Archiv der Kategorie: Skurriles & Satirisches

Sparks, Kerrelyn – Wie angelt man sich einen Vampir?

Der Vampir Roman Draganesti ist der Erfinder synthetischen Blutes, welches es Vampiren ermöglicht, sich zu ernähren, ohne dabei menschliche Leben zu gefährden. Um seine Erfindung noch zu optimieren, erfindet seine Firma Romatech Industries eine Sexpuppe, durch die das synthetische Blut fließen und die den Vampiren ein möglichst echtes Beißgefühl übermitteln soll. Doch als Roman diese Erfindung testet, bricht ihm bei dem Biss in die Gummipuppe einer seiner Fangzähne ab!

Damit sein Fangzahn nicht für immer verloren ist, muss er noch in derselben Nacht zu einem Zahnarzt, doch da es laut den „Schwarzen Seiten“ keinen Vampir-Zahnarzt zu geben scheint, bleibt Roman nicht anderes übrig, als zu einem normalsterblichen Dentisten zu gehen. Er landet bei der hinreißenden Dr. Shanna Whelan, die aber ganz andere Probleme hat als einen Patienten mit einem abgebrochenen Fangzahn: Sie wird von einem gefährlichen Auftragskiller verfolgt. Als sich herausstellt, dass es sich bei dem Auftragskiller um keinen Geringeren als den Vampir Petrovsky handelt, den Erzfeind Romans, der sich noch immer von menschlichem Blut ernährt, rettet Roman Shanna und bringt sie in sein Haus, das von Vampiren wie auch Menschen bewacht wird.

Dort lässt er sich von Shanna behandeln und stellt sie unter seinen Schutz. Es dauert nicht lange, bis Petrovsky erfährt, wer Shanna unter seine Fuchtel genommen hat, und Rache plant. Zu allem Überfluss merkt Roman, der der Liebe eigentlich schon vor langer Zeit abgeschworen hat, dass seine Gefühle für Shanna von Tag zu Tag wachsen – doch wie soll eine Beziehung zu einer Sterblichen funktionieren, wenn Shanna nicht einmal Blut sehen kann?

Bereits die Inhaltsangabe lässt vermuten, dass es sich bei „Wie angelt man sich einen Vampir?“ von Kerrelyn Sparks um eine Vampir-Komödie handelt, und diese Vorstellung wird auch schon nach den ersten Seiten des Buches nicht enttäuscht. Es hat den Anschein, als hätte sich Kerrelyn Sparks zur Aufgabe gemacht, so viele Vampirklischees wie möglich in ihrem Buch zu vereinen und diese dann gehörig durch den Kakao zu ziehen. Ob nun die oben erwähnte Sache mit der Gummipuppe, welche nicht nur die Natur der Vampire, Menschen zu beißen und ihr Blut zu trinken, sondern auch ihre Erotik veralbert, die Tatsache, dass Vampire weder in Spiegeln zu sehen sind noch auf Fernsehaufnahmen, oder ihre Angewohnheit, tagsüber zu schlafen wie ein Stein – Kerrelyn Sparks bedient sich beinahe jedes Klischees, das über Vampire bekannt ist, und bindet diese so in ihre Geschichte ein, dass sich dadurch nicht nur für die Vampire ein Problem entwickelt, sondern auch bei den Lesern für den ein oder anderen Lacher gesorgt ist.

In der ersten Hälfte des Buches jagt ein Scherz den anderen und unterhält den Leser bestens. Vor allem die ersten paar Kapitel wurden so lustig geschrieben, dass nicht nur die Handlung, sondern auch die Charaktere ins Lächerliche gezogen werden. Der Humor, den Kerrelyn Sparks in „Wie angelt man sich einen Vampir?“ eingebaut hat, ist nicht jedermanns Sache und wird auch nicht jeden begeistern können. Dadurch, dass die lustige Atmosphäre des Buches teilweise sehr aufgesetzt wirkt und nicht jeder Scherz wirklich überzeugen kann, wird nicht jeder etwas mit diesem Roman anfangen können. „Wie angelt man sich einen Vampir?“ ist kein Buch, wegen dem man aus dem Lachen fast nicht mehr herauskommt, sondern eines, das in der ersten Hälfte der Geschichte mit einigen Witzen punkten kann. Wer „Wie angelt man sich einen Vampir?“ lesen möchte, der muss sich auf den Humor, der nicht immer der beste ist, einlassen können und dabei auch mal den einen oder anderen schlechten Witz übersehen.

Nach der ersten Hälfte vollführt die Geschichte eine mehr oder weniger abrupte Wendung. Aus der Komödie, die zu keiner Sekunde ernst genommen werden kann, wird nun bitterer Ernst. Dort finden die veralberten Vampirklischees und die zahlreichen Witze ein Ende und die Geschichte entwickelt sich in eine völlig neue Richtung. Auch wenn mir die lustige Variante und die ernste eigentlich gleich gut gefallen haben, fand ich den Wechsel ein wenig störend, da dadurch auch der ganze Sinn der anfänglichen Geschichte über den Haufen geworfen wird. Während in der ersten Hälfte die Charaktere gnadenlos ins Lächerliche gezogen werden und auch die Geschichte selbst ein einziger Witz ist, so gewinnen die Charaktere in der zweiten Hälfte an Ernsthaftigkeit und die Geschichte verbannt jeden weiteren Witz. Zwar bleibt die Handlung durchgehend spannend, aber dennoch hätte sich Kerrelyn Sparks vorher entscheiden sollen, ob ihr Buch nun eine Vampir-Komödie oder eine ernste Vampir-Geschichte werden soll.

