Archiv der Kategorie: Rezensionen

Katzenbach, John – Opfer, Das

Nachdem John Katzenbach sich im letzten Jahr mit seinen beiden Thrillern [„Die Anstalt“ 2688 und „Der Patient“ einen Namen gemacht hat, ist er nun mit einem neuen Werk am Start: „Das Opfer“. Wieder ein Psychothriller, nur kommt diesmal kein Psychiater drin vor, wie in den beiden Vorgängerwerken. „Das Opfer“ bedient sich einer Thematik, die schon durch ihren aktuellen Bezug besticht: Stalking.

Der Geschichtsprofessor Scott Freeman findet im Zimmer seiner Tochter Ashley einen Brief, der böse Vorahnungen weckt. |“Keiner könnte dich jemals so lieben wie ich, weder heute noch irgendwann. Wir werden für immer zusammen sein – so oder so.“| – so lauten die Zeilen eines unbekannten Verehrers.

Wie richtig er mit seiner Vorahnung liegt, kann er noch nicht wissen. Auch die Kunstgeschichtsstudentin Ashley ahnt davon noch nichts. Angeheitert und aus einer spontanen Laune heraus, hat sie sich ganz gegen ihre Art auf einen One-Night-Stand eingelassen – mit dem Computerfreak und gerissenen Kleinkriminellen Michael O’Connell. Und genau der lässt sie anschließend nicht mehr in Ruhe.

Was zunächst einfach nur lästig ist, beginnt mit der Zeit, Ashley Angst zu machen. Verwelkte Blumen vor ihrer Tür, massenhafte E-Mails und das ständige Gefühl, verfolgt zu werden, machen ihr schon bald Sorgen. Als Ashley die Sache zu unheimlich wird, vertraut sie sich ihrer Familie an. Vater Scott und Mutter Sally, die Rechtsanwältin ist, suchen nach einem Ausweg, doch was sie auch versuchen, es scheint Michael nur noch mehr anzustacheln.

Michaels Nachstellungen arten in reinen Psychoterror aus und gnadenlos räumt er jedes Hindernis aus dem Weg, das ihm den Zugang zu Ashley versperrt. Schon bald droht die ganze Sache zu eskalieren und die Familie Freeman in ihrem dunklen Sog zu verschlingen – ein Katz-und-Maus-Spiel auf Leben und Tod …

Stalking ist ein durchaus brisantes Thema, das sich hervorragend als Stoff für einen Psychothriller eignet. Der Verfolger, der sich nicht abschütteln lässt und aus obsessiver Liebe heraus seinem Opfer den Alltag zur Hölle macht – das verspricht Spannung und Schauder zugleich. Vor allem ist ein Thriller um das Thema Stalking auch ein Lehrstück, das zeigt, wie verwundbar der Mensch ist, wie leicht ein Leben zur Qual werden kann, wenn sich jemand darin einmischt und wie wenig es braucht, damit Liebesbeteuerungen zu Psychoterror werden.

Dabei ist der Psychoterror selbst oftmals ein ganz subtiler. Und genau darum tun sich Gesetzgeber und Justiz so schwer damit, Stalking als das Verbrechen anzuerkennen, das es ist. Auch Ashley sieht sich mit dieser Problematik konfrontiert. Die Bedrohung durch einen Stalker ist (solange er keine nennenswerten Gesetzesüberschreitungen begeht) eine eher diffuse. Drohungen werden kaum konkret ausgesprochen, aber sie liegen dennoch auf der Hand, wenn auch in chiffrierter Form.

All diese Erfahrungen macht auch Ashley, wobei sie das Pech hat, obendrein an einen äußerst gerissenen und gefährlichen Psychopathen geraten zu sein. Michael ist intelligent und geduldig genug, um in Ashleys Leben jede Menge Schaden anzurichten, und er ist clever genug, um das Ganze so geschickt einzufädeln, dass seine Schandtaten kaum auf ihn zurückzuführen sind.

Ashleys Familie neigt zunächst dazu, die Gefahr, die von Michael ausgeht, zu unterschätzen. Lange Zeit sehen sie nicht, wie gefährlich die Lage für sie ist, und als sie es erkennen, ist es fast schon zu spät. Michael ist ein mächtiger Gegner, und zu beobachten, wie er seine Schachzüge vorbereitet und ausführt, sorgt schon für sich genommen für reichlich Spannung.

Katzenbach geht den Roman von Anfang an spannend an. Ständige Perspektivenwechsel zwischen den Protagonisten, eine Erzählweise, die versetzt über zwei Zeitebenen immer auch schon einen kleinen Blick in die Zukunft wirft und dabei dezente Andeutungen bevorstehender Ereignisse im gegenwärtigen Erzählstrang einstreut – Katzenbachs Rezeptur zur Romankomposition ist ausgeklügelt und wohlakzentuiert. Der Plot folgt einem stetig aufstrebenden Spannungsbogen, in dem auch Gedanken und Gefühle der unterschiedlichen Figuren nie zu kurz kommen.

Über weite Strecken entwickelt sich der Roman äußerst vielversprechend. Katzenbach erzählt zwar gerne ausführlich, aber die Spannung kommt in der Regel dennoch nicht zu kurz. Die Ausführlichkeit hat auch den Vorteil, dass man sich zunehmend gut in die Romanfiguren einfühlen kann.

Die Auflösung der Geschichte hat es obendrein ziemlich in sich. Katzenbach schlägt eine Richtung ein, die alles verändert und dafür sorgt, dass der Roman sich in seiner Grundstimmung vollkommen wandelt. Bereits im vorderen Teil der Handlung lässt Katzenbach auch immer wieder moralische Fragen durchschimmern, insbesondere wenn es um den Schutz von Stalkingopfern und die Verfolgung der Täter geht.

Die moralischen Zwischentöne werden zum Ende hin zunehmend lauter, und darunter leidet dann leider auch ein wenig die Spannung. Die Figuren müssen sich neu positionieren, vieles erscheint plötzlich in einem anderen Licht, und diese Umorientierung dauert ihre Zeit, so dass der ansonsten bis zu diesem Punkt so straffe, aufstrebende Spannungsbogen ein wenig an Fahrt verliert.

Am Ende bleibt ein Haufen Fragen. Die einen muss sich der Leser selbst stellen – in Bezug auf die moralischen Konsequenzen der Geschichte – und die anderen stellen sich in Form letzter nagender Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Handlungsweisen der Protagonisten. Letzteres offenbart eine Schwäche, die auch schon bei [„Der Patient“ 2994 am Ende ein wenig den Lesegenuss getrübt hat. So läuft ein eigentlich sehr gut begonnener Psychothriller am Ende in eine etwas merkwürdige Richtung und verliert etwas dabei an Fahrt, wenngleich nicht an Schärfe und Brisanz.

Unterm Strich also ein solider Thriller, der dem Leser viel Spannung beschert und eine ebenso packende wie aktuelle Geschichte abhandelt. Katzenbach kann so seinen Ruf als Autor spannender Thriller auf jeden Fall festigen, wenngleich er auch hier wieder zum Ende hin ein wenig schwächelt. Trotzdem, ein „Page-Turner“ ist ihm auch mit „Das Opfer“ über weite Strecken wieder einmal gelungen.

http://www.john-katzenbach.de/
http://www.droemer.de

Meyer, Kai – Faustus

Der Name „Faust“ oder „Faustus“ ist uns geläufig, nicht nur durch den Dichterfürsten Goethe mit seiner Interpretation der Faust-Legende, die zweifellos die berühmteste ist. Auch in Werken von Christopher Marlowe oder Thomas Mann und anderen zahllosen bekannten wie auch unbekannten Autoren hat die Figur des Dr. Faust, der einen Pakt mit dem Teufel eingeht, zu Gedichten, Dialogen, Romanen, Dramen und Theaterstücken inspiriert.

Es gibt ein Faust-Museum in Knittlingen und die Weimarer Bibliothek verfügt über 13000 wissenschaftliche und literarische Werke zu dem Thema. Doch es gibt auch viele widersprüchliche Quellen, viele rätselhafte Geheimnisse um den Dr. Faust, der neben der Theologie auch Medizin, Astrologie und Astronomie studiert hat.

Was Dr. Faust oder Faustus interessant und zur mystischen Legende gemacht hat, sind seine Interessen an den dunklen Künsten, der schwarzen Magie und am Hexenwerk, die ihn zu einen mächtigen Schwarzkünstler stilisierten.

Sein gewaltsamer Tod – letztlich hat ihn der Teufel doch seiner Seele beraubt – hat ihm abschließend eine Hauptrolle in der Weltliteratur eingebracht.

1587 – fünf Jahrzehnte nach seinem Tod setze in der Erzähltradition ein wahrer Faustboom ein, der dem guten Doktor wahrlich die erwünschte Unsterblichkeit eingebracht hat, wenigstens in der Literatur und auf der Bühne.

Mehr zum historischen Faust gibt es bei [Wikipedia]http://de.wikipedia.org/wiki/Johann__Faust nachzulesen.

In „Faustus“ vom deutschen Autor Kai Meyer wurde dieser legendären Figur ein neues Bild verliehen. Mit dem historischen Dr. Faust hat dieser nur am Rande Ähnlichkeit, doch Meyers historisch-phantastischer Roman ist unabhängig davon lesenswert.

_Die Geschichte_

Anno Domini 1515. Überall in Europa brennen im Namen der Heiligen Inquisition die Scheiterhaufen. Die Opfer: Männer und Frauen, die als Ketzer denunziert wurden, weil sie anderes glaubten, anders lebten oder einfach nur jemand anderem persönlich im Wege standen. Aber nicht nur diese wurden durch die Kirche gejagt, gerade Mediziner, Astrologen, eben jene intelligenten Menschen, die nicht einfach durch die Drohung von Verdammnis, den endlosen Qualen der Hölle oder durch Enteignung des kargen Besitzes und Androhung der notpeinlichen Folter im Zaum zu halten und daher den Kirchenfürsten ein Dorn im Augen waren. Diese Personen wurden verdächtigt, einen Pakt mit dem Teufel einzugehen oder die abartigen und sonderbaren Künste der schwarzen Magie auszuüben.

Dr. Faustus ist dem Hexenjäger und Inquisitor Konrad von Asendorf nach langer Jagd in die Falle gegangen. Auf dem Wittenberger Dorfplatz steht Dr. Faustus auf einem Scheiterhaufen, verurteilt in den Augen der Kirche wegen schwarzer Magie und ähnlicher Vergehen; die Henker stehen bereit, den Schwarzkünstler Faustus dem reinigen Feuer zu übergeben.

Doch inmitten der Hinrichtung taucht eine Gruppe von „Pestkranken“ auf und Panik breitet sich aus; ein jeder hat Angst vor dem Schwarzen Tod, der unter der Bevölkerung von Unfreien und Adligen keinen Unterschied kennt. Es ist eine List; die „Pestkranken“ verwandeln sich in todbringende und brandschatzende Attentäter, die die Kirche zu Wittenberg in Brand setzen und den Priester erbarmungslos verbrennen. Einer der Attentäter befreit wahrscheinlich aus Mitleid den fast schon brennenden Faustus, dessen Scheiterhaufen im Tumult Feuer gefangen hat. Es ist eine junge Frau, maskiert und selbst durch die züngelnden Flammen schwer verletzt.

Dr. Faustus verwirrt, versucht in dem Durcheinander auf dem Marktplatz zu fliehen, wird aber von den Landsknechten gefangen genommen. Der Inquisitor von Asendorf schlägt Dr. Faustus einen Handel vor – die Identität der Attentäter zu lüften, um der Gefangennahme zu entgehen. Von Asendorf lässt Dr. Faustus eine Bedenkzeit bis zum nächsten Morgen, ansonsten wird er in den Flammen brennen.

In der Nacht wird Faustus von Christof Wagner befreit, dem jungen Schüler des Priesters Martinius, der sich später mit seinen Theorien unter dem Namen Martin Luther noch mehr Feinde unter den Klerikern machen wird. Christof Wagner wird fortan ein Schüler des Dr. Faustus sein und diesen auf seinen Reisen und Abenteuern begleiten. Er wird vieles erlernen, viel erleben und sich in gewisser Weise auch einen Namen machen.

Auf der Flucht vor den Landsknechten des Inquisitors treffen Dr. Faustus und Christof Wagner eine herumziehende Schar von Gauklern und Zirkusartisten, die den Vogelfreien für eine Nacht Unterschlupf und Nahrung gewähren. Aber nicht nur den beiden Flüchtigen wurde in dieser Nacht geholfen, eine schwer durch Brandwunden entstellte junge Frau mit merkwürdigen, tiefen Schnittwunden auf dem Rücken, dem Tode näher als dem Leben, nehmen sich die Gaukler rührend auf.

Dr. Faustus erkennt in dem schwer verletzten Mädchen seine Retterin wieder, die Person, die ihn vor der Hinrichtung bewahrt hat. Die Gaukler sagen über diese junge Frau, sie wäre ein gefallener Engel! Dr. Faustus empfindet Mitleid und Interesse an dem Mädchen und überredet die Gaukler dazu, Angelina, wie sie genannt wird, in seiner Obhut zu geben.

Dr. Faustus will herausfinden, was es auf sich hat mit dem „gefallenen Engel“ und den Attentätern, die in den Augen der Kirche eine Gefahr darstellen. Gehetzt von den Schergen der Inquisition, beschreiten Faustus und Wagner einen unheilvollen Weg bis in das Zentrum der Heiligen Kirche nach Rom. Doch bis dahin müssen sie noch mysteriöse Morde im verfluchten Schloss des Schlangenkönigs im Spreewald aufklären, bis sie die Lösungen in den Fundamenten des Vatikans finden.

_Kritik_

Wie schon oben erwähnt, hat die Figur des Dr. Faustus mit der historischen Person des Schwarzkünstlers nicht viel gemein. Trotzdem ist der Roman von Kai Meyer spannend und unterhaltsam geschrieben und kann den Leser wirklich für Stunden an das Buch ketten.

Der Roman bzw. die Trilogie – „Der Engelspakt“, „Der Traumvater“ und „Die Engelskrieger“ – wird in der Ich-Form aus der Sicht des „Zauberlehrlings“ Christof Wagner erzählt. Für den Leser ist es wichtig, die Romane der Reihe nach zu lesen; zwar ist jeder Roman in sich eine abgeschlossen Erzählung, doch um die Charakter und ihr Streben verstehen zu können, ist es unabdingbar, die Geschichte fortführend zu erfahren.

Die Charaktere und ihre Beziehung zu- und miteinander entwickeln sich stetig weiter. Die Hauptperson, um die es geht, stellt zwar die Figur des Dr. Faustus dar, doch alle drei Protagonisten spielen faktisch gleich wichtige Rollen. Der Autor hat es gut verstanden, den Spannungsbogen auszubauen und die Geheimnisse der gefallenen Engel und des Vatikans dem Leser plausibel zu beschreiben.

Mir haben besonders die Passagen gefallen, in denen der Lehrling Wagner versucht, Dr. Faustus seine Geheimnisse zu entlocken. Die Sage, Dr. Faustus hätte einen Pakt mit dem Teufel geschlossen, wird in dem Roman dagegen nicht aufgelöst. Dr. Faustus weiß das Thema geschickt zu umgehen, er bezieht keine eindeutige Stellung, weder pro noch contra. Es bleibt dem Leser überlassen zu entscheiden, welchen tatsächlichen Pakt Dr. Faustus geschlossen hat, doch es gibt genügend Hinweise, die zu Interpretationen führen.

Der Charakter des Christof Wagner ist am besten beschrieben. Mal Großmaul und sehr arrogant, dann wieder ein Feigling und doch ein über seinen Schatten springender mutiger junger Mann. Vielleicht ist diese Figur zwangsläufig deswegen so vielschichtig, weil diese die Geschichte des Dr. Faustus dem Leser erzählt, doch in jedem Falle hat sich der Autor hier wirklich die größte Mühe gegeben.

