Archiv der Kategorie: Rezensionen

Weinert, Simon – Drache regt sich, Der. Eine phantastische Erzählung

Der Meister des Gagaismus, wie Simon Weinert seine dadaistisch-skurrilen Streifzüge durch gleichermaßen Phantastik und Gesellschaftskritik selbst bezeichnet, legt mit „Der Drache regt sich“ eine „geile Fantasygeschichte“ (S. 81) vor. So können wir aus dem Buch erfahren, was die Studentin Golde und eine Familie im Venedigurlaub mit Fantasyliteratur zu tun haben. Weinert verknüpft nicht nur phantastische Elemente mit Sarkasmus und scharfer Kritik an der einen oder anderen Einrichtung unserer Informationsgesellschaft, sondern zieht konsequent die Facetten und Phrasen des Fantasygenres durch den Kakao. Alle müssen dran glauben: Black-Metal-Fans, potente Drachtöter, die sich Sexsklavinnen halten, Live-Rollenspieler, Handy-Zombies, abgestumpfte TV-Jünger und J. R. R. Tolkien.

Simon Weinert liefert mit seinem Buch aber keine hohle Abrechnung mit den rückwärtsgewandten und wirklichkeitsfremden Aspekten diverser Fantasy-Geschmacklosigkeiten, vielmehr gelingt es ihm mit seiner mitunter gewöhnungsbedürftigen Erzählform – eine, die zum Denken anregt und den Leser gerade nicht mit altbekannten und x-fach wiederholten Vampir-Drachen-Helden-Abziehbildern einlullt – zu zeigen, dass ein Drache mehr sein kann als ein „Phantasiewesen aus albernen Fantasyromanen“ (S. 55).

Man wird wirklich überrascht sein, etwa wenn Golde das sagenumwobene „schwarze Land“ in Bayern vermutet, die geheimnisvollen Hallen des heldenhaften Drachentöters in Venedig zu finden sind und der Drache, der menschlicher ist, als es dem Leser vielleicht lieb sein könnte, auf einer Ostseeinsel haust.

Simon Weinerts Buch „Der Drache regt sich“ ist aber auch deshalb ein gelungenes Werk, weil es in einem Verlag für phantastische Literatur erschienen ist! Die |Edition Medusenblut| bewegt sich in die richtige Richtung: Die notwendig gewordene Kritik am Fantasygenre wird durch intelligente Selbstironie nicht nur zugelassen, sondern scheint ein wichtiger Bestandteil des Verlagsprogramms zu sein. „Der Drache regt sich“ bereichert Boris Kochs |Edition Medusenblut| enorm, weil das Buch phantastische Literatur ist, die sich nicht auf kitschige Stereotype stürzt, sondern dabei hilft, Phantastik wieder als ernst zu nehmende Literaturform begreifen zu können.

http://www.medusenblut.de/

Dietmar Bittrich – Das Weihnachtshasser-Buch

Alle Jahre wieder – Weihnachten, Fest der Liebe, Fest der Kaufhäuser, Fest des Kommerzes. Jedes Jahr wieder die gleiche Diskussion, mit welchem wertvollen Stück man seinen Liebsten eine Freude macht, welche dekorativen Gegenstände man verwendet, um im Lichterwettstreit mit den Nachbarn siegreich von Dannen zu ziehen, wer wo wann was kocht und wo das große Weihnachtsgansschlachtfeld ausgebreitet werden darf.

Nun, Weihnachten ist in den Augen vieler heutzutage verkommen. Besinnlich ist das Fest schon lange nicht mehr, friedlich in den meisten Familien nur so lange, wie man den ganz Kleinen ein gutes Vorbild sein muss, und was den Sinn bzw. die Ursache des Festes betrifft, ist sich manch einer ebenfalls nicht im Klaren darüber, warum wir überhaupt Weihnachten feiern. Sicher, hier wird reichlich schwarzgemalt, aber ist Weihnachten grob umschrieben nicht genau das, was in den vorangehenden Zeilen geschrieben steht?

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Baxter, Stephen – Transzendenz (Kinder des Schicksals 3)

Der |Kinder des Schicksals|-Zyklus:
Band 1: [„Der Orden“ 1040
Band 2: [„Sternenkinder“ 1591
Band 3: „Transzendenz“

„Transzendenz“ stellt den Höhepunkt von Stephen Baxters „Kinder des Schicksals“-Trilogie dar. Die in „Der Orden“ begonnene und in „Sternenkinder“ fortgeführte Evolution der Menschheit zu etwas höherem, der sogenannten Transzendenz, ist ca. 500.000 Jahre in der Zukunft erfolgt.

Ähnlich der in „Der Orden“ vorgestellten menschlichen Schwarmgesellschaft ist die Transzendenz ein telepathisches Kollektiv vieler Menschen, von denen einige die Unsterblichkeit erlangt haben. Individualität schwindet und tritt deutlich hinter Kollektivität zurück. Diese Entität besitzt gottgleiche Macht über Raum und Zeit und hat sich einem hehren und verwegenen Ziel verschrieben: der Erlösung der gesamten Menschheit in allen Zeiten. Um dieses Ziel zu erreichen, durchlebt jeder in die Transzendenz aufsteigende Mensch das Leben eines Menschen der Vergangenheit und versucht es zum Besseren der gesamten Menschheit zu verändern.

So auch die an Bord eines uralten und mittlerweile hoffnungslos veralteten Generationenschiffs lebende Alia, eine junge Frau, die das Leben des um 2040 lebenden Michael Poole beobachtet. Poole ist ein Ingenieur, der entscheidenden Einfluss auf die Zukunft der Menschheit haben wird, denn er soll die Methanhydratlager der Polarregion stabilisieren und den GAU des Weltklimas verhindern:

Die globale Erwärmung hat die Ozeane ansteigen lassen, England, die Niederlande und Florida sind in den Fluten versunken. Um den Ausstoß an Treibhausgasen zu reduzieren, hat man Autos abgeschafft und Flugreisen sind zur Seltenheit geworden, viele Tierarten sind dennoch bereits ausgestorben und die Zukunft der Menschheit steht ebenfalls auf der Kippe. Neben diesen Problemen wird Poole auch noch von Geistererscheinungen seiner toten Frau und persönlichen Differenzen mit seinem Sohn geplagt.

|Baxtersche Heilslehre, Familiendrama oder Öko-Thriller?|

Diese drei Elemente dominieren den Roman, wobei der sonst bei Baxter stark ausgeprägte naturwissenschaftliche Aspekt deutlich in den Hintergrund tritt. Vielmehr verwirrt und langweilt er seine Leser mit hinlänglich bekannten Thematiken wie der globalen Erwärmung und ihren möglichen Folgen.

Baxter malt eine apokalyptische und wenig erstrebenswerte Zukunft, die sich auf das Negative der menschlichen Entwicklung konzentriert. Doch Alia greift in der Geistesgestalt von Michael Pooles toter Frau Morag helfend ein und steht ihm und somit auch der Menschheit bei. Auch in persönlichen Dingen wie dem schwer gestörten Verhältnis zu seinem Sohn Tom steht sie ihm zur Seite.

Die Familiengeschichte Michael Pooles ist leider von minderer Qualität. Baxter ist kein Charakterdarsteller, seine Romane leben von seinen Ideen. In „Der Orden“ konnte zumindest das historische Ambiente überzeugen und den Leser bei Stange halten, während Baxter seine Idee einer Schwarmgesellschaft langsam – für viele zu langsam – und anschaulich entwickelte. „Sternenkinder“ führte für Baxtersche Verhältnisse diese Entwicklung actionreich und anschaulich fort, Konflikte mit sich selbst, der eigenen Vergangenheit und mit anderen Rassen wie den Xeelee und oder gar deren Ausrottung, wie bei den „Silbergeistern“, standen im Mittelpunkt.

Nun hat Baxter eine Zukunft erreicht, in der die Menschheit in das Stadium der Transzendenz eintritt und in einer Art Katharsis jedes ihrer Individuen die Fehler der Vergangenheit durchleiden lässt, ihnen aber auch die Fähigkeit gibt, korrigierend einzugreifen.

Nun stelle man sich vor, Alia hätte nicht das Leben Michael Pooles als eine Art Schutzengel begleitet, sondern das Ivans des Schrecklichen oder einer anderen Schreckensgestalt, die außer Gräueltaten wenig Einfluss auf die Zukunft der Menschheit hatte. Was soll das? Alia ist eine junge und recht naive junge Frau, die ihr Leben lang auf einem alten Generationsschiff lebte und keineswegs bereits Teil der Transzendenz. Dennoch wird ihr die Macht gegeben, die Vergangenheit zu verbessern oder vielmehr zu verändern.

Nun möchte ich gar nicht näher auf den Schmetterlingseffekt und die Chaostheorie eingehen, aber diese Vorgehensweise erscheint mir recht bedenklich – für Baxter ist sie scheinbar kein Problem, auf das er auch nur ansatzweise eingeht. Baxter verrennt sich in theologischen und metaphysischen Ansätzen, stets ausgehend von dem Baxterschen Dogma der Schwarmgesellschaft, das sich wie ein roter Faden durch den Zyklus zieht. Hier steht der religiöse Wunsch nach Erlösung im Mittelpunkt, denn sowohl Michael Poole als auch die gesamte Menschheit und ihre Umwelt befinden sich in einem bemitleidenswerten Zustand, den sie zusätzlich mit einer Überdosis Selbstmitleid noch steigern.

Diese Veränderung der Vergangenheit ausgehend von der Zukunft scheint Baxter zu faszinieren, er schwenkt hier bereits auf die scheinbar ebenfalls religiös geprägte Schiene seiner für Februar angekündigten Serie „Time Tapestry“ / „Die Zeit-Verschwörung“ ein.

Doch was macht die Transzendenz nun eigentlich? Nichts! Auch sie kann nicht die Probleme der Menschheit lösen, das Ende des Romans ist enttäuschend und nichtssagend. Baxter zeichnet ein düsteres Bild und nimmt dieses auch noch im Detail unter die Lupe. Hoffnungslosigkeit? Das Warten auf göttliche Erlösung scheint die Erkenntnis zu sein, die menschliche Halbgöttlichkeit „Transzendenz“ kann sie ja leider nicht erbringen.

_Fazit_

Keine Klimakatastrophe, aber eine literarische. Der über weite Strecken unangenehm metaphysisch angehauchte Roman baut auf sehr dünnem Eis, denn weder als Öko-Thriller noch als Familiendrama kann er überzeugen. Hier hätte man deutlich kürzen können, was auch der Verständlichkeit gutgetan hätte. Leider muss in Baxters sphärischer Zukunft anscheinend nichts mehr den Gesetzen der Logik folgen, schlimmer noch, um den Lesengenuss weiter zu erschweren, schlägt er mitten im Buch noch einen Bogen zu der im ersten Band „Der Orden“ flüchtig erwähnten Kuiper-Anomalie!

Die relativ dünne und einfältige Zukunftsvision der Transzendenz wurde in den vorherigen Romanen bereits ausreichend behandelt, nun erreicht Baxter sie und stößt an eine Grenze, er kann sie einfach nicht erklären und endet in metaphysischen Plattitüden. Eine Kürzung hätte diesem Roman gutgetan, als Familiendrama leidet er unter peinlich unterentwickelten Charakteren und als Öko-Thriller greift er alte, sattsam bekannte Themen auf, ohne etwas Neues beitragen zu können. Baxters Flucht in den Glauben (Menschen der Zukunft wie Alia treten in der Form von Geistern/Engeln auf) wirkt wie eine hilflose Kapitulation vor der von ihm selbst geschilderten tristen Zukunft. Einzig die Übersetzung von Peter Robert verdient Lob; der bereits in [„Ilium“ 346 und „Sternenkinder“ bewährte Übersetzer hat den Roman tadellos ins Deutsche übertragen.

Der noch nicht übersetzte und vermutlich abschließende Band „Resplendent“ ist eine Kurzgeschichtensammlung, die sich auf die im zweiten Band „Sternenkinder“ auftretenden Xelee und die in den Sekunden nach dem Urknall entstandenen supersymmetrischen Lebensformen konzentriert.

The Baxterium – Die offizielle Homepage des Autors:
http://www.baxterium.org.uk/

Mike Selinker – Risk Godstorm

Vom Endlosspiel zur Götterschlacht

„Befreien Sie Asien“, „Befreien Sie Europa“, „Befreien Sie die ganze Welt“ – und das bitte innerhalb der nächsten zehn Spielstunden. Ich will gar nicht wissen, wie viele Stunden ich schon mit dem klassischen „Risiko“-Spiel verbracht habe, teilweise sogar, ohne dabei zu einer Entscheidung zu kommen. Dabei ließ die Spielmotivation häufig nach der Hälfte der Zeit nach, weil entweder die Hälfte der mitwirkenden Spieler zwischenzeitlich das Zeitliche segnen musste, oder aber eine ausgeglichene Materialschlacht sich zur Endlosschleife ohne absehbares Ende entwickelte.

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Michael Bedard – Flieg, Ente, flieg

Das Bilderbuch…

… liegt in einem schönen Querformat in der Größe DIN A4 vor, versehen mit einem Umschlag aus stabilem Hartkarton.

Die Übersetzung des Textes in die deutsche Sprache nahm Mirjam Pressler vor. An dieser Übersetzung gibt es nichts auszusetzen.

Das Bilderbuch orientiert sich an Kindern von 5 bis 6 Jahren und ist ein schönes Vorlesebuch, aber auch ein gutes Buch für erste eigene Leseversuche, wenn das ABC von den kleinen Schülerinnen und Schülern bereits ein wenig beherrscht wird.

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McKiernan, Dennis – Elfenschiffe (Voyage of the Fox Rider 1)

_Story_

Jinnarin gehört zum Volk der Verborgenen und lebt auf der Insel Rwn in strenger Abgeschiedenheit. Zu sehr lasten die Schandtaten an ihrem Volk, den Fuchsreitern, noch auf ihrer Seele, als dass sie Vertrauen zu anderen Geschöpfen fassen könnte. Dennoch bleibt ihr eines Tages keine andere Wahl, als den Magier Alamar aufzusuchen, einen alternden Elfen, dem ihr Freund Farrix einst das Leben gerettet hat. Eben jener Farrix ist nämlich schon seit langer Zeit verschollen und von seiner Reise nicht mehr wiedergekehrt. Seitdem wird Jinnarin Nacht für Nacht von einem grausamen Alptraum geplagt, den sie jedes Mal wieder von neuem erlebt.

Obwohl Alamar und Jinnarin sich anfangs nicht sonderlich wohlgesonnen sind, reisen sie zusammen in den Heimathafen des erfahrenen Seefahrers Aravan, dessen Schiff das gefürchtetste und am besten ausgerüstete in ganz Mithgar ist. Beide wissen, dass die Truppe Aravans die einzige sein wird, die Jinnarin bei der Suche nach Farrix und dem Sieg über ihren finsteren Traum wird helfen können. Aravan trifft alsbald ein und erklärt sich kurzerhand bereit, der kleinen Fuchsreiterin zu helfen, jedoch unter der Bedingung, dass sie sich den Mitgliedern seiner Crew zeigt und zumindest auf seinem Schiff nicht länger eine Verborgene bleibt.

Schweren Herzens willigt Jinnarin ein und reist mit den tapferen Kriegern durch die Ozeane von Mithgar auf der Suche nach ihrem Geliebten. Unterwegs treffen die Gefährten Alamars Tochter Aylis, die sich dem Trupp sofort anschließt. Die Reise scheint jedoch unendlich zu sein, und Jinnarins Traum bleibt immer öfter aus. Die Befürchtung, dass Farrix der Bote des Traumes ist und sich seine Lage verschlechtert hat, breitet sich aus, kann aber nicht bestätigt werden. Jedoch entwickelt sich die Seereise nach und nach zur Irrfahrt ohne erkennbares Ziel – bis plötzlich der Schwarzmagier Durlok, ein alter Kontrahent Alamars, ins Geschehen tritt und ein grausames Zeichen setzt.

_Meine Meinung_

Mit „Elfenschiffe“ startet Dennis McKiernan den nächsten Elfen-Zyklus in seiner Fantasy-Welt Mithgar. Einst unter dem Titel „The Voyage Of The Fox Rider“ 1993 erschienen, ist die Story nun erstmals über den |Heyne|-Verlag erhältlich und sicherlich eine der besseren Geschichten des Autors aus dem amerikanischen Bundesstaat Missouri.

Erzählt wird die Geschichte der Fuchsreiterin Jinnarin, die in ihren Träumen immer wieder eine schreckliche Begebenheit durchlebt, von der sie glaubt, dass sie in Zusammenhang mit ihrem vor langer Zeit fortgereisten Geliebten Farrix steht. Jinnarin belasten diese Träume eines Tages so sehr, dass sie bereitwillig ihre Zurückgezogenheit aufgibt und sich dem Magier Alamar anvertraut, einem der wenigen Menschen, der die Verborgenen (aus Dankbarkeit, weil Farrix einst einen Eber tötete, der Alamar bedrohte) achtet. Alamar ist gar nicht von Jinnarins Idee überzeugt, gemeinsam nach Farrix zu suchen, erklärt sich dann aber doch bereit, als sie ihm noch einmal nahelegt, dass auch Farrix ihm einmal zur Seite gestanden hat.

Alamar erwähnt schließlich den in ganz Mithgar gefeierten Aravan, ebenfalls ein Elf, der auf seinen zahlreichen Fahrten schon die tollkühnsten Abenteuer erlebt hat und ggf. eine Vorstellung davon hat, wo sich Farrix aufhalten könnte. Aravan ist auch sofort fasziniert von dieser Idee, nennt aber einige Bedingungen, die Jinnarin erst gar nicht akzeptieren will. Aus Angst, ihr und ihrem gesamten Volk könnte Ähnliches widerfahren wie ihren damals ausgebeuteten Vorfahren, strebt sie auf ewig ein Leben als Verborgene an, erkennt dann aber, dass die Besatzung des Schiffs die wahren Beweggründe der Reise kennen muss, um ihre Arbeit mit vollem Einsatz zu erledigen. Jinnarin bleibt keine andere Wahl: Sie muss sich den anderen Leuten auf dem Schiff – Zwergen und Menschen – zeigen.

Doch Jinnarin bereut dies zu keiner Sekunde; die Mannschaft ist ihr freundlich gesonnen und macht ihr Mut, ganz besonders Alamars Tochter Aylis, die eines Nachts mitten auf dem Meer herumtreibend entdeckt und aufgenommen wird. Sie wird nicht nur Jinnarins engste Vertraute, sondern auch Aravans Geliebte. Gleichzeitig ist sie das Bindeglied zwischen allen Beteiligten und muss auch stets unter den beiden Streithähnen Alamar und Jinnarin vermitteln. Schließlich ist es auch sie, die als Erste in den Traum der Fuchsreiterin eintaucht und erkennt, welche grausamen Ereignisse sich in der Gedankenwelt Jinnarins abspielen. Als ein unschuldiger Seher die Traumreise mit dem Tod bezahlen muss, wird allen klar, wie ernst die Lage ist. Und als dann der fürchterliche Schwarzmagier Durlok auftaucht und in einem unerwarteten Augenblick das Schiff angreift, müssen Aravan und seine Verbündeten dies auch beinahe mit ihrem Leben bezahlen.