Wie eben schon erwähnt leiden unter den ständigen Witzen in der ersten Hälfte die Charaktere. Ob nun Roman, Shanna oder die Nebencharaktere, kein Charakter ist dort auch nur im Ansatz ernst zu nehmen. Weil möglichst viele lustige Szenen in das Buch eingebaut wurden, wirken dafür die Charaktere sehr oberflächlich und teilweise auch nur wenig realistisch. Weder die Gefühle noch die Reaktionen oder die Dialoge sind manchmal wirklich nachvollziehbar und erscheinen daher sehr aufgesetzt. So, wie die Charaktere in „Wie angelt man sich einen Vampir?“ teilweise reagieren, würde einfach kein normaler Mensch agieren oder fühlen. Wer also viel Wert auf die Charaktere legt, der wird der ersten Hälfte des Buches nicht allzu viel abgewinnen können, da sich die Protagonisten erst in der zweiten Hälfte zu normalisieren scheinen. Die Reaktionen werden realistischer, die Gefühle nachvollziehbarer.

Ein großer Pluspunkt, den Kerrelyn Sparks neben ihrem humorvollen Stil ausspielt, ist die Spannung. Hier spielt es keine Rolle, ob es sich nun um die erste oder die zweite Hälfte des Buches handelt, der Spannungsbogen bleibt während des kompletten Buches gleich straff. Die Geschichte wird zu keiner Zeit langweilig, da der Leser entweder mit humorvollen Szenen, Gefahren oder auch der Liebe, die sich zwischen Roman und Shanna anbahnt, bestens unterhalten wird. Wer einmal angefangen hat zu lesen, der kann dabei schnell einmal die Zeit vergessen, und auch wenn das Buch an sich nicht gerade perfekt ist, liest es sich sehr zügig und man hat seinen Spaß dabei.

Das Ende des Buches ist zwar an sich nicht schlecht, aber selbst mir fast ein wenig zu kitschig und zu viel Happy-End. Auf den letzten paar Seiten lösen sich sämtliche Probleme auf, Wunder geschehen und alles wendet sich zum Guten, sodass jeder glücklich ist. Happy-End hin oder her, man kann es auch ein bisschen übertreiben, und Kerrelyn Sparks hat mit „Wie angelt man sich einen Vampir?“ die Grenze ganz knapp überschritten. Details dazu werde ich keine verraten, aber einiges war einfach zu viel des Guten, sodass das Ende ein wenig ins Lächerliche und vor allem noch stärker ins Kitschige abgedriftet ist.

_Fazit:_

Wer von „Wie angelt man sich einen Vampir?“ von Kerrelyn Sparks erwartet, es handele sich dabei um eine pure Vampir-Komödie, der liegt falsch. Nach der ersten Hälfte des Buches wird die Geschichte ernst und hat nichts mehr von dem Witz in der ersten Hälfte vorzuweisen. Dennoch ist das Buch lesenswert, da der Spannungsbogen konstant bleibt und die Geschichte gut unterhält.

_Die Autorin:_

Kerrelyn Sparks war Französisch- und Geschichtslehrerin an einer High School, bis sich im Jahre 2002 ihr Traum endlich erfüllte: Ihr erstes Buch wurde veröffentlicht. Mittlerweile ist sie Bestsellerautorin und lebt mit ihrem Ehemann und ihren drei Kindern im Großraum Houston, Texas.

|Originaltitel: How to marry a Millionaire Vampire
Aus dem Amerikanischen von Justine Kapeller
460 Seiten
ISBN: 978-3-89941-450-9|
MIRA Taschenbuch

Mamatas, Nick – Unter meinem Dach

_Das Königreich Weinbergia grüßt die Welt_

In naher Zukunft: Der Krieg der USA gegen den Terror ist eskaliert, und Vater Daniel Weinberg hat die Schnauze voll: Er bastelt zusammen mit seinem Sohn Herbert eine Atombombe, erklärt sein Grundstück auf Long Island zur unabhängigen Nation und bietet den Kriegsgegnern der USA Friedensverträge an. Weinbergia wird fortan zum Mekka der Aussteiger.

Aber kann die junge Nation dem Druck standhalten? Können Pizzalieferungen aus dem angrenzenden imperialistischen Ausland die frischgebackene Atommacht lange genug am Leben erhalten? Reichen die Bierdosen im Kühlschrank, um eine langfristige Blockade durch die amerikanischen Soldaten auszusitzen? Mama Weinberg bezweifelt dies irgendwie und begibt sich ins Exil.

_Der Autor_

Nick Mamatas ist ein junger amerikanischer Autor griechischer Abstammung, der mit seinen Romanen „Abwärts: Move underground“ und „Northern Gothic“ aufhorchen ließ und viel positive Kritik einheimste. „Unter meinem Dach“ ist sein neuester Roman und für den deutschen Kurd-Laßwitz-Preis 2008 nominiert.

