Archiv der Kategorie: Rezensionen

Redaktionsteam – Multi-Mania 11

Mikis Wesensbitter heißt den Leser auf dem Kreuzfahrtschiff _Multi-Mania 11_ willkommen. Im Namen der Redaktion stellt er dem geneigten Leser in Aussicht, die Untiefen der Medienlandschaft auszuloten. Was in dieser Ausgabe wieder vortrefflich gelingt.

Da verraten nach dem Vorwort wieder einige Redaktionsmitglieder das ein oder andere: was sie mögen, nicht mögen, worauf sie sich freuen … und der Stammleser erfährt somit mit jeder Ausgabe mehr über die „Macher“ der MM; diese erhalten dadurch immer mehr Profil, was ich äußerst gelungen finde.

Olaf Brinkmann schließt sich mit den NEWS in Sachen „Kino&DVD“ an. Danach gibt es u. a. eine KOLUMNE über „Die Fliege“, Klassiker von 1986 mit dem von mir sehr geschätzten Jeff Goldblum.

Die Coverstory befasst sich dieses Mal mit „Warhammer – Mark Of Chaos“, dem Christopher Wulf einen ebenso großen Erfolg in Aussicht stellt wie „Warhammer 40k Dawn Of War“.

In den KINO Reviews geht es u. a. um „Alien Autopsy“, eine SF-Komödie mit Götz Otto, die nicht besonders lustig sein soll und in der zweiten Hälfte mit gähnender Langeweile aufwartet. Björn Helbig befindet auch „Pulse“, das amerikanische Remake des gelobten Mystery-Thrillers „Kairo“ (Regisseur Kiyoshi Kurosawa) als um |Sargeslängen unter dem Durchschnitt|.

Besser schneidet da die DVD des Fantasy-Streifens „Romasanta“ ab, der die Frage „Werwolf oder nicht“ aufwirft. Laut Michael Fangmann hat die Fantastic Factory mit diesem Film, der auf einer Begebenheit aus der Antike beruht, ganze Arbeit geleistet. Ebenso werden – abgesehen vom guten Inhalt – das schöne scharfe Bild der DVD und der klare Ton lobend erwähnt. Auch die Bonus-Abteilung hält wohl einiges für den Käufer bereit – u. a. ein Special über die Entstehung der Filmmusik, Storyboards, entfallene Szenen und die wahre Geschichte des Werwolfs.

Christopher Wulf plaudert über „Dungeons & Dragon 2 – Die Macht der Elemente“ und lobt, dass es endlich jemand geschafft habe, einen Film im Rollenspiel-Universum anzusiedeln, der nicht grottenschlecht ist.

„Saw 2“, nun endlich auch auf DVD veröffentlicht, ist der Nachfolger von „Saw“, der der Überraschungserfolg des vergangenen Kinojahres war. Der Streifen von James Wan spielte 80 Millionen Dollar ein, und zu Halloween lief in den USA bereits „Saw III“ an; die Arbeiten von IV und V sind bereits in vollem Gange. Wenn sie ebenso genial sind wie Teil I und II, kann man gespannt auf das sein, was da noch folgen wird.

Es folgen satte acht(!) Seiten DVD Reviews, leider – wieder einziger Kritikpunkt der MM – so klein gedruckt, dass es keine Freude ist, sie zu lesen, und ich gebe zu, ich gönne es mir und meinen Augen, diese Reviews auszusparen – was bedauerlich ist. Da wäre weniger mehr (aber dann in ordentlicher, herkömmlicher Schriftgröße).

In „FSK 0 – Multimania für Eltern“ gibt die Redaktion Tips womit man die Kleinen erfreuen kann. Sei es DVD, PC-Spiel, Buch oder sonstiges.

Robert Vogel verfasst in SERIEN einen Artikel über Perry Rhodan – das Science-Fiction-Phänomen, das dieses Jahr 45 wurde – der langlebigsten SF-Saga, die nicht aus den USA, sondern aus Deutschland stammt. 1961 starteten K. H. Scheer und Clark Darlton (Werner Ernsting) diese Space-Opera, die nicht nur hierzulande ein Erfolg ist, sondern auch in Brasilien, Frankreich, den Niederlanden und Japan. Die Serie ist in einige Zyklen gegliedert. Der erste Band eines jeden Zyklus bietet dem Leser eine optimale Einstiegsmöglichkeit in das Perryversum.

Anschließend berichtet Robert Vogel anschaulich über den diesjährigen fünftägigen Science-Fiction-Weltkongress in Anaheim, knappe zehn Gehminuten vom Disneyland in Los Angeles entfernt.

Im PREVIEW PC geht es um „Tony Tough 2 – Der Klugscheißer kehrt zurück“ mit wunderschönen Umgebungsgrafiken im Stil der 50er Jahre. Putzig tapst der kleine Tony mit seiner viel zu großen Brille und den ausgeleierten Hosenträgern durch über hundert schmucke Screens, die liebevoll gezeichnet wurden. Weiter geht es mit „Gothic 3“, untermalt mit dem Soundtrack von Kai Rosenkranz; das Spiel hat für Sven Siemens, trotz Einschränkung, einen Suchtfaktor in puncto Rollenspiel.

Weiterhin gibt es in der wieder sehr informativen und abwechslungsreichen Ausgabe die Multimania-Verlosungen, Poster im Innenteil, die NEWS Games von Sven Siemens, das PREVIEW PC über „Magic Knight“, „Undercover“ (Hitlers Bespitzelung) und „Dark Messiah Of Might And Magic“, PREVIEW PS2 „Kingdom Hearts 2“, drei Seiten GAMES Reviews, NEWS Anime & Manga … auch MUSIK-Infos fehlen nicht … und vieles mehr.

Auch FANPRO (Fantasy Productions Verlags- und Medienvertriebsgesellschaft mbH) in Erkrath (in der Nähe von Düsseldorf) wird dem Leser näher gebracht.

Bei den COMICS geht es um „10 Jahre Simpsons“ und die Macher; die LITERATUR wartet mit einem Interview mit Markus Heitz und einigen Buch-Reviews (da wünsche mir künftig noch etwas mehr!) auf.

Bei den ROLLENSPIELEN geht es um „Dreamblade“ (Miniatur-Power mal ohne Pinsel) und „Magic Inc“ – dem ersten offiziellen Harry-Potter-LARP in Deutschland.

Die NEWS Hörspiele informieren wie gewohnt über interessante Produkte wie die DSA-Trilogie „Das Jahr des Greifen“ der Autoren Wolfgang Hohlbein und Bernhard Hennen, das bei „Horchposten“ erschienen ist. Oder die Folgen der fünften Staffel von „Edgar Allan Poe“ (Lübbe Audio: „Phantastische Hörspiele“).
Oliver „Zappo“ Stichweh interviewte Carsten Hermann, den Kopf hinter MARITIM und seit seiner Jugend ein leidenschaftlicher Hörspiel-Fan, dessen Sammlung über 6000 Titel umfasst.
Zwei Seiten HÖRSPIELE Review schließen sich an, u. a. mit Infos zu „Macabros – Der Monstermacher“ von „Hörspiele-Welt“, deren erstes Hörspiel dieser Kultserie von Dan Shocker (die neuaufgelegten Prints erscheinen im |BLITZ|-Verlag) unterm Strich als durchaus hörenswerte Angelegenheit angesehen wird, die gespannt auf die Fortsetzungen macht.

Fazit: Die Multi-Mania ist und bleibt ein höchst informatives Medienmagazin, das ich wärmstens empfehlen kann – wer sich umfassend über alle Medienprodukte informieren will, ist hier immer an der richtigen Adresse. Ein Abo empfiehlt sich da wirklich, damit einem auch keine Ausgabe entgeht, denn Heft No. 12. ist auch schon wieder am 13.12. erschienen.

|MULTI MANIA
Kino/DVD/Games/Hörspiele/Rollenspiele/Anime/Comic
Einzelausgabe: 3,00 €
Abo (6 Hefte): 15,- € (Inland)
Probeabo (3 Hefte): 6,- €
http://www.multi-mania.net/

Chefredakteur:
Sven Siemen
sven@multi-mania.net

Redaktionsleitung / Marketing / Vertrieb:
Mario Vojvoda
anzeigen@multi-mania.net

Abos und Nachbestellungen:
Devil Inc Presseverlag
Richard-Wagner-Str. 64
66111 Saarbrücken
Fax: 0681/3907661

Lektorat: Diana Glöckner

Produktionsleitung:
Jörg Mathieu, Alexander Ertner, Sven Siemen

Redaktionelle Mitarbeiter:
Elina Lydia Müller (ELM), Jens Riediger (JR), Mikis Wesensbitter (MW), Ulf Imwiehe (UI), Daniel Harnoß (DH), Yazid Benfeghul (YB), Simon Dümpelmann (SD), Sebastian Hirschmann (SH), Rouven Dorn (RD), Philipp von dem Knesebeck (PVK), Michael Fangmann (MF), Björn Backes (BB), Michael Hempel (MH), Andreas Peter (AP), David Ivanov (DI), Martin Kreischer (MK), Sven Siemen (SVS), Olaf Brinkmann (OB), Alexander Ertner (AE), Florian „Zosse“ Zastrau (ZOS), Oliver „Zappo“ Stichweh (ZAP), Martin Lips (MAL), Kai-Uwe Sander (KUS), Henri Kramer (HK), Patric Knittel (PK), Ruben Heim (RH), Björn Thorsten Jaschinski (BTJ), Julia Stichweh (JST), Jan Stetter (JS), Jan „Karli“ Schaarschmidt (Karli), Christian Bartsch (CB), Dorothea Gallien (DOG); Diana Glöckner (DG), Daniel Pereé (DP), Dennis Pelzer (DEP), Holger Bals (HB), Christian Hubert (CH), Michael Kulüke (MIK), Dorothea Gallien (DOG)

Design: Gary Langer,
gary@multi-mania.net |

Ciencin, Scott (Autor) / Templsmith, Ben & Salman, Aadi (Zeichner) – Silent Hill 2: Innerlich sterben

_Story_

Troy Abanathy ist einer der bekanntesten und erfolgreichsten Psychiater auf der ganzen Welt. Er ist überzeugt davon, dass es tatsächlich Dämonen und Geister gibt – jedoch nur im Inneren eines jeden Menschen. Derzeit ist Dr. Abanathy mit der jungen Lynn DeAngelis beschäftigt, die sich nach einem Vorfall in der seltsamen Stadt Silent Hill immer noch in einem posttraumatischen Zustand befindet und zudem an paranoider Schizophrenie leidet. Gemeinsam mit seiner Patientin reist der Seelenarzt zurück an den Ort, an dem Lynn in diesen Zustand versetzt wurde. Er hofft, durch gezielte Ursachenforschung endlich zu ihr durchzudringen.

Doch in Silent Hill angekommen, bricht der wahre Horror über die beiden los. Troy macht Bekanntschaft mit einem kleinen Mädchen namens Christabella. Und dieses Mädchen ist grausamer als all das, was Troy im Innersten seiner Patienten je entdeckt hat …

_Meine Meinung_

Bevor ich diese Rezension verfasse, muss ich erst einmal tief durchatmen, denn noch immer packt mich das Grauen, wenn ich an diesen genialen Horror-Comic zurückdenke. Hinter der Geschichte um die unscheinbare und doch so grässliche Christabella und ihre Kontrahentin Lauryn sowie den Psychiater Troy steckt mit Scott Ciencin ein renommierter |New York Times|-Beststellerautor. Zudem basiert die Story auf dem gleichnamigen Videospiel aus der Kult-Schmiede von |Konami|. Und wo wir gerade bei den Namen sind: Verantwortlich für die abstrakten finsteren Zeichnungen ist das Top-Gespann Ben Templesmith & Aadi Salman, die mit ihren Bildern hier eine Atmosphäre kreiert haben, wie sie beklemmender und in diesem Genre eindrucksvoller kaum hätte sein können – ein echter Maßstab!

Die Geschichte beginnt sofort inmitten des schaurigen Szenarios von Silent Hill. In wenigen Strips wird hier das Schicksal von Lynn DeAngelis, einer jungen, lebensfrohen Erwachsenen wiedergegeben, um dann mit einem rasanten Schwenk in die Gegenwart zurückzukehren, wo das arme Mädchen am Rande des totalen Wahnsinn unter heftiger medikamentöser Behandlung und ohne jede Hoffnung auf ein normales Leben von einem Psychiater behandelt wird. Nachdem sie mit den krassesten sedierenden Medikamenten in einen dauerhaften Trance-Zustand versetzt wurde, soll sie durch eine gezielte Konfrontation mit dem Auslöser ihres seelischen Leidens wieder langsam zu sich kommen. Doch der Plan schlägt bereits mit dem Eintreffen in Silent Hill fehl. Abernathy wird von Visionen seiner verstorbenen Ehefrau und deren ersten, von Troy selbst ermordeten Mannes geplagt und von ihnen durch das Labyrinth-ähnliche Gemäuer der Stadt verfolgt. Gleichzeitig erwacht Lynn langsam aus ihrer Sedierung und erinnert sich auch sofort wieder an die Dämonen, die ihr hier einst den Lebenswillen genommen haben. Abernathy scheint chancenlos, doch unbewusst bleibt ihm noch eine Hoffnung.

Derweil hat nämlich in einem abgeschiedenen Raum eine Gruppe rebellierender, junger Erwachsener ein Video gefunden, in dem die Folterung Lynns dargestellt wird. Wie sich später herausstellt, hat man dieses einst aufgenommen und der zu Tode geschockten Lynn untergeschoben, damit es über sie an die Öffentlichkeit gelangt. Tatsächlich wurde es aber noch im Krankenhaus gestohlen und erst nun gesehen. Doch während die Chaoten das Video anschauen, realisieren sie, dass sich seit dem letzten Ansehen einiges verändert hat. Die Welt aus dem Video von Silent Hill scheint sich stets der Realität anzupassen. Das macht die Anführerin der Truppe, die intelligente Lauryn, neugierig. Sie motiviert ihre Freunde dazu, sie nach Silent Hill zu begleiten, um dort ein wenig Action zu erleben. Die soll die Truppe auch bekommen. Kurze Zeit später befinden sich alle in Lebensgefahr, denn ebenso wie einst Lynn und den Doktor, werden nun auch sie den grausamen Monstern der kleinen Christabella vorgesetzt. Erst ein düsteres Geheimnis gewährt ihnen die letzte Hoffnung, lebend aus Silent Hill zu entkommen.

Die Art und Weise, wie die Geschichte aufgebaut ist, darf man definitiv als phänomenal bezeichnen. Man fühlt sich permanent selber als Mittelpunkt der Handlung und fühlt mit den Charakteren, obwohl es sich ja eigentlich ’nur‘ um einen Comic handelt. Doch durch die sehr schönen, albtraumhaften Illustrationen und die raschen, genau passenden Szenenwechsel bekommt man irgendwann tatsächlich den Eindruck, man gehöre zu Lauryns merkwürdiger Truppe mit dazu. So etwas habe ich bei einem Comic bislang noch nie erlebt.

Doch auch was den Inhalt selber betrifft, ist „Silent Hill: Innerlich sterben“ ein absolut fantastisches Event, vergleichbar mit cineastischen Meisterstücken wie „The Ring“ oder „The Grudge“, allerdings mit etwas mehr Gewicht auf klassischem Horror und brutalen Effekten. Salman und Templesmith ersparen dem Leser allerdings den puren Blutrausch; unterschwellig wird zwar stets (und insgesamt irgendwie noch heftiger) angedeutet, welche Szenen sich zwischen den Monstern und den Hauptfiguren abspielen, doch durch die geschickte Verzerrung der Verletzungen wird hier einer sinnentleerten Übertreibung an den entsprechenden Stellen vorgebeugt. Dennoch sind manche Zeichnungen schockierend und sicherlich nichts für schwache Nerven. Abernathys Frau, wie sie mit blutüberströmter Krankenschwester-Montur und aufgeschnittener Kehle urplötzlich auf einem Bett sitzt oder auch die undurchdringliche, abstoßende Christabella gehen einem nachhaltig unter die Haut. So unschuldig auf der einen Seite, so erschreckend und brutal auf der anderen – das ist der Stoff, wegen dem man nachts nicht ruhig schlafen kann: super inszeniert und darüber hinaus beängstigend authentisch entworfen. Hier gebührt den Zeichnern wirklich ein dickes Lob.

