Archiv der Kategorie: Rezensionen

Dixon, Chuck – Simpsons Comics 117

|“Clownstherapie“|

Krusty ist mal wieder mit den Vorgesetzten seines Senders aneinandergeraten, die ihm fortan den Inhalt seiner Sendungen vorschreiben wollen. Den Clown schert dies jedoch nur ziemlich wenig, weshalb er auch sein Programm normal weiterführt. Als es bei der nächsten Show dann aber zu einem Zwischenfall kommt, wird Krusty nahe gelegt, seine Arbeit als Clown niederzulegen. Während sein Sendeplatz an eine Teenie-Serie vergeben wird, heuert Krusty im Atomkraftwerk an. Bart will sich damit allerdings nicht abfinden.

|“Verti-Go-Ariino“|

Als Ned Flanders beim Teppichkauf glaubt, den Satan gesehen zu haben, braucht er im nächsten Café erst einmal eine Abkühlung. Als er dabei aber eine Fau vorbeifahren sieht, die haargenau seiner verstorbenen Gattin Maude gleicht, bekommt er Zweifel an seinem Verstand. Flanders sucht Rat bei seinem Nachbarn, der ihn prompt zum Gespräch in die Kneipe bittet. Zusammen mit Homers Trinkkumpanen werden Pläne geschmiedet, wie man die offensichtliche Doppelgängerin zur Rede stellen kann.

_Meine Meinung_

Die neueste Auflage der „Simpsons Comics“ bietet zwei Geschichten, die sich eher im Umfeld der Familie abspielen. In „Clownstherapie“ wird hierbei ein schon öfter durchgekautes Thema abgerufen, nämlich das Ende von Krustys Karriere, welches ja auch schon in diversen Episoden der TV-Serie prophezeiht und doch wieder widerrufen wurde. Dieses Mal liegt die Ursache in den niedrigen Einschaltquoten begündet, infolge derer die Fädenzieher des Senders dem Clown ins Programm reden wollen. Nichts Neues also. Wirklich interessant wird das Ganze daher erst, als Krusty nach seinem Besuch bei einer Psychologin als einfacher Arbeiter im Atomkraftwerk von Mr. Burns eingestellt wird, wo Homer gerade eine Kernschmelze provoziert hat. Erst als er dort wieder von seinen Qualitäten als Entertainer überzeugt wird und selbst Menschen in höchster Not zum Lachen bringt, erkennt er seine wahre Berufung.

„Clownstherapie“ ist ein typischer Moral-von-der-Geschicht-Plot, von denen es bei den Simpsons ja nach wie vor zahlreiche gibt. Steht meistens Lisa bei diesen Folgen im Mittlpukt, ist es diesmal der rotzfreche Clown, der eine weitere Midlife-Crisis erleidet und diese mit Barts Unterstützung löst. Leider bleibt es im Großen und Ganzen aber nur beim Attribut ‚ganz nett‘, denn wirklich witzig ist diese Geschichte nicht, und bis auf ein paar wenige Anspielungen (so etwa ein leichter Hieb auf den unverkennbaren Humor der „Garfield“-Strips) fehlt es dem Autor hier auch an Gift und Galle. Aber als Überbrückung zur vermutlichen Hauptstory geht das schon in Ordnung.

Diese folgt dann auch mit „Verti-Go-Ariino“, in der Homer seinen Nachbarn Ned Flanders mal wieder unbewusst ins Chaos stürzt. Der streng religiöse Flanders ist hin- und hergerissen ob seiner Sekunden-Begegnung mit einer bekannt aussehenden Dame und braucht dringend Rat. Doch statt ihm hier unter die Arme zu greifen, probiert Homer lieber neue Frisurtrends mit seinem Rasierschaum aus und lädt seine Freunde in Mo’s Taverne schließlich zum kostenfreien Drink auf Neds Deckel ein. Der jedoch ist weiterhin so verwirrt, dass er den Schwindel gar nicht bemerkt und brav das Alkoholikerkonsulat von Springfield unterhält.

Diese zweite Episode ist ein weiteres Meisterstück aus der Feder von Chuck Dixon. Gleich mehrfach werden hier die Lachmuskeln bis aufs Äußerste strapaziert, wobei der Auftritt in der Kneipe wohl der absolute Höhepunkt ist. Den Machern fallen aber tatsächlich auch immer noch dümmere Aktionen ein. Ned muss sich zum Beispiel anhören, ob er nun einen Geist, einen Zombie oder doch einen sexy Geist aus der Zukunft gesehen hat. Göttlich! Und dafür liebt man schließlich auch den steifen Witwer.

Zum Ende des Comics gibt es noch einige kurze Erläuterungen zum Inhalt und der Wortwahl des Comics sowie Informationen über zwei Musiker (James Brown und Robert Goulet), die im Laufe der Jahre zu Simpsons-TV-Ehren gekommen sind. Ergänzt wird das Ganze mit Leserbriefen, einem Malwettbewerb samt Gewinnspiel zur Fußball-WM und einer kurzen Vorschau auf das anstehende 10-jährige Jubiläum der „Simpsons Comics“ in Deutschland.

_Fazit:_ Eine anständige und eine richtig starke Geschichte gibt’s in #117 zu lesen. Auch wenn man dieses Mal auf besondere Extras verzichten muss, lohnt sich der Kioskabholpreis von 2,50 € mal allein schon wieder voll und ganz, um Ned Flanders in peinlicher Mission zu sehen. Wie sagt Krusty so schön: Juk-Juk-Juk-Ahuu-Huu-Huu!

http://www.paninicomics.de

Alexander Kent – Zwölf Sekunden bis zum Untergang

Das geschieht:

1943 steht Nazideutschland auf der Höhe seiner Macht. Der Süden Großbritanniens steht unter Dauerfeuer. Aus der Luft greifen Bomber die Städte an, die Küsten werden von Kriegsschiffen und U-Booten abgeriegelt. Gefürchtet sind auch die deutschen Minen, die aus der Luft abgeworfen oder im Meer versenkt werden. Viele enden als Blindgänger, andere werden entdeckt, bevor sie explodieren können. Alle sind sie zu entschärfen – eine gefährliche Aufgabe, denn die Konstrukteure haben Todesfallen eingebaut. Zwölf Sekunden bleiben dem unglücklichen Entschärfer zu erkennen, dass er einen Fehler gemacht hat, bevor er in Stücke gerissen wird.

So hat der Vorgänger von Korvettenkapitän David Masters seinen Job verloren. Die Royal Navy ernennt den neuen Mann zum Kommandanten der Torpedo- und Versuchsanstalt „HMS Vernon“, wo man sich auf Sprengkörper aller Art spezialisiert hat. Auch Minenleger, -räumer und Entschärfer werden hier ausgebildet; der Bedarf ist groß … Die Angst ist ständiger Begleiter der Männer, die gleichzeitig fasziniert sind vom Kampf mit der Bombe, dem „Biest“, den sie stets ganz allein führen müssen. In der letzten Zeit sind die Verluste höher denn je, denn die Deutschen testen einen neuen Minentyp, der bei jedem Entschärfungsversuch bisher unweigerlich explodierte. Alexander Kent – Zwölf Sekunden bis zum Untergang weiterlesen

Parzzival, S.H.A. – Himbeertod (Titan-Sternenabenteuer 25)

_Story_

Nach dem Attentat auf Shalyn Shan haben die Ärzte die schöne Suuranerin in ein künstliches Koma versetzt und so ihr Leben bewahren können. Allerdings waren hierzu ein paar Schönheitsfehler unvermeidbar, so dass die Kommandantin der TITAN nun eine Glatze tragen muss. In der Zwischenzeit hat die World Police auch alles daran gesetzt, den Attentäter zu stellen und dingfest zu machen – allerdings ohne Erfolg.

Auf Empfehlung eines guten Bekannten wird der Spezialagent Wernher von Witzleben auf den Fall angesetzt, von dem sich Shalyn aber aufgrund der ersten seltsamen Zusammenkunft keine großen Resultate verspricht. Um so überraschter ist sie, als der durchgeknallte Agent, der wie ein alter Action-Held im Fledermauskostüm auf Verbrecherjagd geht, in kürzester Zeit tatsächlich den mutmaßlichen Mörder inhaftiert. Statt ihn aber direkt der World Police auszuhändigen, wählt von Witzleben einen brutaleren Weg und fragt den Attentäter namens Haron nach Motivation und Auftraggebern aus, indem er die Antworten durch körperliche Übergriffe erzwingt.

Doch Haron schweigt beharrlich und kann tatsächlich auch wieder entkommen. Der Spezialagent hat jedoch noch eine zweite Geheimwaffe in der Hinterhand. Er ist auf eine Frau getroffen, die angab, mehr über die Vergangenheit von Monja Anjetta zu wissen. Für Shalyn Shan ist dies die erfreulichste Nachricht seit langem, und so wird auch in Windeseile ein Treffen vereinbart. Doch wer weiß, ob Monja, Shalyn und ihre Kumpanen sich auf den Weg dorthin gemacht hätten, wenn ihnen der Ausgang der Begegnung von vornherein bewusst gewesen wäre …

Währenddessen haben Raumschiffe der Cadschiden eine Invasion in einem italienischen Bergdorf gestartet und den dortigen Bewohnern ihre Gefühle geraubt. Ohne Rücksicht auf die hilflosen Anwohner schwärmen sie mit ihren Kristallen aus und hinterlassen bei den betroffenen Menschen ein Gefühl der Leere – und einen Himbeergschmack, den auch Shalyn Shan gespürt hat, kurz bevor ihr Harons Anschlag die Sinne raubte.

_Meine Meinung_

Im aktuellen Band der „Titan-Sternenabenteuer“ werden die beiden bisherigen Sub-Plots zu einem homogenen Strang zusammengeführt, der allerdings weiterhin genügend Freiräume für etwaige Nebenschauplätze lässt. Im Mittelpunkt steht dabei die ‚Auferstehung‘ der bereits ermordeten Shalyn Shan, die immer mehr darauf bedacht ist, das Geheimnis hinter ihrer Geliebten Monja Anjetta aufzudecken. Deshalb legt sie auch so großen Wert auf die Festnahme des Attentäters, der Gerüchten zufolge ja auch ein Teil von Monjas Vergangenheit gewesen sein soll.

Nicht nur um sich selbst zu beweisen, dass dem nicht so ist, und dass Monja eine weiße Weste hat, sondern auch, um das Gemüt ihrer Freundin zu beruhigen, greift Shalyn Shan mal wieder zu recht unkonventionellen Mitteln, als sie sich auf den Abgesandten der World Police, Wernher von Witzleben, und dessen eigenartige Ermittlungsmethoden einlässt. Shalyn weiß nicht, was sie von der Fledermaus-Maskerade, dem seltsamen Tick für alte Romane aus Papier und der unsympathischen Ausstrahlung des Agenten halten soll, sieht in ihm aber die letzte verzweifelte Chance, um die zunehmend unsichere Situation wieder ins Lot zu bringen. Bis zum Ende hadert sie mit den Entscheidungen ihrer neuen Zweckverbindung, lässt sich aber von dem Erfolg immer wieder blenden. Und dennoch bleibt die Frage im Raume stehen, ob es sich bei von Witzleben um einen Ehrenmann oder doch um den zur Schau gestellten Fiesling handelt, als der er seinen Feinden gegenüber auftritt. Der nächste Band heißt „Fledermaus“, dann gibt’s hierzu sicher mehr …

Davon mal abgesehen, ist man beim silbernen Jubiläum der Serie wieder überraschend kreativ geworden. Die Invasion der Cadschiden wurde von S.H.A. Parzzival ebenso gut in Szene gesetzt wie das Katz-und-Maus-Spiel des von Witzleben und seiner Opfern. Es wird endlich wieder richtig spannend, und nach einigen viel zu transparenten Fortgängen hat man auf der TITAN wieder einen Punkt erreicht, an dem die Handlung voller Überraschungen steckt. Der Leser fiebert mit, wenn Shalyn Shan langsam aber sicher hinter Monjas Identität zu blicken wagt, und hofft natürlich inständig, dass Letztgenannte zu den ‚Guten‘ gehört.

Und je länger man auf die Folter gespannt wird, desto tiefer dringt man auch wieder in die Gesamthandlung ein, die in den letzten Bänden noch recht oberflächlich fortgeführt wurde. Nicht zuletzt durch die Öffnung weiterer Handlungsspielräume und die Einführung neuer Charaktere wie den schrägen Wernher von Witzleben steuert die |TITAN| (deren Motoren in diesem Buch übrigens auch endlich wieder gestartet werden) wieder auf den richtigen Kurs, der lediglich durch einige merkwürdige sprachliche Eigenheiten beeinträchtigt wird.

Manchmal nämlich raubt man sich zu früh die Spannung, in dem man Kapitel mit Sätzen wie „… wenn sie vorher gewusst hätte, was sich dort ereignet …“ enden lässt und dabei praktisch schon aus der Zukunft heraus das bevorstehende Übel beschreibt. Stattddessen hätte man die Geschichte genau so gut bzw. wahrscheinlich noch besser ihrem natürlichen Verlauf überlassen und so auch die Überraschungen noch stärker auf seiner Seite gehabt. Ebenfalls etwas übertrieben finde ich die zweideutigen Wortspiele. Der Name ‚Wernher von Witzleben‘ zum Beispiel ist einfach nur peinlich. Die Autoren der „Titan-Sternenabenteuer“ haben zwar immer schon ein gewisses Maß an Humor vorgewiesen, doch hat man dabei bislang immer noch Grenzen eingehalten, innerhalb derer man auch tatsächlich von Humor sprechen konnte. Leider bestehen diese Limits bei „Himbeertod“ nicht mehr, was zur Folge hat, dass neben von Witzleben selber auch dessen alberne Aktionen (Fledermauskostüm, Schnüffeln an alten Heftromanen, doofe Macho-Sprüche, etc.) äußerst fragwürdig erscheinen. Vielleicht sind es ja Insider, vielleicht wird man damit auch bei einem Teil des Publikums landen, doch bei mir persönlich hat dieser ironische Klamauk nicht gezündet.

Im Großen und Ganzen sind es aber nur ein paar kleine Nebensächlichkeiten, die es bei der 25. Ausgabe der Social-Fiction-Serie zu bemängeln gibt. Bezüglich Geschichte, Weiterentwicklung und Spannung hat S.H.A Parzzival verglichen mit den letzten Bänden indes wieder gehörige Verbesserungen erzielen können, auf denen aufbauend die TITAN hoffentlich auch in Zukunft die Häfen ansteuern wird, die man vorm Umschwung von Science- auf Social-Fiction noch regelmäßig besuchte. Kurzum: Nach der zwischenzeitlichen Flaute wird einem hier endlich wieder das Niveau geboten, das man etwas längere Zeit vermisst hatte – wenn auch nur auf mageren 158 Seiten.

http://www.BLITZ-Verlag.de

Kürthy, Ildikó von – Höhenrausch

|“Mann, bin ich einsam. Sonntagabende sind meiner Empfindung nach für uns Alleinstehende aber auch immer besonders schwer zu bewältigen. Da bleibt man traditionellerweise zu Hause, kocht Nudeln, guckt ‚Tatort‘ und geht, von Sabine Christiansen vergrault, zeitig zu Bett. Der Sonntagabend ist ein ‚Wir-Abend‘. Und ich bin kein Wir mehr. Der Scheißkerl hat mich mit Sabine Christiansen allein gelassen.“|

Wieder einmal spricht Bestsellerautorin Ildikó von Kürthy ihren weiblichen Leserinnen aus der Seele mit ihrem neuen Roman „Höhenrausch“, in dem sie sich erneut dem Singleleben jenseits der 30 widmet, das ich zwar nicht aus eigener Erfahrung kenne, aber nun bereits mehrfach dank von Kürthy miterlebt und mitgefühlt habe.

Linda Schumann ist 35, von Beruf Übersetzerin und frisch verlassen, nachdem sie im Auto ihres nunmehr Exfreundes – dessen Name man nicht mehr nennen darf und der deswegen „Draco“ (angelehnt an „Harry Potter“) getauft wurde – verräterische Fußspuren an der Fensterscheibe entdeckt hat. Kurzerhand tauscht Linda mit dem unbekannten Andreas aus Berlin die Wohnungen, da beide einen Neuanfang wagen wollen. Linda meldet sich bei einer Dating-Agentur an und bekommt auch tatsächlich schnell ein Date vermittelt. Dort stellt sie allerdings fest, dass sie fälschlicherweise mit dem schwulen Erdal aus Hamburg verkuppelt werden soll, der eigentlich Sexgott27 treffen wollte. Obwohl die beiden sich auf Anhieb unsympathisch sind, entwickelt sich dennoch eine Freundschaft aus dieser Zufallsbegegnung, nachdem Erdal Linda durch Antäuschung eines schweren Asthmaanfalls aus einer grausigen und nebligen Theatervorstellung errettet hat.