_Handlung_

Der junge Herbert Weinberg ist ein Gedankenleser und erzählt uns, seinem Publikum, haarklein, welche haarsträubenden Dinge er auf diesem Wege über seine lieben Mitmenschen erfährt. Dabei bemüht er sich, keine Vorurteile seinen Blick verstellen zu lassen. Auch nicht über die amerikanischen Soldaten, die sein Haus umstellt haben. Und das kam so …

Vater Daniel hat seinen ersten und dann noch den Ersatz-Job verloren, weil mal wieder eine Sparwelle durch die Firma fegte. Nun sammelt er dies und das. Aber weil Daniel ein findiger Bursche ist, weiß er auch, woher man sich spaltbares Material besorgt. Zusammen mit seinem Sohn Herbie durchforstet er die nächste Müllkippe auf Long Island, um nach Rauchmeldern und Barometern zu suchen. Rauchmelder enthalten ein Bauteil aus Americium, und dies lässt sich durch diverse chemische Prozesse in Uran-235 und -238 umwandeln.

Vater hat ein altes Hippie-Handbuch gefunden und mixt nun das spaltbare Material in seinem Keller. Um ein Haar werden er und Sohnemann von Mami Weinberg (Geri) erwischt, doch sie können sie noch einmal beschwindeln. Sobald sie zwei Komponenten sowie den nötigen Sprengstoff und Zünder beisammen haben, stopft Paps die Höllenmaschine in seinen großen Gartenzwerg und stellt diesen harmlos aussehenden Zeitgenossen wieder in seinem weitläufigen Garten auf. Dann erklärt er die Unabhängigkeit seines Königreichs. Es ist nicht ganz zufällig der 11. September, der Patriot Day.

Im Zeitalter der modernen Kommunikationsmittel ist auch das Unterfangen der Verkündung nicht schwierig. Paps muss seine Unabhängigkeitserklärung nur übers Radio verlautbaren und per Fax und Mail an die Regierungen aller existierenden Länder schicken. Den Feinden Amerikas bietet er einen Friedensvertrag an, denn er hat es satt, dass Amerika so viele Feinde hat. Als Erstes tauchen die Nachbarn auf, dann das FBI, das sich dezent nach Weinberg erkundigt. Herbie kann die Gedanken der Agenten lesen. Schließlich stehen eines Morgens die Panzer der Armee am Rande des Grundstücks, und der Befehlshaber fordert Danny auf, sich zu ergeben.

Die befreundete Republik Palau warnt die USA vor einem internationalen Zwischenfall und versichert Weinbergia ihres Beistandes und ihrer Solidarität. Wo ist Palau überhaupt, fragt sich Herbie und wird in der Südsee fündig. Aha, 1992 von den USA in die Unabhängigkeit entlassen, schau an. Der Beinahe-Zwischenfall veranlasst Mama Weinberg, schon immer etwas nervöser, das Haus zu verlassen und sich in die Obhut eines Rechtsanwalts zu begeben. Sie versucht, Herbie da rauszuholen, bevor das Haus zerbombt wird.

Nicht lange, da erfreuen sich Vater und Sohn Weinberg der Solidarität diverser Nachbarn. Bemerkenswert sind zwei Frauen mit Pizza, die einfach hier wohnen bleiben wollen. Die ältere, Adrienne, hat es offenbar darauf abgesehen, den König zum Ehebruch zu verleiten, und die jüngere, Kelly, wirft ein Auge auf den halbwüchsigen Prinzen Herbie, der besser mit Computern als mit Mädchen umgehen kann. Weinbergia bietet mehr und mehr Aussteigern Asyl. Die Paranoia des modernen Amerika schlägt zwar hohe Wellen, doch Papa Weinberg lässt sich nicht aus der Ruhe bringen.

Leider schafft es Mama Weinberg, Herbie loszueisen und mit sich zu nehmen. Sie hat sich einer christlichen Erweckungsgruppe angeschlossen und tritt mit ihrer Geschichte im Fernsehen auf. Unterdessen beobachtet Herbie per Gedankenlesen, wie sich die Lage in Weinbergia zuspitzt. Als Papa Weinberg beschließt, eine Expedition ins feindliche Ausland zu wagen, um die unabhängige Exklave des nächsten Supermarktes zu besuchen, glaubt die amerikanische Armee, nun sei die Gelegenheit günstig.

Doch die Dinge entwickeln sich keineswegs so, wie alle erwartet haben …

_Mein Eindruck_

Ich habe diesen kurzweiligen Roman binnen eines Nachmittags und Abends gelesen. Da die Sätze so kurz sind und das Geschehen so einfach zu verstehen ist, braucht man seine Hirnzellen nicht allzu sehr anzustrengen, um den Sinn und die Botschaft zu kapieren. Das meiste liest sich sowieso wie eine Episode aus der Familien-Soap-Parodie „Die Simpsons“. Manchmal allerdings gerät die internationale „Politik“ in den Fokus des Geschehens – wenn man den Solidarpakt mit Palau dazurechnen darf. Denn einer der Gründe, warum das Buch so unterhaltsam ist, liegt darin, dass stets Interessensvertreter nur direkt und persönlich auftauchen (auch per Gedankenlesung), so dass ständig ein lebhafter Dialog besteht.