Dennis McKiernan hat im Vergleich zum vorherigen Zyklus gleich an mehreren Stellen nachbessern können. Zunächst einmal hat er es im Fuchsreiter-Zyklus blendend geschafft, die Einleitung kurz und prägnant auf den Punkt zu bringen, ohne sich dabei an überflüssigen Details und Subplots aufzuhalten. Der Leser befindet sich unmittelbar nach dem Auftakt mittendrin im Geschehen und erlebt die Abenteuer von Jinnarin und all ihren Freunden hautnah mit. Gleichzeitig ist auch der Aufbau der Spannung wesentlich gelungener, besonders was die vielen Unbekannten der Story angeht, die permanent für ungeahnte Überraschungen sorgen.

Andererseits leidet „Elfenschiffe“ aber auch an einigen altbekannten Schwächen. Zunächst einmal wäre es wünschenswert gewesen, der Autor hätte die Route der Gefährten etwas transparenter gestaltet. Vor jedem Abschnitt erwähnt er, wie viele Tage und Meilen die Besatzung gereist ist und verliert sich stellenweise in diesen Darstellungen, ohne dass sie der Geschichte dienlich sind. Außerdem ist einem nie so wirklich klar, wohin Aravan und sein Team jetzt eigentlich segeln wollen, bzw. warum sie zu ausgerechnet diesem Zeitpunkt an genau jenem Ort verweilen. Erst im Laufe der Erzählung bessert sich dieser Umstand, wobei die ständigen ’sie reisten sechs weitere Tage‘-Sätze irgendwann echt nervig werden.

Abgesehen davon artet McKiernans Schifffahrtswissen bisweilen aus. Natürlich ist es zweckdienlich, wenn der Mann über Kenntnisse verfügt, die das Ganze authentischer erscheinen lassen. Aber zur Selbstbeweihräucherung – wie hier leider manchmal geschehen – sollte dies dann nicht werden …

Alles in allem überwiegen aber dennoch die positiven Aspekte von „Elfenschiffe“, insbesondere die sehr spannend erzählte Fantasy-Geschichte und ihre wunderbar dargestellten, dem Vorgänger-Zyklus teils gar nicht mal so unähnlichen Charaktere. Der Roman bzw. der neue Zweiteiler (der in „Elfensturm“ zu Ende erzählt wird) orientiert sich zwar weitestgehend an bekannter Fantasy-Kost, liest sich aber bis auf die genannten Ungereimtheiten sehr schön und fesselt speziell in der zweiten Hälfte mit wachsender Intensität. Auch wenn aktuelle Autoren wie James Barclay und Bernhard Hennen in diesem Bereich unerreicht bleiben, ist dies für mich doch Grund genug, das Buch an Freunde solcher Literatur weiterzuempfehlen.

[„Elfenzauber“ 3100 (Dragonstone 1)
[„Elfenkrieger“ 3127 (Dragonstone 2)

Pears, Iain – Urteil am Kreuzweg, Das

England, 1663, zur Zeit der Restauration. Oliver Cromwell ist tot, Charles II., Sohn des von Cromwell geköpften Charles I., ist an der Macht. Der Friede ist nur oberflächlich, noch immer herrscht großes Misstrauen zwischen Puritanern und Royalisten, zwischen Katholiken und Anglikanern. Marco da Cola ist ein junger Gentleman und Kaufmannssohn aus Venedig, der Arzt werden will und zunächst in den Niederlanden und anschließend in Oxford studiert. Ein Empfehlungsschreiben bringt ihn zum bekannten Progfessor Boyle, und der junge Mediziner Richard Lower wird bald zu da Colas engstem Vertrauten in England. Sein erster Patient ist eine alte Frau von ärmlicher Herkunft, die sich ein Bein gebrochen hat. Ihre Tochter Sarah wird wenig später als Mörderin verhaftet. Sie soll den Arzt Dr. Grove, Mitglied des ehrenwerten New College, vergiftet haben und wird dafür gehenkt. Obwohl da Cola das Mädchen für seinen Mut und Eigensinn zeitweilig bewunderte, schließt er seinen Reisebericht mit der Überzeugung, dass sie den Mord tatsächlich begangen hat.

Doch es gibt auch gegenteilige Ansichten. Jack Prescott, der mit de Cola Bekanntschaft schloss, sieht die Dinge ganz anders. Sein verschwundener Vater gilt als Verschwörer, der die Royalisten an Cromwell verraten haben soll. Prescott glaubt an seine Unschuld und die Suche nach der Wahrheit brachte ihn sogar zeitweilig ins Gefängnis, aus dem er mit einer List entfliehen konnte. Er findet Marco de Cola zwar recht sympathisch, schenkt seinem Bericht aber keinen Glauben und legt stattdessen seine Sicht der Ereignisse um den Mord an Dr. Grove und die Hinrichtung von Sarah Blundy schriftlich dar.

John Wallis liefert den dritten Bericht ab, der wieder eine andere Sicht offenbart. Wallis ist ein großer Mathematiker, Professor an Oxford und Spezialist für Geheimschriften. Früher arbeitete er als Kryptograph für Oliver Cromwell, heute steht er im Dienst des Königs. Mit großer Verachtung für Marco da Cola, den er eines Komplotts beschuldigt, schreibt er über die politischen und gesellschaftlichen Verstrickungen, die in Verschwörung und Verrat münden. Der vierte Bericht stammt vom Archivar Anthony Wood, ein kauziger Junggeselle, der für eine überraschende Wendung sorgt, die den Kreis um die widersprüchlichen Darlegungen schließt …

_Vier Ansichten und ein Todesfall_

Ian Pears entführt den Leser in eine turbulente Epoche. England befindet sich im Um- und Aufbruch, politische Verschwörungen und Ränkeschmiede bestimmen das Bild, Fremde misstrauen einander und der allmähliche Einzug der Aufklärung prallt gegen traditionelle und von Aberglauben beherrschte Denkweisen.

|Vier Erzähler, vier Wahrheiten|

Der besondere Clou dieses Mammutwälzers von über 900 Seiten liegt in der Präsentation vierer Sichtweisen, die den gleiche Vorfall behandeln und doch unterschiedlicher kaum sein könnten, was auch für die Charaktere der Berichterstatter gilt. Den Anfang macht Marco da Cola, der auch gleich den amüsantesten Bericht abliefert. Marco da Cola ist ein Fremder in England, ein Italiener, der mit viel Staunen und Befremden die Gepflogenheiten der Engländer kennen lernt. Mit Schaudern beschreibt er die Essensgewohnheiten des Landes, die ihm ein ums andere Mal Magenschmerzen verursachen, mit Kopfschütteln kommentiert er die Angewohnheiten und Bräuche seiner Gastgeber, verfolgt fassungslos ein Theaterstück, das jeder seiner Vorstellungen von Kultur widerspricht, und wird nicht müde, die Gepflogenheiten Englands mit denen seiner Heimat zu vergleichen. Der distanzierte Leser schmunzelt öfters über diese Ansichten und die Missverständnisse, die sich aus den verschiedenen Mentalitäten ergeben; nicht zuletzt auch über Nebencharaktere wie John Lower, der ständig eifrig bemüht ist, an Leichen für seine medizinischen Untersuchungen zu gelangen und dabei wenig feinfühlig vorgeht. Da Cola versteht es trotz seiner Fremdheit, sich in seinem Umfeld Sympathien zu verschaffen und sich einigermaßen zu etablieren. Dem Leser erscheint er in seinem Bericht als humorvoller und durchaus glaubwürdiger Erzähler, wenn man auch manchmal ein wenig spöttisch über seine gezierte Art lächeln muss. Gut nachvollziehbar ist sein zwiespältiges Verhältnis zu Sarah Blundy, die ihn einerseits beleidigt und die andererseits nicht nur da Cola durch ihren Stolz, ihre Intelligenz und ihre Willenskraft beeindruckt.

Der zunächst plausible Bericht da Colas wird erheblich geschwächt durch die folgenden Sichtweisen. Sowohl Prescott als auch John Wallis und Anthony Wood bezweifeln einige seiner Aussagen und stellen die Ereignisse jeder in ein anderes Licht. Prescott bezichtigt Sarah Blundy der Hexerei und lässt seinen fast wahnhaften Vorstellungen, die von der verzweifelten Suche nach der Wahrheit über seinen Vater verstärkt werden, freien Lauf. Der geniale wie hinterhältige John Wallis macht keinen Hehl aus seiner Abneigung gegenüber da Cola und hebt die Geschichte in den Stand eines großangelegten Komplotts, das sich um höchste politische Kreise dreht. Als Leser rätselt man hin und her, welchem der Erzähler man am besten Glauben schenken soll, denn jeder von ihnen bringt Argumente vor, doch scheinen all die Berichte nicht in Einklang zu bringen zu sein. Erst durch die abschließende Darlegung von Anthony Wood, den zurückhaltenden Archivar, gelangt Licht in die Angelegenheit – und den Leser erwartet nicht nur Klärung, sondern auch eine große Überraschung. Auch für erfahrene Leser von Krimis und ähnlich knifflig angelegten Werken, die zum Mitdenken auffordern, werden die finalen Enthüllungen sicherlich Verblüffung in mehrfacher Hinsicht mit sich bringen, wenn sich gewisse Dinge als völlig anders als zunächst dargestellt präsentieren, und letztlich auch Erleichterung, dass sich der Kreis endlich schließt.

|Bunter Detailreichtum|

Über den Plot hinaus präsentiert sich dem Leser ein ungemein detailgenaues Sittengemälde der Restaurationszeit mit all seinen positiven wie negativen Facetten. Die angespannte politische Lage, die Vorgeschichte um Cromwell und die Folgen seiner Regierung werden ebenso aufgezeigt wie das Leben der verschiedenen Stände, von den adligen Kreisen bis hin zu den Ärmsten der Armen, zu denen die Blundys zählen. Der epische Umfang des Buches ergibt sich nicht nur aus den präzisen Darstellungen der zentralen Ereignisse, sondern auch aus den Schilderungen des alltäglichen Lebens, inklusive Exkurse in die Bereiche der Philosophie oder der Medizin. Vor allem beim geschwätzigen Marco da Cola erfährt der Leser über etliche Seiten hinweg genaue Informationen zum Stand der damaligen Wissenschaft. Mal mit Abscheu und mal mit Faszination verfolgt man die teils abergläubischen und teils gewagt fortschrittlichen Ansichten und Experimente. Einerseits glauben selbst gelehrte Bürger noch an Tierexkremete als Salbenersatz, andererseits wagen Marco da Cola und sein Freund und Kollege John Lower ohne Kenntnisse über Blutgruppen in einer Zeit, in der der Aderlass noch populär war, Experimente mit Bluttransfusionen. Zartbesaitete Leser müssen sich darauf gefasst machen, dass hier nicht mit sinnlichen Eindrücken gegeizt wird, etwa bei medizinischen Behandlungen oder auch bei Details zum Sezieren von Leichen. An anderer Stelle wird man wiederum zu einem passiven Teilnehmer an spitzfindigen, seitenlangen Diskussionen über philosophische, religiöse und medizinische Aspekte, die das Denken der damaligen Zeit auf den Punkt bringen. Ein besonderes Schmankerl bilden die zahlreichen historischen Personen, die in die Handlung eingeflochten werden. Im Anhang nimmt der Autor sich die Zeit, zu den wichtigsten Figuren ein paar Sätze zu schreiben, die dem Leser sagen, ob sie fiktiv oder historisch sind. Neben den einst realen Ich-Erzählern John Wallis und Anthony Wood begegnen wir unter anderem dem Theologen Thomas Ken, dem „Vater der Chemie“ Robert Boyle und dem Philosophen John Locke. Sarah Blundy und Jack Prescott dagegen sind zwar fiktive Gestalten, besitzen jedoch historische Vorbilder, an deren Schicksal sich ihre Charaktere anlehnen.

|Langatmige Stellen|

Allerdings sind ein langer Atem und viel Geduld die Voraussetzungen, damit man dieses Epos nicht vorzeitig zur Seite legt. So interessant und vielfältig die Geschehnisse auch sind, der übermäßige Detailreichtum übertreibt es mitunter. Die Sprache der Erzähler ist gestelzt, es werden altmodische und ausschweifende Formulierungen verwendet. Viele der Nebenschauplätze sind unangemessen ausführlich gestaltet, doch ein Überfliegen wäre riskant, da man sonst Gefahr läuft, wesentliche Aspekte zu überlesen. Schwierig mag es auch sein, ganz ohne Vorkenntnisse der Epoche an den Roman heranzutreten. Die Anhangsinformationen über die zentralen politischen Gestalten reichen beileibe nicht aus, um sich klar zu werden über die Situation in England und Europa. Grundlegende Hintergründe zu Stichworten wie Oliver Cromwell, englischer Bürgerkrieg, die Konfrontationen zwischen König und Unterhaus sowie zwischen Katholiken, Presbyterianern, Puritanern und Anglikanern sollten bekannt sein, da das Lesevergnügen sonst getrübt wird. Mit jedem weiteren Erzähler ist es zudem schwierig, den Überblick zu behalten über Lüge und Wahrheit. „Das Urteil am Kreuzweg“ ist definitiv kein Buch, das man nebenbei im Urlaub lesen kann, sondern es gehört zu den Werken, die den Leser fordern und die die eine oder andere kleine Durststrecke mit sich bringen.

_Als Fazit_ bleibt ein sehr vielschichtiger Historienkrimi aus dem 17. Jahrhundert, der durch detailgenaue Anschaulichkeit und gekonnte Verstrickungen bis zum überraschenden Schluss besticht. Vier verschiedene Erzählperspektiven garantieren Abwechslungen, fordern aber auch Geduld vom Leser ab, ebenso wie der ausgeschmückte Stil und die zahlreichen Abschweifungen. Sehr gekonnt werden viele historische Persönlichkeiten in die Handlung eingebunden. Trotz eines kleinen Anhangs mit Erläuterungen sind Vorkenntnisse zur Epoche jedoch fast unabdinglich für das Lesevergnügen.

_Der Autor_ Iain Pears, Jahrgang 1955, studierte in Oxford und arbeitete anschließend als Journalist, Kunsthistoriker und Schriftsteller. Sein Spezialgebiet sind historische Kriminalromane. Weitere Werke sind unter anderem „Scipios Traum“ und „Die makellose Täuschung“.

http://www.heyne.de

|Originaltitel: An instance of the fingerpost
Originalverlag: Diana HC
Aus dem Englischen von Edith Walter, Friedrich Mader
Taschenbuch, 928 Seiten, 12,0 x 18,7 cm|

Hansson, Peter – Spank the Monkey

_Der Affe auf dem Schrottplatz_

Eigentlich ist das Leben auf dem Schrottplatz ja eintönig und langweilig. Nicht so bei „Spank the Monkey“, einem Kartenspiel vom kleinen schwedischen |Gigantoskop|-Verlag. Hier thront ein quirliger Affe auf der Spitze eines Schrottturms und macht jede Arbeit zunichte. Dem Boss des Schrottplatzes gefällt dies genauso wenig wie den Spielern, deren Aufgabe es von nun an ist, dem Affen den Garaus zu machen und ihn einmal gehörig zu verdreschen. Die Belohnung hierfür ist stattlich. Der Chef verspricht die freie Benutzung wiederverwertbarer Blechdosen und der Müllpresse für denjenigen, der den Affen vertreibt. Niemand kann widerstehen – und so beginnt ein spannender Wettkampf, bei dem es nicht nur darum geht, den Affen zu verjagen, sondern auch die Gegner beim Bau ihres Schrottturms zu ärgern.

_Spielziel_

Alle Spieler sind darum bemüht, in kürzester Zeit einen möglichst hohen Schrottturm zu bauen und dabei die Höhe zu erreichen, auf der sich der Affe derzeit befindet. Nur wenn man auf gleiche Höher oder unmittelbar höher gebaut hat, ergibt sich die Möglichkeit, den Affen zu stellen und ihn zu verdreschen. Gleichzeitig gilt es, Angriffe auf die Türme der Gegner zu starten, seinen eigenen Turm zu verstärken und sich mittels Verteidigungskarten vor Angriffen der Konkurrenten zu schützen. Wem es als Erstem gelungen ist, seinen Turm auf Augenhöhe (oder höher) des Affen zu errichten und ihm den Hintern zu versohlen, und dies, bevor der Kartenstapel aufgebraucht ist, der hat das Spiel gewonnen. Sollten hingegen die Karten aufgebraucht sein, triumphiert der Affe.

_Spielmaterial_

„Spank the Monkey“ ist ein reines Kartenspiel, ohne jegliche andere Hilfsmittel. Insgesamt besteht das Material des Spiels aus 120 durchweg witzig illustrierten Karten aus den Kategorien Schrott, Verstärkung, Angriff und Verteidigung sowie verschiedenen Sonderkarten. Weiterhin markiert eine Karte die aktuelle Höhe des Affen. Neben den enthaltenen Spielmitteln benötigt man außerdem noch einen normalen, sechsseitigen Würfel sowie einen Gegenstand, um die Höhe des Affen auf der zugehörigen Karte zu markieren.

_Spielvorbereitung_

Vor dem Spiel wird die „Monkey Height“-Karte aussortiert und in die Mitte des Tisches gelegt. Je nach Spielerzahl wird mit einem externen Gegenstand nun die Anfangshöhe des Affen markiert; diese beträgt 14 minus die Zahl der Mitspieler. Die übrigen Karten werden (vor allem vor dem ersten Spiel) gut durchgemischt und stellen den Nachziehstapel dar. Anschließend wird der Startspieler ausgewürfelt. Das ist derjenige, der die höchste Zahl würfelt. Zu Beginn des Spiels hat man noch keine Karten auf der Hand.

_Ein Spielzug_

Jeder Spielzug besteht aus maximal fünf weitestgehend freiwilligen Schritten, die sich im Grunde genommen ausschließlich danach richten, was dem Spieler, basierend auf seinen Handkarten, für Möglichkeiten offenstehen. Dies sieht dann folgendermaßen aus:

|1. Nachziehen|

Der Spieler zieht abhängig vom Kontingent seiner Handkarten neue Karten vom Nachziehstapel. Im Normalfall zieht er zwei neue Karten nach. Sollte er jedoch schon fünf oder mehr Karten auf der Hand haben, darf er nur noch eine weitere ziehen.

|2. Bauen|

In der zweiten Phase darf der Spieler nun, sofern er entsprechende Karten auf der Hand hat, den Bau des Turms forcieren. In jeder Runde darf er sowohl eine Schrottkarte ausspielen, die die Höhe des Turms steigert, als auch eine Verstärkungskarte neben einer Schrottkarte auslegen, welche den Verteidigungswert des jeweiligen Schrottteils erhöht. Es gibt aber auch Verstärkungskarten, die man beim Gegner anlegen kann, um den Verteidigungswert eines seiner Schrottteile zu verringern. Die Reihenfolge des Bauens ist freigestellt; allerdings kann eine Verstärkungskarte nur angelegt werden, sie ist indes kein selbständiger Teil des Turms. Es ist aber möglich, mehrere Verstärkungskarten an eine Schrottkarte anzulegen.

|3. Angreifen|

Wenn man eine Angriffskarte gezogen hat, kann man damit nun einen Turm eines Mitspielers angreifen und ggf. Teile oder sogar den gesamten Turm zerstören. Bevor man den Angriff jedoch durchführen kann, muss man zunächst klar ansagen, welches Schrottteil man angreift und welche Besonderheiten die Angriffskarte aufweist. Dem Angegriffenen steht nun die Gelegenheit offen, sofern vorhanden, eine Verteidigungskarte auszuspielen und eventuell damit den Angriff zu erschweren oder ihn gar ganz aufzuhalten. Gelingt dies nicht, wird gewürfelt. Hierzu wird erst der Verteidigungswert des angegriffenen Schrottteils mit der aus den Schrott-, Verstärkungs- und Verteidigungskarten resultierenden Summe ermittelt. Diese muss der Angreifer nun mit dem Würfelergebnis plus dem Wert der Angriffskarte erreichen oder übertreffen. Wenn ihm das nicht gelingt, bleibt der Turm unbeschädigt und die Angriffskarte (sollte sie keine speziellen Eigenheiten haben) wird abgeworfen.