So kommuniziert Linda per Mail mit dem unbekannten Andreas, der nun ihre Wohnung in Jülich übernommen hat und ihr alle ihre Plüschtiere zuschickt, damit sie sich in Berlin nicht mehr so einsam fühlt, außerdem telefoniert Linda regelmäßig mit ihrer Freundin Silke und natürlich kommen die „Frauenabende“ mit Erdal hinzu. Als unvermittelt Lindas gut aussehender, aber verheirateter, neuer Nachbar Johann vor der Tür steht, ist die Not groß, denn Linda hat sich Hals über Kopf in den attraktiven Mittvierziger verliebt.

Zwischen den beiden entwickelt sich eine Affäre, die natürlich in allen Einzelheiten mit diversen Menschen ausdiskutiert und aus verschiedenen Blickwinkeln analysiert werden muss, und obwohl Linda immer cool und unbeteiligt wirkt, möchte sie Johann ganz für sich gewinnen – bis sie plötzlich seiner Ehefrau gegenübersteht und sie leider äußerst nett findet …

In wunderbarer und erfrischender Weise deckt Ildikó von Kürthy wieder einmal sämtliche weiblichen und auch einige männlichen Macken auf und schmückt sie durch viele sympathische Episoden aus. Und wieder einmal ist es nicht so sehr die Geschichte an sich, die unterhält oder überzeugt, sondern es sind die kleinen Dinge am Rande. Während Linda uns ihre Geschichte erzählt, ihre Probleme durchkaut und ihre geheimsten Gefühle offenbart, kommen ihr immer wieder neue Dinge in den Kopf, die sie vom eigentlichen Thema zwar ablenken, aber doch sehr viel über Linda und ihren Charakter aussagen. Diese abschweifenden Episoden und auch die herrlichen Metaphern sind es, die das vorliegende Buch wieder einmal zu einem herzerfrischenden Lesegenuss machen.

Ildikó von Kürthy beschreibt Dinge, die zwar jeder Frau schon einmal aufgefallen sein dürften, die aber nur die wenigsten Frauen in Worte fassen, Ildikó von Kürthy verleiht diesen Gedanken ihre Stimme und trifft damit den Nagel auf den Kopf. Insbesondere der oft unverstandene weibliche Schuh-Tick wird hier messerscharf analysiert und dürfte nun auch jedem Mann einsichtig werden:

|“Aber irgendwann kommt in Beziehungen die Zeit der so genannten gemütlichen Abende. Dann machst du den Abwasch nicht mehr nackt und nur mit zwölf Zentimetern Absatz unter dir. Und du bist nicht länger bereit, dieses unermessliche Leid in Kauf zu nehmen, das bereits die Schritte zum Klo auf High Heels auslösen – und das für einen Mann, von dem du ja bereits weißt, dass er dich liebt. […] Eine Frau sollte nur dann Absätze von mehr als elf Zentimetern Höhe tragen, wenn sie Single ist und das nicht bleiben möchte. Oder frisch verliebt ist und das bleiben möchte. Oder den Abend definitiv größtenteils im Liegen verbringen wird.“| (S. 112/113)

Beschreibungen wie diese sind es, die mich immer wieder zu Ildikó von Kürthys Büchern greifen lassen, weil sie so herrlich überzogen sind, im Kern aber doch ziemlich nah an der Wahrheit bleiben. Natürlich sind viele Situationen überzogen und auch die Charaktere nicht wirklich alltäglich, aber genau das ist es, was den Reiz des Buches ausmacht.

Apropos Charaktere: Ildikó von Kürthy schafft es immer wieder, eine sympathische Frauenfigur zu kreieren, die jeder Leserin ans Herz wachsen dürfte. Von Kürthys Ich-Erzählerin steckt stets in der Krise, stets hat sie gerade Liebeskummer und jammert sich im Laufe des Buches ein wenig aus, dabei wird die Ich-Erzählerin – in diesem Fall Linda Schumann – aber nie nervig wie manchmal Becky Bloomwood bei Sophie Kinsella, die sich so naiv und dämlich gibt, dass man sie auch mit viel Geduld nur schlecht ertragen kann. Ganz anders bei Linda Schumann; sie hat genug Macken und macht auch einige Fehler, aber wenn sie zum Beispiel über ihre fehlenden Flirttechniken berichtet, muss man sie einfach gern haben:

|“Ich kann gut Englisch, und ich kann gut kochen. Ich kann gut Briefe schreiben, und wenn es sein muss, kann ich sogar gut auf Kohlenhydrate verzichten. Was ich definitiv nicht kann, ist gut rechnen, elegant auf hohen Schuhen gehen und ergebnisorientiert flirten.“| (S. 84)

In vielen Passagen findet frau sich wieder, aber auch der männliche Leser dürfte neben dem Schuhproblem noch weitere Mysterien aufgedeckt und erklärt bekommen, sodass Ildikó von Kürthy nicht ausschließlich für Frauen schreibt – wie beispielsweise auch das Zitat von Harald Schmidt auf dem Buchrücken beweist: |“Liebe! Romantik! Ein supertolles Buch!“|. Dennoch dürfte der weibliche Teil der Bevölkerung zugegebenermaßen wohl den weitaus größeren Teil der Leser(innen)schaft ausmachen.

Besonders optisch ist das Buch ein Hochgenuss, die verschiedenen Elemente wie die Telefonate mit Silke oder die E-Mails zwischen Linda und Andreas sind in verschiedenen Schriftarten gesetzt und somit leicht erkennbar. Auch sind erneut zahlreiche Bilder eingebaut, die stets zu den beschriebenen Situationen passen, sei es die DVD-Box zu „24“, wenn Linda darüber sinniert, wie lässig Jack Bauer sein aufklappbares Handy ans Ohr halten und „Mr. President, we do have a situation here“ sagen kann oder sei es die Plüschtierparade, wenn Linda über die Anschaffung neuer Kuscheltiere für die neue Berliner Wohnung nachdenkt.

Unter dem Strich ist Ildikó von Kürthy erneut ein überzeugender Roman gelungen, der vielen Frauen aus der Seele sprechen dürfte, der allerdings wie schon zuvor „Blaue Wunder“ nicht an ihre beiden Klassiker „Mondscheintarif“ und „Freizeichen“ heranreichen kann. Bei „Höhenrausch“ ist es die Rahmengeschichte, die nicht wirklich überzeugen kann, die betrogene Mittdreißigerin im Liebeskummer reicht für eine etwa 250-seitige Erzählung eigentlich nicht ganz aus. Die vielen Episoden am Rande sorgen allerdings erfolgreich dafür, dass das Buch trotzdem unterhaltsam ist und eine Menge Spaß bereitet. So werden die Fans von Ildikó von Kürthy das Buch durchaus zufrieden zuklappen, auch wenn die Autorin bereits zwei- bis dreimal bewiesen hat, dass sie es noch deutlich besser kann. Für unbeschwerte sommerliche Nachmittags- und Abendstunden auf dem Balkon ist „Höhenrausch“ aber in jedem Fall genau die richtige Lektüre.

Hohlbein, Wolfgang / Finn, Thomas / Erdmann, Julia / Evers, Momo / Gill, Heiko / Heller, Frank / ua. – Hexer von Salem, Der (Grundregelwerk)

_Allgemein_

Das „Der Hexer von Salem“-Rollenspiel baut auf den gleichnamigen Romanen und Heften von Wolfgang Hohlbein auf. Diese befassen zwar ebenso wie die Geschichten von H.P. Lovecraft mit dem Cthulhu-Mythos, allerdings auf eine etwas actionlastigere Art und Weise. Und genau hier setzt das Hexer-Rollenspiel an, denn es ist nicht nur ein alternatives Setting des „Cthulhu-Rollenspiels“ sondern eine ganz eigene Art, den Mythos kennen zu lernen: „Pulp-Cthulhu“.

_Pulp_

Pulp ist der Begriff, der Heftromane mit richtigen, heroischen Helden beschreibt, die am Ende immer die Jungfrau vor dem Drachen retten oder Ähnliches (ihr wisst schon, was ich meine). Sie sind klischeeüberladen und haben eine klare Trennung von Gut und Böse. Daraus ergibt sich, dass man bei „Der Hexer von Salem“ im Gegensatz zum normalem „Cthulhu“ durchaus Möglichkeiten hat, den Schrecken auch zu bekämpfen, der einem droht. Was sich dabei am Spiel ändert? Eigentlich nicht viel, zumindest regeltechnisch. Die größte Neuerung ist sicherlich, dass man einen Hexer spielen kann, dem es möglich ist, Magie zu wirken, ohne dabei Stabilitätsverluste hinnehmen zu müssen. Die meisten Hexer haben zudem auch noch besondere Gaben und einen Fluch, der sie belastet.

Der eigentliche Pulp resultiert aber daraus, dass die Charaktere erheblich mehr Punkte für Fertigkeiten und dreimal so viele Lebenspunkte zur Verfügung haben als beim klassischen „Cthulhu“. Dies führt dann wiederum dahin, dass man deutlich robuster ist, um gegen etwaige Monster antreten zu können (allerdings ändert sich relativ weinig bezüglich der Stabilitätsverluste und dem Wahnsinn). Man spielt halt einen Helden und keinen Zuschauer.

„Der Hexer von Salem“ ist ein eigenes und eigenständiges Grundregelwerk. Das heißt, man braucht weder das |Cthulhu|-Spieler- noch das Spielleiterhandbuch, um in die Welt von Robert Craven (Hauptfigur der Romane) einzutauchen. Praktisch sind sie aber trotzdem, da zum Beispiel die Fertigkeiten und die beschriebenen Berufe deutlich „abgespeckt“ daherkommen. Allerdings wird man mit etwas Kreativität (die ich bei jedem Rollenspieler mal per se voraussetze) auch ohne gut zurecht kommen. Der Cthulhu-Mythos und seine Monster werden teilweise etwas anders dargestellt, um sie dem Hexer-Universum anzupassen und den Pulp-Gedanken zu fördern.

Genau das Gleiche wurde auch beim Kampfsystem gemacht, für das es eine neue Kampfrundeneinteilung gibt und das allgemein einfach actionreicher daherkommt. So können alle Angriffe kritische Treffer erzielen, und jeder Charakter beherrscht etwa die Fertigkeit „Handgemenge“ mit einer Anfangs-Grundchance von 50 Prozent!

Neben der Action gehören wie schon erwähnt auch die Klischees zum Pulp-Genre. Auch hier wird reichlich Kost geboten, denn die Abenteuer sind nicht nur so konzipiert, sie an der Seite von Robert Craven zu bestehen, sondern auch auf allerlei aus der Literatur bekannte Personen zu treffen. Beispiele herfür wären etwa: Dr. Mabuse, Dr. Frankenstein, H.P. Lovecraft, Kapitän Nemo oder Dr. Fu Manchu. Auch eine Reise in H.G. Wells Zeitmaschine ist alles andere als unmöglich. Natürlich bleibt es jedem selbst überlassen, inwieweit man in die Klischeekiste greifen oder als „Sidekick“ von Robert Craven rumlaufen will.

_Inhalt_

Neben den kompletten benötigten Regeln, den Kreaturen sowie den wichtigen Personen und Organisationen werden auf über 40 Seiten die bisherigen Geschichten von Hohlbein über Robert Craven zusammengefasst. Dies ermöglicht es auch Spielern oder Spielleiter, sich an dieses Rollenspiel zu wagen, die die Romane noch nicht gelesen haben. Auch gibt es hier Anregungen, wie man die Geschichten am besten als spielbare Abenteuer umbauen kann.

Darauf folgen einige ausgewählte wichtige Orte des Hexer-Universums sowie die Magieregeln und äußerst hilfreiche Tipps für angehende Spielleiter. Den krönenden Abschluss bildet ein für einen Regelband äußerst ausführliches und sehr gelungenes Abenteuer von Thomas Finn mit dem Namen „Das Erbe der Templer“. Besonderes Schmankerl hierbei ist ein gedruckter Auktionskatalog – richtig cool.

_Mein Eindruck_

„Der Hexer von Salem“-Grundregelwerk ist wieder einmal eine gelungene Erweiterung der cthuloiden Rollenspielwelt. Dieses Spiel ist deutlich actionreicher und zudem einfacher zu spielen als das klassische Cthulhu-Rollenspiel und daher auch für unerfahrene Gruppen geeignet, da die Stimmung nicht alleine das entscheidende Element ist. Zudem ist der Einstieg in den Cthulhu-Mythos hier deutlich einfacher. Warum das Rollenspiel für Freunde der Romanreihe ein guter Griff ist, brauche ich hier wohl nicht näher zu erläutern. Die Regeln wurden sinnvoll gestutzt und sind nun so ausführlich wie nötig und so kurz wie möglich gehalten.

Sonst ist eigentlich alles beim Alten: Der Band ist in für den |Pegasus|-Verlag typischer hoher Qualität gehalten und zudem äußerst ansprechend gestaltet. Hardcover, reichlich alte Fotos aus den Zwanzigern sowie das obligatorische Lesebändchen – perfekt. Besonders gut gefällt mir zudem das Abenteuer „Das Erbe der Templer“, das mit seinem Umfang, seiner tollen Story und dem beiliegenden Auktionskatalog viele Punkte sammelt.

Zudem hat sich der |Pegasus|-Verlag auch einen Onlinesupport einfallen lassen, denn mit der Onlinezeitschrift [„The Gillian“,]http://www.pegasus.de/828.html die alle zwei bis drei Wochen veröffentlicht wird und immer wieder Bezug auf Abenteuer hat, gibt’s öfter mal neue Anregungen – natürlich kostenlos.

_Fazit_

Tolles Regelwerk, klasse Aufmachung. Wer sich beim „Cthulhu-Rollenspiel“ nach mehr Action sehnt oder wem es einfach zu kompliziert ist, der ist hier richtig aufgehoben. Da sich das „Der Hexer von Salem“-Rollenspiel aber teilweise enorm vom normalen „Cthulhu“ unterscheidet, dürfte es auch genug Anreize für „altgediente“ Rollenspieler bereithalten. Daher ist es sowohl für Neulinge als auch für fortgeschrittene Rollenspieler uneingeschränkt zu empfehlen.

http://www.pegasus.de/cthulhu.html
http://www.cthuloide-welten.de/

[Cthulhu Spieler-Handbuch 1744
[Cthulhu Spielleiter-Handbuch 2016
[Hohlbeins „Der Hexer von Salem“ 249

Vehlmann, Fabien / Bodart, Denis – Green Manor 1: Mörder und Gentlemen

_Inhalt_

Sechs Kurzgeschichten zum Thema Mord, das bietet „Green Manor 1: Mörder und Gentlemen“, der erste Sammelband einer Reihe über intelligent inszenierte Verbrechen, denen stets eine teils ironische, teils sarkastische Moral voraus- oder nacheilt. Vorab schon einmal eine kurze Übersicht über die enthaltenen Geschichten von Mördern und Gentlemen:

* Angenehmes Schaudern
* Postskriptum
* Modus Operandi
* 21 Hellebarden
* Sutter 1801
* Der letzte Weg des Doktor Thompson

_Story_

Ein Professor sucht zum Ende des 19. Jahrhunderts eine psychiatrische Klinik in der Nähe Londons auf und trifft dort auf einen fast 100 Jahre alten Patienten, der während seiner Zeit im Green Manor’s Club so manch seltsames Verbrechen miterlebt hat. So erzählt das ehemalige Clubmitglied seinem interessierten Zuhörer von einer Sitzung, in der es um Morde ohne Opfer und Mörder geht. Das Thema wird heiß diskutiert, bis schließlich der alternde Redner seiner Audienz eröffnet, dass sie bereits komplett vergiftet wurde. Ein unvollzogener Mord an noch lebenden Opfern, aber ohne Mörder. Weiterhin erzählt er die Geschichte eines Detektivs, der einen bereits fest eingeplanten Mord vereiteln soll. Er kennt Zeit und Ort, schaut aber ziemlich dumm drein, als er zum falschen Zeitpunkt an eben jenem falschen Ort steht. Außerdem plante man in Green Manor den Mord an Conan Doyle, dem Urheber der „Sherlock Holmes“-Geschichten, der mit den von ihm verulkten „Hellebarden“ erledigt werden sollte. Zu einem anderen Zeitpunkt wird ein Mörder namens John Smith gesucht, der jedoch anscheinend gar nicht existiert. Und der letzte Weg des Dr. Thompson wird so lange analyisert, bis der Mord dann doch auf dem offensichtlichsten Weg festgestellt wird.