|Der Austritt|

Natürlich wundert sich der deutsche Leser, wieso überhaupt ein Amerikaner auf die Idee kommen kann, sich und sein Grundstück für unabhängig zu erklären. Das ist in der amerikanischen Verfassung und Unabhängigkeitserklärung begründet. Bekanntlich sind die USA eine Union von Staaten, die dem Bund beigetreten sind. Nach der Eroberung der Indianergebiete mussten sich die Territorien erst den Status des Bundesstaates erwerben. Theoretisch könnten sie ihn auch wieder verlieren (wie es Springfield im [Simpsons-Film]http://www.powermetal.de/video/review-1149.html ergeht) oder gar aus dem Staatenbund austreten. Autarkiebestrebungen hat es offenbar immer wieder gegeben, und Vermont ist bekanntermaßen einer der renitentesten Bundesstaaten. Klar, dass Vermont dem neuen Weinbergia seine Solidarität erklärt.

|Vorbilder|

Die Grundidee des Austrittes aus der Union ist nicht gerade taufrisch. Schon 1985 veröffentlichte Marc Laidlaw, ein Vertreter des Cyberpunk in der SF, seinen satirischen Roman [„Dad’s Nuke“]http://en.wikipedia.org/wiki/Dad’s__Nuke (deutsch bei |Goldmann| 1987 unter dem Titel „Papis Bombe“). Darin errichtet ein Familienvater ein Atomkraftwerk auf seinem Grundstück. Die USA sind zu dem Zeitpunkt allerdings schon in einen Flickenteppich von Kleinstaaten zerfallen. Auch die Idee kleinster unabhängiger Staaten ist weltweit immer wieder umgesetzt worden. Diese Mikrostaaten geben eigene Briefmarken etc. heraus, was den Sammlern nur recht sein kann.

|Warum Autonomie?|

Die Grundfrage finde ich nicht besonders gut beantwortet: Warum erklärt sich Weinberg überhaupt für unabhängig und gründet einen Staat? Nun, die USA haben ja bekanntlich dem „Terror“ an sich den „Krieg“ erklärt und mit dem Patriot Act und dem Heimatschutzministerium das Fundament für ein faschistisches Regierungssystem gelegt. Der Rechtsruck schränkt bürgerliche Freiheiten ein, lässt der Wirtschaft freie Hand und schließt Minderheiten aus – von der Paranoia hinsichtlich feindlicher Ausländer ganz zu schweigen. Weinberg bietet eine Alternative: Sein Friedensangebot an den islamischen Orient und das Asyl, das er sogar misstrauisch beäugten Kanadiern („die weiße Gefahr!“) gewährt, sind ein Beispiel für den guten Amerikaner, wie es ihn irgendwann mal gegeben haben mag.

|Guter oder schlechter Amerikaner?|

Die Nachbarn stellen prompt die kritische Frage, ob Weinberg ein guter oder ein mieser Amerikaner sei. Weinberg sagt, er sei überhaupt kein Amerikaner mehr. Na, wenn das nicht mieser Patriotismus ist! Fortan müssen die Weinbergs und ihre Asylanten Wache schieben. Die Frage nach der Liebe des Vaterlandes ist das immer gleiche Totschlagargument, das sich jeder Kritiker der Regierung in den USA gefallen lassen muss. Man muss offenbar sieben Kinder vorweisen können, um wie die demokratische Sprecherin des Repräsentantenhaus Nancy Pelosi den Präsidenten kritisieren zu dürfen.

|Panorama der Neurosen|

Herbie kann die Gedanken aller lesen. Seine Fähigkeit wird nie auch nur im Ansatz begründet, aber es ein gutes Mittel des Autors, um Herbie zu einem allwissenden Erzähler zu machen. Auf diese Weise erleben wir nicht nur den recht begrenzten subjektiven Blickwinkel Herbies und seines Vaters, sondern auch die ansonsten verborgenen Meinungen, Ansichten und Gefühle der Menschen um ihn herum.

Ein kleiner Mikrokosmos entsteht, den ich sehr interessant gestaltet fand. Die Widersprüche zwischen Gedanken und Worten lassen jede Menge Ironie entstehen. Hier werden dann die Werte und Verklemmtheiten der amerikanischen Mittelklasse à la „Desperate Housewives“ und anderen Suburbia-Dramen auf die Schippe genommen. Dass auch die Zwangsneurosen der Militärs bloßgestellt werden, versteht sich von selbst. Der Showdown im Supermarkt bietet wieder köstliche satirische Action, mit Ironie vermengt.

|Die Übersetzung|

Ich will die Druckfehler außer Acht lassen und mich auf die Stilfehler und dergleichen beschränken. Auf Seite 29 wird Herbies Dad mit „ihre Lordschaft“ bezeichnet. Richtiger wäre wohl angesichts seines männlichen Geschlechts, von „seiner Lordschaft“ zu sprechen.

Auf Seite 61 steht ganz unten der holprige Satz: „Es fiel schwer, zu denken, geschweige den, die Gedanken anderer Leute aufzuschnappen.“ Statt „den“ sollte es „denn“ heißen, und ob das erste Komma vor „zu denken“ stehen muss, bezweifle ich.

Ansonsten ist Körbers Übersetzung ein Paradebeispiel für lebhaften und anschaulichen Stil, der insbesondere idiomatische Redewendungen ausgezeichnet ins Deutsche überträgt. Die Figuren reden wie Deutsche ihre eigene Umgangssprache und wirken so wesentlich realistischer, als wenn sie gestelztes literarisches Deutsch (im Original natürlich Englisch) reden würden.