Der Autor steht ihnen jedoch in nichts nach. Ciencins Story ist ein Meisterstück der modernen Comic-Literatur und nicht nur ein spitzenmäßiges Äquivalent zum bekannten Videospiel, sondern auch eine der besten Graphic-Novels, die meines Erachtens je den Markt bevölkert haben – und das sind ja nicht gerade wenige. Ich appelliere zwar an all diejenigen, die mit solch schwer verdaulicher Kost ihre Schwierigkeiten haben und mitunter schlaflose Nächte verbringen, sich den Kauf dieses graphisch verfeinerten Romans zweimal zu überlegen, komme aber nicht von meinem Fazit ab, dass man „Silent Hill: Innerlich sterben“ gelesen haben muss, um im auslaufenden Comic-Jahr mitreden zu können. Mit einem Wort: Genial!

Band 3 erscheint bereits im Januar 2007.

http://www.paninicomics.de

Massaron, Stefano – toten Kinder, Die

Wenn man mich fragt, welches zu rezensierende Buch ich in diesem Jahr am liebsten gelesen habe, dann gibt es nur eine Antwort: „Die toten Kinder“ von Stefano Massaron.

Wie? Nie davon gehört? Das sollte sich aber schnell ändern …

Schauplatz des Romans ist Mailand im Sommer 1977, genauer gesagt die Arbeitersiedlung der „Bienenstöcke“, wie die alten Hochhäuser überall genannt werden. In den Bienenstöcken wohnt auch eine Bande von Kindern zwischen neun und zwölf Jahren, deren Lieblingsspielort ein alter Schrottplatz ist. In dem Koloss aus Eisen, welcher den Hauptteil des Schrottplatzes ausmacht, haben sie ihre kleine Höhle. Doch ihr Frieden wird bedroht, als ein kleines Mädchen geschändet und erschlagen auf dem Schrottplatz gefunden wird. Für Carmine, den Anführer der Bienenstockbande, ist der Täter sofort klar. Der Sabberer, ein harmloser Geisteskranker, soll die kleine Magherita vergewaltigt und ermordet haben. Doch Carmine irrt, denn wenig später wird seine eigene Schwester entführt. Ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt …

Allerdings steht nicht Carmine im Vordergrund, so wie das vielleicht in der Beschreibung anmuten mag. Vielmehr ist es Sandro, aus dessen Sicht – sowohl 1977 als auch 2003 – erzählt wird, und es ist Cinzia. Sandro ist in Cinzia, die kratzbürstige Streberin, die Carmine offen die Stirn bietet, verliebt, was ihn gleichzeitig von den anderen isoliert. Im Jahr 2003 sehen die beiden sich endlich wieder – nachdem die Vergangenheit die beiden eingeholt. Sandro kommt damit nicht zurecht und verspürt den Drang, nicht nur zu rekapitulieren, sondern die Angelegenheit auch zu klären.

Neben diesen beiden Perspektiven erzählt Massaron aber auch subtil und meisterhaft aus der Sicht des Täters. Selbiger ist dem Leser von Anfang an bekannt und trotzdem schafft Massaron es, innerhalb der Handlung Spannung aufzubauen. Schon alleine die Frage, ob die Bienenstockbande Carmines Schwester retten kann, sorgt dafür, dass man das Buch nicht mehr aus der Hand legen will.

Schuld daran ist auch der phänomenale Schreibstil des Italieners, der weit über das hinausgeht, was man bei seinen Kollegen sieht. Er macht die Worte und die Schrift geradezu zu seinen Sklaven. So kommt es, dass er zum Beispiel die Gedanken des pädophilen Täters wiedergibt, aber neben den „normalen“ Gedanken in Klammern auch noch die böse innere Stimme sprechen lässt. Ähnlich verfährt er mit den Erinnerungen, die Sandro lieber unterdrücken möchte.

Durch derartige Geschicklichkeiten, aber auch durch die raffinierten Perspektiven- und Zeitsprünge, die immer wieder für Brüche im Erzählfluss sorgen, gelingt es Massaron, ein überaus lebendiges Bild der Geschichte zu gestalten. Lebendig und spannend, denn die düstere Spannung ist allgegenwärtig, so wie das drohende Streichergewitter im Hintergrund eines guten Thrillers.

Doch Massaron macht sich nicht nur die Schriftform völlig zu Eigen und reichert es zudem mit Mails, Worddokumenten und Bautafeln an. Er verfügt auch über entsprechende rhetorische Mittel. Metaphern, grandiose Erinnerungen aus den Köpfen von Kindern, dazu Stilmittel wie Wiederholungen und Metaphern.

Was ebenfalls Beachtung verdient hat, ist Massarons Umgang mit seinen Protagonisten, allesamt im besten Alter, nämlich der Pubertät. Er schafft es, sie perfekt darzustellen, nämlich als Mittelwesen zwischen Kindheit und Jugend. Der Einfluss der Eltern ist noch unübersehbar, jedoch werden die Gleichaltrigen, vor allem die der eigenen Bande immer wichtiger, genau wie das andere Geschlecht.

Massaron schafft also das, woran viele Autoren schon verzweifeln, wenn sie nur eines der vielen Elemente, die der Italiener verwendet, zu einem Roman verarbeiten wollen. Kindheitserinnerungen, Pubertierende als Charaktere, ein Pädophiler, eine Thrillerhandlung und ein Schreibstil für die Götter. Was will man mehr? Hier ist alles in einem wunderbaren Buch versammelt, das man einfach lieben muss. Hier gewinnt das Wort „Kunst“ wieder an Bedeutung!

http://www.rowohlt.de

Kristan, Georg R. – Jagdhaus in der Eifel, Das

_Spionage oder Orgien? Ein Kommissar im politischen Sumpf_

In der Vulkaneifel ist der Hörbuchverlag |Technisat Digital Division Radioropa Hörbuch| ansässig. Der Dauner Hörbuch-Verlag vertonte eine Vielzahl von Eifelkrimis, unter anderem „Requiem für einen Henker“ von Jacques Berndorf und ebenfalls den erfolgreichen Eifelroman „Auszeit“ der Kölnerin Carola Clasen.

Weniger bekannt ist der Schriftsteller Georg R. Kristan, dessen Krimi „Das Jagdhaus in der Eifel“ mittlerweile ebenfalls vertont wurde und von dem Schauspieler und Hörbuchsprecher Johannes Gabriel vorgelesen wird.

In einem Bonner Ministerium verschwindet eine Sekretärin. Ausgerechnet sie besaß den Schlüssel zu einem Panzerschrank, der komplett geleert wurde. Schnell vermuten die Behörden einen Spionagefall, und bei der Suche nach einem „Sündenbock“ wird der Leiter der Abteilung beurlaubt und suspendiert. Doch schon bald entdeckt der Eifeler Kommissar Freiberg eine neue Spur, die in ein Jagdhaus in der Eifel führt. Erste Ermittlungen ergeben, dass dort wilde Partys und Orgien stattfanden, denen auch die verschwundene Sekretärin beiwohnte.

Der Roman von Georg R. Kristan ist kurzweilig und von Lokalkolorit gefüllt. Der Eifeler wird das Flair seiner Region erkennen und schätzen, wie Kristan den Landstrich beschreibt. Spannung pur erwartet den Zuhörer, auch wenn der Autor auf spektakuläre „Action“ verzichtet. Gelungen erscheint auch, dass der Verlag Johannes Gabriel als Vorleser engagierte. Mit prägnanter Stimme und guter Modulation weiß er die Kriminalgeschichte in ein perfektes Licht zu setzen.

Das Hörbuch hat eine Laufzeit von knapp acht Stunden, verbunden mit dem günstigen Preis von 8,90 Euro. Zudem geht der |Radioropa| den innovativen Weg, dem Hörbuch eine komprimierte CD im zunehmend beliebten mp3-Format beizufügen.

http://www.hoerbuchnetz.de/

Busiek, Kurt (Autor) / Nord, Cary (Zeichner) – Conan 2 – Der Gott in der Kugel und andere Geschichten

Band 1: [„Conan – Die Tochter des Frostriesen und andere Geschichten“ 2840

_Story_

Nachdem sich Conan von seinen jüngsten Abenteuern reichlich erholt hat, reist er in die nemedische Stadt Numalia, um dort neue Aufträge zu ergattern. Nach einer weiteren Demonstration seiner Kraft wird er für einen Diebstahl angeheuert. Jedoch wird Conan beim Einstieg in die Gemächer des reichen Händlers Kallian Publico überrascht. Die Leiche seines Opfers liegt schon bei seiner Ankunft im Flur seines prächtigen Hauses, und weil außer dem Cimmerier niemand anders vor Ort ist, halten die sofort herbeigeeilten Wachen ihn für den Mörder.

Nach langer Diskussion und einer weiteren Kostprobe seiner Kampfkraft verschwindet Conan aus Numalia und schließt sich dem Ibis-Priester Kalanthes an. Noch geprägt von dem dämonischen Bild, das sich ihm in Kallians Gemäuern eröffnete, verspricht er dem Geistlichen, einen magischen Zauberstein zu beschaffen und ihn anschließend zu vernichten. Doch sein Gegenspieler Thoth-Amon, der Priester des Schlangengottes Set, versucht dies zu verhindern. Immer neue Auswüchse des bösartigen Dämons stellen sich Conan, Kalanthes und deren Gefolge in den Weg und verwunden ihre Männer. Erst als Conan ein weiteres Mal kurz vor dem Tod steht, realisiert er, in welch übermächtigen Streit er hineingeraten ist.

_Meine Meinung_

Nach dem überragenden Wiedereinstieg Conans in die deutschsprachige Comic-Szene gelang |Panini| unlängst der große Wurf und mitunter eines der besten Projekte im gerade auslaufenden Jahr. Die Geschichte um den cimmerischen Barbaren und die Tochter des Frostriesen war zugleich aber auch ein enorm hoher Maßstab, an dem sich nun die nachfolgenden „Conan“-Bände die Zähne ausbeißen dürfen, und im direkten Vergleich hat bereits die zweite Folge dieser neuen Serie genau dies zu spüren bekommen.

Gleich vorweg: Auch „Der Gott in der Kugel …“ ist ein sehr ansprechender, zeichnerisch nahezu perfekter und auch inhaltlich sehr guter Comic-Roman, kann aber nicht ganz mit dem Debüt mithalten. Entscheidend hierfür ist eine kurze langatmige Phase zum Ende der ersten Hauptgeschichte, die sich vermehrt aus Diskussionen zwischen Conan und seinen Kontrahenten zusammensetzt, nicht aber aus der erwarteten und erhofften Action. Nun mag man sicherlich Argumente bemühen, wie das der gezielten Weiterentwicklung dient, doch diese ist im aktuellen Fall nicht dringend gegeben und rütteln kurzzeitig sogar an Conans Glaubwürdigkeit als unbarmherziger Krieger, die jedoch sofort wieder hergestellt wird, als er sämtlichem Reden und Diskutieren ein Ende macht und weiter seines Weges geht.

Hinsichtlich des Potenzials sind die neuen, zusammenhängenden Erzählungen indes auf einem vergleichbaren Level, am Anfang sogar fast noch höher anzusiedeln. Conan reist ohne jegliche Bestimmung nach Numeria, ohne zu wissen, was ihn dort erwarten wird. Seine Anwesenheit bleibt natürlich auch nicht lange verborgen, denn dort, wo Conan auftritt, hinterlässt er einen bleibenden Eindruck. Schnell erkennt ihn der Boss einer Gaunerbande als wertvolle Waffe und setzt sie gegen gute Bezahlung auch für den Raub eines gefürchteten Gegenstands ein. Doch Conan kann den Auftrag nicht problemlos durchführen und muss sich mit ungeplanten Ablenkungen beschäftigen.

Genau dieser Part der Geschichte wird leider etwas zu breit dargestellt. Als Conan-Fan wünscht man sich, dass der Barbar hier kurzen Prozess macht und sich nicht auf irgendwelche Verhandlungen einlässt. Schließlich hat der Mann oft genug bewiesen, dass er selbst gänzlich ausweglosen Situationen gewachsen war – warum also nicht hier?

Nun, im Nachhinein stört diese kleine Missstimmigkeit dann aber nicht mehr. Conan heuert bei Kalanthes, einem merkwürdigen Ibis-Priester, an und begibt sich mit ihm auf eine noch merkwürdigere Reise. Ohne genau zu hinterfragen, wer hinter seinem neuen Anführer steht, folgt Conan dem Priester und muss sich mit einem Mal Gegnern und Gefahren aussetzen, die er sich in solchem Ausmaß nie hätte erträumen können. Ein furchtbarer Dämon stellt sich der Truppe immer wieder in den Weg und setzt Waffen ein, die grausamer sind als die Mittel, die Conans herkömmlichen Kontrahenten zur Verfügung standen – Waffen, für die auch der Cimmerier kein Gegenmittel zu haben scheint.

Wie bereits angedeutet: Die Erzählung ist echt klasse, die vielen Ideen sind es auch und im Grunde genommen hakt das Ganze nur an der einen genannten Stelle. Dass die ganz große Euphorie indes ausbleibt, liegt vorrangig daran, dass man nach der Begeisterung für den ersten Band schon in etwa darauf gefasst war, ein weiteres Meisterwerk zu bekommen. Dies ist „Conan – Der Gott in der Kugel und weitere Geschichten“ im Grunde genommen auch geworden, nur eben ist der Überraschungseffekt des Vorläufers hier nicht mehr gegeben, wovon der Lesespaß aber natürlich nicht betroffen ist.

Kurz gefasst: „Conan“-Anhänger bekommen genau das, was sie nach dem spitzenmäßigen Einstieg in die Serie erwarten durften: ausreichend Action, einen starken Plot, viele neue tragende Figuren (Conan übernimmt schließlich nicht mehr die einzige Hauptrolle) und tolle Zeichnungen, die den epischen Rahmen des Abenteuers wortwörtlich untermalen. Keine Frage also, ob man diesen Roman haben sollte oder nicht: Man muss!

http://www.paninicomics.de

Jacobs, A. J. – Britannica & ich

In der Mitte seiner Dreißiger zieht Arnold Jacobs, recht erfolgreicher Redakteur bei einer Zeitschrift für Popkultur, glücklich verheiratet und auf Nachwuchs hoffend, Bilanz. Er kommt zu dem erschreckenden Ergebnis, dass er sich zumindest intellektuell bereits auf dem absteigenden Ast befindet. Ein heroisches Projekt soll ihm die geistige Überlegenheit zurückbringen, die er, der einstige Philosophie-Student, seit jeher für sich gepachtet zu haben glaubt: Jacobs will sich durch die 32 Bände der „Encyclopaedia Britannica“ arbeiten. Dieses Lexikon gilt als qualitätvollste Sammlung der Erkenntnisse, die sich der Mensch bis heute aneignen konnte. Auf 33.000 eng bedruckten Seiten wird es in 65.000 Artikeln präsentiert – ein Opus manifestierten Wissens, das 44 Millionen Wörter umfasst.

Anderthalb Jahre dauert es, bis Jacobs sein Lektürepensum hinter sich gebracht hat. Was ihm bei seiner Expedition durch die „Encyclopaedia Britannica“ besonders in die Augen sticht, gibt er an uns, seine Leser, weiter. Dabei zitiert er nicht, sondern gibt das Erlernte in eigenen Worten wieder. Jacobs liest aber nicht nur, sondern hält darüber hinaus fest, was er erlebt, wenn er sein Lager verlässt. Er verbirgt sich nicht im stillen Kämmerlein, sondern informiert die Menschen in seiner Umgebung über seinen Plan, provoziert sie regelrecht damit und registriert deren Reaktionen, die vom fassungslosen Staunen bis zum kaum verhohlenen Stirntippen mit dem Zeigefinger reichen. Begeisterung oder offenen Zuspruch findet Jacobs nirgendwo. Selbst diejenigen, die seine Beweggründe nachvollziehen können, warnen ihn: Intelligenz und Wissen seien nicht identisch. Beide sind zwar auf einer bisher nicht wirklich erfassten Ebene miteinander verzahnt, doch sie müssen nicht zwangsläufig zusammenwirken.

