Archiv der Kategorie: Rezensionen

Shocker, Dan – Sumpfhexe, Die (Larry Brent 29)

_Lebende Leichen_

In dem kleinen österreichischen Ort Moolstadt erwachen kürzlich Verstorbene wieder zum Leben. Dabei versuchen sie, ihr altes Leben wieder aufzunehmen, doch das neue Leben währt nur kurze Zeit und die lebenden Leichen sterben für immer. Larry Brent befindet sich auf der Durchreise nach Budapest, als er auf die merkwürdigen Vorkommnisse aufmerksam wird und beschließt, den Fall aufzuklären. Allzu bald wird er selbst zum Zeugen des grausigen Geschehens und die Angst der Bewohner ist fast körperlich zu fühlen. Hinzu kommt das mysteriöse Verschwinden der Hunde von Moolstadt. Der PSA-Agent steht vor einem Rätsel. Dann geschieht der erste Mord …

Unheimlich beschreibt Dan Shocker das Erwachen der Leichen und die Angst der Bewohner vor einem Fluch. Die bedrückende Atmosphäre überträgt sich unwillkürlich auf den Leser und auch wenn die Leichen nicht aggressiv gegenüber den Lebenden auftreten, verbreitet das unheimliche Wiedererwachen ein Gefühl des Schauderns. Besonders als das ertrunkene Mädchen an die Tür ihrer Pflegemutter klopfte, war sehr gruselig.

Die beginnende Hysterie der Stadtbewohner wurde ebenfalls treffend dargestellt und gekonnt beschreibt der Autor, wie die Angst umschlägt in Wut, als die Menschen endlich glauben, einen Schuldigen gefunden zu haben, den sie für die Geschehnisse verantwortlich machen können. Somit beinhaltet der Roman auch einen Hauch Gesellschaftskritik.

Der Urheber des Grauens ist dieses Mal auch kein abgrundtief bösartiger Charakter oder ein menschenverachtendes Individuum, sondern ein fehlgeleiteter Mensch mit durchaus noblen Gesinnungen.

Der Schreibstil ist zu beginn ein wenig holprig, bedingt durch die schnellen Szenenwechsel, wird aber schnell flüssig und rasant, obwohl die Story mit Action sehr sparsam umgeht. Aber gerade das ist eine Stärke des Romans, der sich hauptsächlich auf eine düster-unheimliche Stimmung konzentriert.

Unverständlich bleibt Larrys Verhalten, extra ein Telefongespräch nach New York anzumelden, um Bericht zu erstatten. Den hätte er auch mit seinem PSA-Ring durchgeben können, zumal er sowieso einen Rückruf abwarten musste. Auch seine Laserwaffe hatte der Agent scheinbar zu Hause gelassen, denn bei der Belagerung der Burg seines alten Freundes
durch die Bewohner von Moolstadt hätte er sich mit der Pistole zumindest Respekt verschaffen können. Doch die Smith & Wesson-Laser wird nicht mal erwähnt.

Fazit: Ein unheimlicher, spannender Thriller, weitab von gängigen Zombie-Klischees mit einer raffinierten Hintergrundgeschichte und nur kleinen Schwächen und Ungereimtheiten.

_Machetta – Sumpfhexe vom Mississippi_

Als Larry Brent mit einer Bekannten zusammen in einem Taxi durch New York fährt, läuft ein Passant vor den Wagen, entkommt aber scheinbar unversehrt. Brent findet die Brieftasche des vermeintlichen Unfallopfers und erfährt, dass es Perry Wilkinson heißt. Der PSA-Agent beschließt am nächsten Tag, den Mann aufzusuchen, um zu sehen, wer einen Autounfall so unbeschadet zu überstehen vermag. Doch Wilkinson wiegelt den Agenten ab und auch ein Vertreter, der Wilkinson aus Schultagen her kennt, wird von diesem barsch abgewiesen. Larry trifft diesen Vertreter zufällig am selben Abend in einem Restaurant wieder, wo er Larry von dem seltsamen Geschehen berichtet. Der Vertreter macht sich auf der Toilette frisch, wo ihn Larry später erwürgt auffindet. Doch niemand konnte unbemerkt in die verschlossene Kabine hineingelangen.

Kurz darauf wird auch Larrys Schwester Opfer eines geisterhaften Anschlags. Ein nebelhafter Schemen versucht, die Schauspielerin in ihrer Garderobe zu erdrosseln. X-Ray-3 kommt gerade noch rechtzeitig, um das Schlimmste zu verhindern, doch ab jetzt steht der Agent selbst auf der Abschussliste von – Machetta …

Der Roman beginnt mit der Szenerie in New York noch etwas zäh und schleppend, gewinnt aber im Verlauf des Romans an Tempo und das Rätsel um Perry Wilkinson verleiht dem Roman etwas Mysteriöses.

Die Handlung um das Ausreißerpaar, welches im Sumpf eine verlassene, mit Totenschädeln geschmückte Hütte findet, ist dagegen von Anfang an spannend und beschreibt eine düstere, drückende Sumpfatmosphäre. Die Szenen, in denen die beiden jungen Leute das scheinbar verlassene Haus erkunden und das Mädchen eine mumifizierte Leiche findet sowie der Kampf mit der eigentlichen Bewohnerin erinnern stark an Filme wie „Wrong Turn“ oder „Texas Chainsaw Massacre“. Wie die Sumpfhexe ihre Opfer ins Jenseits befördert und die Schädel aushöhlt, um damit ihre Hütte zu schmücken, und zudem noch in der Lage ist, den Leichenteilen der Opfer Leben einzuhauchen, ist ein echtes Stück Splatter-Horror.

Ein wenig zu zufällig ist allerdings die Begegnung Larrys mit dem Vertreter, den er am Vormittag erst vor der Wohnung von Wilkinson traf.

Das Finale, so kurz und schnörkellos es letztendlich auch ist, ist dennoch dramatisch und hochspannend.

Im Ganzen betrachtet ein Gruselkrimi, den zu lesen es sich lohnt.

Beide Geschichten sind flott und kurzweilig geschrieben und bieten dem Leser geradlinigen, echten Horror vom Feinsten.

Beide Storys wurden von Pat Hachfeld gekonnt illustriert und auch das vielfarbige Cover gehört zu den besten Titelbildern der Larry-Brent-Serie. Schon beim Originalroman fand dieses Cover Verwendung, und seitdem hat es nichts von seiner Faszination eingebüßt. Machetta vor ihrer Behausung und eines ihrer Opfer. Auch wenn diese Szene so im Roman nicht vorkommt, vermittelt es einen passenden Eindruck von der Handlung, die den Leser erwartet. Ein unheimliches und gruseliges Cover, bei dem die Angst dem armen Mann buchstäblich ins Gesicht geschrieben steht.

http://www.BLITZ-Verlag.de

_Florian Hilleberg_

David Morrell – Creepers

Das geschieht:

Sie nennen sich „Creepers“: Männer und Frauen, die es lieben, sich in möglichst alte, lange verlassene Tunnel, Gebäude und andere Großbauwerke einzuschleichen, wo sie zwischen bröckelnden Mauern nach Relikten vergangener Zeiten suchen. Robert Conklin, unorthodoxer Professor für Geschichte, ist der Anführer dieser Gruppe, die aus seinen Studenten Vincent Vanelli, Cora und Rick Magill besteht.

Zu ihrer aktuellen Tour hat Conklin den Reporter Frank Balenger eingeladen, denn sie gilt einem ganz besonderen Ziel: Ashbury Park, einst eine blühende Kleinstadt im US-Staat New Jersey, ist schon lange eine Ruinenstätte, über der sich wie eine antike Maya-Pyramide das Paragon-Hotel erhebt. 1901 hat es der exzentrische Millionär Morgan Carlisle entworfen und errichten lassen. Siebzig Jahre hat er das Penthouse des Hotels nicht verlassen, bis er in der letzten Nacht seines 92-jährigen Lebens daraus geflohen ist und sich umgebracht hat. David Morrell – Creepers weiterlesen

Diana Wynne Jones – Die Merlin-Verschwörung

Roddy lebt im königlichen Troß, mit dem sie ununterbrochen durch ganz Blest unterwegs ist. Das ist notwendig, denn die Aufgabe des Königs ist es, das Reich auf diese Weise gesund zu erhalten. Eigentlich hat Rhoddy mit ihrem Vagabundendasein kein Problem, wenn nur nicht die Familie ihres besten Freundes Grundo so fürchterlich wäre! Kein Wunder, daß Sybils Mann vor ihr geflüchtet ist!
Im Augenblick ist der königliche Hof auf dem Weg zu einem offenbar recht kitzligen Treffen mit dem schottischen König. Alles wurde akribisch vorbereitet, alles scheint perfekt. Bis der Merlin bei der Begrüßung unerwarteter Weise sterbend zusammenbricht. Eine Zeit lang geht alles drunter und drüber, und die Lage beruhigt sich erst, als Maxwell Hyde, Rhoddys Großvater väterlicherseits und ein mächtiger Magide, mit einem Nachfolger für den Merlin auftaucht. Dieser Merlin scheint jedoch irgendwie seltsam, und schon bald sind Rhoddy und Grundo einer riesigen Verschwörung auf der Spur. Aber niemand, dem sie davon erzählen, will ihnen glauben…

Derweil begleitet Nick seinen Vater auf einen Schriftstellerkonferenz nach London. Eigentlich findet er das alles furchtbar langweilig, aber nur, bis er sich plötzlich unvermittelt auf einem Flugplatz wiederfindet. Von ein paar Männern in Wildlederanzügen wird er in ein fremdartiges Fluggerät verfrachtet und nach Marseille geflogen, wo er erfährt, daß er für die Sicherheit in einem Krickettspiel sorgen soll, bei dem der Thronfolger mitspielt! Noch fremdartiger wird es, als er sich in einem Tunnel unter dem Stadion einfach auf den Boden setzt, weil er keine Ahnung hat, was er eigentlich tun soll. Kaum hat er sich niedergelassen, findet er sich in einem fremdartigen Wald wieder, wo er eine der bemerkenswertesten Begegnungen seines Lebens hat. Und plötzlich steckt er mitten in einem gefährlichen Abenteuer…

Wer aufgrund des Buchtitels irgendeinen entfernten Handlungsfaden im Zusammenhang mit der Artus-Sage vermutet, liegt also völlig daneben. Oder sagen wir, ziemlich daneben, denn Bezüge dazu gibt es durchaus, zum Beispiel im Hinblick auf den weißen und den roten Drachen oder Rhoddys Großvater mütterlicherseits.
Abgesehen davon jedoch ist die Geschichte eigenständig.
Diana Wynne-Jones arbeitet mit diversen Parallelwelten. Insgesamt sind es vier, wenn man Romanows Insel nicht mitzählt.
Eine davon ist unsere Realität, in der Nicks Dad lebt. Natürlich nicht ganz, denn immerhin stammt Nick, der ebenfalls dort lebt, aus einer anderen Parallelwelt. Da unsere Realität aber nur zu Beginn kurz auftaucht, ist das nicht weiter von Belang.
Die Hauptwelt, in der sich der größte Teil der Handlung, vor allem das Komplott, abspielt, ist Rhoddys Welt, genannt Blest. Zunächst wirkt diese Welt ein wenig irritierend. Hier existieren Magie und Technik in schönster Eintracht. Roddys Dad zaubert mithilfe von Magie für den König mal eben den Regen weg und läßt die Sonne scheinen, während ihre Mutter an ihrem Laptop arbeitet. Übliche Fortbewegungsmittel sind ganz normale Busse und Autos, telefoniert wird dagegen auf magische Weise. Nebenbei hat die Autorin in diese Welt den stärksten mythischen Anteil einfließen lassen, von Hexenmagie über das Kleine Volk bis hin zum walisischen Totengott.
Die Welt der Plantagenets, in der Nick seinen seltsamen Wachdienst im Krikettstadion schiebt, führt ebenfalls eher ein Randdasein. Sie bleibt von der Ausgestaltung her ziemlich blaß, was auch daran liegen mag, daß Nick sich hauptsächlich unterm Stadion aufhält und mit den beteiligten Leuten nur wenig spricht. Allein die Schilder in den Fenstern der Restaurants bringen ein wenig Farbe in diese Stelle, wahrscheinlich ein augenzwinkernder Seitenhieb auf französische Aussprache. Im übrigen dient diese Welt hauptsächlich der Vorbereitung auf die Figur Romanows.
Zuletzt wäre da noch Loggia, so benannt nach ihrem balkonartigen Aufbau innerhalb einer Schlucht. Obwohl Nick sich dort nicht länger aufhält als in der Welt Plantagenet, ist Loggia etwas ausführlicher und lebendiger beschrieben. Dennoch erhält der Leser auch hier nur einen Überblick, ins Detail geht die Autorin nicht.

Ihr Hauptaugenmerk liegt auf der Handlung. Und die ist leider etwas wirr geraten.
Das liegt nicht unbedingt daran, daß wir es hier mit verschiedenen Welten zu tun haben, sondern eher daran, daß die Autorin mit ihren Erklärungen äußerst sparsam umgeht. So steht der Leser zunächst mal etwas irritiert vor einer Handlung, die mit englischen Ortsbegriffen gespickt ist, aber ganz deutlich in keinem irgendwie bekannten England spielt! Der Mix aus Technik und Magie und das Umherziehen des Königs tragen ebenfalls ihr Teil dazu bei. Es dauert ein wenig, bis man sich eingelesen hat.
Auch als mit Nicks Auftauchen klar wird, daß es sich um Parallelwelten handelt, bleibt die Sache etwas konfus. So bin ich mir zum Beispiel nicht wirklich sicher, ob Nicks Dad ebenfalls von diesen Parallelwelten weiß, oder ob er nur deshalb Maxwell Hyde mit der Suche nach seinem Sohn beauftragt hat, weil der gerade neben ihm stand, als sein Sohn verschwand.
Damit sind wir schon beim nächsten Punkt. Die Autorin macht sich nicht die Mühe zu erklären, was ein Magide ist oder was er tut. Das wird dem Leser erst mit fortschreitender Lektüre klar, als Maxwell Hyde immer häufiger auftaucht. Auch erfährt der Leser nicht, um was für Geschöpfe es sich eigentlich bei den durchsichtigen Wesen handelt, die Rhoddy das erste Mal im Haus ihrer Großmutter auf ihrem Bett sitzen sieht.
Die Ortswechsel von Nick sind ebenfalls sehr unpräzise dargestellt. Einerseits sagt Nick, er könnte nicht allein von einer Welt in die andere wechseln, andererseits erzählt er nur wenige Absätze später, sein erster Wechsel zwischen den Welten sei ihm in einem Hotel gelungen! Falls die Autorin damit meinte, daß Nick einen solchen Wechsel nur unbewußt zustande bringt, dann hätte sie dies vielleicht erwähnen sollen.

Ein Knackpunkt ist auch Romanows Insel. Die Männer, mit denen Nick das Stadion bewacht hat, erwähnten, er hätte sich die Insel aus verschiedenen Welten und Zeiten zusammengebastelt und sich dort versteckt, damit ihn niemand finden könnte, vor allem nicht seine Ex-Frau. Nick findet ihn aber ohne größere Schwierigkeiten, nachdem er auf den Wegen zwischen den Welten drei Hilfesuchenden weitergeholfen hat. Nun mag man einwenden, daß Romanow bei ihrem Gespräch im Stadion Nick ja sozusagen eingeladen habe, der Trick also nur bei Feinden wirke. Dann frage ich mich aber, wie der Gebetsmeister aus Loggia es dorthin geschafft hat, noch dazu mit einem Fluggerät! Und wenn der es geschafft hat, warum hat Romanows Ex-Frau es dann nicht geschafft?
Und dann ist da auch noch das Problem mit der Zeit: Romanows Insel befindet sich im Verhältnis zu den anderen Welten zehn Jahre in der Vergangenheit. Als Nick in Loggia zum ersten Mal auf Joel und Japheth trifft, sind sie noch Kinder, kleiner als er. Beim Showdown sind sie bereits erwachsen. Nick ist dagegen immer noch vierzehn. – Nun hat Nick ja, nachdem Joel und Japheth von Romanows Insel verschwunden sind, noch einige Zeit dort verbracht. Und wenn man davon ausgeht, daß die Zeit an diesem besonderen Ort womöglich anders verläuft als anderswo, dann wäre es ja möglich, daß er nicht so sehr gealtert ist wie die beiden anderen Jungen. Seltsamerweise aber ist Grundos Schwester Alicia zum Zeitpunkt des Showdowns ebenfalls noch ein Kind!
Da fallen Unwahrscheinlichkeiten – zum Beispiel, daß der walisische Totengott mit einer Menschenfrau verheiratet war und eine Tochter und eine Enkelin hat – kaum noch ins Gewicht!

