hoeg – Das stille Mädchen

Peter Høeg, der Autor von „Fräulein Smillas Gespür für Schnee“, hat seit langem kein neues literarischen Werk veröffentlicht.

Nach knapp zehn Jahren Pause hat der dänische Schriftsteller mit „Das stille Mädchen“ einen umfangreichen Roman vorgelegt, in dem eine ganz besondere Gabe, eine Wahrnehmung im Mittelpunkt steht. Wie schon bei Patrick Süskinds [„Das Parfum“ 3452 geht es um die starke Ausprägung eines Sinnes, in diesem Falle des Gehörsinns.

Wie auch bei „Fräulein Smillas Gespür für Schnee“, handelt es sich hier um einen belletristischen Thriller. Verschiedene Kritiker des Buches haben den Literaturliebhabern unter uns viel versprochen. Die Erwartungen sind entsprechend hoch angesetzt.

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John Sandford – Kaltes Fieber

Sandford Kaltes Fieber TB 2007 Cover kleinDas geschieht:

Ein Serienmörder treibt im Umfeld der Doppelstadt Minneapolis/St. Paul sein Unwesen. Mindestens drei Menschen sind ihm bereits zum Opfer gefallen, als Lucas Davenport, der das „Amt für Regionale Ermittlungen“ des US-Staates Minnesota leitet, und sein Kollege und Freund Detective Sloan von der Mordkommission Minneapolis den Fall übernehmen.

Als an einem der Tatorte Hautfetzen des Täters gefunden und die DNA entschlüsselt werden kann, scheint der Fall seiner Lösung nahe. Identifiziert wird Charlie Pope, ein unverbesserlicher Frauenschänder, der bereits diverser Morde verdächtigt wird. Vor kurzer Zeit ist er aus dem Gefängnis entlassen worden, aber es sollte einfach werden, ihn zu schnappen, denn Pope ist ebenso dumm wie brutal. John Sandford – Kaltes Fieber weiterlesen

Diverse – Bart Simpson Comics 30

_Inhalt_

|“Mach den Versuch! Lies ein Buch!“|

Springfield steht im Buchhandel Schlange, nachdem Krusty der Clown öffentlich den Jugendwälzer „Larry Schlotter und die Monsterschule“ empfohlen hat. Auch der sonst so lesefaule Bart ist hin und weg und besorgt sich noch vor seiner erzürnten Schwester das letzte Exemplar des Romans. Doch aufgrund akuter Mängel beim Verständnis des Inhalts schmeißt der junge Simpson schon bald das Handtuch und versucht seine ganze Umwelt davon zu überzeugen, dass „Larry Schlotter“ verboten gehört. Doch selbst die gröten Chaoten schwören auf das Buch …

|“Bart kommt zum Zug“|

Barts Lehrerin und Rektor Skinner machen einen Klassenausflug zum Springfielder Güterbahnhof, wo unter anderem auch Milhouses Vater arbeitet. Schon bald kehrt Langeweile bei Simpson junior ein; gemeinsam mit dem interessierten Martin macht er sich eigenständig auf den Weg in die Lok und zieht auch den unschlüssigen Milhouse mit hinein. Tatsächlich gelingt es dem Trio, den Zug zu starten. Doch als man nach einigen Minuten Spaß wieder den Bremshebel ziehen möchte, löst dieser sich aus der Halterung und die Jungs rasen samt dem herbeigeeilten Seymour Skinner ins Verderben.

_Meine Meinung_

Na, das ist doch mal wieder ein Comic nach dem Geschmack des TV-verwöhnten Simpsons-Publikums. Bart glänzt zweimal in einer Paraderolle und erweist sich auch sofort doppelt als Miesmacher und Taugenichts. Zunächst ist da die Geschichte um „Larry Schlotter“ (bei der es sich natürlich um eine herbe Spitze auf einen gewissen Kinderbuch-Zauberlehrling handelt), die auf Krustys Empfehlung hin selbst von den ungebildetesten Schülern verschlungen wird. Auch Bart ist ganz heiß auf das Buch und provoziert seine Schwester regelrecht damit, dass er ihr das letzte Exemplar vor der Nase weggeschnappt hat. Doch der kleine Fiesling ist restlos mit dem Lesen überfordert und sucht schließlich die Schuld am Buch, das in seinem Ansehen spürbar an Bedeutung verliert. Doch außer Krusty, der nur des Geldes wegen seine Empfehlung ausgesprochen hat, ist niemand seiner Meinung. Doch der Clown lässt seine Macht spielen und inszeniert gemeinsam mit seinem Kumpel Kent Brockman eine moderne Bücherverbrennung. Nur ein Exemplar bleibt übrig – und zwar für denjenigen, der das Ganze überhaupt erst angeleiert hat.

Die zweite Geschichte ist ein typischer Simpsons-Lausbuben-Plot mit unheimlich vielen witzigen Szenen. So garantieren unter anderem die Eingeständnisse, die sich Skinner und Bart während ihrer unaufhaltsamen Zugfahrt liefern, intensives Lachmuskeltraining, wohingegen die kurze Einblende des ‚zuverlässigen‘ Polizeikollegiums, welches sich gerade mit dem „Twister“-Spiel vergnügt, einem sogar Tränen in die Augen treibt. Das rasche Ende nimmt zwar ein wenig vom herrlich humorigen Flair, doch mit dem letzten Spotlight, in dem die Zukunft der beteiligten Charaktere geschildert wird, entschädigt man wiederum absolut für diesen kleinen Hänger.

Zwei Storys, zweimal Bart vom Feinsten und zweimal Simpsons-Humor der Extraklasse. Nachdem die „Bart Simpson Comics“ im Vergleich zu den „Simpsons Comics“ bislang immer wieder das Nachsehen hatten, schließt man nun mit der 30. Ausgabe locker zum großen Bruder auf. Selbst die Tatsache, dass Homer – der eigentliche Held der späteren Simpsons-Generation – nur eine Nebenrolle übernimmt, kann den Eindruck nicht trüben, hier eines der besten Hefte dieser Serie gelesen zu haben, weshalb eine Empfehlung nur selbstverständlich ist. Echte Fans dürfen sich als Kaufanreiz noch über ein originelles Poster von ihrem Titelhelden freuen, wobei dies nur das i-Tüpfelchen eines unterhaltsamen Magazins ist. Fazit: selten so gelacht beim Pendant zur erfolgreichen TV-Serie.

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Barz, Paul – Gegenspieler, Die

Mitte des 12. Jahrhunderts: Es ist eine unruhige Zeit, die Bevölkerung lebt in Angst. Juden werden verfolgt, Zisterziensermönche bemühen sich um Schlichtung, der Kreuzzugsgedanke wird verherrlicht. Der junge Welfe Heinrich der Löwe, Herzog von Sachsen, und sein älterer Vetter Friedrich, Herzog von Schwaben, sind Freunde, trotz aller Gegensätze. Während Heinrich darunter leidet, dass sein Anspruch auf Bayern von König Konrad nicht anerkannt wird, glaubt Friedrich an die Einheitlich eines deutschen Reiches, im damaligen Sinne Karls des Großen. Heinrich, der als Kind dem Älteren die Treue geschworen hat, ist zu einem aufbrausenden jungen Mann geworden, der sich zuweilen am spöttischen Auftreten Friedrichs stört.

Im Jahr 1147 ruft König Konrad zu einem zweiten Kreuzzug in Jerusalem auf. Die Stadt Edessa soll von den Ungläubigen befreit werden, mehr als 20.000 Männer wollen teilnehmen. Doch statt wie Friedrich dem Zug zu folgen, kämpfen Heinrich und die Sachsen in einem parallelen Krieg gegen die Slawen zwischen Elbe und Oder und bekehren sie zum Christentum; der Kreuzzug in Jerusalem hingegen gerät zu einem Desaster. Nach seiner Rückkehr heiratet Heinrich Clementia von Zähringen, weitet mit dieser strategisch günstigen Ehe seinen Machtanspruch aus und behauptet sich gegen Angriffe Konrads, der bald darauf stirbt.

Friedrich wird zu seinem Nachfolger gewählt und zieht zur Kaiserkrönung nach Italien. Als Belohnung für seine Begleitung bekommt Heinrich von ihm endlich das lang ersehnte Bayern zugesprochen und Friedrich erhält seinen Beinamen „Barbarossa“. Noch immer unterstützen sie einander, aber sie spüren eine Entfremdung. Friedrich fürchtet, dass das neue Herzogtum die Einheit seines Reiches gefährdet. Heinrich beobachtet eifersüchtig, wie Erzbischof Rainald von Dassel zum engsten Vertrauten des Kaisers wird. Die spielerische Rivalität aus Jugendtagen wird immer ernster …

|Der Rotbart und der Löwe|

Es ist ein großes Unterfangen, das Autor Paul Barz sich vorgenommen hat. Mit Friedrich Barbarossa und Heinrich dem Löwen hat er sich zweier der schillerndsten und populärsten Gestalten des Mittelalters angenommen, von denen jeder ein eigenes Epos verdient hätte. Beiden Figuren wird etwa gleich viel Aufmerksamkeit gewidmet, was zwangsläufig dazu führt, dass ihre Darstellung etwas oberflächlich ausfallen muss. Unterm Strich ist es Heinrich der Löwe, der dem Leser deutlicher vor Augen erscheint.

Schon in der Jugend zeichnet sich ab, dass er der düstere Charakter von beiden ist. Zwar hat auch er seine unbeschwerten Momente, doch oft verfällt er in tiefes Grübeln. An ihm nagt der Schmerz, dass er viele Jahre kämpfen muss, ehe er endlich das lang ersehnte Bayern als Herzogtum anerkannt bekommt. Aber auch damit ist er nicht glücklich. Die Interessen des neuen Kaisers Barbarossa überschneiden sich immer weniger mit den seinen. Erschwerend kommen Augenblicke hinzu, in denen er die blutjunge Frau von Friedrich, Beatrix, begehrt.

Friedrich dagegen ist ein Träumer, humorvoller und jungenhafter, obgleich er der Ältere von beiden ist. Die Freundschaft zu Heinrich ist ihm wichtig, doch ebenso sind es seine Interessen als Kaiser, die er wahren und verteidigen muss. Heinrichs trotziges Verhalten führt schließlich zu einer Eskalation, welche die Ächtung als Folge mit sich bringt.

Immer wieder kreuzen sich die politischen und privaten Wege der beiden, die selbst im gesetzten Alter noch an ihre Jugendfreundschaft zurückdenken und trotz aller Widrigkeiten diese Zeit nicht vergessen haben.

|Buntes Mittelalterbild|

Deutschland steht im Mittelpunkt der Schauplätze, doch auch Italien, das Barbarossa so sehr liebt, wird mehrfach besucht. Dem geächteten Heinrich folgt der Leser nach England, an den Hof von Heinrich II., wo man unter anderem dem jungen Richard Löwenherz begegnet. In kurzen Szenen tauchen prominente Zeitgenossen wie Königin Eleonor von Aquitanien und der Zisterzienserprediger Bernhard von Clairvaux auf. Man erlebt Beratungsszenen, private Momente, aber auch blutige Schlachten, Folterungen und wüste Feiern.

Das Mittelalter wird in all seiner Derbheit präsentiert, vom einfachen Bauern bis zum hochangesehenen Adligen benutzen die Personen bisweilen eine primitive Sprache und lassen ihren sexuellen Gelüsten ungehemmt freien Lauf. Das mag manchen Leser irritieren und ist tatsächlich eine Spur zu dick aufgetragen, trägt aber auch zur Authentizität der Epoche bei. Ebenso wird bei den Schlachten nichts beschönigt; es kommen zwar keine ausführlichen Details zum Tragen, aber es wird gequält, verhöhnt, es werden Glieder ausgerissen und Kinder geschändet.

Es ist kein edles Bild, das hier vom Mittelalter gezeichnet wird, es ist finster, unverblümt, ausgelassen und auch das Denken und Handeln der beiden Hauptfiguren verzichtet auf idealisierte Züge. Hin und wieder wird die Atmosphäre durch kleine humorvolle Einlagen aufgelockert, etwa wenn die Figuren untereinander Scherze treiben und damit ein freundliches Licht in die angespannten Situationen bringen.

|Viele Karten und Zeittafeln, aber auch Ungenauigkeiten|

Bei der historischen Genauigkeit gibt es Licht und Schatten. Auf der einen Seite folgt jedem Abschnitt eine Zeittafel, die im Schnelldurchlauf die wichtigsten vorangegangenen Ereignisse in kürzester Form zusammenfasst, sodass man nicht Gefahr läuft, bei all den verschiedenen Schlachten und Schauplätzen den Überblick zu verlieren. Im Anhang befindet sich ein hilfreiches Register, das die vorkommenden Namen aufführt und die Seitenzahlen, auf denen sie auftauchen. Es gibt mehrere Karten, die die Aufteilungen des Reiches demonstrieren und Stammbäume der Welfen und der Staufer.

Das alles lässt auf pingelige Genauigkeit schließen. Dennoch weicht der Autor bei der Darstellung einer Nebenfigur, Heinrichs Onkel Welf VI., von den populären Ansichten ab. Im Roman wird Welf als Todfeind präsentiert. Selbst in seiner Hochzeitsnacht hängt Heinrich dunklen Gedanken über ihn nach, er wird als „schlimmster Feind von allen“ bezeichnet und betont, dass Heinrich ihn nie gemocht hat. In der einschlägigen Literatur wird jedoch darauf hingewiesen, dass Welf sich durchaus für die Rückgabe Bayerns an Heinrich einsetzte und von einer immerwährenden Feindschaft nicht die Rede sein kann. Eventuell wurde das Verhältnis aus dramaturgischen Gründen schlechter dargestellt als nötig, was ungünstig ist für Leser, die kein Hintergrundwissen besitzen.