_Meine Meinung_

Die Vermengung von mehreren Kurzgeschichten in einem Sammelband ist oftmals eine brisante, leider auch nicht selten unzufrieden stellend gelöste Angelegenheit, die in den ungünstigen Fällen daran scheitert, dass die einzelnen Erzählungen zu oberflächlich gestaltet wurden. Nicht so bei Fabien Vehlmann. Der Autor der in „Green Manor“ enthaltenen Kriminalgeschichten geht in enorm kurzer Zeit sehr detailliert in die Tiefe und lässt alle sechs Dramen rund um den berüchtigten Club wie kleine Epen erscheinen, deren Substanz schier unerschöpflich ist. Es ist dabei schon fast beängstigend, wie abgeklärt der Autor mit dem Thema Mord umgeht. In „Mörder und Gentlemen“ werden langjährige Bekannte um die Ecke gebracht, Rachepläne ausgeübt und vollzogen, geliebte Freunde getötet und vom Volke verehrte Helden ins Jenseits befördert – und das meist gänzlich ohne Skrupel und Reue.

Der Aufbau ist hierbei stets verschieden; Vehlmann geht die Sache zunächst bedächtig an, entführt den Leser dann urplötzlich und rasant in die zugrunde liegende Thematik und bereitet währenddessen schon die Pointe vor, die in allen Fällen mit einem bittersüßen, schwarzen Humor gezeichnet ist, den man eigentlich schon als typisch britisch bezeichnen müsste. Dabei ist bis auf den Schauplatz der einzelnen Akte hier gar nichts britisch.

Sherlock Holmes scheint dem Autor allerdings ein großes Vorbild gewesen zu sein; vielleicht auch gerade deshalb plant er in „21 Hellebarden“ den vorzeitigen Tod des Schöpfers des wohl berühmtesten Detektivs aller Zeiten. Wobei es fraglich erscheint, dass dieser in den hier vorgestellten Fällen etwas hätte ausrichten können. Zumindest das Verhindern der einzelnen Tathergänge wäre aufgrund der stets feinstens durchdachten Mordpläne unmöglich gewesen.

Statt Holmes sind nun andere die Helden; jedoch sind diese nicht alle so sympathisch wie die bekannte Spürnase. Es sind Gauner, Rachsüchtige, Irrsinnige und Schurken, aber auch Betrunkene, geistig Kranke und Taugenichtse, denen Vehlmann hier ein Forum gibt. Somit liefert er auch ein sehr schönes Bild von der Klassengesellschaft im Großbritannien des 19. Jahrhunderts ab, obwohl er sich bei der Wahl seiner Protagonisten schon deutlich bei der gerissenen und hinterhältigen Oberschicht bedient. Lediglich in „Modus Operandi“ wählt er ein ganzes Sammelsurium an potenziellen Mördern aus den mittelständischen Kasten aus, die die erstbeste Gelegenheit nutzen, um sich eines überdrüssigen Anhängsels zu entledigen und darauf folgend – wenn auch als Inkognito-Figur – einmal im Rampenlicht zu stehen. Genauso gewieft und kongenial geht man in Green Manor vor!

Die zeichnerisch exzellente Aufarbeitung des historischen Hintergrunds (Denis Bordart zeigt sich hier als Meister seines Faches), kombiniert mit der kühlen Atmosphäre und dem jedes Mal aufs Neue bewiesenen erzählerischen Genie von Autor Fabien Vehlmann, liefert schließlich die Basis für einen absolut genialen Sammelband, in dem die Kurzgeschichten deutlich mehr Farbe bekommen, als dies im ‚Normalfall‘ üblich ist. In gerade mal (jeweils) acht Seiten werden hier superspannende Mordgeschichten aus dem viktorianischen England erzählt, allesamt mit dem Ziel, die Planung und Durchführung des perfekten Mordes darzustellen. Enstanden sind sechs packende Erzählungen, die lustig, mitreißend und in gewisser Hinsicht auch sarkastisch zugleich sind und auf jeden Fall Lust auf mehr machen. Ein zweiter Band ist derzeit schon in Vorbereitung. Ich freue mich bereits riesig drauf!

http://www.zack-magazin.com

Layman, John / David, Peter / Bendis, Brian Michael / Hudlin, Reginald / Brubaker, Ed – House Of M (Marvel Monster Edition 13)

Im 13. Band der „Marvel Monster Edition“ widmet sich die berüchtigt Comic-Schmiede den wichtigsten Tie-ins zum gerade andauernden Crossover „House Of M“. Abseits der Hauptgeschichte wird hier gezeigt, was in der verfälschten Realität mit den Fantastischen Vier, Hulk, Hawkeye und dem Black Panther passiert. Außerdem gibt es einen kurzen Überblick auf die total veränderte Laufbahn von Captain America, der ebenfalls unter der Machtergreifung von Lord Magnus leiden muss. Kurz und bündig: jede Menge Action rund um die neue Marvel-Dimension!

_Inhalt_

Victor van Doom hat es satt, als Untergebener Magnetos zu leben. Er selber strebt nach der alleinigen Macht und einem Regime unter seinen Fearsome Four. Tatsächlich gelingt es ihm, Magneto zu überrumpeln und für kurze Zeit die Macht zu ergreifen. Doch schon kurze Zeit später bereut Victor zutiefst, dass er seinem ehemaligen Vorgesetzten bei der Übernahme der Herrschaft das Leben gelassen hat …

Unter Magnetos Führung dringen Söldner in Australien in das Buschland der Aboriginees ein. Dort treffen sie unter anderem auch auf Bruce Banner, der über den plötzlichen Angriff gar nicht erfreut ist und in Gestalt von Hulk die Eindringlinge im Alleingang überwältigt. Doch dies allein reicht dem Hulk nicht; er möchte Magneto an den Kragen und endlich wieder Frieden für sein Volk. Und dazu ist dem grünen Monster jede Waffe recht …

Hawkeye kehrt nach langer Zeit aus dem Verborgenen zurück und vertraut sich einer Reporterin an. Er erzählt ihr von seinen Vermutungen über die Entstehung des House Of M und all den Dingen, die nur einer Scheinrealität entsprechen. Dieses Wissen muss er schließlich auch nutzen, um das totale Chaos wieder zu beseitigen und die Welt wieder dorthin zu bringen, wo sie einst stand. Doch alleine scheint er machtlos, diese überwältigende Aufgabe zu erledigen …

Captain America analysiert seine glorreiche Vergangenheit und seinen anschließenden Fall. Dabei stößt er auf einige seltsame Entwicklungen, die ihn an allem Geschehenen zweifeln lassen. Doch selbst im hohen Alter hat der Captain seine Ideale und den damit verbundenen Kampfgeist nicht aufgegeben …

Außerdem: Der Black Panther liefert sich eine atemberaubende Schlacht mit Sabretooth und Apocalypse, die schließlich für ihre hinterhältigen Angriffe und die fehlene Bereitschaft, einen Pakt gegen Magneto einzugehen, teuer bezahlen müssen …

_Meine Meinung_

Die aktuelle Ausgabe der „Marvel Monster Edition“ erweitert das eh schon breite Spektrum rund um die Welt des „House Of M“ noch einmal gewaltig. Bisher unbeteiligte Kräfte werden in der irrealen Welt gefordert, wobei besonders der Einsatz des Hulk für spannende und auch überraschend tiefsinnige Unterhaltung sorgt. Zudem ist die Story um das grüne Monster mit dem Titel „Terra Incognita“ (aus „The Incredible Hulk 83-86“) auch diejenige mit dem höchsten Action-Gehalt, denn ständig verwandelt sich der friedliche Doktor Bruce Banner in sein Alter Ego und lässt seine Wut an Magneto und seinen neunmalklugen Schergen aus.

Fast noch beser gefällt die einleitende Erzählung um das Team der Fearsome Four. Die Gruppierung um den mächtigen Victor van Doom hat sich zu einem verräterischen Bund zusammengeschlossen, dessen einziges Ziel es ist, Magneto zu stürzen und an dessen Stelle selber eine tyrannische Herrschaft anzustreben. Und tatsächlich scheint van Dooms Plan aufzugehen und die Welt komplett zu verändern. Jedoch ist der neue Machthaber blind vor Selbstsucht und begeht nach seinen bestens ausgeklügelten Vorbereitungen einige taktische Fehler, die ihn am Ende beinahe selber das Leben kosten. Doch das sollte man selber gelesen haben.

Die übrigen Geschichten nehmen indes bei weitem nicht so viel Raum ein und werden inhaltlich auch nicht so richtig aufgeklärt. Irgendwie wirken vor allem die Storys um Captain America und den Black Panther wie Überbleibsel, die man aus Platzgründen noch hat verwenden können, bei denen es aber an einem klaren Abschluss fehlt. Ob und wie dieser sich noch äußern wird, muss die Zukunft zeigen, doch bis auf einige zusammenhanglose Fakten bieten gerade diese beiden Teile nichts, was den Leser im Bezug auf den Hauptplot voranbringen könnte.

Ganz anders sieht es hingegen bei der unbetitelten Erzählung um den zurückgekehrten Hawkeye aus. Der einst verschwundene Superheld hat die Scheinrealität hinter dem House Of M durchschaut und könnte eine Initialzündung für einen Umschwung zurück zur tatsächlichen Wirklichkeit veranlassen. Doch die Autoren lassen bis auf Weiteres offen, inwieweit Hawkeye diese Bestrebungen auch in die Tat umsetzt, was den Leser wiederum neugierig auf die in diesem Fall sicher irgendwo stattfindende Fortsetzung macht.

Insgesamt ist Ausgabe 13 mal wieder sehr gelungen, selbst wenn der abschließende Comic um Captain America im direkten Vergleich zu den übrigen Handlungsabschnitten ein wenig abfällt. Man bekommt noch mehr Fakten und actionreiche Ereignisse rund um das Marvel-Ereignis des Jahres aufgetischt und stößt gleichzeitig auch wieder auf mehrere Anlässe, den eigenen Horizont im Bezug auf das House Of M so zu erweitern, dass es noch einigen Nachdenkens bedarf, bis man sich an die nächste Geschichte um diese Serie herantrauen kann. Schön auch, dass hier diverse, wenn auch sicherlich nicht alle, wichtige Tie-ins zusammengefügt werden, so dass sich die spezialisierten Leser nicht jede andere Ausgabe, in der es Nebengeschichten von „House Of M“ gibt, zulegen muss.

Mit 22 €uro ist der Preis für diesen 220-Seiten-Schmöker zwar recht hoch, findet seine Rechtfertigung aber schon alleine in den Kapiteln um die Fearsome Four, Hawkeye und Hulk. Und genau deshalb kann ich all denjenigen, die bereits seit Längerem im „House Of M“ zu Hause sind, auch nur anraten, die Sammlung mit diesem Sonderband zu komplettieren und sich selber hinsichtlich der Rahmenhandlung weiterzubilden. Keine Frage: Bei diesem Crossover sind die Marvel-Autoren in Höchstform!

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Goergen, Ilse – Blut im Schuh

Der sympathische kleine |Bookspot|-Verlag mit dem knuddeligen Maskottchen Booky-Bär veröffentlicht mit „Blut im Schuh“ bereits den zweiten Krimi aus Ilse Goergens Feder. „Blut im Schuh“ stellt dabei eine in sich abgeschlossene Fortsetzung von Goergens Romandebüt „Genau sein Kaliber“ dar und lässt sich problemlos ohne Kenntnis des ersten Krimis lesen.

Julia Brenner arbeitet als Polizistin in Trier und lebt mit einem dunklen Geheimnis. Vor zwanzig Jahren wurde ihre kleine Schwester vom damaligen Freund ihrer Mutter erstickt; dieses Trauma hat Julia nie ganz überwunden. Als sie zu Beginn des Buches in einem Hotelzimmer zu sich kommt und den ermordeten Killer ihrer Schwester vor sich findet und bemerkt, dass er von ihren eigenen Polizeihandschellen gefesselt ist, bleibt Julia nur ein Schluss übrig, nämlich dass sie nun selbst zur Mörderin geworden ist. Doch eine Gedächtnislücke quält Julia sehr, denn sie kann sich an die Tat überhaupt nicht erinnern.

In Berlin macht Tatjana Szykman sich Sorgen um die Treue ihres Ehemannes, denn ihre Schwester Sieglinde liefert ihr handfeste Beweise und Indizien für Günther Szykmans Untreue. Gleichzeitig bietet sie ihrer kleinen Schwester an, die Sache zu klären, wie sie dies vor Jahren mit ihrem eigenen untreuen Exfreund getan hat, der bei einem mysteriösen Autounfall ums Leben gekommen ist. Tatjana ist verstört, insbesondere als sie einen Anruf der Polizei Trier erhält, die einen toten Mann gefunden hat, neben dem Günthers Portemonnaie gefunden wurde. Tatjana soll nach Trier reisen, um die Leiche zu identifizieren. Tatjana ist fassungslos und kann nicht glauben, dass ihre Schwester ihre Drohung in die Tat umgesetzt und Günther ermordet hat.

Und richtig, Sieglinde hat ganz andere Pläne, denn ihre Laufbahn als Prostituierte neigt sich dem Ende zu, ohne dass Sieglinde finanziell ausgesorgt hat, folglich will sie den wohlhabenden Günther erpressen. Doch etwas geht schief, nach einem Schäferstündchen mit Günther verschwindet dieser und lässt Sieglinde alleine zurück, die die Welt nicht mehr versteht, als sie von ihrer Schwester hört, dass Günther ermordet worden ist …

Zunächst erzählt Ilse Goergen zwei völlig voneinander separierte Geschichten. Wir lernen kurz die verstörte Julia Brenner kennen, die neben einer Leiche erwacht und sich nicht mehr daran erinnern kann, den Mann ermordet zu haben. Gleichzeitig sprechen alle Indizien aber eindeutig gegen Julia. Auf der anderen Seite treffen wir auf die heruntergekommene Sieglinde und ihre naive Schwester Tatjana, die sich problemlos lenken lässt und völlig blind gegenüber Günthers Untreue und den Intrigen der eigenen Schwester ist. Dass Günther einigen Dreck am Stecken hat, wird spätestens klar, als er mitten in der Nacht zu einem mysteriösen Ausflug startet und Sieglinde im schmuddeligen Hotelzimmer zurücklässt.

Ilse Goergen zieht ihre Erzählung anhand der beiden Erzählstränge auf, die erst gar nichts miteinander zu tun haben, die dann aber immer mehr miteinander verwoben werden. Am Ende erfährt der Leser natürlich die genauen Zusammenhänge, aber es besteht auch genug Gelegenheit für eigene Spekulationen. Ganz vereinzelt lässt Goergen versteckte Hinweise einfließen, die andeuten, wie die Familie Szykman in den Mordfall von Trier verwickelt ist. Hierdurch fesselt die Autorin ihre Leser immer mehr an ihr Buch und baut stetig mehr Spannung auf.

Besonders die Charaktere gefallen sehr gut an diesem authentischen Krimi. Wir lernen die unterschiedlichsten Menschen kennen, die aber alle irgendwo menschlich und realistisch wirken und eine Vielzahl von Identifikationsmöglichkeiten bieten. Im Mittelpunkt des Buches stehen drei Frauen, die unterschiedlicher kaum sein könnten, obwohl zwei davon sogar Schwestern sind. Da wäre einmal die hübsche, aber völlig naive Tatjana, die aus einfachen Verhältnissen stammt, aber durch ihre Heirat ausgesorgt hat – zumindest solange die Ehe funktioniert, denn dank des Ehevertrages würde sie im Falle einer Scheidung leer ausgehen. Umso größer ist ihre Sorge, als sie ahnt, dass Günther wohl doch nicht ganz so treu ist, wie sie immer gehofft hatte. Als zweites lernen wir Sieglinde kennen, die voller Neid gegenüber ihrer Schwester ist, da sie selbst keinen Mann abbekommen hat und ihren Lebensunterhalt als Prostituierte verdienen muss. Sieglinde ist abgehalftert und hat nichts von der Attraktivität ihrer Schwester – ein Punkt, der ihren Neid nur noch weiter steigert. In Trier schließlich treffen wir auf Julia Brenner, die auf Seiten der Frauen wohl die meisten Sympathien ernten dürfte. Julia ist erfolgreich und verletzlich, sie kann ihre traurige Vergangenheit nicht vergessen und daher auch keinen Mann lieben. Dies macht besonders ihrem Kollegen Heiner zu schaffen, der in sie verliebt ist. Insgesamt kann man sich in Ilse Goergens Figuren hervorragend einfühlen, da sie so lebensnah geschildert sind.