Wer aber einen gut recherchierten historischen Roman erwartet, dem sei leider zu sagen, dass dieser in keiner Form auf Fakten beruht. Auch das Leben im Zeitalter von Hexenverbrennungen und Inquisition wird nicht abschließend und historisch korrekt wiedergegeben. Hier hat sich der Autor viele, viele Freiheiten gelassen, was aber hinsichtlich der Spannung und des Unterhaltungswertes akzeptabel ist. Im Nachwort erklärt der Autor Kai Meyer auch seine Motivation.

Dr. Faustus wird zwar als Person interessant dargestellt, aber es bleiben viel zu viele Fragen offen. Es stellt sich die Frage, was den Dr. Faustus zu der erklärten Legende machte. Hier bleibt vieles im Dunkel der Geschichte verborgen und ich hätte gerade in der Entwicklung der Figur mehr erwartet. Die Lebensgeschichte des Dr. Faustus wird nicht zu Ende erzählt, der Roman endet nicht mit dem Tod der Hauptfigur, was vielleicht, wie Kai Meyer es selbst erwähnt, auf eine Fortsetzung schließen lässt.

_Der Autor_

Kai Meyer wurde 1969 geboren. Durch Romane wie „Das Buch von Eden“, „Herrin der Lüge“, „Frostfeuer“ und „Die Fließende Königin“ sowie die „Wellenläufer“-Trilogie wurde er international bekannt, seine Romane wurden in zwanzig Sprachen übersetzt. Kai Meyer lebt und schreibt zurzeit in der Eiffel.

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Ellis, Warren (Autor) / Sprouse, Chris (Zeichner) – Ocean (Wildstorm Essential 1)

_Story_

Hundert Jahre in der Zukunft: Nathan Kane, Waffeninspektor der Vereinten Nationen, wird in einer geheimen Mission zur Forschungsstation Cold Harbor im Orbit des Jupitermonds Europa entsendet. Dort wurden kürzlich einige seltsame Sarkophage unter der Eisschicht des Europa-Meeres entdeckt. Kane soll nun einschätzen, wie gefährlich diese Entdeckungen, die darin befindlichen, konservierten Lebewesen sowie ihre Waffen sind. Allerdings ist die Crew der Cold Harbor nicht als einzige an diesem historischen Fund interessiert; in der weiteren Umlaufbahn Europas hat sich auch eine Raumstation des interplanetarischen Megakonzerns Doors angesiedelt, deren technisch manipuliertes Personal darauf programmiert wurde, ebenfalls Informationen über diese merkwürdige Entdeckung zu sammeln. Mangels regelmäßiger Upgrades hat der Chef der Doors-Station jedoch mittlerweile seine Unabhängigkeit zurückerlangt und versucht nun mit aller Macht, Kane und das Team von Cold Harbor an weiteren Forschungen zu hindern.

Rücksichtslos startet er bereits vor Kanes Ankunft ein Attentat und schlägt auch beim zweiten Versuch, den Waffeninspektor umzubringen, fehl. Dennoch kann der Manager der Doors-Raumsonde auf ein viel besser ausgestattetes Arsenal an Waffen und Technik zurückgreifen und ist so bei der Erkundung und Eroberung der Sarkophage klar im Vorteil. Kane und die vorwiegend weibliche Crew müssen nun all ihr Geschick einsetzen, um den Konzern aufzuhalten und die Waffen des Milliarden Jahre alten, konservierten Volks auszuschalten. Wie sich nämlich herausstellt, kann eine Aktivierung der mächtigen Geschosse bereits das Ende eines ganzen Planeten sein – und im Zentrum ihrer Reichweite befindet sich ausgerechnet die Erde …

_Meine Meinung_

Wieder einmal zeigt sich, wie wertvoll die Kooperation zwischen |Panini| und einigen ausgewählten amerikanischen Comic-Labels für den deutschen Markt ist. Jetzt, wo der deutsche Verlag den Vertrieb für das populäre Qualitätssiegel |Wildstorm| übernommen hat, kommt das hiesige Publikum auch in den Genuss diverser Mini-Serien, darunter auch eine verborgene Perle wie „Ocean“ aus der Feder des renommierten Comic-Autors Warren Ellis. Dieser hat eine fabelhafte und ziemlich actionreiche Science-Fiction-Story kreiert, die zwar einerseits durch und durch futuristisch anmutet, aufgrund der Coolness der einzelnen Charaktere aber dennoch recht bodenständig bleibt und somit auch nicht zu abgehoben erscheint.

Die Hauptakteure sind dabei einige wirklich schillernde Figuren, vor allem der farbige Nathan Kane, ein abgebrühter Waffenspezialist mit düsterer Vergangenheit, dessen Sprüche und generell sein gesamtes Auftreten stark an Hollywod-Star Samuel L. Jackson erinnern. Kane symbolisiert in gewisser Weise auch das Paradebild eines modernen Comic/Action-Helden: frech, erfinderisch, betont cool und durch nichts zu erschüttern – und dazu auch noch unheimlich sympathisch. An seiner Seite stehen hingegen einige Damen, die seinem flotten Mundwerk durchaus gewachsen und deswegen erst einmal überhaupt nicht als Weltraumforscherinnen zu identifizieren sind. In jeder Konfrontation haben sie ihrem neuen Kollegen etwas entgegenzubringen und stellen für ihn auch eine ungerwartete Autorität dar, was wiederum für einige Konflikte sorgt, die den Humor dieses Comics ausmachen. Die munteren Dialoge zwischen den Protagonisten sind immer wieder erheiternd und ein markantes Charakteristikum dieser eigenwilligen, aber auch durch und durch brillanten Handlung.

Natürlich zehrt die Story daher auch zu großen Teilen von der Darstellung ihrer Helden, ist jedoch auch bezogen auf den Aufbau absolut überzeugend. Außerdem ist die grundlegende Idee wirklich stark und entwickelt nach und nach ein Eigenleben, welches sich von gängigen Klischees und Standards wohlweislich distanziert und somit auch einen eigenen Platz im weltweiten Comic-Universum findet. Sowohl die Action als auch der Spannungsaufbau sind irgendwie willkommen anders und erfrischend, angefangen beim ungewöhnlichen Setting bis hin zur unkonventionellen Konfliktbewältigung im bombastischen Finale.

Der einzige Punkt, der bei „Ocean“ nicht ganz überzeugt, sind die Illustrationen. Dies gilt zwar nun nicht für den gesamten Comic, doch gerade zum Schluss, wo es doch ziemlich deftig knallt und eine Explosion der nächsten folgt, mangelt es den Zeichnungen ein wenig an Details, wohingegen die Skizzierungen der Charaktere keine weiteren Wünsche offen lässt.

Sieht man davon ab, ist das neue Werk von Waren Ellis ein echter Knüller und rein inhaltlich sogar an manchen Stellen revolutionär. Der Autor vereint klassische Science-Fiction mit modernen Ansätzen und meistert diesen Balanceakt über die gesamte Strecke mit Bravour. Gleich zum Start ins neue Jahr also schon das erste Highlight aus dem Katalog von |Wildstorm/Panini| und sicher eines, welches man in diesem Jahrgang nicht auslassen sollte.

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Miller, Frank / Varley, Lynn – 300

|Dreihundert Männer folgen König Leonidas in die Schlacht. Ihr Zuhause werden sie nie wiedersehen. Im dreckigen Staub der Thermopylen werden sie ihr Leben lassen. Frank Millers »300« zeigt die schrecklichen Mechanismen, die hinter Heldentod und Kriegsenthusiasmus stecken. Leider sind viele Leser zu sehr an einfache Unterhaltung à la Superman gewöhnt.|

Spartas König Leonidas ist bei seinem Volk schon zu Lebzeiten eine Legende. Besonders bei seinen Soldaten genießt er hohes Ansehen. Immer wieder erzählen sie von früher, als der junge König, bloß mit einem spitzen Stock bewaffnet, einen Wolf zur Strecke brachte. Eines Tages kommt ein persischer Bote nach Sparta. Er wurde von dem Gottkönig Xerxes entsandt, der sich mit seiner gewaltigen Armee Griechenland nähert. Im Namen seines Herrn fordert der Bote Leonidas auf, sich zu unterwerfen. Der König weigert sich, stößt den Boten in ein tiefes Loch und rüstet sich für den Krieg. Da ihm aber die Priester verbieten, in den Krieg zu ziehen, bricht Leonidas nur mit seiner kleinen Truppe von 300 Leibwächtern auf. Sein Ziel sind die Thermopylen, eine Landenge im Norden des Landes. Leonidas hofft, dort den Persern trotz ihrer Übermacht große Verluste beibringen zu können. An einen Sieg glaubt er jedoch nicht. Er plant, mit seinen Männern als Märtyrer in die Geschichte Griechenlands einzugehen, als Verteidiger der richtigen Lebensweise, als Opfer für Vernunft und Freiheit.

Die Geschichte von der Schlacht bei den Thermopylen findet sich zum ersten Mal im siebten Buch der »Historien« von Herodot. Ob sie wahr ist, weiß niemand. Möglich, dass Herodot sie nur erfunden hat. Inzwischen ist die Schlacht bei den Thermopylen eingegangen in den abendländischen Kulturkreis. Ihr Wahrheitsgehalt interessiert höchstens noch Althistoriker, vielen anderen geht es um den Symbolwert der Geschichte. Barbarei und Zivilisation treffen dort hart aufeinander, und – wie könnte es anders sein? – die Zivilisation triumphiert. Denn trotz der Niederlage Spartas siegen letzten Endes Freiheit und Gerechtigkeit. Unter der Knechtschaft Persiens erheben sich die griechischen Völker, eingedenk jener heroischen Schlacht vergangener Zeiten. Der Mut und die Entschlossenheit der toten Spartaner werden beschworen. Ihr Märtyrertod soll nicht umsonst gewesen sein.

Auch die amerikanische Comic-Legende Frank Miller hat sich der Schlacht bei den Thermopylen angenommen. Seine fünfteilige Serie »300« erschien 1998-1999 bei |Dark Horse|. Auf Deutsch wurde sie erstmals von |Schreiber & Leser| veröffentlicht. Längst ist der Band vergriffen. Zum Glück erschien bei |Cross Cult| im Juni 2006 eine Neuauflage. Die Geschichte präsentiert sich in einem großformatigen Hardcover (22,5 × 28,5 cm), wie es für die zahlreichen Splash Pages (Bilddoppelseiten) angemessen ist. So entfaltet »300« eine beeindruckende optische Wirkung und liest sich wie ein Comic im Breitwandformat.

Nicht nur durch die üppige Verwendung von Splash Pages sticht »300« im Gesamtwerk von Frank Miller hervor. Offensichtlich scheint ihn die Schlacht bei den Thermopylen schon länger beschäftigt zu haben. So findet sich in »Sin City 3: The Big Fat Kill« (1994-1996) bereits ein Verweis auf dieses Motiv (Kapitel 5). Wahrscheinlich ließ Miller die Geschichte von Leonidas und seinen Soldaten einfach nicht mehr los. Aber wer will so eine Geschichte lesen? Da gibt es keine Superhelden wie Batman, Daredevil oder Wolverine, die ihre treue Fangemeinde im Schlepptau haben. Da sind keine Zaubersprüche, keine Raumschiffe, keine Verfolgungsjagden. Da ist nur die Schlacht zweier antiker Heere. Dass |Dark Horse| schließlich ein solch ungewöhnliches Thema akzeptierte, hängt wahrscheinlich mit der Reputation von Frank Miller zusammen. Wenn schon nicht das Thema, so sollte doch wenigstens sein Name für eine gewisse Abnahmezahl sorgen.

Es ist anzunehmen, dass Miller von der Schlacht bei den Thermopylen fasziniert war. Sie ist offensichtlich eine Metapher, die ihn reizt und herausfordert. Dass er bereit war, bei den Verlegern für sein ungewöhnliches Thema Überzeugungsarbeit zu leisten, lässt vermuten, dass er mit »300« etwas Wichtiges mitteilen wollte. Dieses Detail wird leider von vielen Lesern übersehen, die ihre Meinung über »300« im Internet kundtun. Als würde es sich nur um harmlose Unterhaltungsliteratur handeln. Viele interessante Fragen, die man an »300« richten könnte, bleiben auf der Strecke (wenn sie überhaupt gestellt werden). Was man da liest, ist oft keine Rezension, sondern kaum mehr als eine Kaufempfehlung. Das klingt dann etwa so: „480 v. Chr. fand die Schlacht bei den Thermopylen statt. König Leonidas verteidigt Griechenland gegen die übermächtigen Perser. Bildgewaltig und ziemlich brutal. Geile Heldenstory. Ist ein teurer Comic, macht sich aber extrem gut im Regal.“ Da wird über historical correctness geredet, über den Keim zum Sieg des Ganzen, über eine Ode an die Hoffnungslosigkeit, über Kanonenfutter und den Galgenhumor der Spartaner.

Zunächst einmal mag folgende Erkenntnis manchen überraschen: Frank Miller ist kein Historiker, sondern Comic-Zeichner. Unwahrscheinlich also, dass er mit »300« eine Lehrstunde in Geschichte erteilen wollte. Warum auch? Was interessieren ihn ein paar antike Gestalten, die sich vor über zweitausend Jahren in einer griechischen Landenge geprügelt haben? Höchstens interessiert ihn das Symbol. Miller ist schließlich ein Künstler und kein Wissenschaftler. Sicherlich kennt er einige Fakten der Schlacht bei den Thermopylen. Er wird Herodot gelesen und die Hintergründe recherchiert haben. Was aber letztendlich seiner Arbeit entspringt, ist eine kreative Darstellung der Ereignisse. Sein Werk ist ein Kunstwerk – und kein Sachtext. Was für eine Kurzsichtigkeit offenbart sich, wenn einer nach der Lektüre immer wieder mit der historischen Überlieferung wedelt. Man fühlt sich, als würden da Birnen mit Äpfeln verglichen.

Hinzukommt, dass es kaum einem Rezensenten gelingt, König Leonidas kritisch zu reflektieren. Es erfordert nicht viel Gehirnschmalz, um auf seiner Schulter Platz zu nehmen und es sich bequem zu machen. Kurzerhand erklärt man ihn zum charismatischen Helden, der bloß das Gute im Sinn hat. Dabei schlüpfen einem wichtige Nuancen durch die Finger, die Millers »300« in ein ganz anderes Licht rücken, fort von den Superhelden. Leonidas ist nicht Superman. Trotz des Unterhaltungswerts von »300« handelt es sich um einen hochgradig politischen Comic. Miller erzählt keine Geschichte über Helden, sondern eine über Krieg. Leonidas und Xerxes führen Krieg und dienen als Symbole für zwei unterschiedliche Ideen, die miteinander konkurrieren. Das erkennt man am besten daran, dass die beiden Anführer dem Leser nie als lebendige, vertraute, persönliche Charaktere entgegentreten. Es sind Kopfgeburten, Figuren, die auf das Wesentliche reduziert sind. Beide sind Kriegstreiber und stehen für unterschiedliche totalitäre Systeme. Das Ziel ist die Unterwerfung bzw. die Vernichtung des anderen.

Trotz der Ähnlichkeit der Kontrahenten ist es wichtig, dass Leonidas auf eine gewisse Art und Weise moderner ist als Xerxes. Nicht ohne Grund ist er der Erfolgreichere. Hier schlummert der Kern der Geschichte: Er verwendet statt einer Peitsche eine Ideologie. Leonidas braucht keine Gewalt, um seine Soldaten in die Schlacht zu treiben. Stattdessen verführt er seine Männern mit der Vorstellung, sie seien frei und aufgrund ihrer Wertevorstellungen überlegen. So schöpft er ihre maximale Kampfkraft aus. Gewissermaßen wirtschaftet Leonidas effektiver mit seinen Soldaten als Xerxes. Sie sind entschlossener, todesmutiger. Dabei bleibt zu beachten, dass er sie, ohne mit der Wimper zu zucken, in den Tod führt. Millers Leonidas ist kein charismatischer Held, sondern ein gnadenloser, zu allem entschlossener Feldherr. Folgendes Gespräch zwischen dem jungen Soldaten Stelios und dem König macht seinen Standpunkt deutlich: „Wir begleiten euch, Herr, bis in den Tod.“ – „Das war keine Bitte. Die Demokratie überlassen wir den Athenern.“ Eine dritte Partei, die den Krieg ablehnt, taucht nicht auf. Die Option, sich den Persern zu ergeben, wird nicht diskutiert.

