Archiv der Kategorie: Rezensionen

MacLeod, Charlotte – Rolls Royce und Bienenstiche

Wie in jedem Jahr richtet das Millionärs-Ehepaar Nehemiah und Abigail Billingsgate für seine Familienmitglieder, Verwandten und Freunde auf dem Gelände seines Anwesens vor den Toren der US-Metropole Boston (Massachusetts) ein prunkvolles Renaissance-Fest aus. Unter den zahlreichen Gästen tummeln sich auch Max und Sarah Bittersohn, die heuer nicht nur zur Feier eingeladen wurden, sondern außerdem einen peinlichen Diebstahl aufklären sollen. Die Bittersohns arbeiten als Privatdetektive, und der Hausherr setzt größeres Vertrauen in sie als in Chief Grimpen, den ebenso aufgeblasenen wie unfähigen Polizeichef, dem dennoch noch reichlich Gelegenheit geboten wird, sich tüchtig zu blamieren.

Seit Jahrzehnten sammelt die Familie Billingsgate Luxus-Automobile der Marke Rolls Royce. Der Wert dieser Oldtimer ist enorm, so dass große Aufregung entsteht, als ein Modell „New Phantom“, Baujahr 1927, aus der als Museum eingerichteten und gut gesicherten Großgarage verschwindet. Für das Fest wurden deshalb besondere Sicherheitsmaßnahmen getroffen. Der alte Hausdiener Rufus bewacht die fest verschlossene Wagenhalle, und regelmäßig schaut Max Bittersohn nach dem Rechten.

Dennoch geschieht das Unfassbare: Auf einem seiner Kontrollgänge findet Max den Wachposten verlassen vor. Nach kurzer Suche entdeckt er den scheinbar saumseligen Rufus: Er hängt mit einem Seil um den Hals hoch im Wipfel eines Baumes! Man hat ihn erst ermordet und dann mit einem Flaschenzug dort hinaufgezogen. Gleichzeitig ist wieder einer der wertvollen Rolls Royces verschwunden – und Boadicea Kelling, eine der zahllosen Tanten Sarahs, die anscheinend den Dieben und Mördern zufällig über den Weg lief und von diesen verschleppt wurde.

Die Ermittlungen gestalten sich schwierig. Da ist zum einen der unausstehliche Grimpen, der nichts lieber täte, als den Fall unter fadenscheinigen Gründen zu den Akten zu legen. Auf der anderen Seite müssen die Billingsgates und die Bitterbaums sich eingestehen, dass der oder die Täter wohl im Kreise der Gäste gesucht werden müssen; eine peinliche Situation, da die Anwesenden nicht nur mit den Gastgebern und untereinander verwandt sind, sondern einander schon seit Jahrzehnten kennen …

Der achte Band der „Boston“-Serie, die sich lose um die kriminalistischen Abenteuer der Amateur-Detektivin Sarah Kelling-Bitterbaum rankt, vermittelt seinen Lesern schon auf den ersten Seiten das beruhigende Gefühl, durch nichts Neues verschreckt zu werden. Seit jeher steht für Charlotte MacLeod weniger der Thrill, d. h. das Verbrechen und seine Aufklärung, im Mittelpunkt, sondern die Beschwörung einer guten, altmodischen, heilen Welt, bevölkert von liebenswerten und skurrilen Gestalten, denen ein Mord auch nicht dramatischer erscheint als ein Familienskandal, der sich vor fünfzig oder mehr Jahren abgespielt hat.

So schlägt MacLeod in der „Boston“-Serie einen Großteil ihres Witzes aus dem unglaublich verzweigten Clan der Kellings, einem genealogischen Albtraum hart an der Grenze zur Inzucht, der quasi die Bevölkerung eines ganzen Landstriches stellt und dem Verschrobenheit offensichtlich schon in die Wiege gelegt wird. Nach sieben Bänden hat sich die daraus erwachsende Komik allerdings ziemlich abgenutzt, doch der wahre (meist weibliche) MacLeod-Fan sieht das natürlich ganz anders und kann gar nicht genug von immer neuen Kellings mit ulkigen Namen und ebensolchen Gewohnheiten in märchenhaft-traulicher Landhaus-Atmosphäre lesen. Weit, weit weg ist die grausame Realität, vor der sich auf diese Weise vortrefflich fliehen lässt. Allzu spannend darf und soll es in dieser gemütlichen Nische nicht zugehen: „Cozys“ nennt man solche baldrianischen Krimis im Angelsächsischen mit gutem Grund. Alles wird schließlich immer wieder gut, während mindestens ein unverheirateter Großonkel zwölften Grades für kauzige Komplikationen sorgt; im vorliegenden Band ist er zwar nicht mehr am Leben, was aber nebensächlich ist, da für die Kellings Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft sowieso nahtlos ineinander übergehen und in diesem zeitlosen In-sich-selbst-Ruhen selbst tote Verwandte stets präsent bleiben.

Schwierigkeiten mit dem Kelling-Clan kennt die treue MacLeod-Leserschaft nicht. Die Autorin lässt einmal eingeführte Figuren immer wieder die Handlung bereichern, bis sie sich in der ständigen Wiederholung dem Publikum eingeprägt haben. Ansonsten sind sie austauschbar, was die eigentlichen Hauptpersonen nicht ausschließt: Sarah und Max Bittersohn sind liebenswerte Gutmenschen, die als Überdosis genossen durchaus Brechreiz hervorrufen können. In inniger Liebe einander zugetan, gesegnet mit einem gar niedlichen Kindelein und verschont von profanen Sorgen, gehen sie einem (im MacLeodschen Sinn) aufregenden Beruf nach und verkörpern damit, wonach sich viele Leser/innen mindestens unterschwellig sehnen.

Das muss man sich vor Augen führen, wenn man als Neuling in die „Boston“-Welt stolpert. Charlotte MacLeod ist mit ihren Cozys jedenfalls gut gefahren. Im reifen Alter von 57 Jahren erst ist sie 1979 auf die „Boston“-Goldader gestoßen. Noch drei weitere Serien derselben Machart sicherten ihr (mildes) Kritikerlob und ein treues Publikum, das die fleißige Autorin über mehr als zwei Jahrzehnte zuverlässig mit immer neuen Variationen der alten Melodie bei Stimmung hielt.

Nach 1990 verlangsamte sich MacLeods Arbeitstempo merklich. Zum Kummer ihrer zahlreichen deutschen Fans war mit „Der Mann im Ballon“ nicht nur das Dutzend voll, sondern das Ende der Serie erreicht. Weitere Kriminalromane aus der Feder Charlotte MacLeods gab es nicht mehr. Die inzwischen 80-jährige Autorin litt an der Alzheimerschen Krankheit, an deren Folgen sie 2005 starb. Die absolut hirnrissige, geradezu peinliche „Auflösung“, die MacLeod sich für „Rolls Royce und Bienenstiche“ hat einfallen lassen, führt allerdings zu der Frage, ob der geistige Verfall nicht schon ein Jahrzehnt früher eingesetzt hat.

Die „Boston“-Serie:

01. Die Familiengruft (1979; „The Family Vault“) – DuMonts KB Nr. 1019
02. Der Rauchsalon (1980; „The Withdrawing Room“) – DuMonts KB Nr. 1022
03. Madame Wilkins‘ Palazzo (1981; „The Palace Guard“) – DuMonts KB Nr. 1035
04. Der Spiegel aus Bilbao (1983; „The Bilbao Looking Glass“) – DuMonts KB Nr. 1037
05. Kabeljau und Kaviar (1984; „The Convivial Codfish“) – DuMonts KB Nr. 1041
06. Ein schlichter alter Mann (1985; „The Plain Old Man“) – DuMonts KB Nr. 1052
07. Teeblätter und Taschendiebe (1987; „The Recycled Citizen“) – DuMonts KB Nr. 1072
08. Rolls Royce und Bienenstiche (1988; „The Silver Ghost“) – DuMonts KB Nr. 1084
09. Jodeln und Juwelen (1989; „The Gladstone Bag“) – DuMonts KB Nr. 1092
10. Arbalests Atelier (1992; „The Resurrection Man“) – DuMonts KB Nr. 1097
11. Mona Lisas Hutnadeln (1995; „The Odd Job“) – DuMonts KB Nr. 1104
12. Der Mann im Ballon (1998; „The Balloon Man“) – DuMonts KB Nr. 1110

http://www.dumontliteraturundkunst.de/

Shocker, Dan – Totenacker, Der (Macabros, Band 4)

In diesem Band wurden die Heftromane „Totenacker der Dämonen“ und „Die Geister-Höhlen“ aus dem Jahr 1974 nachgedruckt.

Im ersten Roman verfolgen Björn Hellmark und Rani Mahay eine Teufelssekte in New York, welche von einem Schwarzen Priester geleitet wird. Dieser hat Zugang zu einer fremden Dimension, dem Totenacker der Dämonen, wo Opfer und Abtrünnige lebendig verscharrt werden, um als dämonische Vögel wiedergeboren zu werden. Als Björn und Rani eine Messe der Teufelsanbeter sprengen, geraten sie selbst ins Visier des Schwarzen Priesters, der längst erkannt hat, wer sein Todfeind ist. Er entführt Björns Freundin Carminia, um sie auf dem Totenacker der Dämonen lebendig zu begraben …

In der zweiten Geschichte erhält Björn Hinweise darauf, dass Marlos, die unsichtbare Insel, im Meer erschienen ist. Laut den Prophezeiungen aus dem „Buch der Gesetze“ ist Björn, alias Kaphoon, der Alleinerbe des Eilandes. In den Geister-Höhlen auf Marlos warten die Geister der Weisen von Xantilon, um ihr Wissen dem Millionärssohn zu vermitteln, damit er gerüstet ist für den Kampf gegen die Dämonen und Schwarzen Priester. Doch Molochos, der oberste Dämonenfürst und Björn Hellmarks Erzfeind, setzt alles daran, um zu verhindern, dass Kaphoon einen Fuß auf Marlos setzen kann …

Beide Geschichten stehen für sich allein und bieten jede auf ihre Art und Weise spannende, abwechslungsreiche Unterhaltung. Selbst dem klischeebehafteten Thema der Teufelsanbetung gewinnt der Autor neue Aspekte ab, indem die Opfer nicht einfach getötet werden, um den Satan zu beschwören. Die Bedauernswerten werden auf dem titelgebenden Totenacker lebendig verscharrt, und zwar senkrecht, so dass die Beine als bizarre Grabsteine gen Himmel zeigen. Solch grotesken Ideen waren schon immer das Markenzeichen der Dan-Shocker-Romane und trugen zu einem großen Teil zu ihrer Popularität bei. Dass der Totenacker in einer anderen Dimension liegt, verleiht der Geschichte den nötigen Schuss Fantasy, der maßgebend für die Macabros-Serie ist. Davon abgesehen bleibt der erste Roman noch recht bodenständig. Die Charaktere sind lebensecht und entwickeln rasch eine Eigendynamik. Insbesondere Rani Mahay, der hier zum ersten Mal an Björns Seite kämpft, wirkt auf Anhieb sympathisch und beweist damit, dass er das Zeug zum perfekten „Sidekick“ hat.

Der zweite Roman legt den Schwerpunkt eindeutig auf die Phantastik und spielt innerhalb der Serienrelevanz eine bedeutende Rolle. Björn erfährt nicht nur, wer sein Erzfeind ist, sondern erhält auch einen wichtigen Stützpunkt gegen seine übermächtigen Feinde. Eindringlich beschreibt der Autor, wie der Protagonist scheinbar willenlos nur noch ein Ziel verfolgt, nämlich Marlos zu finden. Selbst die erneute Entführung Carminias lässt Björn dieses Mal völlig kalt. Der Wettlauf, der sich zwischen dem Helden und seinen Feinden entwickelt, ist voller Action und Dramatik, so dass der Leser gebannt bis zum Schluss an den Seiten klebt.

Die Illustrationen von Pat Hachfeld lockern das Gesamtbild angenehm auf, auch wenn sie diese Mal „nur“ zum guten Durchschnitt gehören. Das Cover gehörte ursprünglich zum Heftroman „Totenacker der Dämonen“ und zeigt die verscharrten Opfer der Sekte und im Hintergrund den Schwarzen Priester als dunkle Bedrohung.

Beide Geschichten sind kleine Perlen aus den Anfangszeiten dieser fantastischen und komplexen Serie.

http://www.blitz-verlag.de/

_Florian Hilleberg_

Dark, Jason – John Sinclair – Königin der Wölfe (Folge 35, Teil 2)

_Story_

Mr. Mondo und seine Gefolgschaft haben John endgültig in ihre Fänge bekommen und sehnen sich nun danach, ihn zu einem mächtigen Verbündeten zu machen. Ein bösartiges Serum verwandelt den Geisterjäger innerhalb weniger Minuten in einen blutrünstiegn Werwolf, der alle Kommandos seines Herrchens befolgt. Allerdings sind nicht alle Gefährten des psychiatrischen Facharztes mit dieser Verwandlung einverstanden. Die radikale Pamela zum Beispiel sinnt darauf, Sinclair sofort zu töten, doch dies kann Mondo nicht akzeptieren. Stattdessen übergibt er seinen neuen Schützling in die Hände der Dämonin Lupina, die wiederum einen Kampf zwischen Sinclair und einem weiteren Werwolf inszeniert. John geht als Sieger hervor, bindet sich dadurch aber noch stärker an seine neue Herrin. Wird es seinem Team um Suko, Bill Conolly und seine Geliebte Jane Collins gelingen, John wieder seine echte Identität zu verschaffen?

_Meine Meinung_

Ganz ehrlich: Ich bin ein wenig enttäuscht von der Fortsetzung des genialen [„Mr. Mondos Monster“. 2154 Irgendwie ist es nämlich nicht gelungen, die hierin begonnene, äußerst vielversprechende Geschichte fließend aufzunehmen und sie auf gleichem Niveau zu Ende zu bringen. So viel schon mal zum ersten Eindruck.

Nun, beginnen wir aber mal beim eigentlichen Problem, den fehlenden Verknüpfungen. Rein äußerlich sind die Episoden 34 und 35 ein zusammengehöriger Zweiteiler, in dem es um die gewaltigen Resultate der Forschung von Mr. Mondo geht. Allerdings ist hiervon in „Königin der Vampire“ kaum noch die Rede. Mit einem Mal schwenkt die Handlung nämlich komplett um und beschränkt sich nur noch auf die finstere Inkarnation des John Sinclair, ohne dabei jedoch zu weit in die Tiefe zu gehen. Das soll sicher nicht heißen, dass die Geschichte deswegen enorm an Spannung einbüßt, doch es ist schon so, dass wichtige, prägnante Elemente des ersten Teils gänzlich abhanden gekommen sind, wie zum Beispiel der nette Humor um die schrullige Sarah Goldwyn oder aber die rasante Action, die sich während der Verfolgungsjagd von Mr. Mondos Schergen auf Sinclair und eben jene alte Dame ergeben hat.