Wundervoll passend finde ich das Titelbild. Man muss schon genau hinsehen, um die kleine Bombe zwischen all den Sternen auf der Flagge zu finden.

_Unterm Strich_

„Unter meinem Dach“ ist eine flotte und sehr humorvolle Satire über den heutigen Zustand der amerikanischen Gesellschaft. Sie ist zunehmend von Paranoia und dem Verschwinden der Mittelschicht geprägt (was ja bei uns auch nicht anders ist). Die Simpsons lassen schön grüßen, inklusive amerikanisch-christlicher Erweckungsbewegung. (Offenbar darf nie eine Epiphanie fehlen.)

Als Sciencefiction kann man nur zwei Aspekte bezeichnen: den Austritt aus der Union und das Gedankenlesen des Erzählers. Wer also eine kurzweilige Satire auf den American Way of Life lesen möchte, die auf dem aktuellen technischen und kulturellen Stand ist, der ist hier an der richtigen Adresse.

Der relativ hohe Preis von knapp 13 Euro ergibt sich aus der niedrigen Auflage. |Edition Phantasia| ist eben keiner der großen Verlage. Aber dafür werden hier die interessantesten Bücher innerhalb des phantastischen Genres verlegt.

|Originaltitel: Under my Roof, 2007
149 Seiten
Aus dem US-Englischen von Joachim Körber|
http://www.edition-phantasia.de

Moers, Walter – Rumo & Die Wunder im Dunkeln. Ein Roman in zwei Büchern

_Es gibt Wunder, die müssen im Dunkeln geschehen_

Rumo, den alle für einen kleinen Hund halten, lebt zusammen mit Fhernhachenzwergen auf einem Bauernhof und ist der Liebling der Familie. Doch als er eines Tages, nicht wie üblich, im Haus völlig allein gelassen wird und zusätzlich noch schreckliche Schmerzen in seinem Maul verspürt, beginnt er auf zwei Beinen zu laufen, um nach den Fhernhachen zu suchen. Diese werden jedoch in genau diesem Moment von Teufelszyklopen verschleppt, die schließlich auch noch Rumo einfangen.

Als er dann auf den Teufelsinseln, der Heimat der Teufelszyklopen, in einem Gefängnis mit vielen anderen Insassen wieder erwacht, ahnt er noch nichts Böses. Doch als immer mehr der Mitgefangenen von den Teufelszyklopen rausgeschafft und gefressen werden, merkt er bald, in welcher Gefahr er sich befindet. Er verbündet sich mit einem weiteren Gefangenen, einer Haifischmade namens Smeik, der ihm auch erklärt, wer und was er in Wirklichkeit ist: ein Wolpertinger. Und die Schmerzen, die Rumo im Kiefer spürt, sind wachsende Reißzähne.

Während des Aufenthaltes auf den Teufelsinseln bringt Smeik Rumo das Sprechen bei, er zeigt ihm, was er tun muss, damit er von den Teufelszyklopen nicht als Frühstück verspeist wird, und Rumo wächst und wächst. Nach einiger Zeit, als es für Rumo immer brenzliger wird, weil die Teufelszyklopen in ihm einen Leckerbissen sehen und ihn mästen, unterbreitet Smeik ihm seinen Fluchtplan, der auch bald durchgeführt wird und tatsächlich gelingt.

Als Rumo und Smeik wieder frei sind, folgt Rumo einem silbernen Faden am Himmel, den er stets sieht, wenn er die Augen schließt. Was ist das für ein silberner Faden und wohin führt er? Eine abenteuerliche und gefährliche Reise beginnt.

_Walter Moers_ verfügt über eine sehr humorvolle und unterhaltsame Erzählweise, die mir noch von [„Die Stadt der träumenden Bücher“ 2486 gut in Erinnerung geblieben ist. Er schreibt, als wäre all das, was er in seinen Geschichten erschafft, selbstverständlich und alltäglich, und so natürlich, wie er dem Leser seine Welt vermittelt, nimmt dieser sie auch wahr. So wahnwitzig und absurd die Wendungen der Geschichte oder die Wesen in dem Buch auch erscheinen, man kann einfach alles völlig ernst nehmen und sich fabelhaft in die Geschichte hineinversetzen. Nicht jedem Autor gelingt es, seine fiktive Welt so selbstverständlich rüberzubringen, dass man sich wirklich vollkommen in sie hineinversetzen kann und auch nicht bei dem verrücktesten Wesen die Stirn über die Absonderlichkeit des Ganzen runzelt, sondern derlei einfach als normal akzeptiert.

Dazu schreibt Walter Moers sehr wortgewandt und fesselnd. Auch wenn Rumo mal kein großes Abenteuer bestehen muss, gelingt es Walter Moers, den Leser mit seiner lustigen und unterhaltsamen Art völlig an das Buch zu fesseln, so dass man Rumo stets auf Schritt und Tritt folgt und die Geschichte selbst miterlebt.