Das Erstaunliche an alledem ist, daß das Buch trotzdem unterhaltsam war. Nachdem sich zumindest ein Teil der Wirrnisse durch geduldiges Weiterlesen geklärt hatte, kam die Geschichte in Fahrt und gewann an Farbe. Dazu trugen nicht nur eigenwillige Tiere wie Helga, die Ziege, und Mini, die Elefantendame, bei, sondern auch die teilweise recht schrägen Charaktere, zum Beispiel Rhoddys Großmutter, ihre Zwillingscousinen oder ihre Tante Dora. Auch Maxwell Hyde gibt Anlaß zum Schmunzeln, wenn er sturzbetrunken zwischen den Welten unterwegs ist. Die übrigen Personen wirken eher etwas klischeehaft: Romanow ist der starke Mann, Sibyl die unerträgliche Schreckschraube, Nick der unfreiwillige Held und Rhoddy die weltrettende Kratzbürste. Das macht sie aber nicht weniger sympatisch. Wenn Nick wieder einmal frisch aufgewacht ist und sich bis zu seinem Kaffee wie eine totale Tranfunzel benimmt, hat er garantiert sämtliche Morgenmuffel auf seiner Seite!

Mit der „Merlin Verschwörung“ hat die Autorin ein Buch geschrieben, das durchaus interessante Ideen und eine vielversprechende Handlung vorweisen kann, die kurzweilig erzählt ist und gegen Ende zunehmend spannend wird. Nur die Ausführung hätte an einigen Stellen noch etwas präziser und detaillierter sein können. Das hätte sowohl den Einstieg erleichtert als auch einige Knackpunkte zutage gebracht, die so vielleicht vermieden worden wären.
Andererseits ist das Buch für eine Leserschaft von zwölf bis vierzehn Jahren geschrieben, und ich bin mir nicht sicher, ob für so junge Leser die Zeitproblematik überhaupt eine ist.
Wie auch immer man es dreht und wendet, das Buch hat ein wenig von seinem Potential verschenkt. Der Dalemark-Zyklus war besser durchdacht und sauberer aufgebaut.

Diana Wynne Jones lebt mit ihrer Familie in Bristol und gilt als die bedeutendste Jugendbuchautorin Groß-Britanniens. Viele ihrer Bücher erhielten angesehene Preise, u.a. den World Fantasy Award und den Guardian Award, wurden aber nicht alle ins Deutsche übersetzt. Außer dem Dalemark-Zyklus schrieb sie „Eine Frage der Balance“, „Einmal Zaubern – Touristenklasse“, und den Kinderbuch-Zyklus Die Welt des Crestomanci.

Taschenbuch 576 Seiten
Originaltitel: The Merlin-Conspiracy
Deutsch von Gabriele Haefs
ISBN-13: 978-3-404-20442-7

https://www.carlsen.de/?gclid=EAIaIQobChMI0O6uhMX63wIVTIuyCh115QFmEAAYASAAEgJLFvD_BwE/

Der Autor vergibt: (4.0/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (No Ratings Yet)

Hacker, Katharina – Habenichtse, Die

Katharina Hacker hat dieses Jahr den Deutschen Buchpreis für den besten deutschsprachigen Roman des Jahres für ihr Buch „Die Habenichtse“ erhalten. Das ist natürlich eine große Ehre, aber trägt die gebürtige Frankfurterin diesen Titel zu Recht?

Jakob hat Isabelle nie vergessen. Er hat nur einen Abend mit ihr verbracht, doch die junge, lebenslustige Frau hat sich in seinem Kopf und seinem Herzen festgebissen. Am 11. September 2001, als in New York die Türme zusammenbrechen, sehen sie sich wieder und nach einer kurzen Romanze heiraten sie und ziehen nach London, wo Jakob einen Job in einer Anwaltskanzlei angeboten bekommt.

Während er immer mehr Zeit im Büro verbringt, fasziniert von seinem neuen Chef, hat Isabelle, die als Grafikerin von zu Hause aus arbeitet, genug Zeit, um durch die Stadt zu streifen oder ihre Nachbarn zu beobachten. Da wären zum Beispiel der Dealer Jim, der in den Fängen seines Auftraggebers steckt und seiner Liebe Mae, der Isabelle ähnlich sieht, hinterherweint, und die Leute, die Wand an Wand mit Isabelle und Jakob wohnen. Was hat das Gepolter auf der anderen Seite zu bedeuten?

Der Leser weiß es längst, denn neben den Perspektiven von Isabelle, Jakob und Jim erfahren wir auch etwas aus dem Leben der kleinen Sara, die nach den Worten ihres Vaters zurückgeblieben ist und nicht wachsen will. Deshalb darf sie nicht in die Schule und muss die Quälereien ihres Vaters aushalten. Einzig ihr großer Bruder Dave kümmert sich um sie, doch Dave verschwindet und sucht Unterschlupf bei Jim …

Wenn man nach der letzten Seite von „Die Habenichtse“ gefragt werden würde, was denn nun im Buch passiert sei, würde man vermutlich erst mal eine Weile überlegen müssen. Die Stärken des Romans liegen eindeutig in einem anderen Bereich und es ist ebendieser, der das Buch wirklich auszeichnet.

Hacker hat ein unglaubliches Gespür dafür, wie sie Worte so platziert, dass sie ein kleines Universum bilden, in dem sich sowohl Protagonisten als auch Leser austoben können. Mit einer akribischen Detailiertheit, die aber nicht zu kleinteilig wirkt, und einem sicheren, reichhaltigen Stil erzählt sie in einem ruhigen Fluss aus dem Alltag ihrer Hauptpersonen. Dazu benutzt sie geradezu inflationär Bandwurmsätze, verkleidet als Reihungen, die sehr schön bildhaft darstellen, wie es im Leben der Protagonisten aussieht.

Unterfüttert wird dieser durchkomponierte, trockene Stil von weiteren Elementen wie Personifikationen oder treffenden Metaphern wie auf Seite 257:

|“Ich bin glücklich, wollte Jakob sagen, aber der Satz war wie ein Holzpüppchen, das man behutsam aufstellte und das sich doch nur einen Augenblick hielt, bevor es umkippte. Nicht schlimm, dachte Jakob, man kann es im Gleichgewicht halten, muß nur ganz leicht nachhelfen, mit einem Finger.“|

Auf den ersten Seiten hat man noch das Gefühl, die übliche junge deutsche Literatur vor sich zu haben, mit einem flappsigen Schreibstil und einer kühlen Distanz zu den Personen, aus deren Sicht erzählt wird, während man gleichzeitig schonungslos ihre Gedanken und Gefühle offenlegt. Hacker geht aber weit hinaus über diese Mode, indem sie „Die Habenichtse“ mit einer gewissen Reife ausstattet und das Buch ohne großartige Durchhänger auf über 300 Seiten bringt.

Doch innerhalb dieser über 300 Seiten bleibt ein Manko, das auch der Schreibstil nicht so einfach kaschieren kann: die Handlung und stellenweise auch die Handlungsmotive. Während die Protagonisten an und für sich wunderbar ausgearbeitet sind, mit einer Vergangenheit, mit Dingen aus ihrer Vergangenheit, die sie nicht vergessen können, und einer intensiv erlebten Gegenwart, bleiben einige ihrer Verhaltensweisen arg im Dunkeln. Gerade Jim, der Dealer, tut sich hier negativ hervor. Er ist natürlich ohnehin eine zwielichtige Figur, aber da wir innerhalb seiner Perspektive sehr viel über ihn erfahren, sollten wir eigentlich auch erzählt bekommen, wieso er Isabelle letztendlich so behandelt, wie er sie behandelt. Das lässt sich nämlich leider nicht völlig frei erschließen.

Gleichzeitig fehlt es dem Buch handlungstechnisch an Schwung. Zuerst hofft man noch, dass vielleicht in der Mitte des Buches endlich etwas Handfestes passiert, gegen Ende hat man die Hoffnung beinahe aufgegeben, wenn dann letztendlich die einzelnen Perspektiven zusammenfließen und klar werden sollte, warum dies so ist. Leider geschieht das nicht und es bleibt ein taubes Gefühl zurück. Was ist jetzt noch mal genau passiert? Und warum ist es passiert? Diese Fragen bereiten Schwierigkeiten.

Aber ganz ehrlich: Wer will solche lästigen Fragen schon beantworten, wenn der Schreibstil so wundervoll ist und mit seiner ruhigen und bildhaften Art das Auseinanderleben des Traumpaars Isabelle und Jakob so schön beschreibt? Nun, eigentlich sollte die Autorin diese Frage zwischen den beiden Buchdeckeln beantworten. Da dies nur unzureichend geschehen ist, kommt es an den sehr handlungsarmen oder -verwirrenden Stellen manchmal schon zu Langeweile, aber im Gesamtkontext kann sich „Die Habenichtse“ recht gut schlagen.

http://www.suhrkamp.de

Shocker, Dan – Feuerbestien (Macabros, Band 28)

Der Band enthält die beiden Heftromane „Die Feuerbestien von Kh’or Shan“ (63) und „Es erwacht der Ursenwahn“ (64), welche 1978 zum ersten Mal im |Zauberkreis|-Verlag erschienen sind.

_Die Feuerbestien von Kh’or Shan_

Unweit von Marlos, der unsichtbaren Insel, auf der Björn Hellmark und seine Freunde Zuflucht gefunden haben, entsteht durch einen Vulkanausbruch ein neues Eiland: Die Insel Kh’or Shan. Susan Andrews und Mike Randok, zwei Prominente, die mit einem Fesselballon den Pazifik überfliegen wollen, um ihr lädiertes Image aufzupolieren, werden Zeuge der Geburt von Kh’or Shan und stürzen mit ihrem Gefährt ab. Kurz darauf verschwindet Susan durch eine Nebelwand in einer anderen Dimension, während Mike von flammenden Gestalten angegriffen wird: Den Feuerbestien von Kh’or Shan.

Die Dämonen machen Mike zu einem der ihren. Auch Susan droht in der anderen Dimension Opfer der Feuerbestien zu werden, doch da erscheint Björn Hellmark, der mit seinen Freunden die Geburt der Insel von Marlos aus beobachtete.

Björn gelingt es zwar, Susan zu retten, doch dabei rutschen beide durch einen Krater in das Innere von Kh’or Shan. Eine Rückkehr in die normale Welt ist in diesem Fall auch Macabros nicht möglich, denn als Björn durch die Nebelwand schritt, um Susan zu finden, stellt er fest, dass sie nur nach einer Seite hin durchlässig ist.

Zur selben Zeit stattet Björns Freund Rani Mahay dem Sprachwissenschaftler Bert Merthus einen Besuch ab. Merthus hat Björn schon wertvolle Dienste erwiesen, als er das Buch der Gesetze entschlüsselte, welches die Prophetien des versunkenen Kontinents Xantilon enthält.

Rani wird in Marbella, wo sich Merthus zur Zeit aufhält, von der örtlichen Polizei festgenommen. Er steht unter dem dringenden Verdacht, den Professor ermorden zu wollen. Der ist nur durch viel Glück einem Anschlag entgangen, liegt aber seitdem im Krankenhaus. Rani kann die Polizisten davon überzeugen, dass er mit Merthus sprechen darf. Dieser testet Mahay mit einem Amulett, welches er kürzlich entdeckte, und bestätigt dadurch, dass Rani ein echter Mensch und kein Dämon ist. Doch damit ist die Gefahr noch nicht gebannt, denn Merthus ist am Ende seiner Kräfte und kann Rani noch wertvolle Hinweise geben, bevor er stirbt. Dadurch fällt der Verdacht erneut auf den Inder, Merthus ermordet zu haben.

Währenddessen vernimmt Carminia Brado, die Gefährtin Björn Hellmarks, auf Marlos den Lockruf von Kh’or Shan und begibt sich gleichfalls auf die Insel der Feuerbestien …

_Es erwacht der Ursenwahn_

Björn sieht völlig entsetzt, wie vier Feuerbestien einen Thron in den unterirdischen Tempel tragen, auf dem seine Freundin Carminia sitzt. Carminia erkennt ihn nicht und hält sich für die Herrscherin Loana. Als Loana veranlasst sie die Feuerbestien, Susan Andrews, welche Björn zuvor gerettet hat, zu einer der ihren zu machen, während Björn, alias Kaphoon, in ein Verlies geworfen wird. Dorthin wurde auch Pepe, Björns Adoptivsohn gebracht, der Carminia heimlich folgte, als sie unvermittelt Marlos verließ. Björn und Pepe können ihr Gefängnis mit Hilfe der telekinetischen Kräfte des Jungen verlassen. Hellmarks Fähigkeit der Bilokation hingegen versagt in Kh’or Shan, so dass er auf die Hilfe von Macabros verzichten muss. In einem verlassenen Tempel finden sie Carminia, die offensichtlich ihr Gedächtnis wiedererlangt hat. Als die Feuerbestien angreifen, müssen die drei Freunde fliehen.

In Björn, eben so wie in Carminia, beginnen sich alte Erinnerungen zu regen. Beide Menschen waren in ihrem früheren Leben schon einmal auf Kh’or Shan gewesen, und so weiß Hellmark, wo ein sicheres Versteck zu finden ist. Allein schleicht er sich zurück in den Thronsaal, wo er seine Waffen wiederfindet. Aber auch die veränderte Susan Andrews wartet auf den blonden Mann. Doch ihre Veränderung ist nur rein äußerlich, ihre Menschlichkeit hat sie sich bewahrt, so dass sie Björn wertvolle Informationen geben kann. So wurde bereits eines der sieben Siegel von Kh’or Shan erbrochen und ein Reiter der Dämonin Apokalypta ist frei, zudem befinden sich Björn und seine Freunde quasi in der Gedankenwelt des Dämonenfürsten Seequs, des Herrschers der Ursen. Seequs ist der wahre Herr über Kh’or Shan und hat sich vor Jahrtausenden dem Dämonen Molochos angeschlossen. Seequs aber wurde durch Kaphoon verbannt und wartet nun auf seine Rückkehr, um sich an Björn zu rächen. Und diese Rückkehr steht kurz bevor …

Währenddessen geht Rani Mahay in Marbella einem Hinweis nach, den ihm der verstorbene Professor Merthus gegeben hat. Der Inder soll das Schiff „Esmeralda“ untersuchen. Dieses Schiff wollen die fischköpfigen Ursen dazu nutzen, hundert Menschen, die sie zuvor haben rauben lassen, mitzunehmen, um sie gegen ihre Völker zu tauschen, die in einer anderen Dimension festsitzen. Auf hoher See erlebt Rani plötzlich, wie die Ursen mit Einmannraum-schiffen gegen fliegende Städte kämpfen. Im Tohuwabohu der Schlacht wird die Esmeralda zerstört. Rani Mahay wird dabei in das Maul eines riesigen Unterseebootes der Ursen gezogen, das die Form eines Haifisches besitzt. Zwei weitere Menschen, die Kellnerin Conchita Funchal und Capitano Montez, haben ebenfalls den Untergang der Esmeralda überstanden und landen, wie der Inder, in einer gigantischen Müllverarbeitungsanlage. Während Rani und seine Gefährten ihre Lage noch auskundschaften, leiten die Ursen hochätzende Säure in das Becken …

Der neue Zyklus beginnt gleich temporeich, mit viel Action und dem nötigen Schuss Horror-Atmosphäre.

Die Feuerbestien stellen sich als unüberwindbare Gegner heraus, die allein durch Berührung einen Menschen zu einem der Ihrigen machen können, und selbst Wasser kann das magische Feuer nicht löschen. Die Macht der Feuerbestien wird eindrucksvoll bewiesen, als sie anfangs eine Yacht angreifen. Natürlich kommen dem Leser diese Szenen sofort bekannt vor, denn erst im vorangehenden Band wurde eine Yacht durch dämonische Mächte attackiert (siehe Band 27). Allerdings könnten sich die Angreifer nicht stärker unterscheiden, denn in Band 27 waren es menschenfressende Schatten, während es hier die Feuerbestien sind.

Die Idylle der Insel Marlos steht als krasser Gegensatz zu der Brutalität und Kompromisslosigkeit der Dämonen, die dieses Mal quasi direkt vor der Haustür stehen.

Dem Inder Rani Mahay fällt in diesem Abenteuer eine wenig dankbare Aufgabe zu, denn er wird nicht nur zum Mordverdächtigen, nein, er muss auch mit ansehen, wie sein alter Freund Bert Merthus stirbt. Obwohl der Tod des Professors nicht besonders spektakulär in Szene gesetzt wurde, berührte er mich sehr. Das liegt vermutlich daran, dass ich den Charakter noch von den Hörspielen her kenne und er dort sehr sympathisch und liebenswert dargestellt wurde. Eine echte Großvater-Figur, die leider zum Opfer dämonischer Mächte wurde.

Rani nimmt sich auch kurz Zeit zum Trauern, obwohl er sie diesmal wirklich nicht hat, denn die Polizei ist ihm dicht auf den Fersen. Aber gleichzeitig verleiht der Tod Merthus’ der Serie den nötigen Schuss Authentizität, denn auch Björn und seine Freunde können nicht immer rechtzeitig zur Stelle sein, um die Dämonen in ihre Schranken zu verweisen. Das beweist wieder einmal, wie komplex und anspruchsvoll diese recht kurzweilige Heftromanserie ist.

Der zweite Teil um Kh’or Shan geht gleich in die Vollen und hält sich nicht mit viel Vorgeplänkel auf. Der Beginn des Roman, wo eine junge Frau gekidnappt wird, ist zwar noch recht normal zu nennen und hätte auch aus einem Kriminalroman stammen können, doch spätestens, als die beiden Menschenräuber vor ihrem Auftraggeber stehen und dieser sich als Urse entpuppt, geht der Tanz los.