Jacobs lässt sich nicht einschüchtern. Er geht seinen Weg, erlebt die Freuden, die das Lernen bringen und aus dem sich eine regelrechte Sucht entwickeln kann, ebenso intensiv wie die (genussvoll) ausgemalten Schattenseiten: die Einsamkeit des Studierens, die Langeweile angesichts wüstentrockener Themen, die Frustration im Angesicht der schieren Informationsmassen, die zudem einfach nicht im Gedächtnis haften bleiben wollen.

Die „Britannica“ wird ein fester Bestandteil von Jacobs‘ Alltag. Er integriert sie nicht nur, sie beginnt sogar sein Leben zu bestimmen. Jacobs bemerkt tatsächlich ein Zunehmen seines Wissen. Vor allem wächst sein Selbstvertrauen. Schließlich geht es sogar das Wagnis ein, sich zur US-Version von „Wer wird Millionär?“ anzumelden. Der Weg auf den „heißen Stuhl“ vor den TV-Kameras gestaltet sich komplizierter als gedacht. Als die damit verbundenen Hürden endlich aus dem Weg geräumt ist, muss Jacobs eine unerfreuliche Entdeckung machen: Sein mit Wissen vollgestopftes Hirn verweigert ihm den Dienst. Er versagt schmählich und muss sich letztlich doch der Frage stellen, welcher Sinn hinter seinem „Britannica“-Marathon steckt.

Freilich ist diese Frage wohl eher rhetorisch gemeint. Hat Jacobs wirklich gedacht, die Lektüre der „EB“ würde ihn zum „Know-It-All“ und „klügsten Menschen der Welt“ machen? (So lauten der Originaltitel bzw. der deutsche Untertitel.) Sicherlich nicht, denn auch ihm wird klar gewesen sein, welche Kreatur einer solchen Tortur viel besser als jeder Mensch gewachsen wäre: ein Papagei mit Festplatte im Hirn.

Vor der schieren Wucht der „EB“-Informationen – die letztlich auch nur eine Auswahl dessen umfassen, was der Mensch insgesamt an Erkenntnissen gewonnen hat – muss das Menschenhirn kapitulieren. Es ist auch nicht seine Aufgabe, als reiner Wissensspeicher zu funktionieren. Wie Autor Jacobs schmerzlich erfahren muss, lässt es sich auch nicht darauf trimmen, Informationen auf Abruf bereitzuhalten. Das Gehirn ist ein Organ, das mit dem „Mut zur Lücke“ vorzüglich seinen Dienst leistet. Diese Lücken lassen sich in Zahl und Breite vermindern, aber niemals gänzlich und auf Dauer füllen.

Doch diese Argumentation weist in eine Richtung, die uns weit fort führt von dem, was „Britannica & ich“ eigentlich vermitteln soll. Jacobs hat kein Sachbuch geschrieben – eine zunächst verblüffende Tatsache, weil das umfangreichste Lexikon der Welt thematisiert wird, aus dem der Autor ausgiebig zitiert. Halt, schon das ist so nicht richtig: Jacobs paraphrasiert wie schon gesagt, was er in der „EB“ gelesen hat, d. h. er gibt es mit eigenen Worten wieder. In einem weiteren Schritt kommentiert er die ausgesuchten Artikel. Paraphrase und Kommentar sind nicht in sachlichem Ton gehalten, sondern werden in humorvoller Weise dargestellt. Das kann recht komisch sein, muss aber und ist es leider oft auch nicht („Gymnasium: Die wörtliche Übersetzung aus dem Griechischen lautet ‚Anstalt für Leibesübungen mit nacktem Körper‘. Weshalb es sich umso dringender empfiehlt, den Hometrainer vor Gebrauch gründlich abzuwischen.“ – S. 140). Jacobs benutzt die „EB“ im Grunde nur als Steinbruch. Hier findet er das Material, aus dem er sein eigentliches Produkt herstellt: die geistvoll-witzige Plauderei über eine Tätigkeit, welche bei nüchterner Betrachtung ebenso „nützlich“ ist wie der Versuch, möglichst viele Studenten in einen |VW Käfer| zu stopfen.

Es brauchte kein „Experiment“, um wie Jacobs zu dem Ergebnis zu kommen, dass die Lektüre der „EB“ dich nicht klüger macht. Doch sein Unternehmen verschaffte ihm, was er dringender suchte: das Thema für ein Buch, mit dem sich Aufmerksamkeit erregen ließ. Jacobs schreibt u. a. Kolumnen, in denen er sich über die Absurditäten einer zunehmend trivialisierten Welt auslässt. Er ist also sein Job, witzig zu sein. Hier übt er ihn eben in Buchform aus.

Dabei wird auch das verfasserliche Privatleben einbezogen. A. J. Jacobs ist anscheinend ein Mensch, dem ständig seltsame und komische Dinge zustoßen. Auch hier greift das Stilmittel der Überspitzung, denn seltsam und komisch sind die geschilderten Ereignisse primär, weil Jacobs sie als geschickter Humorist dazu macht. Zwar fließen durchaus ernsthafte Erfahrungen ein. Jacobs‘ Verhältnis zu seinem Vater wird offenbar von einem lebenslangen Minderwertigkeitskomplex geprägt. Der Senior, ein berühmter Jurist, ist tatsächlich ein kluger Mann, der das auch im Alltag lebt und zumindest in der juristischen Welt tiefe Fußstapfen hinterlassen hat. Intellektuell ist ihm der Junior nicht gewachsen. „Britannica & ich“ stellt auch Jacobs‘ Versuch dar, mit sich und dem Vater ins Reine zu kommen. Der US-amerikanische und damit zwangsneurotisch optimistische Grundtenor dieses Buch lässt dies selbstverständlich mit einem Happy-End enden.

Das gilt auch für das zweite Problemchen, mit dem Jacobs die „Rahmenhandlung“ von „Britannica & ich“ unterfüttert. Ausführlich schildert er, wie er und seine Gattin Julie erfolglos ein Kind in die Welt zu setzen versuchen. Weil er immer wieder darauf zurückkommt, muss ihn das während seiner „EB“-Lektüre wirklich beschäftigt haben. (Ob das auf seine Leser ebenfalls zutrifft, fragt er sich leider nicht.) Doch umgehend werden wieder Witzchen gerissen, auf dass bloß kein Trübsinn aufkommt. Dies würde auch gar nicht zur Story passen, in der Jacobs seiner Julie eine fixe Rolle zugewiesen hat: Während er den halbwegs lebensuntauglichen Luftikus mimt, gibt sie die kluge, geduldige, ironisch kommentierende Frau an seiner Seite, die ihn immer wieder auf den Boden der Tatsachen zurückholt. Kein Wunder, dass sich Julie sowie die zahlreichen weiteren Mitglieder des Jacobs-Clans, die immer wieder Erwähnung finden, nicht gegen ihren „Auftritt“ in „Britannica & ich“ sträubten – sie haben mit den realen Personen sicherlich wenig gemeinsam.

Nein, „Britannica & ich“ ist – ich habe es nun schon mehrfach angesprochen – nichts als ein mehr als 400-seitiger Spaß. Als solcher funktioniert er, denn Jacobs beherrscht den unverbindlichen Plauderton, der unabhängig vom gewählten Thema unterhält. Man liest dieses Buch einfach gern, amüsiert sich oft und sieht gnädig über die nicht gerade zahlenarmen humoristischen Rohrkrepierer hinweg (oder schiebt sie auf die – insgesamt freilich gelungene – Übersetzung; auf S. 180 lese ich allerdings „Du weißt wohl doch nicht alles, was, Cliff Calvin“? Richtig muss es „Cliff Clavin“ heißen, und dies ist der ewig besserwisserische Postbote aus dem US-Sitcom-Klassiker „Cheers“). Und sobald das (in seiner deutschen Ausgabe „Britannica“-würdig mit Goldschnitt geschmückte) Buch zugeschlagen ist, ergeht es einem wie dem Verfasser mit der „EB“: Was man gelesen hat, ist schon wieder aus dem Gedächtnis entwichen – das untrügliche Zeichen dafür, dass es wohl nicht so wichtig war …

Arnold Stephen Jacobs, jr., wurde am 20. März 1968 in New York geboren. Er studierte an der Brown-Universität Philosophie. Nach seinem Abschluss arbeitete er für diverse Zeitschriften und schrieb u. a. eine Kolumne für „Entertainment Weekly“, in welcher er sich über Phänomene der modernen Popkultur ausließ. Zurzeit ist er leitender Redakteur beim „Esquire“. Mit seiner Gattin Julie Schoenberg und seinem Sohn Jasper lebt Jacobs weiterhin in New York. Über sein Werk informiert (inklusive Blog) die Website http://www.ajjacobs.com. Dort erfahren wir u. a. von seinem aktuellen Projekt: Für ein geplantes Buch mit dem Titel „A Year of Living Biblically“ will Jacobs ein Jahr streng nach den Vorschriften der Bibel leben – im 21. Jahrhundert wird sich dabei sicherlich ebenso viel Stoff für ein Buch finden lassen wie für „Britannica & ich“ …

http://www.ullsteinbuchverlage.de/listhc/

Hornby, Nick – A Long Way Down

Nick Hornby, der Autor mit Vorliebe für Listen und gute Musik, hat mit „A Long Way Down“ den literarischen Soundtrack für Silvester geschrieben.

Vier Menschen treffen sich an Silvester auf dem Dach des Topper’s House, das dank seiner Höhe ein beliebter Ort für Selbstmorde ist. Die vier sind fest entschlossen, sich umzubringen. Martin, ein bekannter Fernsehmoderator aus dem Frühstücksfernsehen, hat sein Leben in den Sand gesetzt, nachdem er mit einer Minderjährigen geschlafen hat und deshalb ins Gefängnis musste. Seine Frau hat ihn verlassen, mit seiner Freundin funktioniert es nicht so, wie es sollte, und seine Karriere findet momentan beim heruntergekommensten Kabelsender Englands statt. Maureen ist das klassische Hausfrauenmauerblümchen und hat aus ihrem Leben nichts gemacht – konnte nicht, denn die Sorge um ihren schwerbehinderten Sohn Matty, den sie ganz alleine pflegt, hat sie ans Haus gefesselt. Die siebzehnjährige Jess dagegen hat andere Probleme. Seit ihr Freund Chas sich aus dem Staub gemacht hat, wird sie ihres Lebens nicht mehr glücklich. Nicht, dass sie das vorher jemals war, seit ihre Schwester Jen vor Jahren einfach verschwunden ist und sie in ihrem versnobten Elternhaus, immerhin ist ihr Vater der Erziehungsminister, alleine gelassen hat. Jess widmet sich in ihrer Freizeit neben dem Versuch, Chas zu finden und ihn zu verprügeln, vor allem Drogen, Alkohol und ihrer aggressiven und direkten Art, mit der sie Leute gerne vor den Kopf stößt.
Der vierte im Bunde ist JJ, ein gescheiterter Rockmusiker, der wegen eines Mädchens von Amerika nach England gezogen ist. Nun ist nicht nur seine Band kaputt, sondern auch seine Beziehung und er weiß nicht so recht, wie er nun weitermachen soll. Für immer Pizza ausfahren? Oder dann doch lieber vom Dach springen?

Nun treffen sich unsere vier Helden in besagter Nacht auf diesem Dach, und anstatt zu springen, essen sie die Pizza, die JJ eigentlich hätte ausfahren sollen, und reden. Sie erzählen sich ihre Probleme, und als Jess zu Chas kommt, beschließen sie, den Jungen zu suchen und ihn zu einer Aussprache mit Jess zu zwingen.

Was harmlos anfängt, endet nicht nur damit, dass sie in allen Zeitungen sind dank Martins Bekanntheitsgrad und Jess‘ Vater, sondern auch beschließen, den Selbstmord bis zum Valentinstag hinauszuzögern und sich währenddessen regelmäßig zu treffen. Allmählich entsteht so etwas wie eine Freundschaft zwischen den vier unterschiedlichen Persönlichkeiten und am Ende kommt sowieso alles anders …

Dieses Buch ist durch und durch ein Hornby. Schräge Gestalten, die doch irgendwie normal sind, und ein tiefgründiger, humorvoller Schreibstil. Eine Handlung, die nicht wirklich eine ist, und trotzdem kann man das Buch nicht zur Seite legen.

Der englische Kultautor hat es geschafft, vier abwechselnd aus der Ich-Perspektive berichtende Charaktere zu schaffen, die sich voneinander unterscheiden und authentisch wirken. Gerade Ersteres kann sehr schwierig sein, da vier Perspektiven verhältnismäßig viele sind und es aufgrund der sparsamen Handlung notwendig ist, jeden Charakter bis in die Haarspitzen zu durchdenken und das Durchdachte wiederzugeben. Hornby umschifft diese gefährlichen Klippen vorbildlich, indem er aus dem Vollen schöpft. Verschiedene Altersgruppen, verschiedene Einkommensschichten, Lebensläufe – nur eines haben sie gemeinsam: Sie sind verzweifelt und kommen in ihrem Leben nicht mehr weiter.

Das wird unglaublich anschaulich in den einzelnen Perspektiven beschrieben, wobei wir hier natürlich auf den typischen Hornbyschreibstil stoßen, in dem sich jeder, der schon mal etwas von diesem Autor gelesen hat, sofort zuhause fühlt. Spritzig, sehr persönlich und prall gefüllt mit allerlei sinnlosen bis verschrobenen Überlegungen über Leben und Leute, erzählt Hornby von den vier Helden, die auszogen, um zu sterben. Es ist ihm dabei hoch anzurechnen, dass man selbst ohne die Angaben der Namen in den Überschriften sofort erkennen würde, welche Person gerade spricht, denn er verpasst jeder einen sehr eigenen Schreibstil. Maureen ist aufgrund ihres Alters eher etwas distanziert und konservativ, Martin legt einen gewissen Zynismus an den Tag, JJ ist ein lieber Kerl und Jess ist ein schwerpubertierendes Mädchen, dem dementsprechende Gedanken durch den Kopf gehen.

Mal abgesehen davon, dass diese Überlegungen auf die Dauer etwas ermüdend sein können – vor allem in Verbindung mit der spannungsarmen Handlung -, hat Hornby hier wirklich Großes geschaffen, denn ein Buch mit einem solchen Aufbau und noch dazu mit fast 400 Seiten ist nicht einfach zu schreiben.

Was man vielleicht als Einziges wirklich bemängeln kann, ist die fehlende Handlung. Im ganzen Buch geht es nur um die aufkeimende Freundschaft der vier und die Höhen und Tiefen dieser Verbindung. Selbst die Frage, ob man sich nun umbringen soll oder nicht, rückt in den Hintergrund.

Ansonsten ist Nick Hornby aber ein unterhaltsames Buch gelungen, das vor allem in Bezug auf seine Charaktere und den Schreibstil sehr gefällt.

http://www.knaur.de

Diverse – Bart Simpson Comics 28

_Story_

Hausmeister Willie ist der festen Überzeugung, dass Lisa eine Vampirmeuchlerin ist und als solche über die Fähigkeit verfügt, den Blutsaugern ihr Herz zu durchstechen. Bart kann sich mit dieser Vorstellung aber gar nicht abfinden und versucht vergeblich, den Schotten davon zu überzeugen, dass er der wahre Vampirmeuchler ist – vergeblich!