Walter Moers‘ Bücher über Zamonien hängen inhaltlich immer leicht zusammen: Natürlich ist es immer dieselbe Welt, man begegnet denselben Kreaturen, und ab und zu trifft man jemanden, den man aus einem anderen Zamonien-Buch bereits kennt. Allerdings handelt es sich trotz allem nicht um zusammenhängende Bücher, sondern jedes ist eigenständig lesbar. Man muss also in keiner besonderen Reihenfolge lesen, damit man auch alles versteht. Walter Moers erklärt wirklich alles sehr genau, ohne jedoch zu langweilen. Ab und zu schweift er auch ein wenig ab und erzählt andere Geschichten aus Zamonien, doch das stört nicht, denn man verliert dennoch nie den roten Faden.

Was wirklich besonders zu beeindrucken weiß, ist der große Ideenreichtum, den man in „Rumo“ finden kann. Die Geschichten, die Kreaturen, die Persönlichkeiten – so viele verrückte und wahnwitzige Ideen wie in „Rumo“ oder anderen Zamonien-Büchern findet man in keinem anderen Gesamtwerk. Walter Moers besitzt eine Fantasie wie kaum ein anderer Autor.

Rumo selbst ist eine Hauptfigur, die man sofort in sein Herz schließt. Voller Spannung habe ich mitgefiebert – von seinem Aufenthalt auf dem Bauernhof, als er noch klein und brav ist und noch nicht einmal sprechen kann, bis zu dem Zeitpunkt, als er zum Helden wird, die größten Gefahren auf sich nimmt und die gefährlichsten Abenteuer besteht. Rumo ist ein mutiges kleines Kerlchen, das lieber tapfer mit seinem Schwert gegen die größten Gefahren kämpft als seiner großen Liebe zu gestehen, was er für sie empfindet. So mutig, wie er im Kampf auch ist, sobald seine Geliebte in der Nähe ist, wird er zum Tollpatsch und traut sich kaum, irgendetwas zu sagen. Niedlich!

Was mir ebenfalls sehr gefallen hat, waren die vielen Bilder. Zwar ist nicht gerade auf jeder Seite eins zu finden, aber immer wieder veranschaulichen kleinere oder größere Bilder das, was Walter Moers beziehungsweise sein fiktiver Chronist erzählt oder erklärt. Bei manchen Kreaturen wäre es ansonsten auch nicht so einfach, sich diese vorstellen zu können, und dabei sind die Bilder oft sehr hilfreich.

Die Geschichte dürfte in ihrer Skurrilität für den ein oder anderen wohl etwas gewöhnungsbedürftig sein. So erging es mir auch mit meinem ersten Walter-Moers-Buch. Anfangs gelang es mir nicht gänzlich, mich völlig mit den Kreaturen und der Erzählung anzufreunden. Bei „Rumo“ war aber bereits alles ganz anders. Das Buch hat mich schon nach den ersten paar Seiten fest im Griff gehabt und ich konnte vollkommen in Walter Moers‘ Zamonien eintauchen.

_Fazit:_ „Rumo & Die Wunder im Dunkeln“ überzeugt vollkommen und ist ist meiner Meinung nach der beste der Zamonien-Romane. Die Geschichte ist skurril und verrückt, genauso wie die Charaktere es sind, und Walter Moers schreibt mit viel Liebe zum Detail.

Wem der Name _Walter Moers_ unwahrscheinlicherweise nichts sagen sollte, der kennt vielleicht eines seiner zahlreichen berühmten Werke: „Das kleine Arschloch“, „Die 13 ½ Leben des Käpt’n Blaubär“, „Der Fönig“, „Adolf“ oder „Rumo“. Und das ist noch lange nicht alles, was Walter Moers bisher erschaffen hat. Die meisten seiner Werke stammen allerdings aus seiner selbsterfundenen Welt „Zamonien“, die von Lindwürmern, Wildschweinlingen, Haifischmaden, Schrecksen, Hundlingen und vielen anderen Kreaturen besiedelt wird.

Eigentlich kreiert Walter Moers hauptsächlich Comics (wie z. B. „Das kleine Arschloch“), aber im Jahr 1999 brachte er seinen ersten Roman heraus: „Die 13 ½ Leben des Käpt’n Blaubär“. Darauf folgten dann zahlreiche weitere Romane aus Zamonien, die allesamt sehr erfolgreich waren.

|Die Zamonien-Reihe:|

„Die 13 ½ Leben des Käpt’n Blaubär“ (1999)
„Ensel und Krete – Ein Märchen aus Zamonien“ (2000)
„Rumo & Die Wunder im Dunkeln“ (2003)
[„Die Stadt der träumenden Bücher“ 2486 (2004)
[„Der Schrecksenmeister“ 4678 (2007)

Mehr Infos über Zamonien: http://www.zamonien.de

http://www.piper-verlag.de

Moers, Walter – Schrecksenmeister, Der. Ein kulinarisches Märchen aus Zamonien von Gofid Letterkerl

_Gottfried Keller auf Zamonisch_

Echo ist eine Katze. Nein – um genau zu sein, ist er eine Kratze. Eine Kratze unterscheidet sich von einer Katze nur insofern, als sie zwei Lebern besitzt, sehr viel Wissen in sich aufnehmen und sich mit jeder Daseinsform in Zamonien unterhalten kann.

Echo lebte lange Zeit glücklich mit seinem Frauchen in einem Haus in Sledwaya, einer Stadt, in der alle Bewohner dauerkrank sind. Bis sein Frauchen eines Tages starb und Echo von den neuen Bewohnern auf die Straße geworfen wurde.