Andernfalls wird das Schrottteil zerstört. Stellt es eine tragende Last des Turms dar, stürzt der Turm ein und zwei neue Schrottteile prallen aufeinander. Jetzt gilt es für den Geschädigten, den Turm vor weiterem Schaden zu bewahren. Er wählt hierzu eine der beiden aufeinanderprallen Teile aus, ermittelt die Gesamtstärke und würfelt. Ist das Würfelergebnis gleich oder höher, muss auch dieses Teil weichen, und der Turm stürzt weiter ein. Dies geschieht so lange, bis die Würfelsumme niedriger ist als die Gesamtstärke der betroffenen Schrottkarte oder aber, bis der Turm gänzlich zerstört ist.

Bei den Angriffskarten unterscheidet man außerdem noch zwischen drei Kategorien, nämlich Hand- und Wurfangriffskarten sowie Anschleichkarten, die allesamt auch verschiedene Fähigkeiten haben. So darf man mit den Handangriffskarten lediglich Turmteile in gleicher Höhe des eigenen Turms angreifen. Wurfangriffskarten haben indes keine Begrenzungen; man kann mit ihnen aus jeder erdenklichen Höhe angreifen. Anschleichkarten sind enorm effektiv. Sie geben in den darauf befindlichen Texten genau vor, wie der Angriff abläuft. Ist auf ihnen kein Angriffsbonus angeführt, besteht auch keine Möglichkeit, sich mit einer Verteidigungskarte zu widersetzen.

Es besteht zudem noch die Möglichkeit, seinen eigenen Turm anzugreifen. Bestimmte Schrottkarten können dies unter Umständen erfordern, weil sie bei ihrer Zerstörung auch große Schäden bei den Mitspielern auslösen und damit letztendlich einen größeren Profit abwerfen.

Man darf übrigens so viele Angriffe starten, wie einem beliebt.

|4. Den Affen verdreschen|

Ist ein Spieler auf gleicher Höhe wie der Affe oder sogar bis zu vier Feldern höher angelangt, kann er den Affen endlich verdreschen. Je weiter man sich jedoch wieder vom Affen entfernt, desto schwieriger ist es, ihn zwischen die Finger zu bekommen. Konkret heißt dies, dass damit die Wahrscheinlichkeit verringert wird, ihn tatsächlich zu erwischen, weil die steigende Entfernung auch die Möglichkeiten, ihn durch Würfeln zu verdreschen, senkt. Bei gleicher Höhe reichen so zum Beispiel Zahlen zwischen 2-6 aus, um ihn zu verdreschen. Bei jedem Feld, das man weiter entfernt ist, steigt der unterste Wert um genau einen Punkt, so dass man bei einer Distanz von vier Feldern nur noch mit einer 6 erfolgreich ist.

Dank spezieller Karten kann man bereits früher die erforderliche Turmhöhe erreichen und den Affen ggf. verdreschen. Ansonsten richtet sich die eigene Turmhöhe nach den addierten Punkten auf den Schrottkarten. Wie hoch der Affe sich aktuell befindet, wird hingegen von den Texten der ausgespielten Karten bestimmt. Zwischendurch steigt und sinkt der Affe ständig, so dass man nie abschätzen kann, wo er sich befinden wird, wenn man weitere Schrottteile anbaut. Sein momentaner Aufenthaltsort wird mit der Karte „Monkey Height“ angezeigt.

|5. Abwerfen|

Zum Ende eines Spielzugs darf man bis zu zwei Handkarten abwerfen. Dies ist lediglich dann erforderlich, wenn man statt einer Karte wieder zwei nachziehen möchte, was allerdings erst möglich ist, wenn man nur noch vier Karten auf der Hand hat. Es gibt jedoch keine Beschränkung, was die maximale Handkartenanzahl betrifft.

_Besonderheiten_

Abgesehen von den Basisregeln, die die einzelnen Spielphasen eines Spielzugs vorgeben, sind noch einige Sonderregeln und Unterkategorien ausschlaggebend für den Ablauf des Spiels. Neben den drei Kategorien der Handkarten unterscheidet man so zum Beispiel auch bei den Schrottkarten zwischen verschiedenen Schrottgattungen (zum Beispiel Möbel, Maschine, Fahrzeug, organisch, illegal, etc.). Dies hat meistens Auswirkungen auf die Verstärkungs-, Angriffs-, Verteidigungs- und Sonderkarten, die sich teilweise auf genau eine dieser Kategorien beziehen. Außerdem kann es passieren, dass verschiedene Karten miteinander in Konflikt geraten bzw. sich widersprechen. In diesem Fall hat zunächst die Karte, die den Regeln widerspricht, Vorrang. Widersprechen sich allerdings zwei Karten, ist die als Letzte gespielte entscheidend.

_Spielende_

Das Spiel ist entweder beendet, sobald es jemandem gelungen ist, den Affen zu verdreschen oder aber wenn der Nachziehstapel verbraucht wurde und der Affe noch lebt.

_Variationen_

Natürlich gibt es auch bei „Spank the Monkey“ dank der variantenreichen Optionen der einzelnen Karten verschiedene Möglichkeiten, den Spielverlauf bzw. das Spiel selber zu variieren. In der Spielanleitung sind dabei einige wirklich interessante Modifikationen genannt, die sich hauptsächlich auf die Bewegungen des Affen beziehen. Man könnte zum Beispiel am Ende eines Spielzugs würfeln. Bei einer 1 wandert der Affe ein Feld herab, bei einer 6 ein Feld hinauf. Auch beim gescheiterten Verdreschen des Affen ergeben sich diesbezüglich Möglichkeiten. Ist der Spieler auf gleicher Höhe und versagt, wandert der Affe ein Feld höher. Steht man selber auf einem höheren Posten und scheitert, geht der Affe ein Feld weiter hinunter. Ferner ist es natürlich möglich, das Baulimit außer Acht zu lassen oder die Starthöhe des Affen zu verändern. Insgesamt gibt es also allerhand Möglichkeiten, das ohnenhin schon fein ausgefeilte Spielprinzip vorteilhaft zu verändern und frisch zu halten.

_Meine Meinung_

Kurz gesagt: „Spank the Monkey“ ist der Idealfall eines Kartenspiels. Es ist ungeheuer vielseitig, bietet wegen der teils recht komplexen Zusammensetzung der Karten einen gewissen Anspruch, ist darüber hinaus superwitzig illustriert und nicht zu letzt wegen der ‚mal ganz anderen‘ Spielidee (oder hat schon einmal jemand darüber nachgedacht, was passiert, wenn ein Affe einen Schrottplatz bevölkert?) einfach nur stark. Der Aufbau steht dem in nichts nach. Sieht man mal von der problematischen Darstellung der Affenhöhe ab – hier fehlt ein passender Marker –, ist das Spiel leicht verständlich und super strukturiert. Erfrischend ist in dieser Hinsicht auch die Spielanleitung, die einem das Spiel in lockerer Sprache in wenigen Minuten erklärt und keine Fragen offen lässt – und dabei gibt es bei „Spank the Monkey“ so manche Nebenbedingung, die man kennen sollte.

Damit ist eigentlich fast alles gesagt. Dieses Kartenspiel aus der Feder des schwedischen Spielautors Peter Hansson verknüpft auf witzige Art und Weise und in ausgewogenem Maße Strategie und (Würfel-)Glück und bleibt bis zum Ende spannend, weil es ja auch mal passieren kann, dass der höchste Turm infolge eines kompromisslosen Angriffs Schritt für Schritt und in nur einem Spielzug plötzlich wieder in sich zusammenstürzt. Angenehm ist im Übrigen, dass man „Spank the Monkey“ auch ohne große Schwierigkeiten mit zwei Spielern spielen kann. Der Spielfluss und auch die Möglichkeiten, die sich im Spiel ergeben, sind dadurch nicht beeinträchtigt.

Aus all diesen Gründen ist dieses tolle Kartenspiel auch absolut empfehlenswert. „Spank the Monkey“ überzeugt auf ganzer Linie, besticht mit einer wunderschönen Aufmachung und hat einen nicht zu unterschätzenden Suchtfaktor. Für meinen Geschmack definitiv eines der besten Kartenspiele, die man derzeit auf dem Spielemarkt erwerben kann.

Zu haben ist „Spank the Monkey“ unter anderem über den Aachener Vertrieb |Universal Cards|: http://www.universal-cards.com.

Mehr Infos sowie einige Downloads gibt es hier: http://www.gigantoskop.se.

Crisse, Didier (Autor) / Meglia, Carlos (Zeichner) – Canari 1: Die goldenen Tränen

_Story_

Wayne wächst als Waise auf und verbringt die meiste Zeit am Strand auf seinem Surfbrett. Das Rätsel um seine Herkunft hat er nie lösen können, und er kann sich auch kaum vorstellen, dass sich dies noch einmal ändern wird. Eines Tages erhält er einen Brief mit einer Einladung an die Küste Mexikos, um dort auch seinem Hobby nachzugehen. Und so landet der junge Mann an einem Ort, der ihn geradezu magisch angezogen hat, ohne zu wissen, was tatsächlich hinter dieser Einladung steckt.

Canari gehört einem strenggläubigen Aztekenstamm an. Eines Tages sammelt sie mit ihren Geschwistern am See Wasser, das später verkauft werden soll. Dabei verliert sie ihren kleinen Bruder Xaotil auf dem Rückweg. Trotz langer Suche finden sie ihn nicht, entdecken dafür aber einen heiligen Tempel, in dem das jüngste Mädchen der Familie einen goldenen Armreif anprobiert, diesen danach aber nicht mehr ablegen kann. Die Rückkehr zur Familie wird für die verbliebenen Geschwister zur Qual. Canaris Vater macht seine älteste Tochter für das Verschwinden des Jungen verantwortlich und ist entsetzt über das entnommene Armband. Er belegt Canari mit der Aufgabe, Xaotil noch bis zum nächsten Tag aufzuspüren und gleichzeitig den goldenen Gegenstand zurückzubringen. Sollten die Götter nämlich erfahren, dass einer ihrer kostbarsten Schätze geraubt wurde, stehen dem Volk schreckliche Tage und ein Leben in Ungnade bevor.

_Meine Meinung_

Mit „Canari“ veröffentlicht der kleine Bielefelder |Splitter|-Verlag dieser Tage die neue Serie des renommierten Comic-Gespanns Didier Crisse (Text) und Carlos Meglia (Zeichnungen). Erzählt wird hier die Geschichte eines jungen Azteken-Mädchens, welches bereits in frühester Jugend eine große Verantwortung auf seinen Schultern tragen muss, dieser aber nur bedingt gewachsen ist. So soll sie unter anderem ihre jüngeren Geschwister in ihre Obhut nehmen und sie bei den regelmäßigen Wanderungen zum Fluss beschützen. Doch Canari ist überfordert und kann sich gegen den Willen ihrer Brüder und Schwestern nicht durchsetzen. Eines Tages lässt sich darauf ein, den Rückweg durch den Fluss zu schwimmen, ohne sich dabei der Gefahren bewusst zu werden. Ihr Bruder Xaotil verschwindet währenddessen und taucht auch nach intensiver, nächtlicher Suche nicht mehr auf. Nun muss sich die Aztekin ihrer Verantwortung stellen und ihr Versäumnis wieder gut machen. Genau diese eine Nacht bleibt ihr, um Xaotil aufzuspüren, denn am nächsten Tag steht eine besondere, religiöse Zeremonie an. Canari verschwendet keine Zeit und trifft alsbald auf Personen und Dinge, von deren Existenz sie nicht mal etwas erahnt hätte.

Derweil in einem scheinbar gänzlich anderen Zeitalter: Der junge, wagemutige Wayne sucht am Abend vor seinem nächsten Surftag eine beliebte Kneipe auf. Als er sich dabei eine kleine Auszeit vor der Tür des Gasthofs genehmigt, trifft er eine ältere Dame, die ihn über seine Ursprünge und den Beweggrund für sein Kommen ausfragt. Dies findet selbst Wayne merkwürdig, denn es scheint so, als würde die Alte die Antworten schon kennen. Erst einige Zeit später realisiert Wayne, dass seine Anreise keinem Zufall unterliegt.

Über den Inhalt ist grob betrachtet schon alles gesagt, nicht aber über seinen Aufbau. Der ist nämlich zu Beginn ein wenig verwirrend. Crisse startet die Story mit der Ankunft von Wayne und einigen Freunden in Mexiko. Dann aber wechselt er ohne Vorandeutung gänzlich überraschend in die Welt von Canari, stellt die Namensgeberin adäquat vor und beschreibt schließlich ihre Geschichte, die gleichzeitig den Hauptteil des Plots ausmacht. Inwiefern hier ein Zusammenhang mit dem Schicksal von Wayne besteht bzw. was aus ihm mittlerweile geworden ist, erfährt man leider erst auf der letzten Seite, auf der die Story mit einem feinen Cliffhanger beendet wird. Um grundsätzlich etwas Verwirrung zu vermeiden, wäre es hingegen sicher besser gewesen, man hätte einzelne Verbindungen oder zumindest fließendere Übergänge entworfen, damit der Leser in der ansonsten recht leicht verständlichen Erzählung nicht den Überblick verliert. Damit wäre auch schon der nächste Punkt angesprochen, nämlich die sehr transparente, außer in besagten Punkten vollkommen schlüssige Handlung, die selbst zu einem späteren Zeitpunkt, an dem sich mit einem Mal mehrere bis dahin unbekannte Personen in den Plot einfügen, nicht in Nebensächlichkeiten verliert. Strikt und stringent entwickelt sich diese Geschichte, bis eben zum Wechsel auf der letzten Seite, der offenkundig so etwas wie die erste Verbindung zwischen den beiden Handlungseinheiten darstellt.

Was die Zeichnungen angeht, ist „Canari“ auch ein echter Leckerbissen, der mich stilistisch ein wenig an die „Asterix“-Comics erinnert, dabei aber erstens bunter, zweitens detailverliebter und drittens weicher gezeichnet ist als die Werke der französischen Konkurrenz. Eine echte Augenweide sind – im wahrsten Sinne des Wortes – die Augen der Titelheldin Canari geworden. Sobald diese geöffnet sind, verliert man sich in den entsprechenden Zeichnungen und gewinnt die Hauptdarstellerin richtiggehend lieb. Doch auch die Illustrationen aus dem düsteren Wald sind eine echte Pracht und speziell am Schluss sehr schön anzusehen, ganz besonders die tragenden Personen.

Im Gesamtpaket überzeugt „Canari“ dann auch voll und ganz. Die Geschichte ist einladend und wegen der vielen mysteriösen Inhalte mit einer garantierten Spannungskurve ausgestattet. Weiterhin hat Zeichner Carlos Meglia bei der Kombination von Zeichnungen und Farbgebung einen sehr überzeugenden Job abgeliefert und (das möchte ich noch einmal betonen) in „Canari“ mit seinen vielen stilistischen Eigenheiten mehrere Charaktere erschaffen, die eine eigenständige, ansprechende Handschrift tragen. Bleibt zuletzt die äußere Aufmachung, das i-Tüpfelchen dieses Hardcover-Bandes, über die man wirklich nur positive Worte verlieren darf. Vom Cover über das Layout ist die Geschichte mit dem Untertitel „Die goldenen Tränen“ auf höchstem Niveau dargestellt und entspricht auch inhaltlich allen Erwartungen, die vom gelungenen Äußeren bereits geschürt wurden. Kurzum: Diese Serie scheint, ausgehend von diesem ersten Teil, ein echter Gewinn für die Comic-Szene zu sein. Mir fällt spontan kein Punkt ein, über den ich mich bei diesem schönen Comic beklagen könnte – außer der Tatsache, dass die Fortsetzung noch nicht vorrätig ist. Aber erst einmal sollte man sich ja auch am ersten Band von „Canari“ laben. Dies alleine bringt ja auch schon ausreichend Freude mit sich!

http://www.splitter-verlag.de/

Apel, Johann August / Gruppe, Marc – Freischütz, Der (Gruselkabinett 15)

_Die Jägerbraut, die Oper und die Wiedererweckung von den Toten._

Johan August Apel selbst durfte nicht mehr miterleben, wie seine Erzählung „Die Jägerbraut“ 1821 uraufgeführt wurde, von Carl Maria von Weber zur Oper adaptiert. Zusammen mit Friedrich August Schulze hat Apel „Das Gespensterbuch“ verfasst und konnte damit einiges an Aufmerksamkeit erlangen; am 9. August 1916 starb der Autor.

Die Oper variiert Apels Erzählung (neben vielen Namen und Nebensächlichkeiten) vor allem am Ende, das um einiges gefälliger ausfällt. Aber |Titania| haben gottlob die Ur-Version aus ihrer Gruft gehoben und sorgen für wohlig romantischen Schauder:

_Waidmannspech um 1800._

Amtsschreiber Wilhelm will unbedingt des Försters Tochter Käthchen heiraten, aber den beiden wird die Hochzeit verwehrt, weil Wilhelm kein Jäger ist. Käthchen soll stattdessen den Jäger Rudolf heiraten! Aber Wilhelm ging bei seinem Onkel in die Jägerslehre, dem Oberförster Finsterbusch, und deswegen willigt Vater Bertram doch in die Heirat ein.

Es entsteht eine gute Familienbande, schon vor der Hochzeit. Wilhelm ist ein sehr guter Schütze, so gut, dass ihn Pappa Bertram sogar mit Urahn Kuno vergleicht. Kuno schoss dereinst einen Hirsch, an den ein Mensch gebunden war, und der Herzog vermachte dem kundigen Schützen daraufhin die Försterei, die Wilhelm später erben soll. Weil man Kuno aber die Försterei neidete, unterstellte man ihm einen „Freischuss“, einen Schuss also, der durch Zauberei in sein Ziel ging. Deswegen verlangte man noch einen Probeschuss von Kuno und er bestand. Da das zur Tradition wurde, verlangt man nun von jedem angehenden Erben der Försterei einen Probeschuss, damit der sich der Försterei auch würdig erweist.