Milhouse hat sich von seinem Großvater überreden lassen, Kekse aus seiner Farbrik zu verkaufen. Der kleine van Houten erklärt sich sofort dazu bereit, wird aber von Freunden und Bekannten anschließend der Lächerlichkeit preisgegeben. Schließlich werden Pfadfinderinnenkekse nur von Mädchen verkauft.

Bart will dringend den neuen Horrorstreifen „Planet der Hirntoten“ im Kino sehen, doch momentan ist die Familie chronisch pleite, weil Homer sich einen Schinkenwagen zugelegt hat. Mit vielen illegalen Tricks gelingt es dem Jungen dennoch, vor die Leinwand zu kommen. Doch ausgerechnet dort taucht auch Homer mit seinem Schinkenstand auf.

Homer will einfach nur seine Hecke schneiden, als ihm eine garstige Katze das Leben schwer macht. Für den ungeduldigen, leicht reizbaren Familienvater ist das zu viel.

_Meine Meinung_

Die 28. Ausgabe der „Bart Simpson Comics“ bietet wie gehabt vier Kurzgeschichten (zwei davon wirklich sehr kurz), die in diesem Fall aber nicht ganz so witzig sind, wie man dies von den Comics der gelben Familie gewohnt ist. Lediglich die dritte Geschichte mit dem Titel „Bart geht ins Kino“ bietet ein paar echt gute Lacher, wohingegen die Auftaktstory „Lisa die Vampirmeuchlerin“ abgesehen vom freakigen, schottischen Hausmeister Willie nicht so viel Spektakuläres zu bieten hat. Homer als Heckenschneider ist auch nicht so berauschend und erinnert sehr stark an vergleichbare Inhalte aus den Lustigen Taschenbüchern, wenn Donald mal wieder mit irgendeiner Aufgabe überfordert ist.

Bleibt noch die Geschichte um Milhouse van Houten, in der sich eine ganze Reihe Klischees ansammeln, unter anderem natürlich das ungeschriebene Gesetz, dass Jungs und Pfadfinderkekse zwei Dinge sind, die nicht miteinander harmonieren können.

Nun, hier zeigt sich, dass das Konzept mit vielen kleinen Geschichten manchmal einfach nicht aufgeht. Gerade im ersten Plot zeigt sich, dass der Handlung irgendetwas Elementares fehlt und sie viel zu rasch zum Ende kommt. Was nun tatsächlich hinter der Sage um die Vampirmeuchler steckt? Nun, keine Ahnung. Wie es hingegen besser funktionieren kann, zeigt sich bei Barts Kinobesuch, der mit einigen coolen Gags veredelt wird, zum Schluss aber leider auch zu einem zu abruptem Schluss kommt. Wie gesagt, irgendwie fehlt da etwas.

Meinetwegen hätte man gut und gerne auf Extras wie die albernen Etiketten zum Ausschneiden verzichten oder die eine oder andere Story zugunsten zweier etwas liebevoller gestalteter Geschichten entfallen lassen können. Doch es ist sicher müßig, dies zu diskutieren. Fakt ist, dass die Nr. 28 dem Standard der ‚gelben‘ Comics ein wenig hinterherschleicht und das üblich hohe Niveau nicht erreicht.

http://www.paninicomics.de

Jim Butcher – Sturmnacht [Harry Dresden 1]

Detektiv und Magier Harry Dresden kommt einem mörderischen Hexer auf die Spur, den er unbedingt fassen und ausschalten muss, da man sonst ihm die Untaten anhängen wird … – Auftakt einer erfolgreichen Serie, die erfolgreich, unterhaltsam und unter Einsatz trockenen Humors den „Private Eye“-Krimi mit dem Horror-Thriller kombiniert.
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Peter Scholl-Latour – Russland im Zangengriff. Putins Imperium zwischen Nato, China und Islam

Peter Scholl-Latour, der bedeutendste deutsche Auslandsjournalist, hat sein neuestes Buch Russland gewidmet. „Russland im Zangengriff. Putins Imperium zwischen Nato, China und Islam“ ist ein geopolitischer Lagebericht in Form eines Reisetagebuches, der auf Besuchen Scholl-Latours, der sich grundsätzlich vor Ort informiert, in Russland und einigen seiner Nachbarstaaten von Januar bis Mai 2006 beruht. Dass den Leser in diesem Buch keine Plaudereien, sondern genaue Beobachtungen und Analysen erwarten, machen schon die Umschlagseiten deutlich: Sie zeigen eine Karte Eurasiens mit Russland in der Mitte, die gegenüber den gewohnten Karten leicht verschoben ist. Damit wird einerseits klar, dass Deutschland nicht das Land „im Herzen Europas“ ist, wie Politiker gerne schwafeln, sondern am Rande dieser gewaltigen Landmasse liegt und dass man hierzulande gar nicht anders kann, als sich für das riesige Russland zu interessieren. Andererseits sind alle Staaten farblich markiert, in denen US-Truppen stehen, sei es durch Nato-Präsenz, Krieg oder Kooperationsverträge mit den örtlichen Machthabern. Diese Karte ist die Illustration einer umgekehrten Monroe-Doktrin, mit der die USA sich in Eurasien festsetzen.

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Evola, Gaetano / Leocata, Rosanna – Terra Nova

_Spielidee_

Terra Nova, das neu entdeckte Land, bietet für jeden Gutsbesitzer geradezu paradiesische Voraussetzungen: satte Wiesen, fruchtbares Ackerland, eine riesige Seenplatte, wildreiche Wälder und noch vieles mehr. Dementsprechend ist der Drang, einen Teil dieses Landes für sich zu beanspruchen, auch immens groß. Jedoch kann dies nur denjenigen Spielern erfolgreich gelingen, die ihre Figuren mit taktisch klugen Schachzügen in Position bringen, gleichzeitig die Grenzsteine vorausschauend setzen und letztendlich auch noch die abgrenzenden Zäune ziehen, die den Gegnern den Zutritt in sein neues Land verwehren. So erkämpft man sich Schritt für Schritt einen Teil von Terra Nova, sammelt dabei jedes Mal wieder Punkte ein und übernimmt schließlich ganze Landstriche.

_Spielziel_

Ziel des Spiels ist es in erster Linie, so viele Gebiete wie möglich in Besitz zu nehmen und je nach Größe und Beschaffenheit des neuen Eigentums die dafür vorgesehenen Punkte einzukassieren. Allerdings muss hier differenziert werden, denn nicht derjenige mit der größten Gesamtfläche wird am Ende der Gewinner sein, sondern derjenige, der sich bei seiner Eroberung spezialisiert und statt einer chaotischen Wilderung Landschaft für Landschaft besetzt.

_Spielmaterial_

• 1 Spielbrett mit der Karte von „Terra Nova“ und insgesamt 8 verschiedenen Landschaften
• 80 Grenzsteine
• 44 Spielfiguren (13 gelbe, 13 rote, 10 blaue, 8 grüne)
• 4 Zählsteine in 4 Farben

Das Spielmaterial ist relativ schlicht aufgebaut (abgesehen vom graphischen Schmückstück, dem Spielplan), dafür aber auch sehr robust und für den Zweck des Spiels auch völlig ausreichend. Das Autorenteam Rosanna Leocata und Gaetano Evola hat zum Beispiel bei den Figuren auf recht einfache Holzfiguren zurückgegriffen, wohingegen die Grenzsteine von sechseckigen dicken Holzplättchen gestellt werden. Alles in allem bewährt sich dieser Aufbau jedoch, weil die Spielsteine im Spiel dann doch relativ oft beansprucht werden, durch ihr stabiles Äußeres jedoch nicht so schnell abnutzen. Insofern also sehr gut überlegt.

_Vorbereitungen_

Vor jedem Spiel werden den Spielern die Figuren und Zählsteine in ihrer Farbe ausgehändigt. Je nach Spielerzahl ändert sich dabei die Menge der Figuren; (jeweils 13 im 2-Spieler-Modus, 10 im 3-Spieler-System und 8 bei 4 Spielern), womit sich auch die ungleichmäßige Aufteilung des Spielmaterials erklärt, welches exakt auf die verschiedenen Spielerzahlen abgestimmt ist. Nun wird der Startspieler bestimmt, der anschließend als Erster eine seiner Figuren auf dem Spielfeld absetzen kann. Reihum wiederholen die Mitspieler nun diese Aktion, ohne dabei jedoch ein Feld zu wählen, welches schon durch eine andere Figur besetzt ist. Sobald alle Figuren auf dem Brett stehen, wird noch der Zählstein auf die Position ‚0‘ gesetzt. Nun kann das Spiel beginnen.

_Ein Spielzug_

Sobald ein Spieler am Zuge ist, muss er sich für genau zwei Aktionsmöglichkeiten entscheiden, die er pro Runde genau dreimal durchführen darf. Er kann entweder eine seiner Spielfiguren über das Feld bewegen oder aber einen Grenzstein setzen. Weil die Grenzsteine aber immer an ein umliegendes Feld einer gerade zuvor bewegten Figur angelegt werden müssen, ergibt sich daraus, dass der erste Spielzug immer eine Bewegung einer Spielfigur sein muss. Anschließend hat man die Wahl, in welcher Kombination man nun ziehen oder doch lieber die Grenze erweitern möchte.

|1. Die Bewegung einer Spielfigur|

Eine Spielfigur darf in alle sechs Richtungen, ausgehend vom aktuellen Standort und immer auf einer geraden Linie, bewegt werden. Zu beachten ist dabei, dass sie weder einen Grenzstein noch eine andere Figur überspringen darf. Es ist jedoch legitim, mit einer Spielfigur mehrere der drei zur Verfügung stehenden Aktionen (in diesem Fall Bewegungen) durchzuführen, solange sie am Ende der Runde nicht wieder auf dem Ausgangsfeld steht.

|2. Grenzsteine setzen|

Wie bereits erwähnt, kann ein Grenzstein nur an ein Nachbarfeld einer bereits gezogenen Figur gesetzt werden. Sollte man dabei mit zwei verschiedenen Figuren gezogen sein, darf man sich in der letzten Aktion aussuchen, an welche Figur man den Stein nun anlegt. Auch hier gilt die Bedingung, dass das Feld, auf das der Grenzstein gelegt werden soll, frei sein muss.

_Wertung_

Sobald mit den Grenzsteinen ein komplettes Gebiet eingegrenzt wurde und darin nicht mehr als drei Landschaftsarten eingeschlossen sind, kommt es zu einer Zwischenwertung. Der Spieler, der nun die meisten Figuren in diesem Gebiet stehen hat, bekommt folgende Punkte:

• für jedes Feld genau einen Punkt, wenn drei Landschaften eingeschlossen wurden,
• für jedes Feld genau zwei Punkte, wenn sich zwei Landschaften in diesem Gebiet befinden,
• für jedes Feld genau drei Punkte, wenn das Gebiet komplett aus einer Landschaft besteht.

Sollte es hier zu einem Gleichstand kommen, werden die Punkte an die Spieler mit den höchsten Figurenanteilen entsprechend diesem Wertungsmuster aufgeteilt.

_Spielende_

Sobald alle Gebiete von Grenzsteinen eingeschlossen sind und das letzte Gebiet gewertet wurde, ist das Spiel zu Ende. Gleiches gilt für den Fall, dass nur noch ein Spieler ziehen kann. Derjenige Spieler, der im Laufe der Partie die meisten Punkte einfahren konnte, gewinnt das Spiel.

_Meine Meinung_

Bereits auf der diesjährigen Messe in Essen war mir das Taktikspiel „Terra Nova“ am Stand von |Winning Moves| aufgefallen, jedoch konnte es kurz vor Torschluss nur für ein paar Minuten angespielt werden und dabei noch nicht so wirklich überzeugen. Wie sich nun aber herausstellt, haben wir vor Ort einen wichtigen Regelpunkt missachtet, nämlich dass jedes Gebiet maximal drei Landschaften enthalten darf. In Essen hingegen hatten wir relativ zügig eine Grenzlinie durch die Mitte des Feldes gesetzt und nach nur fünf Minuten ein rasches, unbefriedigendes Ende gefunden. Nun, selber schuld, wenn man nicht richtig liest …

Doch aus eben diesem Grunde waren meine Erwartungen an das Spiel jetzt auch nicht mehr so groß, auch wenn man meiner Meinung nicht immer auf das erste Urteil nach kurzem Anspielen bauen sollte. Diese Erfahrung habe zumindest ich im Laufe der Jahre und Spielmessen immer wieder gemacht. Und tatsächlich: Mit den ’neuen‘ Regeln ergibt das Ganze auch Sinn und wird auch sofort um ein Vielfaches spannender und tückischer. Das Tolle an „Terra Nova“ ist nämlich, dass jeder Spieler mit den gleichen Voraussetzungen startet und in keiner Situation das Glück über den weiteren Verlauf entscheidet. Vom ersten bis zum letzten Zug baut das Spiel ausschließlich auf Taktik, vorausschauender Planung und Intuition auf und wird mit zunehmender Dauer und Anzahl gesetzter Grenzsteine auch noch immer kniffliger, weil sich meistens erst bei der letzten Wertung entscheidet, wer als Sieger aus dem Spiel geht.

Irgendwie hat „Terra Nova“ deswegen auch etwas vom klassischen Schachspiel, weil man manchmal doch recht lange überlegen muss, welche Kombination der drei zur Verfügung stehenden Aktionen im jeweiligen Zug jetzt sinnvoll ist, und dabei auch noch beachten sollte, dass jeder falsche Zug einen blitzschnell in die Enge treiben könnte, in der man dann von seinen Gegnern quasi matt gesetzt wird. Nach und nach – speziell, wenn man wegen einer kleinen Unachtsamkeit einen entscheidenden Fehler gemacht hat – entwickelt sich somit ein echtes Suchtgefühl, denn stetig schwirren einem neue Ideen und Taktiken im Kopf herum, mit denen man dem bzw. den Gegner(n) beikommen zu können glaubt. Doch da man sich hier auch wirklich nur Vorteile durch eigenes Geschick, nicht aber durch zufällige Wendungen oder glückliche Ereignisse erarbeiten kann, ist der Weg zum Sieg ein ziemlich schwerer und eigentlich erst dann frei, wenn man selbst in den tückischsten Lagen einen kühlen Kopf bewahrt – doch das ist bei „Terra Nova“ auch leichter gesagt als getan.

Entgegen den ersten Eindrücken bin ich daher auch echt begeistert von diesem fast ausschließlich taktischen Leckerbissen aus dem Hause Winning Moves. Es ist schlichtweg klasse, mit welch einfachen Mitteln hier ein absolut überzeugendes und sicher noch erweiterbares Spielprinzip erschaffen wurde, das einen auch abendfüllend an den Spieltisch zu fesseln vermag. Ich bin jedenfalls heilfroh, „Terra Nova“ nach dem mäßigen Einstand auf der Messe noch nicht abgeurteilt und noch einen zweiten Versuch gegeben zu haben. Bei diesem hat sich das Spiel dann doch noch bewährt und erntet folgerichtig auch eine Empfehlung an alle Taktiker und Tüftler, die mit diesem Spiel sicherlich ebenfalls viele Stunden verbringen werden.

http://www.winning-moves.de/

Hauff, Wilhelm – Wirtshaus im Spessart, Das (Europa-Originale 26)

_Besetzung_

Erzähler – Hans Paetsch
Der Räuberhauptmann – Herbert A. E. Böhme
Der Jäger – Rudolf Oeser
Felix – Susanne Hartau
Die alte Wirtin – Heike Kintzel
Der Drechsler – Michel Stobbe
Der Student – Sven H. Mahler
Die Gräfin – Heike Kintzel
Ein herzoglicher Offizier – Hans Meinhardt
Und die Räuber

Regie: Claudius Brac

_Story_

Seit Jahren erzählt man sich unheimliche Dinge über den Spessart. Der finstere Wald wird bis weit über die Grenze gefürchtet und geächtet, denn dort sollen sich bereits einige grausame Vorfälle zugetragen haben. Als der junge Goldschmied Felix zusammen mit einem Drechsler in die Gegend kommt und völlig entkräftet im dort gelegenen Wirtshaus nächtigt, sollen sie alsbald zu spüren bekommen, welche Geheimnisse die Region verbirgt. Noch in derselben Nacht wird einer Kutsche eine Falle gestellt, damit die darin untergebrachte Gräfin ebenfalls in der Herberge eine Notunterkunft mieten muss. Doch dies ist noch nicht das Ende des Planes: Die Gräfin selber soll von der kompromisslosen Räuberbande entführt werden. Bevor es jedoch unter starkem Druck der Verbrecher zur Übergabe kommt, hat Felix eine Idee. Er selber schlüpft kostümiert in die Rolle der Edeldame und macht den verwirrten Ganoven auf diese Art und Weise den Garaus.