Die hier beschriebenen Techniken der Reduktion und der Gegenüberstellung von Figuren sind bei Frank Miller nicht selten. Er verwendet sie gerne. Schon in »The Dark Knight Returns« treten Batman und Superman als die Streiter zweier unterschiedlicher Systeme auf. Ebenso wären Hartigan und der junge Roark (»Sin City 4: That Yellow Bastard«) oder Miho und Vito (»Sin City 5: Family Values«) zu nennen, obwohl es dort nicht um Politisches geht.

»300« ist ein gutes Beispiel für einen Comic, der intelligenter ist als viele seiner Leser. Das Thema Krieg ist hier zentral. Insbesondere beschäftigt Frank Miller die Frage, mit welchen Mechanismen man freie Männer dazu bewegt, ihr Leben auf dem Schlachtfeld zu lassen. In seiner Aktualität ist »300« beinahe unheimlich. Denn ob Krieg nun mit Speeren oder mit Panzern ausgetragen wird – es bleibt Krieg. Wer von diesem Comic als Millers Heldenepos schwärmt, hat den Autor und Zeichner nur äußerlich begriffen. Die recht einfache Auflösung in Gut und Böse funktioniert hier nicht. Man muss vorsichtig sein und aufpassen, um die brilliante Nüchternheit und Kritik wahrzunehmen, die unter der Oberfläche von »300« schlummert. Dann erst entfaltet sich die ganze Kraft dieses beeindruckenden Bildwerkes.

Am 5. April 2007 kommt die [Verfilmung]http://www.powermetal.de/video/review-1048.html von »300« in die deutschen Kinos. Es bleibt abzuwarten, wie Regisseur Zack Snyder (Remake »Dawn of the Dead«) mit der tiefgründigen Vorlage zu Werke geht. Erste Eindrücke gibt’s schon unter http://300themovie.warnerbros.com zu sehen.

http://www.crosscult.de/

Yoshida, Sunao / Kyujo, Kiyo – Trinity Blood 3

[Band 1 2888
[Band 2 3060

_Story_

Seit nunmehr fünf Monaten lebt Esther Blanchett im Vatikan, zunächst als Novizin und nun, nach erfolgreicher Ausbildung, als ordentliche Schwester. In dieser Zeit war sie von Pater Tres und Abel Nightroad getrennt, arbeitet jetzt aber wieder an ihrer Seite. Doch Schwester Blanchett, die sich mittlerweile sehr in den tollpatschigen Priester Nightroad verguckt hat, ist skeptisch, was ihre neue Stellung angeht. Besonders das seltsame Verhältnis zwischen Kardinal Sforza, der Herzogin von Mailand, und Abel macht ihr zu schaffen, weil sie in ihr eine starke Konkurrentin sieht. Esther möchte gerne mehr über die Leiterin der Abteilung Ax in Erfahrung bringen und folgt Pater Nighroad auf Schritt und Tritt. Der wiederum ist gerade mit einem Attentat auf seine Vorgesetzte beschäftigt, welches augenscheinlich von einem Methusalem vollführt wurde. Mitten in den Verhandlungen mit zwei Vampiren, die offensichtlich zum näheren Täterkreis gehören, kommt Esther dem Pater schon wieder in die Quere, erlebt dabei jedoch auch ihre erste echte Bewährungsprobe als Angestellte des Vatikans.

_Meine Meinung_

Der dritte Teil der noch immer recht frischen Manhwa-Serie „Trinity Blood“ ist zugleich auch schon ein komplett neues Kapitel innerhalb dieser Reihe. Die Umstände bzw. die Voraussetzungen für die Story haben sich durch den neuen Aufenthaltsort der Protagonisten geändert, und so beginnt auch prinzipiell ein neues Abenteuer für Esther, Tres und Abel, welches nur noch sehr lose mit den Ereignissen der Reise in den Vatikan zusammenhängt.

Mittlerweile haben die drei Hauptfiguren ihre Stellung in der neuen Umgebung gefunden. Esther Blanchett hat sich konsequent hochgearbeitet, Tres ist ebenfalls seinen Weg gegangen und hat sich allerorts Respekt erarbeitet, und Abel Nightroad ist ebenfalls wieder in den Schoß seiner Heimat zurückgekehrt, wo er an der Seite von Schwester Catherina die Bedrohung durch die Vampire des ‚Reichs‘ bekämpft.

Das Trio trifft wieder aufeinander, als das Haus der Herzogin durch ein Attentat erschüttert wird. Nightroad und seine nun offizielle Gefährtin Esther begeben sich auf Geheiß ihrer Vorgesetzten auf die Suche nach den Verursachern, die offenkundig vampirischer Herkunft sind. Jedoch ist Schwester Blanchett mit ihrem Herzen nicht voll bei der Sache; sie empfindet Eifersucht für die Zuneigung, die Pater Nightroad Lady Catherina schenkt, und realisiert dabei, dass sie selber starke Gefühle für den unnahbaren Priester entwickelt. Doch in ihrem Bestreben, diese Beziehung zu analysieren, erleidet sie immer wieder Rückschläge und tritt gleich in mehrere Fettnäpfchen, so dass sie unbewusst vor ihrem offenbar Geliebten bloßgestellt wird. Andererseits gelingt es ihr aber auch, sich erstmals als Angestellte des Vatikans zu beweisen und Nightroad auch heimlich zu imponieren. Und auch der scheint seiner Begleiterin gegenüber nicht ganz abgeneigt zu sein.

Die Geschichte im dritten Band verläuft gleich auf mehreren Handlungsebenen, die jedoch allesamt auch direkt mit den Ereignissen zwischen dem Pater und der Schwester in Zusammenhang stehen. Weiterhin geht Sunao Yoshida dieses Mal etwas näher auf die Gegenseite ein und beschreibt ihre Motivationen. Und dennoch ist das Ganze von einigen Rätseln bestimmt, denn als Nightroad und die beiden Vampire Tovaras und Radu aufeinander treffen und auch freundschaftlich miteinander umgehen, ist kaum noch durchschaubar, auf welcher Seite die beiden wirklich stehen. Ebenso wenig wird die Rolle von Lady Catherina deutlich. Insgeheim plant sie Verhandlungen mit den Vertretern des ‚Reichs‘, wohl wissend, dass weitere Kontakte mit dem Vampirbund auf wenig Gegenliebe im Vatikan stoßen würden. Es stellt sich die Frage, ob die Dame wirklich so rechtschaffen ist, wie sie ihren Kollegen gegenüber auftritt. Oder ist doch alles nur Fassade? Und in welcher Beziehung stehen Nightroad und die Lady wirklich?

Alles in allem bleibt der Autor einige Fragen schuldig und verrät auch noch nicht so recht, in welche Richtung der Plot weitergeführt werden könnte. Zu viele Überraschungsmomente prägen den dritten Teil der Serie und zwischendurch auch einige kleine Ungereimtheiten. Dennoch gelingt es Yoshida, die Geschichte voranzubringen und das Verhältnis und die Interaktion der einzelnen Protagonisten zueinander zu intensivieren, dabei aber trotzdem einige Geheimnisse aufzubauen und als Letztes auch noch weitere, prägende Charaktere einzufügen. Insofern kann man auch bei der zweiten Fortsetzung von „Trinity Blood“ von einem absolut gelungenen Band reden, nicht minder spannend als die beiden Vorgänger, dieses Mal aber ein bisschen ernster und gewissermaßen auch weniger humorvoll. Doch der nicht ganz so offensichtlich präsente Witz wird hier größtenteils durch den Charme von Blanchett und Co. wieder wettgemacht und ist auch kein Anlass zur Skepsis. Eine gute Story ist nun mal eine gute Story – und diejenige in „Trinity Blood“ ist sogar sehr gut!

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Bennett, David – Den Himmel berühren

In drei Kapiteln präsentiert Verfasser David Bennett den Lesern sein Thema:

|“Senkrechte Welten – Ein Tag im Leben eines Wolkenkratzers“|: Im Mittelpunkt steht der Sears Tower, seit 2001 wieder höchstes Haus auf dem nordamerikanischen Kontinent. (Dass die höchsten Gebäude der Welt inzwischen in Asien emporragen, ist eine weitere Erkenntnis, die wir diesem Werk verdanken.) Er wurde in Chicago erbaut und reckt sich stolze 443 Meter in die Höhe. Verfasser Bennett geht es jedoch mehr darum, was sich im Inneren abspielt, dessen gewaltige Dimensionen einen exotischen Mikrokosmos mit eigenen Regeln und Gewohnheiten formen.

|“Hoch hinaus – Die Geschichte der Wolkenkratzer“|: Kaum ein Jahrhundert gibt es sie, obwohl man sich die Großstädte der Welt ohne sie nicht mehr vorstellen kann. Aber auch Hochhäuser haben tief angefangen – als Laternenkratzer gewissermaßen. Dieses Stadium haben sie aber rasch und gewissermaßen in 20-Jahres-Sprüngen hinter sich gelassen: Jedenfalls teilt David Bennett die Wolkenkratzer-Chronologie in diese Phasen ein. Als Laie findet man das überzeugend. Die wenigen, aber das Wichtige erfassenden Informationen verblassen ohnehin im Vergleich zum Bildmaterial. Historische Fotos von fabelhafter Qualität und sogar Ausklappseiten schwelgen in eindrucksvollen Gesamt- und Detailansichten.

|“Vertikale Realität – Der Bau der Hongkong Bank“|: So ganz klar wird nicht, wieso Bennett sich ausgerechnet dieses Gebäude als Beispiel dafür wählt, wie man heute ein Hochhaus baut; möglicherweise ist er einfach gerade anwesend gewesen … Sei’s drum, die Hongkong Bank kann als exemplarisch für den modernen Hoch-Bau gelten. Die unglaubliche Herausforderung wird selbst dem Nicht-Architekten sogleich deutlich. Wer sich bisher ernsthaft fragte, wie Wolkenkratzer der Schwerkraft trotzen, selbst wenn sie nicht von Flugzeugen gerammt werden, weiß nach der Lektüre mehr – und staunt fast ehrfürchtig! (Ausgenommen chronisch zivilisationskritische Weltverbesserer, die ihre Mitmenschen in Höhlen zurückzwingen möchten.)

Lässt sich die Geschichte der höchsten Häuser dieser Welt in einem (wenn auch großformatigen) Buch von gerade 120 Seiten darstellen? Kann diese Lektion um grundsätzliche technische Informationen ergänzt werden, ohne den Umfang des Werkes in die Höhe und die Nicht-Architekten unter den Lesern in die Flucht zu treiben? Ist es möglich, die kompakte Lehrstunde durch Foto-Impressionen zu ergänzen, die nicht einfach nur Seiten schinden, sondern zusätzliche Infos vermitteln sollen?

Tatsächlich ist das alles möglich, wenn man nur weiß, wie es gemacht wird. David Bennett, Ingenieur und Schriftsteller, hat sich sichtlich Gedanken darüber gemacht, wie er sein Thema dem Laien (der Fachmann murrt sicherlich wie üblich über viele weiße Flecken und Vereinfachungen) nahe bringen kann. Nicht dass dies in diesem Fall schwer wäre: Auch nach dem Fall der Twin Towers in New York haben Wolkenkratzer ihre Faszination nicht verloren. Wie sollten sie auch, symbolisieren sie doch diverse Träume des Menschen, den es seit jeher in die Höhe lockt. Sich über den alltäglichen Pöbel und den Straßenschmutz der Stadt erheben und gleichzeitig Kosten fürs Baugrundstück sparen: Wer könnte da schon widerstehen?

„Den Himmel berühren“ ist in gewisser Weise ein Zeugnis unschuldigerer Zeiten. Als es 1995 veröffentlicht wurde, war der Aufwärtsdrang der Architekten noch ungebrochen. Höher, immer höher sollte es gehen, Konzepte für 800-Meter-Wolkenkratzer wurden ernsthaft entwickelt. Wie bereits erwähnt wurde, steht heute das höchste Haus der Welt in Asien (Petronas Towers in Koala Lumpur, Malaysia, 450 m; kennen wir u. a. aus dem Kinofilm „Entrapment“/“Verlockende Falle“ von 1999 mit Sean Connery und Catherine Zeta-Jones). Zumindest in den westlichen Industrieländern ist mit dem Ende des World Trade Center in New York (zwei Mal 417 m übrigens) alles anders geworden. In Bennetts Werk gibt es sie natürlich noch, aber für diese aktuelle deutsche Billigausgabe hat sich der |Orbis|-Verlag tatsächlich die Mühe gemacht, einen Hinweis auf die Katastrophe vom September 2001 in den Text aufzunehmen. Respekt!

David Bennett ist Bauingenieur mit eigenem Beratungsbüro und hat sich – das dürfte keine Überraschung sein – auf Hochhäuser spezialisiert. Für diese macht er sich seit jeher auch publizistisch stark und hat zahlreiche (meist prächtig bebilderte) Sachbücher verfasst.

Vankin, Jonathan / Whalen, John – 50 größten Verschwörungen aller Zeiten, Die

Verschwörungen. Wer kennt und liebt sie nicht? Die oft phantasievollen Backgroundstorys und Was-wäre-wenn-Theorien zu mehr oder weniger großen Ereignissen, die eine alternative Wahrheit preisgeben, die jedoch oft nicht zu beweisen ist und nur auf widersprüchlichen Indizien beruht, welche nicht zur allgemein vertretenen Meinung passen. Nun, manchmal sind sogar offizielle Darstellungen und lieb gewonnene Lehrbuchmeinungen, an die man sich so gern klammert, hanebüchener und spekulativer, als jede konspirative Theorie es je sein könnte.

Der unumstrittene Vorteil von Lehrmeinungen: Sie werden von der breiten Masse jedoch als wahr anerkannt und akzeptiert. Wie das so ist im Leben, hängt die wahrgenommene Realität beinahe ausschließlich von unserem eigenen Standpunkt ab und dem, was uns als „wahr“ auch von dritter Seite suggeriert und zuweilen – etwa durch die Massenmedien – regelrecht eingetrichtert wird. 50 der beliebtesten und sich hartnäckig haltenden Komplotte und Intrigen haben die Autoren Vankin und Whalen zusammengetragen und kommentiert.

_Zum Inhalt_

Die Spanne der geschilderten, nie zufrieden stellend geklärten Vorfälle reicht buchstäblich von Akte X bis Zion. Den Schwerpunkt und Born nie enden wollender Geheimniskrämerei und mutmaßlicher Verstrickungen liefert (wer auch sonst?) die CIA. Das mag zum einen daran liegen, dass der US-Geheimdienst praktisch überall seine Finger im Spiel haben soll. Zumindest wird ihm das ja – von JFK bis Monicagate – gerne unterstellt. Zum zweiten liegt es daran, dass das Autorenteam aus den USA stammt. Da sind solche CIA-Themen natürlich präsenter als die Machenschaften von Geheimdiensten und -kulten des alten Europa. Gegenüber der Originalausgabe wurde vom |HEEL|-Verlag (wo das Buch zuerst erschien) die deutsche Fassung unverständlicherweise um 20 Theorien gekürzt, dort sind es ganze 70.