Dort versucht er sich durchzuschlagen, ist aber bald vollkommen dürr und dem Tode nahe, wenn er nicht bald wieder etwas zu Fressen bekommt. Genau in diesem Augenblick läuft das Unglück von ganz Sledwaya über die Straße: der Schrecksenmeister Eißpin, der verantwortlich für die Krankheit der Bewohner ist und vor dem alle Angst haben. Als er Echo sieht, schlägt er ihm einen teuflischen Vertrag vor: Eißpin möchte Echo bis zum nächsten Schrecksenmond mit allerlei Köstlichkeiten durchfüttern, wenn er in der Nacht des Schrecksenmonds Echo töten und sein Fett auskochen darf, um es für seine alchimistischen Versuche zu verwenden. Echo bleibt keine andere Wahl und willigt in den Vertrag ein.

Wie versprochen füttert Eißpin Echo mit allerlei Leckereien und zeigt ihm all seine alchimistischen Geheimnisse. Da Echo aber nicht sterben möchte, versucht er mit allen Mitteln, den Kontrakt mit Eißpin zu brechen. Nichts davon scheint zu funktionieren und der Schrecksenmond rückt bedrohlich näher …

Zamonien ist ein weiterer Kontinent unserer normalen Welt, dessen Hauptstadt die Stadt Atlantis ist. In Zamonien leben alle Daseinsformen, die man sich nur vorstellen kann (oder eben auch nicht), wie Schrecksen, die in Zamonien behandelt werden wie im Mittelhalter normale Hexen, Fhernhachenzwergen, die immer optimistisch und lieb sind, Wolpertinger, Haifischmaden, Blutschinken, Lindwürmer, Schuhus, Laubwölfe und viele mehr. Es gibt Orte wie die Süße Wüste, in welcher der Sand aus Zucker besteht, eine Stadt namens Wolperting, in der lediglich Wolpertinger leben dürfen, Buchhaim, wo ein Bücherladen neben dem anderen steht und wohin alle angehenden Schriftsteller gehen, und Städte wie Sledwaya, in der alle Bewohner dauerkrank sind, weil der Schrecksenmeister den lieben langen Tag damit verbringt, sich neue Krankheiten für die Bewohner von Sledwaya auszudenken.

Wie schon bei seinem Märchen „Ensel und Krete“, das eine zamonische Version von „Hänsel und Gretel“ von den Gebrüdern Grimm darstellt, ist auch „Der Schrecksenmeister“ in seiner Grundform nicht von Walter Moers selbst. Bei seinem letzten Buch hat er sich Gottfried Kellers „Spiegel, das Kätzchen“ als Vorlage genommen und daraus ein typisch zamonisches Märchen gezaubert. Nachdem ich „Spiegel, das Kätzchen“ von Gottfried Keller gelesen hatte, war ich schon sehr gespannt darauf, was Walter Moers aus dieser Geschichte machen würde und erwartete von der Umsetzung sehr viel. Vielleicht ein wenig zu viel. Das Buch hat mir zwar sehr gut gefallen, allerdings war mir die Geschichte im Großen und Ganzen doch ein wenig zu nah am Original orientiert.

Ich kenne Walter Moers als einen Autor, dem es nie an verrückten und genialen Ideen mangelt. Seine Zamonien-Bücher sind alle zum Bersten gefüllt mit seinen verrückten Ideen, bei denen man nur den Kopf schütteln und sich immer wieder fragen muss: Wie kommt man denn auf |so| eine schräge Idee? Dies aber mitnichten im negativen Sinne, sondern ganz im Gegenteil. Walter Moers hat absolut verrückte Ideen und verpackt diese dermaßen gut und realistisch, als würde er nicht über eine völlig kuriose Welt erzählen, sondern den Inhalt seiner Vorratskammer beschreiben – einfach völlig selbstverständlich, und dem Leser bleibt auch nichts anderes übrig, als Zamonien als naturgegeben zu nehmen.

Genau das habe ich bei „Der Schrecksenmeister“ auch erwartet und war vom Ergebnis schon ein wenig enttäuscht. Zwar findet man in diesem Buch auch wieder die typischen Ideen von Walter Moers, dies aber ziemlich rar gesät und teilweise auch einfach nicht wirklich passend. Als sich zum Beispiel Echo und die Schreckse zusammenraufen, muss Echo der Schreckse zuallererst einen Zungenkuss geben. Normalerweise hat wirklich alles in Walter Moers‘ Büchern einen Sinn, und sei es auch noch so verrückt und durchgeknallt, aber warum Echo eine Schreckse küssen muss, damit sie zusammenarbeiten können, ist in diesem Zusammenhang gänzlich unklar. Und das ist leider nicht die einzige Idee dieser Art, die Walter Moers in seinen Roman unpassend eingebaut hat.