Wilhelm allerdings verliert seit dieser Offenbarung immer mehr von seiner Treffsicherheit. Jägerbursche Rudolf freut sich hämisch über Wilhelms Jagdpech, redet ihm ein, dass sein Gewehr verhext worden sei und raunt ihm zu, dass er seinen Probeschuss nur dann bestehen kann, wenn er sich mit Samiel einlässt, um die unsäglichen Freikugeln zu gießen … Wilhelm will nicht, verschießt weiterhin, verzweifelt allmählich und trifft den unheimlichen Stelzfuß. Der verlockt Wilhelm zu einem Freikugelschuss, steckt ihm weitere zu und versichert ihm, dass ein kundiger Jäger keine Angst bei der Herstellung dieser Kugeln zu haben braucht …

Wilhelms Jagdglück kehrt zurück, mit ihm düstere Vorzeichen: Das Bild des Urahnen Kuno stürzte von der Wand, in jener Nacht, da Wilhelm den Stelzfuß traf. Wilhelm hat Tagträume, Vater Betram hat Alpträume und warnt seinen zukünftigen Schwiegersohn mit Geschichten von Dämonen, die versagende Freikugelgießer verstümmelten. Wilhelms Zweifel werden immer größer. 63 Patronen würde er haben, wenn er sich auf das Ritual einlasse, 60 davon würden das gewünschte Ziel treffen, die drei übrigen jedoch fänden das Ziel, das der Teufel für sie ausersehen hat. Nur eine Kugel, um sich des zukünftigen Glückes mit Käthchen sicher zu sein. Wilhelm muss sich nur dazu durchringen …

_Atmosphärische Talfahrt ins Verhängnis._

Die Erzählstruktur der Geschichte ist sehr dicht, die Schlinge um Wilhelm zieht sich immer enger, er muss Freikugeln gießen, um Käthchen heiraten zu können, aber gleichzeitig häufen sich die Anzeichen, dass etwas Unsägliches passieren wird, falls er sich tatsächlich auf diese Teufelspatronen verlassen sollte. Wilhelm wird immer seltsamer, und immer wieder werfen ihm seltsame Mächte Steine in den Weg. Mächte mit guter oder böser Absicht? Das wird sich herausstellen.

Schon der Anfang des Hörspieles jedenfalls nimmt vorweg, dass Wilhelm ein unheilvolles Ende beschert sein wird, aber das zerstört die Spannung keineswegs. Wilhelm ist uns von Beginn an sympathisch, ebenso Käthchen und Mutter und Vater Förster ebenfalls. Alles würde glattgehen, sich ideal entwickeln, wären da nicht dieser vermaledeite Probeschuss und Wilhelms versiegendes Jagdglück. Man empfindet das Dilemma, das Wilhelm zu zerreißen droht, man möchte, dass er Stelzfuß mit seinen Freikugeln in die Wüste schickt, gleichzeitig ertappt man sich selbst bei dem Gedanken, dass es doch nur um den einen Schuss geht … Was soll denn da schief gehen, bei 60 Kugeln? Nun, wie gesagt, der Anfang des Freischütz macht deutlich, dass etwas schiefgehen wird, und zwar gründlich. Bleibt nur noch die bange Frage, wie schlimm es werden wird …

_Premium-Gänsehaut für die Ohren._

Es ist ja schon fast überflüssig anzumerken, dass die Stimmen von |Titania| vortrefflich ausgewählt wurden, denn diese Disziplin beherrschen die Burschen wahrlich: Marius Clarén (u. a. Tobey Maguire) spricht den Wilhelm und das Käthchen bekommt von Luise Helm (u. a. Scarlett Johannson) die sympathisch niedliche Stimme geliehen. Jochen Schröder (James Cromwell; Gregory Peck) knarzt den urigen Jägersvater, Jürgen Thormann (Michael Caine; Max von Sydow) gibt den verlockend schrägen Stelzfuß und Tobias Kluckert (Joaquin Phoenix in „Walk the Line“) darf als Jägersbursche Rudolf durch die Gegend stänkern – herrlich!

Die Soundatmosphäre ist von |Titania|-Produktion zu |Titania|-Produktion unterschiedlich: mal minimalistisch, mal bombastisch, mal musikorientiert, mal stark auf Soundeffekte ausgerichtet. „Der Freischütz“ ist dezent und überaus stimmig vertont, das Klangbild vermittelt wunderbar die düsterromantische Einsamkeit eines Lebens in der Försterhütte: knarrende Bodendielen, quietschende Türen, knisternde Kaminfeuer, tickende Standuhren und ständig der Wind, der um die Dächer streicht, mal leise und behaglich, mal laut und bedrohlich. Aufgelockert wird das Ganze von gelegentlicher Kammermusik oder von dunklen Streichern, die Unheilvolles ankündigen. Der Wald ist, natürlich, erfüllt vom Geschrei der Waldkäuzchen, von raschelndem Laub und krähenden Raben. Sauber dosierter Hall auf den Stimmen unterstreicht die unheimliche Leere des Waldes, aber auch die behagliche Nähe in der Försterhütte – wunderbar!

Unter dem Strich ist „Der Freischütz“ für mich bisher der absolute Gewinner unter den |Titania|-Produktionen, zumindest unter den mir bekannten: „Spuk in Hill House“, „Frankenstein“ und „Die Blutbaronin“. Die Stimmung ist perfekt, die Story atmet Zeitgeist und Waldmannsnostalgie ins abendliche Wohnzimmer, Aberglaube und Geisterfurcht werden wieder lebendig, der Wald vor der Haustüre wieder unheimlich. Alt bedeutet keinesfalls veraltet, Apels quicklebendige Erzählung beweist das, und |Titania| dürfen weiterhin verdiente Lobeslorbeeren einfahren. Unbedingt empfehlenswert!

Home – Atmosphärische Hörspiele


http://www.luebbe-audio.de

_Das |Gruselkabinett| auf |Buchwurm.info|:_

[„Carmilla, der Vampir“ 993 (Gruselkabinett 1)
[„Das Amulett der Mumie“ 1148 (Gruselkabinett 2)
[„Die Familie des Vampirs“ 1026 (Gruselkabinett 3)
[„Das Phantom der Oper“ 1798 (Gruselkabinett 4)
[„Die Unschuldsengel“ 1383 (Gruselkabinett 5)
[„Das verfluchte Haus“ 1810 (Gruselkabinett 6)
[„Die Totenbraut“ 1854 (Gruselkabinett 7)
[„Spuk in Hill House“ 1866 (Gruselkabinett 8 & 9)
[„Dr. Jekyll und Mr. Hyde“ 2349 (Gruselkabinett 10)
[„Untergang des Hauses Usher“ 2347 (Gruselkabinett 11)
[„Frankenstein. Teil 1 von 2“ 2960 (Gruselkabinett 12)
[„Frankenstein. Teil 2 von 2“ 2965 (Gruselkabinett 13)
[„Frankenstein. Teil 1 und 2“ 3132 (Gruselkabinett 12 & 13)
[„Die Blutbaronin“ 3032 (Gruselkabinett 14)
[„Der Freischütz“ 3038 (Gruselkabinett 15)
[„Dracula“ 3489 (Gruselkabinett 16-19)
[„Der Werwolf“ 4316 (Gruselkabinett 20)
[„Der Hexenfluch“ 4332 (Gruselkabinett 21)
[„Der fliegende Holländer“ 4358 (Gruselkabinett 22)
[„Die Bilder der Ahnen“ 4366 (Gruselkabinett 23)
[„Der Fall Charles Dexter Ward“ 4851 (Gruselkabinett 24/25)
[„Die liebende Tote“ 5021 (Gruselkabinett 26)
[„Der Leichendieb“ 5166 (Gruselkabinett 27)

Lieser, Carl von – Schicksal Eifel

_Attentäter in der Eifel: Carl von Lieser ist Spezialist für Eifel-Mosel-Krimis_

Der Roman „Schicksal Eifel“ von Carl von Lieser führt zum nunmehr sechsten Mal in die Region. Das beim |ST|-Verlag 2006 erschienene Taschenbuch wurde nun bei |Technisat Digital Division Radioropa Hörbuch| auf vier CDs vertont.

Ein Attentat zwischen Bitburg und Trier versetzt eine ganze Region in Angst und Schrecken. Die versteckte Bombe galt amerikanischen Soldaten unweit einer nahen Air-Base, vieles spricht für einen Angriff islamistischer Terroristen. Die amerikanischen Geheimdienste und das deutsche Bundeskriminalamt nehmen sich des Anschlags an, der weltweites Echo erfährt. Die Trierer Kripo indes darf den Spezialisten von CIA und BND nur zuarbeiten. Eine Spur führt nach Mittelamerika, doch als der Täter mit Hilfe moderner Polizeitechnik überführt wird, ist die Überraschung groß.

Der Autor Karl-Josef Prüm wurde 1955 geboren und veröffentlicht seine Romane unter dem Pseudonym Carl von Lieser. Er ist Diplom-Forstingenieur und lebt seit seiner Rückkehr als Entwicklungshelfer in Nicaragua im Jahre 1988 in Trier. Zu seinen Veröffentlichungen gehören regionale Wanderführer und mittlerweile sechs Krimis aus den Regionen Mosel und Eifel.

Der gelungene Roman profitiert von der guten Auswahl des Vorlesers Thomas Klees, der als Schauspieler durch gute Stimme und feine Modulation besticht. Der einer Chronologie ähnelnde Krimi kombiniert eine politisch brisante Story mit gutem Hintergrundwissen über Geheimdienste und deren Arbeitsweise. Zudem weiß von Lieser durch ausgeprägtes Lokalkolorit zu bestechen. Auch das Szenario baut der Autor langsam, aber sehr spannend auf.

Der Eifeler Krimi ist zwar durch Lokalkolorit geprägt, aber durch das Terror-Szenario ein nahezu internationaler Roman, der durch häufige Attentate auf US-Streitkräfte in allen Regionen der Welt auch über die Grenzen Deutschlands hinaus Aufmerksamkeit verdient hätte.

http://www.hoerbuchnetz.de

Busiek, Kurt (Autor) / Nord, Cary (Zeichner) – Conan 2 – Der Gott in der Kugel und andere Geschichten

Conan der Barbar ist eine Legende. Und er geht wieder in Serie. Seit kurzer Zeit verstricken Kurt Busiek und Cary Nord den wilden Cimmerier in neue Abenteuer. Nach dem fabelhaften [ersten Band 2840 kommt nun die Fortsetzung: »Der Gott in der Kugel«. Was Autor und Zeichner angefangen haben, entwickeln sie konsequent weiter. Zwar kein Höhenflug, dafür aber ein wasserdichtes Fantasy-Spektakel. Dämonen und Gemetzel inklusive, denn schließlich ist es Conan.

In den Dreißigerjahren erfand der Texaner Robert E. Howard die Figur Conan: Ein wilder Barbar aus dem Norden, der seine Heimat verlassen hat, um die Länder der Welt zu bereisen. Er stolpert von Abenteuer zu Abenteuer, und sein Schwert und seine Fäuste leisten ihm dabei gute Dienste. Conan ist seitdem zu einer Legende geworden. Klassische Fantasy-Literatur kann nicht mehr ohne ihn gedacht werden. In den letzten Jahren haben sich Comicautor Kurt Busiek und Zeichner Cary Nord an eine Neufassung des Helden gewagt. Im ersten Band »Die Tochter des Frostriesen« sahen die Leser eine frische und lebendige Neuinterpretation des Barbaren. Busieks und Nords großer Verdienst ist es, Conan den Cimmerier ins Heute transportiert zu haben, ohne ihn anstauben oder albern wirken zu lassen.

So hinreißend der erste Band war, so gespannt durfte man auf den zweiten sein. Es würde schwer werden, das Lesegefühl von »Die Tochter des Frostriesen« zu übertrumpfen, denn kaum etwas ist spannender als der gelungenen Neuentwicklung einer alten Figur beizuwohnen. Der nächste Schritt würde nicht einfach werden.

Der zweite Band setzt sich erneut aus mehreren, miteinander verflochtenen Haupt- und Nebenhandlungen zusammen. Will man die beiden wichtigsten Erzählstränge nennen, kommt man auf »Der Gott in der Kugel« und »Der Ibis und die Schlange«. Im ersten Teil reist Conan in die nemedische Stadt Numalia, um sich als Dieb zu versuchen. Dort leben viele reiche Händler, so auch der fettleibige Kallian Publico. Conan lässt es sich nicht nehmen, nachts in dessen Schatzhaus einzusteigen. Kaum hat er das fremde Gemäuer betreten, stolpert er jedoch über Kallians Leiche. Sie ist noch warm. Schnell sind Wachen zur Stelle, die Conan des Mordes bezichtigen.

Im zweiten Teil des neuen Conan-Bandes tritt der Barbar in die Dienste des Ibis-Priesters Kalanthes. Er begleitet ihn als Söldner auf seiner Reise in die Stadt Hanumar. Kalanthes will dort mit Hilfe uralter, namenloser Götter einen mächtigen, bösartigen Zauberstein vernichten. Thoth-Amon, der finstere Priester des Schlangengottes Set, hat jedoch etwas dagegen. Er hätte den Zauberstein gerne für sich. Mit allen Mitteln versucht er, die Vernichtung des Artefakts zu verhindern. Als sich die Ereignisse zuspitzen, muss Conan erkennen, dass auch er inzwischen in die Fehde der beiden Priester verwickelt ist.

Wer nun in dem zweiten Conan-Band zu viele textlastige Ränkespiele und Debatten vermutet, liegt falsch. Denn Conan bleibt Conan. Zwar ist er nicht ungeschickt oder dumm, aber Probleme löst er vorzugsweise auf eine Weise: Mit dem Schwert.

Obwohl die Handlungen in ihrer Wiedergabe oberflächlich erscheinen, sollte man sich nicht täuschen lassen. Den Geschichten von Busiek haftet eine beeindruckende Komplexität an, die Howards Grundlage nur gerecht wird. Denn Conan bezeichnet mehr als nur eine einzelne Figur. Der Name steht für ein ganzes Fantasy-Universum. So entsteht fast beiläufig ein detailliertes Bild des fiktiven Landes Nemedia, durch das Conan reist. Ein wenig mehr Stadtansichten wären sicherlich wünschenswert gewesen. Hyperborea aus Band 1 bleibt nach dem Lesen plastischer in Erinnerung als Numalia oder Hanumar.

Zurück zur Eingangsfrage: Was kommt nach der (Neu-)Entwicklung des Helden? Busieks Antwort lautet: Die Entwicklung seiner Gefährten und Gegner. »Der Gott in der Kugel« konzentriert sich nicht mehr so sehr auf die Charakterisierung Conans, sondern nimmt ihn zurück zugunsten anderer Figuren in seinem Umfeld. Im Hinblick auf die Fortführung der Serie scheint dieser Schritt sehr sinnvoll. Und der Leser ist dankbar. Conan kennen wir jetzt schließlich. Jetzt müssen neue, starke Charaktere her, zwischen denen er sich bewegen kann. Insgesamt vier werden davon in »Der Gott in der Kugel« präsentiert: Janissa die Witwenmacherin, die Knochenfrau, der Ibis-Priester Kalanthes und der Set-Priester Thoth-Amon. Letzterer wird Conan-Fans noch als der spätere Erzfeind des Barbaren in Erinnerung sein.

Der zweite Conan-Band »Der Gott in der Kugel« ist eine runde Sache. Die beiden enthaltenen Geschichten sind detailverliebt, actionreich und spannend. Sie öffnen dem Leser ein Fenster in die phantastische Welt des Barbaren Conan. Da möchte man gar nicht so schnell wieder zurückkehren. Der Anfang der Serie wurde konsequent weitergedacht. Es wurde viel Wert auf die Gestaltung der zukünftigen Gegner und Gefährten gelegt, was sich in den kommenden Bänden hoffentlich auszahlen wird. Dabei tritt die Titelfigur im Vergleich zum ersten Band ein wenig in den Hintergrund. Notwendigerweise wirkt die Geschichte dadurch zersplitterter, das euphorische Hochgefühl von »Die Tochter des Frostriesen« bleibt leider aus. Neueinsteigern ist daher der erste Band eher zu empfehlen. Alle anderen Fans des wilden Cimmeriers werden ihre Freude an dieser neuen Dosis Fantasy-Abenteuer haben.

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Colovini, Leo – Mauerbauer

_Zurück zu den Wurzeln?_

Sind es nicht eigentlich die schlichten Spiele, die einen meist durch einen tollen Aufbau, leicht verständliche Regeln und einen dennoch hohen Spielspaß immer wieder positiv überraschen? Spiele wie zum Beispiele „Mauerbauer“, die nach außen hin eigentlich nicht viel hermachen, dazu über einen recht einfach gestrickten Spielplan verfügen und optisch jetzt nicht gerade ein Blickfang sind? Oft genug habe ich diese Erfahrung gemacht, weshalb ich mich erst einmal nicht vom vergleichsweise langweiligen Cover des Spiels habe abschrecken lassen und mal ganz unvoreingenommen abwartete, was mich hier erwartet. Schließlich zeigt die Erfahrung ja, dass solche Spiele später diejenigen sind, die am häufigsten auf den Tisch kommen. Und siehe da – auf den Instinkt ist manchmal Verlass. „Mauerbauer“ bietet nämlich keine aufgeblasene Optik, im Gegensatz dazu aber spielerisch einen sehr starken Gegenwert fürs Geld, an dem man noch lange Freude haben wird.

_Spielidee_

Vor ewiger Zeit stritten sich die berühmtesten Mauerbauer, wer wohl die schönste und perfekteste Stadt in ihren Landen erbauen könnte. Jeder von ihnen hatte eine genaue Vorstellung davon, wie seine Stadt aussehen sollte: prunkvolle Paläste, edle Bürgerhäuser, feste Mauern und massive Türme – dies alles wollten sie in ihrer Stadt verewigen.

In diesem Spiel soll der Wettstreit der Mauerbauer nun nachempfunden werden. Bis zu vier Spieler schlüpfen in die Rolle der Bauherren, bauen Mauern, Häuser, Paläste und Türme und beanspruchen einen Teil des Landes für sich und ihre Stadt. Doch jedes Mal, wenn die Mauern einer Stadt geschlossen werden, folgt eine Wertung, die jeden Spieler betrifft. Und erst jetzt entscheidet sich, wer beim Bau der Mauern und Städte am klügsten vorgegangen ist.

_Spielmaterial_

• jeweils 10 Türme in den Farben Grau, Weiß und Schwarz
• jeweils 12 Häuser und 3 Paläste in den Farben Gelb, Grün, Blau, Rosa und Rot
• 33 Holzmauern
• 2 Haus- und 1 Turmwürfel
• 4 Zählsteine
• 60 Gildekarten
• 1 Spielplan

Das Spielmaterial von „Mauerbauer“ ist in erster Linie zweckdienlich, dafür aber dennoch schön aufgemacht. Wie bei |Hans im Glück| eigentlich üblich, legt man besonders hohen Wert auf die Robustheit des Materials. So sind abgesehen von den Karten und dem Spielplan alle Spielmittel aus stabilem Holz. Schön dabei ist, dass man nicht einfach nur plumpe Steine gewählt, sondern den Materialien auch schöne, eigenständige Formen verpasst hat.

Der Spielplan indes ist recht schlicht gehalten und bestätigt meine Worte aus der Einleitung, dass „Mauerbauer“ rein äußerlich recht unauffällig ist. Aber das will ja noch nichts heißen …

_Spielvorbereitung_

Der Spielplan wird in die Mitte des Tisches ausgelegt. Darum werden sortiert Häuser, Paläste und Türme bereitgelegt, ebenso die drei im Spiel verwendeten Würfel und der durchgemischte Stapel mit den Gildekarten.