Dennoch finden sich hier auch Kuriositäten mit Rang und Namen aus anderen Teilen der Welt. Etwa das Mysterium des Turiner Grabtuchs, die niederländische Bilderberger-Gruppe, die Illuminati um Adam Weishaupt, die Freimaurer (und in diesem Kontext auch Jack the Ripper), die Prieuré de Sion, der nationalsozialistische Thule-Orden um Heinrich Himmler und Adolf Hitler, und nicht zuletzt der tragische Tod von Prinzessin Diana. Die Roswell-UFO-Legende nebst den „richtigen“ MIB (Men in Black) darf selbstverständlich auch nicht fehlen, ebenso wenig natürlich wie JFK und auch das Lockerbie-Attentat. – ein kunterbuntes und illustres Gemisch. Hier ist fast alles vertreten, was die moderne, konspirative Gift- und Gerüchteküche eben hergibt.

_Eindrücke_

Heute wäre die Liste um ein paar entscheidende Punkte länger. Die Autoren konnten jedoch kaum ahnen, dass im Jahr 2001 mit den Terror-Anschlägen einige ihrer hier behandelten Verschwörungstheorien regelrecht zu kumulieren scheinen. Zum Nine-Eleven gibt es übrigens seit 2006 ein eigenes Buch von Vankin und Whalen. Es ist schon interessant zu lesen, dass bereits vor Ground Zero & Co. immer wieder die gleichen Namen, Gruppierungen und Zusammenhänge Erwähnung finden und wie weit manch eine der unterstellten Seilschaften mächtiger Menschen und Organisationen zurückreicht. Bemerkenswerte Parallelen mit dem verhängnisvollen Nine-Eleven tun sich auf, und das bereits einige Jahre vorher. Die Erstveröffentlichung des Buches fand 1995 statt, die letzte überarbeitete Ausgabe datiert auf 1998.

Logischerweise reichen die sicher nicht immer ganz ernst gemeinten Recherchen und verschmitzten Kommentare zu den 50 „beliebtesten“ Verchwörungstheorien auch nur bis zu diesem Jahr. Dabei werden offizielle Darstellung und die Gerüchteküche für jeden der streiflichartig behandelten Vorfälle munter durch bissige Einschübe miteinander vermengt. Eher humorvoll präsentiert sich der Stil, doch das kann nicht davon ablenken, dass die Autoren im Kern durchaus richtige und kritische Fragen stellen. Rein psychologisch ist es übrigens sehr geschickt, dies in Frageform zu gestalten; so gerät man weniger in die Schusslinie des vermeintlichen Establishments. Wer zu strittigen Themen nur „mal dumm“ fragt, der verbrennt sich die Zunge weniger als jemand, der seine Meinung im Imperativ formuliert.

_Fazit_

Dank der flockigen Schreibe bietet das ursprünglich im |HEEL|-Verlag erschienene und bei |Area| neu aufgelegte Buch einige vergnügliche Lesestunden, kann und will aber dem mündigen Leser weder das Denken noch das eigene Recherchieren abnehmen. Das heißt, wenn dieser sich annähernd für den ganzen Geheimniskram interessiert. Was bleibt, ist ein nicht besonders aktueller Überblick über 50 populäre Verschwörungstheorien, dem allerdings gegenüber dem amerikanischen Original ganze 20 (!) zum Teil sehr skurrile Themenkomplexe fehlen, welche leider nicht in die deutsche Version übernommen wurden – warum auch immer.

|Originaltitel: The 70 Greatest Conspiracies Of All Time, Citadel Press 1995|

Williams, Rob / Badeaux, Brandon – Star Wars 60: Rebellion 4

[Band 1 3339
[Band 2 3340
[Band 3 3341

_Inhalt_

|“Rebellion – Das Finale“|

Die Allianz steht unmittelbar vor einer bitteren Niederlage. Nachdem die Rebellenflotte vom Imperium hintergangen und verraten wurde, haben die Kräfte der dunklen Seite der Macht den Standort von Skywalker und Co. entdeckt und entsenden eine gewaltige Streitmacht dorthin. Während draußen eine unbarmherzige Schlacht tobt, kämpfen Luke und sein ehemaliger Jugendfreund Janek Sunber im Inneren eines Raumkreuzers gegeneinander für ihre Ideale. Und Luke bleibt kaum noch Zeit, seinen verräterischen Gefährten zu besiegen, denn direkt neben den beiden liegt Prinzessin Leia im Sterben.

|“Wedge Antilles in: Glück“|

Wedge Antilles war an den tapfersten Schlachten der Rebellen beteiligt. Er überlebte Yavin und die Gefechte auf dem Eisplaneten Hoth und war auch an der Zerstörung des Todessterns beteiligt. Während viele seiner Gefährten ihr Leben im Kampf gegen das Imperium lassen mussten, war er stets vom Glück verfolgt. Und dennoch hängt ihm die Erinnerung an die bitterste Stunde seines Heimatplaneten Gus Talon immer noch nach. Während seiner Abwesenheit hatten die imperialen Streitkräfte in einem Rachefeldzug gegen den Vater von Wedges Freundin Mala kurzerhand alles vernichtet und einen Großteil der Bevölkerung in Gefangenschaft genommen. Jederzeit war Wedge ein Glückspilz, nur seine zerstörte Liebe zur nie mehr aufgetauchten Mala, die macht ihn bis heute nicht glücklich.

|“Gestrandet“|

13 Monate nach der Schlacht auf Endor begegnen sich ein gestrandeter Kämpfer der Rebellen sowie ein Trooper des Imperiums auf dem Planeten der Ewoks. Nachdem sie widerwillig Waffenstillstand beschlossen haben, versuchen sie, sich gegenseitig von den Idealen ihrer Seite zu überzeugen. Doch schon nach kurzer Zeit stellen sie fest, dass Imperiale und Rebellen nicht gemeinsam existieren können.

_Meine Meinung_

Im letzten Teil der vierteiligen Mini-Serie „Rebellion“ entscheidet sich, ob es Janek Sunber und Jorin Sol gelingt, den imperialen Mächten und ihrem Einfluss zu entsagen, oder ob sie ihren Verrat bis zum bitteren Ende durchziehen werden. Inmitten einer riesigen Sternenschlacht kämpfen sie an Bord eines kleinen Kreuzers für die zweifelhafte Moral, die ihnen von der dunklen Seite eingegeben wurde. Doch Luke und die Rebellen kennen von nun an auch keine Kompromisse mehr, und aus der ehemaligen Freundschaft, an die der junge Skywalker bis dato immer noch glaubte, wird ein endgültiger Kampf auf Leben und Tod.

Der letzte Teil der „Rebellion“-Saga ist leider nicht ganz so spektakulär wie erhofft und schließt mit einem eher nüchternen, fast schon nichts sagenden Ende. Andererseits führt Rob Williams die Story auch konsequent und strikt zu Ende, und dies ohne Rücksicht auf Verluste. Es ist ein teilweise recht brutales Finale, welches bis zum Schluss reich an Action ist und deswegen auch nicht enttäuscht. Nur rein inhaltlich hätte man sich einen etwas ambitionierteren Ausgang der Fehde zwischen Sunber und Skywalker gewünscht.

Dieses kleine Manko wird allerdings im weiteren Verlauf von den beiden zusätzlichen Geschichten wieder ausgeglichen. Besonders der emotionale Rückblick des X-Wing-Piloten Wedge, ebenfalls von Rob Williams geschrieben, ist eine brillante Anekdote über die Gemeinheiten der Truppen des Imperators und für eine derartig kurze Geschichte enorm gehaltreich. Es wäre darüber hinaus auch sehr gut vorstellbar, dass der Autor den hier gesponnenen Faden irgendwann in naher Zukunft wieder aufgreift, um noch weiter auf die Trennung zwischen Wedge und Mala einzugehen.

Die dritte Erzählung im Bunde ist eine allzu typische für die „Star Wars“-Comics. In einem relativ kurzen, teils auch recht witzigen Plot versuchen zwei feindliche Kämpfer, bei ihrem Gegenüber Überzeugungsarbeit zu leisten, um sie zum Wechsel der Seiten zu bewegen. Zwar ist die Kurzgeschichte nicht mehr als eine nette Ergänzung, als solche aber echt lesenswert und für den runden Abschluss des 60. „Star Wars“-Comics auch bestens geeignet.

Halten wir also fest: Das Ende der Mini-Serie ist etwas zu kompakt geraten und zieht einen Schritt zu schnell am Leser vorüber. Einige Details mehr, und niemand hätte gemeckert. Einen guten Ausgleich liefern indes die beiden Zusatzstorys und der tolle Infoteil am Ende des Magazins. Hier erfährt man übrigens auch schon Näheres über die künftigen Veröffentlichungen der verschiedenen Editionen der „Star Wars“-Illustrationen. Und glaubt man dem hier Geschriebenen, erwartet Fans schon im Frühjahr wieder etwas ganz Großes. Aber bis dorthin ist man mit dem Finale von „Rebellion“ noch ganz gut bedient.

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Birgit Erwin – Neun Leben

Die junge Catherine strotzt vor Unternehmungsgeist und Selbstsicherheit und sieht toll aus. Sie ist ein Profi als Privatdetektivin und Tochter einer reichen, adligen Familie in Nordengland. An ihrem Geburtstag besucht sie das Anwesen ihrer Eltern, und für ihren bodenständigen Freund Michael zeigt sich die Gesellschaft so intellektuell und spröde wie im Mittelalter. Der Haussegen hängt schief, Catherines Zwillingsbruder ist nicht gekommen und die alten Geschichten über ihren Berufsweg werden ausgegraben. Catherine und Michael verschwinden so bald wie möglich.

Ein anonymes Schreiben ruft sie an einen sehr persönlichen Ort der Freundschaft zwischen ihrem Zwillingsbruder und ihr, den sonst niemand kennt. Catherine und Michael besuchen ihn in der Nacht, in der Hoffnung auf ein heimliches Treffen mit dem Bruder. Sie finden ihn auch, ermordet.

Die Beziehungen, die Catherine über ihre Familie nutzt, führen dazu, dass ein Freund und Verehrer aus der schottischen Polizei (der Mord geschah knapp in Schottland) den Fall übernimmt. Catherine selbst stürzt sich auf ihren aktuellen Auftrag, der sich mit einer Sekte beschäftigt. Sie hat den Tod ihres Bruders noch nicht verarbeitet und grübelt über ihre Beziehung und setzt alle neuen Erlebnisse mit ihm in Verbindung.

Catherine wird im Zuge ihrer Ermittlungen plötzlich gehäuft in Unfälle verwickelt, aus denen sie immer wie durch ein Wunder nur leicht verletzt hervorgeht. Ihr Arzt wird misstrauisch und befürchtet Verbindungen zu ihrer Arbeit, aber sie glaubt nicht an Mordversuche. Erst ihre Ermittlungen bei der Sekte bewirken eine schleichende Veränderung.

Und während ihr Fall immer mehr unerwartete Verbindungen mit ihrem Bruder bekommt, sie selbst mit den Ansichten der Sekte konfrontiert wird und die Polizei in ihrer Ermittlung nicht vorankommt, macht sich ihr Freund Michael Sorgen und ermittelt auf eigene Faust und auf seine Art als Journalist. Er kommt der Wahrheit auf die Spur und sieht seine Freundin sich immer tiefer verstricken, immer weiter zurückziehen und immer stärker entfremden. Er bekommt ernsthaft Angst, sie zu verlieren.

Wie schon in ihrem Erstling »Lichtscheu« greift Birgit Erwin auf ein verbreitetes unerklärliches Phänomen und einen Glauben zurück, um ihrer Geschichte die phantastische Note zu verleihen. Waren es dort Vampire, sind es hier die ägyptischen Mythen, aus denen Erwin ein Detail aufgegriffen hat. Die Göttin Isis, Schwester des Obergottes Osiris und gleichzeitig seine Frau und Liebesgefährtin, steht als Pate für die Sekte, in deren Fänge es Catherine treibt. Diese Sekte besteht aus sogenannten Kriegern und Kriegerinnen der Isis, die weiterhin ihre Ziele verfolgen und in ihrem Sinne kämpfen. Sie sollen nach dem Glauben der Sekte neun Leben besitzen, um ihren gefährlichen Aufgaben gerecht werden zu können. In einer recht schnellen Wandlung gelangt Catherine von ihrer spöttisch-herablassenden Art, die sie vor allem ihrer sterndeutenden Mutter gegenüber hervorkehrt, zu der Überzeugung, selbst eine Kriegerin mit neun Leben zu sein. Mit diesem Glauben erscheinen die vielen Unfälle in ihrem Leben in einem ganz neuen Licht: Überlebte sie nur aufgrund ihrer Eigenschaften? Überlebte sie also gar nicht, sondern verlor lediglich ein Leben?

Man könnte die Wandlung in ihrer Schnelligkeit kritisieren. Erwin hat geschickt den Tod des Bruders als Erklärungsansatz für Catherines Labilität geliefert, andere Agonisten spekulieren im Laufe der Geschichte, dass sie gar nicht so selbstsicher sei, sondern durch ihre Entwicklung und selbst durch die Beziehung zu ihrem Bruder in ihrer Psyche geschwächt sei.

Michael hat ebenfalls seine Probleme. Er ist sich weder seiner Liebe zu Catherine noch ihrer Liebe zu sich sicher. Wenn er auch nicht als Alkoholiker bezeichnet wird, kommt man doch nicht umhin zu sehen, dass er seine Probleme in Bier ertränkt. So wie der zur Flasche greift, ist das jedenfalls nicht völlig normal. Das gemeinsame Leben der beiden zeugt bis zu dieser Situation auch nicht gerade von Harmonie. Und in dieser »heißen Phase« kommunizieren sie über gekritzelte Notizen und leben aneinander vorbei, statt die Probleme miteinander anzugehen. Seine Neigung zum Alkohol lässt auch ihn nicht gerade als Sympathieträger auftreten.

Erwins Stil ist persönlich und modern, trifft damit sicher den Geschmack vieler Leser und stößt andere vielleicht ab. Flüche, wie sie sonst oft vermieden oder dezent eingesetzt werden (zum Beispiel »Scheiße«) kommen in naturalistischer Häufung vor, und wahrscheinlich wird im normalen Leben noch mehr geflucht und geschimpft. Spannend und unterhaltsam ist die Geschichte auf jeden Fall, flüssig zu lesen, weitgehend glaubwürdig. Vor allem in die Überlegungen von Catherine kann man sich hineinversetzen, man kann sogar den Schwenk in die Übernatürlichkeit mit vollziehen. Nochmal bedacht, ergibt er sich aus der Angst und dem großen Verlust, den Catherine erfahren und der ihrem Leben eine gleichmäßige Stütze genommen hat. In dieser Phase erkennt sie ihren Lebensgefährten nicht als Hilfe.

So steuert der Roman einem beinahe klassischen Finale entgegen, wobei man sich über weite Strecken fragen könnte, wohin der Weg führt. Lange bleibt der Sinn des Titels verborgen, so dass er sogar aus dem Bewusstsein verschwindet. Schließlich wird alles mit einem Schlag deutlich und das Ende ist absehbar, aber in seiner Dramatik doch überraschend.

Gerade der Epilog befriedigt die Spannung, die sich über den Roman aufbaut und in unerwarteter Tragik entlädt. Er kann aber nicht verschleiern, dass die Geschichte lange ohne Ziel verläuft und so nur die Hoffnung auf ein gutes Ende bleibt.

Classic Shop

McGough, Scott / Girke, Hanno – Hüterin, Die (The Gathering: Kamigawa-Zyklus, Band 3)

[Outlaw 1864 (The Gathering: Kamigawa-Zyklus, Band 1)
[Der Ketzer 2645 (The Gathering: Kamigawa-Zyklus, Band 2)

Die politische und militärische Lage in Towabara wird täglich brisanter, denn die Soratami haben unter Führung des Mondgeistes Mochi den übrigen Völkern offen den Krieg erklärt und beginnen mit der systematischen Ausrottung der Schlangenmenschen in den Wäldern des Jukai. Derweil ist Daimyo Konda an der Spitze eines riesigen Geisterheeres auf der Suche nach dem seltsamen Artefakt, welches Toshi im Auftrag des “Myojin des Griffs der Nacht” aus Eiganjo entwenden konnte (vgl. Band 2: Der Ketzer); und auch O-Kagachi, der uralte Geisterdrache, will den gestohlenen Gegenstand zurück ins Geisterreich holen.