_Meine Meinung_

Eigentlich hatte sich meine Kritik an der Fehlbesetzung Susanne Hartaus’ nach der Rezension zu „Die Schatzinsel“ wieder beruhigt, denn schon dort war die Dame in der Rolle des jungen Jim Hawkins unangenehm und unglaubwürdig aus der Reihe getanzt. Doch anscheinend hat dies damals niemanden gestört, so dass die Sprecherin auch in „Das Wirtshaus im Spessart“ wieder eine männlich Rolle auferlegt bekam, die sie zwar etwas besser bearbeitet als noch in besagtem Piratenabenteuer, aber wirklich überzeugen kann sie in der Besetzung des jungen Knaben Felix letztendlich doch nicht. Dafür kommt ihre Weiblichkeit schlichtweg zu sehr durch.

Im Gegensatz dazu ist die Geschichte eine echte Wucht und dazu verdammt spannend inszeniert und erzählt. Schritt für Schritt entführt uns Regisseur Claudius Brac in den sagenumwobenen Spessart, tief hinein in eine zwielichtige Welt voller Gauner und Landstreicher, die jedoch auch in regelmäßigen Abständen vom Adelsgeschlecht des Landes heimgesucht wird. Der Mann hat sich dabei sehr strikt an die Originalvorlage von Wilhelm Hauff gehalten und von Kapitel zu Kapitel das Mysterium um das seltsame Wirtshaus weitergesponnen, bis es schließlich mittendrin zur Auflösung und einigen unvorhersehbaren Konsequenzen kommt.

Der Regisseur lässt sich nicht ein einziges Mal in die Karten schauen und übernimmt die eigenwilligen Wendungen der Vorlage absolut detailgetreu, agiert aufgrund der Kürze der Spielzeit aber noch ein ganzes Stück zielstrebiger und temporeicher, was gerade beim sehr direkten Einstieg schnell für Verwirrung sorgt. Man hat sich nämlich hier noch nicht einmal so richtig mit den Hauptfiguren vertraut gemacht, da ist man such schon mitten in einem geheimnisvollen, von langer Hand geplanten Komplott gefangen, welches der Story all ihren Nährstoff verleiht.

Dies beginnt allerdings erst einmal mit einigen Zufällen, denen der Goldschmied und der Drechsler bei ihrer Ankunft im Wirtshaus eher ungewollt auf die Spur kommen – doch ihnen bleibt keine andere Wahl, denn es ist nur zu offensichtlich, dass sich der hermetisch abgeriegelte Gasthof über Nacht in eine schutzlose Räuberhöhle verwandeln wird. Anschließend schmieden die beiden dann Pläne, das Attentat auf die Gräfin zu vermeiden; sie verbünden sich mit den Anhängern der edlen Dame und gehen gut vorbereitet in den Kampf mit den Räubern, allerdings wird ihnen hierbei schon klar, dass sie der elitären Räubermeute auch zu siebt (neben den beiden Hauptfiguren haben sich auch ein berüchtigter Jäger und ein Student mit Felix verbündet) unterlegen sind, so dass ihnen keine andere Wahl bleibt, als den Forderungen ihrer Gegner nachzukommen. Doch Felix reagiert mit einer unerwarteten List und hilft seinen Kumpanen dabei, die Gräfin in Sicherheit zu bringen. Aber nun ist er selber in großer Gefahr und muss die Rache der genarrten Räuber befürchten – und die machen selbst vor so einem jungen Knaben nicht Halt.

Brac und sein Team haben mit diesem deutschen Literaturklassiker ein echtes Schmuckstück für ihr Hörspiel adaptiert und es auch dem Wert entsprechend sehr spannend und auch ein wenig komplex gestaltet. Dem Hörer werden nach einem recht flotten Einstieg erst nach und nach die Zusammenhänge klar, doch sobald sich die Kutsche mit der Gräfin nähert und man eine Vorstellung davon bekommt, was genau die Räuber im Spessart treiben könnten, entwickelt sich die Hörspiel-Fassung aus dem Hause |Europa| zu einem spannenden Mix aus Abenteuer- und Kriminalgeschichte, der durch die humorvolle Darstellung noch zusätzlich aufgewertet wird. Lediglich die erneute Fehlbesetzung der weiblichen Männerrolle durch Susanne Hartau darf als Wermutstropfen gewertet werden; ansonsten ist „Das Wirtshaus im Spessart“ aber ein weiteres Highlight aus der bereits dritten Staffel der Reihe „Europa-Originale“ und als solches, vor allem eben wegen des tollen Spannungsaufbaus, uneingeschränkt zu empfehlen.

http://www.natuerlichvoneuropa.de/

Harris, Charlaine – Vampire bevorzugt

Band 1: [„Vorübergehend tot“ 788
Band 2: [„Untot in Dallas“ 939
Band 3: [„Club Dead“ 1238
Band 4: [„Der Vampir, der mich liebte“ 2033

„Vampire bevorzugt“ ist der fünfte Streich von Charlaine Harris‘ Serie um die gedankenlesende Kellnerin Sookie Stackhouse. Und bevor irgendwelche falschen Vorstellungen aufkommen: Wie auch schon im Vorgängerband, ist der Titel unglücklich gewählt. Denn wenn Sookie in den vergangenen Bänden etwas gelernt hat, dann auf jeden Fall, dass Vampire nicht zu bevorzugen sind. Leider hat sich |dtv| nicht auf die Masche der Autorin eingelassen, in jedem Titel das Wort „dead“ vorkommen zu lassen. Das führt leider dazu, dass die deutschen Titel reichlich hölzern und unhandlich wirken. Doch sollte man sich davon nicht abhalten lassen (genauso wenig wie vom Glitter auf dem Cover) und „Vampire bevorzugt“ möglichst an einem freien Wochenende zu Hand nehmen. Denn eines kann Charlaine Harris garantieren: dass man ihre Bücher so schnell nicht aus der Hand legt!

Um auf die Vampire zurückzukommen: Da wäre zunächst Bill, der es sich mit Sookie verscherzte, als er mit seiner Meisterin in die Laken hüpfte. Und dann wäre da noch Eric, der nordische (und untote) Sexgott, der sich während seines Gedächtnisverlustes zwar zum perfekten Liebhaber entwickelte, aber nach der Aufhebung des Fluchs keinerlei Erinnerung mehr daran zu haben scheint, dass er zusammen mit Sookie sämtliche Stellungen des Kamasutra ausprobiert hat. Kurzum: Sookie hat die Nase voll. Sie will einfach nur in Ruhe gelassen werden, zur Arbeit gehen und sich vielleicht ein neues Auto kaufen.

Doch das wäre natürlich kein Stoff für einen Roman. Stattdessen stellt sich heraus, dass in Bon Temps, Sookies provinziellem Heimatort, ein Unbekannter auf Gestaltwandler schießt. Als es auch ihren Boss Sam erwischt (der sich gern mal in einen Collie mit samtweichem Fell verwandelt), muss Sookie nach Shreveport fahren und Eric um einen Ersatzbarkeeper bitten. Der stellt ihr Charles Twining zur Verfügung, einen charmanten Piraten mit Augenklappe, der nur deshalb keinen Papagei auf der Schulter trägt, weil das Halten von Tieren in einer Bar mit zu hohen Auflagen verbunden ist. Charles, charmant und ein echter Haudegen, ist natürlich eine fleischgewordene Anspielung auf einen gewissen Piratenfilm, der in den letzten Jahren mit ziemlichem finanziellen Erfolg gesegnet war. Unser Vampir hatte sogar mal die Gelegenheit, nach Tortuga zu segeln. Wenn das kein Glück ist …

Charles soll eigentlich in der Abstellkammer des „Merlotte’s“ schlafen, doch Sam überredet Sookie, den Vampir mit zu sich nach Hause zu nehmen. Das erweist sich durchaus als sinnvoll, denn gleich in derselben Nacht legt jemand Feuer an Sookies Haus. Charles kann den Brandstifter festsetzen, bricht ihm aber im Eifer des Gefechts das Genick. Sookie hat den Toten noch nie gesehen, warum sollte dieser also ihr Haus anstecken?

Es geht ähnlich rasant weiter: Alcide, Sookies Werwolf-Bekannter, versucht ständig, ihr Avancen zu machen und schleppt sie zu Veranstaltungen seiner Werwolf-Gemeinde, die sie lieber nie gesehen hätte. Eric versucht dauernd, sie zu überreden, ihm doch zu erzählen, was während der Zeit seines Gedächtnisverlusts zwischen ihnen passiert ist. Bill ist hauptsächlich deprimiert, aber trotzdem immer zur rechten Zeit am rechten Ort. Und schließlich wird auch noch Sookie selbst angeschossen, als sie ihre Bücher zur Bibliothek bringen will.

Man sieht, als Leser hat man – wie Sookie selbst auch – auf den 300 Seiten des Romans kaum Zeit, einmal durchzuatmen. Charlaine Harris scheint mit jedem Band mehr Freude daran zu finden, ihre Handlung flott voranzutreiben und damit ein hohes Tempo vorzulegen. Dabei entfernt sie sich immer mehr vom Schnulzencharakter des ersten Bandes und setzt stattdessen auf Action, Mystery und fesselnde Charaktere. Das soll natürlich nicht heißen, dass die Romantik ganz flöten ginge, im Gegenteil: So viele Männer wie in „Vampire bevorzugt“ hat Sookie wohl noch nie geküsst. Sämtliche männlichen Supras in ihrer näheren Umgebung scheinen magisch von ihr angezogen und Sookie kann sich all der Avancen kaum erwehren. Doch läuft die Buhlerei um ihre Gunst kaum auf eine heiße Affäre hinaus. Vielmehr hat man als Leser den Eindruck, dass sie Exposition für viele neue Probleme in zukünftigen Bänden ist. Man darf also gespannt sein!

Harris‘ Pool an Charakteren und übernatürlichen Gattungen erweitert sich ständig, und es ist eine wahre Freude, ihr bei der Entwicklung ihres Romankosmos zuzuschauen. Ihre Figuren werden dreidimensionaler und Sookie ist im fünften Band weit entfernt von der scheuen und sozial zurückgezogenen Kellnerin, die sie noch im ersten Band war. Ähnliches könnte man über einen Großteil von Harris‘ Charakteren sagen – ihre Welt wird mit jedem Roman kompletter, bunter, aber auch gefährlicher. Sookie gerät ins Schussfeld von immer mehr konkurrierenden Gruppierungen und damit erhöht sich selbstverständlich auch die Spannung für den Leser. Trotzdem verliert Harris nie den Sinn für Humor und Ironie. Sie schafft es sogar, ihre eigene Schreibe auf die Schippe zu nehmen; inwiefern, wird der Leser aber erst erfahren, wenn am Ende des Romans der Bösewicht enthüllt wird.

Bis dahin kann man nur wünschen: Gute Unterhaltung!

http://www.dtv.de

Werner, Wolfgang – Bayon

_Spielidee_

Die berühmte Tempelanlage in Kambodscha, Bayon, zieht Forscher und Abenteurer magisch an. Von hier aus ziehen die besten Teams los, um auf der gesamten Welt Expeditionen zu starten und wertvolle Fundstellen zu erforschen. Jeder Spieler schlüpft in die Rolle eines Expeditionsleiters und sucht auf den verschiedenen Kontinenten nach den wertvollsten Schätzen. Doch nur einer kann der erfolgreichste und beste Expeditionsleiter sein.

_Spielmaterial_

„Bayon“ ist ein reines Kartenspiel, ohne anderweitige Spielmittel. Enthalten in der kleinen Schachtel sind:

• 17 Forscherkarten
• 30 Fundstellen, verteilt auf 5 Kontinente
• 18 Goldkarten
• 1 Spielanleitung

Das Kartenmaterial ist nicht nur sehr bunt, sondern auch ziemlich liebevoll illustriert. Zudem hat Spielautor Wolfgang Werner Humor bei der Verwendung der verschiedenen Forschernamen bewiesen. So ziehen die Spieler mit Forschern wie High Lander oder Mirco Soft ins Rennen. Die Atmosphäre wird von den Karten also schon mal passend unterlegt, doch gleichzeitig sind die Karten auch sehr strukturiert und äußerst zweckdienlich aufgebaut und lassen daher insgesamt auch keine Wünsche offen.

_Spielziel_

Jeder Spieler versucht in der Rolle des Expeditionsleiters mit Hilfe der zur Verfügung stehenden Forscher, Fundorte zu erforschen und Schätze zu heben. Jeder Schatz entspricht einem bestimmten Goldwert, der nach erfolgreicher Expedition ausgezahlt wird. Abhängig von der Spielerzahl hat am Ende der Spieler gewonnen, der die erforderte Goldmenge erwirtschaftet hat.

_Spielvorbereitung_

Vor jeder Partie werden die Karten nach Forschern, Gold und Fundstellen sortiert. Anschließend werden die Forscher mit den Nummern 1-6 aussortiert, gemischt und danach jeweils einer an jeden Spieler ausgeteilt. Die übrigen Forscher – ebenfalls abhängig von der Spielerzahl – bilden einen Nachziehstapel, das Forschercamp, neben dem zwei Forscher offen ausgelegt werden. Die Fundstellen werden nach Kontinenten geordnet und verdeckt nebeneinander gelegt. Auf den Kontinent Australien legt man die Zollkarte. Nachdem dann die Goldkarten sortiert wurden, bekommt jeder ein Startkapital von 15 Goldstücken. Der älteste Spieler beginnt.

_Ein Spielzug_

In jedem Spielzug stehen den Spielern genau drei verschiedene Optionen zur Auswahl. Entweder zieht er fünf Goldstücke aus der Bank und beendet seinen Zug danach, oder aber er heuert einen weiteren Forscher an. Letzteres kann noch insofern variiert werden, dass man stattdessen eine Aktion durchführt oder sogar einen Forscher anheuert und eine Aktion tätigt.

Entscheidet sich ein Spieler dafür, einen Forscher anzuheuern, kann er zwischen den beiden offen ausliegenden Forschern und dem obersten vom Nachziehstapel auswählen. Für jeden muss er genau fünf Goldstücke bezahlen. Es besteht aber auch die Möglichkeit, einem Mitspieler einen Forscher aus dessen Auslage zu entwenden, es sei denn, dort befindet sich nur ein einziger Forscher. In diesem Fall muss man allerdings gleich zehn Goldstücke zahlen, und zwar an den Besitzer dieses Forschers. Pro Runde darf ein Spieler nur einen neuen Forscher anheuern, und insgesamt dürfen nur maximal vier Forscher offen vor einem Spieler ausliegen. Wird diese Zahl durch das Anheuern eines weiteren Forschers überschritten, muss man einen dieser Wissenschaftler zurück unter den Nachziehstapel legen.