An anderer Stelle wiederum wird es mit der historischen Korrektheit zu Ungunsten der Spannung übertrieben. Gleich mehrfach wird bei diversen Charakteren ihr Schicksal bereits vorausgenommen. Bei Friedrichs erstem Sohn etwa wird auf der Zwischen-Zeittafel nicht nur seine Geburt, sondern auch sein früher Tod in den kommenden Jahren vermerkt und der Handlung vorweggenommen. Auch bei Heinrichs erster Frau Clementia wird kurz nach der Scheidung verraten, dass sie danach nur noch wenige Jahre zu leben hatte. So geschieht es mit mehreren Figuren, was in einem rein informativen Sachbuch angebracht wäre, nicht aber in einem Roman.

_Als Fazit_ bleibt ein anschaulicher und nicht zu komplizierter historischer Roman über zwei bedeutende Figuren des Mittelalters und ihr spannungsgeladenes Verhältnis zueinander. Viele Schaubilder und Zeittafeln untermauern das Geschehen, allerdings ersetzt der Roman kein Sachbuch, da nicht alle Details bis ins Letzte stimmig sind. Als alleiniges Informationswerk über Friedrich Barbarossa und Heinrich den Löwen zu oberflächlich, für Mittelalterinteressierte aber eine unterhaltsame Ergänzung.

_Der Autor_ Paul Barz, Jahrgang 1943, arbeitete nach dem Abitur als Redakteur, seit 1981 auch als freier Schriftsteller. Zunächst veröffentlichte er Sachbücher und Biographien, später wurde auch als Bühnen- und Romanautor aktiv. Werke von ihm sind unter anderem: „Heinrich der Löwe“, „Christoph Columbus“, „Theodor Storm“ und „Mozart“.

Mehr über ihn auf seiner Homepage: http://www.paul-barz.de.

http://www.bastei-luebbe.de

Matthew Pearl – Die Stunde des Raben

Das geschieht:

Entsetzt muss Quentin Clark feststellen, dass in dem ärmlichen Sarg, der vor seinen Augen in ein Armengrab gesenkt wird, sein Idol ruht: Wir schreiben das Jahr 1849, und im ereignislosen Leben des jungen Anwalts aus Baltimore war seine Korrespondenz mit dem Schriftsteller und Dichter Edgar Allan Poe der Höhepunkt. Deshalb gibt sich Clark nicht mit den dürftigen Informationen über Poes elendes Ende zufrieden, die ihn misstrauisch werden und ein Verbrechen vermuten lassen. Wurde der lästige Künstler, der das behäbige Establishment durch seine düstere Lyrik und Poesie zu beunruhigen und zu ärgern pflegte, etwa durch Mord zum Schweigen gebracht?

Clarks Nachforschungen verlaufen im Sande. Ihm wird deutlich, dass er sich der Hilfe eines Fachmanns versichern muss. Wer wäre dazu besser geeignet als C. Auguste Dupin, der französische Meisterdetektiv, dem Poe ein literarisches Denkmal setzte und der sich zu Clarks Erstaunen als reale Person entpuppt? Der Amerikaner reist nach Paris, wo er Dupin alias Auguste Duponte tatsächlich aufspüren kann: einen teilnahmslosen, ausgebrannten Mann, der nichts als seine Ruhe wünscht.

Intensiv kümmert sich Clark um Duponte, und tatsächlich glimmt noch Feuer unter der depressiven Asche, das aufzuflackern beginnt, als sich ein zweiter Dupin in die Nachforschungen einschaltet: ‚Baron‘ Claude Dupin ist ein Glücksritter, der den potenziellen Mord an Poe zur medientauglichen Affäre aufbauscht, um mit der Aufklärung viel Geld zu verdienen. Den echten Dupin/Duponte versucht er durch Drohungen einzuschüchtern, doch dieser beginnt zur alten Form zurückzufinden, reist mit Clark nach Baltimore und beginnt dort mit eigenen Ermittlungen.

Auch der Baron wird in Baltimore tätig und scheut keinen bösen Trick, um Clark und Duponte auszuschalten. Schlimmer noch: Anonyme Männer mit großer Macht werden unruhig. Sie ziehen im Hintergrund Fäden, die sich in Stolperdrähte verwandeln. Clark wird bedroht, verfolgt, ruiniert. Er weigert sich trotzdem nachzugeben und gerät endgültig in den Sog einer fernen Verschwörung, die ihn unbarmherzig in den Abgrund zu reißen droht …

Ein Leben wie ein Roman?

Das Ende Edgar Allan Poes (1809-1849) beschäftigt (Literatur-) Historiker und Leser seit mehr als anderthalb Jahrhunderten. Zu mysteriös und gleichzeitig ‚romantisch‘ ist der Tod eines Mannes, der nicht nur zu den bedeutendsten Schriftstellers des 19. Jahrhunderts zählt, sondern auch Interesse und Mitgefühl durch sein tragisches Privatleben erweckt.

Poe gesellte sich zu jenen Genies, die angeblich von den Göttern so sehr geliebt werden, dass diese sie möglichst rasch zu sich holen. Dies ist ein unglaublich dämliches Sprichwort, das nur Zeitgenossen prägen konnten, die das Glück hatten, von einem Leben verschont zu bleiben, wie Poe es führte oder führen musste. Er gehörte zu den Unglücklichen, die über künstlerisches Talent verfügen, ohne gleichzeitig mit der Gabe der Selbstvermarktung oder – noch besser – mit den finanziellen Mitteln gesegnet zu sein, die es ihm gestatteten, seiner Kunst zu frönen. Stattdessen war Poe zu einem Leben in Armut und Unverständnis verdammt, während er gleichzeitig um sein Leben schrieb: Die Werke, für die er heute verehrt wird, wurden zu seinen Lebzeiten abgelehnt oder – für ihn ebenso bitter – miserabel honoriert.

So reihte sich Poe in die Reihen derjenigen Pechvögel ein, die in einer materialistisch ausgerichteten Welt ein Hofnarrendasein fristen – geduldet, wenn sich die Reichen & Mächtigen amüsieren wollen, aber ignoriert bzw. davongejagt, sobald sich diese den wirklich wichtigen Dingen des Lebens – Geldscheffeln, Kampf um Macht & Stellung – widmen möchten. Privates Unglück addierte sich zu den daraus resultierenden Enttäuschungen, was Poes Depressionen und seinen Hang zu diversen Drogen und zum Alkohol erklärt.

Spannender Start, dann Bruchlandung

Poes Leben, Wirken & Tod bieten reichlichen Stoff und gleichzeitig Lücken, was Matthew Pearl die Gelegenheit schafft, seine eigene Sicht der Vergangenheit zu entwickeln. Hier beginnt der Bereich, in dem wir die historische Realität verlassen und das Reich der (literarischen) Fiktion einsetzt. Pearl will die Wahrheit aufdecken. Da diese bekanntlich sehr banal sein kann, gibt er der Fantasie den Vorzug und denkt sich eine zweite, den Konventionen der Krimis folgende Handlungsebene aus, was sein Recht und seine Pflicht als Romanschriftsteller ist: Dies ist der Humus, auf dem ein fabelhafter Historienthriller keimen könnte. Dem ist leider nicht so. „Die Stunde des Raben“ ist stattdessen ein unfreiwilliges Paradebeispiel dafür, wie ein ehrgeiziges Projekt scheitern kann.

Unbestritten ist Pearls Fähigkeit, das Baltimore des Jahres 1850 zum Leben zu erwecken. Quentin Clark ist Bürger einer Stadt, die sich der Industriellen Revolution verschrieben hat und prächtig gedeiht. Die daraus resultierende Mischung aus Geschäftstüchtigkeit, Korruption und Fixierung auf den schnellen Dollar weiß Pearl deprimierend gut darzustellen. Bedrückend sind jene Szenen, die deutlich machen, dass in dieser ‚modernen‘ Metropole Sklavenhandel legitim und an der Tagesordnung ist. Die Polizei verfügt kaum über das Wissen oder das Instrumentarium zur Auswertung von Indizien. Armut und Einflusslosigkeit machen für die schlecht ausgebildeten, unterbezahlten und korrupten Beamten aus einem Verdächtigen rasch einen Schuldigen. Umgekehrt nutzen die Reichen und Mächtigen ihre angemaßten Vorrechte ohne Scham – sie betrachten diese als ihnen zustehend.

Immer wieder gelingen Pearl Szenen, die deutlich machen, wieso Außenseiter wie Poe und Clark in dieser Welt nicht gelitten sind und quasi scheitern müssen. Lokalkolorit ersetzt indes keine spannende Handlung; die vermisst der Leser schmerzlich. Auch ‚literarische‘ Qualitäten, die der kundige Kritiker in „Die Stunde des Raben“ entdecken mag, entschädigen nicht. Der Plot um Poes Ende überzeugt, während das Konspirationsgarn aufgesetzt wirkt.

Die Story, von Pearl sorgfältig entwickelt, ist vor allem im Mittelteil abschweifend, schrecklich lahm und öde. Hinzu kommen Fehler, die den Krimifreund aufstöhnen lassen. Wie wahrscheinlich ist es beispielsweise, dass Clark ständig gerade dort hinter einer Mauer oder unter einem Fenster steht, wo just Verschwörer oder Verfolger diverse Geheimnisse ausplaudern?

Das große Finale teilt Pearl: in Clarks Aufdeckung der Verschwörung und Dupontes Darstellung der letzten Tag des Edgar Allan Poe. Leider haben beide Handlungsstränge nichts miteinander zu tun. Die Auflösung verleiht dem Roman ein ‚gespaltenes‘ Ende. Zwar mag dies der Realität eher entsprechen, es lässt aber den Leser frustriert zurück, der sich von Pearl getäuscht fühlt: Poes Tod und Clarks Odyssee haben im Grunde nichts miteinander zu tun. Die Auflösung der Konspiration ist mau, die Rekonstruktion von Poes Schicksal wird dem eigentlichen Geschehen angeklebt. Am Ende sind alle ein wenig schlauer aber nicht wirklich zufrieden: die Protagonisten des Romans und dessen Leser.

Lebensplanung oder Zwangsjacke?

Pearl investiert viel Mühe in die Zeichnung seiner Figuren, die untereinander in einer komplizierten Dreiecksbeziehung stehen. Die Spitze nimmt Quentin Clark ein, der natürlich – „Die Stunde des Raben“ soll schließlich ein Historienkrimi der A-Kategorie sein – weit mehr ist (oder sein soll) als der Protagonist in einem rätselhaften Geschehen. Der in Ich-Form präsentierter Bericht ist gleichzeitig Beleg für einen entscheidenden Wendepunkt in Clarks Leben. Angesichts seines Alters – Clark ist 27 – möchte man eigentlich nicht von einer „Coming-of-Age“-Handlung sprechen, doch im Grunde erleben wir durchaus, wie sich ein Mann aus den Fesseln löst, die ihm die Gesellschaft anlegt, um ihn in ein geordnetes Leben zu zwingen.

Clark soll gefälligst ein guter Geschäftsmann, ein gesetzter Bürger und ein vorbildlicher Ehemann werden, so fordert es die High Society Baltimores, der er durch Geburt angehört. Das will er nicht, was wir gut verstehen; er will Freiheit und ein wenig Abenteuer. Dies zu verwirklichen bedeutet 1850 einen gewagten Schritt, möchte uns Pearl verdeutlichen, indem er Clark in immer neue Konflikte verwickelt.

Freilich macht ihn uns das keineswegs sympathisch. Der Prozess, der aus Clark einen ‚freien‘ Menschen werden lässt, langweilt, weil diese Figur als hoffnungsloser Naivling dargestellt wird. Clark verliert seine Anstellung? Pearl hat uns die Kanzlei, in welcher sein Held tätig war, als Hort der puren Langeweile geschildert. Clark geht seiner Braut verlustig? Er sollte froh sein, dieses Gänslein und ihre schreckliche Familie los zu sein! Welche ernsthaften gesellschaftlichen Konsequenzen diese Ereignisse haben, wird dem modernen Leser vermutlich unklar bleiben. Als Clark endlich ‚erwachsen‘ wird, erfolgt diese Reifung viel zu abrupt und unbegründet, um überzeugen zu können.

Ein Papier-Detektiv bleibt flach

Clark gibt außerdem den Dr. Watson für den Sherlock Holmes dieser Geschichte. C. Auguste Dupin oder Duponte gilt in der Tat als eines der Vorbilder für Arthur Conan Doyles berühmten Meisterdetektiv. Um der Dramatik willen charakterisiert Pearl Duponte zunächst als Mann mit einem düsteren Geheimnis, das ihn in Lethargie verfallen ließ. Die Rückkehr ins Leben und in seinen ‚Job‘ ergibt eine zweite Handlungsschiene, die keineswegs stärker interessiert als Quentin Clarks Ringen um Selbstständigkeit, da Duponte sich anders als Holmes (oder Poes Dupin) als Mensch niemals öffnet. Zwar meint Pearl dafür gute Gründe anführen zu können, doch da irrt er. Dupontes Schicksal interessiert uns bis zum Schluss herzlich wenig. Deshalb verpuffen auch die von Pearl eingeflochtenen deduktiven Zauberkunststücke, die stets nach Schema F ablaufen: Clark zerbricht sich den Kopf über einen ihm unklaren Sachverhalt, Duponte scheint seine Gedanken zu lesen und klärt ihn auf. Anschließend erzählt er dem aufgeregten Clark (und dem Leser) haarklein, wie er zu seinen Schlussfolgerungen kam.