Gewichen sind sie einem selbst für Sinclair-Verhältnisse enorm düsterem Schauspiel, welches den Protagonisten aus einer völlig anderen Perspektive zeigt. Sinclair gehört plötzlich dem Bösen an, kämpft an entgegengesetzter Front, kann aber an dieser Seite nicht so ganz überzeugen. Das mag zum einen auch daran liegen, dass es einfach ungewohnt ist, den Geisterjäger so zu hören, entspricht aber auch ansonsten nicht so recht den Vorstellungen der ihm hier zugedachten Rolle. Mit anderen Worten: Die Umsetzung ist – und das ist innerhalb dieser Reihe nun wirklich mal eine Ausnahme – trotz aller Effekte und Klangmalereien nicht so toll, wie man es eigentlich gewohnt ist.

Natürlich muss man sich diesbezüglich aber auch vergegenwärtigen, dass die Erwartungen an diese Hörspielserie enorm groß sind und man eben nicht immer nur Highlights bekommen kann. Ich will diese leicht verpatzte Gelegenheit, aus der Doppelfolge ein echtes Event zu machen, zwar nicht mit irgendwelchen Floskeln rechtfertigen, aber darauf hinweisen, dass selbst diese Episode immer noch mit großem Abstand besser ist als 99 Prozent der übrigen Hörspiele und -bücher aus diesem Bereich. Dass es keine 100 Prozent sind, liegt schlicht und einfach daran, das man die Rahmenhandlung ziemlich grob auseinandergerissen und die Schwerpunkte denkbar ungünstig und im Großen und Ganzen auch zu oberflächlich verteilt hat. Zudem fehlt irgendwie der Witz an der Sache. Ich halte es für ziemlich ungünstig, den Plot mit zünftigem Humor zu beginnen (so geschehen in „Mr. Mondos Monster“) und anschließend mit einer bierernsten, bitterbösen Fortsetzung abzuschließen. Irgendwie beißen sich diese Gegensätze bezogen auf den Inhalt ganz gewaltig.

Zusammengefasst hat sich das Produktionsteam schlicht und einfach nicht auf seine eigentlichen Stärken besonnen, die prinzipiell darin bestehen, in kürzester Zeit eine flotte Action/Horror-Geschichte mit Spannung zu füllen und sie zielstrebig bis zum Schluss zu verfolgen. Was vor einem halben Jahr gut begonnen hat, findet hier ein etwas lahmes, nicht ganz zufriedenstellendes Ende. Sinclair-Fans müssen sich von dieser Kritik jetzt aber nicht vollständig irritieren lassen, sollten aber berücksichtigen, dass diese Doppelfolge in ihrem zweiten Part einige überraschende Schwächen hat. „John Sinclair“ gibt’s auch besser, zum Beispiel gleich in der nachfolgenden Episode, und das ist letztendlich auch der einzige Fakt, der zählt.

http://www.sinclairhoerspiele.de/

_|Geisterjäger John Sinclair| auf |Buchwurm.info|:_

[„Der Anfang“ 1818 (Die Nacht des Hexers: SE01)
[„Der Pfähler“ 2019 (SE02)
[„John Sinclair – Die Comedy“ 3564
[„Im Nachtclub der Vampire“ 2078 (Folge 1)
[„Die Totenkopf-Insel“ 2048 (Folge 2)
[„Achterbahn ins Jenseits“ 2155 (Folge 3)
[„Damona, Dienerin des Satans“ 2460 (Folge 4)
[„Der Mörder mit dem Januskopf“ 2471 (Folge 5)
[„Schach mit dem Dämon“ 2534 (Folge 6)
[„Die Eisvampire“ 2108 (Folge 33)
[„Mr. Mondos Monster“ 2154 (Folge 34, Teil 1)
[„Königin der Wölfe“ 2953 (Folge 35, Teil 2)
[„Der Todesnebel“ 2858 (Folge 36)
[„Dr. Tods Horror-Insel“ 4000 (Folge 37)
[„Im Land des Vampirs“ 4021 (Folge 38)
[„Schreie in der Horror-Gruft“ 4435 (Folge 39)
[„Mein Todesurteil“ 4455 (Folge 40)
[„Die Schöne aus dem Totenreich“ 4516 (Folge 41)
[„Blutiger Halloween“ 4478 (Folge 42)
[„Ich flog in die Todeswolke“ 5008 (Folge 43)
[„Das Elixier des Teufels“ 5092 (Folge 44)
[„Die Teufelsuhr“ 5187 (Folge 45)
[„Myxins Entführung“ 5234 (Folge 46)
[„Die Rückkehr des schwarzen Tods“ 3473 (Buch)

Allende, Isabel – Mein erfundenes Land

[„Zorro“ 1754 war das letzte von Isabel Allende auf Deutsch erschienene Buch, eine Art Biographie der frühen Jahre des berühmt-berüchtigten Rächers mit der Maske. Und wenn der Roman auch alles bot, was man von einer Abenteuergeschichte erwarten würde, so war er doch ein außergewöhnlicher Stoff für eine Autorin, die mit starken Frauenfiguren, südamerikanischen Settings und weit ausladenden Familiengeschichten bekannt geworden ist. In „Mein erfundenes Land“ dagegen, im Spanischen bereits 2003 erschienen, hält sie sich wieder an Bewährtes, was dazu führt, dass man als Leser genau das bekommt, was man von Isabel Allende erwartet. Bei der Lektüre der 200 Seiten (geradezu Kurzprosa für Allendes Verhältnisse) stellt sich daher sofort der gewünsche Effekt ein: eine wohlige Wärme ob der flott dahingeschriebenen, teils liebenswerten, teils skurrilen Erinnerungen der Autorin.

Dabei ist „Mein erfundenes Land“ ein seltsamer Hybrid – irgendwo zwischen Autobiographie, Reiseführer, politischem Essay und Fiktion. Es ist der Versuch, die Sehnsucht nach diesem Land Chile, in dem sie tatsächlich nur einen geringen Teil ihres Lebens verbracht hat, in Worte zu fassen, zu erklären oder wenigstens zu beschreiben. Und es wäre kein Buch von Isabel Allende, würde man nicht ständig das Augenzwinkern der Autorin beim Umblättern der Seiten spüren.

Sie beginnt mit einer farbenprächtigen Kartographie ihres Heimatlandes – das Gebirge, das Meer, die Wüste, die brodelnde Stadt Santiago. Das alles klingt für den gemeinen Mitteleuropäer exotisch und weckt unweigerlich die Reiselust. Nie wirken Allendes Beschreibungen hier trocken oder gar abgeschrieben, denn in gewohnter Manier ist eine Bergkette bei ihr immer auch mehr als das: Die Beschaffenheit des Landes weist über sich hinaus, ist unabdingbare Voraussetzung für den Charakter seiner Bewohner, ihre Traditionen und Macken. Und von diesen Macken gibt es viele, wie die Autorin nicht müde wird zu erwähnen …

Vielleicht ist es die Tatsache, dass sie schon immer ein Querkopf war, sich dem Machismo Chiles nicht unterordnen wollte. Vielleicht ist es ihre journalistische Tätigkeit, die ihr diesen scharfen Blick ermöglicht. Vielleicht aber auch die Tatsache, dass sie nun schon seit zwanzig Jahren in Kalifornien lebt und daher aus einer anderen Perspektive auf Chile blickt. Sei’s drum, die Kapitel, welche die Skurrilitäten, die Eigenheiten und (für uns) fremdartigen Charakterzüge der Chilenen zum Thema haben, sind ein wahres Feuerwerk an genauer Beobachtung gepaart mit literarischer Verfremdung: Denn man kann sich nie ganz sicher sein, wann Isabel Allende Tatsachen beschreibt und wann sie ins Fiktionale abgleitet. Die Frage nach der Beziehung von Wahrheit und Fiktion ist eine typisch deutsche, meinte Allende, als sie das Buch in Berlin vorstellte. Für sie ist alle Erinnerung eine Mischung aus beidem – Tatsächlichem und Erfundenem. Was macht es da, ob etwas wahr oder unwahr ist? Genau aus diesem Spannungsfeld ergibt sich auch der Titel des Buches, der tatsächlich kein Widerspruch, sondern eine unbedingte Folge von Allendes Wahrnehmung ist.

Eingebettet in die Beschreibung von „Land und Leuten“ erfährt man auch viel Persönliches von der Autorin. Man trifft Charaktere aus ihren früheren Romanen wieder (allen voran natürlich „Das Geisterhaus“) und stellt fest, dass sie auf Mitgliedern ihrer Familie fußen. Mit viel Zuneigung, aber auch einem verschmitzten Lächeln gibt sie all die kleinen Absurditäten ihrer großen Sippe wieder: die hellsichtige Großmutter, der überlebensgroße Großvater, die Eindrücke, die ihre Kindheit geprägt haben. Einiges daraus kennt der treue Leser bereits aus „Paula“, doch fehlen in „Mein erfundenes Land“ die unbändige Trauer und das Verlangen, Dinge dem Vergessen zu entreißen. Das verleiht ihrem neuen Erinnerungsbuch eine uneingeschränkte Leichtigkeit, die dazu führt, dass man den Kapriolen und Sprüngen der Autorin gern folgt. Ihre Wege mögen verschlungen sein und sich von Zeit zu Zeit unvermutet kreuzen, doch ist dies kaum ein Grund zu bereuen, überhaupt auf die Reise gegangen zu sein. Im Gegenteil, es macht die Lektüre abenteuerlich und überraschend!

Es gibt natürlich ernste Momente. Wenn Allende den Militärputsch von 1973 beschreibt, der sie ins Exil trieb und ihre Heimat mit Folter und Repression überzog, dann bleibt kaum Raum für das altersweise ironische Lächeln, mit dem sie sonst ihr Lebens betrachtet: „Das hab ich hinter mir, und es hat mich stärker gemacht“, scheint ein Credo zu sein, das einen Großteil ihres Schreibens beschreibt. Doch der Putsch bleibt eine Wunde, die nur langsam heilt, und das Narbengewebe überzieht sowohl Chile als auch die Autorin.

„Mein erfundenes Land“ hat viele Eigenschaften, die für das Buch sprechen: Es ist unterhaltsam, kurzweilig, humoristisch und von Zeit zu Zeit sogar lehrreich. Es weckt die Neugier auf ein Land am Ende der Welt, wo die Sitten gleichzeitig fremd und sympatisch sind. Das Buch wirkt spontan, erfrischend, mit leichter Feder heruntergeschrieben, und dieses Gefühl überträgt sich unweigerlich auf den Leser, der sich mitnehmen lässt auf eine Reise, deren Ende nicht klar bestimmt ist. Doch, wie heißt es so schön: Der Weg ist das Ziel. Und selten war es so erfrischend, vom Weg abzukommen, wie in „Mein erfundenes Land“.

http://www.suhrkamp.de/

Stoker, Bram – Schloss der Schlange, Das

Adam Salton, reich geworden im fernen Australien, folgt der Einladung seines Großonkels Richard Salton, der in Mittelengland das behagliche Leben eines betuchten Landedelmannes führen und seinem Hobby frönen kann: der Archäologie. Richard hat sich dort niedergelassen, wo sich einst das alte Königreich Mercia erstreckte – ein denkbar geeigneter Ort für Altertumsforscher, denn Römer, Angelsachsen und Normannen haben ihre Spuren im Boden hinterlassen, die Richard und sein alter Freund Sir Nathaniel de Salis, Präsident der Archäologischen Gesellschaft von Mercia, begeistert ausgraben.

Gerade bietet sich den Forschern, denen sich Adam gern anschließt, eine einmalige Chance: Nachbar Edgar Caswall kehrt nach langer Abwesenheit auf sein Landgut Castra Regis zurück. Hier vermutet Richard die Ruinen einer Festung und Kultanlage der Römer, die fast fünf Jahrhunderte Britannien beherrschten. Doch Caswall verliert keine Zeit, den üblen Ruf seiner Familie – seine Vorfahren sollen ihren Reichtum erworben haben, indem sie einen Pakt mit dem Teufel schlossen – unter Beweis zu stellen. Heftig bedrängt er die junge Lilla Watford, Enkelin eines Pächters, obwohl sich die elegante, ihm gesellschaftlich viel näher stehende Lady Arabella March sehr um ihn bemüht, die sich in einer finanziellen Notlage befindet.

Auch die Saltons suchen – allerdings aus wissenschaftlichen Beweggründen – die Nähe der Lady. Diana’s Grove, jener Platz, auf dem ihr Landhaus steht, ist eine weitere historische Stätte. Sie wird im Volksmund auch die „Höhle des weißen Wurms“ geheißen, weil dort in grauer Vorzeit ein drachenähnliches Untier gehaust haben soll, das als Gottheit verehrt wurde. Dass diese Sage nicht eines wahren Kerns entbehrt, muss Adam feststellen, als er sich ritterlich auf die Seite der Watfords schlägt und sich dabei sowohl Caswell als auch Lady Arabella zu erbitterten Feinden macht …

Wie die Musik kennt auch die Literatur ihre „one hit wonder“ – Schriftsteller, die überhaupt nur ein Buch schreiben bzw. d a s Buch, den Überbestseller, neben dem ihre übrigen Werke schlicht verblassen und nicht zur Kenntnis genommen werden. Bram Stoker ist der Autor von „Dracula“. Ihn hat das Schicksal mit der Variante Nr. 2 geschlagen. Außer seinem Epos um den blutsaugenden Vampirgrafen nimmt die Kritik noch eine Handvoll kurzer Geschichten gnädig zur Kenntnis. Das Romanwerk wird sehr unfreundlich beurteilt; werden Bücher wie „Das Schloss der Schlange“ heute überhaupt neu aufgelegt, dann fehlt niemals der Hinweis darauf, dass Stoker Draculas geistiger Vater ist. (Im angelsächsischen Sprachraum ist das Copyright für „Lair of the White Worm“ offenbar wie Dracula im Sonnenlicht zu Staub zerfallen, so dass der Roman gleich an mehreren Stellen gratis aus dem Internet geladen werden kann.)

Das schürt Erwartungen, die jedoch nicht erfüllt werden können. Stoker schrieb „Das Schloss der Schlange“ 1911 als kranker, ausgebrannter, von Geldsorgen geplagter Mann; nur wenige Monate später ist er gestorben. „Dracula“ war sein Lebenswerk, ein Roman, an dem er viele Jahre gearbeitet, gefeilt, gestrichen, ergänzt und korrigiert hatte. Die Romane, die Stoker danach verfasste, entstanden in Eile und ohne den Enthusiasmus, der aus „Dracula“ trotz offensichtlicher literarischer Schwächen einen Bestseller für die Ewigkeit werden ließ.