Dabei bewegt sich die Story in einem aberwitzigen Tempo voran, dass man manches Mal ins Schleudern gerät. Insbesondere die Szene, als die Ursen gegen die fliegenden Städte antreten, wirkt deplatziert und unpassend. Dafür wurde die Flucht aus dem Säurebecken sehr dramatisch und spannend erzählt.

Björns Part ist dagegen nicht minder interessant. Seine Gefühle werden nachvollziehbar beschrieben, als er seiner Geliebten gegenübersteht, die ihn nicht nur nicht erkennt, sondern auch noch vernichten will. Später stürzen aber so viele Informationen auf den Leser ein, dass man gehörig aufpassen muss, alles in die richtige Reihenfolge zu bringen. Bewundernswert, dass der Autor da den Überblick nicht verloren hat. Die Geschichte um Seequs und sein Reich Kh’or Shan nimmt immer mehr Gestalt an und der Titel ist wahrhaftig wörtlich zu nehmen. Wie allerdings die geheimnisvolle Apokalypta und ihre Reiter in das Geschehen passen, müssen die nächsten Romane zeigen, aber auch dafür wird Dan Shocker sicherlich eine schlüssige Lösung haben.

Von den Innenillustrationen Pat Hachfelds ist vor allem die erste hervorzuheben, welche eine der Feuerbestien zeigt. Ein richtiges Kunstwerk und passend zu der Horror-Stimmung des Romans. Das Cover zeigt das Original-Titelbild des Heftromans „Die Feuerbestien von Kh’or Shan“, und illustriert, wie die Feuerbestien aus dem Inneren der Insel hervorsteigen. Besser hätte man das karstige Eiland und einen seiner Bewohner nicht malen können.

Das Buch hat alles, was dem Macabros-Fan das Herz höher schlagen lässt: ein neuer Zyklus mit vielversprechender Handlung, mächtige Gegner wie die Feuerbestien und die Ursen, und die Helden in aussichtslosen Situationen. Horror, verbunden mit dem nötigen Schuss Fantasy und Science-Fiction.

http://www.BLITZ-Verlag.de

_Florian Hilleberg_

Trudi Canavan- Die Rebellin (Die Gilde der Schwarzen Magier 1)

Es ist der Tag der Säuberung, der alljährlichen Vertreibung der armen Bevölkerungsschichten aus der Stadt Imardin.

Eigentlich wollte Sonea lediglich ihre alten Freunde aus Harrins Bande vor einer Falle warnen, doch ehe sie sich’s versieht, steckt sie mittendrin in dem Aufruhr, mit dem sich die jungen Leute aus den Hüttenvierteln gegen die königliche Garde und die Magier zu Wehr setzen. Natürlich wissen sie alle, dass die Steine, die sie auf die Magier werfen, an der magischen Barriere wirkungslos abprallen werden. Umso erstaunter und entsetzter ist Sonea, als einer ihrer Steine die Barriere durchdringt und einen der Magier an der Schläfe trifft!

Von jetzt an ist Sonea auf der Flucht. Denn die Magier drehen in den Hüttenvierteln außerhalb der Stadt jeden Stein um, um sie zu finden. Nur mit Hilfe ihres Freundes Cery, der ständig neue Verstecke für sie findet, gelingt es ihr, dem Zugriff der Magier zu entgehen. Bis selbst Cery so in die Enge getrieben wird, dass er keinen anderen Weg mehr weiß, als die Diebe um Hilfe zu bitten …

Den Magiern der Gilde dagegen läuft die Zeit davon: Wenn es ihnen nicht gelingt, das Mädchen mit der natürlich erwachten Gabe rechtzeitig zu finden, wird seine Magie außer Kontrolle geraten und nicht nur das Mädchen selbst zerstören, sondern auch Imardin! Und wenn sie das Mädchen gefunden haben, was dann? Rothen, der die Suche leitet, will sie in die Gilde aufnehmen, während manch anderer Magier allein von der Vorstellung entsetzt ist, jemand aus dem Hüttenvolk könnte die Magie erlernen! Und was ist mit Fergun, dem Magier, den Soneas Stein getroffen hat? Kann einer, der das Hüttenvolk so sehr verachtet wie er, wirklich Wert darauf legen, zum Mentor des Mädchens bestimmt zu werden?

Sonea legt keinerlei Wert auf magische Fähigkeiten: Die Magier sind der Säuberungen wegen in den Hüttenvierteln außerhalb der Stadt sowohl gefürchtet als auch verhasst. Eine von ihnen zu sein, empfände sie als Verrat an den Menschen, denen sie sich zugehörig fühlt, und Verrat ist etwas, das ihr zutiefst zuwider ist. Andererseits gefällt ihr der Gedanke, mit ihrer Magie den Hüttenleuten helfen zu können. Ihre Treue zu ihren Freunden und ihr tief verwurzeltes Misstrauen gegen die Gilde überwinden selbst ihre Abneigung, sich an die Diebe zu wenden.

Dabei kann man nicht sagen, dass Faren, der Dieb, bei dem Cery Sonea unterbringt, ein schlechter Kerl wäre. Natürlich gefällt ihm der Gedanke, mit Hilfe Soneas über Magie zu verfügen. Und auch Cerys Leistungen sagen ihm sehr zu. Das könnte den Gedanken begünstigen, dass er die beiden benutzt. Andererseits bietet er Sonea Schutz, was ihn einigen Aufwand kostet. Was Cery angeht, so kann man ihm immerhin nicht vorwerfen, er wäre falsch oder unfair ihm gegenüber. Der typische Gauner mit Ehrenkodex eben, dementsprechend auch nicht unsympatisch.

Cery, Soneas Jugendfreund, ist nur ein kleiner Straßengauner, obwohl er mit den Dieben durchaus ein wenig liebäugelt. Er ist nicht nur flink mit dem Dietrich und dem Dolch, er ist auch ein helles Köpfchen, behände, wendig und sehr neugierig. Vielleicht hätte er sich irgendwann auf jeden Fall mit den Dieben eingelassen, auch ohne Soneas Flucht, aber das wäre auch nicht weiter beunruhigend gewesen. Weit beunruhigender ist der lose Pakt, den er mit Akkarin, dem Hohen Lord der Gilde geschlossen hat …

Akkarin ist der undurchsichtigste Charakter des Buches. Dass mit ihm etwas nicht stimmt, erfährt der Leser recht bald. Warum er allerdings Cery befreit hat, bleibt vorerst noch ein Rätsel. Auch sonst ist ihm nichts von seinen Absichten anzumerken. Sonea scheint er kaum zu beachten, obwohl sie die gesamte Gilde wochenlang in Aufruhr versetzt hat und ihr magisches Potenzial höher ist als das so manch fertig ausgebildeten Magiers!

Rothen ist der väterliche Freund Soneas, ein älterer Mann, der bereits einen erwachsenen Sohn hat. Er liebt Bücher, gutes Essen und guten Wein, die Gesellschaft seiner Freunde, aber vor allem liebt er es zu lehren. Sonea ist für ihn eine Herausforderung, nicht nur, weil sie über so große Magie verfügt, sondern vor allem wegen ihrer massiven Vorbehalte gegen die Gilde, die er zunächst überwinden muss. Und er tut alles, um sie zum Bleiben zu bewegen …

Fergun dagegen ist der schmierige, hinterhältige Fiesling, der es liebt, auf anderen herumzuhacken, mit Vorliebe auf Rothens jungem Freund Darryl. Von Anfang an ist klar, dass er nicht aus Sorge um Sonea beantragt hat, ihr Mentor werden zu dürfen! Die Frage ist nur: Was genau heckt er aus und was bezweckt er damit?

Zugegeben, das alles klingt ein wenig nach Schema F. Trotzdem wirken Trudi Canavans Figuren erfrischend lebendig und plastisch, es ist leicht, sich mit ihnen zu identifizieren und mitzufiebern.

Die Handlung unterstützt dieses Mitfiebern nach Kräften. Der erste Teil des Buches ist ein wildes Katz-und-Maus-Spiel durch die Hüttenviertel, durch zahllose Geheimgänge, schmale Gassen und über die Dächer. Immer wieder entgeht Sonea den Häschern nur um Haaresbreite, während ihre Magie sich bei der geringsten Gefühlsregung immer öfter ungewollt bemerkbar macht. Als die Magier Sonea schließlich stellen, hat der Leser schon die Apokalypse vor Augen!

Der zweite Teil wiederum baut seinen eigenen Spannungsbogen auf, der nicht ganz so straff gespannt ist, da er hauptsächlich von Rothens Bemühungen um Sonea erzählt. Erst als Fergun bei Sonea auftaucht, tut sich allmählich etwas, richtig spannend wird es aber erst, als Cery versucht, noch rechtzeitig in die Anhörung zu gelangen.

Dafür baut die Autorin im Verlauf der Handlung ganz unauffällig und beiläufig bereits die Voraussetzungen für den weiteren Verlauf in den Folgebänden auf, was im Trubel der zügig erzählten Verfolgungsjagd durch die Stadt beinahe untergeht. Erst am Ende des Bandes zeigt sich, dass genau dieser dünne Faden wahrscheinlich das bestimmende Element für den Rest der Trilogie sein wird. Dadurch stellt sich unwillkürlich die Frage, welche Rolle in diesem Fall wohl Fergun noch zu spielen haben wird, da er ganz offensichtlich nicht der Hauptbösewicht ist, abgesehen davon natürlich, dass der Leser sich fragt, wie die Gilde der Magier wohl der Bedrohung begegnen wird, die sich am Ende des ersten Bandes offenbart hat.

Ich muss gestehen, dass ich trotz der gängigen Schablonen, innerhalb derer sich Trudi Canavan bewegt, das Buch gern gelesen habe. Es liest sich leicht und flüssig, die Charaktere sind sympathisch und bieten viel Identifikationspotenzial, die Handlung ist sehr bewegt, abwechslungsreich und macht neugierig auf mehr. Aus den bisherigen Andeutungen über schwarze Magie lässt sich noch eine Menge machen, und ich bezweifle nicht, dass Trudi Canavan auch diese Ansätze auf interessante, lesenswerte Weise ausbauen wird, selbst wenn auch sie innerhalb gängiger Fantasy-Schienen bleiben sollten.

Trudy Canavan stammt aus Australien, wo sie nach einem Studium am Melbourne College of Decoration als Designerin, Illustratorin und Kartenzeichnerin für verschiedene Verlage tätig war, ehe sie zu schreiben begann. 1999 gewann sie mit ihrer Kurzgeschichte „Whispers of the Mist Children“ den Aurealis Award for Best Fantasy Short Story. 2001 erschien dann ihr erster Roman, der erste Band der Trilogie Die Gilde der schwarzen Magier. Inzwischen hat sie mit Age of Five eine weitere Trilogie geschrieben, die aber bisher nur im englischsprachigen Raum erschienen ist. Derzeit arbeitet sie an „The Magician’s Apprentice“, einem Prequel zur Magiertrilogie. Auch ein Sequel soll folgen.

Taschenbuch 544 Seiten
Originaltitel: The Magician’s Guild
Deutsch von Michaela Link
ISBN-13: 978-3-570-30328-3

http://www.trudicanavan.com/
http://www.randomhouse.de/cbj/

Der Autor vergibt: (4.0/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (1 Stimmen, Durchschnitt: 4,00 von 5)

Perry-Rhodan-Team / Böhmert, Frank / Effenberger, S. A. / Sieper, Marc – Sternenbastard, Der (Perry Rhodan – Sternenozean 1)

Fans der großen Weltraum-Saga „Perry Rhodan“ sind sich häufig nicht einig, ob die vertonten Adaptionen ihrer Lieblingsserie auch wirklich das Niveau der unendlich währenden Heftroman-Serie halten können. Dennoch kommen die Hörspiel-Labels immer wieder auf den legendären Romanhelden zurück, wobei die riesige Anhängerschaft derzeit mit den Hörbüchern zu den so genannten Silberbänden eigentlich noch bestens versorgt sein müsste. Nichtsdestotrotz hat man sich nun auch bei der renommierten Hörspiel-Firma |Lübbe Audio| dazu entschlossen, eine eigene „Perry Rhodan“-Reihe zu starten, die – ersten Angaben zufolge – mit insgesamt 40 geplanten Folgen die bislang üppigste ihrer Art werden soll. Nun, man darf gespannt sein, ob tatsächlich so viele Episoden auf den Markt kommen werden, doch nimmt man einfach mal den ersten Teil, „Der Sternenbastard“, als Maßstab, dann kann ich persönlich diese Entscheidung nur freudig begrüßen.

_Meine Meinung_

Kantiran wuchs nach dem Tod seines terranischen Vaters und seiner arkonidischen Mutter als Waise auf und verbrachte seine Kindheit bis zu seinem 14. Lebensjahr auf einem weniger bekannten Kolonialplaneten. Er wird wegen seiner weißen Haare und roten Augen als Aussetziger behandelt, obwohl in ihm ebenfalls das Blut der Arkoniden fließt.

Kantirans Leben soll sich aber schnell ändern, als er Besuch von der seltsamen Ascari da Vivo bekommt, die ihn für die Militärakademie Arkons verpflichten möchte. Der Mischling nimmt dieses Angebot dankend an, wird aber in der namhaften Akademie von Beginn an sehr rau angepackt. Dennoch erkämpft sich Kantiran nach und nach den Respekt der übrigen Schützlinge, die ihm gegenüber zunächst mit großer Arroganz und Hochnäsigkeit auftreten. Währenddessen lernt er auch die junge Thereme kennen und verliebt sich prompt in das Mädchen. Immer stärker fühlt er sich ihr verbunden, ahnt dabei aber noch nicht, welch grausames Schicksal diese Partnrschaft schon bald erwarten soll.

_Meine Meinung_

Nun, dass an diese Serie enorm hohe Erwartungen geknüpft sind, dürfte wohl jedem klar sein. „Perry Rhodan“ gilt hierzulande als eine der erfolgreichsten Science-Fiction-Serien und fußt auf einer unheimlich großen Fanschar, die vollkommen zu Recht hohe Ansprüche an den hier beschriebenen Zyklus „Sternenozean“ haben dürfen. Doch wie ich eingangs bereits andeutete, hat das Regieteam diese schwere Aufgabe mit Bravour gemeistert und ein sphärisch atemberaubendes und inhaltlich sehr spannnendes Hörspiel inszeniert, bei dem man bereits nach wenigen Minuten um die Tragweite der Dinge, die noch folgen werden, weiß. Aber dazu später mehr.

„Sternenozean“, der zugrunde liegende Zyklus, den erfahrene Leser sicher schon kennen werden (er wurde mit dem Heftroman Nr. 2200 eingeführt), erzählt die Geschichte des Mischlingsjungen Kantiran, dessen Leben bislang davon geprägt war, gegen die Schmähungen gegen seine ungeliebten terranischen Vorfahren anzukämpfen. Er lebt auf einem unbedeutsamen Planeten gemeinsam mit dem Volk seiner verstorbenen Mutter, wird von diesem aber wegen seines ‚unreinen‘ Blutes nicht in entsprechendem Maße akzeptiert. Aus diesem Grunde sieht er die Möglichkeit, einen Platz in der Militätakademie einzunehmen, auch als einzig realistische Chance, seinem unliebsamen Schicksal zu entfliehen und an einem fernen Ort ein besseres Leben zu führen. Andererseits jedoch hat Kantiran auch seine Zweifel; schließlich ist es normalerweise nur Kadetten adliger Abstammung vorbehalten, sich auf dieser Hochschule ausbilden zu lassen, und dies fördert in den ersten Tagen auch seine Skepsis. Völlig zu Recht, wie sich später herausstellen soll, denn auch auf neuem Terrain ist Kantiran ständigen Konfrontationen ausgesetzt und zieht sich schon in seinen ersten Stunden einige erhebliche Prellungen zu. Doch sein Ehrgeiz wird mit Respekt belohnt, und bevor sich der junge Kadett versieht, hat er zum ersten Mal in seinem Leben das Gefühl, wirklich geachtet zu werden.

Parallel pflegt Kantiran eine eigenartige Beziehung zur jungen Thereme, in die er sich direkt beim ersten Aufeinandertreffen Hals über Kopf verliebt hat. Allerdings kann er seine Liebe nicht so offen ausleben, wie er dies gerne tun würde, und muss vor allem der harten Ausbildung zu dieser Zeit einen hohen Tribut zollen. Als dann aber doch die Chance kommen soll, sich intensiver Thereme zu widmen, macht Kantiran eine Entdeckung, die seinen gerade geschöpften Lebensmut mit einem Mal wieder beiseite fegen soll …

Im ersten Teil der Hörspiel-Saga passiert noch nicht sonderlich viel, so dass man genügend Zeit hat, sich mit den wichtigsten Figuren vertraut zu machen bzw. sich einen detaillierten Überblick über das allgemeine Geschehen zu verschaffen. Im Großen und Ganzen handelt es sich dabei zwar nur um etwas breiter inszeniertes Anfangsgeplänkel ohne wirklich tief greifende Handlungsabschnitte, doch für den Start ist dies genau richtig, zumal der Zyklus ja bekanntermaßen recht umfangreich ist. Lediglich in der Mitte des Hörspiels wird die Umsetzung der Story nicht ganz so gefällig gelöst, so dass einige kurze Hänger hingenommen werden müssen, die aber bereits nach wenigen Minuten wieder abklingen.