Wenig aufregend verläuft der Kampf der beiden Dupins. Wer ist der ‚echte‘, d. h. Poes Dupin – Duponte oder der zwielichtige Baron? Dass der notorisch im Dunkeln tappende Clark in dieser Frage ständig schwankt, dürfte wenig verwundern. Auch die Bürgerschaft Baltimores scheint mit Blind- oder Blödheit geschlagen zu sein, will uns Pearl doch weismachen, der Baron könne sich so erfolgreich als Duponte maskieren, dass niemand dies erkennt. Immerhin ist der Baron noch die einzige halbwegs interessante Figur in dieser Geschichte – ein Marktschreier und Manipulator, der längst jene Freiheit erlangt hat, nach der Clark sich sehnt, und der die Konsequenzen eines freien Lebens kennt.

Fast 600 (allerdings großzügig bedruckte) Seiten schleppen sich die Ereignisse dahin. Im Vergleich mit Pears raffinierten Erstling „Der Dante-Club“ kann „Die Stunde des Raben“ nicht mithalten, sondern wirkt wie eine blasse Kopie, die nicht nur den mit hohen Erwartungen und Vorfreude zur Lektüre schreitenden, sondern auch den Pearl-unkundigen Leser bitter enttäuscht.

Autor

Matthew Pearl (geb. 1977) studierte an der Harvard University (1997) bzw. an der Yale Law School (2000) Englische und Amerikanische Literatur. Anschließend lehrte er diese Fächer und gab Kurse für Kreatives Schreiben in Harvard sowie am Emerson College. Seit 2007 arbeitet er als Gastdozent für die Harvard Law School. Pearl lebt in Cambridge, Massachusetts, Über sein Werk informiert er auf dieser Website.

Taschenbuch: 575 Seiten
Originaltitel: The Poe Shadow (New York : Random House 2006)
Übersetzung: Karl-Heinz Ebnet
http://www.droemer-knaur.de

Der Autor vergibt: (1.0/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (No Ratings Yet)

Kern, Claudia / Frenz, Bernd – S.T.A.L.K.E.R. – Shadow of Chernobyl, Bd. 1: Todeszone

Seit im Jahre 1986 der Block 4 des ukrainischen Kernreaktors Tschernobyl durch eine Kernschmelze und Explosion mit katastrophalen Auswirkungen für Mensch und Natur zerstört wurde, sind 20 Jahre ins Land gegangen. Die Ruinen und verlassenen Häuser der ehemals von Kraftwerksangestellten bewohnten und nun verlassenen Stadt sind mittlerweile zu einem Anlaufpunkt für Sightseeing-Touristen geworden, die sich in wohligem Grusel der noch immer kontaminierten „Todeszone“ nähern.

Zu diesen Schaulustigen gehört auch der junge Deutsche David Rothe, welcher mit seinen Eltern während eines Bus-Trips durch die Ukraine in der Stillen Stadt Halt macht. Plötzlich verschwinden in einem grellen Energieblitz Fahrzeug und Insassen. Als ukrainische Sicherheitskräfte am Ort des Phänomens eintreffen, finden sie etwas abseits in den Ruinen nur David, bewusstlos und mit verbrannter Kleidung. Der mit der Ermittlung des Geschehens beauftragte Major Alexander Marinin stößt bei Militärs und Politikern auf eine Mauer des Schweigens, und auch der junge Deutsche ist ihm keine Hilfe, da er sich zwar an nichts erinnert, allerdings angibt, eine merkwürdige Sehnsucht nach der Todeszone zu verspüren.

Einige Jahre später: Der zu einem Mann herangewachsene David durchstreift – beobachtet von unterschiedlichen Geheimdiensten – auf der Suche nach seinen Eltern die Zone um den Atommeiler, wobei ihn besondere psychische Fähigkeiten vor den tödlichen Gefahren des Gebietes – mutierten Ratten, Zombies, Schwerkraftminen, tödlichem Nebel und mörderischen Pflanzen – bewahren. Als der Zufall ihn und Marinin wieder zusammenführt, gelingt es den beiden zwar, den Phänomenen, die ihren Ursprung in geheimen Laboratorien unter dem Kernkraftwerkskomplex Tschernobyls zu haben scheinen, auf die Spur zukommen, doch einmal mehr drohen Politiker und Militärs, ihnen einen Strich durch die Rechnung zu machen.

Nach „X – Farnhams Legende“ und „X2 – Nopileos“ von Helge T. Kautz ist „S.T.A.L.K.E.R. – Todeszone“ der dritte Roman deutscher Autoren in der Videogame-Reihe des |Panini/Dino|-Verlags. Und wie schon im Falle der beiden X-Bände erweist sich die Entscheidung der ukrainischen Softwareentwickler, GSC Game World, zwei international unbekannte Autoren ein Prequel zu ihren ambitionierten PC-Ego-Shooter schreiben zu lassen, als wahrer Glücksgriff.

Noch bevor er die erste Zeile gelesen hat, wird der cineastisch gebildete Leser angesichts des Titels stutzen. Stalker? Da gab es doch was … Genau! Ein mystisches SF-Film-Meisterwerk des 1986 verstorbenen russischen Regisseurs Andrej Tarkowskij aus dem Jahre 1979, welches, basierend auf dem Drehbuch und einer Novelle der Brüder Strugatzki, von der Sinnsuche dreier Menschen in einer verbotenen Zone handelt und dabei philosophische, zivilisationskritische und autobiographische Aspekte in den Vordergrund der Betrachtung stellt. Je weiter dieser Leser dann in dem Roman voranschreitet, desto deutlicher wird in vielen Szenen, dass „S.T.A.L.K.E.R.“ tatsächlich einige Motive des Films aufgreift: die Zone als militärisches Sperrgebiet, einen Güterbahnhof – im Film in grandiosen, einprägsamen Schwarz-Weiß-Bildern verewigt -, die sich ständig verändernde Umwelt, die Tatsache, dass jeder Schritt tödlich sein kann, und die eigentümlich morbide Atmosphäre verfallener Gebäude inmitten der Natur. Dennoch steht es außer Frage, dass der Film nicht mehr als eine vage Inspiration gewesen sein kann, denn der primäre Anspruch des Buches sind – platt ausgedrückt – Spannung und Action; und diesem Anspruch werden die Autoren voll gerecht.

Kern und Frenz spielen gekonnt mit der Furcht des Lesers, indem sie Realität (die Tschernobyl-Katastrophe) – bzw. das, was der Leser dafür hält (die in deutschen Boulevardblättern oft kolportierten korrupten russischen/ukrainischen Militärs) – und Fiktion in einer für das Ego-Shooter-Genre ungewöhnlich zurückhaltenden Art und Weise ineinander fließen lassen. Statt auf drastische Szenen und expliziten Horror setzen die Autoren eher auf Andeutungen und lassen den Leser bis zum Schluss – und darüber hinaus – im Dunkeln tappen. Natürlich treten auch die obligatorischen Monster in Erscheinung, doch in homöopathischer Dosis und weit von einem Mutationen-Overkill à la „Resident Evil“ entfernt.

Eine zweite Stärke des Buches sind seine kantigen und sperrigen Charaktere. Zwar ist das Bild des aufmüpfigen, unangepassten, politisch unkorrekten Ermittlers, der mehr mit seinem Leben und dubiosen Vorgesetzten zu kämpfen hat als mit seinen Fällen, nicht neu. Relativ originell ist allerdings, dass dieser Mensch über seine Schwächen hinaus erfolglos bleibt und sich in gewisser Weise sogar korrumpieren lässt.

David Rothe ist im Vergleich zu Alexander Marinin zwar weniger differenziert gezeichnet, jedoch trotz seiner besonderen Kräfte weit davon entfernt, ein strahlender Held zu sein. Getrieben von einem unerklärlichen Zwang, ständig ums Überleben kämpfend und bei der Suche nach seinen Eltern immer wieder scheiternd, ist er – wie der Ermittler – eine eher tragische Figur.

Der einzige Charakter, der sich nicht bündig in die Geschichte einfügen will, ist der „kleine“ Wissenschaftler Vadim Bessmerty. In seiner Figur und seinem im Grunde belanglosen Handlungsbogen erkennt man dann doch deutlicher als nötig die Herkunft der Autoren aus dem Romanheft-Bereich: Schon bei der Einführung Bessmertys ist klar, welches Schicksal den armen Tropf ereilen wird.

Interessant an „S.T.A.L.K.E.R.“ ist schließlich auch der episodenhafte Aufbau der Geschichte, welcher die vier Hauptteile einschließlich des Prologs, der im Jahre 1999 angesiedelt ist, zu unterschiedlichen Zeitindices spielen lässt – „Alexander“ im Jahre 2004, „David“ 2006 und „Die Zone“ 2008. Dadurch, dass die Autoren auf sanfte Überleitungen von einem Kapitel ins nächste verzichten, wirkt das Handlungsgeschehen einerseits sprunghaft, anderseits wird dadurch der Text gestrafft, auf überflüssigen Pathos verzichtet und der Leser insofern gefordert, als er sich das Gesamtbild spannungssteigernd puzzleartig erschließen muss.

Fazit: Eine gut geschriebene, äußerst spannende und düstere Geschichte, die den Leser dem zweiten Band der geplanten Trilogie entgegenfiebern lässt. Für mich eine der größten Überraschungen und das bisherige Highlight der PC-Roman-Reihe des |Panini|-Verlags.

© _Frank Drehmel_
|Diese Rezension wurde mit freundlicher Genehmigung unseres Partnermagazins [X-Zine]http://www.x-zine.de/ veröffentlicht.|

Wizards of the Coast – Dungeons & Dragons ICONS Miniaturenspiel – Gargantuan Black Dragon

_Dungeons und vor allem Dragons_

Abseits der regulären Booster-Packs der verschiedenen Editionen des „Dungeons & Dragons Miniatures Game“ haben |Wizards of the Coast| im letzten Jahr unter dem Banner ‚Massive Creatures‘ mehrere riesige Drachenfiguren veröffentlicht, deren monströses Äußeres die üblichen Figuren um ein Vielfaches übertrifft. Separat verpackt, halten diese üppig bestückten Kreaturen neben vielen Spezialfähigkeiten auch wieder einige Sonderregeln für das Basisspiel bereit sowie verschiedene Szenarien, die das Ursprungsspiel mit zwei gegnerischen Warbands komplett auf den Kopf stellen.

Innerhalb dieser Mini-Serie ist unter anderem auch der „Gargantuan Black Dragon“ erschienen, eine ansehnliche, ungefähr 20 Zentimeter hohe Drachenfigur, die nicht nur für das Spielsystem, sondern auch als Ausstellungsstück für die heimische Vitrine eine echter Gewinn ist. Als unangefochtener Herrscher der Sümpfe hat der temperamentvolle schwarze Drache bereits in den „D&D“-Büchern „Monster Manual“ und „Draconomicon“ sein Unwesen getrieben und nicht nur bei beinharten Fans einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Nun greift das unbarmherzige Monster aus dem Sumpf auch ins Tabletop-Spielgeschehen ein und erweist sich bereits nach kurzer Testphase als unheimlich harter Gegner für die eigene 500-Punkte-Warband. Ein triftiger Grund also schon mal, die Spielvarianten mit dieser Figur zu erweitern.

_Spezialregeln und Regelmodifikationen_

Als körperlich und generell äußerlich vollkommen überlegene Kreatur verfügt der Gargantuan Black Dragon über einige Spezialfähigkeiten, die sich für seine Gegner als verheerend erweisen können. So kann er sich selbst durch schmalere, gegnerische Räume winden und problemlos in einem Überraschungsangriff erheblichen Schaden anrichten. Mit ‚Indomitable‘ hingegen trägt selbst derjenige Gegner einen Schaden von 100 Punkten davon, der einen Zerstörungsversuch dank erfolglosem Schadenswurf überstanden hat. Sollte er sich dabei jedoch bereits unter einem Wert von 100 Punkten befinden, wird er dennoch zerstreut.

Für die Aktionsmöglichkeiten des Drachen gibt es ebenfalls strenge Regeln. Ungeachtet der Anzahl seiner Gegner darf der Drache in einer Runde insgesamt sechsmal aktiv werden, wobei er im Wechsel mit seinem Kontrahenten jedes Mal zwei aufeinander folgende Züge machen kann. Die Bewegungsabläufe, die ihm dabei zur Verfügung stehen, ermöglichen es ihm, sowohl mit doppelter Geschwindigkeit zu reisen als auch nach einer regulären Bewegung noch mit seinen Krallen oder der ‚Crush‘-Attacke anzugreifen. Der Bissangriff sowie ‚Breath Weapon‘, ‚Tall Slap‘ und ‚Tall Sweep‘ gehören ebenfalls dem siebenteiligen Repertoire des schwarzen Drachen an und können pro Runde jeweils einmal eingesetzt werden. Lediglich die Bewegung mit doppelter Geschwindigkeit darf in einer Runde zweifach genutzt werden.