Erneut lässt Stoker „unnatürliche“ Figuren auftreten und bemüht (im schicklichen Rahmen) Sex & Thrill, aber es ist anders als in „Dracula“ kaum mehr als ein müder Reflex. Dracula ist dieses Mal eine Frau? Nein, so einfach hat es sich Bram Stoker trotz seines schlechten Gesundheitszustands denn doch nicht gemacht. Zudem war diese Idee bereits 1871 (!) Grundlage der Novelle [„Carmilla“ 993 von Joseph Sheridan LeFanu gewesen. Lady Arabella March ist nicht durch den Biss eines Vampirs zur Blutsaugerin geworden. Ein vorzeitliches Wesen hat sich ihrer bzw. ihres Geistes bemächtigt. Das hat sie schamlos & mannstoll werden lassen, was für einige aus zeitgenössischer Sicht eindeutig zweideutige Szenen gut ist; auch 1911 galt bereits „Sex sells“, obwohl Stoker, der viktorianische Engländer, in dieser Hinsicht stark chiffriert arbeitete. Die „Stellen“ wirken auf diese Weise sogar noch deutlicher – Künstler lernten zu allen Zeiten schnell, wie sich die Zensur austricksen lässt.

Sex ist unheimlich und „schmutzig“, aber eben auch verführerisch – und deshalb doppelt „schlecht“: So schließt sich der Teufelskreis, dem Stoker schon in „Dracula“ Ausdruck verliehen hatte. Doch was dem gesellschaftlichen Bann verfällt und verdrängt wird, kehrt umso häufiger zurück. Diese „Prüfung“ wird bekanntlich nicht oft bestanden. Für Stoker kann nur „das Böse“ dahinterstecken, wenn brave Männer den Verlockungen des Weibes erliegen: Es ist eigentlich der Wurm, der Carswell über seine Sendbotin verhext und schwach werden lässt. (Sehr schön zeigt eine Illustration aus der Erstausgabe von 1911 übrigens, wie dieser „große, weiße Wurm“, der steil aufgerichtet Blitze aus seinen Augen schießt, auch gedeutet werden könnte …) Nach einer – allerdings umstrittenen – Theorie von Deborah Hayden litt Stoker an der Syphilis und schrieb „Das Schloss der Schlange“ im Endstadium dieser Krankheit als Mischung aus Roman und verschleierter Offenbarung.

Kaum verwunderlich ist übrigens, dass Stoker die „bösen“ Figuren wesentlich vielschichtiger gelungen sind als die „Helden“. Onkel und vor allem Neffe Salton vertreten Gesetz, Glaube & Moral und wirken entsprechend steif und uninteressant. Sie müssen halt ins Spiel, weil das Gute zu siegen hat. Erstaunlich ist die Charakterisierung des Oolanga, eines afrikanischen Dieners, den Edgar Carswell von seinen Reisen „mitgebracht“ hat. Einerseits schildert ihn Stoker sehr zeittypisch, nämlich chauvinistisch als triebhaften, primitiven, bösartigen „Neger“, lässt aber mehrfach durchblicken, dass auch Oolanga seine Träume von einem besseren Leben hat.

Übrigens ist die Idee, die dem „Schloss der Schlange“ zugrunde liegt, durchaus interessant. Arthur Machen oder Algernon Blackwood haben den Einbruch vorzeitlicher Naturgeister in die moderne Welt mehrfach und sehr wirkungsvoll dramatisiert. Aber Stoker kann mit diesem Konzept nichts anfangen. Einige bildhafte Details haften im Gedächtnis. Der große Drache über Castra Regis gehört dazu, auch die Schilderung des Wurms hat ihre Momente. Dennoch ist „Das Schloss der Schlange“ insgesamt ein schier unlesbares Dickicht begonnener, aber nie beendeter Erzählstränge, die erst recht nicht zu einem überzeugenden Finale zusammenfinden. Stoker hat die Kontrolle über seinen Roman verloren und wollte ihn schließlich nur noch irgendwie zu Ende bringen – ein trauriger Abschied für einen Mann, der beruflich wie privat anscheinend nicht viel Glück in seinem Leben hatte; selbst im Tod blieb ihm der Ruhm als „Dracula“-Autor verwehrt: fast zeitgleich sank die „Titanic“ in den eisigen Fluten des Nordatlantiks, und dieses Ereignis war es, das die Schlagzeilen in aller Welt beherrschte.

1988 inszenierte der einst als Skandalregisseur gefeierte oder verfluchte Ken Russell nach eigenem Drehbuch den gleichnamigen Film zu Stokers Roman. Für die Hauptrollen verpflichtete er einen noch sehr jugendlichen Hugh Grant sowie Amanda Donahue und Catherine Oxenberg und schuf einen turbulenten, sein geringes Budget deutlich offenbarenden Horrorfilm im Stil der späteren „Hammer“-Heuler. „Lair“, der Film, wird wahlweise als geniale, ehrfurchtsfreie Interpretation einer lange als unverfilmbar geltenden Vorlage oder als „Meisterwerk“ des Schund- und Trashfilms gewertet.

Bram (eigentlich Abraham) Stoker wurde am 8. November 1847 in dem irischen Dorf Clontarf in der Nähe von Dublin geboren. Er war ein kränkliches Kind, das die ersten sieben Jahre seines Lebens praktisch im Bett verbringen musste. Die Erfahrung des scheinbar ständig präsenten Todes prägte Stoker nachhaltig. Ebenfalls nie in Vergessenheit gerieten die Geschichten seine Mutter, die aus dem reichen irischen Sagenschatz schöpften, der das Übernatürliche, den Tod und deren heimliche, aber ständige und nicht ungefährliche Präsenz im Leben der Menschen thematisierte.

Stoker besaß eine ausgeprägte künstlerische Ader, doch leider nicht das Einkommen, ihr nachzugeben. Nach einem Studium am Trinity College (Dublin) schlug er die Beamtenlaufbahn ein. Nebenbei schrieb er. 1881 erschien eine Sammlung allegorischer, ziemlich düsterer Kunstmärchen oder Kindergeschichten. Neben seiner Beamtentätigkeit veröffentlichte er weitere Kurzgeschichten und (ab 1871) Theaterkritiken. Damit erregte er die Aufmerksamkeit des berühmten Shakespeare-Schauspielers Henry Irving: Stoker folgte diesem 1878 nach London, wo er die Geschäftsführerstelle in Irvings neuen „Lyceum Theatre“ übernahm. Die scheinbare Eintrittskarte in die Welt der Kunst entpuppte sich als Knochenjob für eine nüchterne Bürokratenseele und Irving als exzentrischer Egoist, der es für selbstverständlich hielt, dass Stoker ihm bei Tag und bei Nacht zur Verfügung stand.

Dennoch hielt Stoker aus. Seinen eigenen Durchbruch erhoffte er von einem Roman, für den er viele Jahre recherchiert hatte. „Dracula“ erschien 1897 – und wurde eher beiläufig zur Kenntnis genommen. Stoker blieb also am Theater, doch als Henry Irving 1905 starb, stand er auf der Straße. Nun schrieb er, um sich und seine Familie zu ernähren; ein aufreibender Kampf, der zunehmend an seiner Gesundheit zehrte. Seine späteren Romane erreichten nicht einmal annähernd den Rang seines „Dracula“. Bram Stoker starb am 20. April 1912. Den Ruhm, den er sich erträumt hatte, erlebte er nicht mehr. Nur wenige Jahre später begann Dracula seinen Siegeszug über die ganze Welt.

http://www.bastei-luebbe.de

Shocker, Dan – Schreckensgöttin, Die (Macabros, Band 3)

Der Band enthält die Heftromane „Die Schreckensgöttin“ und „Horror-Trip“ der gleichnamigen Serie aus dem |Zauberkreis|-Verlag.

Schon immer sind Menschen spurlos verschwunden und niemand konnte sagen, wohin es sie verschlagen hat. Einige tauchen wieder auf, können sich aber nicht daran erinnern, wo sie all die Jahre verbracht haben. Für sie ist die Zeit stehen geblieben.

So ist es auch Edgar Laughton ergangen, der dreißig Jahre lang als verschollen galt. Plötzlich taucht er in London wieder auf und wird von schrecklichen Höllenhunden bedroht. Richard Patrick, Verleger der Zeitschrift „Amazing Tales“, interessiert sich für den Fall und informiert darüber hinaus Björn Hellmark, mit dem er seit kurzem korrespondiert. Gemeinsam können sie Laughton vor einer Attacke der Höllenwesen retten. Unter Hypnose erzählt er von einer Schreckensgöttin und einer Frau namens Betty Roughly, wo er zuletzt war, bevor er verschwand.

Björn stattet der Frau einen Besuch ab und wird von ihr in eine Falle gelockt. Durch einen Spiegel stürzt er in eine fremde Dimension. Dort trifft er auf die Schreckensgöttin, die sich mit anderen Dämonen erbitterte Kämpfe liefert. Bei einem dieser Kämpfe wird die Schreckensgöttin vernichtet, doch damit beginnt der Horror-Trip von Björn Hellmark erst, denn ziellos wandelt er durch eine feindselige Welt voller Gefahren, ohne zu wissen, wie er den Rückweg zur Erde antreten soll …

Beide Romane bilden zusammen eine in sich abgeschlossene Geschichte und entführen den Leser in eine faszinierende fremde Welt. Spannend und temporeich erzählt der Autor von der Odyssee, auf die er seinen Helden schickt. Gekonnt schildert er die Gefühle seines Protagonisten, die von Verzweiflung über Hoffnung bis hin zur nackten Angst reichen.

Darüber hinaus lernt der Leser wichtige Figuren kennen, die für den weiteren Verlauf der Serie noch eine bedeutsame Rolle spielen werden. Da wäre zum einen Rani Mahay, der Koloss von Buthan, ein Inder, der die Gabe besitzt, allein mit der Kraft seines Willens wilde Tiere zu bändigen. Carminia Brado, Björns Freundin, lernt den Mann bei einem Zirkusbesuch kennen. In den Adern des Inders fließt das Blut der alten Rasse der Xantilonier.

Richard Patrick hat ebenfalls seinen ersten Auftritt, ebenso wie Ajit Lekarim, ein Wissenschaftler, der Zugang zur vierten Dimension hat und es sich zur Aufgabe gemacht hat, verschollene Menschen zu finden, um sie wieder auf die Erde zurückzubringen. Dazu verkleinert er sie bis auf Mikrogröße und kann sie somit in die dritte Dimension mitnehmen, wo er sie wieder vergrößert. Darüber hinaus hat auch Quappa Orgep seinen ersten Auftritt, ein Schwarzer Priester, der dafür sorgt, dass Björn Hellmark im Mikrokosmos verloren geht. Die Schrecken, die er dort erlebt, sind nichts für schwache Gemüter.

Zu Beginn des zweiten Romans wird der Leser kurz aus dem Lesefluss herausgerissen, als Dan Shocker das Schicksal zweier fremder Menschen schildert und erst nach 45 Seiten die Abenteuer seines Helden Björn Hellmark fortsetzt.

Die Innenillustrationen zeigen zum einen die Schreckensgöttin in all ihrer dämonischen Pracht und zum anderen das grausige Ende einer armen Seele. Nichts für zarte Gemüter. Pat Hachfeld konnte seinen Hang zum Morbiden voll ausleben. Das Cover zeigt das Original-Titelbild zum Heftroman „Die Schreckensgöttin“, gehört aber nicht zu den besten Werken des Künstlers und hat eher nostalgischen Wert, obwohl auch hier die Schreckensgöttin gut getroffen und die Szene im Roman ebenso beschrieben wurde.

Fazit: Spannende Reise in fremde Dimensionen mit flottem Erzählstil, der die Leser sofort gefangen nimmt.

http://www.blitz-verlag.de/

_Florian Hilleberg_

Bakker, R. Scott – Schattenfall (Krieg der Propheten 1)

_Tabak und Aristoteles_

… zwei entscheidende Faktoren im Leben von R. Scott Bakker, der 1967 das Licht der Welt erblickte, sich als Tabakpflanzer bei seinem Vater verdingte, dann Philosophie studierte (und noch immer studiert), um 2003 schließlich mit „Schattenfall“ den Auftakt zu einer Fantasy-Trilogie zu schreiben, die an Figuren- und Detailtiefe ihresgleichen sucht.

Teil zwei, „The Warrior Prophet“ ist über dem großen Teich schon veröffentlicht, während Teil drei, „The Thousendfold Thought“, nur noch wenige Wochen auf seine Veröffentlichung warten muss. Hoffnung für den deutschen Leser also, dass er nach Lektüre von „Schattenfall“ relativ rasch in den Genuss der Nachfolgewerke gelangen könnte.

_Eärwa und der Heilige Krieg._

Eärwa, jenes Land, auf dem sich der „Krieg der Propheten“ abspielt, ist Heimat vieler unterschiedlicher Kulturen, Völker und Religionsgruppen. Vor vielen Jahren gab es die so genannte „erste Apokalypse“, in welcher der „Nicht-Gott“ die Menschheit versklavt hatte. Aber der Nicht-Gott wurde besiegt, ebenso seine Diener, die „Rathgeber“, und so haben sich im Laufe der Jahre die übrigen Religionen gegeneinander gewandt: Die strenggläubigen Fanim verachten die Inrithi und Letztere wiederum verachten die Orden der Hexenkunst. Die Inrithi jedenfalls sind die am weitesten verbreitete Glaubensgruppe in Eärwa, und in ihrem Glaubenszentrum, den Tausend Tempeln, scheint sich etwas zusammenzubrauen:

Maithanet, ein völlig Unbekannter, taucht wie aus dem Nichts auf und wird neuer Vorsteher der Tausend Tempel, um den sich die Inrithi-Anhänger mit beängstigendem Fanatismus scharen. Nicht lange, und Maithanet ruft den „Heiligen Krieg“ aus, dem sich jeder Gläubige anzuschließen habe. Gegen wen? Das lässt der heilige Mann vorerst noch offen und wartet, bis sich halb Eärwa bei den Tausend Tempeln eingefunden hat, um seiner Kriegserklärung zu lauschen.

_Ein Stich ins Frömmlernest._

Der Hexerorden der Mandati jedenfalls wird von der drohenden Kriegserklärung ordentlich aufgerüttelt. Immerhin gilt gerade Zauberei bei den Inrithi als verpöntes Heidentum, was läge also offener auf der Hand als ein Heiliger Krieg, der die Hexerorden von der Landkarte fegen soll? Achamian allerdings hat andere Befürchtungen.