Ilse Goergen erzählt ihren Krimi geradlinig und ohne viele Schnörkel, sie beschränkt sich in ihrem nur 171-seitigen Buch auf das Wesentliche und unterhält ihre Leser dabei auf solide Art und Weise. Zwar kann sie nicht an den Nervenkitzel von manch einem Krimibestsellerautor heranreichen, dennoch verleitet einen „Blut im Schuh“ durchaus zum Lesen des Vorgängerromans und zum Warten auf einen möglichen Nachfolger. Nachteilig wirkt sich allerdings aus, dass in dem schmalen Büchlein wenig Platz für genügend Charaktere ist. So ist der Kreis der Tatverdächtigen ziemlich klar abgesteckt und kann am Ende daher auch nicht mehr für große Überraschungen sorgen.

Unter dem Strich bleibt ein positiver Eindruck zurück, der höchstens durch einige Tippfehler mehr als üblich getrübt wird, doch inhaltlich gibt es kaum etwas auszusetzen an Ilse Goergens aktuellem Mosel-Krimi. Insbesondere in ihrer authentischen und glaubwürdigen Figurenzeichnung weiß sie zu überzeugen. Darüber hinaus gefällt die Erzählung in den beiden Handlungssträngen mit dem steten Spannungsaufbau sehr gut. Hier hält das |Bookspot|-Maskottchen Booky-Bär einen durchaus überzeugenden Krimi für zwei, drei unterhaltsame Lesestunden bereit.

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Braun, Bernhard – Feuer des Eros, Das

_Ein ganzes Universum der Liebe_

Der Eros, heute zu einem kitschigen Abbild eines kleinen Engels mit Pfeil und Bogen verkommen, kann während des Lesens von Bernhard Brauns Buch „Das Feuer des Eros“ im wahrsten Sinne des Wortes zu einer Erleuchtung führen. Ein ganzes „Universum des Eros“ eröffnet sich bei der Lektüre dieses Buches.

Ich habe selten ein Buch gelesen, das auf solch grandiose Art und Weise Philosophie und essayistisch-lebensweltliche Beschreibung zu verbinden weiß. Braun gelingt es, in prosaischer, ungetrübter Sprache Mythos und Logos zu versöhnen. Er spart auch nicht mit polarisierten Vergleichen zwischen dem „asozialen Herumlümmeln vor dem TV-Gerät“ und den Lobreden bei einem gepflegten Becher Wein – Braun bringt es auf den Punkt!

Er zeichnet die Reden in Platons Symposion nach, um sich der mythologischen, mystischen und philosophischen Idee des Eros zu nähern. Sehr reizvoll ist der Sachverhalt, dass Braun den antiken Eros als spiritualistischen und mystischen Prozess beschreibt: der des Zum-Menschen-Kommen Gottes und des Gottwerdens des Menschen.

Der Eros kann nach Braun als Schnittstelle zwischen den olympischen Aspekten des Gottes in der menschlichen Seele und der materiellen Welt betrachtet werden. Eros verbinde die Einzelseele mit der Weltseele und die Gottheit mit dem Menschen.

„Das Feuer des Eros“ trägt den Untertitel „Platon zur Einführung“, was nicht übertrieben ist. Neben Brauns Beschreibungen des Eros werden Platons Ideen, seine Philosophie und sein literarischer Stil vorgestellt, und – im Gegensatz zu vielen anderen Büchern über Platon – verständlich gemacht.

Das Buch ist ein echter Geheimtipp! Ich habe es in einem der hinteren Regale einer Bibliothek gefunden. Dort stand es, leider etwas abseits der vielen Standardwerke. Man müsste es ganz nach vorne holen, zu den Werken, die Klassiker genannt werden. Dieses Buch schafft es nämlich, die (versiegelten) Türen des akademischen Elfenbeinturms zu öffnen und dem Laien, wie der Philosoph „die Anderen“ bezeichnet, einen Zugang zur Philosophie aufzuzeigen.

Hillerman, Tony – Skelett-Mann, Der

Nach längerer Zeit kommt mir wieder ein neuer Hillerman ins Haus geflattert, und nachdem ich bislang nur positive Erfahrungen mit dem Meister des Ethno-Thrillers habe machen können, hatte ich die Hoffnung, dass der Autor auch ein Vierteljahrhundert nach seinem Debütwerk noch immer ähnlich begeisternde Kost abliefern würde wie einst solch starke Romane wie „Das Labyrinth der Geister“ oder „Dunkle Kanäle“. Leider aber wurde die Hoffnung im Falle von „Der Skelett-Mann“ ein wenig getrübt. Hillerman zeigt sich zwar bei der Vermengung traditioneller Riten und gehobener kriminalistischer Elemente nach wie vor sehr geschickt, konstruiert aber bei seinem neuesten Werk eine allzu vorhersehbare Story, die lediglich für sich beanspruchen kann, den Leser wegen eventueller neuer Eigenheiten nicht vor den Kopf zu stoßen. Hillerman ist sich nämlich in jeglicher Hinsicht treu geblieben, schafft es halt nur diesmal nicht so ganz, eine ständig ansteigende Spannungskurve aufzubauen. Und das ist doch schon sehr ungewöhnlich.

_Story_

Billy Tuve, ein naiver junger Hopie, der bei einem Unfall in seiner Kindheit einige geistige Schäden hat davontragen müssen, gerät plötzlich in Verdacht, den Besitzer eines Juweliersladens überfallen und niedergestreckt zu haben. Begünstigt wird diese Vermutung dadurch, dass Tuve versucht hat, einen weitaus wertvolleren Diamanten für nur 20 Dollar zu versetzen, was die Ermittler auf die Spur eines lange Zeit vergessenen Juwelentransports aus dem Jahre 1956 bringt.

Während Tuve nämlich erst mal in Untersuchungshaft kommt, wird die Herkunft des Diamanten mit einem Flugzeugabsturz aus genau jenem Jahr in Verbindung gebracht, bei dem ein gewisser Mr. Clarke einen ganzen Koffer mit Diamanten an seine Hand gekettet trug, bevor seine Maschine über dem Grand Canyon mit einem anderen Flugzeug kollidierte und alle Insassen in den Tod führte.

Clarkes damals noch nicht geborene Tochter hat nach dem Tod ihrer Mutter einen Brief zugesteckt bekommen, in dem von diesen Diamanten die Rede ist; sie erfährt, dass ihr Vater diesen Koffer um seine Hand trug und sieht in der Entdeckung seines verstümmelten Körpers für sich selber die letzte Hoffnung. Clarkes Besitz ist nämlich damals nach seinem Ableben einer Stiftung zugute gekommen, weil im Nachhinein nicht nachgewiesen werden konnte, dass die junge Dame, Joanna Craig, tatsächlich seine Tochter ist. Jahrelang hat sie vergeblich um ihr Erbe gekämpft, doch erst jetzt, wo endlich wieder eine Spur der verschollenen Diamanten aufgetaucht ist, sieht sie einen Weg, die Überreste ihres Vaters zu entdecken und den Beweis anzutreten, dass sie seine leibliche Tochter ist.

Ihr Weg führt sie in das Gebiet des Grand Canyons, wo Officer Jim Chee und sein Freund Cowboy Dashee sich längst des Falles um den angeklagten Tuve, Dashees Vetter, angenommen haben. Vor Ort sammelt sie Informationen, erkundigt sich nach dem Wissensstand der Ermittler und versucht schließlich auf eigene Faust, das Vermächtnis ihrer Familie aufzuspüren. Doch auch Stiftungsboss Plymale schickt seine Leute heraus, um zu verhindern, dass Joanna Craig die Wahrheit aufdeckt und endlich an den ihr zustehenden Besitz gelangt. Chee, der kurz vor der Ehelichung seiner Freundin Bernie Manuelito steht, hat alle Hände voll zu tun, Tuve vor dem Gefängnis zu bewahren, zwischen den Diamantensuchern zu vermitteln und seine angehende Gattin bei Laune zu halten. Die einzige Möglichkeit, all diese Probleme zu lösen, besteht für Chee darin, selber in den Canyon abzusteigen und vor den anderen die Diamanten aufzuspüren …

_Meine Meinung_

Hillermans neuer Roman bietet dem erfahrenen Leser kaum Neues. Wieder sind knapp zwei Jahre ins Land gezogen, in denen sich auch bei den Hauptfiguren einiges, wenn auch nichts Wesentliches verändert hat. So ist die Beziehung zwischen Jim Chee und Bernie Manuelito mittlerweile derart gereift, dass ihre Hochzeit schon fest eingeplant ist. Jim Leaphoren, der ‚Legendary Lieutnant‘ hingegen fristet seinem Dasein im Ruhestand und agiert nur noch als Komplize im Hintergrund, der nur geringfügig an der Aufklärung des Falles beteiligt ist. Und ansonsten ist alles wie gehabt im Gebiet der Four Corners, bis vielleicht auf die Ausnahme, dass Trading Post-Besitzer Shorty McGinnis, Leaphorns ehemaliger Informant, für tot gehalten wird.

Ein Problem bei dieser Geschichte ist, dass Hillerman seine Geschichte zu sehr um seine Hauptfiguren herum aufbaut. Steif hält er an ihren Werten fest und gibt ihnen kaum Raum zur Weiterentwicklung, was natürlich dazu führt, dass man aufgrund der bekannten Wesenszüge immer wieder vieles vorab erahnen kann. Besser wäre sicher gewesen, den Plot selber in den Mittelpunkt zu rücken und um ihn herum erst die Personen einzuflechten. Doch dies hat der Autor klar verpasst. Und so beginnt die Erzählung fast schon wie eine exakte Kopie vorangegangener Thriller, nur eben mit anderen Gegnern, neuen Verbündeten und einer variierten Ausgangssituation.

Hinsichtlich der Lösungsmöglichkeiten indes greift Hillerman auf Bekanntes zurück; gleich mehrmals fühlt man sich dabei an seinen Roman „Das Labyrinth der Geister“ erinnert, welcher ebenfalls auf einen Showdown im Canyon hinausläuft und auch auf ähnliche Weise abgeschlossen wird. Einziger Unterschied: Statt Joe Leaphorn übernimmt Jim Chee nun die Rolle des Hauptermittelnden. Ich will jetzt nicht behaupten, dass es keinen Spaß macht, dem Mann bei der Darstellung seiner Geschichte über die Schulter zu schauen, aber wenn man bereits einige seiner Bücher intus hat, ist das Bedürfnis nach Frischem ziemlich groß, kann aber hier ganz klar nicht gesättigt werden.

Im Hinblick auf die eingespeisten Elemente der Navajo-Kultur zeigt sich der Autor aber dann wieder in Normalform. Sehr häufig erwähnt er Traditionen, Bräuche und Sitten der dort ansässigen Indianerstämme und nimmt sich auch entsprechend viel Zeit, um sie dem Leser näher zu bringen, ohne dass der Fluss der Handlung hierdurch ins Wanken gerät. Dadurch, dass die Protagonisten des Romans partiell einer anderen Sippe angehören, kann Hillerman hier auch wieder neues Wissen anbringen und es mit den Fakten um die bekannten Stämme kombinieren. So gelingt es ihm auch sehr gut, die feinen Unterschiede zwischen den Navajos und ihren ganzen Sub-Kulturen zu verdeutlichen, was mitunter sicher gar nicht mal so einfach ist. Schade lediglich, dass die Qualität des gesamten Romans dadurch nur unwesentlich verbessert wird.

Wenn man von einem typischen Hillerman spricht, dann nur im Bezug auf die stets tollen Umschreibungen und summa summarum hinsichtlich seines sehr eigenwilligen Schreibstils. Blickt man hingegen auf die Handlung und ihre Entwicklung, so fehlt es hier einfach zu sehr an fortschrittlichen Motiven und neuen Ideen. Das macht das Buch zwar auch ‚typisch Hillerman‘, aber eben nicht auf die Art und Weise, wie man es sich erhofft hätte. In diesem Sinne möchte ich „Der Skelett-Mann“ auch nur Komplettisten uneingeschränkt empfehlen. Die Neugier auf Ethno-Thriller kann das Buch entgegen früheren Ausgaben nicht wecken.

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Bresching, Frank – Ruf der Eule, Der

Der sechzehnjährige Alexander, von seinen Freunden bloß Alex genannt, meldet sich zu einem Schüleraustausch nach Cambridge in England an. Für zwei Wochen geht es zu einer Gastfamilie. Anschließend soll der Sohn der englischen Familie im Gegenzug bei ihm in Deutschland unterkommen. Nicht nur Alex, auch einige seiner Klassenkameraden machen bei dem Austausch mit, darunter auch sein bester Freund Dominik.

In Cambridge wird Alex von Familie Taylor aufgenommen, die aus der Mutter Kathryn und den beiden Jugendlichen Patricia und Marc besteht. Gleich bei seiner Ankunft erfährt Alex, dass Familienvater William vor zwei Jahren ums Leben gekommen ist. Kathryn bittet ihn, nicht mehr auf dieses schmerzhafte Thema zu sprechen zu kommen. Kathryn ist eine attraktive Frau um die Vierzig, die die meiste Zeit außer Haus ist, da ihr Job in einem medizinischen Unternehmen sie sehr fordert. Marc und Pat sind Zwillinge, ansonsten aber unterschiedlich wie Tag und Nacht. Marc ist ein rothaariger, ruhiger, zurückhaltender Junge, der immer darauf bedacht ist, es seinem Gast recht zu machen. Alex versteht sich gut mit ihm, verspürt aber auch eine gewisse Distanz. Pat hingegen ist nicht nur eine dunkle Schönheit, sondern strotzt auch vor Selbstbewusstsein und Laszivität. Ihre Ausstrahlung bringt Alex in Verwirrung, zumal er nicht ersehen kann, ob sie ihn leiden kann oder nicht.

Nach den ersten Tagen kommen sich Alex und Pat jedoch näher. Alex ist überglücklich, dass seine schöne Gastschwester sich ernsthaft für ihn zu interessieren scheint, obwohl er sich nach wie vor nicht ganz sicher ist, wie sie wirklich zu ihm steht. Aber kaum dass Alex sich eingewöhnt hat, warnt ihn eine alte Nachbrain vor der Familie, vor allem vor Kathryn. Ein düsteres Geheimnis scheint den Tod von William Taylor zu umgeben. Unheimlich wird es, als Alex herausfindet, dass Kathryns Firma sich mit Leichenkonservierung zur eventuellen Wiederbelebung befasst.

Wie hängt diese Entdeckung mit William Taylors Tod zusammen? Was für eine Bedeutung hat die Gedenkstätte im Keller des Hauses? Und warum träumt Alex in letzter Zeit ständig von seinem verstorbenen Großvater, der ihm offenbar etwas zu sagen versucht? Bald weiß Alex nicht mehr, ob er sich etwas zusammenphantasiert oder sein Verdacht gerechtfertigt ist. Die Atmosphäre im Haus der Taylors wird immer angespannter. Kann Alex ihnen trauen oder schwebt er wirklich in Gefahr? Immer tiefer verstrickt sich der Junge in ein Netz aus Todes- und Jenseitserfahrungen, grausigen Experimente und dunklen Prophezeihungen, aus dem es kaum ein Entrinnen gibt …

Was kommt nach dem Tod? – Das ist die zentrale Frage, um die sich dieser Thriller dreht und mit der er den Leser konfrontiert. Eine Frage, die bereits vor Beginn der eigentlichen Geschichte aufgeworfen und im Verlauf der Handlung immer bestimmender wird.

|Protagonist als Identifikationsfigur|

Sympathischerweise präsentiert sich der Ich-Erzähler als normaler Durchschnittsjugendlicher, mit dem sich der Leser identifizieren kann. Alex ist, im Gegensatz zu seinem Freund Dominik, weder im schulischen Bereich noch bei den Mädchen oder im Sport ein absoluter Überflieger. Lediglich sein Englisch ist überdurchschnittlich gut, ansonsten offenbart er angenehme Unsicherheiten, die man nachvollziehen kann. Enorm schwer tut er sich bei der Einschätzung von Patricias Gefühlen, obwohl er nicht gänzlich unerfahren in Sachen Mädchen und Beziehungen ist.