Die Zahl der aktiven Handlungen wird jedoch mit dem Verlust der Lebenspunkte beim Drachen eingeschränkt. Sobald er 100 weitere Lebenspunkte einbüßt, muss er die Anzahl der Aktionen wieder um eine verringern, so dass nicht nur er selber, sondern auch seine Angriffe zunehmend schwächer werden. Aber bei den sehr effektiven Spezialfähigkeiten wird dies so schnell erst gar nicht passieren, zumal der Drache bei einigen Zaubern und Sprüchen einen besonderen Schutz hat; so trägt er zum Beispiel nur einmal pro Runde Schaden davon, selbst wenn der Spruch sich auf jede erneute Aktivierungsphase bezieht.

_Die Spielfläche_

Eigens für das Spiel in den Sümpfen haben die Spieldesigner auch eine neue Unterlage kreiert, auf der die Heimat der Titelfigur aufgezeichnet wurde. Der unheilvolle Käfig, in dem einst der Druidenmeister regierte, wurde vom Gargantuan Black Dragon anektiert und ist mit der Zeit zu seinem Zuhause geworden. Daher ist er bei der Orientierung auch leicht im Vorteil und kann sich zum Beispiel zwischen drei dort abgebildeten Brunnen hin und her bewegen und somit auch in kürzester Zeit an jedem Punkt des Plans präsent sein. Etwas schwieriger schaut es indes mit den Pilzen aus, die sowohl die Sicht als auch die Bewegungsfreiheit einschränken und nicht selten als störendes Element auftreten – zumindest für die gegnerische Warband …

Wichtig ist aber eigentlich nur, dass man weitere Alternativen geschaffen hat und nicht jedes Spiel auf dem gleichen Plan ausgetragen werden muss. Außerdem bietet sich ja auch die Möglichkeit, das beidseitig bedruckte Spielfeld für ein reguläres Spiel zu nutzen; diesbezüglich ist man schließlich nicht eingeschränkt

_Die Szenarien_

In der Regelbeilage zu „Gargantuan Black Dragon“ sind zwei festgelegte Szenarien beschrieben, in denen der Drache in der Fantasy-Schlacht zum Einsatz kommt. Natürlich handelt es sich bei einer Variante um den Kampf einer kompletten Warband gegen den einzeln kämpfenden Drachen, die erst dann ausgetragen ist, wenn eine Seite komplett eliminiert wurde. Entsprechend der Kosten des Drachen (exakt 500 Punkte) ist auch das Team des Feindes aufzustellen, so dass trotz offensichtlicher Vorteile beim Drachen eine theoretische Chancengleichheit besteht. Diese Version ist ebenfalls im Multi-Player-Modus möglich, wobei dann jeder Gegner des Drachen eine 500-Punkte-Warband zusammenstellt.

Im zweiten Szenario haben indes beide Seiten Zugriff auf den Drachen. Jeder Spieler gründet eine 500-Punkte-Truppe, positioniert die eigenen Figuren und setzt den Drachen genau in die Mitte des Spielfelds. Nun hat jeder insgesamt drei zusätzliche Aktionsmöglichkeiten mit der schwarzen Kreatur zur Verfügung, muss dabei aber natürlich auch beachten, ob man selber oder eben der Gegner nicht schon von der gewählten Handlung Gebrauch gemacht hat. Diese etwas taktischere Form des Spiels erfordert erhebliches Geschick, weil man genau planen muss, wann der Drache am besten eingesetzt wird. Die Ermittlung des Sieges findet infolgedessen auch nicht auf herkömmlichen Wegen statt, wenngleich die Bedingungen dieselben bleiben; die gegnerische Warband muss zerstört werden, nur dieses Mal eben mit zusätzlicher Unterstützung und gleichzeitig stärkeren Feinden.

_Meine Meinung_

Es ist schon unglaublich, wie stark man das Spiel schon alleine mit dem Einsatz einer speziellen Figur modifizieren kann, weil die Ausgangssituation sich doch im Wesentlichen vollkommen erneuert. Der Kampf einer Warband gegen nur ein Monster scheint mit genügend Geschick bei der Aktionsfolge eigentlich schnell gewonnen, doch man darf diese Kreatur nie unterschätzen, denn ihre Spezialfähigkeiten sind derart effektiv, dass sie bereits in wenigen Phasen das gesamte gegnerische Team ausgelöscht hat. Man sollte also als Kontrahent des Gargantuan Black Dragon nicht ins offene Messer rennen bzw. schnelle Offensiven starten, denn dies geht meistens nach hinten los. Man muss sich demnach erst einmal richtig aufstellen und dabei tunlichst vermeiden, in die Reichweite des Drachen zu gelangen; nur dann wird man eine realistische Chance haben – und selbst dann ist das Spiel gegen die Riesenkreatur sehr schwierig.

Dieser Schwierigkeitsgrad ist natürlich auch ein besonderer Reiz, der den Gargantuan Black Dragon nicht nur als Aufstellfigur, sondern auch als Spielmaterial attraktiv macht. Der Riese schafft neue Szenarien, erfordert ein völlig neues Spielverständnis von Seiten des geübten „D&D Miniatures Game“-Liebhabers und bereichert somit auch grundlegend das Spiel an sich. Im Gegensatz zu den regelmäßig erscheinenden neuen Booster-Serien handelt es sich hierbei auch um eine etwas effektivere Erweiterung, eben weil der Charakter des Spiels sowie die eigentlichen Regeln stark verändert werden. Und weil es den Drachen mittlerweile zu einem Booster-ähnlichen Preis im Handel gibt, halte ich eine Anschaffung auch für wirklich sinnvoll und empfehlenswert.

http://www.wizards.com
http://www.universal-cards.com

|Siehe ergänzend dazu:|
[War Drums Starter-Set 3441
[Angelfire Booster 3403
[Blood War Booster 3419
[Dungeons & Dragons Spielleiter-Handbuch V.3.5 2935

Mo Hayder – Die Sekte

Auf einer einsamen Insel realisiert ein fundamentalreligiöser Fanatiker groteske ‚Auslegungen‘ der Bibel, bis ihn ein neugieriger Reporter aufstört, endgültig in den Wahnsinn treibt und den Plan eingibt, durch ein furioses Finale unvergesslich zu werden … – Der vierte Roman der für ihre bizarren, meist sexuell unterfütterten Mordszenarien bekannten Autorin ist ein gut erzähltes Garn mit deutlichen Horror-Anleihen, das in seiner zweiten Hälfte auszufransen beginnt aber gute Unterhaltung bietet.
Mo Hayder – Die Sekte weiterlesen

Boothby, Ian – Simpsons Comics 124

_Inhalt_

|“Eine zeitlose Stadt“|

Homer prahlt bei der Arbeit damit, wie er es in letzter Sekunde geschafft hat, dem Verkehrschaos zu trotzen und trotz der Umstellung auf die Sommerzeit halbwegs pünktlich am Arbeitsplatz angelangt zu sein. Und dennoch fühlt sich das Familienoberhaupt der Simpsons gehörig von der Zeitumstellung genervt und plädiert öffentlich für die Abschaffung jeglicher Zeitregelungen. Bürgermeister Quimby gibt dem Druck der Bürger ohne großes Aufsehen nach und ordnet an, dass jeder sich seine Zeit nun so einteilen kann, wie er möchte.

Bart und Homer nutzen dies als Erste aus und verbringen die Zeit, die sie normalerweise in der Schule bzw. im Kernkraftwerk ableisten müssten, lieber im Bett. Und auch überall sonst in Springfield bricht das pure Chaos aus, weil man vollkommen zeitlos ist. Doch nach einer Weile werden den Bürgern die Nachteile des Zeitverlusts deutlich; selbst Homer kann sich mittlerweile Spannenderes vorstellen als sich im Bett den Rücken wund zu liegen …

_Meine Meinung_

Was wäre, wenn wir wirklich zeitlos wären? Diese Idee hat der erfahrene „Simpsons Comics“-Autor Ian Boothby für die 124. Ausgabe der Serie aufgegriffen und die gelbe Welt mal wieder völlig ins Chaos gestürzt. In ganz Springfield herrscht wegen der neuen Anordnung des Bürgermeisters Anarchie; die Leute gehen nicht mehr zur Arbeit und stellen ihre Uhren permanent auf Feierabend, Knastbrüder beenden ihre Haft, indem sie die Zeit auf ihren Uhren einfach um ein par Jahre nach vorne stellen, und Jugendliche manipulieren ihr Alter, um vorschnell in den Genuss von Alkohol zu kommen. Mittendrin: der eigentliche Initiator der Revolution, Homer Simpson, der allerdings nicht viel vom Resultat seines kurzzeitigen Aufstands mitbekommt, weil er seine Zeit lieber in den Federn verbringt.

Der Schwerpunkt der Geschichte liegt indes auf den vielen Auswirkungen, die das verheerende Ereignis auf alle bekannten gelben Figuren hat. Ned Flanders nutzt die gesamte Zeit, um mit seinen Kindern in der Kirche eine Predigt nach der anderen zu hören; selbst Dan Brown’s „Sakrileg“ wurde schon gepredigt … Rektor Skinners Mutter hingegen dreht an der Uhr, um die Geburt ihres Sohnes ungeschehen zu machen, Skinner wiederum löscht sein klagendes Gespräch mit Oberschulrat Chalmers kurzfristig aus, und der verwegene Busfahrer Otto gerät ständig in eine Zeitschleife, weil die Batterien seiner Uhr den Geist aufgegeben haben – was gerade deswegen schwierig ist, weil der langhaarige Revoluzzer dringend mal die Örtlichkeiten aufsuchen müsste.

Ideenreichtum, der keine Grenzen kennt – so viel zur leider einzigen Geschichte in der 124. Ausgabe der „Simpsons Comics“. Der Plot ist schlichtweg genial und wäre auch bestes Futter für eine TV-Adaption, zumal hier unheimlich viele Spitzen verteilt und mal wieder sämtliche Figuren aus der Welt der Simpsons auf die Schippe genommen werden. Rein auf de Inhalt bezogen, kann man daher auch nur applaudieren. Schade ist jedoch, dass gut ein Drittel des Magazins für Werbung und die üblichen Rubriken verwendet wird. Nicht etwa, dass die Hintergrundinformationen oder die Vorausschau des Simpsons-TV-Programms entbehrlich wären, aber den meines Erachtens etwas zu groß geratenen Umfang für diese Sparte hätte man gut und gerne auch noch für einen weiteren kurzen Plot nutzen können. Nichtsdestotrotz ist die Nr. 124 ein weiterer Knüller im Jubiläumsjahr der „Simpsons Comics“ und „Eine zeitlose Stadt“ überhaupt eine der besten Storys in der Historie der Groening-Familie.

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Veitch, Tom (Autor) / Kennedy, Cam (Zeichner) – Star Wars Essentials – Das dunkle Imperium I

_Story_

Nach der Zerstörung des zweiten Todessterns und der endgültigen Vernichtung des Imperators wird in großen Teilen des Universums die Neue Republik ausgerufen. Doch nur wenige Jahre nach der brutalen Schlacht auf Endor macht sich bereits wieder eine Splittergruppe des Imperiums auf den Weg nach Coruscant, um den Planeten zurückzuerobern. Auch Luke Skywalker, der einstige Held der Rebellion, ist in dieses erneute Gefecht verwickelt und wird schließlich von den siegreichen imperialen Truppen in Gefangenschaft genommen. An Bord eines Weltenverwüsters wird er dabei Zeuge einer grausamen Vermutung: Der Imperator ist nach seinem vermeintlichen Tod zurückgekehrt und auf dem besten Wege, die Galaxis endgültig zu unterwerfen. Skywalker, der einzig verbliebene Jedi neben seiner Schwester Leia, ordnet sich in seiner Ohnmacht dem Imperator unter und verfällt immer mehr der Dunklen Seite. Gleichzeitig versucht er, den Herrscher der imperialen Streitkräfte zu hintergehen und die Befehle seiner Truppen durch Manipulation in die Irre zu leiten.

Leia und Han sind jedoch mit Lukes neuestem Weg nicht einverstanden; sie begeben sich auf den Schmugglerplaneten Byss, wo Solo neben einigen wenigen Freunden auch auf viele alte Gegner trifft, die noch eine Rechnung mit dem Besitzer des |Millenium Falcon| offen haben. Während Luke mit dem Imperator und der eigenen Standhaftigkeit ringt, rasen Han, Leia, Chewbacca und die beiden Droiden von einer Gefahr in die nächste und sehen sich im Kampf gegen das auferstandene Imperium ihrer vielleicht schwierigsten Mission gegenüber.

_Meine Meinung_

Anlässlich des 30-jährigen Jubiläums der berühmten Sternensaga veröffentlichen |Panini Comics| dieser Tage eine der wohl einflussreichsten und erfolgreichsten Comic-Serien, die der „Star Wars“-Kosmos in all dieser Zeit gesehen hat. Allerdings handelt es sich bei „Dark Empire“ gleichzeitig auch um eine sehr umstrittene Mini-Serie, die vor allem von fanatischen Verfechtern der ersten Trilogie sehr kritisch beäugt wird.

In „Das dunkle Imperium“ kehrt nämlich der in „Die Rückkehr der Jedi-Ritter“ eigentlich endgültig vernichtete Imperator zurück und führt so manche Handlung der Kino-Saga ad absurdum. Die Geschichte verliert in der Tat zu Teilen ein wenig von ihrer Glaubwürdigkeit, weil der Verlauf irgendwie erzwungen wirkt und man durch die Umkehrung wichtiger Fakten auf künstliche Weise nach einem Leben nach dem sechsten und letzten Teil der Lukas-Produktionen strebt.