Die Mandati tragen die Bürde auf ihren Schultern, die letzte Schlacht gegen den Nicht-Gott jede Nacht aufs Neue zu träumen, daher sind die Mandati mittlerweile auch die einzigen, die noch an die drohende „zweite Apokalypse“ glauben. Achamians Träume werden intensiver und er schließt es keinesfalls aus, dass der „Heilige Krieg“ nur das Symptom einer Verschwörung ist, einer Verschwörung der Ratgeber, um den Nicht-Gott wieder auf seinen Thron zu hieven …

Kaiser Ikurei Xerius, Herrscher des Kaiserreichs Nansur, möchte den Heiligen Krieg derweilen zu ganz anderen Zwecken nutzen: Die Feldherren sind alle auf Gedeih und Verderb darauf angewiesen, dass Kaiser Xerius ihre Truppen mit genügend Proviant versorgt, damit sie überhaupt marschieren können. Xerius denkt aber nicht im Traum daran, diese Unterstützung ohne Gegenleistung zu akzeptieren: Er verlangt, dass die Feldherren aller Beteiligten einen Vertrag unterzeichnen, wonach nach Ende des Heiligen Krieges alle eroberten Gebiete in den Besitz des Kaiserreiches Nansur übergehen. Als zusätzliches Bonbon für den unterschriebenen Vertrag verspricht er ihnen seinen Neffen Conphas zum Heerführer. Conphas hat schon kurz zuvor ein Volk von Heiden ausgelöscht, das als unbesiegbar galt: die Scylvendi. Und wenn das mal kein göttliches Zeichen war …

Cnaiür jedenfalls ist ein solcher Scylvendi, ein wilder, erbarmungsloser Krieger, der die Schlacht des Conphas überlebt hat und sich nun ebenfalls daranmacht, in das Gebiet zu marschieren, wo der Heilige Krieg stattfinden soll. Aus Rache für die Auslöschung seines Volkes, könnte man denken, aber von wegen.

Sein Herz brennt vor Rachsucht, aber diese Rachsucht gilt nur einem einzigen Mann: Anasurimbor Moenghus. Moenghus ist ein Dunyain. Das ist ein Mönchsorden, der sich einzig und allein dem „Logos“ verschrieben hat, also der reinen Vernunft. Während einer Ausbildung unter extremen Bedingungen lösen sich die Dunyain von ihren Bedürfnissen und Schwächen, sie können aus dem Verhalten ihres Gegenübers mühelos seine Gedanken lesen und ihn durch ihr bloßes Auftreten manipulieren.

Und Moenghus hat Cnaiür dereinst manipuliert, ihn dazu gebracht, seinen eigenen Vater zu töten, wofür Cnaiür sich noch immer verachtet. Dann taucht plötzlich Kellhus auf, der Sohn von Moenghus, und behauptet zu wissen, dass sich sein Vater in Shimeh aufhält (die Stadt also, auf die sich auch der Heilige Krieg stürzen soll).

Auch Kellhus ist ein Dunyain und versucht Cnaiür zu manipulieren, beißt sich aber die Zähne an dem Scylvendi aus, weil der durch seine schlechten Erfahrungen mit Moenghus vorbereitet ist. Also behauptet Kellhus, dass er selbst seinen Vater töten möchte, und so machen sie sich zähneknirschend gemeinsam auf den Weg nach Shimeh, jener Stadt, die zum erklärten Ziel des Heiligen Krieges wurde …

_Aspirin Marsch!_

Die obige, mächtig abgespeckte Übersicht verdeutlicht, in welcher Detailtiefe R. Scott Bakker arbeitet, und dementsprechend braucht es schon einige Zeit konzentrierter Beschäftigung mit dem Anhang, um sich in den politischen, religiösen und zeitgeschichtlichen Wirren zurechtzufinden, die Bakker über Eärwa gesponnen hat.

Das alles wird noch erschwert durch eine wirklich undurchsichtige, abstrakte Namensgebung; die Verinnerlichung der ganzen Glaubensgruppen erinnert eher an das Lernen von Vokabeln, als dass man tatsächlich von Lesevergnügen sprechen könnte. Fanim, Cishaurim, Dunyain, Mandati, Sranc, Scharlachspitzen, Scylvendi … Aber damit nicht genug, auch die einzelnen Gruppen haben wiederum Untergruppen mit ähnlich zugänglichen Bezeichnungen: Die Inrithi etwa teilen sich auf in: Nansur, Galeoth, Ainoni, Thunyeri … Zuletzt bleiben die Namen der Figuren, die irgendwie alles dafür tun, dass man sie auch unbedingt miteinander verwechselt (Xerius, Xinemus …).

Auf diesem Gebiet also deutliche Abzüge von meiner Seite; wie viel zugänglicher und „optischer“ ist da George R. R. Martin vorgegangen. Keine Zugenbrechernamen, sondern: Der alte Bär. Der Berg. Der Hund. Die Schöne. Keine Zungenbrecherbezeichnungen für wichtige Bauwerke, sondern: Die Mauer. Winterfell. Die Twins.

_Der Rausch nach dem Kopfschmerz._

Aber wer sich von ein bisschen „Vokabeln-Lernen“ abschrecken lässt, ist selbst schuld, denn wenn man durch die Verhältnisse erst mal durchgestiegen ist, offenbart sich einem im Heiligen Krieg ein Ränkespiel, das seinesgleichen sucht. Zugegeben, der Trip, auf den Bakker einen da mitnimmt, ist ein ziemlich vergeistigter: Überlegungen und Abwägungen überall, innere Monologe zuhauf, Dialoge, die sich über Seiten hin erstrecken, und viel, viel abstraktes Gedankengut.

Wer nun aber wiederum glaubt, dass Bakker nicht optisch schreiben könnte, liegt ebenfalls daneben, im Gegenteil: Wenn er aus den Köpfen seiner Figuren heraussteigt und die „Kamera“ auspackt, hält er auf anschauliche und unverbrauchte Details damit. Die Schlacht der Scylvendi, etwa, hat er wirklich drastisch in Szene gesetzt!

Trotzdem: „Schattenfall“ ist kein Buch für Ungeduldige, taugt keinesfalls zum Abschalten und wird sich standhaft weigern, neben Popcorn-Fantasy (das ist übrigens nicht abschätzig gemeint) der Marke Hohlbein und Co. im Regal zu stehen. Aber wer sich auf den „Krieg der Propheten“ einlässt, wird mit einem Universum belohnt, das lange nachhält.
Der absolute Höhepunkt überhaupt sind die Psychoduelle zwischen Kellhus, dem Dunyain, und Cnaiür, dem Scylvendi. Kellhus versucht Cnaiür auf subtilste Weise zu manipulieren, doch der durchschaut das, hat ein nahezu undurchdringliches Schild errichtet, muss dann aber mitansehen, wie Kellhus eben jeden anderen in ihrer Umgebung formt, als bestünde alles nur aus weichem Wachs …

Definitiv kein Pageturner, aber ein schweres Geschütz mit entsprechender Durchschlagskraft. So sieht also Fantasy aus, die einem Philosophenhirn entsprungen ist – beeindruckend!

http://www.hobbitpresse.de/

Heller, Frank (Chefredakteur) – Cthuloide Welten 11

Die „Cthuloiden Welten“, das beliebteste Rollenspielmagazin Deutschlands, gehen nun in die elfte Runde. Enthalten sind wieder einige verschiedene Artikel, Abenteuer und Spielhilfen rund um das „Cthulhu“-Rollenspiel.

_Inhalt_

|Ein Fund vom Meer| von Michel Bernhardt

‚Ein Fund vom Meer‘ ist ein Abenteuer, das auf dem norddeutschen Festland und Borkum spielt. Es ist eigentlich als Einstieg in die Kampagne „Auf den Inseln“ gedacht, ist aber auch einzeln spielbar.

Zur Handlung: Ein verängstigter junger Mann wendet sich an die Charaktere, weil er sich verfolgt fühlt, und sich eine Waffe beschaffen möchte. Kurz darauf werden sie von eben diesem jungen Mann angerufen und bekommen mitgeteilt, dass sich jemand in seiner Wohnung befindet. Als sie dann bei ihm eintreffen, ist er Opfer eines unheiligen Rituals geworden, bei dem ihm seine Augen und Zunge entfernt wurden. Das Einzige, was die Charaktere finden, ist eine merkwürdige kleine Statue mit einem viel zu großen Kopf, die zu bluten scheint …

|Die Central-Bibliothek| von Sebastian Weitkamp

Dies ist ein universeller Szenarienschauplatz. Hier wird eine Bibliothek mit all ihren Mitarbeitern und Geheimnissen vorgestellt, die der geneigte Spielleiter nach Belieben an jeden Ort versetzen kann, an den er möchte. Mit dabei sind neben den Werten der Personen auch ein Plan der Räumlichkeiten und einige Szenarienvorschläge rund um die Central-Bibliothek.

|Der Archäologe| von Yvonne Müller-Iglisch

… ist eine Spielhilfe, die sich mit dem Beruf des Archäologen in der Zeit zwischen den Weltkriegen befasst. Neben einem allgemeinen Überblick über das Berufsbild gibt es eine Zeittafel, eine Liste von bekannten archäologischen Ausgrabungen in der Zeit von 1919-1939 und die Vorstellung dreier bekannter Archäologen sowie allerlei Tipps dazu, was man für ein realistischen Abenteuer rund um die Archäologie zu beachten hat. Außerdem werden noch verschiedene spielbare Unterarten des Berufsbildes des Archäologen angeboten, die vom Grabräuber bis zum Konservator reichen.

|Clark Ashton Smith| von Carsten Schmitt

Carsten Schmitt setzt sich in seinem Artikel mit dem mit Lovecraft befreundeten Schriftsteller Clark Ashton Smith auseinander, der in Deutschland so gut wie unbekannt ist. Er geht auf dessen Werke, deren Bezug auf den „Cthulhu“-Mythos sowie deren Relevanz für die Spieler ein.

|Falsch-Verbunden: Handys bei „Cthulhu Now“| von Darren MacLennan und Frank Heller

Diesen Herbst erscheint ja das schon von vielen ersehnte „Cthulhu“-Setting „Cthulhu Now“, das ja in unserer Zeit angesiedelt ist. Dadurch ergeben sich den Spielern zahlreiche Kommunikationsmöglichkeiten wie Internet oder Handy. Damit sich Letztere nicht als Fluch für die Spannung und die gruselige Stimmung beim Spielen ausbreiten, werden hier dem Spielleiter einige Tipps gegeben, wie man den Spieß schön gemein umdrehen kann.

|Des Weiteren|

… sind enthalten: ein ‚Cthulhu-Live‘-Bericht, der zweite Teil der ‚Erinnerungen‘, die in der letzten Ausgabe angefangen haben und diesmal die Jahre 1986-1998 betreffen, ein Interview mit Adam Crissingham, dem Chefredakteur des Magazins „Worlds Of Cthulhu“, sowie ein Artikel über Humor bei „Cthulhu“ von Ralf Sandfuchs.

_Mein Eindruck_

Die „Cthuloiden Welten“ sind mal wider bis auf die letzte Seite voll gepackt mit interessanten Aspekten des „Cthulhu“-Rollenspiels. Besonders gefallen mir aber ‚Ein Fund vom Meer‘, ‚Der Archäologe‘ und ‚Falsch verbunden‘.

Das Abenteuer ist besonders gut geeignet, um auch Einsteigern den Weg ins Abenteuer und in den Schrecken des Mythos zu weisen. Ich muss zugeben, dass mir hier das erste Mal bei einem Abenteuer etwas flau im Magen geworden ist. Der arme Malte tut mir immer noch leid … Ansonsten bildet das Abenteuer den perfekten Einstieg für die Kampagne „Auf den Inseln“, da es optimal dazu geeignet ist, die Charaktere nach Borkum und somit zum Kampagnenschauplatz zu bekommen.

‚Der Archäologe‘ mag zwar beim Lesen ein wenig trocken sein, ist aber eine hervorragende Abhandlung über die Arbeitsmethoden dieser Berufsgruppe in der Vergangenheit. Er setzt sich auch mit den Bildern eines Archäologen auseinander, die ja bei den meisten deutlich von Hollywood und insbesondere „Indiana Jones“ geprägt sind, aber eigentlich nicht viel mit dem echten Berufsbild zu tun haben. Ansonsten ist eigentlich wieder alles beim Alten: Die Artikel sind sehr schön recherchiert und tragen ihren Teil zur Weiterbildung der Spieler bei.

Wirklich herausragend ist aber meiner Ansicht nach der Bericht: ‚Falsch-Verbunden: Handys bei Cthulhu Now‘ von Darren MacLennan und Frank Heller. Die Ideen, wie man den Spielern mit dem Handy die Hölle (oder sollte ich lieber R’lyeh sagen?) heiß machen kann, haben mir nicht nur als Handyhasser einen Riesenspaß gemacht. Wenn in einer der nächsten Ausgaben auch noch ein Artikel über das Internet erscheint, dürften die Spielleiter vollends für „Cthulhu Now“ gerüstet sein. Gefreut habe ich mich auch über die Fortsetzung der ‚Erinnerungen‘, die das ganze Lizenzlabyrinth der Rollenspielverlage offen legt. Diese Erinnerungen bieten nun heftübergreifend die gesamte Geschichte des „Cthulhu“-Rollenspiels in Deutschland.

_Fazit_: Altbewährte hohe Qualität. Die „Cthuloiden Welten 11“ sind genau wie die Vorgänger wieder ihr Geld wert und voll gestopft mit interessanten Artikeln rund um das „Cthulhu-Rollenspiel“

Bezogen werden können die „Cthuloiden Welten“ wie immer über die verlagseigene Homepage http://www.pegasus.de.

Earl Warren – Das Ende der Menschheit (Gentec-X Nr. 1)

Story

Chicago im Jahr 2018: Der Gentec-Konzern kontrolliert die weltweite Wirtschaft mit genmanipulierten Erzeugnissen und innovativen Genchips. Was jedoch genau in der großen Manufaktur vor sich geht, bleibt der Außenwelt verborgen. Selbst FBI und CIA haben keinen Zugang zu den geheimen Labors und stehen dem Unternehmen deshalb auch sehr skeptisch gegenüber.

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le Carré, John – Geheime Melodie

_Handlung_

Der Spitzendolmetscher Bruno Salvador, Sohn eines weißen Missionars und einer schwarzen Stammestochter, wird vom Britischen Geheimdienst aufgrund der Empfehlung seines Mentors zu einem Auftrag beordert. Er soll bei einer wichtigen Konferenz, bei der über die Zukunft seines Heimatlandes Kongo entschieden wird, offiziell den Übersetzter geben. Inoffiziell ist ihm aber aufgetragen worden, die verschiedensprachige Truppe in ihrer Freizeit abzuhören und ihre Worte zu übersetzten. Und was er da hört, sagt ihm überhaupt nicht zu.