Vor jedem Spiel bekommt nun jeder Spieler sechs Karten auf die Hand. Nachdem der Zählstein der gewählten Farbe neben die Position 0 auf der Siegpunktleiste platziert wird, kann das Spiel beginnen.

_Spielziel_

Die Mauerbauer versuchen, nach ihrer Vorstellung Städte beliebiger Größe auf der Karte des Spielplans zu bauen. Dabei gilt es, die Gildekarten in der eigenen Handauslage zu beachten, denn sie bestimmen später, mit welchen Bauten man zu Punkten gelangt. Jedes Mal, wenn eine Stadt durch den Bau einer Mauer geschlossen wird, kommt es zu einer Wertung, in der man entweder eine oder zwei Karten aus der Hand ablegen und dadurch punkten darf. Allerdings gilt es zu beachten, dass die hinten liegenden Spieler nach jeder Wertung beliebig viele Karten ihrer Handauslage gegen neue tauschen dürfen und sich so einen gehörigen Vorteil verschaffen können. Es gilt zu taktieren, wann man welche Stadt schließt, und welche Gildekarten man danach ablegt. Wer auf diese Weise zum Schluss die meisten Siegpunkt erreicht hat, ist der erfolgreichste Mauerbauer und damit der Sieger des Spiels.

_Ein Spielzug_

In jeder Runde stehen den Mauerbauern bis zu vier Spielzüge zur Verfügung, die in folgender Reihenfolge auch durchgeführt werden müssen, falls sie in dieser Runde möglich sind.

Als Erstes muss der Spieler eine Mauer aus dem Vorrat nehmen und auf eine beliebige Mauerlinie auf dem Spielfeld setzen. Dabei muss er keine weiteren Vorgaben beachten; man muss also nicht direkt an eine andere Mauer angrenzen. Auch die Abgrenzung von Stadt, Graslandschaft und Wasser muss gemauert werden!

Anschließend würfelt er mit allen drei Würfeln. Auf dem Turmwürfel steht nun entweder ein graues, weißes oder schwarzes Turmsymbol. Dem Ergebnis entsprechend muss nun ein Turm in solcher Farbe an die gerade gesetzte Mauer platziert werden. Sind beide Seiten der Mauer besetzt, kann der Turmbau nicht stattfinden. Ist indes die Farbe des gewürfelten Turmes nicht mehr vorrätig, darf der Spieler einen andersfarbigen Turm verwenden.

Das Ergebnis der beiden Häuser-Würfel entscheidet über das Wachstum der Stadt. Hier ist entweder ein Haus in einer der fünf Spielfarben abgebildet oder aber ein Fragezeichen (freie Auswahl). Der Spieler nimmt nun Häuser der beiden Farben zur Hand und platziert an beiden Seiten der Mauer nach eigener Wahl jeweils eines der Häuser.

Schließt der Spieler mit seiner Mauer eine Stadt – dies ist der Fall, wenn die abgelegten Mauerstücke eine Landschaft umschließen –, kommt es zu einer Wertung. Jetzt muss sich der Spieler entscheiden, welche seiner Gildekarten er verwendet. Er muss dabei zwischen Karten, die nur die aktuell gebaute Stadt betreffen, und solchen, die sich auf Gebiete beziehen, die noch nicht erschlossen sind, entscheiden und versuchen, das bestmögliche Gesamtpunkteergebnis zu erzielen. Anschließend legt er die gespielten Karten auf den Ablagestapel und nimmt ersatzweise eine neue Karte – dies übrigens auch, wenn man zwei Karten ausgespielt hat. Entsprechend dem Punkteresultat setzt man nun seinen Zählstein auf der Siegpunktleiste weiter. Wer sich einer Wertung mangels guter Gildekarten entziehen will, darf auch eine Karte von der Hand auf den Ablagestapel legen und zwei neue vom Nachziehstapel ziehen. Allerdings bekommt er dann in dieser Runde keine Punkte.

Als Letzter darf nun der Spieler, der auf der Siegpunktleiste am weitesten hinten steht, beliebig viele Handkarten gegen neue Gildekarten vom Nachziehstapel nehmen. Die Würfel werden daraufhin weitergegeben, und der nächste Spieler beginnt auf die gleiche Art und Weise seinen Zug.

_Sonderregeln_

Spielautor Leo Colovini hat sich neben dem Basisregelwerk auch noch einige Dinge ausgedacht, welche die Spieltiefe noch erweitern und das taktische Vorgehen insgesamt noch weiter erschweren. Vier Regeln sind dabei besonders zu beachten

|1. Städte erweitern|

Sobald ein Spieler mit dem Bau einer Mauer eine Stadt abgeschlossen hat, besteht die Möglichkeit, diese zu erweitern. Sollte nämlich angrenzend an eine der Stadtmauern eine weitere, geschlossene Stadt aufgestellt sein, darf er nun die Abgrenzungsmauern zwischen diesen beiden Städten sowie die dazwischen befindlichen Türme entfernen und die Städte verbinden. Dies hat auch Auswirkungen auf die Wertung, denn es wird im Anschluss die gesamte Stadt und nicht bloß die zusätzlich erschlossene gewertet. Man darf allerdings immer nur eine Stadt mit der just erbauten verbinden, wobei dieser Schritt freiwillig und jedes Mal von Neuem abzuwägen ist.

|2. Es gibt keine Stadtviertel|

Sobald eine Stadt von Mauern umgeben ist, kann sie nur noch erweitert, nicht aber mehr separat eingeteilt werden. Das heißt für den Spieler konkret, dass er in eine fertige Stadt keine weiteren Mauern mehr setzen darf.

|3. Paläste setzen|

Wenn eine Stadt von einer Mauer umgeben und somit fertig ist, werden Häuser in gleiche Farbe, und zwar jeweils zwei, zu einem Palast zusammengefügt. Die Häuser gehen zurück in die Auslage.

|4. Der Minuspunkt für Hektiker|

Die einzelnen Spielzüge in „Mauerbauer“ sind fest vorgegeben. Sollte sich indes trotzdem mal jemand nicht daran halten und noch vor dem Mauerbau würfeln, bekommt er zur Strafe einen Punkt auf der Siegpunktleiste abgezogen. Und man mag es kaum glauben: Dies passiert häufiger …

_Spielende_

Es gibt gleich mehrere Möglichkeiten, das Spiel zu beenden. Alle jedoch haben sie gemeinsam, dass sie einem Mangel an weiteren Baumaterialien folgen. Sobald nämlich kein Turm oder Haus oder Tempel oder keine Mauer mehr in der Auslage sind – also nach maximal 33 Spielrunden – ist das Spiel zu Ende. Wenn beim letzten Spielzug noch eine Stadt erschlossen wurde, darf diese noch gewertet werden. Anschließend werden die Punkte auf der Siegpunktleiste verglichen und der Gewinner gekürt.

_Meine Meinung_

Ganz ehrlich, ich hatte mir nach den ersten (optischen) Eindrücken von „Mauerbauer“ nicht viel erhofft, und schon gar nicht das spannende, taktische Strategiespiel, das es letztendlich ist. Nach außen hin mag die Neuheit aus dem |Hans im Glück|-Verlag zwar recht unspektakulär und schlicht wirken, doch innen drin, sprich im Spiel selber verbirgt sich ein sehr fein ausgeklügeltes Spielprinzip, das zwar zu einem gewissen Teil auch von Glück bestimmt ist (so zum Beispiel beim Nachziehen der Gildekarten und natürlich beim Würfeln), jedoch weitestgehend auf taktischem Geschickt und weitsichtiger Planung aufbaut.

Schön ist auch, dass man zu keinem Zeitpunkt des Spiels vorhersehen kann, wer am Ende der Sieger sein wird. Eine Führung kann bereits nach einer oder zwei schnellen Wertungen wieder gänzlich verspielt sein, ein Rückstand dementsprechend flott wieder aufgeholt werden.

Hinzu kommt, dass sich durch die Gildekarten bei der Planung weiterer Spielzüge unheimlich viele Möglichkeiten auftun. Einzig und alleine die Städte sind begrenzt, und zwar durch Mauern, sonst aber bei diesem herrlichen, leicht erlernbaren Familien- und Strategiespiel gar nichts, und schon gar nicht der Spielspaß.

Ich bin alles in allem daher sehr überrascht von der Spieltiefe und der daraus resultierenden Langzeitmotivation von „Mauerbauer“. Die einzelnen Partien sind knapp und spannend und werden meistens erst mit der letzten Wertung entschieden, so dass wirklich zu keinem Zeitpunkt Langeweile aufkommt. Garantiert wird der langfristige Spaß am Spiel schließlich durch das stabile, robuste und dennoch schön aufgemachte Spielmaterial, dem i-Tüpfelchen auf einem Spiel, das trotz (und gerade wegen) seiner schlichten Mittel die zuvor gesetzten Erwartungen um ein Vielfaches übertrifft. Wirklich toll, was sich der Herr Colovini hier ausgedacht hat!

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Kramp, Ralf – Hart an der Grenze

_Blick in die Vergangenheit_

_Die Story von „Hart an der Grenze“:_

Der US-Amerikaner David Nizer kehrt nach dem Zweiten Weltkrieg zurück an die Front, jener Grenzregion zu Deutschland, wo er als Soldat in den belgischen Ardennen half, die Nazis zurückzuschlagen. Am Ort des Schreckens holen ihn seine Erinnerungen ein. Es verschlägt ihn später in die Eifel. Und Nizer wird tot, mit einer Kugel im Kopf, aufgefunden.

Jedermann denkt, er sei aus freien Stücken aus dem Leben geschieden, aber Herbie Feldmann nicht! Er, der Spinner, der Stimmen hört und von einem Geist namens Julius stets verbal und nur für ihn sichtbar, begleitet wird, stürzt sich in den Fall. Nicht ganz unschuldig daran ist die unattraktive Nelli, die Herbie eigentlich nur heimfahren soll. Auf der pompösen Geburtstagsfeier seiner Tante Hettie wird er zu diesem Auftrag verdammt, die Tochter von Tante Hetties Rechtsanwalt nach Hause zu begleiten.

Doch Nelli schwärmt für Herbie Feldmann, und ihr ist nach Abenteuer zumute. Sie lockt ihn mit dem Fall um den toten Amerikaner und wird neben dem Unsichtbaren Julius Herbies nächster nervtötender „Schatten“ …

_Der Autor_

Ralf Kramp wurde 1963 geboren und arbeitete zunächst als Karikaturist, um sich dann der Schreibkunst zu widmen. Zudem veranstaltet er beliebte Krimi-Wochenenden und ist Eigner des Hillesheimer |KBV|. Zu seinen Autoren gehören unter anderem Jacques Berndorf, Carola Clasen und Carsten Sebstian Henn.

_Eindrücke_

Gewohnt amüsant erzählt Kramp die Story des Herbie Feldmann, der leicht verspinnert ist und nach einer Psychose von dem nur für ihn wahrnehmbaren Julius stets durch freche Kommentare begleitet wird.

Das Strickmuster rund um Herbie Feldmann ist in sechs Romanen recht identisch und starr, doch hat man nie das Gefühl, dass ein Roman dem anderen gliche. Kramp ist als Autor ideenreich und kreativ, weiß zudem, Leser zum Schmunzeln zu animieren. Herbie hat das Anrecht auf einen Kultstatus.

Aber auch der Autor Kramp ist nicht fehlerfrei. In einem der ersten Kapitel wird von einer alten Frau namens Lämpchen berichtet. Diese ist eigenartig und fährt mit ihrem Mofa gerne über Stock und Stein in den Wald, um nachts Tiere zu beobachten. Einige Seiten weiter berichtet der Autor, dass die alte Dame namens Lämpchen keinen rechten Arm, sondern nur einen verkrüppelten Stumpf hat. Der aufmerksame Leser wird sich fragen, wie sie dann überhaupt ein Mofa steuern kann, vor allem, weil der Gasgriff eines Zweirades sich rechts befindet. Und wer kann schon ohne zwei flinke Arme ein Mofa über Stock und Stein bewegen? Diese Art „logischer Fehler“ kann einen aufmerksamen Leser dazu führen, die Lust am Roman zu verlieren.

Trotzdem: Wer diesen „Fauxpas“ schluckt, entdeckt in den vielen weiteren Kapiteln eine sehr spannende und auch atmosphärische Story. Herbie und Julius sind Sympathieträger, kultig, verwegen und in Sachen Humor verschmitzt. „Hart an der Grenze“ ist in der Reihe um Kramps Kultfigur Herbie Feldmann der vielleicht schwächste Roman, und doch ist er lesenswert für all jene, welche die anderen Romane um den sonderbaren „Spinner“ Herbie schätzen.

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Willingham, Bill / Buckingham, Mark – Fables 1 – Legenden im Exil

Kritiker und Presse überschlagen sich förmlich vor Lob für Bill Willinghams Graphic-Novel-Reihe „Fables“. Gekrönt wird all das Lob von fünf |Eisner Awards|. Grund genug, die Reihe, die jüngst unter dem Label von |Vertigo| bei |Panini Comics| erschienen ist, einmal näher unter die Lupe zu nehmen.

Dabei verheißt eigentlich schon der Name des Autors Gutes. Bill Willingham hat vor allem seit den späten 90ern intensiv für |Vertigo| gearbeitet und dabei unter anderem auch einige Teile der „Sandman Presents“-Reihe veröffentlicht. 2003 entstand dann „Fables“. Dank des Erfolgs der „Fables“-Reihe hat Willingham dann sogar noch einen Spin-off dazu entwickelt, der seit 2006 in den USA unter dem Titel „Jack of Fables“ erscheint. Als Zeichner hat Lan Medina an „Fables“ mitgearbeitet. Aus seiner Feder stammt allerdings nur der erste Teil der Reihe „Legenden im Exil“. Einen Namen hat Medina sich bereits mit diversen Arbeiten für |Marvel| und |DC| gemacht. So viel zu den Machern.

Willinghams Arbeiten für die „Sandman Presents“-Reihe zeigen schon in etwa, was man bei ihm erwarten darf: Urban Fantasy. „Fables“ erzählt die Geschichte diverser Märchenfiguren, die unerkannt in New York im Exil leben. Böse Mächte haben sie aus der Märchenwelt vertrieben. In New York kennt niemand ihre wahre Identität und sie bleiben unter sich, um ihr Geheimnis zu wahren. Ihre neue Heimat in New York nennen sie Fabletown. Dort leben sie ein eher beschauliches Leben und schlagen sich mit den Tücken des Alltags herum, wie die Menschen auch – bis eines Tages Rose Red unter merkwürdigen Umständen verschwindet.

Zusammen mit dem Detektiv Bigby Wolf findet Rose Reds Schwester Snow White Spuren in Roses Appartement, die auf ein Blutbad hindeuten. Überall finden sie Spuren von Roses Blut und das nicht unbedingt in geringer Menge. Hat jemand Rose ermordet? Wo ist dann die Leiche? Und wer ist der Täter? Eine Botschaft an der Wand deutet darauf hin, dass der Täter aus der Fabletowngemeinde stammen muss. Bigby Wolf macht sich auf die Suche nach dem Täter …

Willingham bedient sich unterschiedlichster Märchenfiguren, um mit ihnen den „Fables“-Plot zu gestalten. Die meisten kennt man, aber manch eine Figur, wie King Cole, der aus einem englischen Kinderreim stammt und ein legendärer Keltenkönig ist, dürfte hierzulande ähnlich unbekannt sein, wie der ebenfalls einem englischen Kinderreim entsprungene Blue Boy, Jack aus der englischen Geschichte mit den Bohnenranken und den Riesen oder Grimble, der Troll, der in einem norwegischen Märchen von drei Ziegen hereingelegt wird.

Die bekannteren Gestalten von Fabletown sind: Lord Beast und Miss Beauty (Die Schöne und das Biest), Bluebeard (Blaubart), die böse Hexe (aus diversen Märchen), Flycatcher (der Froschkönig), Bigby Wolf (der böse Wolf aus diversen Märchen, wobei Bigby für Big B(ad) steht), das kultivierte Schwein (das eines der drei berühmten Schweinchen ist), Pinocchio, Prinz Charming (der jeden x-beliebigen Prinzen aus jedem x-beliebigen Märchen darstellt) und die Schwestern Rose Red (Rosenrot) und Snow White (Schneeweißchen).

Willingham kreiert aus jeder dieser bekannten Märchenfiguren eine eigenständige neue Figur, angepasst an ein unauffälliges Leben in New York. Der Wolf arbeitet als schmuddeliger, zerzauster Detektiv, Bluebeard mimt den kühlen, reichen Adeligen, und Prince Charming macht genau das, was ein Prince Charming nun mal in erster Linie so macht: Süßholz raspeln und Frauen verführen. Alle Figuren haben eine menschliche Gestalt angenommen (mit Ausnahme des kultivierten Schweins, das ganz einfach ein Schwein geblieben ist, wenngleich natürlich ein absolut kultiviertes).

Wie normale Menschen leben die Einwohner von Fabletown ihr Leben, gehen ihrer Arbeit nach, wohnen in ihren Appartements und tun ihr Möglichstes, um nicht aufzufallen. Kontakte zu Normalsterblichen gibt es nur selten, schließlich wollen die Fabelwesen ihre Identität möglichst geheim halten. Sie leben als mehr oder weniger geschlossene Gemeinschaft in einem New Yorker Appartementhaus und haben als solche ihre eigenen Gesetze und Regeln.

Grundlage ihres Zusammenlebens ist die Generalamnestie. Sie ermöglicht es, dass Bigby Wolf als mehr oder minder offizieller Ermittler von Fabletown anerkannt wird und selbst eine blutrünstige Gestalt wie der frauenmordende Bluebeard gesellschaftliches Ansehen erlangen kann. Die Märchenfiguren haben sich halt dazu entschlossen, in der Welt der Menschen noch einmal komplett bei Null anzufangen und jedem die gleichen Chancen einzuräumen.

Der Plot, den Willingham im ersten Band der Reihe entrollt, ist letztlich eine Kriminalgeschichte – die um das mysteriöse Verschwinden von Rose Red, die vermutlich ermordet wurde. Im Laufe der wölfischen Ermittlungen lernt der Leser die Gemeinde von Fabletown kennen und wird obendrein in eine zunehmend spannender werdende Geschichte gezogen. Es gibt viele Verdächtige, da in der Märchenwelt einige der jetzt so braven Bewohner von Fabletown kein so rühmliches Leben führten. Und so hegt man so manche Vermutung, wer der Täter sein könnte, ehe Bigby Wolf in klassischer Krimimanier den Täter entlarvt.

Gewürzt wird die Geschichte immer wieder mit einer humoristischen Note. Willingham hat sie mit einem ironischen Unterton und einem immer wieder durchschimmernden Augenzwinkern niedergeschrieben. So wohnt zum Beispiel das kultivierte Schwein ironischerweise beim ehemals bösen Wolf zur Untermiete. Willingham geht mit den Märchenelementen seiner Geschichte bzw. seiner Figuren ungezwungen und fantasievoll um und unterstreicht das Ganze immer wieder mit einer feinen Ironie. Das macht die Geschichte zu unterhaltsamer Lektüre. Der Brückenschlag zwischen dem ernst zu nehmenden, sehr klassisch ausgeformten Krimiplot und dem feinsinnigen Humor gelingt Willingham dabei ausgesprochen gut.