Andererseits ist sicherlich auch nicht von der Hand zu weisen, dass gerade diese Serie überhaupt erst die Basis für die vielen Hintergrundgeschichten aus dem „Star Wars“-Universum ist. Viele Buchtitel wären ohne die Wiederauferstehung des Imperators ebenso wenig möglich wie ein erheblicher Teil der später veröffentlichten Comic-Releases, so dass man über den Inhalt sicherlich geteilter Meinung sein darf, für die Auswirkung all dessen aber letztendlich dankbar sein muss. Es sei denn, man sperrt sich diesbezüglich allen Handlungen außerhalb der cineastischen Variante.

Meiner Meinung nach ist „Das dunkle Imperium“, zumindest dieser erste Teil, auch noch nicht so recht auf dem Standard der moderneren „Star Wars“-Comics. Auch das mag daran liegen, dass ich mich zu Beginn unheimlich schwer damit tat, die fragwürdigen Ereignisse um Luke und den Imperator zu akzeptieren. Dies betrifft sowohl die Wiederkehr als auch den Weg, den der junge Skywalker eingeschlagen hat. Es entsteht nämlich bisweilen der Gedanke, dass man die Serie phasenweise einfach nur rezitiert und Luke in die Fußstapfen von Anakin treten lässt, was aber – so zeigt die manchmal bewusst unschlüssige (und deshalb auch ganz spannende) Handlung – später wieder in die richtigen Bahnen gelenkt wird.

Die Begeisterung, die den Comic einst vor allem in den Staaten zu einem der erfolgreichsten der gesamten Serie hat avancieren lassen, möchte ich daher auch noch nicht teilen, wenngleich ich zugestehen muss, dass mich sowohl Cam Kennedys Zeichenstil als auch der komplexe Aufbau gut unterhalten und schließlich auch überzeugt haben. Aber ob es, wie vielerorts angekündigt, wirklich der elementare Comic aus der Welt von „Star Wars“ geworden ist, wage ich trotz des positiven Gesamteindrucks zu bezweifeln.

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Kammerer, Iris – Wolf und Adler (Tribun 3)

Band 1: [„Der Tribun“ 3536
Band 2: [„Die Schwerter des Tiberius“ 3539

Als Varus zusammen mit drei Legionen vom Verräter und Vertrauten Arminius vollständig vernichtet wurde, ging ein Klagen durch Rom. Verloren waren nicht nur 18.000 Legionäre (mit Hilfstruppen 25.000) sondern auch die Symbole der drei bis auf den letzten Mann verlorenen Legionen.

Germanicus, ein Römer und Freund des Varus, schwört, den Feind und Verräter zu besiegen und die Wahrzeichen der drei vernichteten Legionen heim ins römische Reich zu bringen. Germanien wird überzogen von der Erhebung neuer Truppen, die aus Einheimischen rekrutiert werden. Viele Stämme haben Rom die Treue geschworen; deren Tribut und Treue wird nun eingefordert.

Für die zivile Bevölkerung wird dieser Krieg schrecklich werden. Die römische Armee kennt nur Verbündete oder Feinde, nur Krieg oder Frieden. Ein Schrecken überfällt Germanien und es beginnt die Jagd nach dem Verräter Arminius.

Die Schlachtfelder werden von den Legionen unter Germanicus aufgesucht. Ein erschreckender Anblick eröffnet sich den Heeren des römischen Reiches und dessen Verbündeten. Die Pferde und Fußsoldaten waten in den Knochen der gefallenen Freunde, Verwandten und Soldaten. Sie betreten Opferhaine, in denen die Soldaten zum Tribut und Wohlgefallen der heimischen Götter blutig geopfert wurden. Zeugnis davon künden die menschlichen Knochen und Schädel, welche die Altäre der Germanen zieren.

Brutal und rücksichtslos entbrennt ein Rachefeldzug der Römer. Dörfer der Germanen werden vollständig vernichtet. Gefangene werden kaum gemacht. Der Hass und die Vergeltung überwiegen.

Im dritten Teil der Trilogie von Iris Kammerer, „Wolf und Adler“, geht es primär um den rücksichtslosen Rachefeldzug des römischen Oberbefehlshabers Germanicus, der ehrgeizig und manchmal entgegen jeglicher Vernunft handelt.

_Die Geschichte_

Gaius Cinna, der ein ganzes Jahr lang Geisel eines cheruskischen Fürsten inmitten von Germanien gewesen ist und nach seiner Rückkehr alle Titel und Vorzüge seines väterlichen Namens verloren hat, findet sich als Werkzeug des Germanicus in einem Rachefeldzug gegen die Aufständischen wieder.

Als erfahrener Unterhändler und ehemals Gefangener in der Provinz Germanien ist dieser mit den Bräuchen, der Kultur und der Taktik des Feindes vertraut. Als Kommandeur einer Einheit von einheimischen Truppen steht er zwischen zwei Welten. Verheiratet mit einer Fürstentochter und Vater ihrer Kinder, beißen ihn Gewissensbisse, welche die Einheit und die Liebe zu seiner Frau auf eine harte Probe stellen.

Einerseits strebt Cinna nach Vergeltung für die Schmach und die Schande, die er in dem Jahr der Gefangenschaft erleiden musste, andererseits erkennt er durch genau dieses Wissen, dass der Krieg gegen die germanischen Stämme nicht zu einem endgültigen Sieg führen kann. Zu groß sind die Verluste der Römer und ihrer Verbündeten. Genauso großes Leid erfahren die Zivilisten im germanischen Reich, deren Söhne entweder auf dem Schlachtfeld zum Ruhme Roms fallen oder gar nicht erst wiederkehren.

Cinna verspricht sich von der Teilnahme des Feldzuges die Chance sein Erbe, seine Titel, ja seines Vaters Besitz wieder antreten zu können, aber ist dies der Mühe und Entsagung wert? Seine Frau, verheiratet mit einem römischen Offizier, aber Tochter eines germanischen Fürsten, setzt ihn unwissentlich unter Druck. Für welche Welt, für welche Zukunft kann er sich entscheiden, ohne seine Pflichten gegenüber Rom und Familie zu verletzen oder gar zu brechen?

_Meine Meinung_

Der dritte und letzte Teil der Trilogie rund um den Offizier Gaius Cinna ist sicherlich eine Steigerung gegenüber dem zweiten. In „Wolf und Adler“ beweist Iris Kammerer sie sehr gekonnt ihr Wissen um die römische Besatzung Germaniens und die Kriege, welche diese Region erschütterten.

War der erste Teil durch Einführung und Entwicklung der Hauptperson getrieben, der zweite durch die Festigung der Handlung, so bildet der dritte Teil einen krönenden Abschluss der Erzählkunst rund um Cinna und seine Familie.

Der Krieg in Germanien und Rachefeldzug des Germanicus brachte viel Leid in die Lande der einheimischen Stämme. Bruder gegen Bruder, Vater gegen Vater – die Zustände in einem fast schon bürgerkriegsähnlichen Szenario sind grausam und für beide Seiten vernichtend; nicht nur auf dem Felde, sondern auch in den Herzen der Menschen, der Bevölkerung – durch Vorurteile und vielleicht Entscheidungen, die nur zum Guten des eigenen Stammes getroffen worden sind, bleiben die Prinzipien und die Ehre auf dem Schlachtfeld. Die Einfachen des Volkes sind die eigentlichen Opfer des Krieges und der Gewalt, genauso wie das persönliche Empfinden und das Gewissen.

Iris Kammerer hat sich nach dem für mich eher enttäuschenden zweiten Teil erzählerisch selbst übertroffen. Die Handlung ist plausibel und mitreißend von der ersten Seite an. Nicht nur Kampf und Gewalt sind Bestandteil der Geschichte, sondern vielmehr tragen die Gespräche zwischen den Protagonisten positiv zum Abschluss der Geschichte bei.

Cinnas Konflikte zwischen Vernunft und Gefühl, zwischen Ehre und Gewissen sind einfühlsam und nachvollziehbar beschrieben und fügen der gesamten Handlung einen wichtigen Aspekt hinzu. Seine Zerrissenheit und seine Motivation, seiner Frau jeglichen Wunsch zu erfüllen, bilden den Handlungsrahmen. Iris Kammerer bezieht sich historisch auf viele konkrete Fakten und bringt uns dazu, darüber nachzudenken, wie weit wir persönlich selbst gehen würden, sollten wir uns in einer ähnlichen Position befinden.

_Fazit_

Ein höchst gelungener Abschluss der Geschichte, die sich über drei Bände erstreckt. Zum Schluss bleiben jedoch einige Fragen offen, und fast wünsche ich mir einen vierten Band um den römischen Offizier Gaius Cinna.

Zwar hat sich die Autorin im zweiten Teil „Die Schwerter des Tiberius“ ein wenig in der Historie verrannt, jedoch hat sie es verstanden, in „Wolf und Adler“ Geschichte und Unterhaltung perfekt zu kombinieren.

Der atmosphärisch dichte Roman lässt wenige Fragen offen, und vor dem geistigen Auge läuft die Handlung ab wie bei einem sehr guten Film. Unterhaltung, Information und das Mitfiebern mit der Hauptperson sind perfekt inszeniert.

|Originalausgabe
Taschenbuch, 560 Seiten|
http://www.heyne.de
http://www.iris-kammerer.de/

Haddon, Mark – wunde Punkt, Der

Die Durchschnittsfamilie aus der Vorstadt war in der Vergangenheit schon so manche gute Story wert. Man denke nur an einen Film wie „American Beauty“, der wie kein anderer die piefige Vorstadtwelt porträtiert. Ähnlich kleinbürgerlich, aber eben dennoch gänzlich anders als die Welt von Lester Burnham sieht das Leben von George Hall aus: Zwei-Kinder-Standardfamilie, Vorstadthaus mit Garten – alles in bester Ordnung.

George Hall ist Rentner, aber diese einschneidende Veränderung birgt für ihn scheinbar keine Probleme. Seine Zeit verbringt er damit, an seinem Gartenhäuschen herumzuwerkeln oder dezenten Jazz zu hören. Das Familienleben läuft in geregelten Bahnen, die Kinder sind aus dem Haus, die Gattin Jean pflegt ein außereheliches Verhältnis, von dem er nichts weiß, und die Homosexualität des Sohnes Jamie wird dezent totgeschwiegen.

Doch alles ändert sich mit dem Tag, an dem George in der Umkleidekabine eines Kaufhauses einen seltsamen Fleck an seiner Hüfte entdeckt. Das muss Krebs sein, denkt er und macht sich gleich darauf Gedanken, wie er am unkompliziertesten von dieser Welt abtreten kann, ohne anderen größere Umstände zu bereiten. Mit der Konsequenz, dass er einen Blackout erleidet.

Doch schon zu Hause ereilt den Rentner der nächste Schock: Tochter Katie will zum zweiten Mal heiraten, und das, obwohl ihre Eltern mit ihrem Auserwählten alles andere als glücklich sind. George bekommt auf den Schreck prompt seinen nächsten Blackout. Während Jean sich in die Vorbereitung der Feierlichkeiten stürzt, beginnt George mehr und mehr an seinem Verstand zu zweifeln. Und auch das Krebsgeschwür an seiner Hüfte macht ihm Kummer, führt es ihm doch die eigene Vergänglichkeit vor Augen und zwingt ihn dazu, sich gedanklich auf den Tod einzustellen. Und warum nimmt sein Hausarzt das alles nicht wirklich ernst?

Sohnemann Jamie hat derweil ganz andere Sorgen. Da hat er nun endlich einen festen Freund, aber kann er den auch mit auf eine Vorstadthochzeit im spießbürgerlichen Peterborough mitnehmen? Der Geliebte nimmt im Angesicht des zögerlichen Verhaltens seines Freundes prompt Reißaus, was nicht einer gewissen Ironie entbehrt, da nun auch noch die Hochzeit zu platzen droht. Mitten in dem ganzen Trubel steht George allein und machtlos seinem vermeintlichen Krebsgeschwür gegenüber. Aber er resigniert nicht, und so entscheidet er sich für eine Radikalmaßnahme …

Ein wenig erinnern die chaotischen Halls von Mark Haddon an die nicht minder merkwürdigen Lamberts aus Jonathan Franzens [„Korrekturen“. 1233 Beide Familien sind sonderbar und alltäglich zugleich, und beiden Autoren ist gemein, dass sie mit ihren jeweiligen Romanen außerordentlich unterhaltsame Familienporträts entworfen haben.

Jede Figur hat ihre Macken, und doch wirkt jede auf ihre Art ziemlich normal. George, der Rentner, der kein Mann großer Worte ist, der eigentlich ein so bescheidenes Leben führt und nun auf so eigentümliche Art und Weise aus seinen bisherigen Bahnen ausbricht, ist sicherlich die schillerndste Figur der Geschichte. Seine Charakterisierung nimmt schon gewisse verrückte Züge an, bleibt nichtsdestotrotz aber stets sehr liebenswürdig.