_Schreibstil_

Ich muss gestehen, dass dies mein erster John le Carré ist, aber mit Sicherheit nicht mein letzter. In einfacher Sprache wird hier eine gelungene Atmosphäre kreiert; angefangen beim plötzlichen Fallenlassen in die Spionagewelt über den Einsatz bei der Konferenz bis zum Entschluss Salvadors, das schreckliche Ausmaß der Konferenz zu beeinflussen – man fühlt mit dem Protagonisten und glaubt zu wissen, was jeweils in ihm vorgeht.

Was ebenfalls genial an John le Carrés Buch ist, sind die Charaktere, die bis zur kleinsten Nebenfigur hervorragend ausgearbeitet sind und nicht dem Standardbuch der Charaktergenerierung entspringen. Angefangen beim von seinen Fähigkeiten eingenommenen Protagonisten über seine karrieregeile Ehefrau bis hin zur Familienfreundin, einer leicht überdrehten Psychologin, ist ein breites Spektrum an Charakteren verteten. Besonders erfreulich ist die Tatsache, dass Bruno Salvador lieber nach seinem Charakter handelt und nicht so, wie eine schnelle Handlungsauflösung es verlangen würde. Dadurch bringt er sich in einige Probleme, klar; er ist schließlich nicht als Spion geboren worden, und zum Glück benimmt er sich wie ein Held aus Zwang, und nicht, weil es ihm Spaß macht.

Auch der politische Hintergrund ist schlüssiger als viele Weltuntergangsprophezeiungen von Tom Clancy. Auf der einen Seite gibt es Leute, die dem Kongo wieder Einigkeit und Frieden schenken wollen, andere wiederum sind mit diesem Lösungsweg nicht einverstanden, und alle wollen einen möglichen Profit herausschlagen. Jeder in der Konferenz hat seine eigenen Motive, und jedes läuft auf die eigene Ansicht hinaus, wie seine Haut und sein Heimatland zu retten ist, und nicht etwa, persönliche Rachegelüste zu stillen.

_Fazit_

Dass John le Carré einer der ganz großen Schreiber von Spionageromanen ist, sollte bekannt sein. Mit „Geheime Melodie“ unterstreicht er dies auf eindrucksvolle Weise. Realistisch, nachvollziehbar und absolut spannungsgeladen, entwickelt sich das Buch zu einem absoluten Pageturner, den man so schnell nicht aus der Hand legen will. Erstens, weil Vorhersehbarkeit überhaupt nicht le Carrés Ding ist, und zweitens, weil einfach alles um ein Vielfaches nachvollziehbarer ist als vieles, was im Genre anderweitig herausgebracht wird. Auch das Afrikaszenario ist weitaus frischer als die üblichen Streiterein Russland gegen Amerika und somit auch weitaus gewinnbringender zu lesen.

http://www.ullsteinbuchverlage.de/listhc/

Lewycka, Marina – Kurze Geschichte des Traktors auf Ukrainisch

Ich hätte es im Leben nicht für möglich gehalten, dass ich eines Tages mal ein Buch lesen würde, das „Kurze Geschichte des Traktors auf Ukrainisch“ heißt. Die Geschichte des Traktors würde mich nicht einmal auf Deutsch so brennend interessieren, dass ich unbedingt ein Buch darüber lesen müsste …

Aber wie gut, dass bei Marina Lewyckas Debütroman der Name nicht Programm ist, denn (der geistreiche Leser mag es schon anhand des deutschsprachigen Titels scharfsinnig kombiniert haben) ein Buch mit deutschem Titel dürfte wohl kaum wirklich ukrainischen Inhalts sein. So gesehen ist also auch die Sache mit dem Traktor nicht all zu wörtlich zu nehmen.

Was soll das also für ein Buch sein, wo schon der Titel so sonderbar ist? „Kurze Geschichte des Traktors auf Ukrainisch“ erzählt im Grunde eine Familiengeschichte. Erzählt wird die Geschichte von Nadias Familie, deren Eltern zu Kriegszeiten aus der Ukraine geflüchtet sind und die es über Umwege schließlich nach England verschlagen hat.

Nadias 84-jähriger Vater ist mittlerweile verwitwet, hegt aber bereits neue Heiratspläne, die für seine beiden Töchter Nadia und Vera kaum schockierender sein könnten, denn die Auserwählte ist Valentina, Mitte Dreißig und ein üppig bestücktes, ukrainisches, wandelndes Blondinenklischee. Nadias Vater Nikolai ist hin und weg, aber für die beiden Töchter ist von vornherein klar, wie sich Valentinas „Liebe“ zu dem alten Mann begründet: Sie will eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung für sich und ihren Sohn Stanislav – und dazu muss sie Nikolai nun einmal heiraten.

Nikolai ist im Taumel der späten Liebe blind für Nadias und Veras Versuche, eine Eheschließung zu vereiteln, und so kommt es, wie es kommen muss: Die beiden heiraten, Valentina zieht zusammen mit Stanislav in Nikolais Haus ein. Als die gute Valentina dann jedoch feststellen muss, dass Nikolais Rente dermaßen spärlich ausfällt, dass er ihr nach ihrer Auffassung kein guter Ehemann sein kann, nimmt das Unglück seinen Lauf.

Für Nadia und Vera steht fest: Sie müssen ihren Vater schleunigst aus den Klauen dieses skrupellosen Frauenzimmers befreien – koste es, was es wolle. Dafür nehmen die beiden Schwestern es sogar in Kauf, dass sie wieder miteinander reden müssen, nachdem sie im Streit um das Erbe der Mutter eigentlich nie wieder ein Wort miteinander wechseln wollten.

Und so schreiten die beiden beherzt zur Rettung des Vaters, der unterdessen dem Unheil im eigenen Haus immer wieder dadurch entflieht, dass er sich schriftstellernder Weise seinem Lieblingsthema widmet: den Errungenschaften der Industrialisierung und dabei im Speziellen den Errungenschaften der ukrainischen Traktorindustrie …

Marina Lewycka ist mit „Kurze Geschichte des Traktors auf Ukrainisch“ ein herzerfrischendes Debüt geglückt, das nicht umsonst nach seiner Veröffentlichung in England von Kritikern und Presse gefeiert wurde. Ganz leichtfüßig steigt Lewycka in ihre Geschichte ein und serviert dem Leser ein Buch, das zunächst einmal nach einem luftig-lockeren Unterhaltsroman aussieht.

Die Figuren wirken ein wenig klischeebeladen. Nikolai, der 84-jährige Rentner, der auf die junge Blondine hereinfällt, Valentina, die nicht ein einziges Klischee auslässt und wie das Abziehbild der üppigen Ostblock-Blondine wirkt – Lewyckas Figuren mögen im ersten Moment platt wirken. Dennoch schafft die Autorin es, ihren Figuren mit jedem Kapitel mehr Tiefe zu verleihen. Der Leser lernt ihre Geschichten kennen, wirft einen Blick hinter die Klischees und schafft es in zunehmendem Maße, die Persönlichkeiten zu begreifen, die dahinter stecken.

Ein wenig erinnert das Ganze auf den ersten Blick an Zadie Smiths Roman „Zähne zeigen“. Dort ging es um die Geschichte einer indischen Familie, die versucht, in England zwischen eigenen Traditionen, der eigenen Identität und den Verlockungen der modernen, westlichen Welt ihr eigenes Glück zu finden. Doch wo „Zähne zeigen“ mir manchmal etwas träge und behäbig vorkam, da ist „Kurze Geschichte des Traktors auf Ukrainisch“ flott und spritzig erzählt.

Lewyckas Roman lebt vor allem von der Verquickung zweier gänzlich unterschiedlicher Zutaten. Auf der einen Seite steht die humorvolle Betrachtung der Gegenwart, der ironische Blick auf die Figuren und ihre Verhaltensweisen, das Spiel mit den Klischees und das Irrwitzige der Situation. Auf der anderen Seite blickt der Roman auch immer wieder in die Vergangenheit.

Der Weg von Nadias Eltern von der Ukraine nach England wird bruchstückhaft aufgearbeitet. Man begreift, wie die Figuren zu dem geworden sind, was sie verkörpern, und wirft im Falle von Nadias Eltern einen Blick auf die schicksalhaften Zeiten von Stalin und Zweitem Weltkrieg. Nadias Eltern haben in der Ukraine die schlimmsten Kapitel der jüngeren europäischen Geschichte miterlebt. Ganz ernst und sachlich schafft Lewycka es, diese Schicksale in ihren ansonsten so ironisch-heiteren Roman einzufügen.

Das dürfte ihr auch deswegen so gut gelingen, weil ein Teil davon sicherlich auch eng mit ihrer eigenen Geschichte verknüpft ist. Zwischen Nadia und der Autorin gibt es auffällige Parallelen. Beide haben ukrainische Eltern und sind in einem Flüchtlingslager geboren. Beide leben sie in England. Mit „Kurze Geschichte des Traktors auf Ukrainisch“ dürfte Marina Lewycka sich auch einen Teil der eigenen bedrückenden Familiengeschichte von der Seele geschrieben haben.

Dass ihr dabei der Balanceakt zwischen heiterer Erzählung und ernsten geschichtlichen Hintergründen so gut gelingt, verleiht dem Lesegenuss eine besondere Tiefe. Man durchlebt bei der Lektüre vielfältigste Gefühle. Mal möchte man sich über die komischen Figuren, die witzigen Dialoge und Nadias immer wieder in Klammern eingestreute Gedanken fast kaputt lachen, mal verspürt man bei den Schilderungen der Hungersnöte in der Ukraine und bei den Zahlen der von Stalin systematisch ausgehungerten Menschen einen dicken Kloß im Hals.

Mit dieser Mischung weiß Lewycka in jedem Fall zu fesseln. „Kurze Geschichte des Traktors auf Ukrainisch“ entwickelt sich schnell zu einer Lektüre, die man nicht mehr beiseite legen mag. Das liegt nicht zuletzt an Lewyckas leicht zugänglichem Schreibstil, der sich durchweg sehr unterhaltsam liest. Sie trifft stets den richtigen Ton und skizziert ihre Figuren mit all ihren Klischees genau so, dass sie dennoch größtenteils glaubwürdig bleiben und nicht ins Lächerliche abdriften. Sprachlich und erzählerisch hat Lewycka einen fein akzentuierten und hochgradig unterhaltsamen Roman abgeliefert, der zu begeistern vermag.

Für mich persönlich ist „Kurze Geschichte des Traktors auf Ukrainisch“ eine der Entdeckungen des Jahres und ein Lesegenuss, den man nur jedem ans Herz legen kann: herrlich komisch, mitreißend und hochgradig unterhaltsam und dabei dennoch feinsinnig, mit großem Ernst geschrieben und voller tragischer Momente. Prädikat: zu hundert Prozent empfehlenswert!

http://www.dtv.de

Melville, Herman – Moby Dick (Europa-Originale 8)

_Besetzung_

Ismael – Erzähler, Siegmar Schneider
Starbuck – Joachim Rake
Quiqueg – Rudolf H. Herget
Elias – Malte Petzel
Stubb – Bernd Kreibich
Flask – Michael Korrontay
Archy – Jürgen Lier
Kapitän Ahab – Benno Gellenbeck
Schmied – Heinz Erdmann
Kapitän Gardiner – Horst Beck
Seeräuber – Chris Heinrich
Fedallah – Hans Meinhardt

Bearbeitung: Eberhard Alexander-Burgh
Regie: Dagmar von Kurmin
Musik: Tonstudio EUROPA

_Story_

An Bord der „Albatros“ befinden sich einige der mutigsten Schiffsleute der ganzen Welt, denn alle wissen sie, dass ihr Kapitän nur eines im Sinn hat: Rache nehmen für die Schmach, die ihm der gefürchtete Riesenwal Moby Dick bei seinem letzten Gefecht zugezogen hat. Schwer verletzt – Moby Dick raubte ihm ein Bein – sticht der entschlossene Kapitän dennoch wieder in See, um dem Monstrum ein für alle Mal den Garaus zu machen. Und schon bald nimmt die „Albatros“ wieder die Fährte des gewaltigen Wals auf und jagt ihn unerbittlich durchs Meer. Allerdings ist das Schiff für einen Kampf gegen Moby Dick nach wie vor nicht gewappnet. Schier blind vor Eifer und Hass steuert Ahab sein Schiff und auch seine Mannschaft auf offener See mitten ins Verderben.

_Meine Meinung_

Herman Melvilles viel zitierte Geschichte um den gefürchteten Riesenwal wurde nun ebenfalls im Rahmen der „Europa-Originale“ neu aufgelegt, leider aber im Vergleich zur ursprünglichen Version ein wenig gekürzt. Ohrenzeugen zufolge fehlt ein großer Teil der Anfangssequenz, was besonders deswegen unverständlich ist, weil zum einen das Fassungsvermögen einer CD den Umfang einer LP deutlich übersteigt, und zum anderen kaum vorstellbar ist, dass inzwischen einige Teile zensiert werden mussten – schließlich hält sich das Hörspiel konsequent an die Vorlage Melvilles und zeichnet die düstere Atmosphäre dieses literarischen Klassikers wunderbar nach.

Nun, wer die Geschichte in dieser Fassung zum ersten Mal hört, wird sich daran aber eher weniger stören, denn „Moby Dick“ ist in der |Europa|-Version ein echtes, wenn auch sehr kurz geratenes Schmankerl. Die Nr. 8 der im letzten Jahr neu gestarteten Serie gehört in Sachen Spannungsaufbau zur internen Spitze, was unter anderem auch an besagter Atmosphäre liegt. Regisseurin Dagmar von Kurmin ist es tatsächlich gelungen, den Hörer nach kurzer Zeit Teil der Besatzung der „Albatros“ werden und ihn dabei auch all die Ängste und Hoffnungslosigkeit spüren zu lassen.

Zugleich ist man auch begeistert und ergriffen von der Beharrlichkeit des sturen Kapitäns, der seinem Leben nur noch dieses eine Ziel gesetzt hat, diesen Wal ein für alle Mal zu fangen und zu töten. Ahab missachtet jegliche Vernunft, lässt sich nur noch von seinen suchtbefangenen Sinnen betäubten und realisiert dabei erst viel zu spät die Ausweglosigkeit seiner momentanen Lage.

Allerdings sind die Vorzeichen für den besessenen Kapitän von Anfang an schlecht. Ohne die tatkräftige Unterstützung seiner ergebenen, später jedoch zweifelnden Mannschaft wird er niemals dazu in der Lage sein, den Wal zur Strecke zu bringen. Aber auch dies scheint ihn nach einer Weile nicht mehr zu interessieren. Er gibt das Kommando, widersetzt sich schließlich der angsterfüllten Mehrheit und führt sie alle in den sicheren Tod.

