„Outer Space“: Hinter dem hübsch-hässlichen, wohl dem „Denglischen“ zuzuordnenden Begriff verbirgt sich der Raum, den unser Sonnensystem mit seinem Zentralgestirn – der Sonne -, mit der Erde und ihren Nachbarplaneten, deren Monden, vagabundierenden Kometen, den inneren und äußeren Asteroiden und anderen Himmelkörpern einnimmt. Knapp aber informativ und auf dem aktuellen Stand der Wissenschaft werden sie vorgestellt, wobei das Schwergewicht jedoch auf den sensationellen Fotos liegt: „Outer Space“ versteht sich als „Ergänzungsband“ zum Textsachbuch „Unser Sonnensystem“, das der Autor 2004 ebenfalls im Verlag |Kosmos| veröffentlichte.
Wie es üblich für Darstellungen des Sonnensystems ist, orientiert sich die Gliederung an den markantesten „Bewohnern“ des „Outer Space“. „Die Erde – der blaue Planet“ (S. 10-27) wirkt aus dem All betrachtet keineswegs weniger exotisch oder fremdartig als die fernen Planeten, die wir noch kennen lernen werden. In aller Kürze aber eindrucksvoll stellt der Verfasser die grundsätzlichen Eigenschaften unseres Heimatplaneten heraus, die ihn plötzlich als „Verwandten“ von Höllenwelten wie Merkur oder Venus identifizieren. Ein Unterkapitel widmet sich dem Mond, der die Erde als Trabant umkreist und folgerichtig zum Ziel für erste Forschungsexpeditionen des Menschen in den „Outer Space“ wurde.
Die Darstellung springt anschließend zurück auf Null bzw. ins Zentrum des Sonnensystems: „Die Sonne – ein brodelnder Feuerball“ (S. 28-45) ist ein Ort, wie man ihn sich unwirtlicher kaum vorstellen kann. Umfang und Hitze erreichen Größenordnungen, die den Menschen an den Rand seiner Vorstellungskraft und darüber hinaus treiben. Die Bilder flößen Angst ob der ungeheuren Gewalten ein, die diesen Stern prägen. Und doch ist er die Quelle der Lebens auf der Erde und mit ihm verbunden durch eine komplexe Kette erstaunlicher Prozesse, die hier vorbildlich aufgerollt wird.
Der sonnennächste Planet ist „Merkur – eine steinige Welt der Extreme“ (S. 46-59), die ihre Geheimnisse bisher gut zu hüten wusste. Merkur ist nicht nur schwer zu beobachten, sondern gehört zu den wenigen Planeten des Sonnensystems, die bisher kaum und dann schon vor Jahrzehnten durch Sonden untersucht und fotografiert wurden. 2008 und 2009 wird sich dies ändern und eine Fülle neuer Erkenntnisse über Merkur bringen, der entweder sonnengeröstet oder weltallgefrostet wird, wenn er sich denkbar langsam um seine Achse dreht.
Lange galt die Venus als Zwilling der Erde; man vermutete unter ihrer dichten Wolkenschicht eine urzeitliche Dschungelwelt mit Dinosauriern und anderen Getümen. Tatsächlich ist „Venus – eine glühende Hölle“ (S. 60-79), deren Atmosphäre zudem aus Säuren besteht und einen Luftdruck aufweist, unter dem jede gelandete Sonde bisher binnen weniger Minuten zerdrückt wurde. Dennoch gelangen bemerkenswerte Bilder dieser fremden Welt, die eine schauerlich-schöne, absolut lebensfeindliche Oberfläche zeigen.
Auf der „anderen Seite“ der Erde kreist „Mars – unser geheimnisvoller Nachbar“ (S. 80-117). Auch er galt als Kandidat für außerirdisches Leben – und ist es noch, wie neue Untersuchungen andeuten, die einen Blick in die Unterwelt des Mars‘ ermöglichen. Die relative Nähe zur Erde und eine nicht gar zu aggressive Atmosphäre bieten die Chance, ferngesteuerte Marssonden landen zu lassen, die sogar fahrende „Ableger“ aussenden können. So existieren inzwischen unzählige Bilder des roten Planeten in perfekter Schärfe, die sehr deutlich machen, dass auf dieser angeblich toten Welt noch viele Geheimnisse auf ihre Enthüllung warten.
Ein Exkurs führt uns in den weiten, aber nicht leeren Abgrund zwischen Mars und Jupiter. Hier ziehen „Kleinplaneten – die Insekten des Himmels“ (S. 118-125) ihre Bahnen, Stein- und Eisbrocken von oft grotesker Form, die bei der Entstehung des Sonnensystems als Schutt zurückblieben. Besonderes Interesse erregen sie, seit bekannt ist, dass nicht alle diese Asteroiden in der Ferne bleiben, sondern auf Umlaufbahnen kreisen, die sich mit dem Lauf der Erde schneiden. Ein zufälliges „Treffen“ ist möglich und würde verheerende Folgen mit sich bringen. Kein Wunder, dass man diese „Insekten“ sehr genau im Auge behält!
„Jupiter – der stürmische Riesenplanet“ (S. 126-151) bildet die eindrucksvolle „Mitte“ des Sonnensystems. Er ist zwar als Gasball ein relatives Leichtgewicht, aber auch der größte Planet überhaupt. Gewaltige atmosphärische Erscheinungen geben ihm sein markantes Aussehen – Wirbelstürme von Ausmaßen, in denen die Erde verschwinden könnte, rasen um seine Oberfläche, zu deren Erkundung noch kein Instrument gebaut werden kann, das dem Druck und den Temperaturen standhielte. Besondere Aufmerksamkeit wird auch den zahlreichen Monden des Jupiter geschenkt, die sich vielfältig als Vulkan- und Lavahölle, Eisjuwel oder Steinkugel präsentieren.