Vor diesem Hintergrund fällt es Toshi zunehmend schwerer, die Wünsche seines Gottes zu erfüllen und dabei zu überleben. Zuerst muss er „Es, das genommen wurde“ aus der Minamo-Akademie, wo er das Artefakt versteckte, vor dem todbringenden Wüten seines ehemaligen Eidbruders Hidetsugu, den Yamabushi und dem „Alles verzehrenden Oni des Chaos“ in Sicherheit bringen, dann der Yuki-Ona die Freiheit schenken und schließlich verhindern, dass die Steinscheibe Konda und O-Kagachi in die Hände fällt. Da er jedoch erstens nicht länger durch den Hyozan-Eid vor dem Troll-Schamanen geschützt ist, ihm zweitens sein Myojin verboten hat, „Es“ in sein Reich zu bringen, womit Toshi ein Flucht- und Reiseweg durch die Schatten verschlossen ist, und drittens das Artefakt zunehmend ein Eigenleben entwickelt, bedarf er aller seiner Künste als Dieb und Magier, um der Lage Herr zu werden.

Da er aber auch nur ein Mensch ist und sowieso dazu tendiert, Regeln sehr großzügig auszulegen, muss er zwangsläufig versagen. In einer äußerst brenzligen Situation flieht er durch das Reich seines Gottes, das Artefakt im Gepäck. Wutentbrannt entzieht ihm daraufhin der Myojin seine Gunst. Kampfentscheidender Fähigkeiten – Unsichtbarkeit, Schattenwandeln, Tödliche Kälte – beraubt, sieht Toshi nur einen Ausweg: Er muss die Scheibe zu den Fuchsmenschen und Prinzessin Michiko bringen, in der Hoffnung, dass deren Magie das, was im Inneren schlummert, erwecken kann, damit es sich selbst schütze.

McGough legt in seinem abschließenden Band das Hauptaugenmerk darauf, die bisherigen Handlungsstränge zu verknüpfen und zu einem überzeugenden Ende zu führen. Obwohl das Tempo hoch und die Seitenzahl knapp ist, leiden weder die Atmosphäre noch die Zeichnung der Charaktere, denn nach wie vor stehen nicht so sehr die Kämpfe selbst im Vordergrund als vielmehr Toshis Umezawas listiges und überlegtes Handeln. Stärker noch als im zweiten Roman dominiert dieser Charakter die nach wie vor exotische und fesselnde Geschichte und – wie gehabt – erwächst ein großer Teil der Faszination aus seiner Interaktion mit den anderen Protagonisten. Durch beißenden Spott, Schmeicheleien, Lügen und – zur Abwechslung auch mal der Wahrheit – entfaltet der Dieb eine manipulative Kraft, die ihresgleichen sucht. Dass er dabei nicht von Bosheit getrieben wird, sondern lediglich einen bequemen Platz in einer teils archaischen, teils sehr strukturierten und hoch zivilisierten Gesellschaft sucht, prägt sein Bild als sympathischen Non-Konformisten.

In der Figur Toshis manifestiert sich ein großer Vorzug aller Kamigawa-Romane besonders offensichtlich: Es gibt kein Schwarz und Weiß, keine engelhaft guten und keine teuflisch bösen Charaktere. Jeder, von Konda über Michiko bis hin zu Hidetsugu, hat eine helle und eine dunkle Seite. Konda strebt Macht nicht nur um ihrer selbst Willen an, sondern ist bemüht, seine Macht auch zum Wohle und zum Schutze seiner Untertanen in die Waagschale zu werfen, wobei er seinen Platz in der ersten Reihe der Kämpfer sieht. Michiko hingegen ist nicht nur naiv und freundlich, sondern auch zu äußerster Grausamkeit fähig, wie sie im finalen Kampf unter Beweis stellt. Doch trotz dieser Komplexität sind die Charaktere nicht beliebig, sondern durch und durch stringent in ihrem Handeln, gehen jeweils ihren eigenen, unverwechselbaren Weg. Genau dies spiegeln in herausragender Weise die letzten beiden Seiten eines Epilogs wider, welchen ich – ohne etwas verraten zu wollen und ohne zu zögern – zu den stimmigsten und besten zähle, denen ich bisher begegnet bin.

Fazit: Der würdige Abschluss einer erstklassigen Trilogie, die mit ihrer Originalität nicht nur ein – wenn nicht sogar das – Aushängeschild der Magic-Roman-Reihe ist, sondern auch das Fantasy-Genre im Allgemeinen bereichert.

© _Frank Drehmel_
|Diese Rezension wurde mit freundlicher Genehmigung unseres Partnermagazins [X-Zine]http://www.x-zine.de/ veröffentlicht.|

Farmer, Nancy – Skorpionenhaus, Das

_Story_

Der erst fünfjährige Matt lebt in einer abgeschiedenen Hütte inmitten einiger Mohnfelder bei seiner Ziehmutter Celia und dem aus Schottland stammenden Tam-Lin. Allerdings lebt er dort auch ziemlich einsam; er darf das Haus nicht verlassen und auch jeglicher sonstige Kontakt zur Außenwelt wird ihm nicht gewährt. Eines Tages, während Celias Abwesenheit, nutzt Matt jedoch eine Gelegenheit, sich seiner einengenden Lage zu entziehen. Er flüchtet aus dem Fenster, um draußen mit einigen Kindern zu spielen, die er bereits zuvor erblickt hatte. Allerdings verletzt Matt sich bei dieser Aktion und muss umgehend vom ortsansässigen Arzt behandelt werden. Erst dort wird ihm nach und nach die Wahrheit über sein Dasein bewusst. Er ist einst als Klon des mächtigen Drogenbarons Matteo Alacran geschaffen worden und sollte den alternden Gauner ursprünglich mit frischen Organen versorgen. Während die übrigen Klone sofort nach ihrer Herstellung willenlos versklavt werden, hat El Patron für sein zweites Ich ein anderes Schicksal vorgesehen. Er soll eine glückliche Kindheit erleben und erst später auf Abruf bereitstehen.

Mit wachsendem Alter erfährt Matt immer mehr von seiner zweifelhaften Herkunft und den Machenschaften des brutalen Clanoberhaupts, erkennt dabei aber auch, dass Alacran eines Tages nach ihm suchen wird, um sich bei seinem persönlichen Ersatzteillager zu bedienen. Im Jugendalter ist es schließlich so weit: Der Drogenbaron leidet unter Herzschwäche und benötigt dringend Unterstützung von seinem Klon. Der jedoch hat sich inzwischen makellos entwickelt und ist unter seinesgleichen nicht mehr als Sonderling zu erkennen. Umso schlimmer wird die Situation für ihn, als er realisiert, dass Alacran und seine Handlanger genau jetzt nach ihm verlangen …

_Meine Meinung_

„Das Skorpionenhaus“ aus der Feder von Nancy Farmer ist ein recht eigenartiger, gleichzeitig aber auch sehr bewegender Roman, in dem die Autorin die Entwicklungen der modernen Technologie zum Anlass nimmt, massive, wenn auch gut versteckte Kritik an Gesellschaft und Politik zu äußern. Anhand der Geschichte des kleinen Matt, der trotz allzu menschlicher Züge letztendlich nur Produkt einer niederträchtigen Manipulation ist, erörtert sie moralische Aspekte der modernen Forschung und bindet sie in einen spannenden, wohl auch eher auf ein jüngeres Publikum zugeschnittenen Abenteuerroman ein. Das Schicksal dieses Jungen, der einem als Sympathieträger auch sofort ans Herz wächst, ist dabei jedoch nicht bewusst melancholisch beschrieben. Tatsachen wie die Abgeschiedenheit des Jungen und sein Leben in der völligen Verborgenheit werden als kalte Fakten vorausgesetzt, ebenso die Abscheu derjenigen, die seine Herkunft kennen und sich regelrecht von ihm angewidert fühlen, als er nach seinem Unfall behandelt werden soll.

Es ist allerdings auch keinem der hier auftretenden Charaktere zu verdenken, dass die Meinung über den Klon des mächtigen Drogenbarons von gefühlskaltem, rationalem Denken geprägt ist. Matt ist kein echter Mensch, sondern ein Produkt einer Generation, die nach wie vor nur Privilegien für die erlesene Oberklasse offen hält. Er gehört zu einer Gruppe manipulierter Individuen, deren einzige Aufgabe darin besteht, das Laben der Reichen und Mächtigen zu verlängern und darüber hinaus deren mächtige Stellung in der Gesellschaft zu symbolisieren. Und obwohl er eigentlich auch nur Opfer ist, kann man ihm seinen Status nicht verzeihen, weil er letztendlich in naher oder ferner Zukunft für das Leben der verarmten Menschen in den Mohnfeldern schädlich sein wird.

Ein anderer Aspekt der Geschichte ist dementgegen die Arroganz, mit der Clans wie die Alcarans auftreten. Mit allen Mitteln, die ihnen ihre Macht gewährt, beschaffen sie sich die Dinge, die für ihr Glück erforderlich sind und setzen sich dabei über Gesetze und jegliche Moral hinweg. Im Falle von El Patron ist damit auch ein Widerspruch verbunden. Er hat nämlich einerseits das klare Ziel vor Augen, irgendwann von Matt mit Organen versorgt zu werden, will ihn aber andererseits auch am Leben lassen, um ihm zumindest die Kindheit zu gewähren. Er gibt ihm das Leben, obwohl er es ihm eines Tages unter Garantie nehmen wird – oder möchte. Diese erschreckende Kaltschnäuzigkeit und die nicht existente Trennlinie zwischen echtem und gefälschtem Leben machen den Leser (oder in diesem Fall den Zuhörer) sehr betroffen und verdeutlichen auch noch einmal, wie berechnend und gefühlsarm die diesseitige Komponente der modernen Technologie ist. Das wichtigste Gut des Menschen, das Leben selber, wird als Spielball benutzt und letztlich jeder Vernunft und Ethik beraubt.

All diese kritischen Punkte hat die Autorin peu à peu in die Handlung eingebaut, ohne dabei den Spannungsaufbau zu vernachlässigen. Die Geschichte schreitet stringent voran, hält jedoch für derartige Details unheimlich viel Raum frei, ohne dass man einen zwischenzeitlichen tempobezogenen Hänger befürchten muss – und dies bis zum rührenden Schluss, der sich jedoch nicht anmaßt, gewollt rührselig zu sein. Fabelhaft!

Gleichermaßen bewegend wird das gleichnamige Hörbuch auch von Hans Löw vorgetragen. Der 2004 mit dem Boy-Gobert-Preis prämierte Schauspieler hatte bereits in [„Echtzeit“ 3059 einen fabelhaften Job abgeliefert und bestätigt sein Talent als charismatische Sprecher hier einmal mehr. Den Konflikt zwischen eiskalter Erzählbasis und emotional-rührenden Inhalten bewältigt er unheimlich elegant und wirkt dabei jedoch jederzeit nahbar und sympathisch. Ein echter Volltreffer für den Hörbuchverlag, der den hohen Erwartungen an seine Person vollends gerecht wird.

Das Fazit kann also auch nur eine Meinung vertreten, nämlich die, dass „Das Skorpionenhaus“ eine der empfehlenswertesten Verbindungen aus Fiktion und erzählter Zeitgeschichte ist. Dank der warmen Erzählstimme Löws ist diese preisgekrönte Geschichte auch als Lesung aller Ehren wert und definitiv ein heißer Tipp für den nächsten Einkauf beim einschlägigen Buchversand – und dies im Grunde genommen für alle Altersklassen.

http://www.jumboverlag.de/

|Siehe ergänzend dazu unsere [Rezension 1737 zur Buchausgabe.|

Dübell, Richard – Spiel des Alchimisten, Das

[„Der Tuchhändler“ 2750
[„Eine Messe für die Medici“ 3288
[„Die schwarzen Wasser von San Marco“ 3323

Der Kaufmann Peter Bernward und seine Gefährtin Jana Duglosz befinden sich noch immer auf der Heimreise von Italien nach Polen. Bernward legt einen Abstecher nach Augsburg ein, um seine Tochter Maria zu besuchen. Er möchte ihr die wahren Hintergründe des Todes ihres Mannes in Florenz erklären. Kleinschmidt wurde als Beteiligter des Attentates auf die Medici hingerichtet und Bernward selbst hatte seinen Schwiegersohn ans Messer geliefert, um Jana zu retten.

Da sein Schwiegersohn im Dienste des Handelshauses der Hoechstetter stand, sucht Bernward als Erstes deren Verwalter Stinglhammer auf, um zu erfahren, wo seine Tochter wohnhaft ist. Und als käme er wie gerufen, findet er den Mann unter seltsamen Umständen ermordet auf. Der Tatort, das Büro des Verwalters, war von innen verschlossen, ebenso die Fenster, und ein seltsames, heidnisches Symbol verziert den Fußboden. Schnell zieht die Angst vor einem Dämon, einem Todesengel durch die Stadt. Doch Bernward kennt das Symbol. Vor mehr als dreizehn Jahren, als er noch der Untersuchungsbeamte des Bischofs Peter von Schaumberg war, gab es ähnliche Mordfälle mit dem gleichen Symbol. Die Geister der Vergangenheit dringen wieder in seinen Kopf ein und vor allem sein ehemaliger Freund, der Bischof selbst, mischt kräftig mit.

Hinzu kommt, dass sein damaliger Partner Gregor von Welden, nun der Burggraf des jetzigen Bischofs, seine Hilfe bei der Aufklärung erbittet. Bernward ist alles andere als begeistert. Erst als seine Tochter bei dem Begräbnis eines zweiten, unter identischen Umständen getöteten Mannes auftaucht und danach wieder verschwindet, übernimmt er die Ermittlung. Er ahnt bereits früh, dass seine Tochter irgendwie in die Morde verwickelt sein muss, und hofft, sie während der Untersuchung zu finden und beschützen zu können. Zur Seite stehen ihm dabei der alte, ehemalige Kutscher des Bischofs Albert und dessen Enkeltochter Elisabeth, als Gegner finden sich die reichen und mächtigen Herren des Handelshauses Hoechstetter und vor allem deren Prügelnabe Lutz, der Bernward kräftig zusetzt. Doch was Bernward noch mehr zu schaffen macht, ist der Alchimist Hilarius Wilhelm, der immer wieder beteuert, den Dämon mit Hilfe seines schwachsinnigen Helfers in die Hölle zurückschicken zu können …

Die Krimireihe um Peter Bernward geht mit „Das Spiel des Alchimisten“ in die vierte Runde. Und dieses Mal wird der Schleier über der Vergangenheit des sympathischen Charakters deutlich durchsichtiger. In Augsburg hatte Bernward jahrelang im Dienste des Bischofs gestanden, der schließlich sein Freund wurde. Nun kehrt er in die ehemalige Heimatstadt zurück und ermittelt in einem ähnlichen Fall wie dem, der ihm damals keine Ruhe ließ. Und was viel schlimmer ist: Seine Tochter steckt in der ganzen Sache mit drin und ist nicht einen Funken bereit, mit ihrem Vater zu reden oder sich gar von ihm helfen zu lassen. Der Konflikt zwischen den beiden muss nun bearbeitet werden; Bernward hatte nach dem Tod seiner Frau seine Kinder allesamt extrem vernachlässigt und seine Beteiligung um den Tod von Marias Mann macht seine Mission nicht einfacher. Beide Charaktere kämpfen um das, was sie als Recht empfinden. Die Tochter ist verbittert und vergrämt ob des Vaters früheren Verhaltens, der Vater will seine vergangenen Sünden wieder rückgängig machen. Klärungsbedarf und große Emotionen sowie die Verwicklung in die Morde stehen jedoch im Weg.