Die Tragik der Geschichte wird im Hörspiel ebenfalls sehr gut eingefangen, was man insbesondere daran festmachen kann, dass Ahab-Sprecher Benno Gellenbeck seine Rolle sehr überzeugend spielt. Seiner authentischen Darbietung merkt man an, dass er sich komplett in die Lage des verzweifelten Schiffsführers versetzt hat und seine Gedanken auch nachempfinden kann, was für eine solche Produktion ja auch unheimlich wertvoll ist. Nicht weniger überzeugend sind indes die Sprecher der unsicheren Matrosen, wie zum Beispiel der erzählende Ismael (intoniert von Siegmar Schneider), der seinen Entschluss, sich eine zweitklassige Heuer zu verdienen, schon nach wenigen Stunden bereut. Begleitet von tollen, sphärischen Effekten macht das Team von |Europa| hier einen fabelhaften Job, dessen einzige Schwierigkeit in der Tatsache liegt, dass er nach viel zu kurzer Zeit schon getan ist. Hinsichtlich des Umfangs wäre „Moby Dick“ sicherlich noch ausbaufähig gewesen, zumal man gerade in den entscheidenden Schlusssequenzen ordentlich gespart hat. Etwas mehr Detailverliebtheit in diesen Szenen, und es hätte wirklich nichts zu meckern gegeben.

Andererseits: Meckern ist prinzipiell gar nicht angebracht. Die Handlung ist spannend inszeniert, super dargeboten und wird der Vorlage von Herman Melville inhaltlich vollends gerecht. Und somit darf es auch keinen Zweifel daran geben, dass „Moby Dick“ in dieser Variante ein absolutes Hörspiel-Highlight ist. Wer sich nicht dazu entschließen sollte, die erste Staffel als Ganzes zu kaufen, sollte deswegen auch darauf achten, dass zumindest diese achte Episode mit in die Sammlung kommt – auch in der kurzen Fassung.

http://www.natuerlichvoneuropa.de/

Dan Simmons – Im Auge des Winters

Das geschieht:

Nach einem missglückter Selbstmordversuch versucht Dale Stewart, Literaturdozent und Schriftsteller in mittleren Jahren, einen Neuanfang. Er beschließt er den Rückzug in die Einsamkeit, wo er mit sich selbst ins Reine kommen und ein neues Buch schreiben möchte. Stewart wählt als Thema die eigene Vergangenheit. In Elm Haven, einer Kleinstadt im ländlichen Illinois der Vereinigten Staaten, ist er aufgewachsen und hat eine glückliche Kindheit verlebt, derer er sich gern erinnert.

Allerdings gibt es da einen schwarzen Fleck in seinem Gedächtnis. Die Kindheit in Elm Haven war nicht frei von Tragödien. Das alte Farmhaus, in das Stewart nun einzieht, gehörte dem Vater seines besten Freundes Duane McBride, der vor vier Jahrzehnten bei einem nie geklärten Unfall grausam ums Leben kam. Damals hatte sich das Böse in der alten Central School eingenistet und Elm Haven in seinen Bann gezogen. Zahlreiche Menschen mussten sterben, und zu ihnen gehörte auch Duane, was Dale Stewart längst verdrängt hat. [Diese Vorgeschichte erzählt Simmons in „Sommer der Nacht“] Dan Simmons – Im Auge des Winters weiterlesen

Salvatore, R. A. – Drizzt – Der dritte Sohn (Die Saga vom Dunkelelf 1)

R. A. Salvatores |Saga vom Dunkelelf| ist in letzter Zeit sehr gefragt. Nachdem sich |Panini Comics| erst vor kurzem die Lizenz des „Dungeons & Dragons“-Ablegers gesichert hatten, hat nun auch das junge Hörspiel-Label |Lausch| zugegriffen und eine der wohl besten Fantasy-Storys aller Zeiten in ihr Programm aufgenommen. Wie gehabt erscheint die neue Serie als Dreiteiler, und wie immer hat sich das Label mal wieder ordentlich ins Zeug geworfen, um dem viel gerühmten Original vollends gerecht zu werden.

_Story_

Menzoberranzan, die Heimat der Drow, der düsteren Dunkelelfen und gleichzeitig Thronsitz über das Unbeherrschbare. In dieser geheimnisvollen Welt lebt das Haus Do’Urden, welches in der Hierarchie der Spinnenkönigin Lolth noch nicht die oberste Priorität genießt. In jener Nacht, als das Haus Do’Urden gegen das Haus Hu’nett marschiert, um dieses vollständig auszulöschen, wird auch das Schicksal des jungen Drizzt besiegelt. Eigentlich dazu verdammt, als Drittgeborener geopfert zu werden, überlebt er in letzter Sekunde, als bekannt wird, dass sein älterer Bruder im Kampf gefallen ist. Doch von Glück kann Drizzt dennoch nicht sprechen, denn in der glücklosen Welt der Drow gibt es wenig Erstrebenswertes.

Dann jedoch werden die übermächtigen Fähigkeiten des jungen Dunkelelfen offenbar, und nach und nach bemerkt auch seine Erzeugerin, Malice Do’Urden, dass Drizzt eines Tages zu einer mächtigen Waffe werden könnte. Doch der Drittgeborene wählt nicht den Weg des Bösen; er kämpft für Gerechtigkeit. Damit ist sein Weg auch vorbestimmt und geprägt von unerwarteten Feindschaften – sowohl im eigenen Haus als auch in der Familie des andersartigen Drow. Aber kann Drizzt den Kräften seiner Mutter und der Spinnenkönigin tatsächlich standhalten?

_Meine Meinung_

Erst vor wenigen Wochen habe ich mich noch intensiv mit dieser Geschichte beschäftigt und mit Begeisterung die Comic-Reihe von |Panini| verschlungen. Deshalb ist die Hörspiel-Serie in gewisser Weise auch so etwas wie ein Déjà-vu-Erlebnis, welches aber auch unwiderruflich dazu führt, dass man Vergleiche zwischen den beiden Veröffentlichungsformen antritt.

Während im Comic (natürlich) die visuellen Eindrücke herausragen, sind es bei der Lausch-Adaption ganz klar die vielen Soundeffekte, mit denen die Story zusammengehalten wird. Fast permanent wird die Geschichte von Hintergrundgeräuschen wie aufeinandertreffende Klingen, Kriegsgebrüll und erliegendem Jammern begleitet, was jedoch auch manchmal etwas irritierend ist, denn es kommt häufiger vor, dass die vordergründigen Dialoge im Sog der vielen Geräusche etwas untergehen. Gerade zu Beginn, wo die Action schon vollständig ausgeprägt ist und der Zuhörer nicht nur von den Ereignissen, sondern auch vom Prozess des Kennenlernens der einzelnen Figuren überrollt wird, ergeben sich so einige Schwierigkeiten, gerade für diejenigen, die zum ersten Mal mit der „Saga vom Dunkelelf“ in Berührung kommen. Dass man natürlich im Vorteil ist, wenn man den Plot bereits kennt, ist ja selbstverständlich, aber in diesem Fall fände ich es schon wichtig, den Hörer nicht direkt am Anfang bereits zu überfordern.

Andererseits deutet sich hier bereits an, welch rasantes Erzähltempo einen im ersten Teil „Der dritte Sohn“ erwartet. Pausenlos kommt es zu Konflikten und offenem Schlagabtausch zwischen den Obersten von Menzoberranzan, und bevor man sich versieht, sind schon Jahre vergangen und aus dem kleinen Baby Drizzt (übrigens charmant mit kindlichem Geschrei unterlegt) ist eine der gefürchtetsten Personen in der Unterwelt der Dunkelelfen geworden.

Nun, was dies betrifft sowie generell, weicht die Handlung in der Audio-Version nicht wesentlich von der Originalvorlage ab, wohl aber, was die Art und Weise der Präsentation betrifft. Wie man nach Titeln wie „Caine“ und „Die schwarze Sonne“ fast schon erwarten konnte, ist das Hörspiel etwas moderner und vor allem auch frecher aufgebaut. Es werden keine geschwollenen Phrasen gedroschen, sondern mit beinahe zeitgemäßer Sprache verkehrt, was den anfangs noch erschwerten Zugang dann auch wieder erleichtert und einem überhaupf dabei hilft, sich besser mit den Charakteren zu identifizieren. Allerdings liefern die Sprecher von „Die Saga vom Dunkelelf“ auch wieder eine absolut umwerfende Vorstellung ab. Gerade die Rollen der Bösewichte sind spitzenmäßig besetzt und wirken mit ihrer spitzen Zunge noch angsteinflößender als in Salvatores Roman. Und wenn wir diesbezüglich noch einmal auf den eingangs bemühten Vergleich mit der Comic-Serie zurückommen, dann ist die vierte Reihe des exquisiten Labels zumindest hier klar im Vorteil.

Andererseits sollte man besser nicht vergleichen, denn wirklich beide Umsetzungen sind ziemlich genial und in Sachen Spannungsaufbau echte Kracher. Zwar braucht das Hörspiel ein wenig länger, um auf die ersten Höhepunkte zuzusteuern, doch dies liegt in erster Linie daran, dass bei einer Spielzeit von 65 Minuten auch relativ wenig Zeit bleibt, um den umfassenden Inhalt adäquat und sinngemäß wiederzugeben. Dies könnte man sicherlich kritisieren, wenn die Geschichte darunter zu leiden hätte, doch da die Schwerpunkte ziemlich gleichmäßig verteilt sind und auf diese Weise auch eventuellen Längen vorgebeugt werden konnte, wäre dies dann doch nicht angebracht.

Alles in allem werden die hohen Erwartungen somit auch beinahe gänzlich erfüllt. Die Geschichte des selbstbewussten Einzelkämpfers Drizzt Do’Urden bietet aber auch einen reichhaltig besäten Nährboden für ein solches Hörspiel, mit dem hier jedes einzelne Detail prächtig gefüttert werden konnte. Und da es sicherlich keine einfache Aufgabe ist, den hohen Qualitätsstandards von Salvatores Meisterwerk gerecht zu werden, muss man vor dem ersten Teil der Saga auch schon mal respektvoll den Hut ziehen. D&D-Fans dürfen hier sogar blind zuschlagen. Alle anderen sollten sich diese einmalige Chance, in die atmosphärisch dicht ausgemalte Welt der Vergessenen Reiche einzutauchen, ebenfalls nicht entgehen lassen.

http://www.merlausch.de

Folge 2: [„Im Reich der Spinne“ 3055

Defoe, Daniel – Robinson Crusoe (Europa-Originale 10)

_Besetzung_

Erzähler – Hans Paetsch
Kapitän – Claus Wagener
Jones – Michawel Weckler
Robinson – Peter von Schultz
Steuermann – Edgar Maschmann
1. Matrose – Walter Petersen
2. Matrose – Alexander Berger
3. Matrose – Michael Vulpius
Papagei – Christoph Rudolf
Freitag – Konrad Halver
Spanier – Rudolf H. Herget

Regie: Konrad Halver

_Story_

Wir schreiben das Jahr 1659, als ein britisches Schiff mit seiner vierzehnköpfigen Besatzung in der Nähe des Äquators von einem Orkan erfasst wird und diesem schließlich zum Opfer fällt. Die gesamte Mannschaft wird bei diesem Unglück umgebracht – bis auf den tapferen Robinson Crusoe, der nach langem Kampf gegen die Tücken des Ozeans als Schiffbrüchiger auf einer einsamen Insel landet.

Zunächst dankbar für die unverhoffte Rettung, steigt in ihm mit der Zeit das blanke Entsetzen über die dortige Einsamkeit. Keine Menschenseele treibt sich auf dem Eiland herum, und auch die Versorgung mit Nahrung ist für den verwöhnten Reisenden recht spärlich, denn wirklich Nahrhaftes gibt es nicht zu finden. Für Robinson beginnt der nackte Kampf ums Überleben, in der stillen Hoffnung, eines Tages entdeckt zu werden und in die Heimat zurückzureisen.

Doch statt eines rettenden Schiffes gelangt ein Boot mit Kannibalen auf die Insel; diese verfolgen einen der ihren auf grausame Weise vor Robinsons Augen. Der schreitet ein, vertreibt die unmenschlichen Bestien und gewinnt ganz unerwartet sympathische Gesellschaft. Crusoe nennt seinen neuen Gefährten Freitag, frei nach dem Tag, an dem er ihn kennen gelernt hat, und bringt ihm nach und nach seine Sprache bei. Aus den beiden werden richtig dicke Freunde, und obwohl Robsinson insgeheim immer noch hofft, nach langen Jahren seine Heimat wiederzusehen, hat er sein neues Leben mittlerweile voll akzeptiert. Dann aber geschieht ein Schicksalsschlag in Freitags Leben, und es sieht so aus, als müssten sich die beiden wieder voneinander trennen …

_Meine Meinung_

Mit „Robinson Crusoe“ haben |Europa| vor ziemlich genau 35 Jahren einen der schönsten Klassiker der Jugendbuch-Literatur aufgegriffen und ihn dazu auch noch in sehr sympathischer Form aufgearbeitet. Die Geschichte vom Schiffbrüchigen Crusoe, der fortan und ungeplant sein Überleben in stiller Einsamkeit ausfechteb muss, ist ja allgemeinhin schon dutzende Male verfilmt oder vertont worden, sollte im Grunde genommen auch jedem bekannt sein, wenngleich es hier noch sehr feine Unterschiede bezüglich der Umsetzung gibt. Während die Buchfassung natürlich von Daniel Dafoe zu empfehlen ist, kann ich Mattscheiben-Stammgästen vor allem die Verfilmung mit Tom Hanks namens „Cast Away“ ans Herz legen, welche wahrscheinlich auch die modernste Variante aller bisherigen Adaptionen ist. In Sachen Hörspiel hat indes die im letzten Jahr neu aufgelegte Fassung von |Europa| die Nase vorn, ganz einfach deshalb, weil die Atmosphäre der teils bedrückten, teils aber auch von Hoffnung geprägten Handlung hier am authentischsten herübergebracht wird.

Allerdings ist dies bei der Starbesetzung von „Robinson Crusoe“ auch kein Wunder. Hans Paetsch als Erzähler ist einfach eine Institution, die einen auch hier wieder sehr stimmungsvoll durch die Geschichte führt. Weiterhin trifft man auf alte Bekannte wie Konrad Halver (der im Übrigen auch die Regie übernommen hat), Rudolf H. Herget und Claus Wagener, die allesamt schon einmal für einen sehr ansprechenden Rahmen sorgen.