Der Rest der Familie hat auch seine Macken, wirkt dabei aber etwas bodenständiger. Sie alle werden von Problemen im Liebesleben geplagt, und in allen Fällen entblättert Haddon wunderbar nachvollziehbar Motive und Gedanken der Protagonisten. Er wechselt immer wieder die Perspektive, spult die Handlung immer wieder aus neuen Blickwinkeln ab und schafft es auf diese Weise sogar, eine gewisse Spannung zu erzeugen.

Der Leser ahnt, dass alles auf einen unvermeidlichen Höhepunkt zuläuft, eine Katastrophe, in der das Chaos seinen Zenit erreicht. Das ganze Buch, der ganze Spannungsverlauf zielt auf diesen einen Moment ab, und so schafft Haddon es mit Leichtigkeit, den Leser bei der Stange zu halten. Man muss einfach wissen, wie es weitergeht, und so entwickelt sich „Der wunde Punkt“ zu ganz unerwarteter Spannungslektüre.

Haddon bedient sich so gesehen einer sehr geschickten Erzählweise. Was auf den ersten Blick wie ein ganz lockerer Unterhaltungsroman wirkt, zeigt bei genauerer Betrachtung ganz andere Qualitäten. Ein spannend aufgebauter Plot wird mit facettenreichen Figurenskizzierungen und unerwartet tiefen Einblicken in die Abgründe der verschiedenen Persönlichkeiten verquickt – und das glaubwürdig und in sich stimmig.

Eine weitere Qualität ist Haddons wunderbarer Erzählton. Ganz leichtfüßig erzählt er seine Geschichte, locker und unverkrampft. Er streut immer wieder Gags ein und bringt den Leser zum Schmunzeln, baut dabei aber im Laufe der Kapitel auch eine gewisse Dramatik auf. „Der wunde Punkt“ ist eine ausgeglichene und toll erzählt Tragikomödie, die voller Leben steckt und dabei das Kunststück vollbringt, gleichermaßen herrlich skurril, unspektakulär normal und voller ehrlicher Ansichten über das Leben zu sein.

Von Anfang bis Ende schafft Haddon ein stimmiges Romangefüge und eine dichte Atmosphäre. Leichtfüßiger Unterhaltungsroman und tiefgründiges Drama in einem: Haddon gelingt damit ein gewisser Balanceakt, der sich ganz nebenbei wunderbar unterhaltsam liest.

Bleibt unterm Strich ein durchweg positiver Eindruck zurück. Mark Haddon hat mit „Der wunde Punkt“ ein herrlich liebenswürdiges und skurriles Familienporträt abgeliefert, das von der ersten bis zur letzten Seite keine Sekunde Langeweile aufkommen lässt. Wer schon Spaß daran hatte, Jonathan Franzens Lamberts in den „Korrekturen“ zu beobachten, und wer britisch angehauchte Tragikomödien mag, für den dürfte „Der wunde Punkt“ absolut lohnenswerte Lektüre sein.

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Ludwig, Kathrin / Wachholz, Mark – Hofmagier, Der (Das Schwarze Auge: Galotta 1)

_Story_

Im Jahr 975 BF holt Kaiser Reto einen aufstrebenden Weißmagier an seinen Hof: Gaius Cordovan Eslam Galotta soll ihm als sein neuer Hofmagier helfen, das Reich in eine neue, eine goldene Epoche zu führen. Doch der junge Magus muss schnell erfahren, dass er seine beeindruckenden magischen Fähigkeiten nicht nur für seine ungewöhnlichen Forschungen benötigt, sondern auch, um sich im Ränkespiel des Hofes behaupten zu können. Dort bleibt für ihn vor allem die Rolle der Alara Paligan, der Gemahlin von Kronprinz Hal, lange Zeit undurchschaubar.

Als Galotta schließlich von Reto beauftragt wird, ihm eine magische Waffe zu erschaffen, überschlagen sich die Ereignisse: Zunächst sucht er im legendenumrankten Reichsforst nach verborgen lebenden Elfen, deren Wissen ihn bei der Umsetzung seiner Ideen helfen soll. Bald darauf führt ihn seine Forschung sogar auf die lebensfeindliche Insel Maraskan, wo er das erworbene Wissen überprüfen will.

„Der Hofmagier“ ist der erste Teil der Biographie aus dem Leben des G. C. E. Galotta.

_Meine Meinung_

Denkt man an Gaius Cordovan Eslam Galotta, so hat man das Bild des selbsternannten Dämonenkaisers vor Augen: der verbitterte Schwarzmagier und Borbaradianer, kahlköpfig, mit scharlachrot gefärbtem Schädel.

Kathrin Ludwig und Mark Wachholz zeichnen in ihrem Erstlingswerk jedoch ein ganz anderes Bild ihres Protagonisten. „Der Hofmagier“ zeigt Galotta als jungen, langmähnigen Magier, der sich anschickt, zum Convocatus Primus der weißen Gilde gewählt zu werden, das höchste Amt, das diese zu vergeben hat.

Gerade diese Gegensätze bilden einen großen Reiz dieses Buches; es macht Spaß, Stück für Stück den ‚anderen‘ Galotta kennen zu lernen, der allerdings auch schon in jungen Jahren bald die Charakterzüge ausbildet, die ihn später auszeichnen. Sei es sein skrupelloser Umgang mit seinen ‚Versuchstieren‘, den Ikanaria-Schmetterlingen und Kalekken, oder die skrupellose Art, wie er gegen die Elfen im Reichsforst vorgeht.

Ein weiteres spannendes Element des Buches bilden die aventurischen Berühmtheiten, die den Weg Galottas kreuzen. Seien es Kaiser Reto, sein Sohn Hal, Answin von Rabenmund oder Saldor Foslarin, sie alle tragen ihren Teil zur Entwicklung des Protagonisten bei und gerade für Aventurienkenner entsteht so das ein oder andere Aha-Erlebnis.

Aus diesen Persönlichkeiten sticht schließlich eine hervor, die direkt zu Beginn des Buches die eigentliche Schlüsselszene liefert: Nameha ai Tamerlein. Nachdem sich Galotta weigert, ihr Schüler zu werden, schenkt sie ihm eine Prophezeiung, die sein weiteres Leben betrifft und so den Bogen über die Biographie des G. C. E. Galotta spannt. Diese Prophezeiung erfüllt sich nun im weiteren Verlaufe des Buches Stück für Stück, so dass man immer wieder animiert ist, noch einmal zurückzublättern, um sich den genauen Wortlaut anzusehen und dessen genaue Bedeutung zu interpretieren.

Bieten also die Erlebnisse bei Hofe, das Interagieren mit den Mächtigen Aventuriens – allen voran der Prinzgemahlin Alara Paligan – eine sehr spannende und reizvolle Geschichte, so zeigen sich in den Kapiteln im garethischen Reichsforst und auch später auf Maraskan doch einige Längen. Auch wenn die Autoren auf magische Phänomene zu sprechen kommen, wirkt die Beschreibung doch etwas arg an das Regelwerk des Rollenspiels angelehnt; hier setzt man zu sehr auf die exakte Beschreibung von Zaubersprüchen und –gesten, was zuweilen etwas hölzern wirkt. Ein letzter Kritikpunkt sind die Rechtschreibfehler, über die man auffällig oft in diesem Buch stolpert.

_Fazit_

„Der Hofmagier“ ist ein lesenswertes Buch, das für Aventurienkenner eine andere Seite des G. C. E. Galotta aufzeigt, aber auch für DSA-Neulinge eine sehr interessante Geschichte über Aufstieg und Fall eines talentierten Magiers erzählt.

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Ritchey, Adam – Skybridge

_Stein auf Stein_

Eine Brücke durch den Himmel, die gilt es bei „Skybridge“ zu erbauen und anschließend auch noch in seinen eigenen Besitz zu bringen. In diesem strategischen Konstruktionsspiel stehen sich bis zu vier Spieler gegenüber und schlüpfen innerhalb eines taktischen Wettkampfs in die Rolle von Baumeistern bzw. Turmbauern. Mit insgesamt elf Steinen müssen sie sich auf dem Spielbrett einen individuellen Vorteil verschaffen und schließlich die lukrativsten Gebäude mit Hilfe des Turmdachs einheimsen. Wo andere Spiele jedoch massig Material benötigen, um dieses Konzept umzusetzen, reicht dem französischen |Gigamic| ein Repertoire von 44 Holzbausteinen, die gemeinsam mit dem quadratischen Spielbrett sowie dem Regelwerk das Grundmaterial von „Skybridge“ bilden. Doch so schlicht der Aufbau des Spiels, so kompliziert ist auch das Vorgehen und Taktieren in jeder einzelnen Partie …

_Worum es geht_

Elf Steine bekommt ein jeder Spieler auf die Hand und muss sehen, dass er mit ihnen dazu beiträgt, Türme lukrativer zu gestalten, indem man sie erhöht, zwischendurch eine Brücke zu bauen und schließlich auch noch die beiden eigenen Türme mit dieser Brücke zu verbinden. Dies wäre zumindest der Idealfall, der jedoch in einem Spiel zweier oder mehrerer gleichstarker Gegner kaum umzusetzen ist. Und dennoch: Ziel des Spiels ist es, nach Möglichkeit die höchsten Türme mit seinen Dächern abzuschließen und dabei möglichst auch eine eigene Brücke zu integrieren; Letztere garantiert nämlich doppelte Punktzahlen in der Endabrechnung und ist damit auch der Schlüssel zum Erfolg.

_Spielaufbau_

Vor jeder Partie erhält jeder Spieler die elf Steine seiner Farbe; sollte man indes nur zu zweit spielen, werden jedem Spieler zwei Farben zugeordnet, wohingegen auch im Spiel zu dritt die übrigen Steine noch weitestgehend auf die Mitspieler verteilt werden. Anschließend wird auch schon der Startspieler ausgelost, von dem ausgehend nun reihum jeder Spieler pro Runde jeweils einen Stein aufs Spielbrett setzt. Allerdings gilt es hierbei eine Vielzahl von Regeln zu beachten.

Zu Beginn kann man zum Beispiel noch auf jeden beliebigen der neun Startsockel den ersten Stein platzieren. Doch schon bald wird es knifflig, denn man muss einen neuen Stein immer auf den tiefsten freien Platz setzen und dabei auch noch beachten, dass sich gleichfarbige Steine nicht berühren dürfen. Eine Ausnahme besteht dann, wenn der niedrigste Ort von einer eigenen Farbe bestimmt wird; dann darf man gezwungenermaßen auf den nächst höheren Platz ausweichen. Brücken dürfen dementsprechend auch nur auf zwei exakt gleich hohe, nicht abgeschlossene Türme gebaut werden, sofern die zuvor genannten Regeln dabei erfüllt bleiben. Sobald es jemandem gelingt, eine Brücke zu platzieren, verbindet er mit ihr zwei Türme und verdoppelt damit auch die Punktzahl in der Schlusswertung. Beide Türme werden von ihrem späteren Besitzer komplett gewertet und dies sogar noch mal doppelt, wenn man auf beide Türme einer eigenen Brücke auch ein eigenes Dach baut.

Das Spiel wird nun so lange fortgesetzt, bis entweder alle Steine aufgebraucht sind oder kein weiterer mehr angelegt werden kann. Sollte dies der Fall sein, wird bereits gewertet – normalerweise ist dies bereits nach einer knappen Viertelstunde der Fall.

_Die Wertung_

Nachdem alle Türme gebaut sind und die Bauphase abgeschlossen ist, kommt es zur Schlusswertung, in der jeder Spieler nun genau diejenigen Steine bewerten darf, die sich unmittelbar in der Reihe unter seinem Dach befinden. Jeder quaderförmige große Stein bringt dabei drei Punkte, jeder quadratische Stein zwei und ein Brückenteil einen Punkt. Das Dach ist hingegen wertlos und lediglich Symbol für den Abschluss des Turmbaus. Wer unter einem Dach eine eigene Brücke angebunden hat, darf auch den mit der Brücke verbundenen Turm mitwerten und so die eigene Punktzahl enorm hochtreiben. Gewinner ist schließlich derjenige, der am geschicktesten gebaut und somit die meisten Punkte einkassiert hat.

_Meine Meinung_

Nach den ersten Spielrunden zu zweit war ich zunächst ein wenig skeptisch, weil sich mir nicht erschließen wollte, mit welchen Taktiken man an besten an das Spiel herangeht. Weil man manchmal dazu verdammt ist, seinen Stein an genau eine Stelle zu setzen, hat man aber auch selten Gelegenheit, im Voraus großartig zu planen und muss sich Runde für Runde an die Gegebenheiten des Spielfelds anpassen. Erschwerend kommt hinzu, dass eine Partie „Skybridge“ sich bereits mit den ersten Spielzügen entscheiden und man später kaum noch reagieren kann. Ist bereits ein Stein falsch gesetzt, bedeutet das meistens schon das frühe Aus im Kampf um den Sieg. Genau hier sehe ich dann auch den Schwachpunkt von „Skybridge“; es ist zwar erstrebenswert, im Spiel keine Fehler zu machen, aber man sollte doch Gelegenheit bekommen, eine kleine Unachtsamkeit wieder ausbügeln zu können. Dies wiederum ist beim Turmbauspiel von |Gigamic| kaum noch möglich, es sei denn, die Gegner machen ebenso schwere Fehler und führen unbewusst eine ausgleichende Gerechtigkeit herbei – was aber wiederum eher selten der Fall sein wird, wenn man bereits die ersten Voraussetzungen für einen Erfolg erfüllt hat.