Jenseits des Jupiter erwartet den Reisenden durch den „Outer Space“ der nicht minder beeindruckende „Saturn – der majestätische Herr der Ringe“ (S. 152-189), ebenfalls ein Gasriese mit entsprechenden Rätseln, aber auch jenen Ringen, die ihn legendär werden ließen (obwohl auch andere Planeten beringt sind, wie wir in diesem Buch sehen). Unglaubliche Aufnahmen belegen, wie Sonden quasi „durch“ die Ringe flogen und ihren Geheimnissen auf die Spur kamen. Unter die Linse genommen werden die Monde Saturns, von denen einer völlig unerwartet eine dichte Atmosphäre aufweist, was unsere Anhänger außerirdischen Lebens schon wieder zum Träumen bringt …
Das Sammelkapitel „Jenseits von Saturn – die fernen Welten“ (S. 190-213) stellt die Planeten Uranus und Neptun sowie den jüngst zum Kleinplaneten „degradierten“ Pluto dar. Für einen Bildatlas sind die zur Verfügung stehenden Bilder nicht so zahlreich oder ausdrucksstark, dass sich Einzelkapitel lohnten. Auch stehen wie beim Merkur Sondenflüge mit leistungsstarker Technik erst bevor. Dennoch hat das Wissen um Uranus, Neptun, Pluto und die noch weiter „draußen“ kreisenden Kleinplaneten und Kometen in den letzten Jahren enorm zugenommen, so dass auch dieser letzte Teil des Buches keineswegs als der Vollständigkeit angehängter Nachklapp zu versehen ist.
Vorangestellt ist „Outer Space“ eine Einleitung (S. 7), dem Haupttext folgen ein Anhang, der die „Sonne und Planeten in Zahlen“ nebeneinander stellt (S. 214), sowie ein Register (S. 215/16), der Bildnachweis und das Impressum (S. 217).
Dorthin zu gehen (bzw. fliegen), wo noch nie ein Mensch zuvor gewesen ist, bleibt in den letzten Jahrzehnten unbemannten Forschungssonden und Robotern vorbehalten. Während sich altmodische US-Raumfähren höchstens in die Erdumlaufbahn schleppen, ziehen sie hinaus in die Weite des „Outer Space“, umkreisen nicht nur die Objekte menschlichen Interesses, sondern landen auf weit entfernten Planeten, Monden oder steuern sogar Kometen an. Sie horten dabei Dateien, die das Wissen um Natur und Geschichte des Sonnensystems in Quantensprüngen wachsen lassen. Gleichzeitig liefern sie fesselnde Bilder unbekannter Landschaften, die jene Kleingeister, für die Raumfahrt nichts als das überteuerte Anbohren außerirdischer Felsbrocken bedeutet, nachhaltig Lügen strafen.
Seit der Jahrtausendwende strömt eine ganze Herde metallener Schnüffler durch das Sonnensystem. Sie heißen „Spirit“ oder „Opportunity“, „Cassini“ oder „Huygens“ und wagen sich weiter vor als je zuvor. Das Internet bietet die Möglichkeit, die dabei entstandene Bildflut auch als Laie zu sichten. Der Blick auf den Bildschirm ist jedoch noch immer kein Ersatz für das gedruckte Foto; der Verfasser spricht es in seinem Vorwort sehr richtig an. Wie konkurrenzlos das gute, alte Sachbuch weiterhin ist, belegen die auf feines Kunstdruckpapier gebrachten 200 Farbfotos (sowie fünf Farbillustrationen), die noch die kleinsten Details mit unerhörter Schärfe wiedergeben. Das Format 28,6 x 24 cm gestattet wahre Augenschmause, die noch erheblich dort verfeinert werden, so sich Fotos gar aufklappen lassen. Eine Panoramaaufnahme der Marslandschaft kann einen schon in den Lesesessel drücken, wenn sie in voller Farbpracht fast einen Meter breit klaftert! „Outer Space“ ist kein kostengünstiges geschweige denn billiges Buch, doch wer es in die Hand (oder besser Hände, denn es ist schwer) nimmt, weiß, dass es sein Geld wert ist!
Knappe Texte und Bildlegenden liefern das notwendige Hintergrundwissen. Sie sind auch dem bereits genannten Laien verständlich, ohne dabei ins Wissenschafts-Pidgin à la „Galileo“ zu verfallen. Wer sich näher informieren möchte, greift zum ergänzenden Textsachbuch – und freut sich auf weitere Erkenntnisse, die uns die Forschungsmissionen der kommenden Jahre garantiert liefern werden!
Hermann-Michael Hahn studierte Astronomie und Physik in Bonn und arbeitet seit vielen Jahren als freier Wissenschaftsjournalist und Buchautor.
Der Vollständigkeit halber sei auch das eingangs erwähnte Textsachbuch erwähnt:
Hermann-Michael Hahn: Unser Sonnensystem. Sonne und Planeten im Fokus der Forschung
Deutsche Erstausgabe: September 2004 (Verlag Kosmos/Franckh-Kosmos)
98 Farb- u. 42 SW-Fotos sowie 70 Illustrationen
223 S.
EUR 29,90
ISBN-10: 3-440-09796-X
ISBN-13: 978-3-440-09796-0
http://www.kosmos.de