Sollte sich der Spieler zusätzlich oder auch nur einzig dafür entscheiden, einen Forscher eine Aktion durchführen zu lassen, kann er zwischen drei verschiedenen Aktionen auswählen. Jeder Forscher darf in dieser Phase aktiv werden!

|1. Kontinent bereisen und Informationen sammeln|

Sofern das Zollschild den Kontinent nicht blockiert, darf der Spieler einen Forscher aus seiner Auslage wählen und diesen Kontinent mit ihm bereisen. Um zu markieren, dass der Forscher eine Aktion durchgeführt hat, wird seine Karte ein wenig nach vorne geschoben, damit dies für alle ersichtlich ist. Der Spieler darf nun die oberste Karte des Kontinents anschauen und die Informationen sammeln. Entscheidet er sich in derselben Runde dafür, diesen Kontinent noch einmal zu bereisen, darf er nun die zweite Karte von oben anschauen, und so weiter. Die Reihenfolge der Karte darf indes nicht verändert werden.

|2. Expedition durchführen|

Der Spieler bestimmt einen Kontinent, auf dem er eine Expedition starten möchte. Dies darf auch ein Landstrich sein, der bereits zuvor von einem Forscher erkundet wurde. Auf der Rückseite der Fundstellen steht der Preis, den man für diese Expedition aufbringen muss. Ist das Finanzielle geregelt und die Expedition bezahlt, wird die Karte des Kontinents aufgedeckt. Nun stellt der Spieler ein Forscherteam aus denjenigen Forschern zusammen, die in dieser Runde noch nicht aktiv waren. Kann dieses Team die Bedingungen der Fundstellen erfüllen oder sogar die gefragten Werte übertreffen, gilt die Expedition als bestanden. Der Spieler nimmt die Fundstelle auf die Hand; der darauf abgebildete Goldwert zählt nun zu seinem Goldvorrat. Als Letztes muss er nun noch einen der an der Expedition beteiligten Forscher verdeckt unter den Nachziehstapel zurücklegen.

Schlägt die Expedition indes fehl, geht der Spieler leer aus. Auch in diesem Fall muss man sofort einen beteiligten Forscher abgeben. Außerdem ist sein Spielzug sofort danach beendet, ganz gleich, ob alle Forscher schon eine Aktion durchgeführt haben.

|3. Zollschild versetzen|

Der Spieler kann auch eine Forscheraktion opfern, um das Zollschild auf einen anderen Kontinent zu setzen. Hierzu nimmt er das Schild und bewegt es seinen Vorstellungen entsprechend weiter.

Ein Spielzug ist dementsprechend immer dann zu Ende, wenn ein Spieler fünf Goldstücke kassiert hat oder alle Forscher eine Aktion durchgeführt haben oder jemand auf ausstehende Aktionen verzichtet oder eine Expedition fehlgeschlagen ist.

_Spielende_

Das Ende des Spiels ist je nach Mitspielerzahl zu einem anderen Zeitpunkt erreicht. Bei zwei Spielern ist „Bayon“ zu Ende, wenn ein Spieler 250 Goldstücke oder mehr erreicht hat. Im Drei-Spieler-System reichen schon 225 Goldstücke aus, wohingegen man bei der maximalen Spielerzahl von vier Leuten bereits mit 200 Goldstücken siegreich ist. Man kann aber natürlich auch variieren, um so die Spieldauer zu strecken oder zu straffen.

_Meine Meinung_

Mit “Bayon“ hat der |Adlung|-Verlag einmal mehr ein richtig schönes Kartenspiel veröffentlicht. Das Spiel ist zum einen leicht zu erlernen und auch nicht sonderlich komplex, taktisch und strategisch aber unheimlich vielseitig und außerdem mit einer gehörigen Langzeitmotivation ausgestattet. In beinahe allen Partien, die ich diesem Spiel im vergangenen Monat gewidmet habe, waren die Entscheidungen immer recht knapp, auch im Spiel zu zweit, welches zwar nicht ganz so turbulent zugeht wie bei der Höchstspielerzahl, aber immer noch ein spannendes, packendes Duell garantiert.

Angenehm ist vor allem, dass der Faktor Glück nur eine untergeordnete Rolle spielt und sich lediglich darauf beschränkt, welche Karten man aufdeckt bzw. welche Forscher beim eigenen Spielzug gerade in der Auslage am Nachziehstapel ausliegen. Doch dies sind alles Dinge, die den Spielverlauf nur minimal beeinflussen, aber sicher nicht spielentscheidend sind. Das richtige taktische Vorgehen ist indes das A und O von „Bayon“. Man muss immer wieder abwägen, ob man besser Geld sammelt, auf bessere Forscher wartet und vor allem, wie und wo man seine Forscher einsetzt. Und das kann sich nach jedem Spielzug eines Gegners wieder maßgeblich ändert, weil dadurch auch immer wieder die Auslage wechselt und man oft ganz spontan seinen Zug planen muss.

Trotz vergleichbar simplem Aufbau ist „Bayon“ recht anspruchsvoll und bei der Suche nach einer perfekten Strategie kaum durchschaubar. Der Ehrgeiz, dennoch den richtigen und besten Weg zu finden, ist allerdings nicht zu bremsen und hält auch über einen langen Zeitraum an. Dabei ist nicht zu unterschätzen, dass „Bayon“ bei einer durchschnittlichen Spielzeit von 20 bis 30 Minuten recht schnell über mehrere Stunden den Spieltisch ausfüllt, weil das Spiel schlichtweg Spaß macht, Spannung verspricht und nie langweilig wird. Bevor ich mich wiederhole, möchte ich daher auch eine ganz klare Empfehlung aussprechen – für den erschwinglichen Preis von ca. sieben €uro kann man hier nichts verkehrt machen!

http://www.adlung-spiele.de/

Lanzelot – Ritter ohne Furcht und Tadel (Europa-Originale 23)

Story

Dulac, der Ritter vom See, lebt ein friedliches Leben an den Gewässern seiner Umgebung. Erst als der alte Gwendap nach langer Reise zurückkehrt, soll sich dies ändern, denn er hat beschlossen, dem Jüngling Dulac den letzten Feinschliff in der Ausbildung zum Ritter zu verpassen. Dulac ist wissbegierig und lernt schnell, so dass der Reise zu König Arthur und der Aufnahme in die Tafelrunde nichts mehr im Wege steht. Doch auf der Reise dorthin muss Dulac erst noch einige Abenteuer bestehen und entdeckt nach einem harten Kampf in einer Drachenhöhle auf einem Grabstein eine uralte Prophezeiung, der zufolge er der Königssohn Lanzelot ist, der eines Tages die edle Elaine ehelichen soll. Dulac alias Lanzelot ist von der Offenbarung verblüfft, macht sich jedoch daran, sie zu verwirklichen. Nachdem er am Königshof zum Ritter geschlagen wurde, begibt er sich auf die Suche nach Elaine, um sein Schicksal zu besiegeln.

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Ed McBain – Big Bad City

Trotz Sommerhitze und Überlastung versuchen die Polizisten des 87. Reviers, einige ebenso blutige wie bizarre Verbrechen aufzuklären, während sich ein Attentäter daranmacht, an einem der Beamten tödliche Rache zu üben … – Mit dem 49. Band führt Autor McBain seine legendäre Krimi-Serie problemlos ins 21. Jahrhundert. Klassisch setzt er diverse Stränge zu einer spannenden Geschichte zusammen, die wie immer auch Teil der Chronik des 87. Polizeireviers ist: wunderbar!
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Noll, Ingrid – Apothekerin, Die (SZ Kriminalbibliothek 45)

Die Apothekerin Hella Moorman liegt im Heidelberger Frauenkrankenhaus. Ihre Bettnachbarin ist die ältere Rosemarie Hirte, der sie nach und nach aus ihrem abenteuerlichen Leben erzählt. Hella erlebte eine schwere Kindheit, mit einem strengen Vater und einem Außenseiterdasein in der Schule. Ein katastrophaler Unfall sorgt endgültig für ein Trauma bei dem jungen Mädchen, das sich seitdem ganz zurückzieht und verbissen für gute Noten arbeitet.

Ihre Partner entpuppen sich gewöhnlich als labile Sorgenkinder, die mit Selbstmordgedanken spielen oder Drogen nehmen. Mit dreißig Jahren lernt sie den jüngeren Zahnmedizin-Studenten Levin kennen, mit dem sie erstmals an eine dauerhafte Zukunft mit Familie denkt. Levin jedoch ist ein sprunghafter, verschwenderisch lebender Jüngling mit deutlich weniger ernsten Absichten. Während Hella hofft, dass ihr Traum von Hochzeit und Kindern doch noch in Erfüllung geht, wartet Levin auf den Tod seines reichen Großvaters Hermann Graber, der an einer Herzkrankheit leidet. Der alte Herr, der wenig von Levin hält, lebt in einer feudalen Villa, gemeinsam mit der jungen, liederlichen Margot, die ihm den Haushalt führt. Levin steht unter Druck, seit Dieter, Margots Ehemann, aus dem Gefängnis entlassen wurde. Dieter ist sein alter Kumpel, der Rache sucht und Levin erpresst. Levin überredet Hella zur Beihilfe zum Giftmord an seinem Großvater, um rascher an das Erbe zu gelangen. Nach langem Zögern willigt Hella ein. Sie mag den alten Großvater zwar, aber die Angst um Levin ist größer.

Das Testament birgt eine Überraschung: Als Haupterbin ist Hella eingesetzt, unter der Voraussetzung, dass sie Levin innerhalb eines halben Jahres heiratet. Das frische Brautpaar zieht in die Villa ein, Levin gewährt dort außerdem seinem versöhnten Kumpel Dieter und seiner Frau Margot Unterschlupf. Mit Unbehagen bemerkt Hella, dass Levin sie hauptsächlich wegen des Geldes geheiratet hat und vermutet auch langsam ein Verhältnis mit Margot. Dafür nähert sie sich selber Dieter an, der viel mehr Verständnis aufzubringen scheint als Levin. Doch es dauert nicht lange, bis diese prekären Beziehungskonstellationen eskalieren. Levins Großvater wird nicht der letzte Tote in Hellas Leben sein …

_Morde im Stil der Borgias_

Mörderische Ladys sind Ingrid Nolls Spezialgebiet. Auch ihr dritter Roman überzeugt durch Spannung und viel schwarzen Humor, den ihre Fans so sehr an ihr lieben.

Mit Hella Moormann hat sie eine für sie sehr typische Frauenfigur geschaffen. Hella ist intelligent und strebsam, ein bisschen spröde, vernunftbetont und gut organisiert. Diese Eigenschaften zeichneten sich bereits in der Kindheit ab, die zu Beginn in kurzen Auszügen erzählt wird. Hella hängt an ihrem Vater, der es jedoch als strenger Vegetarier seiner Familie nicht leicht macht. Ein schlimmer Zwischenfall mit katastrophalen Folgen in der Schule zerrüttet das familiäre Verhältnis endgültig und Hellas Außenseiterleben bestätigt sich. Der Beruf als Apothekerin entspricht in mehrfacher Hinsicht ihrem Charakter. Sie hat einen guten Sinn für Details und Kleinigkeiten, sie arbeitet mit viel Sorgfalt und liebt es, Dinge zu sortieren und mit viel Feinsinn zu behandeln. Gleichzeitig besitzt sie ein ausgeprägtes Helfersyndrom. Um die Leere in ihrem eigenen Leben auszufüllen, widmet sie sich mit Hingabe problembelasteten Männern; Selbstmordkandidaten, labile Persönlichkeiten und ehemalige Häftlinge finden bei ihr Zuspruch und ein warmes Bett. Da ist es kein Wunder, dass auch Levin in diese Sammlung hineinpasst. Levin gehört zum Typ der „großen Jungen“; er ist ein Wildfang mit viel Temperament, der sich zu Hellas Freude wie ein Kind für bestimmte Dinge begeistern kann. Andererseits gehört auch eine gehörige Portion Unreife zu seiner Person. Levin liebt den Luxus und die Verschwendung, Porschewagen sind seine große Leidenschaft und er besitzt keine Ambitionen, sein Studium zu beenden. Die kluge Hella erkennt zwar seine Unzulänglichkeiten und sie ahnt, dass Levin ihren Traum von einer kleinen Familie kaum teilen wird, doch sie hofft, mit dem nötigen Einfluss seinen Charakter zu festigen.

Fast alle Figuren im Roman vereinen mehrere Seiten in sich. Das gilt auch besonders für Dieter, den man vor seinem ersten Auftritt als gefährlichen Ex-Knacki beschrieben bekommt, ehe er sich dann zeitweise sogar sehr sensibel verhält und vorübergehend Levin aus Hellas Herz verdrängt. Hauptfigur Hella ist eine gelungene Mischung aus positivem und negativem Charakter. Sie ist wahrlich keine Heldin, beweist Unzulänglichkeiten, fällt auf die falschen Männer herein und nimmt es später mit der Treue selber nicht mehr so genau. Trotzdem fiebert man mit ihrem Schicksal mit, amüsiert sich über ihre ironisch-zynischen Schilderungen und ist gespannt, was in ihrem Leben als nächstes geschieht.

|Viel Spannung, viel Humor|

Die Spannung entspringt dabei vor allem zwei Gründen: Zum einen läuft bei Ingrid Noll fast jeder Charakter Gefahr, um die Ecke gebracht zu werden. Die Handlung nimmt immer neue überraschende Wendungen, sodass man nicht sicher sein kann, wer hier als nächstes gegen wen intrigiert und ob man jemanden nicht voreilig falsch eingeschätzt hat. Nicht nur der leichtlebige Levin, der zwielichtige Dieter und die ordinäre Margot sind unberechenbar, sondern auch Hella selbst. Das beste Beispiel dafür ist die Beihilfe zur Ermordung von Hermann Graber, die Hella schwerste Gewissensbisse einbringt. Auch das reiche Erbe ist kein Trost für sie, denn geldgierig ist sie nie gewesen. Doch der brennende Wunsch, mit Levin ein glückliches Familienleben führen zu können, ist so stark, dass sie dafür selbst kriminelle Methoden in Kauf nimmt. Zum anderen deutet Hella in ihren Gesprächen mit Rosemarie Hirte immer wieder bestimmte Ereignisse an, ohne zu viel vorwegzunehmen, sodass der Leser es kaum erwarten kann, bis er Genaueres erfährt. Nicht nur Frau Hirte wundert sich über manche Andeutungen und fragt sich, welche Wendungen auf den Hörer bzw Leser noch zukommen werden.

Auch in diesem Roman überzeugt die Autorin durch den unverwechselbaren Stil, in dem sie ihre Protagonistin erzählen lässt. Hella Moormann kommentiert ihr Leben in einer lakonischen Sprechart, hat keine Scheu vor Selbstironie und gewinnt so auch tragischen und dramatischen Ereignissen eine galgenhumorige Note ab. Auch wenn Hella ihre Fehler erkennt und vor Selbstkritik nicht zurückschreckt, wird es mit der Moral nicht gerade genau genommen. Empfindliche Leser, die mit schwarzem Humor nicht viel anfangen können, werden womöglich eher befremdet reagieren. Allen anderen dürfte dieser spezielle Krimispaß ein großes Lesevergnügen bereiten.

|Wiedersehen mit Frau Hirte|

Die Handlung spielt zwar in zwei Zeitrahmen, aber Gefahr, dabei durcheinanderzukommen, läuft man ganz sicher nicht. Der größte Teil der Erzählung besteht aus Rückblenden, in denen Hella aus der Zeit mit Levin erzählt. Die Kapitel werden dann oft mit Szenen aus der Gegenwart eingeleitet, in denen Hella im Krankenhaus liegt und sich mit Frau Hirte unterhält. Der besondere Clou in diesem Gegenwartsstrang liegt darin, dass Rosemarie Hirte für Noll-Leser keine Fremde ist, sondern die Hauptfigur in Nolls Debütroman „Der Hahn ist tot“ war. Während Hella Moorman die 58-jährige Dame neben sich für eine alte, etwas langweilige Jungfer hält, die sie mit ihren Mordgeschichten schockt, ahnt sie nicht, dass Rosi Hirte ihr vor nicht allzu langer Zeit in nichts nachstand, selber ein paar Leutchen auf dem Gewissen hat und nicht weniger schauerliche Geschichten zum Besten geben könnte.

|Kleine Mankos|

Nolls große Stärken sind zum einen das Erschaffen von emanzipierten Frauenfiguren, die sich trotz ihrer Durchschnittlichkeit und Sympathie zu Mörderinnen entwickeln, und zum anderen die humorvolle Darstellung von Rache- und Mordgeschichten. Die Schwäche liegt darin, dass sich dieses Schema beinahe in jedem Roman finden lässt und sich die Figuren wie auch die Motive ähneln. Fans kommen dabei jedes Mal aufs Neue auf ihre Kosten, andere Leser können sich, wenn sie schon eines oder mehrere Werke gelesen haben, allerdings langweilen. Alleine die Protagonistinnen aus den Romanen „Der Hahn ist tot“, „Die Apothekerin“ und „Die Häupter meiner Lieben“ weisen starke Parallelen auf. Kindheit, Jugend und frühe Erwachsenenzeit sind geprägt durch Konflikte, Außenseiterdasein und viele Enttäuschungen in zwischenmenschlicher Hinsicht, vor allem in Liebesdingen. Hella Moorman ist zwar jünger als Rosemarie Hirte, aber beide Frauen verbindet die vergebliche Suche nach einem passenden Partner, nach der großen Liebe, mit der sie traute Zweisamkeit und ein Familienleben verwirklichen können. Die Morde ergeben sich nicht aus Gier oder gar Grausamkeit heraus, sondern entstehen beinah ungewollt und als notwendige Übel. Ohne Zweifel ist es höchst amüsant, wie diese jungen und nicht mehr ganz so jungen Damen auf der Suche nach dem großen Glück zu unpopulären Mitteln greifen und in Mordangelegenheiten verwickelt werden, die nicht einmal sie selber sich jemals zugetraut hätten. Doch der Abnutzungseffekt kann nicht wegdiskutiert werden, und wer kein erklärter Fan von Ingrid Noll ist, wird dem Schema auf Dauer kritisch gegenüberstehen.