Doch abgerechnet wird bekanntlich erst später, weshalb die Geschichte noch einmal genauer analysiert werden muss. Wie gehabt, beginnt man mit einer kurzen Beschreibung der Motivation hinter dieser verhängnisvollen Schiffsreise, die dann ziemlich rasant auch in das Debakel übergeleitet wird und nach wenigen Minuten schon Robinsons schier ausweglose, verlassene Situation beschreibt. Von hier an wird die Story auch erst so richtig interessant, denn gleich mehrfach ist Robinson dem Tode näher als dem Überleben; er muss sich mit allen versteckten Tücken seines neuen Umfelds herumschlagen, dabei stets auf der Hut sein, um rettende oder gefürchtete Personen zu erkennen und darf bei all dem auch nicht den Lebensmut verlieren, der durch seine stete Einsamkeit schon arg getrübt ist. All dies wird schon einmal prima erzählt, jedoch nicht bewusst bedrückend, sondern schon durchgehend mit einem gewissen Hoffnungsschimemr, der sich in den Stimmen von Erzähler und Robinson auch deutlich widerspiegelt.

Die Lage verändert sich allerdings mit dem Hinzukommen von Freitag; plötzlich hat Robinsons Leben völlig neue Prioritäten und er lernt viel einfacher, mit seiner misslichen Lage umzugehen. Der Gestrandete empfindet seine Situation nicht mehr einzig und allein als Misere und kann der Angelegenheit sogar positive Aspekte abgewinnen. Von hier an wird der Wert der moralischen Normen auch immer schwerwiegender. Es geht um Tapferkeit, Freundschaft, Zusammenhalt und letztendlich auch darum, selbst in den ausweglosesten Situationen nicht aufzugeben. Dies alles kombiniert, ergibt die Geschichte von Robinson Crusoe und seinem ungleichen Gefährten Freitag, die in diesem Fall von einer teils recht humorvollen Seite bestimmt wird und sich somit auch wieder als allerbeste Familienuntehaltung herausstellt. Es darf nämlich trotz allem gelacht werden, so etwa, wenn Robinson seinem Kumpanen die ersten Worte beibringt, dabei aber erst einmal nur Unsinn herauskommt. Kein bahnbrechender Witz, aber doch sehr lustig und nicht zu plakativ umgesetzt – eben das, was man von einem guten Hörspiel erwartet.

Kurz zusammengefasst, ist „Robinson Crusoe“ ein weiteres Goldstück in der „Europa-Originale“-Serie und mitunter auch einer der besten Vertreter der neu aufgelegten Klassiker von damals. Ein Bekannter meinte hierzu, dass es seiner Meinung nach die harmonischste Adaption dieses literarischen Meisterwerkes sei, und dem kann ich mich fast gänzlich anschließen. „Robinson Crusoe“ ist einfach nur schön, mehr braucht man darüber dann auch gar nicht mehr zu sagen.

http://www.natuerlichvoneuropa.de

Herbie Brennan – Der Elfenpakt (Faerie Wars 3)

Band 1: „Das Elfenportal“
Band 2: „Der Purpurkaiser“

Wieder einmal haben Henry, Pyrgus und Holly Blue Lord Hairstreak einen Strich durch die Rechnung gemacht, als Pyrgus zu Blues Gunsten abgedankt hat. Aber selbstverständlich ist Lord Hairstreak deshalb keineswegs bereit aufzugeben! Immerhin ist die neue Kaiserin nur ein Kind … Leider hat er seit neuestem das Problem, dass seine bisherigen Verbündeten auf einmal alle mit den Lichtelfen über einen Nichtangriffspakt verhandeln wollen!

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Pinternagel, Stefan T. – Fragmente (Hörbuch)

_Inhalt_

„Ihr werdet behütet“ bzw. „Euch schützt die Masse“ – dies sind die ersten Worte des Holiday-Killers, der in verschiedenen Episoden auf sein bisheriges Leben zurückblickt. In ihm vereinen sich die finstersten Schatten der menschlichen Seele, und diese legt er nun in kompromisslosen Rückbesinnungen ein weiteres Mal offen: sein erster Mord, sein brutales Vergehen an einem unschuldigen Touristenpärchen, der Umgang mit seinen weiblichen Begleitungen und natürlich seine harte Kindheit, die in einer unrühmlichen Heimkarriere gipfelte. Dieser Mann hat die niederträchtigsten Seiten des Lebens kennen gelernt und sie bewusst gelebt, Rache und Vergeltung geübt und aus purer Lust gemordet; einmal, zweimal, dutzende Male, und jedes Mal wieder ohne Reue. Er kennt keine Gnade, denn das ist seine Geschichte, und nun will er, dass auch jeder sie erfährt.

_Kritik_

Bereits die Romanvorlage von Stefan T. Pinternagel sorgte vor einiger Zeit für Begeisterung und Entsetzen zugleich, denn dem Autor war es in seiner ausführlichen Portraitierung eines Massenmörders enorm gut gelungen, die abstrakten Gedankengänge des vom ihm entworfenen Protagonisten sehr authentisch darzustellen und der tragischen Geschichte ein recht abschreckend erscheinendes Forum zu bieten. Nun legt das erst vor kurzem neu gegründete Audio-Label |Hörplanet| die Story auch als Hörbuch auf und unterlegt die aus der eigenen Perspektive dargestellte Erzählung noch mit einer eiskalten, herzlosen Stimme (gesprochen von Dennis Rohling), die einem das Grauen im Inneren des brutalen Schlächters noch gezielter näher bringt.

Zwischenzeitlich wird einem dabei gar nicht bewusst, welcher Teil des Inhalts am meisten abstößt bzw. ob man den Fakt, dass es sich bei „Fragmente“ nicht bloß um die Schilderung einer fiktiven Geschichte handelt, abscheulicher findet als das inszenierte Selbstporträt des erbarmungslosen Killers. Mit diesem Medium fühlt man sich dem Mörder über die gesamte Distanz verbunden, wird bisweilen sogar ein Teil von ihm und wird dabei auch noch auf eine schonungslose Härteprobe gestellt. Sobald man nämlich tief in das Seelenleben des Erzählenden eingetaucht ist, beginnt man zu verstehen, verurteilt sich dann aber selber dafür, für die grässlichen Taten Verständnis aufzubringen oder sie gar zu akzeptieren. Dieser Aspekt der Geschichte ist mitunter der am schwersten verständliche und will einem auch irgendwie nicht mehr aus dem Kopf gehen, denn schließlich erlebt man jeden einzelnen Mord noch einmal detailgetreu mit und lernt das Ich der Erzählung zu verachten und zu hassen.

Und während der Holiday-Killer seine schrecklichen Verbrechen noch ein weiteres Mal durchlebt, begegnet man sich immer öfter beim Ausfechten dieses moralischen Konfliktes, der durch die von Sprecher Rohling vollführte emotionale Achterbahnfahrt noch verstärkt wird. Man entwickelt einerseits Sympathie für die arme Seele, die sich hinter der charakterisierten Person befindet, fiebert sogar bei seinen ‚Abenteuern‘ mit, kommt gleichzeitig aber auch an seine nervliche Belastungsgrenze, denn was in „Fragmente“ so alles vor sich geht, sprengt partiell die Grenzen der eigenen Vorstellungskraft – immer und immer wieder.

Man sollte allerdings nicht den Fehler begehen, das Buch bzw. das Hörbuch als großflächig inszenierte Gewaltorgie zu betrachten. Sicherlich geht der Autor nicht gerade zimperlich mit seinem Publikum um. Eingeweide und Blutorgien gehören in „Fragmente“ zum ‚guten‘ Ton und müssen als wichtiges Symbol akzeptiert werden, was noch einmal deutlich machen soll, dass die Sache alles andere als leichte Kost ist. Eher im Gegenteil. Doch die Brutalität, die Pinternagel in seinem Werk offenbart, ist vordergründig psychischer Natur und steigert sich auch erst in den Moment, in dem der im Grunde genommen stark angepasste Killer die Kontrolle verliert und seinen kaum zu befriedigenden, unmenschlichen Reizen nachgeben muss – und dies passiert innerhalb der 450 Minuten nicht gerade selten!

Ich habe das zugehörige Buch leider nicht gelesen, weshalb ich Vergleiche erst einmal nicht anstellen kann. Allerdings fällt mir die Vorstellung schwer, dass geschriebene Worte die kühle Stimme des Sprechers samt dessen Performance des Inhalts noch übertreffen könnten. Was Rohling hier vorliest, ist hart und stellenweise kaum erträglich. Da dankt man dem Produktionsteam, dass es zwischendurch zumindest mal einige kurze musikalische Lockerungsübungen eingeflochten hat, denn ohne einige wenige Verschnaufpausen wäre die Aufnahme des Inhalts kaum mehr erträglich gewesen.

Doch auch wenn es schwer verdaulich ist, was der |Hörplanet| an die Öffentlichkeit trägt, es ist auf jeden Fall ein sehr empfehlenswertes, wenn auch gewöhnungsbedürftiges Tondokument, das die menschliche Seele von einer bisher noch ungeahnten Seite präsentiert. Mich schaudert’s noch jetzt beim Gedanken an die reflektierte Welt des schizophrenen Psychopathen, doch gleichermaßen möchte ich die hier erlebten Erfahrungen auch nicht mehr missen. Wer Pinternagels literarischen Geheimtipp bis dato noch nicht verschlungen hat, ist mit der hier vorgestellten Hörbuch-Fassung wirklich super beraten. Voraussetzung: Nerven, die stärker als stark sind!

http://www.hoerplanet.de/

|Ergänzend dazu: Unsere [Rezension 1910 der Buchausgabe.|

Brandis, Katja – Ruf des Smaragdgartens, Der (Kampf um Daresh 3)

Band 1: [„Der Verrat der Feuer-Gilde“ 2909
Band 2: [„Der Prophet des Phönix“ 2931

Mit „Der Ruf des Smaragdgartens“ beendet Katja Brandis ihre Triologie mit dem Titel „Kampf um Daresh“ und schickt ihre Heldin Rena zu diesem Zweck noch einmal in ein gefährliches Abenteuer.

Rena, mittlerweile achtzehn Winter alt, lebt alleine in einem kleinen Dorf der Luftgilde, obwohl sie aus der Erdgilde stammt. Man muss dazu wissen, dass sich die Menschen im Land Daresh hauptsächlich in vier Gilden aufteilen und es Rena zu verdanken ist, dass diese Gilden mittlerweile friedlich zusammenleben. Sie selbst hat in den beiden Vorgängerbänden jedes Mal die Arbeit einer Beraterin übernommen, was damit zusammenhängt, dass sie in jungen Jahren einen Stein, die „Quelle“ genannt, berührt hat. Dieser kleine Unfall hat es ihr ermöglicht, nicht nur Daresi, sondern auch alle Sprachen der Halbmenschen in Daresh, also der Iltismenschen, der Storchenmenschen, der Nattermenschen und anderen zu sprechen.

Eines Tages geschieht etwas Ungeheuerliches im mittlerweile friedlichen Daresh. Enobar, ein langjähriges Mitglied des Rats in der Felsenburg, wird von einem der sonst so friedliebigen Storchenmenschen ermordet. Das Reich ist in Aufruhr und viele nutzen diese Gelegenheit, um Jagd auf die verhassten Halbmenschen zu machen, die daraufhin in den gefährlichen Dschungel Lixantha fliehen. Rena möchte ihren Freunden gerne helfen, und weil sie nicht glauben kann, dass ein Halbmensch einfach so einen Menschen umbringt, macht sie sich in den Dschungel auf, um dort nach den Beweggründen des Storchenmenschen zu suchen.

Sie freundet sich mit einem Clan von Storchenmenschen an, und von dem geschwätzigen, dicken Ruki, der anders als seine Artgenossen nicht fliegen kann, erfährt sie von einer mysteriösen Gestalt namens Me’ru, die die Geschicke von ganz Daresh leitet, von der aber niemand weiß. Angeblich hat der Storchenmensch Enobar im Namen des Me’ru umgebracht. Aber kann das stimmen?

Rena macht sich zusammen mit ihrer Freundin Alix auf die Suche nach dem uralten Me’ru, und auf ihrer Reise trifft sie nicht nur neue Freunde, sondern auch einen Feind, mit dem niemand gerechnet hat …

Was möchte man sagen? Tatsache ist, dass sich der Abschlussband der „Kampf um Daresh“-Triologie brav einreiht und weder einen großartigen Höhepunkt noch einen Tiefpunkt darstellt.

Die Charaktere und ihre Konstellationen haben sich erwartungsgemäß weiterentwickelt. Die einst so wilde und stürmische Kämpferin Alix ist nun Mutter einer kleinen Tochter, Rena hat mit ihrer großen Liebe Schluss gemacht. Trotzdem gibt es kaum Überraschungen in der Besetzung, obwohl alle neuen und alten Personen sehr schön ausgearbeitet sind. So zum Beispiel der kleine Ruki, der sich weigert zu fliegen, was ihn zu einem Sonderling macht. Als Rena, die ja ebenfalls nicht fliegen kann, sich zu seinem Stamm gesellt, ist er mehr als froh, jemanden kennen zu lernen, der ihm ähnelt. Natürlich bleibt es nicht aus, dass er sich auf ihrer Reise zum Me’ru so weiterentwickelt, dass er mit dem Fliegen beginnt, aber dieses kleine Klischee sei der Autorin gestattet.

Die Handlung selbst ist an und für sich spannend, auch wenn sie stellenweise wie eine Kopie aus den Vorgängerbänden wirkt. Da die Bände nicht wirklich aufeinander aufbauen, rettet Rena zum dritten Mal ihr Land vor einem großen Unglück. Und erneut tritt sie dazu eine Reise an. Dieser Aufbau ähnelt dem der anderen beiden Bücher schon sehr und nimmt sich dadurch selbst das Potenzial. Erschwerend kommt hinzu, dass er Plot in der Mitte ein wenig ausfasert und dadurch kaum noch Spannung aufgebaut wird.

Im Schreibstil, der von mir schon des Öfteren als durchschnittlich beschrieben wurde, hat sich nichts geändert. Nach wie vor ist er eher ein Mittel zum Zweck. Er transportiert die Geschichte, entwickelt dabei aber kein Eigenleben. Brandis versteht ihr Handwerk und der Text lässt sich flüssig ohne Stolpersteine lesen. Trotzdem wirkt er ein wenig zu beliebig, um lobend erwähnt zu werden.