Quasi als Entschädigung für diese geringfügige, unfreiwillige Verschnaufpause ist „Der Sternenbastard“ dann aber mit tollen Effekten und wunderbarer Begleitmusik ausgestattet. Eigens für diese Serie haben sich die Macher die Dienste des Berliner Filmorchesters unter der Leitung von Christian Hagitte gesichert, welches der jeweiligen Situation entsprechend für eine dezente oder eine gar bombastische Untermalung sorgt. Allerdings wirkt dies nie übertrieben, sondern ist völlig an die Geschichte angepasst worden und setzt gerade in den etwas betriebsameren Momenten wichtige Akzente.

Ob diese neu aus der Taufe gehobene Serie ebenfalls Akzente setzen wird, möchte ich nach diesem ersten Teil indes noch nicht beurteilen. Feststeht bis hierhin, dass „Sternenozean“ einen ziemlich guten Start hingelegt hat, sehr viele vielversprechende Versatzstücke beinhaltet und schon nach dem Ende von „Der Sternenbastard“ genügend Fragen offen hält, die für die Motivation, weiter am Ball zu bleiben, immens förderlich sind. Gute Voraussetzungen also für eine neue Erfolgsserie im Universum des beliebten Sternenabenteurers.

http://www.perryrhodan.org
http://www.luebbe-audio.de
[Exakter Überblick über diesen Zyklus der Heftromanserie]http://www.perrypedia.proc.org/Der__Sternenozean__%28Zyklus%29

Kanehara, Hitomi – Tokyo Love

In Tokyo ist die Welt noch in Ordnung. Die japanischen PISA-Ergebnisse könnten besser nicht sein, in der Wirtschaft läuft alles rund und in den U-Bahnen riecht es nicht nach menschlichen Fäkalien.

Trotzdem. Auch Tokyo hat seine Abweichler. Hitomi Kanehara, zweiundzwanzigjährige Autorin und jüngste Trägerin des Akutawaga-Preises, zum Beispiel. Noch eine asiatische Pseudoskandalnudel?, fragt man sich, doch ein Blick auf den Klappentext offenbart Erstaunliches. Kanehara hat tatsächlich mit siebzehn Jahren die Schule abgebrochen, um ihre literarische Karriere zu verfolgen. Dürfen wir in ihrem Debüt „Tokyo Love“ also mehr erwarten als heiße Luft und überzogenes Kritikerlob für biedere Sexszenen?

Die neunzehnjährige Lui ist eigentlich ein so genanntes Barbiegirl. Sie hat sich ihre Haare platinblond gefärbt und liebt es, mit ihren Freundinnen über Banalitäten zu tuscheln. Manchmal trinkt sie ein Bier, das schon, doch an und für sich ist sie eine Jugendliche in Tokyo, die versucht, sich von ihren Eltern abzuheben, aber doch nie zu weit geht.

Das ändert sich, als sie Ama kennen lernt. Der junge Punk mit der roten Irokesentolle, den Piercings und dem Drachentattoo auf dem Rücken fasziniert sie ungemein, doch was sie am meisten anzieht, ist seine Zunge. Sie ist gespalten wie eine Eidechsenzunge, eine split-tongue, eine besonders extreme Form von Körperschmuck. Lui möchte auch unbedingt so eine Zunge haben und geht deshalb mit Ama zu Shiba-San, einem Piercer und Tätowierer, der ihr nicht nur die Zunge pierct und ihr beim Weiten des Loches hilft, was für die Spaltung notwendig ist, sondern sie auch zu einer willigen Sexsklavin macht. Er ködert sie, indem er ihr ein kostenloses Tattoo verspricht, wenn er seine sadistischen Fantasie an ihr ausleben darf. Ohne dass Ama, mit dem sie mittlerweile fest zusammen ist, etwas davon mitbekommt, lässt sie sich auf dieses Angebot ein, doch eines Tages ist Ama verschwunden …

Völlig unvorbereitet wird der Leser |in medias res| geworfen, wenn er die erste Seite aufschlägt. Lui und Ama diskutieren über split-tongues und die verschiedenen Methoden, um ein Piercingloch zu weiten.

Ich bin mir sicher, bereits an dieser Stelle scheiden sich die Geister. Wer Fan von derartigen „jugendlichen“ Tätigkeiten wie Piercen und Tätowieren ist, wird sich innerhalb der manchmal, zugegeben, etwas zu langen Erklärungen über diesen Sport sicherlich freuen, doch wem Metall im Körper so fern ist wie |Eminem| von Volksmusik, der wird das Buch wohl gelangweilt ganz hinten ins Bücherregal stellen und es vergessen. Kanehara schreibt für ein junges, interessiertes Publikum und nimmt sich deswegen nicht wirklich Zeit, um bestimmte Phänomene zu erklären. Wie in einer Kurzgeschichte lässt sie alles Unnötige weg, um sich auf das Wesentliche zu konzentrieren.

Das Wesentliche ist die Handlung. Nur leider deuten sich hier ein paar Schwächen an. „Tokyo Love“ mutet zwar eher wie eine auf 117 Seiten ausgedehnte Kurzgeschichte an, das ist sehr richtig, aber das entbindet die Autorin trotzdem nicht davon, eine Handlung mit Hand und Fuß auf die Beine zu stellen. Kanehara vernachlässigt bei all den „verstümmelten“ Körperteilen aber gerade eben diese. Es geschieht viel zu wenig und das Wenige viel zu diffus, um „Tokyo Love“ einen sehr guten Roman nennen zu können.

Warum sollte man Hitomi Kaneharas Debüt trotzdem lesen? Vielleicht, weil die nicht ganz gare Handlung zusammen mit einem nicht ganz perfekten Schreibstil wider Erwarten einen ziemlichen Sog entwickelt?

Nun, wie das geschieht, ist mir auch ein Rätsel, denn die Fakten sind, dass Kanehara die Gefühlswelt ihrer jugendlichen Protagonistin aus der Ich-Perspektive annehmbar herüberbringt, aber leider wirkt der Stil der Japanerin an manchen Stellen ein wenig kalt. Das bedeutet nicht, dass Gefühle nicht in ihrem Vokabular vorkämen. Sie versucht selbige sehr wohl darzustellen, nur leider entwickeln diese nicht die Wärme und das Eigenleben, das zu spüren man sich beim Lesen wünscht.

Ab und an pflegt Lui zwar den einen oder anderen tief gehenden Gedanken (|“Ich selbst will ja auch nur vom Äußeren her beurteilt werden. Ich stellte mir oft vor, wenn es auf der ganzen Erde keinen einzigen Ort ohne Sonnenschein geben würde, dann müßte ich eben selbst eine Technik erfinden, mich in ein Schattenwesen zu verwandeln.“| Seite 50), aber das reicht nicht, um das Buch von seiner leichten Oberflächlichkeit zu kurieren.

Wieso gefällt das Buch dann trotzdem ganz gut? Ist es vielleicht so wie bei mathematischen Gleichungen? Ein Minus an Handlung und ein Minus an Schreibstil ergeben ein Plus im Gesamtbild?
Klingt komisch, ist aber so. Ich würde wieder zu einem Kanehara greifen.

http://www.list-verlag.de

Sergej Lukianenko – Wächter der Nacht

Sergej Lukianenkos Buchreihe um das Hin und Her der Mächte des Lichts und des Dunkels in den Straßen von Moskau hat auch außerhalb Russlands ihre Fangemeinde gefunden. Zwar dürfte der Erfolg in Deutschland etwas geringer ausfallen als in Lukianenkos Heimat, wo die Reihe in etwa so populär sein soll wie der „Herr der Ringe“ (mit dem das Werk unverständlicher Weise immer wieder verglichen wird), dennoch ist die Geschichte um die „Wächter der Nacht“ durchaus reizvolle Fantasykost.

Grund genug für das Hörbuchportal |Audible|, sich der Sache anzunehmen und mit einer selbstproduzierten Hörbuchreihe Lukianenkos Werk auch für die Freunde des vorgelesenen Wortes zu erschließen. Dass |Audible| ein gutes Händchen in der Hörbuchproduktion hat, zeigt die Qualität der zuletzt veröffentlichen Produktionen deutlich genug. So ist z. B. „Die Anstalt“ von John Katzenbach nicht zuletzt dank der überragenden Leistungen der beiden Sprecher Thomas Danneberg (Synchronstimme u. a. von Arnold Schwarzenegger, John Travolta und Nick Nolte) und Simon Jäger (Synchronstimme u. a. von Josh Hartnett und Heath Ledger) ein echter Hörgenuss.

Somit darf man zu Recht auch an die Produktion von „Wächter der Nacht“ hohe Erwartungen knüpfen. |Audible| hat sich die Veröffentlichung der gesamten bisherigen Bände der Reihe zum Ziel gesetzt. Von August 2006 bis April 2007 erscheint jeden Monat ein Teil der Reihe, der von |Audible|-Abonnenten runtergeladen werden kann. Wer nicht |Audible|-Kunde ist, hat übrigens schlechte Karten – wie die übrigen |Audible|-Produktionen auch, erscheint auch „Wächter der Nacht“ exklusiv bei |Audible|. Anderswo im Handel wird man vergeblich danach suchen.

Jedes Buch wird in seine drei Einzelbücher gesplittet, von denen jeden Monat eines veröffentlicht wird. Damit wird die Geschichte natürlich unschön auseinandergerissen, was gerade in Anbetracht der Tatsache, dass Lukianenko sich gerne eines Cliffhangers bedient, um die Spannung zu steigern, schon mal Unmut und Ungeduld hervorrufen kann. Am Ende einer Geschichte vier Wochen auf die Fortsetzung warten zu müssen, während einem tausend Fragen im Kopf herumspuken, ist halt weniger schön und hat etwas von einem literarischen |Coitus interruptus|.

Die ersten drei Teile der Hörbuchreihe werden jeweils aus der Sicht von Anton, einem Mitarbeiter der Nachtwache, erzählt. Lukianenko zeigt dem Leser/Hörer die Welt, in der Anton lebt. Anton lebt in Moskau, sieht die Welt aber anders als der Normalsterbliche, denn Anton ist ein so genannter Anderer. Die Anderen gibt es schon seit ewigen Zeiten. Sie sind Magier, Vampire oder Gestaltwandler. Sie leben unerkannt unter den Menschen und können in eine Art Zwischenwelt, das Zwielicht, abtauchen. Ganz grob unterteilt man die Anderen in die Lichten und die Dunklen. Beide Gruppen überwachen sich gegenseitig, denn ihr Ziel besteht nicht darin, die Übermacht zu gewinnen, sondern den Status Quo zu wahren. Für dieses Ziel arbeiten Anton und die anderen Lichten der Nachtwache genauso wie seine dunklen Kollegen der Tagwache.

_Wächter 1: Das eigene Schicksal_

Anton hat bei der Nachtwache immer im Innendienst gearbeitet, bis er eines Tages in den Außendienst versetzt wird. Ohne es zu ahnen, gerät Anton gleich bei seinem ersten Einsatz zwischen die Fronten. Zum einen versucht er ,den zwölfjährigen Jegor aus den Klauen einer Vampirin zu befreien, zum anderen beobachtete er auf seiner nächtlichen Streife eine Frau, über deren Kopf ein schwarzer Wirbel schwebt. Ein schwarzer Wirbel zeigt einen Fluch an, aber wie groß und mächtig der Fluch ist, der auf der jungen Frau lastet, wird Anton und seinen Kollegen von der Nachtwache erst klar, als der Wirbel so große Ausmaße annimmt, dass er für ganz Moskau eine Bedrohung darstellt …

_Wächter 2: Der eigene Kreis_

Eine Reihe von Morden sorgt in den Reihen der Anderen für Aufregung. Als Täter kommt nur ein Anderer in Frage, vermutlich ein Lichter. Der Chef der Nachtwache betraut Anton mit den Ermittlungen, der schon bald feststellen muss, dass er selbst der Einzige ist, der kein Alibi hat. Das bleibt auch den Kollegen von der Tagwache nicht verborgen, und so ist Anton schon bald auf der Flucht durch die Straßen von Moskau und auf der Suche nach dem wahren Täter …

_Wächter 3: Im eigenen Saft_

Für die Nachtwache ist Urlaub angesagt. Zusammen mit seinen Kollegen fährt Anton hinaus zur Datscha von Kollegin Tigerjunges, die ruhig und beschaulich auf dem Land lebt. Hier findet Anton endlich Zeit, sich über sich selbst und seine Rolle in der Welt der Anderen Gedanken zu machen. Als sich jedoch unerwartete Geschehnisse andeuten, kehrt Anton nach Moskau zurück, wo sich schon bald die Ereignisse überschlagen, in denen ein Schicksalsbuch und ein Stück Kreide eine zentrale Rolle spielen …

Lukianenko baut „Wächter der Nacht“ als drei einzelne Geschichten auf. Sie bauen jeweils aufeinander auf, sind aber dennoch in gewissen Teilen in sich abgeschlossen. Darüber hinaus gibt es aber noch ein großes Ganzes, das Lukianenko dem Leser/Hörer erst im Laufe der Zeit Stück für Stück offenbart. Doch der Weg zur finalen Erkenntnis ist gespickt mit falschen Fährten, und so gehen die Vermutungen auch schon mal in die falsche Richtung. Lukianenko baut den Plot eben spannend und mit einigen Wendungen auf.

Dazu gehört auch, dass die Figuren sich nicht ganz plump in Gut und Böse einteilen lassen. Die Übergänge zwischen beiden Gruppen sind fließend. Die Lichten sind längst nicht die uneingeschränkt Guten, für die man sie anfangs halten mag, und so ist man als Leser/Hörer immer wieder gezwungen, seine Sympathien zu überprüfen und den Figuren gegenüber kritisch zu bleiben. Lukianenko betreibt eben keine zweidimensionale Schwarzweiß-Malerei, und so gesehen ist der Leser/Hörer mehr gefordert, sich seinen Teil zu denken.

Lukianenkos Welt der Anderen kommt atmosphärisch und düster daher, was zum Teil auch dadurch bedingt ist, dass ein Großteil der Handlung nachts spielt. Doch auch die Trostlosigkeit, die das Leben vieler Menschen in einer Stadt wie Moskau prägt, trägt zur Gesamtstimmung bei.

Zum Teil macht den Reiz der Geschichte sicherlich auch ihr naher Bezug zur Realität aus. Während viele Fantasygeschichten in komplett abgeschlossenen Welten spielen, die mit unserem Alltag kaum etwas verbindet, gibt es bei Lukianenko eine sehr große Schnittmenge zwischen Fantasy und realer Welt. Am ehesten lässt sich das vielleicht noch mit Werken von Autoren wie Neil Gaiman oder Christoph Marzi vergleichen, die auf ähnliche Art unsere Welt mit einer Phantasiewelt kreuzen.

Die Hörbuchproduktion ist im Großen und Ganzen durchaus gelungen. Die Lesung ist ungekürzt, was für sich genommen schon mal sehr positiv ist. Jeder Teil dauert etwa fünf bis sechs Stunden. Als Sprecher der Prologe der einzelnen Geschichten wurde Achim Höppner verpflichtet, der unter anderem schon als Synchronsprecher für Ian McKellen, Michael Caine und Clint Eastwood tätig war.

Die eigentliche Geschichte aus der Perspektive des Anton wird von Oliver Brod gesprochen. Brod klingt im ersten Moment etwas holprig und schleppend, wird aber doch recht schnell warm mit seiner Rolle und liefert dann eine überzeugende Vorstellung. Die Rollen der unterschiedlichen Figuren differenziert er recht ordentlich, wenngleich es Sprecher gibt, die gerade die Unterschiede zwischen den einzelnen Figuren besser herausarbeiten können. Dennoch passt Oliver Brods Stimme zur Figur des Anton sehr gut und ist deswegen nicht unbedingt eine schlechte Wahl.

Unterm Strich kann man die Hörbuchproduktion von |Audible| zu Sergej Lukianenkos „Wächter der Nacht“ als durchaus hörenswert bezeichnen. Die Geschichte an sich ist spannend und absolut empfehlenswert und auch die Hörbuchproduktion ist ein kurzweiliges Hörvergnügen. Etwas unschön mag die Aufteilung in drei monatlich erscheinende Einzelbücher sein, die den Hörer nach einem Cliffhanger dann schon mal vier Wochen in der Luft hängen lässt, aber das lässt sich ja umgehen, indem man sich die Einzelteile der Bücher erst dann runterlädt, wenn alle drei erschienen sind. Pech nur für denjenigen, der kein |Audible|-Abonnent ist, denn für den gibt es derzeit keine Möglichkeit, anderweitig in den Genuss des Hörbuches zu kommen. Aber so ist das nun einmal bei Exklusiv-Titeln. Wenn’s jeder hören könnte, wäre es schließlich nicht mehr exklusiv …

Spieldauer: 5 Stunden und 56 Minuten
Sprecher: Oliver Brod, Achim Höppner

Die „Wächter“-Reihe bei Audible: http://www.audible.de/adde/site/Serien-Mikrosite/index.jsp?BV__UseBVCookie=Yes

Hyung, Min-Woo – Priest – Band 14

[Band 1 1704
[Band 2 1705
[Band 3 1707
[Band 4 1709
[Band 5 1720
[Band 6 2515
[Band 7 2516
[Band 8 2575
[Band 9 2618
[Band 10 2701
[Band 11 2854
[Band 12 3002
[Band 13 3004

_Story_

Ivan Isaacs ist endlich in Windtale angekommen und bereit für das Gefecht mit Temozarela. Allerdings lässt dieser sich von seinem Diener Armand vertreten, und dies äußerst erfolgreich. Armand bringt Isaacs zu einer schmerzlichen Niederlage, die er jedoch nicht mit dem Todesstoß besiegelt. Völlig entkräftet wird Ivan an Netraphim weitergereicht, der seine Wunden heilt und dabei auch dessen Rachepläne in Frage stellt. Plötzlich ist sich Belials rechte Hand gar nicht mehr so sicher, ob er seinen Weg weiterverfolgen möchte.