Stärke und Schwäche liegen auch in den Insideranspielungen nah beieinander. Wer Nolls Debütroman „Der Hahn ist tot“ noch gut in Erinnerung hat, wird über das Wiedersehen mit Rosemarie Hirte begeistert sein. Die Anspielungen auf Rosi Hirtes Leben sind recht dezent gehalten, sodass die Kenntnis des anderen Romans nicht zwingend notwendig ist. Aber der Spaßfaktor liegt doch beträchtlich höher, wenn man um die Umstände aus „Der Hahn ist tot“ weiß. Zudem besteht die Gefahr, dass einem der Lesespaß bei „Der Hahn ist tot“ durch manche Details aus der „Apothekerin“ verdorben wird, denn Rosi Hirte gibt ein paar Einzelheiten preis, die recht bedeutsam für den Handlungsverlauf ihrer Geschichte sind – im letzten Drittel wird sogar ein Teil des Ausgangs dieser Geschichte verraten. Auch wenn die Bücher grundsätzlich voneinander unabhängig zu lesen sind, ist es deswegen dringend anzuraten, sich erst „Der Hahn ist tot“ zu widmen und anschließend zur Lebensbeichte von Hella Moormann zu greifen.

Irritierend ist außerdem Hellas Reaktion auf einen positiven Schwangerschaftstest, den sie erst vom Arzt überprüfen lassen will. Dass ein Test fälschlich negativ ausfällt, kommt schon mal vor, entweder weil man zu früh getestet hat oder sich das Schwangerschaftshormon erst später in ausreichender Menge bildet. Dass umgekehrt das Hormon vorhanden ist, obwohl man nicht schwanger ist, ist praktisch nicht möglich, außer bei seltenen Tumoren, die das Hormon ebenfalls produzieren, oder bei einer unbemerkten Fehlgeburt im frühen Stadium. So wie die Protagonistin hier spricht, klingt es, als sei es gar nicht mal selten, dass falsch positive Teste vorkommen, was so nicht stimmt. Gerade weil Hella Moormann selber Apothekerin ist, also das nötige Fachwissen besitzt, stört diese Ungenauigkeit.

_Unterm Strich_ hat man es hier mit einem vergnüglich-spannenden Krimi zu tun, der vor allem weibliche Leser mit Spaß an schwarzem Humor begeistern wird. Kleine Parallelen zu Nolls anderen Romanen schwächen den Gesamteindruck zwar ein klein wenig, der aber trotzdem insgesamt sehr überzeugend ist.

_Die Autorin_ Ingrid Noll wurde 1935 als Tochter eines Arztes in Shanghai geboren. Mit 14 Jahren siedelte sie mit ihrer Familie nach Deutschland über, wo sie in Bonn Germanistik und Kunstgeschichte zu studieren begann. Erst im Alter von 55 Jahren veröffentlichte sie mit „Der Hahn ist tot“ ihren ersten Roman, der sofort die Bestsellerlisten stürmte. Es folgten weitere Werke, allesamt humorvolle Krimis, die sich meist um mordende Alltagsfrauen drehen, u. a.: „Die Häupter meiner Lieben“, „Selige Witwen“, „Röslein rot“. Mehrere ihrer Bücher wurden bereits verfilmt.

Zatz, André / Halaban, Sergio – Hart an der Grenze

Neben den beiden Branchenprimussen [„Die Säulen der Erde“ 3072 und „Kampf um Rom“ hatte es „Hart an der Grenze“ auf der Liste der Neuveröffentlichungen vom |Kosmos|-Spieleverlag in diesem Jahr ziemlich schwer und wurde vor allem auf der Messe in Essen kaum beachtet. Dabei hätte das kurzweilige Spiel aus der Feder von André Zatz und Sergio Halaban definitiv etwas mehr Aufmerksamkeit verdient, denn auch wenn hier (im Gegensatz zu den genannten Titeln) keine Materialschlacht ausgetragen wird, so überzeugt „Hart an der Grenze“ immer noch durch eine gelungene, wenn auch auf ähnliche Art und Weise bereits bewährte Spielidee, die besonders in der größeren Gruppe ein echter Garant für langen Spielspaß ist.

_Spielidee_

Im mexikanischen Grenzgebiet kann man so manche illegale Ware erstehen. Seien es nun goldene Statuen, zollpflichtige Zigarren oder eben doch hochprozentiger Tequila – die Bandbreite der verbotenen Güter, die man zwischen Krügen, Maracas und Sombreros über die Grenze schmuggeln kann, ist recht groß und lädt geradezu dazu ein, den Zöllner zu betrügen, schließlich winkt jenseits der Grenze ein satter Erlös. Aber wehe, man wird vom Sheriff erwischt! Dann nämlich werden die Waren beschlagnahmt und der Schmuggel mit einer empfindlichen Geldstrafe belegt. Es sei denn, der Sheriff lässt sich mit Hilfe von ein wenig Kleingeld vom Gegenteil überzeugen …

_Spielmaterial_

• 100 Geldscheine in den Werten von 1-100 Dollar
• 139 Warenkarten
• 1 Übersichtskarte
• 6 Spielsteine Beschlagnahme
• 6 Spielsteine Zusatzkontrolle
• 6 verschiedene Reisekoffer
• 1 Sheriff-Stern

Bei den Spielmaterialien haben sich die Entwickler nicht lumpen lassen, wobei natürlich zunächst die schmucken Blechdosen (Reisekoffer) ins Auge stechen, auf denen neben verschiedenen Mustern auch eine Catan-Hommage abgebildet ist. Dem entgegen ist das Spielgeld eher mäßig aufgemacht und erinnert qualitativ leider an das schnell abgenutzte Zahlungsmittel von „Monopoly“. Auch der Sheriff-Stern, der an einer Wäscheklammer haftet, ist eher mäßig verarbeitet und wird mit Sicherheit auf lange Sicht kein ständiger Begleiter sein. Spielsteine und Karten sind indes qualitativer |Kosmos|-Standard, weshalb es diesbezüglich auch nichts zu meckern gibt.

_Spielziel_

Das Ziel des Spiels ist ganz einfach definiert; es gilt, so viele Waren wie möglich legal oder illegal über die Grenze zu bringen und sich an den entsprechenden Zahltagen dafür entlohnen zu lassen. Wer nach insgesamt drei Runden die meisten Dollars verdient hat, gewinnt das Spiel.

_Vorbereitungen_

Die Warenkarten werden gründlich gemischt und verdeckt auf den Tisch gelegt. Jeder Spieler zieht nun fünf Karten, die anschließend sein Handkontingent bilden. Weiterhin bekommt jeder 30 Dollar, einen Reisekoffer sowie einen roten Spielstein „Beschlagnahme“. Sollten fünf oder sechs Spieler an der Partie beteiligt sein, wird außerdem noch an jeden Spieler jeweils ein weißer Spielstein „Zusatzkontrolle“ ausgegeben. In die Mitte des Tisches wird nun noch die Übersichtstafel für alle Spieler klar sichtbar ausgelegt. Anschließend wird der ehrlichste Spieler bestimmt, der dann den Sheriff-Stern erhält und somit zum Startspieler erklärt wird.

_Die Warenkarten_

Die Warenkarten sind das wichtigste aktive Spielmittel in „Hart an der Grenze“ und werden unterteilt in legale und illegale Waren. Ihr Status ist entscheidend für den Fall, dass man beim Schmuggeln erwischt wird, denn wenn man falsch bezichtigt wird, erhält man für den legalen Transport der zuvor angesagten Warenkarten eine finanzielle Entschädigung. Andererseits fällt die Strafe für fälschlich angesagte legale Waren nicht ganz so empfindlich aus. Wird man indes beim Schmuggel von Zigarren, Tequila oder einer Status erwischt, ist die Strafe richtig saftig.

Genau umgekehrt sieht es natürlich mit dem Wert aus; illegale Waren machen sich bei den Abrechnungen zum Schluss einer Runde viel besser und bringen einen weitaus höheren Erlös. Sombreros, Maracas und Krüge hingegen sind nicht so gefragt und werden dementsprechend schlechter bezahlt.

Auf den Karten sowie auf der Übersichtstafel steht noch einmal genau aufgelistet, welche Strafen/Entschädigungen fällig sind, wenn der Sheriff den Schmuggler durchsucht.

_Der Spielverlauf_

Der Verlauf eines Spiels ist abhängig von der Spielerzahl. „Hart an der Grenze“ kann von drei bis sechs Spielern gespielt werden, wobei eine wachsende Spielerzahl auch die Spielzeit verlängert, weil nämlich jedwede Variante über genau drei Runden geht und jeder Spieler pro Runde einmal die Rolle des Sheriffs übernommen haben muss.

Eine Runde ist dabei so aufgebaut, dass von Spielzug zu Spielzug der Sheriff-Stern an den linken Nachbarn weitergegeben wird, bis ihn schließlich jeder einmal getragen hat. Sobald der Stern einmal reihum durchgelaufen ist, folgt eine Wertung, in der jeder Spieler nun seine geschmuggelten Gegenstände verkaufen kann. Er hat jedoch die Möglichkeit, pro Runde bis zu drei Gegenstände zurückzuhalten, die er eventuell zum Ende für den doppelten Wert verkaufen kann. Allerdings muss er hierbei (mit einem Blick auf die Übersichtstafel in seinem Reisekoffer) beachten, dass am Schluss nur eine vorgeschriebene Gesamtzahl der verschiedenen Waren zum doppelten Preis abgesetzt werden kann und man eventuell auf seinen Waren sitzen bleibt.

_Ein Spielzug_

Vor jedem Zug füllen die Spieler ihr Handkartenkontingent wieder auf den Anfangswert von fünf Karten auf. Der Sheriff-Spieler steckt sich den Stern an die Brust und legt seine Handkarten verdeckt ab, weil er sie in diesem Zug nicht mehr brauchen wird. Dann wählen die anderen Spieler eine bis fünf Karten aus ihrer Hand aus und legen sie geheim in ihren Koffer, der daraufhin wieder verschlossen wird. Beginnend beim Spieler links neben dem Sheriff sagt nun jeder an, wie viele Warenkarten er in den Koffer gelegt hat, ganz unabhängig davon, ob dies auch der Wahrheit entspricht. Weiterhin darf er nur eine Warenart (und dazu natürlich eine legale) ansagen. Befinden sich zum Beispiel zwei Krüge und zwei Maracas in seinem Koffer, sagt er lediglich die beiden Krüge oder eben die Maracas an.

Sobald alle Spieler ihre Waren angesagt haben, muss sich der Sheriff für einen von ihnen entscheiden und ihm den Befehl erteilen, seinen Koffer zu öffnen. Natürlich wählt er dabei den Spieler mit der unglaubwürdigsten Ansage aus. Dieser muss nun alle Karten aus seinem Koffer nehmen und sie dem Sheriff zur Kontrolle reichen. Allerdings kann er dem auch vorbeugen, indem er mit dem Sheriff über ein Bestechungsgeld verhandelt, welches ihn eventuell vor Schlimmerem bewahrt. Dies ist auch die einzige Möglichkeit für den Sheriff, in dieser Runde zu Geld zu kommen. Lässt sich der Sheriff darauf ein, wird der vereinbarte Betrag gezahlt und der Zug beendet. Kommt es hingegen tatsächlich zur Kontrolle, wird der Wahrheitsgehalt der Ansage überprüft und danach entweder Straf- oder Entschädigungsgeld gezahlt. Bei einer Übereinstimmung mit der Ansage darf der Spieler alle transferierten Waren behalten und hinter seinen Koffer legen. Sollte er betrogen haben, muss er die falsch angesagten Wagen auf den Ablagestapel legen. Alle Gegenstände, die jedoch mit der Ansage übereinstimmten, dürfen ebenfalls hinter den Koffer gelegt und behalten werden. Wenn der Sheriff sich allerdings nicht sicher sein sollte, ob überhaupt jemand gesetzeswidrig gehandelt hat, kann er auch ganz auf die Kontrolle verzichten.

Der Sheriff hat zudem noch eine einmalige Zusatzoption. Glaubt er, dass ein Mitspieler extrem viele Waren bei der Ansage verschwiegen hat, kann er seinen „Beschlagnahme“-Spielstein einsetzen, die im Koffer abgelegten Karten des Spielers durchsehen und alle falsch angesagten Waren zu den bereits gesammelten Waren hinter seinen Koffer legen. Die Karten, die mit der Ansage des Gegners übereinstimmten, bleiben auch in dessen Besitz. Beim Spiel zu fünft oder sechst darf der Sheriff außerdem einmalig eine Zusatzkontrolle durchführen und bei dringendem Tatverdacht eine zweite Kontrolle bei einem anderen Spieler durchführen.

Nach beiden Aktionen wandern die Spielsteine im Anschluss in die Spielschachtel zurück und können in der laufenden Partie nicht mehr verwendet werden.

_Das Ende einer Runde_

Sobald jeder Spieler einmal den Posten des Sheriffs bekleidet hat, ist eine Runde zu Ende. Die Spieler entscheiden nun, ob sie alle Waren sofort verkaufen möchten oder doch lieber noch den einen oder anderen Gegenstand für später bewahren wollen, weil er eventuell noch zum doppelten Preis verkauft werden könnte. Sollte er einen solchen Entschluss fassen, werden diese Karten – maximal drei pro Runde – bis zum Spielende unter dem Reisekoffer aufbewahrt. Die restlichen Waren werden anschließend gegen Bargeld umgetauscht und auf den Ablagestapel gelegt.

Dann wird die nächste Runde eingeläutet, und zwar vom ärmsten Spieler, der nun entscheiden darf, wer in der nächsten Runde als Erster den Sheriff mimen darf. Letzterer steckt seinen Stern an, die übrigen füllen ihre Handkarten auf, und das Procedere wiederholt sich.

_Spielende_

Nach genau drei Runden, in denen jeder jeweils einmal (im Spiel zu dritt jeweils zweimal) Sheriff gewesen ist, endet das Spiel sofort. Die anschließende Wertung ist ein wenig umfassender, weil jetzt nicht nur wie gehabt die neuen Schmugglerwaren in Bargeld umgesetzt werden, sondern auch noch entschieden wird, wer seine zurückgelegten Waren zum doppelten Preis verkaufen darf. Je nach Spielerzahl ist dies genau festgelegt. Beginnend mit jeweils demjenigen, der von einer Warenart die meisten Anteile besitzt, wird nun der Verkauf betrieben. Wird die Maximalmenge von ihm bereits erreicht, darf kein anderer mehr die betreffenden Waren verkaufen. Ansonsten geht es reihum weiter, bis die zulässigen Höchstwerte erreicht werden.