Andererseits, und damit wären wir eigentlich vorwiegend beim Spiel mit der maximalen Spielerzahl, kann eine Partie auch verdammt spannend werden, vor allem, wenn die Brücken erst recht spät ins Spiel kommen. Stets ist man dann bemüht, den jeweils nächsten Spieler in der Reihe am Platzieren des Brückensteins zu hindern, der eventuell schon so etwas wie eine Vorentscheidung herbeirufen könnte – es sei denn, die Gegner spielen destruktiv und setzen sofort eines ihrer Dächer auf die Brücke. Der 4-Spieler-Modus bietet dementsprechend auch den größten Reiz von „Skybridge“, weil hier kleinere Fehler nicht sofort und unausgleichbar bestraft werden. Es kann nämlich konträr dazu schon richtig frustrierend sein, wenn man bereits nach wenigen Runden (zum Beispiel zu zweit) weiß, dass man eigentlich schon verloren hat und jeder weitere Spielzug eigentlich sinnlos ist.

Die Idee hinter dem Spiel gefällt abseits der Kritik ganz gut, scheint nur nicht bis ins letzte Detail durchdacht. „Skybridge“ macht Spaß, wenn das Spielerniveau auf ungefähr einem Level ist, wird jedoch schnell langweilig, wenn man die Erfahrung machen muss, dass man schon lange vor Ende des Spiels keine Chance mehr hat. In diesem Fall muss man zwar nie lange ausharren, aber wirklich motivierend ist nach einiger Zeit selbst diese Aussicht nicht mehr. Dass „Skybridge“ dennoch ab und zu auf den Tisch kommen wird, hat das Spiel der Beharrlichkeit zu verdanken, die bei der Analyse sinnvoller Spielmechanismen aufgebracht wurde. Hierbei wurden nämlich des Öfteren einige spannende Wettkämpfe ausgetragen, die irgendwann stetig Lust auf mehr machten.

Das endgültige Fazit ist deshalb auch leicht zwiegespalten: Einerseits gibt es einige deutliche Mängel, was die Konzeption des Spiels betrifft, andererseits kann der Turm- und Brückenbau auch bis zum letzten Spielzug spannend sein und auch eine Menge Spaß machen. Ich empfehle daher, bei nächster Gelegenheit mal einen Selbsttest durchzuführen und später zu entscheiden, ob „Skybridge“ etwas fürs heimische Spielregal sein könnte.

Ein letztes Wort noch zum Spielmaterial: In Sachen Optik, Stabilität und Handling sind die Steine sicherlich Referenzklasse; und dennoch ergaben sich einige Schwierigkeiten, weil in höheren Etagen leichte Unebenheiten festzustellen waren. So wusste man letztendlich nicht genau, ob eine Brücke trotz Schieflage legitim gebaut werden darf oder ob es tatsächliche eine Höhendifferenz zwischen den hierfür benutzten zwei Türmen gibt. Und das ist auch so eine Sache, die bestätigt, dass manche Details nicht konsequent ausgearbeitet wurden.

http://www.proludo.de/
[Gigamic]http://www.gigamic.com/result__tag.php?tag=skybridge

Cathala, Bruno / Maublanc, Ludovic – Kleopatra und die Baumeister

_Vorgeschichte_

Kleopatra hat einen Preis für den schönsten Palast ausgesetzt und lockt zahlreiche Baumeister nach Alexandria. Derjenige, der das schönste Modell entwirft, soll in Reichtum baden und die volle Gunst der ägyptischen Königin genießen. Dieser Anspruch entlockt den ansässigen Baumeistern den größten Ehrgeiz; in einer erbitterten Fehde wetteifern sie darum, als der Beste ihrer Art anerkannt zu werden. Dabei ist jedes Mittel recht: nächtliche Orgien, verbotene Rituale und sogar Kontakte zur Unterwelt werden den Baumeistern nachgesagt. Als schließlich auch noch Hieroglyphen und Amulette auftauchen, die dem Krokodil-Gott Sobek geweiht sind, scheint der Skandal perfekt.

Gelingt es den Baumeistern, die Schmach über ihren Ruf auszumerzen und einen unter ihnen auszumachen, der als Bester seines Faches den verdienten Ruhm erlangt? Oder wird die gesamte Gilde in den Mägen der gefürchteten Krokodile landen? Bei so viel Korruption und derart lukrativen Aussichten kann nämlich kaum jemand widerstehen …

_Kleopatra – die neue Zugkraft von |Days of Wonder|?_

Auf der letzten Spielmesse in Essen dominierten auf der großen Ausstellungsfläche zwei brandneue Titel aus dem Verlagsprogramm; zum einen das heiß ersehnte, jedoch nur in einer Rohfassung spielbare Tabletop „Battlelore“, und zum anderen das frischeste Familienstrategiespiel „Kleopatra und die Baumeister“. Während sich die beiden Spiele inhaltlich noch sehr weitläufig voneinander unterscheiden, hatten sie gerade letzten Oktober in Essen eines gemeinsam: Beide waren sie unheimliche Publikumsmagneten und auf den Spieltischen stets ausgebucht. Drei Tage lang habe ich beharrlich versucht, zumindest einmal einen aktiven Überblick über das Spielprinzip des Pyramidenspiels zu erhaschen, doch leider vergeblich. Es scheint also so, als ob |Days of Wonder| neben (im wahrsten Sinne des Wortes) zugkräftigen Titeln wie [„Zug um Zug“ 3128 mal wieder ein echtes Saisonhighlight aufgenommen haben, das – so durfte ich nun endlich auch selber feststellen – jeglichen Zuspruch auch völlig verdient hat.

_Worum es geht_

Kleopatra ruft ihre Baumeister zum Wettbewerb auf und fordert einen kompletten Neubau ihres Palastes. Insgesamt fünf Artefakte, bestehend aus unterschiedlichen Bauelementen, müssen angebracht werden, um die Königin zufrieden zu stellen. Allerdings ist Eile angesagt, denn die Konkurrenz schläft nicht und sammelt ebenfalls wichtige Talente, die schließlich auch für den Sieg ausschlaggebend sind. Sobald nämlich der Rahmen des Palastes mit sämtlichen Verzierungen, der Sphinx und zu guter Letzt dem Königinnenthron erbaut wurde, zählt nur noch der gesammelte Reichtum. Wer nämlich mit der Zeit die meisten Talente angesammelt hat, wird am Ende zum Sieger erklärt. Es sei denn, er ist das schwarze Schaf unter den korrupten Baumeistern. Derjenige nämlich, der im Laufe der Bauphase die meisten Korruptionsmarker entrichtet hat, wird von der Königin verstoßen und den Krokodilen zum Fraß vorgeworfen.

_Spielmaterial_

Wie gehabt, wird auch bei „Kleopatra und die Baumeister“ sowohl quantitativ als auch ganz besonders qualitativ ordentlich geklotzt. Die Schachtel ist randvoll gefüllt mit Karten, Bauteilen und Markern. Dies setzt sich wie folgt zusammen:

• Spielplan ‚Der Garten des Palastes‘
• Spielplan ‚Der Platz der Sphinx‘
• 12 Mosaike der Götter
• 9 Säulenwände
• 6 Sphinxe
• 2 Türrahmen
• 2 Obelisken
• 1 Thron & 1 Sockel
• 10 Anubis-Statuen
• 1 Kleopatra-Figur
• 75 Ressourcenkarten
• 25 Korruptions-Ressourcenkarten
• 5 Korruptionspyramiden
• 11 Charakterkarten korrupter Personen
• 89 Korruptionsamulette
• 15 Händler vom Nil
• 108 Talente zu unterschiedlichen Werten
• 1 Altar des Hohepriesters
• 5 Würfel

In Sachen Materialqualität sind |Days of Wonder| derzeit wirklich marktführend. Wo an anderer Stelle empfindliche Plastikminiaturen und leicht biegsamer Pappkarton verwendet werden, setzt der französischstämmige Verlag auf robuste und dennoch sehr schön designierte Spielmittel, die neben den Vorzügen hinsichtlich der Spielbarkeit auch optisch einiges zu bieten haben. „Kleopatra und die Baumeister“ ist in dieser Entwicklung bis dato die Spitze des Eisbergs; tolle Bauelemente, wunderschöne Karten und generell sehr authentisch gestaltetes Material. Wer auf inhaltlichen, systematischen Bombast steht, wird hier zweifelsohne sehr gut bedient!

_Die Vorbereitung_

Entsprechend der Menge des Spielmaterials dauert es eine Weile, bis das Spielfeld komplett aufgebaut ist. Vor der ersten Runde ist man zudem damit beschäftigt, die vielen Pappteile aus den Stanzbögen zu lösen.

Bei „Kleopatra und die Baumeister“ wird die Schachtel ins Spiel integriert. Auch hier wird Wert auf Authentizität gelegt, was man spätestens dann bemerkt, wenn man den Boden der Verpackung umdreht, darauf den Garten platziert und das Gesamtbild mit all den Verzierungen auf dem Karton auf sich wirken lässt. Hat man dies erledigt, platziert man das zweite Spielfeld mit dem Platz der Sphinx vor das Spielfeld auf dem Tichboden und setzt davor den Altar des Hohepriesters.

Um das Spielfeld herum wird schließlich das gesamte Ergänzungsmaterial gelegt, sprich die Talente, Korruptionsamulette, die fünf Würfel und auch die Bauelemente. Die Mosaiken der Götter werden anschließend gemischt und ebenfalls an den Rand der Spielfläche gelegt. Sobald sie später zum Einsatz kommen, ist der aktive Spieler gezwungen, sich von diesem Nachziehstapel das oberste Mosaik zu nehmen, ganz gleich, ob andere vorteilhafter sind. Als Letztes wird nun die Kleopatra-Figur auf das Startfeld am Platz der Sphinx aufgestellt. Sobald ein kompletter Teil des Palastes gebaut wurde, zieht sie schließlich eines der insgesamt fünf Felder vorwärts.

Nun werden die einzelnen Spieler mit Material bestückt. Jeder erhält die beiden Anubis-Statuen sowie die Händler vom Nil in seiner Farbe, eine Korruptionspyramide und fünf Talente. Dann muss nur noch der Kartenstapel gemischt werden. Alle Karten werden in genau zwei gleichwertige Haufen unterteilt, einer offen und einer verdeckt abgelegt. Anschließend werden sie genau so miteinander vermischt, das heißt, offene und verdeckte Karten ergeben genau einen Stapel. Die drei obersten Karten werden nun neben diesen Gesamtstapel gelegt, egal ob verdeckt oder offen. Nach dieser umfassenden Vorbereitung kann es nun endlich vorwärts gehen.

_Ein Spielzug_

Das Spiel wird im Grunde genommen nur an zwei Orten ausgetragen, nämlich auf dem Markt und im Steinbruch. In jedem Spielzug muss sich der Spieler entscheiden, wo er nun aktiv wird, und ist sogar verpflichtet, eine Aktion auszuführen.
Fällt die Entscheidung auf den Markt, geht man wie folgt vor:

Zunächst wählt er einen der drei Marktstände und nimmt alle dort befindlichen Karten auf die Hand. Zu Beginn des Spiels befindet sich dort jeweils eine Karte, doch sobald man an einem Marktstand nachgezogen hat, wird jeder einzelne um eine Karte erweitert. Es ist also möglich, dass zu einem späteren Zeitpunkt recht viele Karten in einer solchen Aktion verfügbar sind, was jedoch nicht dringend von Vorteil sein muss. Wichtig ist nämlich, dass man nur maximal zehn Karten zur gleichen Zeit besitzen darf. Wird diese Zahl überschritten, muss man seine Kartenhand wieder auf das Höchstlimit reduzieren und ein Korruptionsamulett in seine Pyramide werfen, oder aber man behält alle gewünschten Karten und zahlt für jede überschüssige eines dieser Amulette.
Wurde nun ein Marktstand geleert und anschließend alle wieder aufgefüllt, ist der Zug bereits zu Ende.

Im Steinbruch kann der Spieler indes Bauelemente des Palastes erwerben und sie anschließend auch sofort anbringen. Hierzu benötigt er individuell verschiedene Ressourcenkarten bzw. Händler vom Nil, denen eine Jokerfunktion zukommt, und legt sie nach dem Kauf auf den Ablagestapel am Markt. Das erworbene Element wird nun an die vorhergesehene Stelle angebaut. Taktieren kann man dabei mit den einzelnen Säulenwänden. Sie bringen zwar anfangs nur wenige Talente ein, erbringen aber noch Zusatzpunkte, wenn sie an ein bereits angelegtes Mosaikstück angrenzen. Lukrativ wird es, wenn man gleich mehrere Elemente erwirbt und anbaut: dann werden nämlich noch weitere Bonustalente vergeben, nämlich zwei für ein zweites Bauteil und gleich fünf für ein drittes Element.

Sollte ein angelegtes Bauelement das letzte seiner Art sein, ist ein Hauptteil des Palastbaus abgeschlossen, und Kleopatra wird ein Feld weiter vorgesetzt. Eine besondere Regel gilt für den Bau der Mosaikstücke; der aktive Spieler ist verpflichtet, das obere Mosaikteil vom Stapel zu verwenden, wenn er ein solches bauen möchte. Wenn es ihm dabei gelingt, mit diesem Moaik ein Feld so einzugrenzen, dass dort kein weiteres Mosaik mehr eingesetzt werden kann, darf er eine Anubis-Statue auf die freie Fläche des Palastgartens setzen und dort ein Heiligtum errichten. Dies ist besonders für das Ende des Spiels wichtig, denn für jedes freie Feld eines Heiligtums darf man später wieder ein Korruptionsamulett aus seiner Pyramide entfernen.