Insgesamt liest sich die Geschichte locker und flott runter. Die Lektüre macht ausgesprochen Spaß und vor allem Appetit darauf, zu erfahren wie es mit den Bewohnern von Fabletown weitergeht. Am Ende von Band 1 hängt Willingham obendrein noch eine selbst illustrierte Kurzgeschichte an, die erzählt, wie die Bewohner von Fabletown aus der Märchenwelt ins New Yorker Exil gelangten. Auch die liest sich sehr angenehm.

Medinas zeichnerische Umsetzung der Geschichte ist ebenfalls als gelungen zu bezeichnen. Die Eigenarten der unterschiedlichen Charaktere werden durch die Zeichnungen wunderbar unterstrichen. Die Handlung wirkt lebhaft und die Verrücktheit der gesamten Situation wird sehr schön betont.

Bleibt unterm Strich ein sehr positiver Eindruck zurück. Willinghams Geschichte um die in New York lebenden Märchenfiguren ist gleichermaßen unterhaltsam wie spannend. Die zu Grunde liegende Idee ist absolut wunderbar und Willingham setzt sie sowohl spannend als auch humorvoll um. Wer andere Werke der Urban Fantasy, beispielsweise von Autoren wie Neil Gaiman, mag, für den dürfte auch „Fables – Legenden im Exil“ ein vielversprechender Tipp sein. Und wer obendrein auch noch ein bisschen was für Comics übrig hat, für den könnte „Fables“ sich als absoluter Volltreffer erweisen.

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Selinker, Mike – Cowboy Poker

_Der große Poker-Wahnsinn_

Es gibt wohl kaum ein Spiel, das sich weltweit so großer Beliebtheit erfreut wie das altbewährte Pokerspiel. Gleichermaßen wird wohl nirgendwo ein derart großer Glücksspiel-Reibach gemacht wie bei der selbst im Fernsehen jederzeit verfügbaren Kartenspielrunde. Den damit verbundenen Fanatismus haben James Ernest und Mike Selinker aufgenommen, um das Standardspiel innerhalb eines witzig illustrierten und etwas komplexer gestalteten Kartenspiels gehörig zu modifizieren. So geht es in „Cowboy Poker“ nicht nur um Straight-Flushs und große Straßen, sondern auch um Bandenkriege, Schießereien und Viehtrieb. Für den |Pegasus|-Verlag sicherlich Grund genug, dieses witzige Spiel ins eigene Programm aufzunehmen.

_Spielidee_

„Cowboy Poker“ spielt in der Idylle des Western-Städtchens Centerville. Dort leben vier der am meisten gefürchteten, ruchlosesten Banden des Wilden Westens und sind stets darum bemüht, ihre Kontrahenten mittels Schießereien und unbarmherziger Viehtriebe zu bekämpfen. Doch nur derjenige, der die erbarmungsloseste, böseste Zusammenrottung von Banditen und zudem auch noch in dreierlei Form das beste Pokerblatt vorweist, kann in Centerville bestehen.

_Spielmaterial_

• 54 Spielkarten
• 12 Ranchkarten

_Ziel des Spiels_

Ziel einer jeden Partie ist es, so viele Punkte wie möglich zu sammeln. Dies geschieht zum einen dadurch, dass man Mitglieder verschiedener Banden auf seiner Ranch versammelt und die ihnen zugeordneten Punkte einkassiert, oder aber durch die Pokerblätter, die man am Ende des Spiels auf der Hand, in der Ranch und im Keller der Ranch zusammenbekommt. Das jeweils beste Pokerblatt in jeder Ebene bringt sechs Punkte; wer im Keller indes das schlechteste Blatt hat, verliert wiederum sechs Punkte. Die Addition all dieser Punkte ergibt das Gesamtresultat; der beste Spieler gewinnt natürlich.

_Cowboys und Kakteen_

„Cowboy Poker“ wird immer zu viert gespielt. Für den Fall, dass diese Zahl nicht mit echten Spielern erreicht wird, greifen Kakteen-Spieler ins Geschehen ein und spielen ebenfalls um den Sieg mit. Diese Spieler haben zwar keine Handkarten, sind aber dennoch ernst zu nehmende Kontrahenten und bilden ebenfalls Banden und eigene Pokerblätter.

_Spielvorbereitung_

Vor jeder Partie werden die Ranch-Karten nach ihren vier Sippen sortiert und gemischt. Alle Spieler, also auch die Kakteen-Spieler, erhalten nun eine der vier verschiedenen Ranches und legen sie vor sich ab. Die übrigen Ranchkarten werden gegebenenfalls später noch als Zufallselement benutzt, falls ein Kakteen-Spieler zum Beispiel keine eindeutige Entscheidung treffen kann.

Anschließend bekommt jeder echte Spieler fünf Karten auf die Hand, die er nun im Kampf gegen seine Rivalen einsetzen kann.

_Eine Spielrunde_

Der Spieler mit der Gallagher-Ranch eröffnet die Runde. Ist dies ein echter Spieler, spielt er eine seiner Handkarten aus. Sollte es sich dabei um ein Mitglied seiner Ranch oder der Stadt handeln, darf er die Spezialaktion, die im Text beschrieben steht, durchführen. Ist dies nicht der Fall, legt er die Karte nur vor sich ab. Sollte er diese Karte bis zum Ende des Spiels immer noch in seiner Ranch besitzen, bekommt er die ihr zugeschriebenen Punkte.

Ist indes ein Kakteen-Spieler der Startspieler, zieht er die oberste Karte vom Nachziehstapel und legt sie vor sich ab. Sollte sie seiner Ranch oder der Stadt angehören, spielt er sie genauso aus wie der echte Spieler. Sollte es sich dabei um eine Entscheidung handeln, die per Zufall (sprich Viehtrieb oder Schießerei) bestimmt werden soll, nimmt er nun eine der beiseite gelegten Ranchkarten. Darauf steht dann eine der beiden Optionen, die der Spieler nun auch wählt.

So geht es schließlich reihum. Sobald ein echter Spieler an der Reihe ist, darf er sein Handkartenkontingent vor dem Zug wieder auf fünf Karten auffüllen.

_Viehtrieb und Schießerei_

Auf jeder Karte sind neben den Punkten und Spezialeffekten auch Werte für Viehtrieb und Schießerei abgebildet. Sollte ein Spieler nun eine dieser beiden Optionen ausspielen, wird reihum (beginnend links vom Anstifter) eine Karte ausgelegt, um so den höchsten Wert zu ermitteln. Derjenige, der die Karte auslegt, legt als Letzter eine weitere Karte hinzu und hat so den Vorteil, dass er die Werte der anderen Spieler zunächst überschauen und danach seinen Zug ausführen kann. Echte Spieler wählen die gespielten Karten aus ihrer Hand, Kakteen-Spieler ziehen indes zur Ermittlung ihres Wertes eine Karte vom Nachziehstapel.

Wer einen Viehtrieb oder eine Schießerei gewinnt, bekommt den kompletten Stich und legt alle Karten verdeckt neben seine Ranch ab. Sie befinden sich nun in seinem Keller. Dies gilt jedoch nicht für bestimmte Stadtkarten, die nach Viehtrieb oder Schießerei in den Besitz des Spielers mit den geringsten Bandenpunkten oder dem schlechtesten Pokerblatt übergehen.

_Sonderfunktionen_

Die meisten Stadtkarten und auch manche Karten einer Bande haben spezielle Sonderfähigkeiten, die man genau dann ausspielen kann, wenn man im Besitz der entsprechenden Ranch ist. Allerdings kann man auch Mitglieder anderer Ranches konvertieren, sobald man den Bandenboss in seiner Ranch ausliegen hat. In diesem Fall zählen auch alle Sonderfunktionen der Ranch dieses Bosses zum eigenen Repertoire.

_Spielende_

Sobald alle Karten vom Nachziehstapel aufgebraucht sind, endet das Spiel sofort; nun kommt es zur Schlusswertung.

Zunächst einmal werden jetzt die Punkte der Bandenmitglieder addiert. Anschließend werden die Pokerblätter verglichen. Auf jeder Spielkarte ist ein Kartenwert aus dem echten Pokerspiel abgebildet. In der Reihenfolge ‚zwei Paare‘, ‚Drilling‘, ‚Straße‘, ‚Flush‘, ‚Full House‘, ‚Vierling‘, ‚Straight Flush‘ und ‚Fünfling‘ (hier wegen der Jokerkarten möglich) wird nun gewertet, und zwar ebenfalls die Bandenkarten, anschließend die Kellerkarten und als Letztes die Handkarten. Die letztgenannte Wertung findet allerdings nur bei den echten Spielern statt, weil Kakteen keine Handkarten besitzen. Für das jeweils beste Pokerblatt werden sechs Punkte verteilt. Sechs Punkte abgezogen werden hingegen für das mieseste Kellerblatt.

Die Gesamtsumme all dieser Punkte ist schließlich das Endresultat, das über den sieg entscheidet – natürlich gewinnt derjenige Spieler mit den meisten Punkten!

_Meine Meinung_

Ich habe recht lange nach einem perfekten Anheizer für einen längeren Spieleabend gesucht und ihn nun in „Cowboy Poker“ endlich gefunden. Die Regeln des Spiels sind schnell erklärt und leicht zu lernen, eine Spielrunde ist binnen einer Viertelstunde durch, und alleine schon wegen der lustig gestalteten Karten und der witzigen Modifikationen im Vergleich zum echten Pokerspiel ist auch schnell für gute Stimmung gesorgt.

Allerdings sollte man „Cowboy Poker“ deshalb nicht unterschätzen; bei diesem Spiel geht es schließlich auch darum, strategisch vorzugehen, schließlich ist es gar nicht mal so leicht, seine Karten derart abzustimmen, dass man in allen drei Bereichen ein gutes Pokerblatt erreicht. Es mag zwar einfach sein, die Karten mit den höchsten Punkten vor sich auszulegen, doch meist ist damit anderswo ein mieses Blatt verbunden, und erst dieses entscheidet letztendlich über Sieg und Niederlage – wer dies nicht berücksichtigt, wird trotz guter Karten chancenlos sein.

Sehr schön ist außerdem die ständige Variation des Spielumfangs durch die Kakteen-Spieler. Sie sind im Spiel zu zweit und zu dritt die großen Unbekannten und dürfen keinesfalls vernachlässigt werden. Denn auch wenn ihre Möglichkeiten begrenzt sind, schalten sie sich doch entscheidend ins Spiel ein und können mit dem gewissen Quäntchen Glück sogar siegen.

Glück ist sicherlich auch ein entscheidender Faktor im Spiel, gerade was das Nachziehen neuer Karten betrifft. Dies bedeutet aber nicht, dass der glücklichste Spieler auch mit Leichtigkeit zum Sieg eilt. Aber durch einige geschickte Bluffs (auch das ist möglich, schließlich sind einige Karten für die Gegner verdeckt!) kann man seine Kontrahenten auch leicht in die Irre führen und somit schnell das Ruder herumreißen – sofern dies nicht schon durch das Taktieren bei Schießereien und Viehtrieben geschieht.

Insgesamt ist „Cowboy Poker“ ein absolut lohnenswertes Spiel, zumal es sich zu jeder Gelegenheit eignet. Wegen der kurzen Spieldauer kann man es als Stimmungsanheizer vor oder zwischen einigen größeren Spielen ansetzen, durchaus mal eben eine schnelle Runde spielen oder aber sich den ganzen Abend damit vertreiben, weil der Spaß ganz klar oberste Priorität genießt und hier wirklich auch auf lange Sicht garantiert ist. Aus all diesen Gründen ist „Cowboy Poker“ auch eines der besten Kartenspiele der Saison und jedwedem Spielertyp dringend zu empfehlen!

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Schlegel, Martin – Aqua Romana

_Alle Aquädukte führen nach Rom …_

Das alte Rom ist eine beliebte Grundlage für aktuelle, moderne Brettspiele und wird auch immer wieder in die Spielgeschichte verschiedener neuer Produkte einbezogen. So hat sich auch der deutsche Spielverlag |Queen Games| dieses Themas angenommen und mit „Aqua Romana“ im vergangenen Jahr (pünktlich zur Spiel ’06) einen Titel auf den Markt gebracht, in dem es darum geht, die Wasserversorgung im alten Imperium zu sichern und die besten und längsten Aquädukte zu bauen. Beinahe wäre dieses Vorhaben sogar mit dem wohl wichtigsten deutschen Spielepreis, dem „Spiel des Jahres 2006“ belohnt worden, wo „Aqua Romana“ jedoch gegen das gefeierte „Thurn & Taxis“ den Kürzeren zog. Dennoch: Dieses Spiel lohnt sich!

_Spielidee_

Auch im alten Rom war das Wasser wie allerorts eine lebensnotwendige Grundlage, die Versorgung indes gar nicht mal so einfach. Über weite Entfernungen errichteten die fantasievollsten Baumeister Verbindungen und erstellten dabei einige geschichtsträchtige Bauwerke, die Aquädukte. Selbst tiefe Täler und unebenes Gelände wurden mit diesen Vorrichtungen durchzogen, so dass das ganze große Reich an jedwedem Ort mit Wasser versorgt werden konnte. Dennoch galt die Erbauung eines Aquädukts als echte Kunst, so dass die Baumeister stets in Konkurrenz um den Bau des längsten dieser Werke standen. Wer geschickt vorausplant und seine Baumeister und Arbeiter zur rechten Zeit einsetzt, erlangt am Ende die meiste Beachtung und gewinnt somit auch das Spiel.

_Spielziel_

Jeder Spieler schlüpft in die Rolle eines Bauherrn und versucht als solcher, die längsten und wertvollsten Aquädukte zu bauen. Allerdings sind die Mittel begrenzt, denn man kann seine Arbeiter nur dann weiterziehen lassen, wenn auch ein Baumeister in greifbarer Nähe ist. Wenn dies nicht geschieht, muss der Bau einer Wasserleitung zwangsläufig gestoppt werden, was in der Endabrechnung um die längste Strecke zu schwerwiegenden Nachteilen führen kann. Schnelligkeit ist jedoch enorm wichtig, denn nur derjenige, der zur rechten Zeit sein Aquädukt schließt und somit einen der vordersten Plätze belegt, kann hohe Punktzahlen sammeln. Wer indes zu langsam ist, muss sehen, welche Ränge übrig bleiben und hat bei der abschließenden Endabrechnung das Nachsehen.

_Das Material_

• 84 Plättchen mit vier verschiedenartigen Aquäduktbauteilen
• 16 Arbeiter in den vier Spielfarben
• 1 Bogen mit Aufklebern für die Baumeister
• 4 Startplättchen in den vier Spielfarben
• 17 Baumeister
• 1 Spielplan
• 1 Spielanleitung

Beim Spielmaterial greifen |Queen Games| auf bekannte Mittel mit individuellen Illustrationen zurück. Die Plättchen erinnern zum Beispiel an das beliebte „Alhambra“-Spiel, wohingegen die hölzernen Arbeiterfiguren ebenfalls längst bewährt sind. Im Vordergrund stehen dabei weniger Prunk und Äußerlichkeiten als vielmehr Stabilität und Haltbarkeit. Und dies ist letztendlich auch entscheidend, schließlich braucht „Aqua Romana“ auch keine bunten Blickfänger, sondern kann stattdessen eher inhaltlich begeistern.

_Vorbereitungen_

Vor der ersten Partie werden zunächst einmal die Baumeister beklebt. Auf dem Klebebogen ist hierbei schon angeordnet, welche Aufkleber im Spiel benötigt werden bzw. welche als Ersatz gedacht sind. Gut überlegt, denn so passieren beim Bekleben der Holzfiguren keine Fehler, indem man beispielsweise zu viele Aquäduktabbildungen einer Streckensorte aufklebt.

Sobald diese Voraussetzung geschaffen ist, werden die einzelnen Aquäduktplättchen nach Sorten sortiert und auf einen jeweils offenen Haufen neben den Spielplan gelegt. Jeder Spieler erhält dann das Wasserreservoir in seiner Spielfarbe (bei zwei Spielern sogar direkt zwei Reservoirs, denn dann spielt man auch mit zwei Spielfarben) und ordnet es wie in der Anleitung dokumentiert auf dem Spielfeld an. Anschließend bekommt jeder Spieler noch die Arbeiter in seiner Farbe. Beginnend mit dem Startspieler, werden anschließend reihum zwölf Baumeister auf die Randfelder des Bretts gesetzt, und zwar in beliebiger Anordnung. Jeweils ein Baumeister jeder Sorte sowie der Joker-Baumeister werden auf ein Reservefeld gesetzt.

_Ein Spielzug_

In jedem Spielzug muss ein Spieler versuchen, eines der an seine Arbeiter angrenzenden Aquädukte auszubauen, ganz egal, ob ihm dies zum Vorteil gereicht oder nicht. Es ist nämlich verpflichtend zu bauen, wenn man bauen kann. Sollte jedoch über eine komplette Spielrunde hin niemand bauen können, ist das Spiel sofort zu Ende.

Allerdings gilt es, gleich mehrere Regeln zu beachten: So darf man zum Beispiel kein Aquädukt an ein zweites, offenes Aquädukt legen, also zwei Leitungen miteinander verbinden. Zum Bau ist immer ein Baumeister notwendig; um zu erkennen, ob dies der Fall ist, wählt man seine Arbeiter und schaut, ob senkrecht oder waagerecht von ihrer aktuellen Position ein Baumeister in Sicht ist. Nur dann kann man auch wirklich bauen.

Pflicht ist es also, den Bau seiner Aquädukte voranzutreiben. Hierzu guckt man sich nun einen Baumeister in Sichtweite aus, beachtet dabei das aufgeklebte Streckensymbol auf seinem Oberkörper und legt dementsprechend ein gleiches Plättchen an sein Aquädukt an. Sollte von dieser Sorte allerdings keines mehr da sein, darf man ein anderes wählen. Anschließend nimmt man den Baumeister und setzt ihn auf der das Spielfeld umrundenden Baumeisterleiste ein Feld voran und zieht seine Figur nun bis ans neue Ende seines Aquädukts.

Der Kniff besteht nun darin, den Gegnern den Ausbau einer Strecke dadurch zu vermiesen, dass man eine ihrer Leitungen durch das Ablegen eines eigenen Plättchens verbaut. Es ist zwar verboten, zwei Wasserwege zu verbinden, jedoch kann man sehr wohl den Landschaftsrand eines Plättchens an ein gegnerisches Aquädukt anlegen und ihm so den Weiterbau unmöglich machen. Dies geht jedoch nur, wenn man dabei auch an sein eigenes Aquädukt angebaut hat.

Zusammengefasst legt man also ein Plättchen aus, rückt seinen Arbeiter vor und setzt den Baumeister auf das im Uhrzeigersinn nächste freie Feld auf dessen umrundendem Weg.