Währenddessen will der Bürgermeister die drohende Gefahr über Windtale nicht wahrhaben. Er erzählt voller Stolz, wie er damals an die Macht gekommen ist und weshalb er niemals dazu bereit wäre, sein Herrschaftsgebiet freiwillig zu räumen. Auch Nera hält tapfer ihre Stellung, obwohl sie scheinbar viel mehr weiß, als sie bislang zugegeben hat. Doch dann kommen die Gesandten des Vatikans, und mit denen kann keiner mehr gedankenlos sein Spiel treiben …

_Meine Meinung_

Willkommen zum großen Showdown … oder auch nicht. Denn der große Kampf zwischen Temozarela und Ivan Isaacs findet nicht wie zunächst erwartet und erhofft statt, sondern wird von einem auf den ersten Blick unspektakulären Gefecht des hasserfüllten Rächers und Armand abgelöst. Und erstaunlicherweise legt Isaacs hierbei all seinen Antrieb ab und muss sich ohne jegliche Möglichkeit zur Gegenwehr seinem neuen Feind beugen. Eigentlich hätte Ivan sogar einen weiteren Tod sterben müssen, wäre ihm nicht das Glück beschert, dass Netraphim ihn vor dem sicheren Ende bewahrt. Doch was nun? Isaacs kommen Zweifel an seiner Mission und er denkt insgeheim darüber nach, die Seiten zu wechseln. Er ist nicht mehr von Belials Worten überzeugt und zeigt vereinzelt Bereitschaft, seiner Knechtschaft zu entfliehen. Doch kann er dies tatsächlich?

Auf der anderen Seite schürt die Niederlage gegen Armand seinen Hass nur noch umso mehr. Und dabei ist es nicht nur die Schmach als solche, sondern vor allem die Art und Weise, wie Armand den schier hilflosen Isaacs niedergestreckt hat, die dessen Rachegelüste ins Unermessliche steigen lassen. Doch nun weiß er, welche Fähigkeiten erforderlich sind, um sich mit Temozarela und seiner rechten Hand zu messen, und nach einer ewig langen, von blutigen Gefechten gezeichneten Reise ist Belials Untertan am Ende seiner Kräfte und muss den vergangenen Ereignissen nach allen souveränen Auseinandersetzungen nunmehr Tribut zollen.

Im zweiten Teil der Handlung bahnt sich auch langsam so etwas wie eine Entscheidung an. Der anfangs erwähnte Showdown wird stattfinden, nur ist auf einmal nicht mehr klar, wer alles daran beteiligt sein wird. Jedoch steuert die Geschichte unverkennbar auf ein kolossales Aufeinandertreffen in der Region von Windtale zu, in der sich bereits im 14. Band das Gros der tragenden Figuren befindet. Die Inquisitoren des Vatikans treten auf, die verwaisten Indianer, dann der Marshall und seine Gesellen, die mysteriöse Nera, der korrupte Bürgermeister und natürlich Ivan selber. Alle verfolgen sie unterschiedliche Ziele, und alle streben sie eiligst nach Erfolg, dies aber bis hierhin noch ohne klares Resultat, was natürlich schön ist, denn so steigt die Spannung auf ein Level, auf welchem man es kaum noch aushalten kann, auf die Fortsetzung bzw. die Auflösung all dessen zu warten.

Episode 14 ist meines Erachtens die am klarsten strukturierte Ausgabe der gesamten Serie. Einige wichtige Puzzlestücke fügen sich zusammen und scheinen sehr bald miteinander zu verwachsen, doch noch immer lässt sich der Autor nicht in die Karten schauen. Im Gegenteil; manche bereits offengelegte Hintergründe dürfen plötzlich wieder in Frage gestellt werden, wobei die Frage nach Isaacs weiterem Handeln diesbezüglich die alles bestimmende ist. Temozarelas Ankunft in Windtale steht unmittelbar bevor, und doch kann man nur schwerlich erahnen, welche Folgen dies für die hier versammelten Beteiligten haben wird. Es wird auf jeden Fall ein actionreiches Finale, so viel steht bereits fest, und mitunter liegt auch die Vermutung nahe, dass ein finsteres, wahrscheinlich auch blutiges Ende das Erscheinen des gefallenen Engels begleiten wird, doch dies ist Zukunftsmusik. Und außerdem möchte ich mich mit solchen Dingen jetzt auch nicht wieder zu weit aus dem Fenster lehnen, denn wie Min-Woo Hyung in dieser Folge einmal mehr bewiesen hat, ist im Bezug auf die Entwicklung von „Priest“ nichts wirklich transparent oder gar durchschaubar.

Harren wir also der Dinge, die da noch kommen werden, und harren wir besonders der Entscheidung des Protagonisten, die sich hoffentlich schon im nächsten Buch ereignen wird. Dann nämlich wird man auch wissen, ob es dem Autor tatsächlich noch ein weiteres Mal gelingen wird, den gesamten Plot auf den Kopf zu stellen und den Leser völlig zu überraschen.

http://www.tokyopop.de

Dickens, Charles – David Copperfield (Europa-Originale 14)

_Besetzung_

David Copperfield – Stefan Schwade
Mrs. Copperfield – Reinhilt Schneider
Clara Pegotty – Karin Lieneweg
Mr. Pegotty – Andreas von der Meden
Emily – Manuela Dahm
Mr. Murdstone – Horst Breiter
Mrs. Murdstone – Heikedine Körting
Betsey Trotwood – Marga Maasberg
Mr. Dick – F. J. Steffens
Mr. Creakle – Peter Kirchberger
Mrs. Crakle – Marianne Kehlau
Mister Tungay – Klaus Klein
Mr. Micawber – Werner Cartano
Rosaly – Wanda Osten

_Story_

Der Halbwaisenjunge David Copperfield wächst wohlbehütet bei seiner Mutter und dem sympathischen Kindermädchen Clara Pegotty auf. Er ist ein glücklicher Junge, besonders in jenem Moment, als er im Urlaub mit Pegotty seine Jugendliebe Emily kennen lernt. Doch eben dieser Urlaub wird ihm später zum Verhängnis. Hinter seinem Rücken haben sich der kaltherzige Mr. Murdstone und seine Mutter das Jawort gegeben, ganz zum Unwillen Davids.

Fortan ändert sich sein Leben komplett: Aus dem liebevollen Umfeld wird ein erbitterter Kampf gegen seinen neuen Vater, den David durch seine Abschiebung ins Internat frühzeitig verliert. Ein halbes Jahr geht er durch diese harte Schule, bis ihm dann die Nachricht des Todes seiner Mutter ereilt. David ist tieftraurig über den Verlust, sieht darin aber auch die Chance, sich von seinem bösen Steifvater zu lösen. Allerdings endet seine Flucht vor dem angeheirateten Elternteil im totalen Elend, und mit einem Mal werden dem jungen Copperfield beinahe alle Hoffnungen entzogen, je wieder frei von Murdstone und dessen hinterhältiger Schwester zu sein.

_Meine Meinung_

Beim Namen „David Copperfield“ kommen einem natürlich erst einmal Gedanken an den weltberühmten Magier, der ja unlängst auch hierzulande wieder auf Tournee war. Allerdings arbeitet der Mann nur unter einem Pseudonym und verwendet für sein Künstlerleben den Namen einer tragischen Romanfigur aus dem Werk von Charles Dickens, der zu Lebzeiten auch die traurige Geschichte dieses hin und her geschubsten Waisenknaben erzählt. Dabei ist „David Copperfield“ im Vergleich zu den meisten anderen Werken des berühmten britischen Schriftstellers keine rein moralische Erzählung, sondern vielmehr der Bericht über einen Jungen, der sich trotz aller Gemeinheiten und Widrigkeiten nie hat unterkriegen lassen.

Copperfield hat es von Beginn an nicht gerade einfach. Er wächst ohne seinen Vater auf und hat als Bezugsperson nur die Haushaltshilfe Pegotty. Seine Mutter ist indes kaum für ihn da und lässt ihn erst recht im Stich, als sie gegen den Willen ihres Jungen mit dem strengen Mr. Murdstone anbandelt und ihn schließlich auch ehelicht. David ist entsetzt und erschrocken zugleich, denn ihm ist bewusst, dass die daraus resultierenden Entwicklungen ihn ausschließlich negativ berühren werden und er vom liebevollen Leben der Vergangenheit mit sofortiger Wirkung Abschied nehmen muss. Bereits wenige Tage nach der Hochzeit erklärt Murdstone ihm, was er von seinem neuen Sohn erwartet und lässt auch keine Zweifel daran kommen, dass er seinen drohenden Worten Taten folgen lässt. Die erste Auseinandersetzung endet für David in einer Ohnmacht, auf die schließlich die unfreiwillige Unterbringung im Internat folgt. Die Schicksalsschläge wollen auch im Folgenden nicht abreißen und bringen den jungen Mann ganz tief auf den Boden und in einen Zustand, von dem er sich kaum noch erholen kann.

Doch gerade jetzt, wo er weder Vertraute noch Fürsprecher an seiner Seite hat, ist er mehr denn je entschlossen, sich gegen alle Ungerechtigkeiten, die ihm in letzter Zeit widerfahren sind, zur Wehr zu setzen und auf eigenen Füßen doch noch glücklich zu werden. Doch seine Vergangenheit holt ihn ein weiteres Mal ein, und nur noch seine entfernte Familie, bestehend aus der barschen Betsey Trotwood, kann ihm in seiner Not noch beistehen.

Charles Dickens’ Drama wurde 1975 auch vom populären Hörspiel-Label |Europa| vertont, und zwar unter der Regie der erfahrenen Heikedine Körting, die nebenbei auch noch eine kleine Sprecherrolle innehatte. Damit war sie jedoch eine der wenigen bekannten Namen, die an dieser rund dreiviertelstündigen Produktion beteiligt waren, was „David Copperfield“ rein äußerlich schon mal zu etwas Besonderem macht. Auch inhaltlich ist die Geschichte in dieser Fassung sehr gut umgesetzt, kommt schnell auf den Punkt und wird deshalb auch nie wirklich langweilig, wenngleich es zwischendurch ein paar kurz andauernde Längen gibt, in denen die Handlung etwas träge voranschreitet. Doch Kritik wäre diesbezüglich nicht angebracht.

Viel kritischer hingegen muss man die einzelnen Sprecher betrachten, ganz besonders Stefan Schwade, dem hier die Titelrolle zukommt. Er spielt die Rolle des jungen, naiven Copperfield bis zu einem gewissen Punkt ganz ordentlich, schafft es aber nicht einmal im Ansatz, die verschiedenen melancholischen Emotionen des ständig erniedrigten Hauptcharakters den Anlässen entsprechend nach außen zu tragen. Sinnbildlich hierfür ist der Moment, als David vom Tod seiner Mutter erfährt; an dieser Stelle erwartet man zwar kein überzogenes Schluchzen, aber zumindest etwas mehr Sensibilität. Stattdessen wird das Geschehnis kurz kommentiert, mit aufgesetzter Traurigkeit diskutiert und danach schon wieder fast vergessen. Aber auch die Szenen, in denen David von seinem brutalen Ziehvater Schläge einstecken muss, sind recht unglaubwürdig dargestellt, zumal es schon mehr Bedarf als ein paar „Aua!“-Schreien, um die Tragweite dieses Ereignisses (immerhin wird der Junge dabei bewusstlos) entsprechend zu transferieren. Es sind zwar immer nur kleine Zeiteinheiten, die einen über die emotionalen Regungen des Hauptakteurs nachdenken lassen, doch in all jenen Augenblicken kommt man immer wieder zu dem Schluss, dass Schwade der Rolle als tragische Figur nicht wirklich gewachsen ist bzw. war.

Ansonsten gibt es aber kaum etwas an „David Copperfield“ auszusetzen. Mal davon abgesehen, dass die Erzählform mehr einem Bericht ähnelt und deswegen auch nicht ganz so spannend ist, entwickelt sich dieses legendäre Drama mit wohlgesetzten Schritten vorwärts und kann dank seiner rasch inszenierten Wendungen letztendlich auch über die Gesamtdistanz überzeugen. Für meinen Geschmack hätte das etwas abrupte Ende noch etwas ausgedehnt werden können, denn nach den vielseitig umschriebenen Jugendtagen, die Copperfield zu dem gemacht haben, was er in seinem Aufeinandertreffen mit Betsey Trotwood ist, geht es plötzlich richtig hurtig auf den Schluss zu, und bevor man sich versieht, hat einen die Geschichte schon überrumpelt und ist geendet.

Aber so sei es. „David Copperfield“ hat zwar bezüglich der Inszenierung einige dezente Schwächen, gefällt aber als unterhaltsames Hörspiel dennoch sehr gut. Für Anhänger der vorangegangenen Episoden der „Europa-Originale“, zu denen die neue Aufarbeitung dieses Hörspiels gehört, ist dies genau der richtige Stoff, nur eben mit der Einschränkung, dass die ‚Star‘-Sprecher durch die hier eingesetzten unbekannten Namen kaum ersetzt werden können.

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Raupach, E. B. S. / Gruppe, Marc – Blutbaronin, Die (Gruselkabinett 14)

_Story_

Burg Csetje um 1600: Der verwitwete Baron Ferenc Nádasdy trauert noch immer seiner ersten Frau Elisabeth nach, die bereits seit mehreren Jahren in der Gruft liegt. Obwohl er mittlerweile wieder neu verheiratet ist und mit seiner zweiten Gattin Katharina sogar Kinder hat, lebt er sehr unglücklich und fühlt sich einsam in seiner Haut.

Eines Nachts trifft er den Entschluss, Elisabeth am Grab zu besuchen, die Gruft zu öffnen und die Überreste seiner verstorbenen Ehefrau zu beschauen. Dabei stellt er fest, dass bei der Dame keine Spur der Verwesung zu entdecken ist. Dies macht ihn stutzig, und von nun an besucht er das Mausoleum der Toten regelmäßig und jeden Abend.

Ferenc‘ Treiben bleibt nicht unbemerkt, und als er den bizarren Wunsch äußert, wieder mit Elisabeth Bathory vermählt zu sein, nimmt ihn eine weise Frau beim Wort, nennt ihm die Bedingungen und erweckt die Verstorbene tatsächlich zu neuem Leben. Ferenc ist überglücklich und sofort bereit, der Auferstandenen jeden Wunsch zu erfüllen. Allerdings ist ihm nicht bewusst, dass Elisabeths zweites Leben von einem ständig zu befriedigenden Blutdurst genährt wird, und erst viel zu spät erkennt Ferenc die Folgen seiner schändlichen Tat.

_Meine Meinung_

Erneut haben sich |Titania Medien| für ihr „Gruselkabinett“ einen schaurigen Klassiker der Weltliteratur ausgesucht, der sich aufgrund seiner vampiristischen Hauptdarstellerin besonders in Düsterromantik-Kreisen immer noch einer sehr großen Beliebtheit erfreut. Die Blutbaronin Elisabeth Bathory diente unter anderem als Namensgeberin einer bekannten nordischen Musikformation, wurde aber auch schon von zalreichen Bands (unter anderem CRADLE OF FILTH) mit stimmungsvollen Songbeiträgen geehrt, in denen die herrschsüchtige Natur der blutrünstigen Baronin umfassend besungen wurde.

Davon abgesehen ist die Geschichte um den zur Depression neigenden Baron Ferenc und seine unglücklich geschiedene Ehe hierzulande nicht in größerem Maße bekannt. Zwar stammte der Autor des Stückes aus Deutschland, jedoch wurde dieser eher durch seine dramatischen Bühnenstücke zu Beginn des 19. Jahrhunderts bekannt. Der „Blutbaronin“ (Originaltitel: „Lasst die Todten ruhen“) hingegen wurde lediglich von einem erlesenen Publikum die Rolle des Klassikers zugeschrieben, dies jedoch wiederum völlig zu Recht, denn rein qualitativ unterscheidet sich das Werk wohl kaum von den übrigen Dramen, die Raupach zu Lebzeiten verfasst hat.