Zum Abschluss des Steinbruchbesuchs wird schließlich noch mit allen fünf Würfeln gewürfelt. Jeder Würfel, der das Symbol des Hohepriesters anzeigt, wird sofort auf den Altar des Hohepriesters gelegt. Wenn dann im Laufe des Spiels irgendwann alle Würfel dort gelandet sind, muss ein Opfer dargebracht werden. Jeder Spieler nimmt nun verdeckt eine von ihm bestimmte Anzahl von Talenten in die geschlossene Faust. Gleichzeitig werden nun alle Angebote aufgedeckt und miteinander verglichen. Jeder Spieler verliert sofort die eingesetzten Talente, jedoch wird derjenige mit dem höchsten Einsatz auch wieder belohnt; er darf nämlich gleich drei Korruptionsamulette abgeben. Die Spieler auf den nachfolgenden Rängen müssen hingegen je nach Gebot eines oder mehrere Amulette in ihre Pyramide zahlen. Die Würfel werden daraufhin wieder ‚befreit‘ und ab der nächsten Runde erneut verwendet.

_Ende des Spiels_

Wenn alle Bauelemente an den Palast angebracht wurden und Kleopatra auf ihrem Weg zum Thron bis zum Ende vorangeschritten ist, endet das Spiel. Nun wird als Erster derjenige mit den meisten Korruptionsamuletten ausfindig gemacht. Zusätzlich zu den bereits vorhandenen Amuletten erhält man für jede Korruptions-Charakter- und –Ressourcenkarte, die sich noch im eigenen Besitz befindet, ein zusätzliches Amulett. Unabhängig von der Anzahl seiner Talente wird der korrupteste Spieler sofort disqualifiziert, weil Kleopatra mit solchen Schergen nichts zu tun haben möchte. Erst anschließend werden die Talente miteinander verglichen und dadurch auch der Sieger ermittelt.

_Meine Meinung_

Was soll ich sagen: Die beiden Spieldesigner Bruno Cathala und Ludovic Maublanc haben wirklich jeden Aspekt bedacht, der das Spiel zum einen taktisch und strategiebetont erscheinen lässt, andererseits aber auch vollkommen familientauglich macht. „Kleopatra und die Baumeister“ ist nämlich recht leicht zu verstehen und auf den ersten Blick gar nicht mal so komplex, in Anbetracht der vielen Zugalternativen und all der Dinge, die man bei der langfristigen Planung berücksichtigen muss, aber dennoch recht anspruchsvoll. Blind sammeln und bauen ist zum Beispiel nicht die siegbringende Strategie, weil man auch immer die Korruptionsamulette vor Augen haben muss, die einem beim sicher geglaubten Sieg noch das Genick brechen können.

Doch all das Taktieren beginnt schon beim ‚Einkauf‘ auf dem Markt. Soll man einfach den großen Haufen nehmen und dabei auch eventuelle Schäden in Kauf nehmen, oder doch lieber geduldig Schritt für Schritt die benötigten Ressourcen aufgreifen? Lohnt es sich, einen korrupten Charakter aufzunehmen? Oder riskiert man lieber doch nicht zu viel?

Im Steinbruch sieht es im Grunde genommen ähnlich aus: Man kann sicherlich sofort die tollsten Dinge bauen, aber es lohnt sich ebenso, abzuwarten und möglicherweise doppelt oder gar dreifach zuzuschlagen. Dies geht zwar meist mit dem Einsatz von Korruptionsamuletten einher, lohnt aber bei entsprechender Risikobereitschaft bei der Vergabe von Talenten ungemein.

Natürlich ist auch der Faktor Glück nicht zu unterschätzen, denn schließlich hängt viel davon ab, wie der Markt bestückt ist, wenn man selber am Zuge ist. Möglicherweise hat der Vordermann einem schon die am meisten erforderlichen Karten weggeschnappt, was sich partiell gleich verheerend auswirken kann. Spart man zum Beispiel auf das letzte Teil eines spezifischen Bauteils und muss dann realisieren, dass jemand anders schneller ist, kann das schon ziemlich ärgerlich sein. Aber es sind ja schließlich auch solche Momente, die Spiele wie dieses beleben.

Das Schöne ist indes, dass jede Partie komplett anders verlaufen kann, weil es unheimlich viele mögliche Strategien gibt und man genau abwägen muss, wie viel Risiko man spielen kann bzw. wann besser Vorsicht geboten ist. Man geht nämlich häufig erst mal vom Irrglauben aus, dass lediglich die Talente entscheiden, und rennt dann ins offene Messer wegen einer zu großen Zahl Korruptionsamulette. Übervorsichtig zu sein, bringt hingegen auch nichts, denn so wird man nie sonderlich viele Talente ergattern. Der Langzeitspaß ist jedenfalls gesichert, zumal eine Partie in rund einer Dreiviertelstunde gespielt sein kann und man „Kleopatra und die Baumeister“ somit sowohl als Vorspeise als auch als Hauptgang servieren kann. Für meinen Geschmack hat der Verlag mal wieder genau den Nerv des Publikums und im Speziellen natürlich meinen eigenen getroffen und ein in jeglicher Hinsicht großartiges Spiel in den Vertrieb genommen. Unter all den Neuheiten der Spiel ’06 gehört dieser Titel jedenfalls ganz sicher zu den Schmuckstücken und wird dementsprechend ohne jedwede Einschränkung empfohlen.

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Kammerer, Iris – Schwerter des Tiberius, Die (Tribun 2)

Band 1: [„Der Tribun“ 3536

Bei der Schlacht zwischen Römern und Germanen im Teutoburger Wald in der Nähe von Kalkriese im Osnabrücker Umland gehen die Archäologen und Geschichtsforscher derzeit davon aus, dass bis zu 25.000 Menschen allein auf römischer Seite ihr Leben lassen mussten.

Drei ganze Legionen des römischen Senators und Statthalters wurden vernichtet, und die römische Besatzung zog sich nach dieser Niederlage zurück. Cäsar Augustus war bestürzt über diese Niederlage und verlangte umgehende Aufklärung und Stabilisierung der Grenzen nach Germanien. Höchste Priorität hatte auch die Ergreifung des germanischen Offiziers und Verräters Arminius, der in den Hilfstruppen der Legionen diente. Ein Fürstensohn der Cherusker, der sich der römischen Herrschaft unterworfen hatte und perfekt militärisch ausgebildet wurde.

Dieser Arminius einigte mit falschen Versprechen einige wichtige Stämme in Germanien und lockte Varus, der ihm vertraute, mitsamt seinen Legionen in eine tödliche Falle, aus der es kein Entkommen gab.

Augustus war es ein Gräuel und eine Schande, seine Truppen zurückziehen zu müssen und die Gefallenen auf dem Schlachtfeld zu wissen. Er ist nicht gewillt, die Provinz Germanien ihrem Schicksal zu überlassen und beauftragt seinen Oberbefehlshaber damit, den Verräter Arminius zu fangen und dem Volk und Senat von Rom zu übergeben.

_Die Geschichte_

In „Die Schwerter des Tiberius“, dem zweiten Teil der historischen |Tribun|-Trilogie von Iris Kammerer, bilden genau diese theoretischen Pläne des Kaisers die Grundlage des Romans.

„Die Schwerter des Tiberius“ knüpft logisch genau in der Handlung dort an, wo „Der Tribun“ endete. Ein Jahr war der ehemals römische Tribun Gaius Cinna die Geisel eines germanischen Fürsten. Als die Situation sich zuspitzte und Cinna Gefahr lief, Arminius ausgeliefert zu werden, setzten sich seine Bewacher für ihn ein und retteten ihm somit das Leben. In den letzten Monaten der Gefangenschaft wurde Gaius Cinna mehr Freund als Geisel, mehr Lehrer und Verbündeter. Als die Situation zwischen den uneinigen Stämmen eskalierte, nutzte Cinna zusammen mit Sunja, der Tochter des germanischen Fürsten, die Chance und flüchtete zu den weit entfernten Vorposten der römischen Legionen.

Doch nach seiner Rückkehr muss sich Cinna im römischen Heer völlig neu behaupten. Er wurde in seiner Abwesenheit für tot erklärt, sein Vater, der dem Kaiser nicht unbedingt die Treue geschworen hat, starb und hinterließ keinen Erben. Somit konnte Cinna keinen Titel, keinen Besitz und keinen ehrbaren Namen direkt in Anspruch nehmen, da der Besitz seines Vaters nach dessen Tode automatisch auf den Kaiser überging.

Mittellos und ehrlos, zudem noch in den römischen Augen mit einer Barbarin verheiratet, ist er ganz allein auf die Gnade des römischen Oberbefehlshaber Tiberius angewiesen. Tiberius zwingt Cinna, ihm als Unterhändler zu dienen, denn alleine mit seinem Wissen um die Kultur und die Denk- und Lebensweise der Germanen ist dieser dem römischen Heer eine große Hilfe.

_Meine Meinung_

Im zweiten Roman von Iris Kammerer steht der römische Offizier wieder im Mittelpunkt der Handlung und stellt die logische Verbindung zu „Der Tribun“ her. Zweifellos überzeugt „Die Schwerter des Tiberius“ mit seiner auf Fakten beruhenden Erzählung von den Vergeltungsplänen der Römer. Wie auch schon im ersten Teil, muss man Iris Kammerers Gespür für die historische Genauigkeit Respekt schulden. Schauplätze und Regionen, Städte und Kultur, Militär und Leben der damaligen Bevölkerung, egal ob es nun die Römer oder die Germanen sind – all diese Details wurden perfekt in die Handlungsstränge mit aufgenommen und dem Leser verständlich erklärt.

Die Spannung allerdings hat spürbar im Gegensatz zum ersten Teil nachgelassen. Die Handlungsorte wechseln meiner Meinung nach zu stark, so dass die Einzelschicksale der Charaktere nicht vollständig zur Geltung kommen. Iris Kammerer hat es sicherlich nur gut gemeint, aber oftmals hatte ich den Eindruck, sie verrenne sich in viel zu viel geschichtlichen Details und in der Politik der damaligen Zeit. Ein Spannungsbogen, der sich langsam entwickelt, war für mich in diesem Roman leider nicht erkennbar.

Das Familienleben und die Schwierigkeiten mit der daraus resultierenden Situation sind ein immer wiederkehrendes Thema in diesem zweiten Band. Hier hätte es gut getan, sich wesentlich mehr für den Schauplatz der politischen Lage zu entscheiden als sich mit Familienfehden und Streitigkeiten zu befassen. Besondere und positive Aufmerksamkeit wurde den Pläne des Tiberius gewidmet; diese Gespräche zwischen den römischen Offizieren und dem Oberbefehlshaber in Germanien selbst waren höchst interessant und spannend erzählt.

Sicherlich ist die Geschichte des Volkshelden Arminius literarisch schon öfter ausgearbeitet worden, sei es nun in Form eines Romans oder in geschichtlichen Abhandlungen. Und meistens wurde die Person des Befreiers Arminius als durchweg positiv geschildert. Iris Kammerer ist es gelungen, die Persönlichkeit des Arminius zwar historisch belegt korrekt zu beschreiben, doch verzichtet sie auf das genreübliche Klischee von Gut und Böse in der Studie der Charaktere. Ein Jeder muss sich ein eigenes Urteil über diesen Cherusker-Fürsten bilden; für den einen eine Art von Freiheitsheld, der das germanische Volk vom Joch der römischen Tyrannei befreit hat, für den anderen ist er wohl nur ein meineidiger Verräter, der keinem Volk wohl wirklich uneigennützig gedient hat, sondern nur seinem persönlichen Ehrgeiz. Und genau diese Charakterstudien bilden die absoluten Pluspunkte in diesem Band.

_Fazit_

Seien wir gespannt auf den dritten und letzten Teil der Trilogie. Der erste Roman von Iris Kammerer, „Der Tribun“, war insgesamt spannender und überzeugte mich mehr. „Die Schwerter des Tiberius“ ist sicherlich kein schlechter Roman, kein uninteressanter Nachfolger einer erfolgreichen Geschichte, obwohl ich häufiger den Eindruck hatte, die Autorin verrenne sich und finde den roten Faden nicht wieder. Historisch ungemein sauber und fesselnd geschrieben, ist der zweite Band also durchaus zu empfehlen und macht neugierig darauf, wie es weitergeht, nicht nur mit der Figur des Gaius Cinna, sondern auch mit seinem Widersacher und Erzfeind Arminius.

Originalausgabe
Taschenbuch, ca. 560 Seiten
http://www.heyne.de
http://www.iris-kammerer.de/

James Lee Burke – Weißes Leuchten [Dave Robicheaux 5]

In einem US-Südstaaten-Nest gerät eine zwielichtige Geschwisterschar ins Visier der Mafia. Ein Polizist gerät in ein altes, gut abgehangenes Geheimnis um Mord, Wahnsinn, Rache und Schuld, das ihn mit in den Strudel des Verderbens zu ziehen droht … – Der fünfte Fall von Dave Robicheaux ist erneut ein Meisterwerk des modernen Thrillers. So wichtig wie der gut konstruierte Plot ist die Louisiana-Hitze, die Leidenschaften kochen und altes Unrecht reifen lässt, bis die Eiterblase platzt: uneingeschränkte Leseempfehlung.
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