Dübell hat mit „Das Spiel des Alchimisten“ erneut einen spannenden und mitreißenden historischen Krimi geschaffen, dessen Charaktere eine einzigartige Ausstrahlung und Lebhaftigkeit besitzen. Wie immer zeigen seine genauen und bildhaften Beschreibungen nicht nur die Umgebung, sondern auch das Innenleben der Protagonisten. Und natürlich enttäuscht die Auflösung der Morde nicht im Geringsten, es wäre auch zu simpel, einfach einen Dämon töten zu lassen. Viel spannender ist doch eine Verbindung zwischen namhaften Handelshäusern, dem Medici-Attentat und Geld!

Im angefügten Nachwort gibt Dübell Erläuterungen zu den historischen Persönlichkeiten, die in seinem Roman vorkommen. Und natürlich erklärt er wieder, welche Ereignisse in der Geschichte tatsächlich geschehen sind. Dieses Mal waren es die Hinrichtung des Augsburger Bürgermeisters und die Ermordung seines Nachfolgers im Jahr 1478, die den Autor zu dieser Story führten. Schön finde ich ebenfalls, dass Dübell immer wieder eine Verbindung zu den vorherigen Büchern aufbaut; hier zieht sich die Linie zu „Eine Messe für die Medici“, in dem Bernward und seine Gefährtin mitten in das Medici-Attentat geraten.

Wie alle bisherigen Dübell-Romane ist auch „Das Spiel des Alchimisten“ absolut lesens- und empfehlenswert! Noch ein Hinweis: Man sollte unbedingt die Reihenfolge der Bücher beachten, um die erwähnten Rückblicke auf vorangegangene Geschehnisse zu verstehen. Dann steht dem Lesevergnügen nichts mehr im Wege.

Homepage des Autors: http://www.duebell.de
http://www.bastei-luebbe.de

C. W. Ceram – Götter, Gräber und Gelehrte. Roman der Antike

Die frühen Hochkulturen der Erde, ihre (Wieder-) Entdeckung und die Geschichte/n jener Wissenschaftler, die sich um die Erforschung der Vergangenheit bemühten, stellt Autor Ceram in einer Mischung aus Faktenschilderung und Roman vor. Kurz nach dem II. Weltkrieg entstanden, bewahrt dieses überaus lebendig geschriebene Buch trotz nachträglicher (aber oberflächlicher) Aktualisierung seines Inhalts vor allem in seiner Sprache den Geist der Entstehungszeit, was weder ohne Folgen noch Probleme bleibt: eine ebenso interessante wie zwiespältige Neuveröffentlichung.
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Hyung, Min-Woo – Priest – Band 15

[Band 1 1704
[Band 2 1705
[Band 3 1707
[Band 4 1709
[Band 5 1720
[Band 6 2515
[Band 7 2516
[Band 8 2575
[Band 9 2618
[Band 10 2701
[Band 11 2854
[Band 12 3002
[Band 13 3004
[Band 14 3022

_Story_

Ivan Isaacs hat sich vom schweren Schlag, den ihm Armand zugefügt hat, noch immer nicht erholt. Doch Temozarelas Schergen ziehen sich daraufhin überraschenderweise zurück und lassen den untoten Priester seines Weges ziehen. Auch Netraphim lässt von Isaacs ab und kümmert sich zunächst in der Gestalt von Nera um ihren beschützten Hort Windtale. Dort plant sie, mit den Gauklern ihres Zirkus‘ ein Haus zu bauen, um endlich eine angemessene Behausung für die entstellten Kinder zur Verfügung zu stellen. Doch Bürgermeister Dudley ist überhaupt nicht damit einverstanden, dass die Zigeunergruppe sich langfristig in Windtale sesshaft macht, und entsendet einige seiner Leute, um die unerwünschten Besucher ein für allemal aus dem Weg zu räumen. Dudleys Sohn Ashley bekommt Wind von der Sache und stellt sich den Handlangern seines Vaters in den Weg; doch obwohl sie strikte Order haben, ihn zu verschonen, richten die Gauner Ashley gemeinsam mit dem Gros der Kinder hin und starten so einen teuflischen Kreislauf, dem sich später auch Nera freiwillig hingibt. Und während das Schicksal von Netraphim und seiner ungeliebten Gefolgschaft seinen Lauf nimmt, versammeln sich um die Tore Windtales langsam aber sicher alle Parteien, die in den bestialischen Konflikt eingeschaltet sind.

_Meine Meinung_

Ich weiß gar nicht, in wie vielen Rezensionen zu dieser Serie ich bereits davon gesprochen habe, dass sich das große Finale anbahnt, doch dieses Mal scheint es offensichtlich, dass die letzte große Schlacht bevorsteht. Alle prägenden Charaktere schlagen um das verschlagene Örtchen Windtale ihre Zelte auf, beginnend natürlich mit Ivan Isaacs, der in einen erneuten Konflikt mit seiner Bestimmung als Sklave Belials gerät, über Marshall Coburn, der sich kurzerhand in die korrupten Machenschaften von Bürgermeister Dudley einschaltet, bis hin zu den rachedürstigen Indianern, die nach wie vor nach Vergeltung streben. Natürlich ist auch Temozarela nicht mehr weit, allerdings muss er mit ansehen, wie sich Nera alias Netraphim bereitwillig opfert und somit nicht Seite an Seite mit ihm auf den sicheren Sieg zusteuert. Ihre Hinrichtung ist mitunter auch das größte, bezogen auf die bisherige Handlung unlogischste Rätsel, weil kaum verständlich ist, warum sie die Rolle der Schutzpatronin aufgibt. Gerade jetzt, wo man ihr eine wichtige Lebensaufgabe genommen und unzählige ihrer geliebten Missgeburten getötet hat, hätte man von ihr erwartet, dass sie sich der Rachsucht Temozarelas hingibt und Selbstjustiz übt. Doch ebenso , wie sie einst Isaacs nicht ausgelöscht hat, folgt sie auch hier einem vorerst unverständlichen Weg.

Jedoch ist ihre Bestimmung nicht die einzige große Unbekannte in diesem 15. Band. Unter anderem kommen auch wieder Zweifel zu Ivan Isaacs weiterem Weg auf, denn erneut ist er sich nicht sicher, ob der Weg Belials auch der seine sein wird. Ganz allgemein wird die Rollenverteilung immer komplexer, gerade jetzt, wo ein direktes Aufeinandertreffen aller tragenden Charaktere bevorsteht. Und als wäre dies nicht noch genug, wird quasi als Epilog noch eine Mini-Geschichte über die Machenschaften des Vatikans angefügt, die in Verbindung mit den Motiven der einzelnen Beteiligten – ganz besonders den Abgesandten des Vatikans, die ebenfalls vor Windtale stehen – weitere Fragen aufwirft.

Man kann sicher sein, dass es im folgenden Band richtig krachen wird. Die Begegnung der unabhängigen Gruppierungen und Einzelkämpfer sowie Temozarela und seinem Gefolge versprechen Action auf höchstem, aber auch auf brutalstem Niveau. Womit wir wieder beim einzigen markanten Schwachpunkt von „Priest“ angekommen wären: Die Serie ist auch im aktuellen Band unheimlich brutal, und Autor Min-Woo Hyung neigt zwischenzeitlich augenscheinlich dazu, es mit seinen Gewaltdarstellungen zu übertreiben. In Nr. 15 läuft diesbezüglich zwar auch viel auf mentaler Ebene ab, doch wirklich jugendfrei ist das nicht mehr, was einem hier in den blutigen Skizzierungen offenbart wird. Dies berücksichtigend, ist diese Ausgabe dennoch ein weiteres Highlight der sich dem Schluss nähernden Serie. Teil 16 steht bereits in den Regalen und wurde nach den jüngsten Geschehnissen auch sehnlichst erwartet. Ich denke, das sagt alles!

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Donzowa, Darja – Spiele niemals mit dem Tod

Das Leben als Schriftsteller muss wunderbar sein. Ruhig und friedlich, den ganzen Tag nur am Schreibtisch sitzen und schreiben. Die Russin Darja Donzowa ist da allerdings anderer Ansicht.

Die vierzigjährige, aufgeweckte Tanja ist gerade als Haushälterin im Haus des berühmten Krimi-Autors Kondrat Rasumow und seiner jüngeren, schönen Frau eingestellt worden, als der Autor bei dem allabendlichen Kriegsspiel mit seinem vierjährigen Sohn plötzlich zusammenbricht – tot, wie sich herausstellt. Erschossen mit einer Waffe, die jemandem dem spielzeugwaffenvernarrten Wanja in die Hand gedrückt hat. Es ist ganz klar, dass der Vierjährige seinen Vater nicht mit Absicht ermordet hat, aber wer hatte dem Jungen die scharfe Waffe zugesteckt?

Für die Miliz ist der Fall klar. Es war Lena, denn Rasumow war ein ziemlicher Schürzenjäger und sie nicht sonderlich glücklich darüber. Die Einzige, die an Lenas Unschuld zu glauben scheint, ist Tanja, und die macht sich jetzt auf die Suche nach dem wahren Täter. Anhaltspunkte findet sie im letzten, noch unveröffentlichten Werk von Rasumow, in dem er über einige Menschen aus seinem Leben herzieht. Tanja beschließt, diese Leute aufzusuchen und sie darüber auszufragen, wie sie zu dem Schriftsteller standen, doch irgendwie scheinen all diese potenziellen Zeugen ums Leben zu kommen …

Einer der großen Boni von „Spiele niemals mit dem Tod“ ist die unglaublich sympathische Hauptperson Tanja, die mit ihrer resoluten Art den Haushalt des Schriftstellers auch nach seinem Tod zusammenhält. Gleichzeitig kümmert sie sich aber auch noch mit einer großen Portion Herz um die Tochter und auch um den Nachbarn Andrej, ein ehemaliger Gangster, der ihr während ihren Ermittlungen zur Seite steht.

Tanja weiß genau, wie sie an die Zeugen herankommt, und sie ist sehr geschickt, wenn es darum geht, Lügen zu erfinden, um die Leute zu treffen. Trotzdem schafft Donzowa es, Tanjas heimliche Ermittlungsarbeiten sehr authentisch wirken zu lassen, da sie nicht auf Superheldenkräfte setzt, sondern in so kleinen, nachvollziehbaren Schritten vorgeht, dass es tatsächlich real wirkt. Dabei ist ja gerade die Frage nach der Realität diejenige, die man sich in Büchern, bei denen der Normalbürger ermittelt, gerne stellt.

Donzowa meistert diese Hürde unglaublich gut und schafft es dabei auch noch, eine Menge Spannung aufzubauen. In Tanjas Leben tauchen plötzlich so viele fremde Menschen auf, dass weder sie noch der Leser wissen, wem sie jetzt eigentlich vertrauen können. Die Autorin schafft es dadurch, einige falsche Spuren auszulegen und Tanja immer tiefer in einen Sumpf geraten zu lassen, bei dem man nicht immer zwischen aufrichtigem, aber illegalem Angebot und Bosheit unterscheiden kann.

Wer ist der Mörder des Schriftstellers? Lange wird diese Frage noch nicht mal ansatzweise beantwortet, aber schlussendlich, nach vielen Wendungen und Überraschungen kommt die Wahrheit ans Licht – und ist vielleicht das Überraschendste am ganzen Buch.

Neben Tanja als Hauptperson, die aus der Ich-Perspektive erzählt, ist aber vor allem Donzowas Schreibstil bezeichnend für „Spiele niemals mit dem Tod“. Nicht umsonst wird sie auf dem Buchrücken als „Die große Satirikerin unter den Krimi-Frauen“ (|Literaturen|) bezeichnet. Gewitzt und nicht unkritisch lässt sie Tanja das Leben in Moskau beschreiben. Dabei schafft sie es auf der einen Seite, sehr liebevoll und sauber zu schreiben, so dass sich ein flüssig zu lesendes Ganzes ergibt, und auf der anderen Seite unterhält sie den Leser mit ihren kleinen Witzchen, Bemerkungen, Anspielungen, die manchmal beinahe sarkastisch klingen. Der Roman ist also in einem frischen, flüssigen, manchmal zum Lachen animierenden Stil geschrieben ist, den man sofort ins Herz schließt.

Genau wie das ganze Buch. „Spiele niemals mit dem Tod“ hebt sich schon deshalb von anderen Kriminalromanen ab, weil im Mittelpunkt eine Frau aus dem gewöhnlichen Volk steht, die gelernte Harfenistin ist, aber als Haushälterin arbeitet und dabei in eine Sache schlittert, die eigentlich eine Nummer zu groß für sie ist. Eine sympathische Protagonistin, ein Fall mit Winkeln und Ecken und ein unterhaltsamer Schreibstil – diese Zutaten sorgen dafür, dass „Spiele niemals mit dem Tod“ ein richtig gutes Buch ist!

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Toledo, Camille de – Goodbye Tristesse

Der Klappentext zu „Goodbye Tristesse“ lässt auf wirklich Gutes hoffen. |“Das atemloseste Politpamphlet des Jahres“| verspricht die |Welt am Sonntag|. Das |Süddeutsche Zeitung Magazin| sieht in „Goodbye Tristesse“ |“die Antwort auf ‚Generation Golf‘, aber leidenschaftlicher und politischer.“|

Das Lebensgefühl einer Generation soll hier analysiert werden, und zwar der Generation, die Autor Camille de Toledo selbst liebevoll die Kinder des Doppelkollaps nennt – die Generation also, deren Jugendjahre zwischen die beiden markantesten Eckdaten der heutigen Zeit fallen: 11/9 und 9/11. Der Fall der Mauer und der Fall der Zwillingstürme als Eckpfeiler einer Generation.

Auch Camille de Toledo ist ein Kind des Doppelkollaps. Geboren wurde der Franzose 1976. „Goodbye Tristesse“ erschien 2002 in Frankreich und fand dort eine große Leserschaft. Gerade auch für die Presse war das Werk ein gefundenes Fressen, denn Camille de Toledo ist nicht irgendein Linker, der irgendein neues Antiglobalisierungspamphlet geschrieben hat.

Mit bürgerlichem Namen heißt er Alexis Mital und er ist der Enkel des Gründers der Danone-Gruppe. Der Spross eines Großindustriellen, vermutlich des wichtigsten und größten in Frankreich, übt sich in Kapitalismuskritik. Doch das Ganze ist nur auf den ersten Blick so spektakulär, wie Presse und Verlag es gerne hätten. De Toledo spricht nicht gerne über seinen Großvater, lässt seine Familie außen vor (er outet sich erst im Epilog) und will viel lieber über seine Ideen und Gedanken zu Globalisierung, Kapitalismus und die Auflehnung dagegen sprechen, als die ewig gleichen Fragen nach seinen Wurzeln zu beantworten.

„Goodbye Tristesse“ ist dabei letztlich eine Bestandsaufnahme der heutigen Zeit, des vorherrschenden Geistes und eine Antwort auf die Frage, wie man heute, in Zeiten politischen Desinteresses, noch vernünftig protestieren kann. De Toledo beginnt seine Analyse in den späten Achtzigern und differenziert in der Zeit zwischen Mauerfall und 11. September drei verschiedene Stadien der Revolte, die den Kern seiner Analyse ausmachen.

|“Das Stadium des neuen Rückzugs“| markiert den Beginn seiner Analyse und damit definiert de Toledo eine Zeit, die geprägt ist von der schuldbeladenen Erinnerung an den Holocaust und die enttäuschte Erinnerung an die verratenen Ideen und Ideale der 68er. Der Kapitalismus nimmt alles in sich auf. Er absorbiert die Subkultur und damit auch immer wieder die Revolte selbst. De Toledo beschreibt, wie diese Aspekte im Zusammenspiel mit weiteren Faktoren zu Resignation und Zynismus führen, die das Stadium des neuen Rückzugs charakterisieren.

|“Das Stadium des neuen Einflusses“| sieht de Toledo von der Verflüssigung geprägt. Markantestes Merkmal ist in dieser Phase die zunehmende Vernetzung. Kunst, Kapitalismus, Intelligenz – alle diese Dinge sieht de Toledo vereint, die Menschen als Bestandteile eines großen zusammenhängenden Netzes.