Für den Fall, dass durch die Verlängerung eines Aquäduktes irgendeine Wasserleitung beendet wird, muss diese sofort gewertet werden. Man zählt nun hierzu alle miteinander verbundenen Plättchen dieses Aquädukts zusammen und wertet jedes mit einem Punkt. Plättchen (zum Beispiel Doppelkurven), die zweimal durchlaufen werden, werden auch zweifach gewertet. Anschließend setzt man den Arbeiter, der dieses Aquädukt errichtet hat, auf das Siegerpodest. Auf diesem sind entsprechend der Punktzahl Zahlen im Wert von 1 bis 20 abgedruckt. Jedoch kann außer den Podestfeldern 7 und 3 jede Position nur einmal besetzt werden. Sollte man also regulär eine Strecke mit acht Feldern gebaut haben, kann es sein, dass man hierfür nur sieben oder gar noch weniger Punkte bekommt, weil das Achter-Feld besetzt ist – und ab genau diesem Punkt wird „Aqua Romana“ nun auch zu einem vollends taktischen Spiel!

Gewertet wird übrigens ebenfalls reihum; das heißt, ein doppelter Abschluss von zwei oder mehreren Aquädukten löst mehrere Wertungen aus, die dann erst vom aktiven Spieler und dann im Uhrzeigersinn von den übrigen betroffenen Spielern durchgeführt werden.

Besonders interessant sind indes die ersten Wertungen, denn zu Beginn darf man für jedes abgeschlossene Aquädukt einen der Reserve-Baumeister ins Spiel bringen und ihn an einen Ort seiner Wahl platzieren, am besten natürlich direkt ins eigene Sichtfeld. Unter den Reserve-Baumeistern befindet sich auch der einzige Joker-Baumeister, der universell einsetzbar ist und mit dessen Hilfe man jede der vier Sorten bauen kann – sofern sie verfügbar ist.

_Spielende_

Das Spiel endet sofort mit dem Moment, in dem über den Zeitraum einer Spielrunde keine Plättchen mehr gebaut werden. Meist ist dies der Fall, wenn kein Spieler mehr irgendeinen Arbeiter im Feld hat, so dass automatisch sowieso das Ende eingeläutet wird. Wenn dennoch Aquädukte offen sind, werden sie trotzdem gewertet.

Bei der Schlusswertung werden dann die Punkte der eigenen Arbeiter auf dem Siegerpodest miteinander addiert und das Gesamtergebnis aller verglichen. Der Spieler mit den meisten Siegpunkten hat das Spiel gewonnen; bei Gleichstand kann „Aqua Romana“ auch mehrere Sieger haben.

_Meine Meinung_

„Aqua Romana“ passt perfekt zur Maxime der ‚größeren‘ Spiele aus dem |Queen Games|-Verlag. Das Spiel ist leicht und schnell verständlich, bietet dennoch einen gesteigerten Anspruch und erfordert eine geschickte Planung und eine zielgerichtete Strategie. Der Clou ist nämlich, dass man sich hier ganz schnell in Sicherheit wiegt, weil man gerade ein ziemlich langes Aquädukt in Angriff genommen hat, dann aber feststellen muss, dass man hierfür bei weitem nicht die erwarteten Punkte einkassieren kann und somit mit seinem spielerischen Leichtsinn ziemlich schnell auf die Nase fällt. So einfach, wie es zu Beginn scheint, ist das Vorgehen beim Bau der Aquädukte bei „Aqua Romana“ nämlich keinesfalls!

Vom Prinzip her erinnert das Spiel dabei ein wenig an ähnlich aufgebaute Legespiele wie „Carcassonne“ oder entfernt auch an „Der Palast von Alhambra“. Während bei diesen Spielen jedoch die schlussendliche Punkteverteilung jederzeit überschaubar bleibt, muss man sich bei „Aqua Romana“ auf einige unerwartete Überraschungen gefasst machen. Wer nämlich nicht beobachtet, was und wie seine Gegner planen und zu sehr auf sein eigenes Spiel bedacht ist, kann den sicher geglaubten Sieg binnen weniger Spielrunden doch noch aus der Hand geben müssen.

Wieder einmal also ist das Austüfteln einer siegbringenden Taktik äußerst knifflig und nicht gerade unwesentlich vom Durchschauen und –kreuzen der Pläne der Kontrahenten abhängig. Interessant ist dabei jedoch, dass jeder Spieler von Beginn an die gleichen Voraussetzungen hat und wegen eventueller Glücksfaktoren keine Nachteile entstehen können. Weder werden hier Karten oder Plättchen verdeckt gezogen, noch entscheiden Materialien wie Würfel etc. über das weitere Vorgehen. Über sein Glück entscheidet also jeder selbst, was sich jedoch im späteren Verlauf erst bestätigen wird. Nachdem man zu Beginn nämlich noch allerorts anlegen kann und sich wegen der ersten Anordnung der Baumeister noch vielzählige Möglichkeiten ergeben, wird es immer schwieriger, überhaupt noch eine Aktion durchzuführen, geschweige denn die richtige Streckensorte hierfür zu verwenden. Und erst zum Schluss entscheidet sich, wer nun wirklich geschickt oder eben doch nur von Spielzug zu Spielzug spontan geplant hat. Wie man das Ganze richtig angeht, wird man allerdings erst nach mehreren Partien herausfinden – dem Langzeitspaß sind also kaum Grenzen gesetzt, und dies, obwohl die Spielidee generell nicht wirklich außergewöhnlich ist. Was wiederum nur für die Umsetzung von Autor Martin Schlegel spricht …

Selbst wenn „Aqua Romana“ rein optisch zu den weniger auffälligen Spielen zählt, hat der Titel inhaltlich rundum überzeugt. Mein Fazit lautet zusammenfassend, dass es sich hierbei um ein leichtes Spiel handelt, das schwer zu knacken ist. Seinen ganz besonderen Reiz offenbart der Anwärter auf das „Spiel des Jahres 2006“ vor allem im Spiel zu viert, wo es schon zu Beginn sehr eng wird und man schnell aus der Ruhe kommen kann. Mehr brauche ich wohl auch nicht mehr zu sagen; ein wirklich gänzlich gelungenes Spiel!

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Colfer, Eoin – Artemis Fowl – Die Akte

Alle Jahre wieder greift der Buchhandel in der Weihnachtszeit auf Bücher zurück, die eher als Fanartikel denn als „echtes“ Buch durchgehen würden. Harry Potter hatte schon seine Fanartikel, dieses Jahr ist der Nachfolgehype „Artemis Fowl“ an der Reihe …

„Artemis Fowl – Die Akte“ ist ein 175-seitiges Büchlein mit zwei neuen Kurzgeschichten über Artemis und seine Freunde bzw. Feinde, Interviews mit den Hauptcharakteren und dem Autor Eoin Colfer, das gnomische Alphabet, Steckbriefe der verschiedenen Wesen, Rätsel und ein paar Bildchen zur Ausrüstung der ZUP, der zentralen Untergrundpolizei der Elfen.

Herzstück des Buches sind natürlich die beiden neuen Kurzgeschichten, die auch ohne Vorwissen von den „echten“ Büchern über Artemis Fowl gelesen und verstanden werden können. Die erste, „Blaue Spinnen“, handelt davon, wie die Gegenspielerin des zwölfjährigen Meisterdiebs Artemis, die Elfe Holly Short, als erste Frau die Aufnahmeprüfung zur Aufklärungseinheit der ZUP besteht. Natürlich verläuft selbige nicht reibungslos, denn der aus dem Untergrund vertriebene Bruder des ruppigen, nicht gerade frauenfreundlichen Commanders Julius Roots schaltet sich ein, um sich an seinem Bruder zu rächen. Kann Holly die Situation retten, obwohl sie noch in ihren Kinderschuhen steckt?

Die zweite Geschichte, „Der siebte Zwerg“, handelt davon, wie Artemis Fowl das Diadem der Lady Fei Fei stiehlt und zudem seine Verbindungen zum Meisterdieb-Zwerg Mulch Diggums aufbaut.

Während die erste Geschichte durchaus Spannung zu vermitteln weiß, ist zweite doch ein wenig flach. Insgesamt wendet Colfer einen sehr gerafften Stil an, so dass viele Kleinigkeiten, wie sie in den Romanbüchern vorkommen und dort schön erläutert werden, keinen Platz haben. Dadurch wirken die Geschichten ein wenig lieblos, auch wenn Colfer nach wie vor starke Charaktere wie den amüsanten Julius Roots verwendet und auch mit den knallhart humorvollen Dialogen nicht spart.

Und inwieweit die „Interviews“ mit den Hauptcharakteren nötig gewesen wären, bleibt offen, denn sie muten recht lahm und brav an, dafür, dass die Charaktere in den Geschichten oft so frech sind. Im Gegenteil kann man kaum Unterschiede in den Antworten der Figuren herausfiltern, so dass die Interviews eigentlich getrost weggelassen hätten werden können.

Die Steckbriefe zu den einzelnen Wesen oder die farbigen Illustrationen der technisch sehr ausgefeilten Ausrüstung der ZUP dagegen sind ein netter Service. Man erfährt zwar nichts wesentlich Neues, aber die Dinge sind nett zusammengefasst.
Gleiches gilt für das gnomische Alphabet und die Rätsel, die liebevoll illustriert sind und den jüngeren Lesern sicherlich viel Freude bereiten werden.

Überhaupt ist dieses Büchlein wohl eher etwas für die jüngeren Leser, die noch wirklich in die Welt eines Artemis Fowl eintauchen und darin leben. Denn „Die Akte“ bringt wenig Neues, und das Neue, welches das Buch bringt, ist nicht so reizvoll, als dass ein Erwachsener es unbedingt haben müsste. Trotzdem wird dieses Buch wohl seinen Platz unter dem Weihnachtsbaum gefunden haben – warum auch nicht? Eine nette Geschenkidee für das Kind, den Enkel, den Neffen oder die Nichte ist es allemal.

|Siehe ergänzend dazu unsere [Rezension 3135 der Lesung von Rufus Beck.|

Wallace, Martin – Tempus

_Spielidee_

In „Tempus“ wird die Geschichte der Menschheit anhand wichtiger Errungenschaften im Laufe verschiedener Epochen spielerisch nachempfunden. Während die Menschen zu Beginn noch in primitiven Hütten quer über die ganze Welt verstreut leben und nur durch die Befriedigung ihrer Triebe überleben können, machen sie Schritt für Schritt Fortschritte und Entwicklungen, lernen so zum Beispiel die Schrift kennen, bauen irgendwann die ersten Städte, betreiben Handel und kommen über Seefahrt und Industrie schließlich zur Luftfahrt, dem modernsten und letzten Entwicklungsschritt in ihrer epochalen Fortbildung.

Während alle Menschen diese Entwicklungen durchleben, gilt es für die Spieler, sich auf der ganzen Welt zu verteilen, Städte zu bauen und die Gegner durch Kampf zu dezimieren bzw. ihren Anteil am Fortschritt zu verringern. Dies ist jedoch gar nicht mal so leicht, denn keine Zivilisation gerät dabei weit in Rückstand, weil jeder Fortschritt auch schnell auf den Rest der Menschheit übergreift.

_Spielmaterial_

• 1 Spielbrett
• 12 Spielplanteile mit je 7 Landfeldern
• 5 Sätze mit je 8 Stadtplättchen
• 5 Sätze mit je 16 Bevölkerungssteinen
• 5 Sätze mit je 6 Aktionsmarkern
• 5 Epochenwürfel, pro Spieler jeweils einer
• 54 Fortschrittskarten
• 5 Spielhilfen
• 1 Startspielermarker

Der Blick aufs Spielmaterial erbringt normalerweise auch den ersten Eindruck eines Spiels, und der war im Falle von „Tempus“ zunächst gar nicht gut. In vielerlei Hinsicht wird hier der Eindruck erweckt, dass man sich bei Gestaltung und Zusammenstellung der Spielmittel nicht sonderlich viele Gedanken gemacht hat. So zum Beispiel sind die Aktions- und Städtekarten der Farben lila, blau und schwarz gar nicht mal so leicht voneinander zu unterscheiden, was besonders zu einem späteren Zeitpunkt zu Unübersichtlichkeiten auf dem Spielplan führen kann und wird. Hinzu kommt, dass man das Material anscheinend nicht mehr auf eventuelle Schönheitsfehler geprüft hat. Ich finde es jedenfalls recht peinlich, dass sich gleich mehrere Rechtschreibfehler ins Kartenmaterial eingeschlichen haben. Auch auf den Spielhilfen sind derartige Fehler zu entdecken. Auf eben jenen taucht zuletzt dann noch ein Feld auf (nämlich „Reichweite“), welches weder erklärt wird, noch dem Spiel einen Sinn geben würde. Man könnte dort einen Aktionsmarker ablegen, aber wozu? Hier scheint auch irgendetwas schiefgelaufen zu sein. Alles in allem also schon recht merkwürdig, mit wie wenig Liebe zum Detail hier gearbeitet wurde!

_Spielziel_

Bei „Tempus“ geht es letztendlich darum, so viele Siegpunkte wie eben möglich zu erzielen. Diese werden jedoch erst zum Ende des Spiels verteilt, so dass man langfristig denken und auch einmal einige zwischenzeitliche Rückschläge in Kauf nehmen muss, um am Ende siegreich zu sein.

Siegpunkte gibt es zum Schluss für jede Landschaft, auf die man einen Bevölkerungsstein gesetzt hat (1 Siegpunkt), für jede Stadt (Siegpunkte entsprechend der Ziffer, die auf der Stadt abgebildet ist) und dafür, dass man in der letzten Runde über die Phase ‚Fortschritt‘ die Entwicklung ‚Luftfahrt‘ erreicht hat (3 Siegpunkte). Wer am Ende die größte Summe an Siegpunkten hat, gewinnt das Spiel.

_Vor dem Spiel – Die Epochentafel_

Der Spielplan von „Tempus“ ist entgegen manch anderem Spielmaterial recht übersichtlich gestaltet und enthält grundlegend alle wichtigen Informationen, die man für seinen jeweils aktuellen Spielzug benötigt. Neben dem eigentlichen Spielfeld, der Landschaft, ist nämlich die Epochentafel abgebildet, die einerseits anzeigt, in welcher Epoche man sich gerade befindet, und andererseits, welche Möglichkeiten dem Spieler in eben dieser Epoche zur Verfügung stehen. Für jede Epoche ist somit abgebildet, wie viele Bevölkerungssteine ein Spieler pro Aktion setzen darf, wie weit er sie bewegen kann, wie viel Nachwuchs (also neue Bevölkerungssteine) er auf eine von ihm besetzte Graslandschaft bewegen kann, wie viele Bevölkerungssteine auf einem Landschaftsfeld erlaubt sind und zudem die Anzahl der Aktionen und Fortschrittskarten, die man durchführen bzw. ziehen kann. Als Letztes ist noch erwähnt, ob man die Seefahrt nutzen darf oder nicht.

_Spielvorbereitungen_

Vor jedem Spiel bekommt jeder Spieler die Städte- und Bevölkerungssteinsätze in seiner Farbe ausgehändigt sowie den Epochenstein, den er links der Epochentafel auf das vorgegebene Feld setzt. Außerdem erhält jeder noch die dazu passenden Aktionsmarker und jeweils eine Spielhilfe.

Abhängig von der Spielerzahl werden nun Spielplanteile aussortiert. Bei drei Spielern sind dies acht, bei vier Spielern zehn und bei fünf Spielern zwölf Spielplananteile. Beginnend mit dem Startspieler (das ist derjenige, der als Letzter einen großen Fortschritt erzielt hat), zieht nun jeder Spieler vom verdeckten Stapel der Landfelder reihum genau einen und legt ihn auf die Landschaft des Spielbretts. Nachdem das erste Landfeld gelegt wurde, muss beachtet werden, dass jedes weitere zumindest mit einer Ecke an ein anderes angrenzt. Sobald dies erledigt ist, muss noch jeder Spieler drei Bevölkerungssteine auf Teile der so entstandenen Landschaft setzen, allerdings müssen diese Steine auf angrenzenden Feldern stehen und eine Einheit bilden. Nun kann das eigentliche Spiel beginnen.

_Der erste Zug_

In der ersten Runde stehen jedem Spieler genau drei Aktionen zur Verfügung. Als Erstes nimmt sich nun der Startspieler den Aktionsmarker mit der Nr. 1 und setzt ihn auf seiner Spielhilfe auf eines der Aktionsfelder. Ihm stehen dabei die Optionen ‚Bewegung‘, ‚Nachwuchs‘, ‚Kampf‘, ‚Fortschritt ziehen‘ und ‚Städtebau‘ zur Verfügung, deren einzelne Bewandtnisse hier kurz erläutert werden sollen:

|1.) Bewegung|

Es gibt drei verschiedene Formen der Bewegung, nämlich die über Land, Binnensee und Meer. Die Landbewegung ist dabei die am häufigsten vorkommende. Je nach Epoche ist auf der Epochentafel erwähnt, wie viele Bevölkerungssteine man nun abhängig von der dort ebenfalls abgebildeten Reichweite ziehen darf. In der ersten Runde darf man einen Stein um genau ein Feld weit ziehen. Hierbei ist zu beachten, dass der Bewegungszug immer auf einem leer stehenden Feld enden muss. Man darf weder in einer Stadt noch auf dem Feld eines Gegners landen.

Die Überquerung eines Binnensees verläuft ähnlich. Binnenseen entstehen zu Beginn beim Auslegen der Landfelder und sind diejenigen Wasserfelder, die komplett von Land um schlossen sind. Einen Binnensee kann man nur dann überqueren, wenn man direkt an dessen Ufer steht. Unabhängig von seiner Größe kostet die Durchfahrt jeweils die komplette Zahl der Bewegungspunkte.

Auf offener See kann man seine Zivilisation erst dann bewegen, wenn die Epoche ‚Seefahrt‘ durchlaufen wurde. Man darf dabei an jedes Feld reisen, das an der offenen Küste dieses Meers liegt. Der Ablauf ist derselbe wie bei der Fahrt über einen Binnensee.

Die Bewegung kann übrigens auch noch verstärkt bzw. ergänzt werden. Wer nämlich die Fortschrittskarte ‚Transport‘ einsetzt, kann eventuell noch größere Bewegungen vornehmen.

|2.) Nachwuchs|

Damit man die eigene Bevölkerung vermehren kann, steht die Option ‚Nachwuchs‘ zur Auswahl. Je nachdem, was die Epochentafel anzeigt, kann man auf jeder eigenen Graslandschaft einen oder zwei neue Bevölkerungssteine als Nachwuchs bekommen, wobei zu beachten ist, wie viele Steine man pro Landschaftsfeld einsetzen darf. Wird das Limit überschritten (zu Beginn sind dies genau zwei Steine pro Feld), ist dieser Zug nicht möglich.

Weiterhin gilt, dass man pro Graslandschaft immer nur einen neuen Bewegungsstein einsetzen darf, auch wenn die Nachwuchsanzeige zwei Steine ermöglicht.
Ist der Vorrat der Bevölkerungssteine aufgebraucht, ist dieser Schritt nicht mehr möglich. Durch den Bau einer Stadt erhält man allerdings wieder Bevölkerungssteine zurück in den Vorrat.

|3.) Kampf|

In der Kampfphase kann der Spieler einen seiner Konkurrenten auf einem benachbarten Feld angreifen. Die Regeln hierfür sind ein wenig komplexer, denn es stehen sowohl beim Angriff als auch bei der Verteidigung eine ganze Reihe verschiedener Strategien zur Auswahl, die selbst eine unterlegen wirkende Zivilisation zum Sieg führen können.