Rein inhaltlich ist „Die Blutbaronin“ ein typischer Vertreter (dies ist keineswegs im negativen Sinne zu verstehen) dieser Reihe. Es geht ein weiteres Mal um die Auferweckung von Toten – wie zuletzt noch in [„Frankenstein“ 2960 – und die unheilvollen Konsequenzen, die diesem Entschluss folgen sollen. Ferenc ist bisweilen derart besessen vom Gedanken, seine alte Gemahlin wieder zurückzubekommen, dass er hierfür jeden Preis in Kauf zu nehmen bereit ist, was er schließlich auch unbewusst tut. Lady Bathory setzt ihren vor Freude blinden Gatten von Anfang an unter Druck, bestimmt sein Tun und Handeln in jeder Sekunde, nimmt ihn und sein Umfeld völlig aus und lässt ihn zum Schluss noch bitterlicher vereinsamen, als er dies zuvor empfand. Elisabeth lässt keine Zweifel daran aufkommen, dass sie in der erneuten Position als Baronin die eigentliche Herrscherrolle einnimmt, und versetzt die Dienerschaft ihres Mannes in Angst und Schrecken. Nach und nach verschwinden diejenigen, die Zweifel an ihr äußern, und vor allem die Personen, die behaupten, es handle sich bei der Dame um ein und dieselbe Person wie Ferenc‘ erste Ehefrau, müssen auf blutige Weise, abseits von Ferenc‘ Einfluss, schmerzhaft in Erfahrung bringen, wie hoch der Preis für kritische Worte der Blutbaronin gegenüber ist.

Der Baron indes lässt sich selbst von den vielen Warnungen seiner Bediensteten und Freunde nicht umstimmen, zieht nicht einmal in Erwägung, die jüngsten Geschehnisse auf seinem noblen Sitz zu hinterfragen. Er nimmt es als gegeben hin, dass von Zeit zu Zeit Leute verschwinden, und kann sich kaum vorstellen, dass grausame Gewalttaten oder dergleichen hinter diesen Ereignissen stehen. Erst als es seiner eigenen Familie und speziell seinen Kindern an die Wäsche geht, blickt der gutherzige, jedoch geblendete Baron Nádasdy hinter die wahren Hintergründe, doch zu diesem Zeitpunkt ist das verheerende Schicksal nicht mehr abzuwenden bzw. sind seine Geliebten allesamt dahingerafft.

Die Story wird von den Machern des „Gruselkabinetts“ mal wieder sehr stimmungsvoll inszeniert. Erneut trifft man auf tolle, schaurige Musikbeiträge, viele wohldosierte Klangeffekte und natürlich exzellente Beiträge seitens der Sprecher. Marc Gruppe und sein erfahrenes Team bewähren sich in diesem Fall vor allem darin, dass sie die Tragik der Handlung authentisch transferieren, gleichzeitig aber auch für eine ansteigende Spannungskurve und mehrere Überraschungsmomente sorgen. Zwar hat man das traurige Ende ein wenig zu breitformatig gestaltet und die erschreckende Wirkung damit etwas zu stark ausgereizt, doch ansonsten ist das Hörspiel mal wieder fantastisch aufgebaut, im übertragenen Sinne farbenfroh inszeniert und in dem Maße bewegend, dass nebenbei auch noch das Interesse für weitere Werke des Autors geweckt wird.

Mit einem Satz: „Die Blutbaronin“ vereint einmal mehr sämtliche Stärken dieser Reihe und ist ein würdiger Vertreter der preisgekrönten Produktionen von |Titania Medien|.

Home – Atmosphärische Hörspiele


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_Das |Gruselkabinett| auf |Buchwurm.info|:_

[„Carmilla, der Vampir“ 993 (Gruselkabinett 1)
[„Das Amulett der Mumie“ 1148 (Gruselkabinett 2)
[„Die Familie des Vampirs“ 1026 (Gruselkabinett 3)
[„Das Phantom der Oper“ 1798 (Gruselkabinett 4)
[„Die Unschuldsengel“ 1383 (Gruselkabinett 5)
[„Das verfluchte Haus“ 1810 (Gruselkabinett 6)
[„Die Totenbraut“ 1854 (Gruselkabinett 7)
[„Spuk in Hill House“ 1866 (Gruselkabinett 8 & 9)
[„Dr. Jekyll und Mr. Hyde“ 2349 (Gruselkabinett 10)
[„Untergang des Hauses Usher“ 2347 (Gruselkabinett 11)
[„Frankenstein. Teil 1 von 2“ 2960 (Gruselkabinett 12)
[„Frankenstein. Teil 2 von 2“ 2965 (Gruselkabinett 13)
[„Frankenstein. Teil 1 und 2“ 3132 (Gruselkabinett 12 & 13)
[„Die Blutbaronin“ 3032 (Gruselkabinett 14)
[„Der Freischütz“ 3038 (Gruselkabinett 15)
[„Dracula“ 3489 (Gruselkabinett 16-19)
[„Der Werwolf“ 4316 (Gruselkabinett 20)
[„Der Hexenfluch“ 4332 (Gruselkabinett 21)
[„Der fliegende Holländer“ 4358 (Gruselkabinett 22)
[„Die Bilder der Ahnen“ 4366 (Gruselkabinett 23)
[„Der Fall Charles Dexter Ward“ 4851 (Gruselkabinett 24/25)
[„Die liebende Tote“ 5021 (Gruselkabinett 26)
[„Der Leichendieb“ 5166 (Gruselkabinett 27)

Shocker, Dan – Menschenfressende Schatten (Macabros, Band 27)

In diesem Band sind die Romane „Die menschenfressenden Schatten“ (Band 59) und „Dwahls Hirnpuppen greifen an“ (Band 60) enthalten, die im Jahre 1978 in der Heftserie „Macabros“ zum ersten Mal erschienen sind.

_Die menschenfressenden Schatten_

Björn Hellmark will den Entführer seiner Freundin Carminia zur Rechenschaft ziehen und herausfinden, weshalb Frank Holesh seine Freunde verraten hat. Zu diesem Zweck observiert Björn den ehemaligen Parapsychologen. Dieser will den LKW-Fahrer Henry Fisher töten, weil der Carminia gefunden und damit gerettet hat. Doch bevor Holesh seinen Plan in die Tat umsetzen kann, erscheint Björns Doppelkörper Macabros mit der Dämonenmaske und setzt Frank außer Gefecht. Holesh hat sich aus freien Stücken dem Bösen verschrieben und dadurch Macht und Reichtum erlangt. Doch als Björn die Dämonenmaske erneut einsetzen will, richtet Molochos den Versager und Frank Holesh stirbt.

Anschließend gesellt sich Björn Hellmark zu Oceanus und Mirakel, die in der Tiefsee nach einem Tor in die Welt der Leichenpilze suchen. Als sie einen Zugang finden, befreien sie dadurch einen Schwarm dämonischer Schatten. Diese Schatten sind nichts anderes als ein veränderter Aggregatzustand der Leichenpilze. Diese dienen dem Schattenfürsten, welchem auch die Kugelköpfe untergeben sind (siehe Band 54). Oceanus erinnert sich langsam an alte Überlieferungen, in denen diese Schatten nur gebannt werden können, indem an dem Ort, wo sie sich versammeln, der Name des Schattenfürsten ausgesprochen wird.

Oceanus dringt in die Pilzwelt vor, um Angehörige seines Volkes zu suchen, während Björn in die Welt der Menschen zurückkehrt, um die menschenfressenden Schatten zu bannen. Doch diese haben bereits eine ganze Yacht entvölkert und nähern sich dem Festland …

_Dwahls Hirnpuppen greifen an_

Nach der Vernichtung der Pilzschatten dringt Björn Hellmark erneut in die Welt der Leichenpilze ein. Er findet seinen verschollenen Freund Rani Mahay wieder; schwer verletzt konnte er merkwürdigen fliegenden Kreaturen entkommen. Mit der Hilfe seines Ätherkörpers Macabors bringt Björn seinen indischen Freund auf die Erde zu einem Arzt.

Zurück in der Dimension der Leichenpilze, findet Björn einen toten Artgenossen von Oceanus, doch von dem Herrscher aus der Tiefe selbst gibt es keine Spur. Dafür findet er die restlichen Vermissten, die aus der Nähe des Palais von Richard Patrick verschwunden sind (siehe Band 26). Sie berichten, dass ein fremder Mann ihnen geholfen hat, aus den Pilzen zu entkommen. Diese stellen kaum noch eine Gefahr dar, da durch das Amulett, welches Oceanus wieder in seinen Besitz gebracht hat, der Bann ausgelöscht wird, welcher die Pilze zu dämonischen Kreaturen machte.

Nachdem Björn die Überlebenden in einer Höhle in Sicherheit gebracht hat, findet er den mysteriösen Fremden. Es ist Dwahl, ein Schwarzer Priester, der sich von Molochos gelöst hat und zum Verräter wurde. Der Dämonenfürst kann den Abtrünnigen zwar nicht töten, dafür aber manipuliert er das Gehirn Dwahls. Grauenerregende Kreaturen entstehen: Dwahls Hirnpuppen, die bereits Rani Mahay attackierten und Tod und Verderben bringen. Selbst auf der Erde treten sie in Erscheinung, wie Rani und sein Arzt erleben müssen. Auch Björn wird von den Hirnpuppen angegriffen und muss einsehen, dass gegen diese Kreaturen selbst das Schwert des toten Gottes und seine Dämonenmaske nutzlos sind …

Währenddessen versucht auch Mirakel in die Geschehnisse einzugreifen und läuft direkt in die Falle seines Erzfeindes Mysterion. Das Schicksal des Übermenschen scheint ebenfalls besiegelt zu sein …

Auch in diesem Roman schafft es der Autor, Horror und Fantasy geschickt zu verbinden und eine packende Story zu schreiben, die den Leser sofort in ihren Bann zieht. In diesem Buch wird das Kapitel um Frank Holesh und die magische Beeinflussung von Richard Patrick und seinen Mitarbeitern zum Abschluss gebracht. Besonders interessant ist dabei der Abschnitt, in dem Holesh erzählt, was er in der Dämonenmaske gesehen hat.

Der Vorstoß in die Welt der Leichenpilze und die Befreiung der Schatten bilden die Schlüsselszenen des Romans, der seinen Höhepunkt in dem Überfall der menschenfressenden Schatten auf die Yacht erreicht. Einzig die Szene zu Beginn des Romans, in der die Schatten zum ersten Mal im Garten eines reichen Geschäftsmannes zuschlagen, wirkt etwas langatmig. Ansonsten ein sehr spannender und kurzweiliger Grusel-Fantasy-Roman.

Hochdramatisch läutet Dan Shocker im zweiten Roman das Ende seines Leichenpilz-Abenteuers ein und fügt die einzelnen Fäden gekonnt zusammen. Allerdings begnügt er sich nicht damit, bekannte Handlungsabläufe zu einem logischen Schluss zu führen, auch neue Aspekte bereichern dieses Finale noch um interessante Facetten. Mit bekannten Handlungssträngen sind in erster Linie die Auseinandersetzung zwischen Mirakel und Mysterion gemeint sowie der verschollene Rani Mahay und seine Rettung.

Der bemerkenswerteste neue Aspekt hingegen ist mit Abstand Dwahl. Ein schillernder Charakter, da er als Schwarzer Priester ursprünglich dem Bösen diente und durch Nachdenken und Hinterfragen zum Verräter wurde. Solcherlei Personen bergen gemeinhin eine Menge Potenzial und Zündstoff für eine gute Geschichte. Bei Dwahl kommt hinzu, dass er der achte Schwarze Priester ist, der in den Prophezeiungen aber nie erwähnt wurde. Dort werden nur sieben Schwarze Priester genannt, die den Dämonenfürsten Molochos unterstützen. Dadurch, dass Dwahl eigentlich helfen will und unbeabsichtigt, allein durch die Macht seiner Gedanken, die er zeitweise nicht steuern kann, tödliche Kreaturen am Fließband erschafft, wird er zu einer sehr tragischen Figur.

Die Attacken seiner Hirnpuppen sind eine der tödlichsten Bedrohungen, denen Björn je gegenüberstand, da seine Waffen, auf die er sich sonst immer hundertprozentig verlassen kann, versagen. Auch das Verwirrspiel, was nun hinter den Hirnpuppen steckt und woher sie kommen, gelingt dem Autor hervorragend. Die Story um Mirakel, alias Frank Morell, wirkt dagegen regelrecht banal in ihrer Geradlinigkeit, gewinnt dadurch aber an Tempo und stört den Lesefluss in keiner Weise.

Das Cover besitzt eine sehr düstere Atmosphäre und wirkt dadurch äußerst stimmungsvoll, nur die Dame im Hintergrund wirkt etwas puppenhaft. Die Illustrationen erzeugen dagegen ein eher ambivalentes Gefühl. Ist die Zeichnung zu „Die menschenfressende Schatten“ noch spitzenmäßig, wirkt die zweite Illustration schon erheblich liebloser, zumal das Motiv eine Verbindung zu den Hirnpuppen impliziert, die nicht vorhanden ist, denn dieser Kopf stellt einen Dykten dar, also eines jener Wesen, welche Mirakel ihr Erbe hinterließen und ihm die übermenschlichen Kräfte verliehen.

Alles in allem ein rundum gelungener Macabros-Roman, in dem schlussendlich auch das Schicksal Carminias geklärt wird und lediglich das Schicksal von Oceanus offen bleibt.

http://www.BLITZ-Verlag.de

_Florian Hilleberg_

Christoph Marzi – Lumen. Die Uralte Metropole 03

Mit „Lumen“ findet Christoph Marzis „Lycidas“-Reihe nun ihren gleichzeitigen Höhe- und Endpunkt. In „Lycidas“ 1081 lernt der Leser das Waisenmädchen Emily und ihre Freundin Aurora kennen, die der Alchemist Wittgenstein unter seine Fittiche nimmt. Zusammen tauchen sie ab in die uralte Metropole unterhalb der Tunnel der Londoner U-Bahn und haben dort so manches Abenteuer zu bestehen.

„Lilih“ setzt die Geschichte fort. Wieder wandelt der Leser zusammen mit den Protagonisten durch die uralte Metropole und darf diesmal obendrein einen Ausflug in das Pariser Pendant machen, denn auch unterhalb der Pariser Métro gibt es eine uralte Metropole, in der so manches unheimliche Abenteuer auf Emily und ihre Freunde wartet.

Handlung

In „Lumen“ führt Marzi die Geschichte nun zu Ende. Seit der Handlung aus „Lilith“ sind zwei weitere Jahre vergangen, seit Beginn der Geschichte in „Lycidas“ sogar sechs. Emily ist kein Kind mehr, sondern schon fast erwachsen. Noch immer lebt sie bei Wittgenstein, nur zu ihrer Freundin Aurora scheint die Distanz größer geworden zu sein. Während Emily mit ihrem Freund Adam Stewart glücklich ist, trauert Aurora dem immer noch verschollenen Neil Trent hinterher.

Doch schon bald ereignet sich wieder Mysteriöses in der Stadt der Schornsteine. Nebel wabern durch die Straßen – sonderbare Nebel, die einen eigenen Willen zu haben scheinen. Sie machen die Menschen, die sie berühren, zu willenlosen Marionetten und bringen Furcht und Tod.

Und so machen Emily und Wittgenstein sich erneut auf in die uralte Metropole, um die Ursache der mysteriösen Nebel zu erkunden. Sie stoßen auf ein Netz aus Lügen und Intrigen, bei dem schwer zu ergründen ist, wer die Fäden zieht. Ziel des unbekannten Drahtziehers scheint es zu sein, den Konflikt zwischen den beiden großen Londoner Familien Manderley und Mushroom erneut anzufachen. London drohen neue Unruhen, die sich wie ein Flächenbrand über ganz London auszubreiten drohen. Doch wer profitiert davon?

Unsere Helden machen sich getrennt auf den Weg, das Geheimnis zu lüften und die Verschwörung auszuhebeln. Aurora macht sich mit Lilith im Limbus auf die Suche nach dem Lichtlord, während Emily mit Wittgenstein Spuren im geheimnisumwitterten Prag verfolgt. Doch die Lage spitzt sich zu und es ist ungewiss, ob Emily und ihre Freunde das bevorstehende Unheil verhindern können …

Mein Eindruck

In „Lumen“ setzt Christoph Marzi konsequent fort, was er in den ersten beiden Bänden der Geschichte angefangen hat. Raffiniert verwebt er Mythen, Sagen und Phantasie zu einer spannenden Geschichte. Man steckt als Leser schnell wieder drin in der Welt von Emily und ihren Weggefährten. Marzis Welt ist so plastisch, dass man schon auf wenigen Seiten wieder darin versunken ist.

Die einzige Schwierigkeit besteht darin, das Vergangene zu rekapitulieren. Marzis Geschichte weist eine enorme Komplexität auf und in den ersten beiden Büchern ist so viel passiert, dass man die vielen Details einfach viel zu schnell vergisst. Zwar skizziert der Autor auch in „Lumen“ wieder wichtige vergangene Ereignisse nach, wer jedoch die Lektüre der ersten beiden Bücher noch ganz frisch im Gedächtnis hat, dürfte klar im Vorteil sein.

Jedes Buch setzt einen ganz eigenen Schwerpunkt bei den Mythen, die es in die Handlung einbindet. Es macht schon den Reiz der Geschichte aus, Marzis literarische Vorbilder aufzustöbern. In „Lycidas“ sind Miltons „Das verlorene Paradies“, Neil Gaimans „Niemalsland“ und die Geschichten von Charles Dickens die offensichtlichsten Inspirationsquellen. In „Lilith“ verlegt Marzi den Schauplatz nach Paris und so tauchen dort auch andere Bezüge auf. In erster Linie zu der Gothic-Novel „Vathek“ von William Beckford.