Die letzte Phase ist |“das Stadium des neuen Körpers“|. In dieser Phase sieht de Toledo eine Wiederbelebung des poetischen Menschen, der einen Kontrapunkt zum Marktmenschen markiert. Als Form der Revolte sieht er in dieser Phase einen Übergang von einer bewaffneten zu einer semantischen Guerilla. Subcomandante Marcos, den de Toledo gerne als Beispiel für diese Phase der Revolte heranzieht, hat das so ausgedrückt: |“Wir sind eine Armee von Träumern und deswegen sind wir unbesiegbar.“| Die Idee der semantischen Guerilla des Subcommandante Marcos verknüpft de Toledo mit der Idee eines „provisorischen Außerhalb“ der Gesellschaft, aus dem heraus der Protest formiert wird. Oberste Zielsetzung ist für ihn eine |“Romantik der offenen Augen“|, die er von direkten und gewaltlosen Aktionen geprägt sieht und von einer offenen Auseinandersetzung mit den schier unendlichen Möglichkeiten des Protestes.

Allein schon diese grobe, stark vereinfachte Inhaltsbetrachtung offenbart, dass de Toledo zur Verdeutlichung seiner Ideen einen sehr philosophischen Ansatz wählt. Wer das Buch also kauft, weil er eine politische Variante von „Generation Golf“ erwartet, der dürfte am Ende enttäuscht sein. So geht es auch mir. Die Pressestimmen klingen wunderbar und der Klappentext absolut verführerisch, aber das, was sich dann zwischen den Buchdeckeln offenbart, ist ein äußerst sperriger, schwer verdaulicher Brocken, der so abstrakt und verkopft daherkommt, dass man bei der Lektüre immer wieder Zweifel an der eigenen Intelligenz bekommt. Trotz Abitur und Fachhochschulabschluss waren viele Passagen des Buches für mich schlichtweg unverständlich.

Die Aufmachung des Buches und der Tenor der Pressestimmen suggerieren Leichtigkeit und einen lockeren, aber gleichzeitig ernsthaften Diskurs. Doch dieser Eindruck täuscht. De Toledos Ideen überhaupt grundsätzlich nachvollziehen zu können, ist ohne Sekundärliteratur für den eher rudimentär philosophisch bewanderten Leser ein Drahtseilakt. Wer noch nie zuvor von der „Situationistischen Internationale“ oder von der „Gesellschaft des Spektakels“ gehört hat, wer die Werke von Guy Debord oder Gilles Châtelet nicht kennt oder noch nie den „Anti-Ödipus“ gelesen hat, der wird so manches nicht nachvollziehen können, was de Toledo schreibt.

Er macht sich nicht einmal die Mühe, sich verständlich auszudrücken – zumindest drängt sich der Eindruck im Laufe der Lektüre auf. De Toledo jongliert eben nicht nur mit abstrakten Gedankenkonstrukten, sondern verschanzt diese auch noch hinter einem Wortschatz, der mit Fremdwörtern gespickt ist. Dabei mag man dem Autor keinesfalls unterstellen, dass er das absichtlich macht, um sich wichtig zu tun. De Toledo studiert seit seiner Jugend philosophische Werke, insbesondere offensichtlich die französischer Philosophen. Für ihn sind abstrakte Denkspiele nichts Ungewöhnliches, aber wer nicht auf einen ähnlichen Erfahrungsschatz bauen kann, für den wird wohl so manches im Dunkeln bleiben.

Dabei wirkt de Toledos Buch in jedem Fall hochgradig leidenschaftlich. Man spürt immer wieder, dass er sehr viel Herzblut in sein Werk gesteckt hat und immer dann, wenn sich mal ein Lichtblick auftut und man zu begreifen beginnt, worauf er hinaus will, geht von de Toledos Leidenschaft etwas Ansteckendes aus. So gesehen, ist es außerordentlich schade, dass durch die abstrakten und schwer verdaulichen Gedanken so viel von dieser leidenschaftlichen Energie verpufft.

Und so bleibt am Ende ein außerordentlich blasser Eindruck zurück. Vieles bleibt diffus und unklar und so bleibt auch die kritische Auseinandersetzung mit de Toledos Thesen letztlich auf der Strecke. Wie soll man schließlich etwas kritisch betrachten können, das man kaum verstanden hat und das so seltsam abstrakt bleibt, dass man kaum einen Gedanken festhalten kann?

Fazit: Ein Buch vor allem für den philosophisch geschulten und interessierten Leser. Mit einem „atemlosen Politpamphlet“, einer politischen Variante von |“Generation Golf“| oder der Leichtigkeit verheißenden Umschreibung „Lebensgefühl der Thirty-Somethings“ hat „Goodbye Tristesse“ wenig bis gar nichts zu tun, und so sind Pressestimmen und Klappentext prädestiniert dazu, einen falschen Eindruck zu erwecken und eine enttäuschte Leserschaft zurückzulassen.

Bleibt die sympathische Ironie, dass die Taschenbuchausgabe zu „Goodbye Tristesse“ gerade in einem Verlag erscheint, der selbst Teil eines multinationalen Konzerns ist, und das bestätigt dann schon irgendwie, dass Camille de Toledo mit seiner Beschreibung des „Stadiums des neuen Rückzugs“ Recht hat …

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Clark, Robert – Verbrechen des Mr. White, Das

Herbert White gehört zu jenen unauffälligen Zeitgenossen, die ihr gesamtes Leben am Rande der Gesellschaft verbringen und dort von ihren Mitmenschen kaum zur Kenntnis genommen werden. Dabei ist es nicht einfach, ihn zu übersehen, ist er doch auffällig groß und kräftig und trotz seiner Jugend mit einer spiegelblanken Glatze geschlagen. Mit ruhiger Regelmäßigkeit geht er seinem farblosen Angestelltenjob nach und verbringt die Feierabende und Wochenende daheim. Dort schneidet er Zeitungsartikel aus, die über Neues in der Welt berichten. Für White ist das wichtig, denn er leidet an Gedächtnisstörungen und kann sich schlecht merken, was in den letzten Tagen und Wochen geschehen ist oder er selbst getan hat.

Das ist fatal, denn es sichert ihm zusammen mit seinem zweiten Zeitvertreib die ungeteilte Aufmerksamkeit der örtlichen Polizei. Herbert White fotografiert gern – am liebsten junge und schöne Frauen. Dafür ist er schon bekannt bei den Tänzerinnen der „White Castle“-Bar, denen seine harmlose Obsession eine schöne Nebenerwerbsquelle erschließt. Doch wir schreiben das Jahr 1939, und St. Paul, Whites Heimatort, ist keine weltoffene Großstadt, sondern ein kleines Nest irgendwo im US-Staat Minnesota. Hier gelten eigene, oft ungeschriebene Regeln, deren wichtigste lautet, dass jeder als verdächtig gilt, der sich „anders“ verhält als die braven Bürger.

Und Verdächtige sind Männern wie den Polizisten Welshinger und Trent vom Sittendezernat des Städtchens St. Paul ausgeliefert – selbstherrlichen, rassistischen und korrupten Männern, die gern Landstreicher, Schwarze, Juden und andere Minderheiten, die sich nicht wehren können, schurigeln, demütigen oder erpressen. Die meisten ihrer Kollegen sind aus demselben Holz geschnitzt. Lieutenant Wesley Horner ist allerdings anders – ein beruflich integerer Mensch, dem privat viel Schlimmes widerfahren ist. Seine Ehefrau ist nach langer Krankheit gestorben, die Tochter fortgezogen. Nun ist er allein und grübelt zu viel. Der Dienst leidet aber nicht darunter, was nur gut ist, als in einer lauen Spätsommernacht die Leiche der Tänzerin Charlene Mortensen entdeckt wird; die junge Frau wurde erschlagen. Mord ist ein seltenes Delikt in St. Paul. Die Polizisten schwärmen aus, doch Eifer ersetzt solide Fahndungsarbeit. Ein Täter muss her, und das möglich rasch, denn Presse und Öffentlichkeit werten jede Verzögerung als Schwäche. Da ist die Versuchung groß, die Ermittlungen ein wenig abzukürzen. Es dauert auch nicht lange, bis Herbert White ins Visier der Beamten gerät. Er passt nicht nur gar zu gut in ihr beschränktes Weltbild, sondern eignet sich auch hervorragend als Hauptverdächtiger. Sein umständliches Verhalten, seine angeblichen Gedächtnislücken und sein ungewöhnliches Hobby verschaffen ihm einen schweren Stand. Gar zu gern würden Welshinger und Trent ihm die Bluttat anhängen. Zwar ist die Indizienkette mehr als dünn, doch dem ließe sich nachhelfen …

Als „Mr. White’s Confession“ 1999 von den ehrwürdigen „Mystery Writers of America“ als bester Kriminalroman des Jahres mit dem „Edgar Allan Poe Award“ ausgezeichnet wurde, war niemand erstaunter als Robert Clark, der niemals einen klassischen Thriller im Sinn hatte, als er die traurige Geschichte des Herbert White niederschrieb. Nachdem man sie gelesen hat, versteht man ihn gut, denn in der Tat steht „Das Verbrechen …“ zwischen den Genres: Krimi, Liebesgeschichte, historischer Rückblick, psychologische Studie – das alles und noch mehr steckt in der Geschichte, die trotzdem ein harmonisches und sehr stimmiges Ganzes ergibt und glänzend ihren Verfasser bestätigt, der es ablehnt, sich in literarische Schubladen sperren zu lassen.

Ist der Leser bereit, über seinen (oder ihren) Schatten zu springen und sich auf die Geschichte einzulassen, bleibt die Belohnung nicht aus. Ja, es ist wahr: In diesem Roman geschieht nicht gerade viel, und es gibt eigentliche keine Figur, die wirklich sympathisch wäre. Das schließt Herbert White, den tragischen Anti-Helden, ausdrücklich mit ein. Sogar die wenigen Polizisten, die sich tatsächlich bemühen, Recht und Ordnung zu vertreten, sind recht unbedarft und leicht auf falsche Fährten zu locken. Das mindert jedoch in keiner Weise die Wirkung einer ganz spezifischen Rekonstruktion des Jahres 1939. Dabei beschränkt sich Robert Clark auf ganz wenige Pinselstriche, wenn er das St. Paul von einst wiedererstehen lässt. Er hat es nicht nötig, Authentizität durch ausufernde historische Reiseberichte zu erzwingen. Die Vergangenheit wird nur dort beschworen, wo sie für die Handlung relevant ist.

Die scheint wiederum Jim Thompson Recht zu geben, der stets der Meinung war, die scheinbare Idylle der kleinen Stadt, in der jeder jeden kennt und man sich stets untereinander hilft, könne sich als arger Saustall entpuppen, in dem es genauso schmutzig zugeht wie in der verluderten Metropolis. Doch Clark ist kein Zyniker wie Thompson, und St. Paul kein Höllenpfuhl, sondern einfach ein Ort, bewohnt von Menschen, die grundsätzlich bemüht sind, ihr Leben regelkonform zu führen. Das schützt sie nicht vor dem Scheitern: „Das Verbrechen des Mr. White“ ist eine ganz einfache Geschichte, wie sie das Leben tatsächlich manchmal schreibt, und weil ihr Verfasser sein Handwerk versteht, liest sie sich trotzdem spannend. Das Ausbleiben einer Auflösung ändert daran gar nichts. Wer zwischen den Zeilen liest, wird den wahren Mörder ohnehin selbst erkennen. Gewissheit gibt es allerdings nicht: Clark verstreut sehr geschickt Andeutungen und Indizien über den ganzen Text, die neben dem boshaften Welshinger noch andere Verdächtige zulassen. Auch Herbert White wird nie völlig entlastet. So bleibt dem Leser die Entscheidung überlassen.

St. Paul ist übrigens kein fiktiver Ort; er existiert tatsächlich, und Robert Clark ist dort geboren und aufgewachsen. Inzwischen ist er mit Ehefrau und zwei Kindern in Seattle ansässig.

Ali, Tariq – Sultan von Palermo, Der

Muhammad al-Idrisi ist ein islamischer Gelehrter aus Sizilien. Gerade kehrt er von seiner letzten Reise zurück, deren Ziel es war, ein umfassendes geographisches Werk zu schreiben, inklusive Landkarten und allem, was sonst noch so dazugehört. Nun ist sein Werk nahezu abgeschlossen, doch er weiß, dass er nicht in dieselbe Welt zurückkehrt, aus der er aufgebrochen ist. Sein Freund und Gönner, Sultan Rujari II. von Palermo, ist krank und dem Tode nahe. Und mit dem Tod des toleranten, weltoffenen Herrschers wird in Sizilien eine Ära zu Ende gehen …

„Der Sultan von Palermo“ ist, wie ich leider erst im Nachhinein feststellte, der vierte Band einer fünfteiligen Romanreihe. Zwar ist das Buch in sich abgeschlossen, außerdem spielt der erste Band „Im Schatten des Granatapfelbaums“ circa dreihundert Jahre später als „Der Sultan von Palermo“. Falls es dennoch irgendwelche Bezüge zwischen den Romanen gibt außer dem offensichtlichen, dass sie stets die Berührungspunkte zwischen Islam und Christentum in einer Zeit des Umbruchs zum Thema haben, dann muss dieser Aspekt hier leider unberücksichtigt bleiben.

Aber auch für sich allein genommen bietet „Der Sultan von Palermo“ einen überraschenden Blick auf eine besondere Welt. Sizilien war zu dieser Zeit ein eigenständiges Königreich, zu dem außer der Insel auch noch Teile in Süditalien gehörten. Die Eroberung durch die Normannen lag gerade mal eine Generation zurück, die Mehrheit der Bevölkerung war noch immer islamisch.

Roger II., der sich selbst gern Rujari nennt, fließend arabisch spricht und trotz seines christlichen Bekenntnisses einen Harem mit mehreren Frauen unterhält, hat ein ausgeprägtes Faible für Kultur und Philosophie. Er nutzte die Wirren des Kirchenschismas, um sich vor der Teilnahme an den Kreuzzügen ins Heilige Land zu drücken, und eroberte stattdessen Gebiete im nördliche Afrika. Unter seiner Herrschaft leben Christen, Moslems und Juden friedlich nebeneinander.

Mit der wachsenden Schwäche des Herrschers wuchs allerdings die Macht der Kirche in Sizilien, damit einher gingen Übergriffe gegen die islamische Bevölkerung. Nur wenige Jahre nach Rogers Tod begann die Vertreibung aller Andersgläubigen, die nicht zum Christentum übertreten wollten.

Vor diesem historischen Hintergrund erzählt Tariq Ali aus dem Leben von al-Idrisi, seinem Familienleben, seinen Interessen und Ansichten.
Al-Idrisi ist gläubiger Moslem. Im Vergleich zu dem, was wir heute unter gläubigen Moslems verstehen, wirkt er allerdings etwas lax. Er geht beileibe nicht jeden Freitag in die Moschee, lässt gelegentlich Gebete ausfallen, wenn er keine Lust hat, und empfiehlt den Bauern auf seinem Gut, zum Christentum zu konvertieren – wenigstens zum Schein -, um sich vor der zunehmenden Bedrohung durch die Nazaräer zu schützen. Er zitiert amüsiert anstößige Verse über Homosexualität, schwärmt für alkoholische Getränke und begeht Ehebruch mit seiner Schwägerin, die eigentlich mit dem Emir von Syrakus verheiratet ist. An einer Stelle erwähnt er sogar, dass der Stellvertreter des Propheten sich gelegentlich überrascht darüber geäußert haben soll, dass seine vertraulichen Ratschläge später öfters als göttliche Offenbarung verkündet wurden, während die Ehefrau des Propheten eine erstaunliche Übereinstimmung der göttlichen Offenbarungen bezüglich der Frauen mit den Wünschen ihres Gemahls festgestellt habe. Was für gotteslästerliche Gedanken! – Dennoch ist al-Idrisi ein ernsthafter Mann, dem trotz aller Kritik zu keiner Zeit in den Sinn kam, seinen Glauben zu wechseln, nicht einmal zum Schein, wie es in jener Zeit so viele taten.