Trotzdem versteht es seine Gastschwester, ihn immer wieder aufs Neue zu verwirren, seine Gedanken durcheinander zu bringen, so dass seinem besten Freund sehr bald auffällt, dass Alex rettungslos verliebt ist. Auch die Unsicherheitlichen bezüglich seiner Gastfamilie sind gut dargestellt. Mehrere Punkte sprechen dafür, dass sich Alex wirklich in Gefahr befindet, dass sich Marc und vor allem Kathryn ihm gegenüber verändert haben, dass ihre Blicke dafür sprechen, dass er sich mitten in einer Verschwörung gegen sich befindet. Doch es fehlen ausschlaggebende Beweise, so dass Alex in seiner Einschätzung hin und her schwankt. Dem Leser ergeht es ähnlich, denn alles ist möglich: Vielleicht erweisen sich Alex‘ Verdächtigungen als haltlos, aber vielleicht steuert er auch direkt auf eine Katastrophe zu …

|Dichte Handlung|

Die Handlung ist straff gespannt und erlaubt sich keine unnötigen Abschweifungen. Zwar werden kleine Rückblicke in die Vergangenheit zu Alex‘ verstorbenem Opa eingebaut, doch diese sind von zentraler Bedeutung für den weiteren Verlauf, wie sich bald herausstellt. Der Spannungsbogen steigert sich konsequent, bis man mit dem Protagonisten mitfiebert und sich eine Antwort auf all die Fragen herbeisehnt, die sich durch all die merkwürdigen und beunruhigenden Ereignisse ergeben haben. Dabei deutet, bis auf einen kurzen, düsteren Rückblick, zunächst nichts in der Haupthandlung auf eine ungewöhnliche Entwicklung hin.

Ein Schüleraustausch nach England, eine nette Gastfamilie, eine kleine Liebelei zwischen Teenagern bilden den harmlosen Einstieg, der dementsprechend fast belanglos daherkommt. Nach und nach häufen sich jedoch die Vorfälle, die Alex misstrauisch werden lassen, angefangen bei den seltsamen Traum-Visionen über seinen verstorbenen Großvater bis hin zu den Warnungen der alten Nachbarin. Alex wird von Neugierde gepackt und stellt eigene Nachforschungen an – und das Ergebnis beunruhigt ihn zutiefst. Spätestens an diesem Moment ist der Leser gefangen und hofft gemeinsam mit dem Protagonisten, dass sich alles zum Guten weden möge.

Positiv sticht zudem heraus, dass sich der Roman gleichermaßen für Jugendliche als auch für Erwachsene eignet. Das Thema ist ernst und durchaus beängstigend, doch für Leser in Alex‘ Alter gut aufbereitet. Die wissenschaftlichen Details halten sich in Grenzen und die Jugendlichkeit des Protagonisten macht das Buch ideal für diese Altersklasse. Dazu passt auch der leichte, sehr dialoglastige Stil, der für eine flüssige Lesbarkeit sorgt. In spätestens zwei Tagen, unter Umständen auch schon an einem, hat mal als Schnellleser die gut 240 Seiten hinter sich gebracht. Aber auch wenn längere Pausen eingelegt werden, hat man keine Probleme, sich rasch wieder ins Geschehen einzufinden. Es gibt keine verwirrenden Handlungszweige, stattdessen ist der Roman klar strukturiert aufgebaut. Am Ausgang der Geschichte mögen sich die Geister scheiden, feststeht jedoch, dass der Autor Mut zur Konsequenz bewiesen hat. Die Pointe kommt recht unerwartet, fügt sich aber ins Gesamtbild ein und schlägt einen unkonventionellen Weg ein, was selbst derjenige honorieren sollte, dem das Ende inhaltlich nicht gefällt.

|Kleine Schwächen|

Trotzdem ist „Der Ruf der Eule“ nicht frei von Mängeln. Da ist einmal der sehr geraffte Beginn, der zwar das zügige Lesen fördert, aber an manchen Stellen etwas mehr Ausführlichkeit verdient hätte. Zwischen dem Entschluss von Alex, an dem Schüleraustausch teilzunehmen, und seiner Ankunft bei seiner Gastfamilie herrscht ein harter Bruch. Ohne Zwischenstation wird zu einer Szene übergeblendet, in der Alex in England am Küchentisch sitzt. Der Leser weiß die Namen „Kathryn“ und „Marc“ daher zunächst gar nicht einzuordnen. Erst zwei Seiten später folgt ein kurzer Rückblick zu seinem Empfang bei der Ankunft. Grundsätzlich hat man das Gefühl, dass es der Handlung gut getan hätte, sie in einen weitgefassteren zeitlichen Rahmen unterzubringen. Da Alex insgesamt nur einen Aufenthalt von zwei Wochen in England hat, erscheint die Entwicklung der Ereignisse zu überhastet und zu gedrängt. Schöner wäre gewesen, die Zeit des Austausches großzügiger anzulegen und dafür die Entwicklung gemächlicher zu gestalten.

Glaubwürdigkeit büßt der Roman dadurch ein, dass Alex offenbar während seines ganzen Aufenthaltes keinerleih Sprachprobleme zu bewältigen hat. Man erfährt zwar kurz vor seiner Anreise, dass er ein sehr guter Englischschüler ist, aber trotzdem erscheint es unrealistisch, dass er von da an jedes Gespräch wie ein Muttersprachler zu bewältigen scheint. Man vergisst geradezu, dass er sich in einem fremden Land befindet. Nur bei der Begrüßung durch Marc wird erwähnt, dass Alex ihn „in einem guten Englisch“ anspricht – von da an ist es selbstverständlich, dass er sich fließend mit allen Engländern unterhält. Natürlich sollen keine Verständnisprobleme vom Inhalt der Handlung ablenken, aber um Oberflächlichkeit zu vermeiden, wäre es eleganter gewesen, wenigstens ab und zu die Hauptfigur Alex ein wenig ins Nachdenken zu versetzen, anstatt ihm ein fließendes Englisch zu verpassen. Gerade bei den langen Dialogen, die er beispielsweise mit der alten Nachbarin führt, ist es wesentlich glaubwürdiger, wenn der Protagonist angesichts der Ungewöhnlichkeit der Ereignisse kurz innehalten und überlegen muss.

Während sich am Anfang die Geschehnisse in rascher Abfolge ereignen, wird an anderer Stelle die Ausführlichkeit übertrieben. Das ist vor allem in ausufernden wörtlichen Reden der Fall. Als Patricia Alex vom Tod ihres Vaters erzählt, beschreibt sie minutiös alle Vorgänge in epischer Breite. Anstatt sich darauf zu beschränken, den schlechten Zustand ihres Bruder wiederzugeben, erwähnt sie sogar, dass „kleine, feine Schweißtropfen“ seine Schläfen säumten, ganz wie ein allwissender Erzähler, der sich detailgenau jede seiner Figuren vornimmt, was in einer wörtlichen Rede aber zu viel des Guten ist.

Insgesamt ist das Buch sauber lektoriert, wenn sich auch ein paar kleine Fehlerteufel eingeschlichen haben – so verzichtet der Verlag grundsätzlich auf das übliche Leerzeichen vor den Auslassungspunkten, mal werden Anführungszeichen oben statt unten oder fälschlicherweise vor den Satzpunkt gesetzt, aber diese Schludrigkeiten kommen nur vereinzelt vor und fallen nicht weiter auf.

_Unterm Strich_ ist „Der Ruf der Eule“ ein lesenswerter und unterhaltsamer Thriller, der sich sowohl für Erwachsene als auch für Jugendliche eignet. Nach harmlosen Beginn wird der Verlauf der Handlung immer mystischer und bedrohlicher bis hin zu einem überraschenden Ende. Kleine Schwächen in zu hastiger Erzählweise und Glaubwürdigkeit mindern das Lesevergnügen, doch dank des flüssigen Stils bietet sich eine leicht zu konsumierende Lektüre für alle Freunde der Spannungsliteratur.

_Der Autor_ Frank Bresching wurde 1970 geboren. Er verfasste zunächst einige Kurzgeschichten, bevor 1996 sein Debütoman „Der Teddybär“ erschien. Der Autor lebt mit seiner Familie bei Koblenz.

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June Thomson – Alter Sarg für neue Leiche

thomson sarg cover kleinDas geschieht:

Auf einem brachliegenden Feld in der englischen Grafschaft Dorset graben Archäologen eine Leiche aus, die nur noch Skelett, doch ganz und gar nicht historisch ist. Chief Inspector Finch übernimmt einen seltsamen Fall, denn der tote Mann wurde zwar ermordet, aber nach seinem Ende vom Mörder sorgfältig aufgebahrt und in eine Wolldecke als Leichentuch gehüllt; sogar ein Kruzifix als Grabbeigabe wird entdeckt.

Das einsame Grab liegt auf der Grenze zwischen den Ländereien zweier nicht gerade befreundeter Bauern. George Stebbing ist ein scheinheiliger Schwätzer, der seine Nase allzu gern dorthin steckt, wo sie nichts zu suchen hat, Geoff Lovell ein grimmiger Sonderling, der seine Schwägerin Betty und seinen geistig zurückgebliebenen Bruder Charlie auf dem Hof gefangen zu halten scheint.

June Thomson – Alter Sarg für neue Leiche weiterlesen

Johns, Geoff / Jimenez, Phil – Infinite Crisis 1 (von 7)

Lange, lange haben |DC Comics| diesen großen Comic-Crossover angekündigt, viele Vorboten zierten in den letzten Monaten bereits den Weg, und jetzt, im Sommer 2006, kann sie endlich beginnen: die größte Krise, die das Comic-Universum des legendären Superhelden-Verlags je erlebt hat, nämlich die „Infinite Crisis“. In sieben Teilen und zahlreichen Tie-ins wird die gewaltigste Bedrohung für die Welt der Superhelden geschildert und damit auch der Grundstein für einen großen Umschwung im Hause DC gesorgt. Alte Helden und Schurken gehen, neue kommen hinzu, und wie man bereits in den zahlreichen Vorausgaben lesen konnte, nehmen die Macher wirklich keine Rücksicht auf große Verluste und opfern im Laufe der „Infinite Crisis“ einige Charaktere, die schon seit Jahren das DC-Universum bevölkern. Man darf sich also auf eine der umfassendsten Serien der letzten Jahre freuen, und nun endlich liegt der erste reguläre Band vor.

_Story_

Große Ereignisse überschatten die Welt von Superman, Batman und ihren Verbündeten. Nach dem Tod des Blue Beetle stürzt die Welt ins Chaos: Erst wurde Superman von fremden Mächten kontrolliert, dann wurde der von Batman höchstpersönlich gebaute Satellit Brother Eye fehlgeleitet und rekrutierte eine ganze Armada von Killer-Robotern und anschließend formierte sich unter der Leitung eines zweiten Lex Luthor auch noch eine Reihe von Schurken aus der zweiten Reihe, um die Welt in ihren Grundfesten zu erschüttern und über den Tod der schützenden Superhelden die Herrschaft an sich zu reißen. Ein Skandal folgt dem nächsten, und bevor man überhaupt erfassen kann, wie gewaltig die Kraft der aktuellen Bedrohung tatsächlich ist, fällt es den beteiligten Akteuren von der guten Seite schon schwer genug, sich noch gegenseitig in die Augen zu schauen – schließlich wird jedem von ihnen die Schuld an den jüngsten Ereignissen angelastet …

_Meine Meinung_

Tatsächlich, es erscheint monströs, was sich DC mit dieser seit langem geplanten Serie vorgenommen haben. Auch wenn im ersten Heft nur ein recht zähes und überaus komplexes Vorgeplänkel stattfindet, wird einem schon bewusst, wie tief die Gedanken und Verschwörungen dieser neuen Serie reichen. Über ein ganzes Jahr wollen die beteiligten Autoren die Reihe laufen lassen und dabei grundlegende Dinge ändern, welche die gesamte Zukunft des Comic-Verlags maßgeblich beeinflussen werden. Wie weit man gehen wird, kann man nach den ersten Vorgeschichten sowie dem relativ losen Plot des ersten Magazins jetzt noch nicht sagen. Dass die Angelegenheit aber alleine schon durch die unheimlich starke Position der bösen Mächte in dieser Reihe massive Auswirkungen auf die ganze Umwelt der DC-Comic-Welt haben wird, merkt man sofort.

Zudem ist die Atmosphäre des einleitenden Bandes unheimlich düster. Fast schon melancholisch wirken Superman, Wonder Woman und Batman bei ihrem anfänglichen Aufeinandertreffen, bei dem sie die jüngsten Ereignisse Revue passieren lassen, und diese Stimmung zieht sich weiterhin auch wie ein roter Faden durch den gesamten Band. Überhaupt scheint die Situation dieses Mal wirklich aussichtslos. Lag sonst in den meisten Comics von Beginn an noch ein Fünkchen Hoffnung in der Luft, dass sich schon in Kürze wieder einiges zum Guten wenden wird, treffen hier derart viele negative Szenarien zusammen, dass für keinen der mitwirkenden Helden eine Aussicht auf Besserung besteht. Gemeinsam mit dem Wissen um die anstehenden Veränderungen macht diese besonders bedrohliche Grundstimmung die Magie hinter „Infinite Crisis“ aus. Das Ganze ist einfach so unglaublich groß, dass es selbst für diejenigen Fans, die von Marvel und Co. schon einiges gewöhnt sind, nur schwer greifbar ist.

Crossover hat es ja schon viele gegeben, aber bei kaum einem anderen Konstrukt hatte man dieses stets präsente Gefühl des Überdimensionalen, die Angst wegen des großen Umschwungs, oder aber die weise Voraussicht, hier das vielleicht hoffnungsvollste und zeitgleich gewagteste Projekt, an das sich DC je herangetraut hat, in den Händen zu halten. Eins ist nämlich klar: Sollte es dem Autoren-Team nicht gelingen, über diesen großen Zeitraum dieses hohe Maß an Spannung aufrechtzuerhalten, dann wird die ganze eh schon komplizierte Welt um Batman, Superman und Co. komplett ins Chaos stürzen – und dies wäre für den in Sachen Crossover eh schon leicht gebeutelten Verlag eine totale Katastrophe. Nach der es aber bislang absolut nicht ausschaut …

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Felixa, Magdalena – Fremde, Die

Berlin, Berlin … Magdalena Felixa hat ein Buch geschrieben, in dem die Stadt eine Nebenrolle spielt und das sich wie ein modernes Großstadtmärchen liest – nur ohne den Kitsch und den Prinzessinnentüllquatsch.

Die Ich-Erzählerin ist dem Leser ganz nahe – schließlich breitet sie ihr Leben vor ihm aus – und doch wieder so entfernt. Das Ich in diesem Buch nennt noch nicht mal ihren Namen, sagt wenig über ihr Äußeres, zeigt kaum Gefühle und doch ist es das Beste, was diesem Buch passieren konnte. Selena, Hanna, Mimi oder Alice – um nur einige ihrer Namen zu nennen – ist immer auf der Flucht. Ihre Heimat liegt irgendwo im Osten und sie hält sich illegal in Berlin auf. Sie schlägt sich mit kleinen Jobs herum, wohnt bei einer der vielen Freunde, die sie kennt und die es zumeist nicht besser haben als sie selbst. Sie ist eine Schattenexistenz, die sofort weghuscht, wenn ein Lichtstrahl auf sie gerichtet wird.

Genau das passiert, als plötzlich zwei Männer auftauchen, die sie nach einem ehemaligen Chef von ihr befragen und nicht gerade zimperlich mit ihr umgehen. Doch es kommt noch schlimmer, denn die Polizei ist ebenfalls auf den Fersen von Roman, dem ehemaligen Chef. Immer wieder wird sie von ihren Verfolgern aufgespürt, doch schließlich bietet sich ihr eine Chance, um für immer aus der Stadt zu fliehen …

Magdalena Felixa hat ein großartiges kleines Buch geschrieben. Nüchtern und doch intensiv. Leuchtend, obwohl es im Halbdunkeln der Illegalität spielt. Ein Kleinod in den dreckigen Straßen Berlins. Ihre namenlose Hauptperson setzt sie nach dem Prinzip „So viel wie nötig, so wenig wie möglich“ ein. Der Leser erfährt wenig von ihr oder von ihrer Vergangenheit, sondern begleitet sie eine Weile durch ihr beschwerliches Leben, ohne dass sie ihn dabei zu nahe heranlassen würde. Distanz ist das Zauberwort, welches das ganze Buch zu tragen scheint und obwohl es Schlimmes erahnen lässt, ein sehr geschickter Schachzug ist, denn diese Distanz verleiht der Hauptperson eine tragische Seriösität, die einem eine Gänsehaut auf den Rücken zaubert.