Und so ist eigentlich auch schon mit Erwähnung des neuen Schauplatzes Prag klar, welche literarischen Vorbilder man hier trifft. Ein sehr deutlicher Bezug besteht schon aufgrund des Handlungsortes zu Gustav Meyrinks [„Der Golem“ 1205 und auch gewisse kafkaeske Züge weist der Plot hier auf. An einer Stelle begegnet Wittgenstein gar Gregor Samsa, der allen Lesern von Kafkas „Verwandlung“ noch im Gedächtnis sein dürfte.

Doch Marzi aufgrund solcher Parallelen vorzuwerfen, er würde sich einfach nur munter kreuz und quer durch die Literaturgeschichte klauen, täte ihm Unrecht. Er verheimlicht seine Vorbilder nicht, dafür sind sie viel zu offensichtlich und es macht Spaß, beim Auftauchen einer neuen Figur erst einmal zu recherchieren, woran der Name angelehnt ist.

Auch über das Einbinden anderer Werke hinaus beweist Marzi Phantasie. Sein Plot ist unglaublich lebhaft und geradezu gespickt mit den sonderbasten Figuren und Einfällen. Besonders gelungen ist ihm diesmal die Beschreibung der mysteriösen Nebel, und auch die kuriosen, vergessenen Erfindungen, deren Wege Wittgenstein und Emily im Untergrund kreuzen, sind herrlich zu lesen. Besonders weiß hier die pneumatische Untergrundbahn zu gefallen, die völlig zu Recht nie serienreif wurde.

„Lumen“ ist mehr oder weniger als ein großes Finale angelegt. Es tauchen viele längst vergessene Figuren wieder auf. Der Tod ist bei Marzi ein äußerst dehnbarer Begriff, und so gibt es so manches unverhofftes Wiedersehen. Nicht umsonst legt er seinen Protagonisten immer wieder den Satz |“Nichts stirbt jemals für immer“| in den Mund. Bei Marzi ist so gesehen fast alles möglich. Doch das bedeutet nicht, dass der Plot deswegen weniger spannend wäre. Die Art, wie Marzi Figuren wieder aufleben lässt, wirkt keinesfalls plump, sondern ist aus der Handlung heraus jeweils gut nachvollziehbar und somit nicht beliebig.

Spannung erzeugt auch stets die Ambivalenz der Figuren. Schon in den vorangegangenen Büchern hat Marzi seine Figuren nicht eindimensional oder schwarzweiß skizziert. Gut und Böse sind jeweils sehr relative Begriffe. Die beiden Lager lassen sich nicht strikt voneinander abgrenzen, und so weiß der Leser genauso wenig wie die Protagonisten, wem man vertrauen kann und wem nicht. Das erhöht die Spannung enorm, zumal es für Emily und ihre Weggefährten in diesem Band nun endgültig auf einen Kampf auf Messers Schneide hinausläuft. Nie zuvor schien das Schicksal der Welt an einem so dünnen Faden zu hängen wie diesmal.

Auf Ebene der Protagonisten gibt es ein paar Veränderungen. „Lilith“ endet auch damit, dass eine liebgewonnene Figur aus der Handlung ausscheidet, die eine große Lücke hinterlässt. An dessen Stelle tritt der Alchemist Tristan Marlowe, der sich in Sachen Charme zwar nicht mit seinem Vorgänger messen kann und der damit auf der Sympathienskala recht weit unten rangiert, der aber durch seine Undurchsichtigkeit seinen Reiz hat.

Die Figurenentwicklung hat in den Vorgängerwerken wenig Raum. Zu sehr muss Marzi sich auf die Handlung konzentrieren, als dass er dafür wirklich genügend Zeit gehabt hätte. In „Lumen“ holt er diesbezüglich einiges nach. Wittgenstein öffnet sich Emily, und so erfahren wir einiges über seine Vergangenheit. Er wird dadurch menschlicher und greifbarer, wenngleich eine gewisse kühle Distanz dennoch bestehen bleibt. Auch für Emily und Aurora gibt es etwas Zeit für persönliche Dinge. Die beiden Mädchen würzen die Handlung mit einer Prise Romantik, was dem Plot durchaus gut tut.

Was immer noch stört (wenngleich nicht mehr so sehr wie zu Beginn der Reihe), ist die immer noch sonderbare Erzählperspektive. Wittgenstein tritt als Ich-Erzähler auf, dennoch wird der Plot in unterschiedliche Erzählebenen gesplittet und es gibt schon dadurch einen übergeordneten, allwissenden Erzähler, der im Konflikt zum Ich-Erzähler steht. Das wirkt in meinen Augen etwas unausgereift und so, als wäre bei der Wahl der Erzählperspektive irgendetwas falsch gelaufen. Doch nach zwei Büchern stört das im dritten Buch nun nicht mehr ganz so massiv wie noch zu Anfang.

Unterm Strich

Alles in allem ist „Lumen“ ein durchaus gelungenes Finale, das zwar einerseits bis zum Rand vollgestopft mit Handlung ist (schon fast ein bisschen viel des Guten), andererseits aber endlich auch mal den Figuren etwas mehr Raum gibt. „Lumen“ ist wie zuvor schon „Lycidas“ und „Lilith“ ein ausgesprochener Lesegenuss. Der Plot ist spannend und unglaublich phantasievoll erzählt. Marzis Stil ist zwar gewöhnungsbedürftig, aber gleichsam gewitzt wie farbenprächtig, und so hält man mit „Lumen“ ist stimmiges Finale einer gelungene Fantasyroman-Serie in Händen – komplex, spannend und voller ambivalenter Figuren.

Taschenbuch: 800 Seiten
ISBN-13: 978-3453810815

http://www.christophmarzi.de/
http://www.randomhouse.de/heyne

Der Autor vergibt: (5.0/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (1 Stimmen, Durchschnitt: 5,00 von 5)

Stephen King – Brennen muss Salem

In einer neuenglischen Kleinstadt nistet sich ein uralter Vampir ein. Nur eine kleine Gruppe verängstigter Menschen bietet ihm Paroli, doch das Monster ist stark und schlau … – Stephen Kings moderner Vampir-Klassiker erscheint hier ungekürzt und ergänzt um zwei Erzählungen. Im Mittelpunkt steht weiterhin der Roman, der ungeachtet seines Alters eine höllisch spannende Geschichte erzählt und eindrucksvoll belegt, wieso King sich seit Jahrzehnten in den Bestsellerlisten hält.
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Glineur, Jean-Louis – Todesangst in der Nordeifel

Die junge Mutter Marianne Belder wird in einem Wald nahe Dedenborn in der Nordeifel von einem Osteuropäer überfallen und vergewaltigt. Sie soll nicht das einzige Opfer bleiben. Kurze Zeit später wird eine Jugendliche vergewaltigt und ermordet.

Mariannes Ehemann Wolfgang arbeitet die Polizei zu langsam, ihre Ehe hat unter der Vergewaltigung gelitten und er beauftragt die Privatdetektive Alwin Schreer und Anne-Catherine Vartan mit Ermittlungen. Bei Schreer kann er sich des nötigen Engagements sicher sein, denn Marianne war seine Jugendliebe.

Die Vergewaltigungsserie reißt nicht ab und wird zum politischen Problem. Die Besucherzahlen des Nationalparks Eifel könnten leiden und die wirtschaftlich schwache Region schädigen. Für Schreer und Vartan ist es jedoch schon lange kein Auftrag mehr, sondern etwas Persönliches.

Wolfgang Bender wird bei dem Versuch, den Mörder zu stellen, von ihm getötet. Eine junge Türkin aus Schreers Bekanntenkreis wurde ebenfalls vergewaltigt und hat bisher aus Scham geschwiegen. Als wäre das nicht genug, wird eine Informantin Alwins, deren Aussage aufgrund eines Fehlers seinerseits in die Lokalpresse gelangte, von mehreren Personen entführt und brutal misshandelt. Auch auf Schreer und seine Partnerin wird ein Anschlag verübt – eine ganze Bande wehrt sich vehement gegen die Nachforschungen, die immer mehr in die Richtung einer Verwicklung deutscher Geschäftsleute zielen. Die Vergewaltigungen stellen nur die Spitze eines Eisbergs dar …

_Der Autor_

Der 42-jährige Deutsch-Belgier Jean-Louis Glineur wurde im belgischen Verviers geboren, wohnt in Dedenborn in der Eifel, ist gelernter Industriekaufmann und freier Mitarbeiter der Kölnischen Rundschau.

Der Lokalkolorit des Hörbuchs und seine Erfahrungen mit Presse und Polizeiarbeit sind somit aus erster Hand. Vorlieben des Autors wie Formel-1-Rennen und schnelle Autos zeichnen auch seinen Hauptcharakter Alwin Schreer aus, der dadurch besonders authentisch wirkt. „Todesangst in der Nordeifel“ ist sein Debütroman.

_Der Sprecher_

Julian Mehne ist Ensemblemitglied des Maxim-Gorki-Theaters in Berlin. Er wurde 1998 in Nordrhein-Westfalen als Nachwuchsdarsteller des Jahres ausgezeichnet und erhielt 2001 den Bad-Hersfeld-Preis. Als Hörbuchsprecher scheint jedoch auch bei ihm ein Debüt vorzuliegen.

Mehne stellt für das Hörbuch einen echten Glücksgriff dar, er hat eine angenehme und deutliche Stimme und kann zwischen verschiedenen Dialekten und Akzenten wechseln, ohne in übertriebene Betonungen zu verfallen.

_Ein einfühlsamer Privatermittler_

Alwin Schreer ist ein Detektiv, dessen Stärke in seinem Einfühlungsvermögen und seiner Menschlichkeit besteht. Er versteht es nicht nur, sowohl mit dem aufgebrachten Ehemann und der verstörten Marianne als auch mit seinem alten Freund Kommissar Welsch umzugehen, als toleranter Typ hat er auch keine Probleme im Umgang mit Homosexuellen, Prostituierten und Ausländern. Rücksichtslos sensationslüsternen Reportern gegenüber kann er jedoch auch eine härtere Gangart einschlagen, was sonst eher seiner schönen und schlagkräftigen Partnerin Anne-Catherine Vartan vorbehalten bleibt.

Bei aller Einfühlsamkeit mangelt es Schreer doch oft an Professionalität, er ist oft nachlässig und unvorsichtig, durch einen Fehler seinerseits wird die Zeugin Jana Kohlstock erst gefährdet. Er ist aber auch ein findiger Ermittler, durch seine Methoden und Intuition wird die Polizei erst auf übersehene Indizien und Zusammenhänge aufmerksam.

Der sympathische Detektiv ist der am besten ausgearbeitete Charakter des Hörbuchs; auffallend ist, wie wenig er äußerlich beschrieben wird, während andere Charaktere meist mit bildhaften Vergleichen charakterisiert werden. So wird Mariannes Ehemann Wolfgang als „Conan der Barbar“ vorgestellt, er verhält sich auch entsprechend impulsiv und ist versessen auf Rache und Vergeltung. Leider werden auch andere Charaktere wie der Journalist Pierre derart beschrieben, er sieht aus wie „George Clooney“, womit dann alles gesagt ist. So bleiben viele Charaktere leider blasse und unterentwickelte Abziehbilder ihrer Vorlagen.

Ein Hauch Romantik und Sexappeal liegen im Verhältnis Schreers zu Frauen, der immer noch für seine einstige Jugendliebe Marianne schwärmt und auch gerne mal bei seiner begehrenswerten Partnerin Anne landen würde, die leider erst spät zum Zuge kommt.

Besonders gelungen ist die Behandlung brisanter Themen wie der oft schuldzuweisenden Haltung der Gesellschaft gegenüber Vergewaltigungsopfern, Vorurteilen gegenüber Ausländern sowie der komplexen Beziehung zwischen den Medien und der Polizei. Wie die Region Eifel selbst leidet auch die Polizei unter Sparzwängen; Personalmangel und –einsparungen zwingen Kommissar Welsch widerwillig zum Pakt mit dem Teufel, das heißt einer Zusammenarbeit mit der Presse und Schreer. Dabei zeigt Glineur deutlich, wo man eine Grenzlinie zwischen verantwortungsvollem und für alle Seiten nützlichen Journalismus und rücksichtsloser und gefährlicher Berichterstattung in Revolverblättern ziehen muss.

Interessante Wendungen gewinnt der Roman durch die Behandlung eben dieser Themen; so baut Glineur bewusst auf Klischees und Vorurteile, um diese zu widerlegen oder falsche Spuren zu legen. Das einzige Klischee, das er ungeschoren davonkommen lässt, ist das des bei jeder Gelegenheit rauchenden Detektivs – Schreers gesammeltes soziales Umfeld greift interessanterweise ebenso zwanghaft und beständig zum Glimmstengel.

Die Handlung selbst schreitet rasant voran, es fliegen des Öfteren die Fäuste, und passend zu diesem Tempo sind Schreer und Vartan oft mit dem Auto unterwegs – mit überhöhter Geschwindigkeit selbstverständlich. Der Plot ist sehr gut und überzeugend ausgearbeitet, die angesprochenen Klischees und Aspekte fügen sich harmonisch in die Handlung ein und geben genügend Anreize zum Spekulieren und Kombinieren, hervorragend gelungen ist die Verbindung mit der geographischen und politischen Lage (Grenznähe) der Eifel, die Vor-Ort-Kenntnisse des Autors wirken sich hier sehr bereichernd aus.

_Fazit:_

Liebenswerter und einfühlsamer Humor zeichnet die kurzweilige, rasante Geschichte und ihren Hauptcharakter Alwin Schreer aus. Julian Mehne scheint wie geschaffen für diese Sprecherrolle, denn er beherrscht die leisen Töne und schafft das Kunststück, polnische Akzente und Eifeler Dialekt semi-authentisch und dennoch gut verständlich zu sprechen. Auf Geräusche oder Musikuntermalung wurde dabei verzichtet, was jedoch angesichts des hohen Erzähltempos und der spannenden Geschichte gar nicht stört. Es fällt jedoch eine gewisse Hetze auf; die 225 Minuten des Hörbuchs sind auf drei CDs verteilt, was bei den üblichen 74 Minuten einer CD sehr knapp wird. Hier wollte der Verlag sich die vierte CD offensichtlich sparen; so gibt es kaum eine Sekunde Pause zwischen den Kapiteln und auf den üblichen Abspann am Ende eines Hörbuchs hat man ebenfalls verzichtet, nicht einmal ein kurzes „Ende“ oder „Sie hörten …“ folgt.

Neben den etwas dürftig bildlich beschriebenen Nebencharakteren störte mich nur die vielen Actioneinlagen stets vorangehende unglaubliche Dummheit der jeweils verwickelten Personen. Diese wirkt aufgesetzt und unglaubwürdig, was jedoch glücklicherweise vom hohen Tempo und den vielen Wendungen der mit Themen dicht gepackten Geschichte kaschiert wird. Für 9,80 EUR erhält man einen hervorragenden Krimi, der mich auf einsamen Autobahnfahrten gut unterhalten hat. Die unkompliziert, temporeich und spannend erzählte Geschichte und die kaum übersehbare Liebe des Autors für Autos prädestinieren „Todesangst in der Nordeifel“ geradezu dafür.

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Isau, Ralf – Wasser von Silmao, Das (Die Chroniken von Mirad 3)

Band 1: „Das gespiegelte Herz“
Band 2: „Der König im König“
Band 3: „Das Wasser von Silmao“

Zwar ist es den Sirilim-Zwillingen in „Der König im König“ gelungen, Múrias früheren Verlobten Jazzar-fajim aus der Gefangenschaft des Gottes Magos zu befreien und den Gott selbst aus Mirad zu vertreiben, doch die Gemeinschaft des Lichts hat einen hohen Preis dafür bezahlt! Im Kampf gegen die Waggs hat sie Falgon verloren. Und Ergil seinen Bruder Twikus.

Dabei scheint es nicht einmal ein wirklicher Sieg zu sein: Kaguan hat sich mit dem erneut zerbrochenen Schwert Schmerz davongemacht, und die ungewöhnliche Kälte, die Soodland im Griff hält, ist ungebrochen. Das Land steht vor einer erneuten Missernte und damit vor einer Hungersnot, und die Könige von Pandorien und Ostrich, Entrin und Godebar, wetzen bereits die Klingen, um sich das geschwächte Soodland einzuverleiben und einen neuen Mann auf den Thron des Großkönigs zu setzen, vorzugsweise jeweils sich selbst!

Trotz dieser bedrohlichen Situation entschließt sich Ergil, den Spuren des großen Entdeckers Harkon Hakennase zu folgen. Denn er hat herausgefunden, dass seine Mutter von Wikander nicht erstochen, sondern vergiftet wurde, sich aber in eine Nebenfalte der Welt retten konnte und dort auf ein Gegengift wartet. Sollte sie sterben, wird die große Kälte, die Soodland heimsucht, ganz Mirad überziehen und alle Menschen und Sirilim vernichten. Doch das einzige Gegenmittel gegen das Gift ist das Wasser von Silmao, und die letzte Flasche dieser kostbaren Flüssigkeit hat Popi dazu verwendet, nach dem Kampf mit Magos Ergils Leben zu retten! Dem jungen König bleibt nichts anderes übrig, als erstens einen noch fruchtbaren Ginkgo-Baum und zweitens die unbekannte weitere Zutat des Wundermittels aufzutreiben, und zwar, ehe seine Mutter der Wirkung des Giftes erliegt.