Als Letztes wird nun der Gesamtbetrag des erwirtschafteten Geldes gezählt und der Sieger – natürlich der mit dem besten Kontostand – ermittelt.

_Meine Meinung_

„Hart an der Grenze“ ist vom Prinzip her ein sehr schlichtes Spiel, in dem es nicht nur darum geht, den Sheriff durch cooles Bluffen in die Irre zu führen, sondern dabei auch noch möglichst viele Waren unangekündigt über die Grenze zu schmuggeln, wobei der Schwierigkeitsgrad je nach Spielmodus doch weit auseinanderklafft. Bei maximaler Spielerzahl ist es zum Beispiel recht einfach, des Öfteren auch illegale Waren in seinen Koffer zu packen, wohingegen die Drei-Spieler-Variante wegen der 50:50-Chance des Sheriffs schon gewieftes Taktieren voraussetzt, weil man natürlich statistisch öfter kontrolliert wird.

Dies ist aber auch der Grund, warum „Hart an der Grenze“ bei der Mindestspielerzahl nicht ganz so viel Spaß macht wie bei fünf oder sechs Mitwirkenden, wo außerdem noch weitere Optionen wie etwa der Spielstein „Zusatzkontrolle“ genutzt werden darf. Es ist nämlich in diesem Spiel auch so, dass man nicht nur die Reaktion des Sheriffs berücksichtigen, sondern sich auch intuitiv in die übrigen Gegenspieler hineinversetzen muss, um so abzuschätzen, welcher Bluff im nächsten Spielzug angebracht ist – und das macht die Sache bei jedem weiteren Spieler noch interessanter, aber eben auch schwieriger.

Umgekehrt ist der Sheriff natürlich auch immer wieder in der Bredouille. Bei maximal fünf Gegenspielern hat er zahlreiche Möglichkeiten und gerät dabei auch unter Druck, bloß keinen falschen Verdacht zu äußern, weil es sicherlich in jeder Runde Mitspieler gibt, die bei ihren Ansagen der Wahrheit fernbleiben. Dies ist bei drei Spielern wiederum nicht so schlimm, denn wie bereits erwähnt, die Chancen stehen hier 50:50, es sei denn, keiner der Gegner hat sich dazu entschlossen, illegal zu handeln.

Aber mal abgesehen von der Spielerzahl macht „Hart an der Grenze“ auf jeden Fall richtig Spaß und zeichnet sich abgesehen von der witzigen graphischen Gestaltung der Spielmaterialien vor allem durch ein hohes Maß an Kommunikationsaktivität aus. Richtig schön wird dies, wenn der erwischte Schmuggler den Sheriff mit Bestechungsgeld schmieren möchte, woraufhin meist eine hitzige, von Humor geprägte Diskussion entbrennt, die dem Spiel das nötige Feuer verleiht. Zwar ist die Spieltiefe recht begrenzt, weil der Ablauf sich von Partie zu Partie immer recht stark ähneln wird, und dennoch gilt es immer wieder von neuem, seine Gegner zu analysieren und ihnen einige Zweifel zu entlocken, die sie beim Falschspiel entlarven.

Dass „Hart an der Grenze“ nicht so groß angepriesen wurde wie meinetwegen „Die Säulen der Erde“, ist aufgrund des teils bekannten Spielablaufs natürlich verständlich, doch verstecken muss sich dieses lustige, unterhaltsame Spiel sicher nicht. Zum entspannenden Abschluss oder zur Auflockerung eines monumentalen Spieleabends ist dieses Spiel wegen seines simplen, leicht verständlichen Prinzips jedenfalls fabelhaft geeignet.

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Twain, Mark / Brac, Claudius – Tom Sawyer und Huckleberry Finn – Folge 2 (Europa-Originale 18)

_Besetzung_

Erzähler – Hns Paetsch
Becky – Regine Lamster
Tom Sawyer – Florian Kühne
Huckleberry Finn – Wolf Schenke
Indianer-Joe – Horst Fleck
Der Alte – Heinz Fabian
Walliser – Walter Petersen
Mrs. Douglas – Heike Kintzel
Volksmenge, Jungen und Mädchen

_Story_

Nachdem Indianer-Joe als Mörder entlarvt wurde, jedoch noch vor Gericht die Flucht angetreten hat, lebt Tom Sawyer in steter Angst, wohl wissend, dass der Verbrecher Tom wegen seiner Aussage noch belangen möchte. Unterdessen suchen Huckleberry Finn und Tom nach einem geheimnisvollen Schatz, den auch der berüchtigte Indianer entdeckt hat. Auch Becky hat sich den beiden Jungs angeschlossen und befindet sich gemeinsam mit Tom mitten im Schatz-Labyrinth, als Indianer-Joe und sein Helfershelfer den Schatz bergen wollen. Als den beiden Ganoven die frischen Spuren im Versteck auffallen, werden sie misstrauisch und wissen nun, dass sie nicht die Einzigen sind, die von dem Schatz wissen. Von nun an ist Tom gleicht doppelt in der Klemme: Zum einen hat Indianer-Joe seine Rachepläne noch nicht vergessen, und zum anderen ist Tom dem Schurken in der Enge des Labyrinths schutzlos ausgeliefert. Nun liegt es an Huckleberry, der außerhalb des Eingangs Wache schiebt, Tom aus seiner misslichen Lage zu befreien und Indianer-Joe ein für allemal das Handwerk zu legen.

_Meine Meinung_

Im zweiten Teil der Geschichte befinden sich die beiden Jugendlichen mit einem Mal in großer Gefahr. Keiner von ihnen hätte gedacht, dass Indianer-Joe sich dem Richterspruch entziehen könnte, und somit bereut vor allem der junge Sawyer, sich öffentlich gegen den offenkundigen Mörder gestellt zu haben. Es ist an ihm, aus der Stadt zu fliehen und sich in Sicherheit zu bringen, doch seine Liebe zu Becky lässt ihn nicht weiter über diesen Plan nachdenken.
So werfen sich Tom und Huck direkt ins nächste Abenteuer und entdecken dabei einen wertvollen Schatz.

Doch sie sind erneut nicht allein, denn wiederum kommt ihnen der fiese Indianer-Joe in die Quere und offenbart in ihrem verborgenen Beisein die Rachepläne an Tom und der Douglas-Witwe. Erschrocken von der kompromisslosen Art des Verbrechers, überlegt Sawyer weiter, ob es nicht besser wäre, vor dem ausstehenden Anschlag zu fliehen, doch wiederum ist es Becky, die ihn unbewusst zurückhält. Ihre Anwesenheit ermutigt ihn, sich der Konfrontation zu stellen und selbst unliebsame Konsequenzen in Kauf zu nehmen. Die junge Miss Thatcher, die Tochter des Richters, weiß aber noch nicht, auf welch gefährliches Spiel sie sich einlässt, als sie Tom erneut in das finstere Labyrinth folgt, und gerät unschuldig in eine Falle, bei der nichts sicherer als der Tod zu sein scheint – schließlich macht der gemeine Joe keine halben Sachen.

Tatsächlich ist die zweite Episode des 1967 eingespielten Hörspiels von „Tom Sawyer und Huckleberry Finn“ (mit dem Untertitel „… auf gefährlicher Entdeckungsfahrt“) noch einmal eine Steigerung zur bereits durchweg überzeugenden ersten Folge. Prinzipiell sind die Unterschiede dabei nur minimal und konzentrieren sich vorwiegend auf den erhöhten Spannungsanteil, der in diesem Fall von der erheblich gefährlicheren Ausgangslage herrührt. Nun nämlich weiß Indianer-Joe von den beiden herumstreunenden Jungen und ist bereit, Tom Sawyer trotz seiner Jugend ohne jegliche Gewissensbisse auszulöschen. Und da weiß er noch nicht, dass der Knabe auch dieses Mal wieder in seinen Plänen herumpfuscht. So entwickelt sich nach und nach ein spannendes Abenteuerdrama mit einigen überraschenden Wendepunkten, einer prima inszenierten Handlung und gut aufgelegten Sprechern, bei denen vor allem die Rollen der beiden Jungen gut besetzt sind.

Schön ist auch der stringente Aufbau. Das Erzähltempo wurde noch einmal gehörig gesteigert, und dennoch bleibt genügend Raum für mehrere parallel laufende Handlungsstränge, die wiederum für ein Mehr an Spannung bürgen. Letztendlich ist Claudius Brac mit diesem kurzweiligen Hörspiel eine sehr schöne Adaption von Mark Twains weltberühmter Romanvorlage geglückt, die meines Erachtens ebenfalls zu den Highlights der „Europa-Originale“-Reihe zu zählen ist.

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James, Peter – Stirb schön

Mit „Stirb schön“ veröffentlicht Peter James den zweiten Roman rund um Roy Grace, der bereits in „Stirb ewig“ einen grausigen Fall zu lösen hatte. Peter James ist von Haus aus eigentlich Filmproduzent und versteht es vielleicht auch deshalb besonders gut, seine Leser von der ersten bis zur letzten Seite zu fesseln, ohne sein Publikum zu Atem kommen zu lassen.

Das vorliegende Buch beginnt mit einem Paukenschlag; gleich im ersten Satz lernen wir Janie Stretton kennen, eine wunderschöne und intelligente Jurastudentin, die nebenbei für einen Begleitservice gearbeitet hat. Noch im ersten Absatz teilt James uns mit, dass Janie nicht mehr lange zu leben hat, denn wir begegnen ihr am letzten Tag ihres Lebens. Gleich von Beginn an ist die Zielrichtung also klar. Bevor allerdings Janie ihrem Mörder begegnet, lernen wir auch Tom Bryce kennen, der ein eigenes Unternehmen leitet, das finanziell in der Krise steckt. Doch das ist nicht die einzige Sorge, die Tom quält, denn der Umzug in ein teures neues Heim und die eBay-Sucht seiner geliebten Frau Kellie treiben Tom noch weiter in den Ruin. Hinzu kommen die nervige Pendelei im überfüllten Zug und der fette Mann, der ihm dieses Mal gegenüber sitzt und ganz besonders lautstark telefoniert. Als der dicke Mann aussteigt, bemerkt Tom, dass dieser eine CD-ROM vergessen hat. Tom nimmt diese an sich, ahnt allerdings noch nicht, dass er sich damit viel Ärger eingehandelt hat …

Als Tom Bryce abends besagte CD-ROM in seinen Laptop einlegt und startet, wird er live Zeuge, wie Janie Stretton von ihrem Mörder brutal abgeschlachtet wird. Tom ist schockiert, glaubt jedoch zunächst, einen besonders realistischen Filmtrailer gesehen zu haben. Kurze Zeit später wird ein menschlicher Torso gefunden, der Kopf bleibt jedoch verschwunden. Detective Superintendent Roy Grace beginnt seine Ermittlungen und findet bald heraus, dass es sich bei der ermordeten jungen Frau um Janie Stretton handelt. Nach und nach taucht er in den Fall ein und kommt langsam, aber sicher den Mördern näher, die ihre grausige Tat live ins Internet übertragen haben.

Schneller, als ihm lieb ist, muss Tom Bryce erkennen, dass er nicht nur einen Filmtrailer, sondern einen realen Mord gesehen hat, denn er bekommt Drohmails, die anschließend seine Festplatte löschen. Als er seiner Frau Kellie von diesen erschreckenden Ereignissen erzählt, rät sie ihm, entgegen der Forderung des unbekannten Mailabsenders doch zur Polizei zu gehen. So gibt Bryce sich bei der Polizei schließlich als Mordzeuge zu erkennen, wird diesen Schritt allerdings noch bitter bereuen …

Peter James hat mit „Stirb schön“ einen rasanten und spannenden Thriller vorgelegt, der seine Leser von der ersten bis zur letzten Seite zu fesseln weiß. Von Anfang an legt James ein Tempo vor, dem der Leser sich nicht entziehen kann. Dabei macht er verschiedene Handlungsebenen auf, auf denen sich später die Ereignisse abspielen werden. Ein Schauplatz rankt sich um Tom Bryce und seine Familie sowie seine familiären Probleme. Obwohl er seine Frau über alles liebt, erkennt Bryce doch auch auftauchende Schwierigkeiten, die insbesondere finanzieller Art sind, da seine Frau ihm zuletzt einen mehrere tausend Dollar teuren Grill ersteigert hat.

Eine weitere Erzählebene widmet sich dem Ermittler Roy Grace, dessen Frau Sandy vor einigen Jahren spurlos verschwunden ist. Seitdem sucht Grace verzweifelt nach Spuren, die ihn zu seiner Frau führen könnten. Sobald ein bekanntes Medium die Stadt bereist, besucht er die Aufführung und versucht dort ebenfalls, die Gründe für das Verschwinden seiner Frau zu ergründen. Doch nun hat Grace sich neu verliebt und lässt sich auf Anraten seines Kollegen neu einkleiden, um die angebetete Cleo zu beeindrucken. Und tatsächlich wird das erste Date ein voller Erfolg, nur leider muss Grace später erfahren, dass er offensichtlich nicht der einzige Mann in Cleos Leben ist. Im Laufe der Geschichte kann Roy Grace beim Leser jede Menge Sympathiepunkte sammeln und wird so zu einer hoffentlich festen Größe in Peter James‘ Spannungsromanen.

Aber auch die Ermittlungen selbst nehmen natürlich einen großen Raum im Buch ein. Ein wichtiger Punkt ist hierbei Tom Bryces Laptop, auf dem Spuren nach den unbekannten Betreibern der Snuff-Homepage gesucht werden. Die Polizei lässt ihre besten Computerspezialisten ans Werk gehen, doch auch diese stehen dem Laptop ziemlich ratlos gegenüber. Auch Janie Strettons bewegtes Leben wird genau unter die Lupe genommen, wobei die Polizei recht bald auf einen Freier stößt, mit dem Janie in der Zeit vor ihrem Tod mehrere Verabredungen hatte und der dadurch zu einem der Verdächtigen wird. Ein großes Rätsel stellt auch der tote Skarabäus dar, der in der Leiche gefunden wird. Was will der Mörder damit sagen?

Während die Polizei lange Zeit im Dunkeln tappt, nähern die Verbrecher sich mit rasenden Schritten Tom Bryce und seiner Familie, die immer wieder bedroht werden und ganz offenbar im Zielkreuz stehen. Am Ende ist die Polizei so verzweifelt, dass sie sogar ein Medium zurate ziehen, das per Auspendeln bei der Auflösung des Mordfalles helfen soll.

Peter James eröffnet zahlreiche Handlungsstränge, zwischen denen er in rasantem Tempo hin- und herschaltet, um die Spannung immer weiter zu steigern. Zwischendurch kann man allerdings leicht den Überblick über alle ermittelnden Polizeibeamten verlieren, die größtenteils mit familiärem Anhang vorgestellt werden, sodass ich mir nur einen Bruchteil der Figuren überhaupt merken konnte. In Anbetracht des eher geringen Buchumfangs hätte Peter James sich durchaus auf einige wenige Ermittler beschränken und diese umso besser vorstellen können. Aufgrund der Fülle der auftauchenden Figuren erhalten nur die wichtigsten ein eigenes Profil, auf die anderen Charaktere hätte man daher größtenteils auch gut verzichten können.

Insgesamt bleibt aber definitiv ein positiver Gesamteindruck zurück, da Peter James es ausgesprochen gut versteht, seine Leser ans Buch zu fesseln und gekonnt zu unterhalten. „Stirb schön“ reicht sicherlich nicht an großartige Thriller wie „Das Schweigen der Lämmer“ und Co. heran, dennoch habe ich das Buch sehr gerne gelesen und werde mit Sicherheit wieder zu einem Buch von Peter James greifen. „Stirb schön“ ist genau das Richtige für dunkle, verregnete und ungemütliche Winterabende, bei denen man es sich mit einem spannenden Buch auf dem Sofa gemütlich machen möchte.

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