Diese Distanz, diese Bodenständigkeit, die Selena oder wie auch immer umgibt, schlägt sich auch im Schreibstil nieder, der sehr graziös und gleichzeitig trocken ist. Felixa braucht nur wenige Worte und eine Hand voll kurzer, einfacher Sätze, um in dem knapp 200 Seiten umfassenden Buch ein eigenes kleines Universum zu schaffen. Anders als man vielleicht vermutet, bedarf sie dafür keiner Gossensprache, sondern greift auf ein leicht verständliches, poetisches Deutsch zurück. Die Dichte von Metaphern und wunderschönen Beschreibungen ist hoch. Trotzdem drängen sie sich dem Leser niemals auf.

|“Um den Platz herum, wo einst die Grenze war, ist es seltsam still. Ich liebe die stummen Baustellen, die nachts mit offenen Augen schlafen, wie ich es tue.“| (Seite 5)

Der ganze Roman ist sehr unaufdringlich, distanziert eben, was sich schon bei den kurzen Kapiteln mit den teilweise sehr poetischen Titeln zeigt. Sie sind episodenhaft, wie herausgerissen aus dem Großstadtleben. Sie demonstrieren die Rastlosigkeit der Fremden, die überall und nirgendwo zu sein scheint.

|“Meine Freunde sind Neger, Kanaken, Schwule, Fliehende, Fremde. So wie ich. Ich mag Menschen, für die ich austauschbar bin, die nicht heucheln, verliebt zu sein. Ich sehe lieber ihre Begierden, als in ihre Seelen zu blicken. Ich will keine Fragen stellen. Ich mag, wen sie um mich herum sind und mir aus ihrem Leben erzählen. Ich selbst bleibe lieber unsichtbar, ziehe es vor, daß man sich nicht an mich erinnert. Das Zuhören ist keine tugendhafte Eigenschaft meines Charakters. Es ist ganz eigennützig. Das Stakkato beruhigt micht. Ich schließe die Augen und höre zu. Hunderte Geschichten vom verpaßten Glück. Berlin, Stadt der Entzauberten.“| (Seite 6)

Magdalena Felixa hat mit „Die Fremde“ ein beachtliches Buch geschaffen. Ein kleines, trauriges Großstadtmärchen mit einer wundervollen Hauptperson und einer klaren, poetischen Sprache, welche die Stimmung, die das Buch durchzieht, direkt auf den Punkt bringt. Bravo!

http://www.aufbauverlag.de

Miller, Frank / Varley, Lynn – 300

„Wanderer, kommst du nach Sparta, so verkündige dorten,
du habest uns hier liegen gesehen, wie das Gesetz es befahl.“
|Epigramm von Simonides am Thermopylen-Denkmal,
Übersetzung von Friedrich Schiller|

Ist sie Wahrheit oder Legende, die Geschichte um die [Schlacht bei den Thermopylen?]http://de.wikipedia.org/wiki/Erste__Schlacht__bei__den__Thermopylen Eine 300 Mann starke Armee von Spartanern leistet mutig bis zum letzten Mann dem zahlenmäßig weit überlegenen Heer von 120.000 Persern erbitterten Widerstand.

Der historische Hintergrund lässt sich heute nicht mehr zweifelsfrei klären. Welche Teile der Geschichte wahr und welche als Legenden einzustufen sind, ist umstritten. Strittig dürften die Überlieferungen auch aufgrund des unter Forschern immer wieder hinterfragten Rufes des Autors sein: [Herodot.]http://de.wikipedia.org/wiki/Herodot Schon Cicero bescheinigte dem Mann nicht nur, der „Vater der Geschichtsschreibung“ zu sein, sondern auch der „Erzähler zahlloser Märchen“. Und so wurde Herodot stets eine mangelnde Differenzierung zwischen Legenden und Wirklichkeit vorgeworfen.

Mythos oder historische Wahrheit – die Schlacht bei den Thermopylen dient so oder so als Kulisse einer Graphic Novel, die nicht ganz zu Unrecht im Laufe der Jahre einen gewissen Kultstatus erlangt hat. Autor dieses Comics ist kein Geringerer als Frank Miller, dessen Werk nicht zuletzt durch die Kinoverfilmung von „Sin City“ wieder mehr Aufmerksamkeit bekommt.

Auch „300“ wird derzeit verfilmt und soll Anfang 2007 in die Kinos kommen. Die Regie führt Zack Snyder. Grund genug, dass auch der längst vergriffene Comic noch einmal neu aufgelegt wird. Eine Sache, der man sich im Hause |Cross Cult| mit der Herausgabe einer edlen Hardcover-Edition von „300“ würdevoll gewidmet hat.

480 v. Chr. stehen die Perser unter der Herrschaft von König Xerxes I. vor den Thermopylen, einem Engpass des Kallidromos-Gebirges, bereit, Griechenland einzunehmen und zu unterwerfen. 120.000 Perser stehen etwa 7.000 teils zerstrittenen und uneinigen Griechen gegenüber – eine Übermacht gigantischen Ausmaßes. Auf griechischer Seite befehligt der spartanische König Leonidas die Truppen. Im unwegsamen und schwer zugänglichen Gelände der Thermopylen gelingt es Leonidas‘ Truppen, tagelang die Stellung zu halten und den Persern hohe Verluste zuzufügen. Die Spartaner werden zum Symbol für Heldenmut und Kampfstärke.

Als ein gewisser Ephialtes aus den Truppen Leonidas‘ Verrat begeht und zu den Perser überläuft, schlägt die letzte Stunde des Leonidas. Die Perser können dank der Informationen des Ephialtes von zwei Seiten angreifen. Leonidas kämpft mit seiner 300 Mann starken Armee aus Spartanern bis zum letzten Augenblick, kann das gigantische Heer der Perser aber letztendlich nicht aufhalten.

Die Schlacht bei den Thermopylen wurde im Folgenden immer wieder als herausragendes Beispiel für den großartigen Heldenmut und den unbändigen Kampfgeist der Spartaner herangezogen – vorzugsweise von den Spartanern selbst, versteht sich. Aus dieser Geschichte zwischen Legende und Historie hat Frank Miller ein bildgewaltiges Historienepos geschaffen.

Schon beim ersten Durchblättern wird klar, warum es irgendwann so weit kommen musste, dass „300“ verfilmt wird. Miller setzt viel Gewicht auf die Bilder und man sieht beim Lesen den fertigen Film schon fast vor sich. Miller hat ein Faible für besondere Perspektiven, versteht es, einzelne Augenblicke zu einem beeindruckenden Bild einzufrieren. „300“ wirkt wie reinstes Kopfkino.

Miller kreiert eine düstere Stimmung mit intensiven Bildern und würzt das Ganze mit knackigen Dialogen, die kein Drehbuchautor mehr zu verbessern braucht („Einhundert Völker werden über euch kommen. Unsere Pfeile werden die Sonne verdunkeln.“) Oft formuliert Miller kurz und knapp – geradezu spartanisch. Doch stets trifft er den Nagel auf den Kopf, nie werden Worte verschwendet.

Diese knappen, wohlakzentuierten Formulierungen ergeben zusammen mit den teils sehr intensiven Bildern eine nicht zu leugnende atmosphärische Dichte. „300“ ist ein Spiel aus Licht und Schatten, das sehr direkt auf den Leser einwirkt. Heldenmut und brutale Kriegswirklichkeit prallen hart aufeinander. Miller erzählt seine Geschichte mit viel Pathos, aber gleichzeitig mit einer Härte, welche die Brutalität historischer Schlachten ungeschönt darstellt.

Wie schon in „Sin City“, wird auch in „300“ viel Blut vergossen und Miller versucht gar nicht erst, den Leser vor der knallharten Brutalität der Bilder zu schützen. Allzu zart besaiteten Gemütern sei also zur Vorsicht geraten. Der potenzielle Kinogänger kann sich jedenfalls schon mal auf ein buntes Schlachtengetümmel à la „Herr der Ringe“ einstellen.

Gerade bei der erstmaligen Lektüre empfindet man die Figuren (in erster Linie die Spartaner) als geradezu unmenschlich. Scheinbar emotionslos wandeln sie durch die Handlung, mit verhärteten Gesichtszügen, unerschütterlicher Stärke und ohne den Hauch einer Schwäche. Dabei wirft Miller durchaus auch einen kleinen Blick hinter die kampferprobten Krieger Spartas. Ein wenig spartanisches Alltagsleben wird vermittelt, ein Einblick in spartanische Kriegstaktik und Lebensphilosophie vermittelt. Trotzdem tut man sich teils recht schwer, die menschliche Seite der Spartaner zu sehen. Sie leben und kämpfen, als kämen sie von einem anderen Stern.

Alles in allem ist „300“ eine sehr intensive Leseerfahrung. Zeichnungen, die vor Intensität strotzen, und wohlakzentuierte Texte, die es in sich haben. „300“ ist sicherlich ein Comic besonderer Güte, zu dem es wenig Vergleichbares am Markt gibt. Miller hat ein drastisches und intensives Historienepos kreiert, das wie geschaffen für eine [Verfilmung]http://www.powermetal.de/video/review-1048.html ist. Man darf also gespannt sein, was Zack Snyder aus dem Stoff macht. In „300“ steckt in jedem Fall ein großes Potenzial.

Cross Cult:
[www.cross-cult.de]http://www.cross-cult.de

[Offizielle Website zum Film]http://300themovie.warnerbros.com/

Sara Douglass – sterblichen Götter Tencendors, Die (Im Zeichen der Sterne 1)

Askam, Prinz des Westens, steckt in finanziellen Schwierigkeiten. Nicht nur, weil er drei Jahre lang den koroleanischen Botschafter zu Gast hatte, sondern auch, weil er sein Geld in ein paar höchst riskante Vorhaben gesteckt hat, die prompt schief gegangen sind. Um seine Gläubiger bezahlen zu können, versucht er, eine ruinös hohe Steuer einzuführen, die vor allem Zared, Prinz des Nordens treffen soll, denn dessen Provinzen florieren. Unter anderem deshalb, weil die fähigsten Handwerker und Kaufleute vor Askams Steuern zu Zared geflüchtet sind.

Die Steuer bringt bei den Kaufleuten Karlons ein Fass zum Überlaufen; sie reisen zu Zared und bitten ihn, beim Sternensohn zu intervenieren. Caelum, Axis‘ Ältester, greift tatsächlich ein, allerdings auf eine Weise, die Zared zutiefst verbittert. Zugleich verweigert Caelum ihm aus politischen Gründen die Heirat mit Leah, Askams Schwester. Von den Gildenmeistern Karlons angefeuert, entschließt Zared sich, dem Sternensohn Widerstand entgegenzusetzen.

Während Zared Pläne schmiedet, um Askam und Caelum zur Vernunft zu bringen, wird Flussstern, Caelums lüsterne Schwester, tot in ihrem Gemach aufgefunden. Über ihr kniet, ein blutiges Messer in der Hand, Drago, ihr Zwillingsbruder, der einst für seinen Verrat an Caelum damit bestraft wurde, dass seine Mutter Aschure in seinem Blut die Dominanz seines Ikarischen Erbes aufhob und ihn damit zum Menschen machte. Caelum ist sofort davon überzeugt, dass Drago der Mörder ist, und lässt ihn in einem Schauprozess zum Tode verurteilen. Aber Zenit, Jüngste der Geschwister, hat Mitleid mit ihrem Bruder und verhilft ihm zur Flucht.

Unbemerkt von den Herrschenden, die mit ihrem eigenen Händel beschäftigt sind, nähert sich von außerhalb Tencendors eine Bedrohung, die zunächst niemand wahrnimmt und die in ihrem Ausmaß Gorgrael bei weitem in den Schatten stellt, Dämonen, die unbedingt durch das Sternentor nach Tencendor wollen …

An alldem zeigt sich bereits, dass die Fortsetzung des Weltenbaumzyklus auch in der nächsten Generation nichts von seiner Komplexität verloren hat!

Caelum ist der oberste Herrscher über Tencendor und voll der besten Vorsätze. Aber die Erinnerungen an den Verrat seines Bruders hat sein Wesen vergiftet. Caelum ist unsicher und von seiner Angst vor Drago beherrscht, obwohl Drago ihm ohne Magie gar nicht gewachsen ist und seit vierzig Jahren nichts tut als vor sich hinzualtern. So stark ist Caelums Angst vor Drago, dass er die erste Gelegenheit wahrnimmt, sich seiner zu entledigen.

Unterstützt wird Caelum darin nicht nur von seinen Eltern, sondern auch von Wolfstern. Der mächtige Zauberer, der für die Erfüllung der Prophzeiung gesorgt hat, ist immer noch damit beschäftigt, die Geschicke zu beeinflussen. Er als Einziger weiß von den Dämonen außerhalb des Sternentores, er weiß von ihrem Ziel und von dem Wächter dieses Ziels. Er weiß auch, es gibt nur einen, der diesem Wächter helfen kann, sollten sie nach Tencendor eindringen: den Sternensohn! Und er glaubt, Caelum wäre dieser Aufgabe ohne Drago besser gewachsen.

Drago ist von seinen Verwandten nichts anderes gewohnt als Abscheu und Hass. Dabei weiß er nicht einmal, ob er dieses Verbrechen, das ihm ständig vorgeworfen wird, tatsächlich begangen hat, denn als Mensch hat er im Gegensatz zu den Ikariern keine Erinnerungen an seine Kindheit vor dem dritten Lebensjahr. Seit er denken kann, wird er von allen für etwas bestraft, von dem er nichts weiß. Zutiefst verbittert klammert er sich dennoch an das bisschen Leben, das seine Mutter ihm gelassen hat.

Zenit ist die Einzige, die sich der Tatsache bewusst ist, dass Drago sich an sein Verbrechen nicht erinnern kann, und die Verständnis für seine Verbitterung hat. Aber sie hat auch genug mit sich selbst zu kämpfen. Seit Wolfstern auf Sigholt erschienen ist, kämpft sich eine fremde Präsenz in ihrem Innern an die Oberfläche. Aber erst aus einem Brief, den ihre Mutter für sie bei Caelum zurückgelassen hat, erfährt Zenit, dass es sich dabei um Aschures wiedergeborene Mutter Niah handelt! Ein zäher Kampf gegen die fremde Seele, die Zenit als Eindringling empfindet, beginnt.

Die verworrenen, komplexen Beziehungen der Charaktere untereinander führen zu einem regelrechten gordischen Knoten: Caelum hasst und fürchtet Drago, Drago seinerseits richtet seine Bitterkeit gegen die gesamte Welt, mit Ausnahme seiner Schwester Zenit und seines Großvaters Sternenströmer. Zenit mag sowohl Caelum als auch Drago, hasst aber dafür die rücksichtslose Niah, die Zenit in ihrem Hunger nach Leben einfach aus ihrem eigenen Körper drängt. Wolfstern wiederum hasst Zenit dafür, dass sie sich gegen Niah durchgesetzt hat. Askam hasst Zared, weil er neidisch auf seinen Erfolg ist und um seine Herrschaft fürchtet. Und Axis ist wütend auf Zared, weil er glaubt, dieser wolle Tencendor spalten, für dessen Einheit Axis so lange gekämpft hat.

Axis hat Zared bereits vor dessen Geburt für nichts anderes als eine Quelle von Problemen gehalten, einen neuen Bornheld. Dass Zared allerdings nicht selbst die Schwierigkeiten bedeutet, sondern ihnen lediglich eine Stimme verleiht, scheint weder Caelum noch Axis aufzufallen. Das eigentliche Problem ist Askam, der einfach ein unfähiger Regent ist, aber dennoch von Caelum und Axis Rückendeckung erhält, nur weil er Belials Sohn ist. Dabei hätte Belial sich im Grabe umgedreht, wüsste er, was sein Sohn für Mist baut! Und Askam zeigt in seinem Hass und seiner Eifersucht auf Zared mehr Eigenschaften Bornhelds, als Zared es jemals könnte!

Dazu kommt die extreme Angst der Ikarier vor einem Königreich der Achariten, das sie automatisch mit einem Wiederaufleben des Seneschalls und einer neuerlichen Verfolgung von Ikariern und Awaren gleichsetzen. Dabei wäre eine Neuerrichtung des Seneschalls ohne den dazugehörigen Gott Artor gar nicht möglich. Artor aber ist tot!

Caelum, dessen Aufgabe als oberster Herrscher es eigentlich wäre, in dieser konfliktgeladenen Situation die Balance zwischen den Parteien zu halten, versagt kläglich. Ein Mann mit über vierzig Jahren Lebenserfahrung sollte eigentlich etwas Besseres auf die Beine stellen können!

Die Einzige, die tatsächlich etwas Vernünftiges für Tencendor tut, ist Faraday. Nachdem Drago sie mit Hilfe des Regenbogenzepters sozusagen aus Versehen aus ihrer tierischen Gestalt befreit hat, ist sie von einer neuen Macht durchdrungen, die aus dem Zepter stammt. Sie ist die Einzige, die hinter das Offensichtliche sieht und deshalb nicht nur Zenit hilft, sondern auch Drago.

Na ja, fast die Einzige. Denn die Seewache, die ihrer eigenen Aussage nach treu dem Sternensohn dient, tut einige Dinge, die für Caelums Anhänger äußerst verwirrend wären, so sie denn davon wüssten. Zunächst jedoch können auch sie das Eindringen der Dämonen nicht verhindern, denn diese sind zu allem entschlossen!