Katja Brandis bekleckert sich beim Abschluss ihrer „Kampf um Daresh“-Serie nicht gerade mit Ruhm. Anstatt eines fulminanten Endes erzählt sie eine andere Variation der bekannten Geschichte mit dem bekannten, durchschnittlichen Schreibstil. Trotzdem weist die Geschichte an einigen Stellen Spannung auf, die zum Weiterlesen animiert, aber an „Der Verrat der Feuer-Gilde“ kommt „Der Ruf des Smaragdgartens“ trotzdem nicht heran.

http://www.piper.de

Gemmell, David – Sturmreiter (Rigante 4)

Mit „Sturmreiter“ beendet David Gemmell (1948-2006) seinen Zyklus um das keltische Volk der Riganten. Zivilisationskritik und der Kampf um die Bewahrung der Naturkultur der Keltoi-Stämme standen im Mittelpunkt der ersten beiden Bände „Die Steinerne Armee“ und „Die Nacht des Falken“, die in einer an die spätrömische Zeit angelehnten Welt spielten. Der Rigante-Zyklus zeichnet sich besonders durch diesen ungewöhnlichen Mix aus historischem Roman, Heroic Fantasy und aktuellen Themen aus.

„Rabenherz“ und „Sturmreiter“ spielen 800 Jahre später in einer Zeit, in der die Siege der legendären Könige Connavar und Bane nur noch Legenden sind. Die Riganten wurden zu den einschlägig bekannten Highlandern, geschlagen und unterdrückt von den Varliern, ihrer Kultur weitgehend beraubt. In diesem bereits spätmittelalterlichen Szenario gibt es schon Pistolen und Musketen.

Während Kaelin Ring den Aufstand der Schwarzriganten gegen den grausamen Landlord Moidart anführt, einen kalten und gefährlichen Mann, der die Riganten abgrundtief hasst, entdeckt der „Erlöser“-Ritter Winter-Kay bei einem Überfall auf ein Dorf vermeintlicher Ketzer ein uraltes Artefakt: den Schädel eines toten Seidh-Gottes (angelehnt an die „Sidhe“ des inselkeltischen Sagenkreises) der Rigante. Dieser dunkle Gott bemächtigt sich des ehrgeizigen Winter-Kay und verstärkt dessen Ehrgeiz.

Bald ist Winter-Kay zu Lord Winterbourne geworden, Vertrauter des Königs und Anführer der Erlöser-Ritter. Er nutzt geschickt den Bürgerkrieg zwischen den Royalisten und Anhängern der Republik für seine eigenen Zwecke aus und hegt auffälliges Interesse an den im Norden lebenden Riganten. Bald fällt sein Blick auch auf Gaise Macon, den ungeliebten „Sohn“ des Moidart. Ungeliebt, da der Moidart nicht weiß, ob er sein Sohn ist oder der seines verhassten Rivalen Lanovar, dem letzten großen Rigante-Führer, der ein Verhältnis mit seiner Frau hatte. Gaise hat ein grünes und ein goldbraunes Auge – wie Lanovar, die Großmutter des Moidart oder auch der legendäre König Connavar …

In den Wirren des Bürgerkriegs kämpfen der Moidart und Gaise für den König, der immer mehr unter den Einfluss Winter-Kays gerät. Bald müssen die Riganten unter Kaelin Ring, der Moidart und sein entfremdeter Sohn Gaise sich widerwillig verbünden gegen den neuen und übermächtigen Feind. Der dunkle Gott in Winter-Kay will sich der verbliebenen Magie der Rigante bemächtigen, sie vernichten und damit das Schicksal der Welt besiegeln.

_Wenn man zu dem werden muss, was man am meisten hasst_

Gaise Macon, der „Sturmreiter“, stellt in gewisser Weise das Negativ Banes in „Die Nacht des Falken“ dar. Während Bane der verhasste Sohn des großen und geehrten Königs Connavar war, der stets versuchte, seinem Vater nachzueifern, nie anerkannt wurde, bis seine Liebe in Hass umschlug, ist bei Gaise das Gegenteil der Fall. Sein Vater ist der von allen gehasste, grausame Landlord, und Gaise versucht ein guter Mensch zu sein, niemals so zu werden wie der böse Moidart.

Im Krieg lernt Gaise, dass in ihm wie in jedem Menschen der Keim des Bösen steckt. Oft muss er grausame Entscheidungen in der Art des Moidart treffen, um größeres Übel zu vermeiden. Diese Erkenntnis droht ihn zu zerbrechen; zur Verzweiflung seines Vertrauten und ehemaligen Lehrers Mulgrave wird Gaise fast genauso hart und gnadenlos wie der Moidart. Dieser hingegen wird zur Symbolfigur des Widerstands gegen Winter-Kay, geachtet von allen, sogar den Riganten. So endet „Sturmreiter“ auch mit folgendem höchst ironischen Satz: „‚Erzähl uns vom Moidart‘, bat ein Mann. ‚Sie sagen, er ist ein Heiliger.'“

Gemmell verwischt hier die so vermeintlich klaren Fronten der Schwarzweißmalerei. Die Umstände diktieren das Verhalten seiner Helden. So kann ein böser Charakter wie der Kopfjäger Huntsekker auch seine guten Seiten haben, tapfer und selbstlos sein. Ja, sogar der Moidart kann zum Helden werden, während Gaise für das Wohl aller kämpft und dabei Gräuel begeht – und oft sogar geradezu begehen muss, was ihm das Herz bricht. Ihm, der alles sein wollte, nur nicht wie sein Vater.

Die Besessenheit Winter-Kays, dessen Name an den stets missgünstigen Kaye/Keie der Artussagen angelehnt ist, erinnert an frühere Werke Gemmells wie „Der dunkle Prinz“. Die übernatürlichen Fähigkeiten, die er seinen Rittern verleiht, und die Verbindung zur „Quelle“ findet man bereits in früheren Bänden des Rigante-Zyklus wie „Die Nacht des Falken“ aber auch in seiner Drenai-Saga. Die Tragik Winter-Kays und seiner Ritter ist ihr hehrer Anspruch, die fanatischen Eiferer werden ihre eigenen Ideale aus dem Blick verlieren.

Faszinierend ist, wie Gemmell seinen Nebenfiguren Leben einhaucht und sie weiterentwickelt. Neben der Wandlung des bereits erwähnten Huntsekker werden auch Figuren aus früheren Rigante-Romanen auftauchen. Um Kaelin Ring und Gaise Macon werden sich die Nachfahren der Generäle und Vertrauten Connavars scharen, die Highlander besinnen sich ihrer Wurzeln und der alte Geist der Keltoi lebt noch einmal auf.

_Fantasyliteratur mit kritischer Botschaft_

Gemmell zerschlägt das starre Gut-Böse-Schema der Fantasyliteratur und zeigt die Dualität des Menschen auf – Gut und Böse liegen oft ununterscheidbar nahe beieinander. An Kämpfen, unglücklicher Liebe und Heldentum mangelt es nicht, Gemmell nimmt jedoch bewusst die Kehrseite der Medaille unter die Lupe und zeigt, wie aus Engeln Teufel werden – und umgekehrt. Der nachdenklich machende Epilog zeigt parabelhaft sehr deutlich die starke Zivilisationskritik Gemmells. Die naturverbundene Lebenweise und Mystik der Rigante-Highlander/Keltoi wird zwar romantisiert, dennoch ist Gemmell sehr überzeugend, wenn er darlegt, wie unsere moderne Zivilisation die Eigenschaften verstärkt, die uns selbst und unserer Umwelt schaden.

Die Übersetzung ist wieder einmal von Gemmells deutscher Stimme, Irmhild Seeland, was für ihre Qualität spricht. „Sturmreiter“ ist ein würdiges und tief schürfendes Finale für den Rigante-Zyklus, der zweifellos einen der Höhepunkte von Gemmells Werk darstellt. Freunden anspruchsvoller Fantasy im historischen Gewand kann ich ihn nur empfehlen.

„Sturmreiter“ erscheint nur in broschierter Form und ist im Gegensatz zu seinen Vorgängern nicht als Band der gebundenen Reihe „Bibliothek der Phantastischen Literatur“ erhältlich.

_Der Rigante-Zyklus im Überblick_

Band 1: [„Die Steinerne Armee“ 522
Band 2: [„Die Nacht des Falken“ 169
Band 3: [„Rabenherz“ 498
Band 4: [„Sturmreiter“ 2961

Missfeldt, Jochen – Steilküste

Mit seinem Buch „Steilküste“ wagt sich der deutsche Schriftsteller Jochen Missfeldt an ein sehr brisantes Thema der einheimischen Geschichte, nämlich die Kapitulation des deutsche Militärs, die unweigerlich auch zum Ende des Zweiten Weltkriegs führte. Missfeldt, Jahrgang 1941, berichtet in diesem Werk von einem Ereignis, welches den Zwiespalt, in dem sich die diensthöchsten Militärabgeordneten zu jener Zeit befanden, ziemlich krass verdeutlicht. Er erzählt nämlich von der Desertion zweier deutscher Marinesoldaten, die sich am 3. Mai 1945, exakt fünf Tage vor Kriegsende, dazu entschließen, von ihrem momentanen Aufenthaltsort Dänemark zu fliehen und nach jahrelangem verzweifelten Kampf wieder in die Heimat zurückzukehren.

Wohlwissend, dass die Tage der Schlacht gezählt sind, begehen sie Fahnenflucht, und dies in der wohligen Hoffnung, nach dem bevorstehenden Ende des Krieges nicht mehr politisch verfolgt zu werden. Doch dies ist ein Irrtum; Fredy und Ehrmann werden unmittelbar nach ihrer verhängnisvollen Entscheidung aufgespürt und des Verrats angeklagt – und dies, obwohl es mit der Vaterlandstreue im Anschluss an die Kapitulation nicht mehr weit her ist. Doch es geht hier vorrangig darum, die Moral der gesamten Truppe aufrecht zu erhalten, indem die alten Werte auch nach der Niederlage bestehen bleiben. Es geht um Disziplin und die uneingeschränkte Verbundenheit zur deutschen Kriegsmarine, die die beiden Fahnenflüchtigen mit ihrem Austritt freiwillig abgelegt haben.

Dem Gerichtsherren, der sich bereits wenige Tage später des Falles annimmt, reicht dies schon als Anlass, um die beiden Desertierten zum Tode zu verurteilen, und weil es noch keine offizielle Rechtsprechung gibt, wird diesem Urteil auch stattgegeben. Verheerend, wenn man bedenkt, dass Fredy und Ehrmann auch ohne diesen kurzfristigen Entschluss von der endlos scheinenden Fessel des Krieges befreit worden wären – nicht mal eine Woche später.

Warum also das Risiko, wo man doch schon hoffnungsvoll dem Ende entgegenblicken konnte? Was hat die beiden dazu bewogen, diesen Schritt zu wagen? Nun, es ist im Grunde genommen kein komplexes Gedankenkonstrukt, welches dem vorauseilt, sondern schlicht und einfach der Wunsch nach Freiheit und Unabhängigkeit, heraus aus der ermüdenden Verzweiflung der drohenden Niederlage und all den grausamen Eindrücken, die der Völkermord hinterlassen hat. Einfach nur frei zu sein, das wohl ursprünglichste Bedürfnis eines jeden Menschen, hat die beiden Marineoffiziere dazu bewogen, und einzig und allein, weil sie sich diesen Wunsch jetzt und sofort erfüllen wollten, wurden sie an den Pranger gestellt.

Jochen Missfeldt erzählt die Geschichte aus der Sicht eines seinerzeit vierjährigen Ohrenzeugen, hinter dem er natürlich – man bedenke sein Geburtsjahr – genauso selbst stecken könnte. Doch seine imaginäre Person heißt Gustav, lebt in der heutigen Nachkriegszeit und empfindet die menschenverachtende Ungerechtigkeit dieses Urteils mit all ihren Ursachen rückblickend nach. Gustav erzählt von der Landschaft, Menschen und echten Typen, die ihn damals geprägt haben, sowie natürlich von der politischen Lage im Mai des Jahres 1945. Hierzu beschreibt er die konträren Stimmungen, beginnend mit der Depression des erschütterten und zu Tode geplagten Volks bis hin zur stillen Euphorie, die aus der Hoffnung des endgültigen Endes dieser jahrelangen Schlacht resultiert.

Doch Gustav erinnert sich nicht sonderlich genau an all jene Ereignisse zurück. Stattdessen macht er recht seltsame Gedankensprünge, berichtet mal hier und mal dort ein bisschen und gelangt irgendwann zur Geschichte der beiden Protagonisten. Und dies ist auch der wesentliche Schwachpunkt dieses Buches. Natürlich erwartet niemand von Jochen Missfeldt, eine exakt dokumentierte Berichterstattung der von ihm beobachteten Vorgänge, aber es wäre schon empfehlenswert gewesen, sich manchen Dingen etwas fokussierter zu widmen, schließlich ist die vordergründige Story um die beiden zu Tode verurteilten Männer schon bedrückend genug. Aber der Autor lässt sich hierauf nicht wirklich ein und schweift ziemlich häufig ab, schildert die Schönheit der Landschaft, kommt immer wieder auf Menschen zu sprechen, die mit der eigentlichen Handlung nur minimal etwas zu tun haben und verliert sich somit manchmal – und ich denke bewusst – in seinen oftmals verzwickten Ideen. Und dabei ist die Geschichte ja inhaltlich alles andere als komplex und aufgrund der deutlichen Kritik sogar ziemlich direkt.

Apropos Kritik: Zur damaligen Zeit wären wahrscheinlich heftige Diskussionen entbrannt, welche Strafe bzw. ob eine Strafe für die beiden Ex-Marinesoldaten überhaupt angebracht gewesen wäre. Während der pazifistische Teil der deutschen Bürger sicherlich als Fürsprecher hätte gewonnen werden können, kann man die Vorwürfe der politisch rechten Flanke gewissermaßen auch nachvollziehen, schließlich haben die Mitsoldaten sich abseits jeglicher diskussionswürdigen Gesinnung bis zum letzten Tag gekämpft, wenngleich man dies natürlich immer in Relation zu den tatsächlichen, heftigen Kriegshandlungen, die dem Ganzen vorausgegangen sind, betrachten muss.

Darüber aus heutiger Sicht zu diskutieren, ist aber natürlich völlig unangebracht. Diese beiden Menschen zu verurteilen, war ein unmenschliches Verbrechen, so gemein und ungerecht, dass man sich regelrecht davor ekeln könnte – hätte Missfeldt dies in seinem Buch besser auf den Punkt gebracht. Es mangelt sicher nicht an Authentizität – schließlich bezieht sich der Vorfall auf eine tatsächliche Begebenheit – aber im Großen und Ganzen hätte der Autor dies dann auch ein wenig ernster und zielgerichteter beschreiben sollen.
In dieser Form ist „Steilküste“ nämlich nur eine recht blasse zeitgeschichtliche Dokumentation, in der man viele Gedankenanstöße aufschnappen kann, die aber irgendwie die Brisanz ihres erniedrigenden Inhalts nicht adäquat transferieren kann. Es ist sicher kein schlechtes Buch, aber eben auch keines, über das man noch lange sprechen wird.

http://www.rowohlt.de