Vor jedem Kampf wird die Kampfstärke ermittelt. Diese setzt sich zusammen aus der Anzahl der jeweiligen Bevölkerungssteine, den eingesetzten Angriffs- und Verteidigungskarten und eventuell eingesetzten Landschaftskarten. Letztere ergeben sich aus den Hintergründen der verschiedenen Fortschrittskarten, auf der alle möglichen Landschaften des Spielplans abgebildet sein können. Ausgehend vom Landschaftstyp des Verteidigers zählt nun jeder damit übereinstimmende Hintergrund einer Fortschrittskarte einen weiteren Punkt.

Der Kampf läuft danach so ab, dass der Angreifer sein Angriffsziel benennt und verdeckt Fortschrittskarten zur Erhöhung der Kampfkraft ablegt. Nun reagiert der Verteidiger, indem er seine Fortschrittskarten, sofern er welche einsetzt, offen ablegt und sie mit den anschließend aufgedeckten Karten des Verteidigers vergleicht. Die höhere Kampfkraft siegt, bei Gleichstand geht der Kampf zugunsten des Verteidigers aus. Im Falle eines Sieges des Angreifers wird die angegriffene Landschaft eingenommen und die darauf befindlichen Bevölkerungssteine werden vom Plan genommen. Im gegensätzlichen Fall verliert der Angreifer lediglich einen Bevölkerungsstein.

Es ist auch möglich, Städte anzugreifen. Beim Bau einer Stadt muss jeder Spieler die Landschaft nennen, mit der er diese Stadt im Fall eines Kampfes verteidigen will. Nun zählt für den Verteidiger die Stärke der Stadt plus die Fortschrittskarten der benannten Landschaft. Für den Angreifer bleibt alles wie gehabt.

|4.) Fortschrittskarten|

In der ersten Spielrunde darf ein Spieler pro Aktion ‚Fortschritt‘ eine Karte ziehen. Diese Zahl steigt bereits in der nächsten Epoche, allerdings ist auch pro Epoche ein bestimmtes Handkartenlimit vorgegeben, so dass man diese Karten auch wieder zügig ausspielen sollte.

Das Ausspielen einer Fortschrittskarte ist im Übrigen keine Aktion; dies kann im eigenen Zug auch zwischendurch geschehen.

Jede Karte hat gleich mehrere Bedeutungen. Ausschlaggebend ist zunächst einmal der Text. Dieser stellt heraus, ob die Karte eine Sonderfunktion hat oder lediglich auf eine Kampfsituation ausgerichtet ist, wie zum Beispiel bei Waffen- und Befestigungskarten. Für genau diese Situation sind schließlich auch die Hintergrundbilder (zusammengesetzt aus den im Spiel vorkommenden Landschaften) interessant und können wie eben beschrieben im Kampf eingesetzt werden

|5.) Städtebau|

In der Aktion Städtebau kann man eine seiner acht Städte auf den Spielplan setzen. Diese Städte haben eine unterschiedliche Wertigkeit zwischen zwei und vier. Entsprechend diesem Wert müssen Bevölkerungssteine auf einem Landschaftsfeld stehen, um sie mit einer Stadt zu ersetzen. Hat man zum Beispiel auf einer Landschaft drei Bevölkerungssteine platziert, kann man nun ein Dreier-Städteplättchen nehmen und es in dieser Aktion dort absetzen. Die Bevölkerungssteine gehen dann zurück in den eigenen Vorrat.

Der Vorteil einer Stadt ist, dass sie am Ende des Spiels auf einem einzigen Feld mehrere Siegpunkte erzielt. Gleichermaßen zählt sie in der anschließenden Fortschrittsphase ebenfalls genau einen Punkt.

Nachdem reihum alle möglichen Aktionen gespielt wurden, kommt es zur Fortschrittsphase. Auf der Epochentafel ist jede einzelne Epoche mit einem speziellen Landschaftsfeld versehen. Um einen Fortschritt zu erzielen, ist es nun nötig, möglichst viele Bevölkerungssteine auf diesem Landschaftstyp platziert zu haben, denn jeder Stein, der auf einem solchen Feld steht, zählt nun einen Punkt. Gleiches gilt für jede Stadt. Am Ende werden nun diese Punkte addiert. Diejenigen Spieler, die hier am besten abschneiden, rücken in die nächste Epoche vor. Für die anderen heißt dies jedoch nicht, dass sie in der jetzigen Epoche stecken bleiben. In der nächsten Spielrunde rücken sie nämlich vor dem Ausspielen des Fortschritts wieder nach und spielen schon um die nächste Epoche mit. Allerdings können sie bis dahin die neuen Vorteile nicht nutzen.

_Spielende_

Nachdem die Spieler die verschiedenen Epochen durchlaufen und sich auf der Landschaft verbreitet haben, gelangen sie irgendwann in die Epoche ‚Luftfahrt‘. Sobald einer oder mehrere Spieler dies geschafft haben, ist das Spiel zu Ende. Nun wird gewertet. Jede Stadt zählt den entsprechenden Wert, jedes besetzte Landschaftsfeld gibt einen weiteren Siegpunkt (unabhängig davon, wie viele Bevölkerungssteine sich darauf befinden), außer es handelt sich dabei um ein Gebirge, und all diejenigen, die es bis zur ‚Luftfahrt‘ geschafft haben, bekommen noch einmal einen Bonus von drei Punkten. Der Spieler mit den meisten Siegpunkten sichert sich den Sieg. Bei Gleichstand wird erst die Menge der Fortschrittskarten auf der Hand, dann die der Städte verglichen. Fällt auch hier keine Entscheidung, teilen sich zwei Spieler den Sieg.

_Meine Meinung_

Nach dem erschreckend schwachen Eindruck des lieblos bearbeiteten Spielmaterials – wobei die tolle Grafik hier außen vor bleibt und sehr gefällig ist – bin ich letztendlich doch noch sehr überrascht vom gehörigen Potenzial, welches dieses Spiel bietet. Das Motto ‚Seid fruchtbar und mehret euch‘ ist in „Tempus“ nämlich gar nicht so leicht umzusetzen, zumal die Eroberung anderer Felder nicht zur Willkür wird und immer eine Aktion voraussetzt. Es ist also nicht möglich, seine Überlegenheit zu zeigen, indem man bestialisch über das Spielfeld wildert und alles zunichte macht, weil einem hierzu die Aktionsmöglichkeiten fehlen.

Spielautor Martin Wallace war beim Erstellen des Spielkonzepts merklich darum bemüht, bis zum Spielende eine permanente Chancengleichheit herzustellen, so dass am Ende derjenige gewinnen wird, der über mehrere Spielzüge gedacht und sich dadurch die beste Strategie ausgedacht hat. Klar verschafft es einem einen Vorteil, wenn man Schritt für Schritt bei der Verteilung des Fortschritts siegreich ist, doch ist all dies noch kein Garant für den Gesamtsieg. Und das finde ich persönlich sehr gut.

Das Einzige, woran es dem Spiel manchmal mangelt, ist die Übersichtlichkeit. Wenn zum Beispiel eine Stadt angegriffen wird, muss man sich wieder zurückerinnern, mit welcher Landschaft die Stadt verteidigt wird. Gerade wenn man schon viele Städte gebaut hat, kann dies manchmal schwierig sein, weil es nirgendwo angezeigt wird und man ggf. verschiedene Städte mit unterschiedlichen Landschaften verteidigt. Auch die Spielhilfen verwirren im oberen Abschnitt (Aktionsfelder) ein wenig, wohingegen sie wenige Spalten tiefer bei der Darstellung der verschiedenen Fortschritte und der dazugehörigen Karten tatsächlich eine echte Hilfe sind.

Was das Spielprinzip indes anbetrifft, ist „Tempus“ wirklich ein tolles Strategiespiel, bei dem das taktische Vorgehen und die langfristige Planung ganz oben anstehen, während sich der Faktor Glück lediglich auf das Nachziehen der Fortschrittskarten beschränkt. Davon abgesehen, muss man sich wirklich bei jeder Aktion doppelt überlegen, oben man sie wirklich durchführen soll, weil die Anzahl begrenzt und jede Handlungsmöglichkeit deshalb sehr wertvoll ist. Ein falscher Schritt oder ein schlecht überlegter Gedanke können einem so schnell zum Verhängnis werden.

Insofern entwickelt sich auch sehr schnell ein gehöriger Spielspaß, der den anfänglichen Ärger über das teils mäßige Spielmaterial im Nu verdrängt. Letztendlich siegt hier nämlich das starke Konzept, das selbst nach mehreren Runden immer wieder neue Möglichkeiten offenbart und „Tempus“ trotz aller Schönheitsfehler bei entsprechendem Preis (das Spiel wurde bereits unter 20 € entdeckt) zu einer echten Empfehlung für Fans strategischer Entwicklungsspiele macht.

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Burkhardt, Günther – Schrecklicht

_Klein und unscheinbar_

Neben den üppig bestückten Spieleneuheiten vom |Kosmos|-Verlag schaffte es in diesem Jahr auch ein eher unscheinbares, kleines Brett-/Kartenspiel in den Vertrieb des renommierten Bestseller-Verlags. „Schrecklicht“ lautet der Titel des ‚Außenseiters‘, der pünktlich zur diesjährigen Messe fertig gestellt und veröffentlicht wurde. Leider aber ist der Inhalt des Spiels genauso unauffällig und nichtssagend wie sein Äußeres: Im Gegensatz zu den vielen ‚Mini-Spielen‘ aus dem Hause |Kosmos| ist „Schrecklicht“ nämlich eher ein Langweiler.

_Spielidee_

Gruselige Lichtgestalten irren umher und streben unbekannten Zielen zu, und jede von ihnen erfüllt eine andere Aufgabe. Runde für Runde gilt es nun, diese Aufgaben zu lösen und dafür Punkte einzufahren. Mit klarem Ziel vor Augen muss nun jeder Spieler mit Hilfe seiner Karten diese Herausforderungen als bester bewältigen, um so die wichtigen Zähler für den Sieg zu kassieren. Während man passende Karten in die eigene Auslage legen darf, kann man mit ungünstigen und schlechten Karten seine Gegner ärgern. Den richtigen Weg zu finden, ist mitunter gar nicht einfach, denn die Aufgaben jeder Spielrunde können vollkommen gegensätzlich sein, und es ist ein Leichtes, sich bei der Suche nach der richtigen Entscheidung zu verstolpern.

_Spielziel_

In genau vier Spielrunden werden mittels der Aufgabenkarten unterschiedliche hohe Punktewerte ausgespielt, die auf einem separaten Blatt notiert werden. Der Spieler, der zum Ende der letzten Runde die meisten Punkte auf seinem Konto gutgeschrieben bekommen hat, ist der Sieger des Spiels.

_Spielmaterial_

• 36 Gruselkarten (jeweils 12 pro Farbe mit den Werten 0-11)
• 12 Aufgabenkarten
• 1 Spielplan
• 3 Spielfiguren

Das Spielmaterial von „Schrecklicht“ ist schlicht, aber dennoch lustig illustriert. Zwar machen die Karten nicht sonderlich viel her, jedoch sind sie recht überschaubar gestaltet und passen sich der generellen Farbgestaltung des Spielbretts ziemlich gut an. Lediglich die Aufgabenkarten wirken etwas lieblos und sind auch hinsichtlich ihres Aufbaus nicht klar strukturiert. Ansonsten: Solides Material, aber nichts Spektakuläres!

_Spielvorbereitung_

Der Spielplan wird auf dem Tisch ausgelegt. Anschließend werden sowohl die 12 Aufgabenkarten als auch die 36 Gruselkarten gut durchgemischt und neben dem Plan bereitgelegt. Die Spielfiguren in den Farben lila, blau und grün (vergleiche die Farben der Gruselkarten) werden auf die Position 0 des Spielfelds gestellt.

Nun werden die obersten drei Aufgabenkarten gezogen und auf die entsprechenden, ebenfalls lila, blau und grün markierten Felder am Spielplan angelegt. Die restlichen Karten werden in den übrigen drei Runden ausgespielt. Jeder Farbe ist nun eine Aufgabe zugeordnet, allerdings klärt sich erst im weiteren Spielverlauf, wie diese Aufgaben gewertet werden.

Nun beginnt die Verteilung der Karten. Vor jedem Spieler wird eine Gruselkarte offen ausgelegt. Der Wert dieser Karte wird mit dem farblich zugehörigen Spielstein nun auf dem Feld weitergesetzt, bis reihum alle Spieler ihre Karten eingesetzt haben. Sollte ein Spielstein dabei das Feld mit der Nr. 15 überschreiten, kommt die hierzu ausgespielte Karte unter den Nachziehstapel und wird mit einer anderen ersetzt. Anschließend bekommt jeder Spieler sechs Gruselkarten auf die Hand, die er nun in den Zügen einer jeden Runde ausspielen muss.

_Der Spielverlauf_

Bevor die erste Runde beginnt, gilt es einige wichtige Voraussetzungen zu beachten. Zunächst einmal muss jeder Spieler, wenn er am Zug ist, eine Karte ausspielen. Dabei kann er sowohl die eigene Auslage erweitern als auch Karten beim Gegner auslegen, um diesem einen Schaden zuzufügen. Weiterhin muss jeder Spieler die Aufgabenkarten der drei verschiedenen Farben beachten und versuchen, diese zu erfüllen. Hier geht es zum Beispiel darum, in einer Farbe die wenigsten Kürbisköpfe in der Auslage zu haben oder aber den höchsten Gesamtkartenwert zu erzielen. Dann ist noch zu berücksichtigen, dass jeder Spieler nur bis zu vier Karten offen vor sich liegen haben kann. Ist indes eine Karte verdeckt worden, zählt diese nicht mit zu dieser Beschränkung. Jedoch darf in jeder Auslage nur eine Karte zugedeckt werden. Und zugedeckt werden darf eine Karte auch nur von einer anderen Karte höheren Wertes.

Nun geht es los: Jedem Spieler stehen drei verschiedene Möglichkeiten zur Auswahl. Entweder legt er eine Gruselkarte offen vor sich aus, oder aber er legt diese offen vor dem Mitspieler aus, oder er deckt eine offen ausliegende Karte zu, beim Gegner oder bei sich selber. Wie immer er sich entscheidet, beeinflusst sein Zug die Spielsteine auf dem Spielplan. Wird eine Karte offen ausgelegt, muss der zugehörige Stein um den Kartenwert nach vorne bewegt werden. Wird eine Karte hingegen zugedeckt, zieht der Stein den entsprechenden Wert zurück.

Nachdem jeder Spieler vier offene Karten in der Auslage hat, wird die Runde beendet, es sei denn, ein Spielstein hat bereits vorher das Feld mit dem Wert ’45‘ (bei drei und vier Spielern) bzw. das mit der ’50‘ (bei fünf Spielern) überschritten. Nun werden die einzelnen Spielsteine gewertet, und zwar danach, welcher Stein am weitesten fortbewegt wurde. Ist beispielsweise der lilafarbene Stein ganz vorne, wird als Erstes auch die lilafarbene Aufgabe gewertet. Der Spieler, der diese am besten erfüllt hat, bekommt fünf Punkte, der zweite drei Punkte und der dritte immerhin noch einen. Dann wird der zweite Spielstein in der Reihe gewertet, allerdings sind davon nur noch die zwei besten Spieler bei der entsprechenden Aufgabe betroffen (der erste bekommt drei, der zweite einen Punkt). Die letzte Wertung indes bringt nur noch einen einzigen Punkt für denjenigen, der sie am besten gelöst hat.

_Spielende_

Nach der Wertung geht es wieder von vorne los; die Steine werden wieder auf das Feld ‚0‘ gesetzt, die Aufgaben erneuert und die Handkarten ausgetauscht. Dies geschieht so lange, bis alle Aufgabenkarten ausgespielt sind, also bis vier Runden vorbei sind. Nach der vierten und letzten Wertung ist das Spiel zu Ende; der Spieler mit den meisten Punkten hat gewonnen!

_Meine Meinung_

Was soll man von diesem Spiel halten? Um es schon einmal vorwegzunehmen: Wirklich überzeugt hat mich „Schrecklicht“ keinesfalls. Das beginnt schon mit der recht komplexen Beschreibung des Spiels, die zwar alle wesentlichen Punkte detailliert ausführt, dabei aber verpasst, die grundlegend wichtigsten Dinge zusammenzufassen. So hat man bereits zu Beginn den Eindruck, „Schrecklicht“ sei vom Aufbau her umfassender, als es tatsächlich ist. Und das sorgt leider auch für Verwirrung.

Die Idee zum Spiel möchte ich dabei gar nicht kritisieren, denn so schlecht ist das, was sich Günther Burkhardt hier ausgedacht hat, gar nicht. Nur hätte man manche Nuancen noch ein ganzes Stück feiner gestalten können. Durch die wenigen möglichen Aufgaben erfährt das Spiel zum Beispiel eine strenge Limitierung, die sicherlich nicht hätte sein müssen. Das Ganze auf die Anzahl von Kürbisköpfen oder den Kartenwert zu beschränken, wird auf die Dauer im Spielen langweilig, zumal auch viel zu viel vom Glück abhängig ist. Zieht man zu Beginn schon ein paar gute Werte, ist das zumeist schon der Schlüssel zum Erfolg, ohne dass ein Gegner einem da noch viel entgegensetzen könnte. Wird meinetwegen der höchste Kartenwert gefragt, kann man zwar noch die eine oder andere Karte von der Konkurrenz kassieren, doch in der Realität ist es meistens so, dass diese erst einmal auf ihre eigene Auslage fokussiert ist und nach dem ersten Zug noch gar nicht durchschauen kann, wer nun ein ernst zu nehmender Gegner ist. Und nach dem zweiten Zug ist es dann manchmal schon so, dass sich ein Spieler mit überlegenen Karten durchgesetzt hat, bevor die Runde zu Ende ist – zumindest zeigt dies die Erfahrung.

In Sachen Spieltiefe ist „Schrecklicht“ auch nicht gerade ein Aushängeschild. Es ist zwar schön, dass man das Spiel (nachdem es einem erklärt wurde) sofort verstehen kann und die Regeln auch kein längeres Nachfragen erfordern, aber damit geht auch einher, dass das Prinzip relativ schnell verbraucht ist und die Langzeitmotivation bereits nach zwei bis drei Partien ebenfalls. Sicherlich ist „Schrecklicht“ auch nicht als abendfüllendes Event konzipiert worden, doch selbst für eine Aufwärmrunde eignet sich das Spiel wegen des unspektakulären, leider auch etwas lieblosen Charakters nur bedingt. Symbolisch hierfür ist unter anderem, dass ein Marker für die Punkte der Spieler nicht enthalten ist und man auf Papier und Bleistift zurückgreifen muss.

Für ein Spiel aus dem renommierten |Kosmos|-Verlag ist „Schrecklicht“ daher auch erschreckend schwach. Das hätte sicher anders sein können, wenn das Ganze etwas besser durchdacht und die Gewichtung von Taktik und Glück besser verteilt wäre. Dem ist aber leider nicht so, weshalb eine Empfehlung auch ganz klar ausbleibt.

http://www.kosmos.de