Die Dämonen erinnern ein wenig an die Apokalyptischen Reiter, sind allerdings zu fünft. Aber nicht nur, dass sie das Grauen in die Welt Tencendors tragen, sie wollen auch etwas zurück, das ihnen gestohlen wurde und ihre Macht noch um ein Vielfaches steigern wird! Der zweite Band wird deshalb den Blickwinkel der Handlung wohl ein gutes Stück ausweiten und die Dämonen mehr in den Mittelpunkt rücken.

Bei den Bänden des Zyklus |Im Zeichen der Sterne| hat |Piper| darauf verzichtet, sie in zwei Teile zu hacken, was dem Zusammenhang sehr gut tut. Trotzdem ist „Die sterblichen Götter Tencendors“ nicht ganz so spannend, wie es der erste Band des Weltenbaumzyklus war. Dieser erste Band zumindest wird vor allem von seinen vielen zwischen“menschlichen“ Konflikten getragen. Die meisten davon erklären sich aus der Vergangenheit. Dennoch muss ich sagen, dass vor allem Caelums, Axis‘ und Aschures Verhalten manchmal von einer derartigen Verblendung zeugt, dass es schon fast unrealistisch ist!

Abgesehen davon jedoch las sich das Buch flüssig und interessant. An neuen Ideen ist lediglich das Labyrinth mit seinem brisanten Inhalt dazugekommen, wurde allerdings noch nicht weiter ausgebaut. In dieser Hinsicht darf sich ruhig noch etwas mehr tun.

Wer den Weltenbaumzyklus noch nicht gelesen hat, dem empfehle ich, dies nachzuholen, ehe er mit dem Sternenzyklus anfängt. Zwar geht es diesmal um die jüngere Generation, aber viele der alten Charaktere tauchen wieder auf und die Geschehnisse aus dem ersten Zyklus wirken massiv in den zweiten hinein. Das Personen- und Sachregister am Ende mag zwar hilfreich sein, aber bei weitem nicht ausreichend.

Sara Douglass arbeitete zuerst als Krankenschwester, bevor sie ein Studium in historischen Wissenschaften begann. Sie promovierte und arbeitete in den folgenden Jahren als Dozentin für mittelalterliche Geschichte. Das Schreiben fing sie nebenbei an, als Ausgleich zum Stress. Nach dem Erfolg ihres Weltenbaum-Zyklus stieg sie aus ihrem Beruf aus und konzentrierte sich aufs Schreiben und ihren Garten. Sie lebt in einem Cottage in Bendigo/Australien. Außer dem Weltenbaumzyklus und „Tresholder“ schrieb sie diverse Romane und Kurzgeschichten. Der zweite Teil des Sternenzyklus, „Die Wächter der Zeiten“, ist für September dieses Jahres angekündigt. In der Zwischenzeit schreibt die Autorin an ihrem neuen Zyklus |Darkglass Mountain|.

My Сreative


http://www.piper.de

_Sara Douglass bei |Buchwurm.info|:_
[Die Sternenbraut 577 (Unter dem Weltenbaum 1)
[Sternenströmers Lied 580 (Unter dem Weltenbaum 2)
[Tanz der Sterne 585 (Unter dem Weltenbaum 3)
[Der Sternenhüter 590 (Unter dem Weltenbaum 4)
[Das Vermächtnis der Sternenbraut 599 (Unter dem Weltenbaum 5)
[Die Göttin des Sternentanzes 604 (Unter dem Weltenbaum 6)
[Der Herr des Traumreichs 1037
[Die Glaszauberin 1811 (Die Macht der Pyramide 1)
[Der Steinwandler 2639 (Die Macht der Pyramide 2)

Finn, Thomas – unendliche Licht, Das (Die Chroniken der Nebelkriege 1)

_Handlung_

Kai ist ein Irrlichtfänger in der Ausbildung, und wohnt in einem kleinen Dorf namens Lychtermoor in der Nähe der großen Handelsstadt Hammaburg. Er lernt den Beruf bei seiner Großmutter und ist kurz vor dem Ende seiner Ausbildung. Und es geschieht etwas Besonderes, denn Kai fängt eines Abends so viele Irrlichter wie noch keiner vor ihm. Doch die Freude darüber wehrt nicht lange, denn seine Großmutter verbietet ihm, mit seinem großen Fang vor der Dorfjugend anzugeben. Anstatt auf seine Großmutter zu hören, nimmt Kai am nächsten Abend ein besonders großes Irrlicht mit zum Irrlichtfest, um den Dorfrüpel mit seinen Fangkünsten zu übertrumpfen.

Doch die Freude auf dem Fest währt nicht lange, denn schon nach kurzer Zeit überfallen Mort Eisenhand und seine untote Piratenbande das Dorf und rauben die ganzen Irrlichter. Kai überlebt nur, weil ihn der Elf Fi und die unheimliche und vermummte Dystariel aus den Klauen der Piraten retten. Doch als der Irrlichtfänger nach Hause eilt, um seine Großmutter zu retten, muss er feststellen, dass er zu spät, kommt denn sie wurde bereits von den Piraten getötet.

Beim anschließenden Kampf mit den Unholden kommt es zu merkwürdigen Ereignissen, die Fi und Dystariel veranlassen, Kai mit nach Hammaburg zu nehmen. Dort wird er zum berühmten Däumlingszauberer Eulertin gebracht, der den jungen Kai als seinen Zauberlehrling unter seine Fittiche nimmt. Auch in Hammaburg werden immer mehr Irrlichter geraubt. Was haben Mort Eisenhand und seine Komplizen nur mit den ganzen Irrlichtern vor, fragen sich Kai und Eulertin. Doch neben der harten Magierausbildung findet Kai etwas über eine Prophezeiung heraus, in der er eine entscheidende Rolle beim Kampf gegen Morgoya spielen soll …

_Autor_

Thomas Finn wurde 1967 in Chicago geboren. Er war Chefredakteur eines großen Phantastik-Magazins sowie Lektor und Dramaturg in einem Drehbuch- und Theaterverlag. Bereits seit Jahren lebt und arbeitet der preisgekrönte Roman-, Drehbuch- und Theaterautor in Hamburg. Bekannt wurde er besonders wegen seiner |Gezeitenwelt|-Romane sowie einiger Rollenspiel-Publikationen für die Spiele „Das Schwarze Auge“ sowie „Plüsch, Power und Plunder“ und durch den Zeitreiseroman [„Der Funke des Chronos“. 2239

_Mein Eindruck_

Thomas Finn bleibt seiner Heimatstadt also treu. Nachdem er die Leser in seinem letzten Roman „Der Funke des Chronos“ ins Hamburg von 1843 entführt hat, lässt er sie diesmal nach Hammaburg, der Fantasy-Ausgabe von Hamburg, reisen. In der Welt von „Das unendliche Licht“ gibt es aber auch noch einige andere Städte und Länder, bei denen man leicht ein irdisches Äquivalent wiedererkennt, sei es die Insel der bösen Nebelhexe Morgoya, die Albion heißt (England), das von Kobolden bevölkerte Colona (passt irgendwie zu Köln) oder etwa die Schwarzen Wälder.

Dadurch erreicht Finn, dass sich der Leser gleich zu Beginn perfekt in die neue Fantasywelt einlesen kann, ohne vorher seitenlange Landschaftsbeschreibungen oder Geographieabhandlungen zu lesen, wie etwa bei J.R.R. Tolkien. Doch ist diese Welt natürlich nur geographisch unserer ähnlich, denn sie ist durch und durch mit Magie durchzogen. Ein Zitat aus dem Buch von Magister Eulertin trifft hier den Nagel auf den Kopf: „Die Magie ist es, was die Welt im Innersten zusammenhält“. Neben den Menschen bevölkern aber auch noch viele andere Lebewesen wie Elfen Zwerge, Feen, Klabauter, Kobolde, Däumlinge, Poltergeister, sprechende Tiere und noch so einiges Andere mehr die Welt des „unendlichen Lichtes“.

Dies alles verwebt Finn gekonnt zu einem enorm stimmungsvollen Mix, der nie Langeweile aufkommen lässt und einfach fesselt. Der Schreibstil ist einfach, aber prägnant und zudem äußerst bildhaft. Dadurch ist der Roman so konzipiert, dass er sowohl den Fans „klassischer“ Fantasy als auch jugendlichen Lesern und Anhängern eines anderen bekannten Zauberlehrlings gefallen dürfte. Dass der Roman als Jugendroman deklariert wird, ist sicherlich einerseits richtig, doch andererseits könnte so ein falscher Eindruck entstehen, der die ältere Käuferschicht abschreckt. Daher würde ich ihn einfach allgemein als Fantasy bezeichnen. Wie dem auch sei, Etikettierungen sind immer mühselig und diskussionswürdig.

Mit der bösen Hexe Morgoya gibt es ähnlich wie beim „Herr der Ringe“ einen klaren Antagonisten, der aber in diesem Band nur am Rande erwähnt wird und nicht aktiv vorkommt. Sie wird wohl erst in den beiden folgenden Bänden der Trilogie auftauchen. An deren Stelle spielen zuerst Mort Eisenhand nebst Komplizen die Bösewichte.

Doch eigentlich sind nicht die Feinde von Kai das Problem, sondern er selbst: Da er als nicht ausgebildeter Magier seine magischen Energien nicht kanalisieren kann, drohen sie ihn zu übernehmen, so dass er quasi selber böse würde. Das macht den Protagonisten menschlicher, man kann sich besser mit ihm identifizieren. Außerdem finde ich Finns Idee dazu, was mit nicht ausgebildeten Zauberern passieren kann, äußerst ansprechend.

Neben Kai sind es aber vor allem die anderen Figuren des Romans, die ihn so lesenswert machen. Indem immer wieder neue Figuren auftauchen, nimmt „Das unendliche Licht“ richtig Fahrt auf und bietet eine Menge Abwechslung. Besonders gut gefällt mir, dass der mächtigste bekannte Magier Magister Thaddäus Eulertin ein Däumling ist. Irgendwie ist der Gedanke, dass jemand so Kleines ein mächtiger Magier ist, schon abgefahren, oder? Die dahinter stehende Message ist jedenfalls eindeutig: „Länge ist nicht Größe“. Mal ganz davon abgesehen, dass man sich so beim Lesen automatisch mal mit einer anderen Perspektive befasst.

Aber auch die anderen Charaktere sind liebevoll dargestellt und regen immer wieder zum Schmunzeln an. So hätte der Klabautermann Koggs mit seinem vielen Seemansgarn sicher auch sein eigenes Buch verdient gehabt, sozusagen als Fantasy-Äquivalent von Käptn Blaubär oder Baron Münchhausen. Damit möchte ich nur verdeutlichen, wie viele interessante Ideen in diesem Roman stecken. Und ich könnte noch viele weitere aufzählen.

Zudem merkt man, dass sich Finn wirklich Mühe gibt, seinen Figuren ein richtiges Gesicht zu geben und sie nicht zu Füllmaterial für einen Protagonisten verkommen lässt, wie so manch anderer seiner Kollegen. Die Handlung im Allgemeinen ist spannend und beinhaltet einige unvorhergesehene Wendungen, die extrem fesseln, so dass es enorm schwer fällt, das Buch wieder aus der Hand zu legen. Besonders Kais Ausbildung zum Magier und seine Streifzuge durch Eulertins bringen uns immer wieder zum Lachen.

Was sofort ins Auge sticht, ist die sehr gelungene Umschlaggestaltung: Passender und stimmiger kann als hier geht es wohl kaum. Das verwendete Papier ist ebenfalls von sehr ansprechender Qualität – rundum top!

_Fazit:_ „Das unendliche Licht“ hat alles, was ein hervorragender Fantasyroman benötigt: tolle Charaktere, ein gelungenes Setting und jede Menge Spannung, so dass er uneingeschränkt zu empfehlen ist. Mit dieser Reihe dürfte sich Thomas Finn endgültig in der Riege der großen deutschen Genreautoren etablieren. Ich freue mich auf jeden Fall schon auf die zwei Fortsetzungen!

[Unser Interview mit Thomas Finn]http://www.buchwurm.info/artikel/anzeigen.php?id=59
[„Der Funke des Chronos“ 2239
[„Das Greifenopfer“ 1849
http://www.ravensburger.de
http://www.thomas-finn.de

Simmons, Dan – Sommer der Nacht

Elm Haven ist ein kleines Städtchen, im ländlichen US-Staat Illinois dort gelegen, wo es beschaulicher kaum zugehen kann. Die Welt ist noch in Ordnung in diesem Sommer des Jahres 1960; Sorgen macht sich der Durchschnitts-Amerikaner höchstens wegen der ruchlosen Kommunisten, doch Präsident „Ike“ Eisenhower wird sie schon in Schach und im fernen Russland halten. Ansonsten herrscht Ruhe im Land – Arbeit gibt es für jedermann, die Zukunft sieht allgemein rosig aus, und die Schwarzen verharren bescheiden auf dem Platz, den ihnen der HERR, das Schicksal und der Ku-Klux-Klan zugewiesen haben.

So scheint denn die einzige Sorge der Kinder von Elm Haven zu sein, dass die Sommerferien einfach nicht beginnen wollen. Schuljahre sind keine Herrenjahre in dieser Stadt; das gehört sich einerseits so, wird andererseits jedoch unverhältnismäßig betont durch den stillen Schrecken, der von der „Old Central School“ ausgeht. Das riesige, verwinkelte, unwirtliche und an eine Festung erinnernde Gebäude wurde zu einer Zeit erbaut, als die Einwohner von Elm Haven wesentlich kopfstärker waren. Nun steht es weitgehend leer und ist ein recht unheimlicher Ort, über den der seelenlose Rektor Roon, die alte Mrs. Doubbets und der halb verrückte Hausmeister Van Syke herrschen. Glücklicherweise wird „Old Central School“ nun geschlossen und soll bald abgerissen werden.

Aber bevor die Lernfron endlich endet, verschwindet ein Schüler spurlos in den Korridoren des Gebäudes. Der Vorfall wird vertuscht, denn das Opfer gehört nur zum „weißen Abschaum“ Elm Havens, der den braven Bürgern und ihrer Polizei herzlich gleichgültig ist. Dieser Vorfall ist jedoch nur der erste in einer langen Kette mysteriöser Ereignisse, die ausschließlich den Kindern der Stadt und allen voran der „Fahrradpatrouille“, fünf verschworenen und aufmerksamen Freunden um den Sechstklässler Dale Stewart, aufzufallen scheinen. Zu ihnen gesellt sich Duane McBride, ein Genie im Körper eines Bauerntölpels, dem die „Patrouille“ wertvolles Hintergrundwissen über das Grauen verdankt, das sich quasi hinter den Kulissen der Stadt zu verdichten beginnt. Ausgerechnet Elm Haven ist die Brutstätte eines üblen magischen Bundes, der sechs Jahrhunderte zuvor im Rom der berüchtigten Borgia-Päpste seinen Anfang nahm und seinerseits nur die Fortsetzung eines fürchterlichen Kultes ist, der den altägyptischen Totengott Osiris verehrt. Die Kinder finden heraus, dass die Prominenz von Elm Haven zu den Götzendienern gehört und „Old Central School“ ihnen geheimes Hauptquartier und Tempel zugleich ist, an dem Osiris seit Jahrzehnten grausame Menschenopfer gebracht werden. Schlimmer noch: Nach vielen Jahren der Vorbereitung und Beschwörung steht die Rückkehr des Totengottes in diese Welt unmittelbar bevor!

Elm Haven ist der ideale Ort für dieses Ereignis, denn wer in diesem Tal der Satten und Ahnungslosen würde solchen Horror für möglich halten? So stehen die Kinder allein in ihrem Kampf, der zunehmend verbissener wird, als die Osiris-Jünger bemerken, dass man ihnen auf die Schliche gekommen ist. Unter die menschlichen Handlanger mischen sich Zombies und andere Schreckensgestalten, und dann beginnen bizarre Morde die schockierten Einwohner Elm Havens zu dezimieren …

Was klingt wie ein Opus aus der Feder des unermüdlichen Stephen King, ist tatsächlich dem Hirn seines nicht minder fleißigen Schriftsteller-Kollegen Dan Simmons (geboren 1948 in Illinois – aha!) entsprungen. Dieser gehört wohl zu den interessantesten Gestalten der modernen Unterhaltungsliteratur, denn es gibt kaum einen Autoren, der vielseitiger ist und sein Publikum mit immer neuen Geniestreichen zu überraschen weiß. Horror, Science-Fiction, historischer Krimi, Mainstream oder Thriller – Simmons springt nach Belieben zwischen den Genres und bedient sich mit traumwandlerischer Sicherheit der jeweiligen Regeln. Das hat ihn schon früh der Kritik (der man selten etwas recht machen kann) verdächtig werden lassen, die ihm vorwirft, ein zwar begnadeter, aber konturarmer Kopist zu sein, der sich des Tonfalls und der Methoden erfolgreicher Vorbilder bediene, ohne je zu einem eigenen Stil zu finden. Abgesehen davon, dass dies faktisch nicht zutrifft – man lese nur die großartigen Story-Sammlungen [„Lovedeath“ 2212 (1993, dt. „Liebe und Tod“) oder „Prayers to Broken Stones“ (1990, dt. „Styx“), in denen Simmons seine Eigenständigkeit und enorme schöpferische Bandbreite unter Beweis stellt -, muss dies den Leser und Freund des Unheimlichen nur am Rande interessieren: Selten gibt es Schriftsteller, die so zuverlässig wie Dan Simmons auf überdurchschnittlichem Niveau zu unterhalten verstehen. Er besitzt definitiv dieselbe Kragenweite wie Stephen King, Peter Straub oder Ramsey Campbell und deklassiert qualitativ schwankende Genre-Stars und Schreibautomaten wie Dean Koontz oder James Herbert mit ernüchternder Leichtigkeit.