Als wäre die Reise über die Grenzen der bekannten Welt hinaus nicht schon gefährlich genug, trägt Ergil eine ganz besondere Bedrohung in sich: kleine schwarz-rote Raupen, Zornissen genannt, die Kaguan ihm angehängt hat, und die alle dunklen und negativen Gefühle verstärken, um sich davon zu ernähren. Die Befallenen sterben entweder irgendwann oder werden zu Dienern des Bösen, es sei denn, es gelingt ihnen, ihre Schattenseiten völlig zu beherrschen, entweder durch Meditation oder durch vollkommene Liebe …

Im letzten Band der Chroniken von Mirad wurde der Handlungsverlauf im Vergleich zu den Vorgängerbänden richtig aufwändig. Vier verschiedene Handlungsstränge laufen diesmal parallel:

Zunächst natürlich der um Ergil. Zusammen mit Kira, dem Netzling Nisrah, Popi, Tusan, Jazzar-fajim, dem jungen Schmied Tiko und dem ehemaligen Flusspiraten Bombo als Kapitän will er auf der Silberginkgo, einem Sirilimschiff, um den Weltenbruch herumsegeln. Er muss allerdings schon bald feststellen, dass seine Reise ihn noch viel weiter führen wird!

Múria und Herzog Borst von Bolk führen in Ergils Abwesenheit die Regierungsgeschäfte, was letztlich bedeutet, dass sie die Sooderburg nicht nur gegen die vereinigten Heere von Entrin und Godebar verteidigen müssen, sondern auch gegen einen Verräter in den eigenen Reihen!

Denn Kaguan, der im Kerker der Sooderburg sitzt, hat seine Raupen auch noch einem anderen Mann einverleibt, den er jetzt für seine eigenen Zwecke benutzt, um das Schwert Schmerz ein weiteres Mal zusammenzufügen und seinen Herrn, den Gott Magos, nach Mirad zurückzuholen.

Gondo, den Räuberhauptmann, der einst auf Kaguans Geheiß die Gemeinschaft des Lichts im Wald der Zungen überfallen hat, hat es derweil in König Entrins Heer verschlagen, seine Hoffnungen auf Belohnung oder Beute wurden allerdings mit schöner Regelmäßigkeit enttäuscht. Jetzt sitzt er höchst missmutig unter den Belagerern vor der Sooderburg und hat nur ein einziges Ziel: Er will endlich etwas vom großen Kuchen abhaben!

Das zeigt schon, dass es diesmal etwas verwickelter zugeht. Der äufwändigste und ausführlichste Teil der Handlung dreht sich natürlich um Ergil. Hier tauchen auch die meisten neuen Ideen auf. Die harmonie“süchtigen“ Bäume Floraniens wirken zwar nicht ganz so neu, dafür erinnern sie doch ein wenig zu sehr an die Ents, aber vielleicht war das auch Absicht. Es wäre nicht die erste Hommage an Tolkien, der der Leser bei Isau begegnet. Interessanter fand ich die Samenwolke oder die fliegende Rennqualle, vor allem aber das bisher nur auf der Landkarte verzeichnete Land Xk mit seinen Bewohnern. Die extreme Fremdartigkeit dieser Kultur führt zu einigen durchaus sehr schrägen Situationen.

Während Ergil für die Queste und die Lösung eines Rätsels zuständig ist, sorgt der Rest der Handlung dafür, dass die Zeit knapp wird. Nicht nur, weil Ergils Mutter Vania nur noch wenige Tage zu leben hat, ist Eile geboten, sondern auch, weil sowohl Kaguan als auch die Angreifer vor den Mauern der Sooderburg kurz davor sind, den letzten Schlag zu führen!

Dass Vania letztlich gerettet wird, stand im Grunde außer Frage, wie aber genau der Kampf gegen Kaguan und die Belagerer ausgehen würde, war bis zuletzt unklar. So zog die Spannung in der zweiten Hälfte des Buches immer weiter an und blieb bis zum Ende erhalten. Dem tat auch die unblutige Art und Weise, in der die Schlacht um die Burg geschildert wurde, keinen Abbruch.

An Personenentwicklung findet in diesem dritten Band nicht mehr allzu viel statt. Den größten Anteil daran hatten naturgemäß die Zwillinge. Aber Twikus ist tot, und Ergil hat inzwischen eine Menge durchgemacht, ist ziemlich erwachsen und auch viel selbstsicherer geworden. Allein Prinzessin Nishigo gelingt es noch, ihn aus der Fassung zu bringen, doch nur so lange, bis er sich endlich eingestanden hat, dass nicht nur Twikus in die kleine Susanerin verliebt war. Die Entwicklung der Beziehung zwischen Nishigo und Ergil nimmt einiges mehr an Raum ein als zuvor die zwischen Nishigo und Twikus, bleibt aber trotzdem wohltuend kitschfrei.

Etwas konstruiert empfand ich die Rettung von Harkon Hakennase durch Selbstaustrocknung, um dem Tod durch Erfrieren zu entgehen. Der Eindruck schwächte sich später, als die Gefährten Xk erreichten, etwas ab, da diese Methode dort zur Kultur gehört und dadurch etwas vom Eindruck des Höchstunwahrscheinlichen verliert. Trotzdem: Wäre Hakennase irgendwann von allein wieder aufgetaut, wie wäre er wohl ganz ohne Mannschaft mit seinem Schiff zurück an Land gelangt? Was für ein Glück auch, dass die Gefährten zufällig die einzig richtige Methode erwischten, den Forscher wiederzubeleben! Überhaupt hat der Autor in diesem Zyklus einen ausgeprägten Drang, Leute wiederzubeleben, mit denen eigentlich nicht mehr zu rechnen war: Jazzar-fajim, Hakennase, Vania … Aber gut, für die Gemeinschaft war der kauzige Alte immerhin ein echter Gewinn, nicht nur wegen seiner Kenntnisse der Xkischen Kultur.

Eine offensichtliche Panne findet sich in der Diskussion zwischen Ergil und Múria über Hakennases letzte Expedition. Irgendwie hat da jemand ein paarmal Ost und West durcheinandergeworfen. Ansonsten war das Lektorat angenehm fehlerfrei.

Betrachtet man die Trilogie insgesamt, so bleibt zu sagen, dass der dritte Band zwar an den zweiten nicht ganz heranreichte – dafür verlief manches doch ein wenig zu glatt, wie zum Beispiel die Rettung vom Frauenturm in Ostgard -, dass er aber trotzdem besser war als der erste. Die Chroniken von Mirad kommen vielleicht etwas langsamer in Gang als andere Zyklen, aber es lohnt sich, sich davon nicht abschrecken zu lassen und trotzdem weiterzulesen.

Ralf Isau, gebürtiger Berliner, war nach seinem Abitur und einer kaufmännischen Ausbildung zunächst als Programmierer tätig, ehe er 1988 zu schreiben anfing. Aus seiner Feder stammen außer der Neschan-Trilogie und dem Kreis der Dämmerung unter anderem „Der Herr der Unruhe“, „Der silberne Sinn“, „Das Netz der Schattenspiele“ und „Das Museum der gestohlenen Erinnerungen“. In der Reihe Die Legenden von Phantásien ist von ihm „Die geheime Bibliothek des Thaddäus Tillmann Trutz“ erschienen. Und das nächste Buch ist auch schon wieder in Arbeit: Das Erscheinen von „Die Farbenlauscher“ ist für September 2007 vorgesehen.

Gebundene Ausgabe: 576 Seiten
ISBN-13: 978-3-522-17747-4

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Der Autor vergibt: (4.5/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (No Ratings Yet)

Shan Sa – Himmelstänzerin

Die junge chinesische Autorin Shan Sa, die als Aufsteigender Stern Pekings gefeiert wird, emigrierte nach dem so genannten Tian’anmen-Massaker im Juni 1989 nach Paris, wo sie auch heute noch lebt. Inzwischen veröffentlicht sie ihre Romane in französischer Sprache und wurde für das vorliegende Buch mit dem |Prix Goncourt du premier roman| ausgezeichnet. „Himmelstänzerin“ kann schon auf den ersten Blick durch seine ansprechende Optik begeistern, doch auch der zweite Blick ins Buch hinein überzeugt auf ganzer Linie.

Am 4. Juni 1989 steht Shan Sas Romanheldin, die junge Studentin Ayamei, unschlüssig auf dem Platz des Himmlischen Friedens, den das chinesische Militär stürmt, um gewaltsam die Studenten zu vertreiben, die den Platz seit Wochen besetzen. Ihr alter Schulfreund Xiao schreckt Ayamei auf und überredet sie zur Flucht, denn Ayamei war maßgeblich an den Studentendemonstrationen beteiligt und wird nun gesucht. Als Xiao auf der Flucht stirbt, realisiert Ayamei, in welcher Gefahr sie schwebt. Sie muss alleine weiter und wird des Nachts vom LKW-Fahrer Wang aufgesammelt, der sie mit sich nimmt und vor dem Militär verstecken will.

Doch ahnt Wang noch nicht, in welche Gefahr er seine eigene Familie damit bringt, denn die Suche nach Ayamei hat bereits begonnen. Der pflichtbewusste Soldat Zhao verfolgt die junge Studentin und will sie ihrer gerechten Strafe zuführen. Zhao kommt Ayamei immer näher, er befragt rücksichtslos Ayameis Familie, bis es dort zu einem schrecklichen Zwischenfall kommt. Allerdings bringt auch dies Zhao nicht von seinem Wege ab, sein einziges Ziel ist nach wie vor die Ergreifung Ayameis. Ein Tagebuch der rebellischen Studentin ist es schließlich, das Zhao zum Nachdenken bringt …

Im Mittelpunkt dieses gefühlvollen und ergreifenden Romans stehen zwei Figuren, die unterschiedlicher kaum sein könnten und die dennoch viel voneinander lernen können. Mit poetischen Worten beschreibt Shan Sa die Geschichte Ayameis, die schließlich überleben und den Soldaten entkommen möchte. Shan Sa hat Peking damals nach dem Tian’anmen -Massaker verlassen, doch spürt man auf jeder Seite, wie sehr sie dieses Thema immer noch bewegt. Es scheint, als möchte Shan Sa ihre traurigen Erinnerungen an dieses Ereignis in diesem Buch verarbeiten. Die Grausamkeit der Soldaten wird besonders deutlich, als Zhao und seine Kumpane Ayameis Familie befragen und dabei im wahrsten Sinne des Wortes sogar über Leichen gehen. Die Sympathien der Leser sind klar verteilt, sie liegen eindeutig bei Ayamei, die ständig auf der Flucht vor ihren Verfolgern ist.

Die Geschichte, die Shan Sa zu erzählen hat, könnte kaum dramatischer sein. Es scheint, als habe Ayamei praktisch keine Chance zur Flucht, denn die Personen, die ihr geholfen haben, müssen dies teuer bezahlen. Xiao lässt auf der Flucht sein Leben und Wangs Familie wird so lange bedroht, bis sie Ayameis Aufenthaltsort verraten müssen. Die Aussichtslosigkeit der Situation ist es, die den Leser tief erschüttert. Die stärkste Stelle im Buch ist allerdings der Fund von Ayameis Tagebuch, welches Zhao schließlich liest, um sein Opfer näher kennen zu lernen. Zhao ist bewegt von Ayameis Geschichte und fasziniert von der jungen Frau, die sich in den geschriebenen Worten wiederfindet. Die Erzählung im Tagebuch ist es, die Zhao zum Nach- und auch zum Umdenken bringt. Zum ersten Mal beginnt er, sein Tun zu hinterfragen. Dies ist der Moment, in der Zhao seine ersten Pluspunkte sammeln kann.

Shan Sa schafft es auf unglaublich faszinierende und packende Weise, uns ihre Romanheldin vorzustellen und näher zu bringen, sodass wir ihr alles Glück der Welt wünschen, damit sie ihren Verfolgern entkommen möge. Besonders faszinierend ist die Entwicklung, welche die Protagonisten im Laufe der Erzählung durchmachen. Bei Zhao ist es zunächst eine Neugierde, er möchte wissen, wen er eigentlich jagen und auffinden soll. Als er Ayameis Spuren verfolgt und ihr langsam immer näher kommt, ist es eine Faszination, doch als er schließlich ihr Tagebuch gelesen hat, kann er sich Ayamei kaum noch entziehen. Langsam beginnt Zhao, von Ayamei zu lernen. Aber auch Ayamei muss viel lernen in dieser kurzen Erzählung. Anfangs scheint es fast, als wäre sie in eine Demonstration hinein gestolpert, von der sie noch gar nicht ganz verstanden hat, worum es eigentlich ging. Sie erscheint uns naiv und unbeteiligt, doch wird sie uns dann als eine der Anführerinnen der rebellischen Studenten vorgestellt. Zu Beginn hat sie jedoch keinen Überlebenswillen, alles erscheint ihr gleichgültig, hier scheint sie die Bedrohung kaum registriert zu haben. Doch nach und nach wächst ihr Überlebenswille, am Ende ist nichts stärker als der Wunsch, ihren Verfolgern zu entkommen. So machen beide Hauptfiguren trotz der Kürze der Geschichte eine erstaunliche Veränderung mit.

Sprachlich ist „Himmelstänzerin“ äußerst angenehm zu lesen. Shan Sas Sprache ist poetisch und einfach nur wundervoll, besonders die Tagebucheinträge Ayameis sind sehr persönlich; hier lässt Shan Sa uns sehr nah an ihre Protagonistin heran. In den Einträgen erfahren wir etwas aus Ayameis Vergangenheit, von ihrer ersten großen (und unglücklichen) Liebe, über ihre Gefühle und auch über ihre Flucht vor den Soldaten. Nirgends lernen wir die junge Studentin so gut kennen wie in ihrem Tagebuch.

Insgesamt ist Shan Sa mit „Himmelstänzerin“ ein überzeugender – leider viel zu kurzer – Roman über zwei junge Menschen gelungen, die für das kämpfen und leben, woran sie glauben. Trotz des schmalen Buchumfangs erleben wir besonders bei Zhao eine erstaunliche Weiterentwicklung mit, die sehr zum Lesegenuss beiträgt. „Himmelstänzerin“ erzählt mehr, als auf den ersten Blick erkennbar ist, darin besteht die ganz besondere Faszination dieses schmalen Büchleins, das ich nur weiterempfehlen kann.

http://www.piper.de

Timothy Leary – Info-Psychologie

Achtung, Science-Faction!

Sie haben richtig gelesen, es handelt sich bei „Info-Psychologie“ um ein Werk der Science-Faction – nicht der Science-Fiction. Worin der Unterschied besteht? Nun, streng genommen gibt es keinen, zumindest meint das Timothy Leary. Beide – Fakt und Fiktion – seien ganz im wittgensteinschen Sinne Konstrukte, die außerhalb ihres eigenen Theoriekorsetts nicht mehr als subjektive Spekulationen sind. Von daher macht es folglich auch keinen Unterschied aus, ob ein Autor von Flügen ins Weltall oder von naturwissenschaftlichen Erkenntnissen der Gentechnik berichtet.

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Reginald Hill – Welch langen Weg die Toten gehen

Das geschieht:

Im leer stehenden „Moscow House“, dem alten Stammsitz der Macivers, schießt sich Palinurus, das Oberhaupt der Familie, mit einer Ladung Schrot den Schädel weg. Er will damit ein Signal setzen und seine verhasste Stiefmutter Kay Kafka in Verruf bringen, die er für den Tod seines Vaters und das Ende der einst selbstständigen Maschinenfabrik Maciver verantwortlich macht. Vor zehn Jahren hatte Palinurus senior seinem Leben auf dieselbe Weise ein Ende gesetzt wie jetzt der Sohn, nachdem ihn Kay als Ehefrau betrogen und ein US-Konzern mit ihrer Unterstützung seine Firma übernommen hatte.

Damals war Palinurus junior bei der Kriminalpolizei von Mid-Yorkshire vorstellig geworden. Der unorthodoxe Detective Superintendent Andrew Dalziel hatte seine Aussage damals aufgenommen, sie jedoch nicht für relevant gehalten, sodass zur Verbitterung des Juniors keine weiteren Schritte erfolgt waren. Auch dieses Mal will Dalziel die Sache offensichtlich unter den Teppich kehren. Detective Chief Inspector Peter Pascoe würde freilich gern weitere Ermittlungen anstellen. Die Macivers sind definitiv keine Musterfamilie. Ist womöglich etwas dran an Kay Kafkas üblem Ruf? Palinurus‘ Schwester Cressida und seine Witwe Sue-Lynn hassen die Stief- bzw. Schwiegermutter ebenso inbrünstig wie der Verstorbene. Helen, die deutlich jüngere Schwestern, liebt sie dagegen wie eine echte Mutter. Wie passt das zusammen? Reginald Hill – Welch langen Weg die Toten gehen weiterlesen