Aus den Äußerungen al-Idrisis über seinen Glauben und seine Heimat entsteht ein ungewöhnliches Bild, das heutige Moslems womöglich entsetzen würde. Die Freizügigkeit in sexuellen Dingen fand ich dabei am erstaunlichsten. Al-Idrisi hat sich von seiner Frau getrennt, seine große Liebe Mayya aber lebt im Harem des Sultans. Trotzdem besucht er sie dort und zeugt eine Tochter. Der Sultan weiß es und drückt ein Auge zu! Gegen Ende seines Lebens schickt er Mayya samt Tochter zu al-Idrisi, der Mayya sofort heiratet. Gleichzeitig aber fängt der Gelehrte die Affäre mit Mayyas Schwester an, die unbedingt ein Kind will, deren Mann aber offenbar zeugungsunfähig ist. Mayya unterstützt dies sogar! Ihre Schwester wird schwanger, kehrt aber vor der Geburt zu ihrem Mann zurück, um ihm keine Hörner aufzusetzen. Der Mann weiß um al-Idrisis Vaterschaft und freut sich sogar darüber, dass er nun einen eigenen Erben bekommt! Er bietet al-Idrisi an, ihm seine Frau nach der Geburt erneut zu schicken, falls sie noch weitere Kinder möchte! Keiner der Beteiligten scheint mit diesem Chaos ein größeres Problem zu haben, auch wenn sie alle dafür sorgen, dass nichts davon nach außen dringt. Erstaunlich ist auch, dass die treibenden Kräfte des Ehebruchs die Frauen waren!

Einen weiteren Punkt werden wir heutzutage als untypisch empfinden, nämlich den, dass es die Moslems waren, die in dem aufkeimenden Konflikt zwischen Christen und Andersgläubigen diejenigen waren, die die Gewaltspirale bremsten, um einen Bürgerkrieg zu vermeiden. Der beherrschende Gedanke war der Schutz von Leben, nicht das ruhmreiche Sterben für Allah und den Propheten. Allerdings war der von Tariq Ali beschriebene Islam kein homogenes Gebilde. Al-Idrisi stellt vielmehr fest, dass der Glaube der Wüstenvölker noch weit fanatischer ausgeprägt ist als der der Stadtbevölkerung, die sich weniger mit dem Jihad als mit Handel und Wissenschaft beschäftigt. Vor allem Letztere führte zur Öffnung des Islam gegenüber anderen Kulturen. Die Kultur aus der Wüste hat trotz aller Gegensätze von den Hinterlassenschaften der Römer und Griechen ebenso gelernt wie die Normannen von den Moslems. Der Austausch von Wissen hat nach al-Idrisis Überzeugung den Islam groß gemacht, deshalb reagiert er äußerst ärgerlich auf die Zerstörung von Büchern und Schriftrollen durch fanatische Glaubensbrüder.

Vielleicht ist das der Punkt, der dieses Buch am meisten auszeichnet. Tariq Alis Protagonist ist ein sehr sachlicher und unvoreingenommener Beobachter, dessen Kritik beide Seiten in gleicher Weise trifft, ohne dabei jemals in Anschuldigungen oder Beschimpfungen zu verfallen. Hier soll niemand denunziert oder schlecht gemacht oder verdammt werden. Es wird lediglich ein Bild gezeichnet, wie golden zumindest ein Teil der Welt einmal war, und wie er mit der entsprechenden Einstellung auf beiden Seiten auch wieder werden könnte.

Der Autor erzählt in sehr ruhigen, unaufgeregten Worten. Spannung findet sich kaum in diesem Buch, nicht einmal angesichts des unaufhaltsam näher rückenden Endes dieser goldenen Ära. Dieses Buch fällt weniger in die Kategorie „Historienroman“ als in die eines „Sittengemäldes“, es ist kein monumentales Geschichtsepos, sondern eher ein Stilleben, leise und unaufdringlich und auch ein wenig frivol. Wer sich vorwiegend für fremde Kulturen interessiert und eine leichte, luftige Erzählweise schätzt, ist hier gut aufgehoben. Wer es dagegen eher dramatisch oder lebhaft mag, sollte vielleicht lieber zu einem anderen Buch greifen.

Tariq Ali wurde 1943 in Lahore geboren und studierte an der Punjab-Universität. Wegen politischer Aktivitäten gegen Pakistans Militärdiktatur musste er schließlich nach England emigrieren. In Oxford setzte er sowohl sein Studium als auch seine politischen Unternehmungen fort. Er war eine der führenden Personen der Studentenbewegung 1968, bezog Stellung gegen den Vietnamkrieg unter anderem in öffentlichen Debatten mit Henry Kissinger oder Michael Stewart. Tariq Ali versteht sich als Sozialist und Antiimperialist, ist Mitherausgeber einer Zeitung der internationalen Linken, ansonsten aber hauptsächlich Filmemacher und Autor. Aus seiner Feder stammen unter anderem die Romane „Das Buch Saladin“ und „Die steinerne Frau“ sowie „Fundamentalismus im Kampf um die Weltordnung: Die Krisenherde unserer Zeit und ihre historischen Wurzeln“ und „Bush in Babylon“.

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Wolf, Stefan – TKKG – Es geschah in einer Regennacht (Folge 153) (Hörspiel)

_Besetzung_

Erzähler – Wolfgang Kaven
Tim – Sascha Draeger
Karl – Niki Nowotny
Klößchen – Manou Lubowski
Gaby – Veronika Neugebauer
Wespe – CÄSAR
Markus Dilch – Rainer Schmidt
Olaf Zackler – Miachael Bideller
Gehrmann – Helgo Liebig
Dr. Lohm – Herbert Tenningkeit
Kassiererin – Halla von der Osten
Martens – Eric Schaeffler

Regie: Hekedine Körting

_Story_

Tim und Gaby werden bei einem nächtlichen Spaziergang unbewusst mit einem Einbruch ins Kunstmuseum konfrontiert, als Tim den just entlaufenen Oscar auf einer nahe gelegenen Baustelle sucht. Die beiden Diebe gehen kein Risiko ein und strecken den überraschten Tim kurzerhand nieder, bevor dieser realisieren kann, was überhaupt geschieht. ALs er wieder bei vollem Bewusstsein ist, entdeckt er am Tatort einen kleinen Zettel, den die Verbrecher bei ihrem Raub verloren hatten. Es handelt sich dabei um einen Abholschein für die Wäscherei, den die TKKG-Bande schließlich als ersten Hinweis an sich nimmt, um in diesem neuen Fall zu ermitteln. Doch schon bald stellen sie fest, dass hinter dem Diebstahl mehr steckt als das Interesse an den Bildern. Das Diebesgut stammt ursprünglich von einem längst tot geglaubten Maler, der nach seinem letzten Aufenthalt in Südtirol spurlos verschwunden war.

Als kurze Zeit später weitere Gemälde dieses Künstlers auftauchen, macht Karl eine wertvolle Entdeckung; ein Bild aus dem Herzen Veronas enthält Details, die dem Künstler nur dann bekannt sein können, wenn er diesen Ort nach seinem Verschwinden aufgesucht hat. Möglicherweise ist der Mann sogar noch am Leben, was das charmante Detektiv-Quartett dazu veranlasst, die Ermittlungen zu verschärfen. Allerdings sind ihre Gegner dieses Mal gemeingefährlich …

_Meine Meinung_

Ehrlich gesagt bin ich vom neuesten Hörspiel der TKKG-Serie ziemlich enttäuscht. Die Story ist zwar zu Beginn noch recht vielversprechend und in den ersten Minuten auch reich an Action, doch schon nach kurzer Zeit schleicht sich gepflegte Langeweile ein, unter anderem, weil einfach zu viele Ereignisse vom Zufall geprägt und deshalb nicht mehr glaubwürdig erscheinen. Nimmt man die Geschichte mit dem Zettel aus der Wäscherei noch als Künstlerpech (nomen est omen) hin, ist Stefan Wolf bei der weiteren Fährtensuche seiner vier Detektive nicht mehr sonderlich erfinderisch gewesen und stellt den Hörer dabei gleich mehrfach vor vollendete Tatsachen. Neue Spuren entsteigen urplötzlich dem Nichts und bauen nur selten auch konsequent auf vorherigen Situationen auf. Darüber hinaus spielt sich das Hauptelement der Handlung in nur fünf Minuten ab; der Rest besteht aus zweifelhaftem Geplänkel, für die Erzählung unvorteilhaften Dialogen und dem permanenten Versuch, die vielen Defizite wieder auszugleichen. Doch leider gelingt dies nicht. Die Story endet ähnlich unschlüssig wie die Überleitung zwischen den vielen Erzähleinheiten inmitten des Plots. Ein schier rasantes, aber irgendwie völlig aus dem Handlungsstrang losgelöstes Action-Szenario unter Einbeziehung bis dato eher unscheinbarer und kaum vorgestellter Charaktere, danach ein Geständnis, und schon ist’s aus – ohne dass man den Eindruck vermittelt bekommen hat, die Geschichte wäre fertig zu Ende erzählt.

Den Sprechern kann man indes keine Vorwürfe machen; sowohl die Protagonisten als auch die Nebendarsteller haben einen makellosen Auftritt und verleihen dem Hörspiel auch ausnahmslos den erforderlichen Unterbau. Sieht man mal von manchen platten, sprachlich etwas sehr lockeren Dialogen ab – besonders Veronika Neugebauer alias Gaby bedient sich eines vermehrt umgangssprachlichen Wortschatzes – ist zumindest dies noch auf normalem Niveau. Das Problem ist einzig und allein die Geschichte, die inhaltlich zwar interessant sein könnte, insgesamt aber einfach zu holprig erzählt wird und schlussendlich fast eindruckslos am Hörer vorbeirauscht. Wie heißt es so schön: Ein Satz mit X – das war wohl nix. „Es geschah in einer Regennacht“ ist definitiv einer der schwächsten Fälle der TKKG-Reihe.

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Marzi, Christoph – Malfuria

Nachdem Christoph Marzis „Lycidas“-Trilogie zu Ende erzählt ist und auf ihre im März anstehende Hörbuchpremiere bei |Audible.de| wartet, ist der Autor aus dem Saarland nun mit einer neuen Fantasy-Trilogie am Start. Zugeschnitten auf eine etwas jüngere Zielgruppe, erscheint die Reihe im Jugendbuchverlag |Arena|. Mit „Malfuria“ legt Marzi für diese Reihe den Grundstein.

„Malfuria“ spielt in Barcelona und wie schon bei [„Lycidas“ 1081 bleibt die Zeit etwas unergründlich. Die Stadt wirkt altertümlich und (post)modern zugleich, eine Zeit voller Wunder und so unergründlich, dass sie für sich genommen schon sehr reizvoll wirkt.

Hier begleitet der Leser die junge, angehende Kartenmacherin Catalina und den Lichterjungen Jordi. Jordi sieht als Sohn des Leuchtturmwärters als Erster, was Unheilvolles auf Barcelona zusteuert: die |Meduza|, ein fliegendes Schiff, das die Schatten in die Stadt bringt.

Schon bald verlassen unheimliche Gestalten das Schiff: Schatten, die ihr Gesicht hinter einer Harlekin-Maske verbergen. Sie bringen Kälte und Dunkelheit in die Stadt und sind auf der Suche nach jemandem – nach Catalina, die in der Windmühle des alten Kartenmachers Marquéz lebt.

Und so muss Catalina fliehen. Unterwegs trifft sie auf Jordi, den sie unfreiwillig mit in die Geschichte hineinzieht. Zusammen versuchen sie den Schatten zu entkommen und machen dabei so manche abenteuerliche Bekanntschaft. Sie treffen El Cuento, den Wind, der ihnen bei der Flucht hilft, sie besuchen das mysteriöse Haus der Nadeln und sie entdecken ein lange gehütetes Geheimnis, das eng mit Catalinas Schicksal verknüpft ist: Malfuria.

„Malfuria“ ist eine Fantasygeschichte, die für Jugendliche wie Erwachsene gleichermaßen interessant ist. Dass Marzi über eine ausgesprochen rege Phantasie verfügt, hat er mit seiner „Lycidas“-Reihe hinlänglich bewiesen. Auch in „Malfuria“ gibt er wieder wunderbare Einfälle zum Besten, kreiert eine fantastische Atmosphäre und erzählt eine Geschichte voller Spannung und Magie.

Während „Lycidas“ zusammen mit seinen beiden Nachfolgebänden [„Lilith“ 2070 und „Lumen“ recht ausführlich und weitschweifig erzählt ist, kommt „Malfuria“ eher kompakt daher. Gradlinig und in flottem Tempo wird die Geschichte erzählt. Trotz der Kompaktheit entwickelt der Plot eine charakteristische Atmosphäre, die vielleicht nicht ganz so dicht ist, wie man es von „Lycidas“ kennt, aber dennoch spannend.

Die Figuren wirken lebendig und wachsen dem Leser schnell ans Herz. Die Welt, durch die sie sich bewegen, ist farbenprächtig und gespickt mit wundersamen Kreaturen und Orten. Ein erstes Highlight der Geschichte ist das Auftreten der Eistreter, die schattenähnlichen Kreaturen mit den Harlekin-Masken. Sie hätten auch gut in die uralte Metropole gepasst, die Marzi in „Lycidas“ beschreibt, und ähneln ein wenig dem Nebel, der in [„Lumen“ 3036 auftaucht und Unheil verbreitet. Sie wirken düster und unheimlich und sorgen für reichlich Spannung.

Obwohl sich nicht nur anhand der Eistreter Parallelen zu Marzis Vorgängerwerken ziehen lassen, ist „Malfuria“ kein „Lycidas“-Abklatsch. Zwar werden bestimmte Themen variiert, wie die Eistreter oder auch die Menschen mit den Münzenaugen, die an die Kinder mit Spiegelscherbenaugen in der Hölle von „Lycidas“ erinnern, dennoch ist „Malfuria“ ein eigenständiges Werk. Die Atmosphäre ist eben doch eine andere und Barcelona hat als Handlungsort noch einmal einen ganz eigenen Charme.

Der Plot ist gut aufgebaut. Nachdem Marzi die beiden Protagonisten Jordi und Catalina in die Handlung eingeführt hat, zieht er mit Catalinas überstürzter Flucht aus der Windmühle gleich die Spannungsschraube kräftig an. Was folgt, ist eine Flucht kreuz und quer durch Barcelona, auf der Catalina und Jordi sowohl unheimliche wie auch freundliche Begegnungen machen und die zum Ende hin geradezu rasant wird. Die unheimlichen Häscher sind den beiden dicht auf den Fersen, und für Catalina gibt es so manche schmerzhafte Erkenntnis zu verkraften.

Insgesamt schafft Marzi eine Ausgangslage, die für die im Juli anstehende Fortsetzung vielversprechend aussieht. Die Geschichte enthält noch einiges an Potenzial und die Weiterentwicklung der Hauptfiguren, insbesondere Catalina, verspricht interessant zu werden.

Alles in allem also ein durchaus vielversprechender Trilogieauftakt: sympathische Figuren, ein schöner Plot voller fantastischer Ideen, die beweisen, dass mit Marzi auch nach „Lycidas“ weiterhin zu rechnen ist. In der Riege deutscher Fantasyautoren verschafft er sich so ein hübsches Logenplätzchen. „Malfuria“ ist eine farbenprächtige und spannend erzählte Fantasygeschichte, der man eine große Leserschaft wünscht und die im Juli hoffentlich ebenso schön weitergeht.

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