„Sommer der Nacht“ gehört zu herausragenden Werken der ohnehin eindrucksvollen Simmons-Titelliste. Ich persönlich gehe sogar so weit, ihn als den besten Stephen-King-Roman zu bezeichnen, den der Meister nicht selbst geschrieben hat. Die Parallelen zu „It“ (1986, dt. „Es“) sind mehr als augenfällig, geradezu dreist wildert Simmons in Kings ureigenem Revier: der „coming-of-age“-Story, in welcher der Horror bevorzugt US-amerikanische Bilderbuch-Kleinstädte heimsucht. Simmons geht unerschrocken noch einen Schritt weiter und siedelt „Sommer der Nacht“ in jener „American Graffiti“-Epoche zwischen II. Weltkrieg und Vietnam an, da sich die Welt denen, die am richtigen Fleck geboren waren, als wunderbarer, geordneter Ort voller Möglichkeiten darstellte.

Der Verfasser verwandelt Elm Haven in eine geradezu aggressiv heile Welt. Doch nachdem Simmons seinem Publikum beinahe schmerzhaft süßlich ein Amerika im Stande der Unschuld vor Augen geführt hat, beginnt er seinen heimeligen Mikrokosmos sogleich gekonnt zu demontieren. Lange bevor der übernatürliche Horror Elm Haven heimzusuchen beginnt, legt der Verfasser wie nebenbei und dadurch um so drastischer offen, wo es kracht im Getriebe der Kleinstadt-Idylle. Korruption, schlecht verhohlene Vorurteile und Rassismus, Selbst- und Ungerechtigkeit, verdrängte Not, borniertes Kastenwesen, Duckmäuserei, Schubladendenken – die Liste der großen und kleinen Bosheiten, die das Leben finster machen, will kein Ende nehmen. Nicht einmal das höchste Heiligtum selbst ernannter Tugendwächter und -bolde wird geschont: Tatsächlich entpuppt sich die (amerikanische) Familie immer wieder als wahrer Hort des Horrors, mit dem selbst die untoten Horden des Osiris nicht mithalten können.

Mit trügerischer Leichtigkeit entwirft Simmons so ein atmosphärisch unerhört dichtes Stimmungs- und Sittenbild einer Zeit, die eben doch nicht so golden war wie sie nachträglich gern verklärt wird. Auch ohne Tanz der Vampire ist dies unerhört spannend zu lesen. Tatsächlich wirkt die Mär vom finsteren Urzeit-Kult lange Zeit beinahe störend in der Geschichte dieses Sommers von 1960. Als es dann ernsthaft zu spuken beginnt, flicht Simmons das Übernatürliche allerdings meisterhaft in die Handlung ein. Ganz verhalten beginnt sich das Böse einzuschleichen, umkreist und umzingelt die „Fahrradpatrouille“ wie den Leser gleichermaßen, verstört durch Andeutungen und grausames Geschehen zwischen den Zeilen, gewinnt zunehmend an Tempo und schlägt schließlich in eine wahrlich ungeheuerliche Tour de force um. An drastischen Effekten wird jedenfalls nicht gespart, gesplattert nach Herzenslust, und das Jenseits spart nicht an grotesken Besuchern mit abstoßenden Angewohnheiten.

An diesem Punkt beginnen Simmons freilich die Zügel seiner Geschichte zu entgleiten. Nachdem das Böse seine Maske endlich fallen ließ, muss es bekämpft und ausgerottet werden. Hier kann der Verfasser seine Herkunft nicht länger verleugnen: Das Grauen wird US-typisch mit brachialer Gewalt und großkalibrigen Waffen angegangen. Weil die Protagonisten nach wie vor Kinder im Alter von etwa 11 Jahren sind, wirkt ihre Verwandlung in Miniatur-Rambos reichlich unrealistisch. Das ist schade, weil Simmons bis zu diesem Zeitpunkt seinen jugendlichen Figuren mit traumwandlerischer Sicherheit Profil und echtes Leben zu verleihen wusste. Diese Sünde bleibt jedoch lässlich; den nachhaltig positiven Eindruck, den die ersten 500 oder 600 Seiten hinterlassen, kann die große Schlussabrechnung – mehr Spektakel als Finale – nicht wirklich zunichte machen.

Die Übersetzung von „Sommer der Nacht“ übernahm der inzwischen selbst als Autor hervorgetretene Joachim Körber. Zeitweise deutschte er für |Heyne| praktisch sämtliche „großen“ phantastischen Romane ein und zog besonders für seine King-Übertragungen einige Kritikerschelte auf sich. Auch „Sommer der Nacht“ liest sich an einigen Stellen etwas seltsam – zum Beispiel verliert ein „Ensign“ namens Pulver viel von seiner Rätselhaftigkeit, würde man ihn korrekt mit „Fähnrich Pulver“ übersetzen, und ein „Kick“ ist und bleibt ein schlichter Tritt. Trotzdem leistete Körber hier (und auch sonst) im Großen und Ganzen bessere Arbeit, als ihm gemeinhin zugebilligt wurde. Das gilt um so mehr, als inzwischen das Elend eines hauptberuflichen Übersetzers in Deutschland mehrfach namhaft gemacht wurde und man nun besser nachvollziehen kann, wieso für die Angehörigen dieser ausgebeuteten Zunft die heiße Nadel zum unverzichtbaren Rüstzeug gehört.

Simmons hat seine „Fahrradpatrouille“ übrigens im Blickfeld behalten. In „Children of the Night“ (1992, dt. „Kinder der Nacht“) finden wir die Überlebenden drei Jahrzehnte nach ihrem Kampf gegen Osiris in einem neuen Kampf gegen das Übernatürlich wieder. Nach dreißig Jahren kehren sie nach Elm Haven zurück („A Winter Haunting“, 2002; dt. „Im Auge des Winters“, Heyne-TB Nr. 52142), um dort zu entdecken, dass sie 1960 nicht so gründlich mit dem Grauen aufgeräumt haben wie gedacht …

Ross, Alex / Krueger, J. / Braithwaite, D. – Justice (1 von 6)

Alex Ross ist ein Verfechter des Silver Ages, einer Zeit aus dem Superhelden-Universum, in dem die Geschichten noch weitaus simpler und die Szenarien nicht ganz so aufgeblasen waren, wie es heuer oftmals der Fall ist. Dementsprechend hat er auch seine neue Serie „Justice“ an diese Zeit angegliedert und eine Story geschaffen, die sehr traditionell ausgerichtet ist, dabei aber die bewährten Stilmittel der Moderne beibehalten kann.

_Story_

Ein apokalyptischer Traum verfolgt die Welt der Superhelden; das Ende der Welt droht und alle sind sie von den grausamen Nachtmahren betroffen. Auch Aquaman kann sich der grausamen Vorstellung der endgültigen Vernichtung nicht entziehen und begibt sich auf der Suche nach Antworten hinaus in seine Meereswelt. Allerdings gehorcht dort niemand mehr seinen Anordnungen. Black Manta hat in der Zwischenzeit das Kommando über die Meerestiere übernommen und lässt den einstigen Helden unbeobachtet verschwinden.

Währenddessen ist Batman dem Riddler auf der Spur, dem es gelungen ist, sich in den Hauptcomputer des Batcaves einzuhacken, auf dem sich neben der Identität aller Superhelden auch weitere Daten befinden, die die Gemeinschaft der Schurke niemals in die Hände bekommen darf. Als er den mysteriösen Bösewicht aber dann stellt, gelingt ihm die Gefangennahme ungewöhnlich leicht. Irgendetwas scheint nicht zu stimmen …

_Meine Meinung:_

„Justice“, die aktuelle Reihe von Star-Zeichner Alex Ross, wurde in den Staaten bereits Ende letzten Jahres als 12-teilige Serie gestartet. In Deutschland hingegen wird die – ausgehend vom ersten Band – sehr viel versprechende Reihe in sechs Sammelbänden auf den Markt gebracht, von denen nun der erste über |DC/Panini| erschienen ist.

Rein inhaltlich handelt es sich bei „Justice“ wiederum um einen (nicht ganz so umfangreichen) Crossover, bei dem die meisten Superhelden der JLA involviert sind. Im Mittelpunkt stehen dieses Mal zwar nicht wieder nur die üblichen Verdächtigen – sprich Batman und Superman –, allerdings sind es auch dieses Mal wieder genau diese, die die Welt vor der neuen, noch unbekannten Bedrohung retten müssen. Zu ihnen stoßen mit Flash und Aquaman zwei eher selten auftauchende Mitglieder der JLA, die jedoch im Gegensatz zu ihren schier übermächtigen Partnern nie so richtig zum Zuge kommen. Schließlich wird Aquaman entführt, wohingegen Flash lediglich als Superheld der zweiten Reihe vorgestellt wird – zumindest tritt er in den wenigen Szenen, in denen er herandarf, so auf.

Aber noch einmal zurück zur grundlegenden Ambition von Ross und seinem Co-Autor Jim Krueger. Die Idee, „back to the basics“ zu gehen, wurde vom diesem Team wunderbar umgesetzt und wirkt im direkten Vergleich zu den riesigen, umfassenden Serien dieser Zeit auch nicht kontraproduktiv. Vor allem die etwas erfahrenen Leser werden sich über die gradlinige, auch zeichnerisch relativ einfach inszenierte Handlung freuen, da man hier nie in Versuchung kommt, sich von äußeren Einflüssen vom Plot ablenken zu lassen.

Auch inhaltlich ist die neue Story wirklich sehr stark. Es liegen verschiedene, hier noch kaum fassbare Mysterien in der Luft; so zum Beispiel das genaue Verbleiben von Aquaman, die Motivation hinter dem Attentat von Black Manta sowie die sonderbare Aura des Riddlers; alles Sachen, die über mehrere Cliffhanger gekonnt zum nächsten Band überleiten und die eh schon hohe Spannung auch über die einleitenden Geschichten hinaus erhalten. Insofern kann man also auf jeden Fall von einer sehr gelungenen Umsetzung – und das in jeglicher Hinsicht – reden.

Das Fazit habe ich somit auch schon vorweggenommen. Hier reift ein neues Highlight im Universum von |DC Comics| heran, einerseits simpel, stilistisch und inhaltlich aber dennoch komplexer angelegt. Nicht zuletzt wegen der tollen Charakterzeichnungen der eher seltener auftretenden Figuren zum Abschluss des Heftes ist diese Investition absolut lohnenswert.

http://www.paninicomics.de

Elrod, P. N. – tanzende Tod, Der (Jonathan Barrett 4)

[„Der rote Tod“ 821
[„Der endlose Tod“ 863
[„Der maskierte Tod“ 1582

Wir befinden uns im London des ausgehenden 18. Jahrhunderts. Jonathan Barrett ist zusammen mit seiner Schwester Elisabeth aus den Kolonien angereist, um seine lang verschollene Flamme Nora Jones wiederzufinden. Doch tut er dies nicht (nur) aus gänzlich romantischen Gründen. Jonathan ist nämlich ein Vampir, und Nora für seinen Zustand verantwortlich. Und da im 18. Jahrhundert Vampire lange noch nicht so berühmt sind wie heute, tappt Jonathan im Dunkeln, wenn es darum geht zu definieren, was es mit seinem Zustand genau auf sich hat. Und so hofft er darauf, dass Nora seine zahlreichen Fragen beantworten kann – sollte er sie denn finden.

P. N. Elrods „Der tanzende Tod“ ist nun schon Band vier der Romanreihe um die Abenteuer von Jonathan Barrett. Der Leser durfte ihn zum Studium begleiten, seine Vampirwerdung beobachten, seine ersten zaghaften Schritte als Untoter anfeuern und seine Suche nach Nora Jones begleiten. Doch wurde eben jene Suche im letzten Band, „Der maskierte Tod“, relativ zügig unterbrochen, da Jonathan zwischen die familiären Fronten geriet und – mal wieder – dem Tod mit einem gewagten Satz von der Schippe springen musste, schließlich bewahrt ihn auch sein Vampirismus nicht vor Intrigen, Anschlägen, Duellen und Morddrohungen.

Dies führt dazu, dass sein (Un)Leben in „Der tanzende Tod“ ziemlich auf den Kopf gestellt ist. Plötzlich ist er nämlich Vater (war er doch während seines Studiums in London längst kein Kostverächter) und bekommt den Jungen von dessen leiblicher (und nicht ganz zurechnungsfähigen) Mutter sofort untergeschoben, die das Balg loswerden will. Und so kehrt in Jonathans Haushalt wieder die Friedefreudeeierkuchen-Stimmung ein, die der Leser von P. N. Elrod gewohnt ist.

Doch halt: Ganz so einfach ist die Sache nicht. Wie immer will man Jonathan an den Kragen. Und so muss er auch in diesem Band einigen Kugeln und Anschlägen auf sein Leben ausweichen und nebenbei herausfinden, wer ihm denn eigentlich ans Leder will …

In „Der tanzende Tod“ fährt P. N. Elrod wieder alle Kaliber auf. Jonathan, Elisabeth und Oliver leben mittlerweile zusammen in einem Haushalt und Elrod ergeht sich darin, die Idylle dieser Patchwork-Familie ausgiebig zu beschreiben. Da sind Teestunden mit einer Extrakanne voll Blut für Jonathan nichts Außergewöhnliches. Und als dann auch noch der kleine Richard dazustößt, wird es vorrübergend schier unerträglich zuckersüß. Kein kleines Kind ist ständig so putzig und gut erzogen. Und all die Spielstunden, die Vater und Sohn abends unternehmen, sind relativ repetitiv und tragen darüber hinaus nichts zum Fortkommen der Handlung bei.

Nur gut, dass Elrod ihren Plot bei all dem familiären Zusammensein nicht aus den Augen lässt. Es scheint sich nämlich einiges zusammenzubrauen. Während Jonathan und Oliver genüsslich einen Puff besuchen, der sich als türkisches Bad tarnt, wird Jonathan prompt erschossen. Und als er sich danach anschickt herauszufinden, wer die maskierten Übeltäter waren, hat er schnell noch mehr Häscher auf den Fersen. Nach guter alter Elrod-Manier geht es für Jonathan danach erst einmal steil bergab, bevor er es schafft, die Verschwörung aufzudecken und zu zerschlagen. Und das ist durchaus wörtlich gemeint …

Jonathan hat endlich ein Maß von Vertrauen in seinen Zustand gewonnen. So schließt er nicht jedes Mal mit seinem Leben ab und betet zu sämtlichen Gottheiten (denn eigentlich ist Jonathan ein rechter Feigling), wenn ihm jemand Böses will. Dieses Schema wurde in den vergangenen Romanen langsam ermüdend und so ist es zu begrüßen, dass Elrod es aufgegeben hat. Das bedeutet nicht, dass es keine brenzligen Situationen für Jonathan gibt – der Roman ist voll davon. Doch geht er nun anders mit diesen Situationen um und spielt den Helden auch schon mal überzeugender als in den Anfängen seines untoten Zustands.

Ach, und dann ist da ja noch Jonathans verzweifelte Suche nach seiner verschollenen Liebe Nora Jones. Seit vier Bänden wartet der geneigte Leser nun darauf, dass die beiden sich endlich wiederfinden. Wird es in „Der tanzende Tod“ nun endlich so weit sein, dass die beiden sich in die Arme fallen können? Oder sind die Gerüchte tatsächlich wahr, dass Nora krank darniederliegt? Wird Jonathan eine weitere Seefahrt wagen, um sie in Italien zu suchen?

Um das herauszufinden, gibt es nur eine Möglichkeit: Selber lesen!

http://www.festa-verlag.de