Eigentlich sind die alleinigen Hauptpersonen in diesem Buch Echo, der Schrecksenmeister Eißpin und die Schreckse Izanuela. Zwar gibt es noch einige Nebencharaktere, aber die spielen kaum eine Rolle und kommen auch nicht wirklich oft zum Zuge. Diese Begleifiguren scheinen für die Handlung nicht wirklich wichtig zu sein und wirken teilweise ein wenig Fehl am Platz. Normalerweise ist in den Zamonien-Büchern jeder Charakter wichtig, ob nun Nebencharakter oder nicht. Hier dagegen wirken diverse Figuren zusammenhanglos ins Erzählte hineingeworfen; zum Beispiel ist der Schuhu Fjodor F. Fjodor, der Fremdwörter nicht richtig aussprechen kann und versucht, Echo zu helfen, zwar an sich eine gute Idee, aber innerhalb der Geschichte praktisch völlig unnütz. Ich hätte es besser gefunden, wenn Walter Moers auch mehr auf seine Nebencharaktere eingegangen wäre und sie mehr in die Handlung integriert hätte, statt seine ganze Aufmerksamkeit lediglich Echo, dem Schrecksenmeister und der Schreckse zu widmen.

Was nun nicht wirklich gestört hat, ich aber ein wenig schade fand, ist, dass nicht nur die guten Ideen eher selten in „Der Schrecksenmeister“ zu finden sind, sondern dass diesmal auch sehr wenige Bilder beigefügt sind. Dagegen ist ja an sich auch nichts einzuwenden, aber an einigen Stellen hätte ich mir schon Bilder gewünscht, weil man sich nicht immer alles aus dieser phantastischen Weltenschöpfung so problemlos vorstellen kann. Gerade von der „Weißen Witwe“, einem sehr gefährlichen Wesen, hätte ich mir ein Bild gewünscht.

Was den Schreibstil Walter Moers‘ angeht, hat sich nicht allzu viel verändert, was auch gut so ist. Der Stil ist noch immer außergewöhnlich und unverwechselbar. Er beschreibt alles sehr blumig, detailreich und originell – eben typisch Moers. Die Formulierungen und Vergleiche, die er sehr oft verwendet, sind sehr einfallsreich und machen das Buch umso lebendiger. Wie man es ebenfalls von Moers kennt, ist sein Schreibstil sehr flüssig, sodass man komplett in die Geschichte eintauchen kann und mit der Lektüre auch recht zügig vorankommt.

_Fazit:_ „Der Schrecksenmeister“ ist im Großen und Ganzen zwar schon ein gelungenes Buch, kann aber mit den restlichen Zamonien-Büchern nicht richtig mithalten. Weil ich von den Vorgängern so begeistert bin, habe ich mir von dem hier vorliegenden Band ein wenig zu viel erhofft und wurde dementsprechend etwas enttäuscht. Dennoch ist „Der Schrecksenmeister“ ein Buch, das es wert ist, einen aufmerksamen Blick zu riskieren, und in eine Walter-Moers-Sammlung gehört es sowieso.

Wem der Name _Walter Moers_ unwahrscheinlicherweise nichts sagen sollte, der kennt vielleicht eines seiner zahlreichen berühmten Werke: „Das kleine Arschloch“, „Die 13 ½ Leben des Käpt’n Blaubär“, „Der Fönig“, „Adolf“ oder „Rumo“. Und das ist noch lange nicht alles, was Walter Moers bisher erschaffen hat. Die meisten seiner Werke stammen allerdings aus seiner selbsterfundenen Welt „Zamonien“, die von Lindwürmern, Wildschweinlingen, Haifischmaden, Schrecksen, Hundlingen und vielen anderen Kreaturen besiedelt wird.

Eigentlich kreiert Walter Moers hauptsächlich Comics (wie z. B. „Das kleine Arschloch“), aber im Jahr 1999 brachte er seinen ersten Roman heraus: „Die 13 ½ Leben des Käpt’n Blaubär“. Darauf folgten dann zahlreiche weitere Romane aus Zamonien, die allesamt sehr erfolgreich waren.

|Die Zamonien-Reihe:|

„Die 13 ½ Leben des Käpt’n Blaubär“ (1999)
„Ensel und Krete – Ein Märchen aus Zamonien“ (2000)
„Rumo & Die Wunder im Dunkeln“ (2003)
[„Die Stadt der träumenden Bücher“ 2486 (2004)
„Der Schrecksenmeister“ (2007)

Mehr Infos über Zamonien: http://www.zamonien.de

http://www.piper-verlag.de

Pratchett, Terry / Jean, Vadim – Schweinsgalopp. Das illustrierte Buch zum großen Film

Die finsteren Revisoren der Wirklichkeit wollen den Glauben der Menschheit vernichten und heuern einen Assassinen namens Kaffeetrinken an, damit dieser den Inbegriff des Glaubens, den Schneevater, beseitigt, der am Silvesterabend den Bewohnern der Scheibenwelt Geschenke bringt.

Doch wenn der Glaube an den Schneevater erlischt, wird am nächsten Morgen die Sonne nicht mehr aufgehen, und so schlüpft der TOD kurzerhand in das rote Gewand und verteilt mit seinem Gehilfen Alfred die Geschenke. Neben dem Schneevater ist TOD nämlich der Einzige, der an mehreren Orten zugleich sein kann. Doch um die Scheibenwelt zu retten, muss man das Übel an der Wurzel packen. So macht sich TODs Enkelin Susanne auf, um Kaffeetrinken zu stellen …

„Schweinsgalopp“ ist der erste Roman der Scheibenwelt, der kürzlich sehr aufwendig fürs Fernsehen verfilmt und in Deutschland als zweiteiliger TV-Film auf PRO 7 am ersten Weihnachtstag ausgestrahlt wurde. Mit diesem Bildband präsentiert der |Manhattan|-Verlag nun das optimale Begleitbuch zu diesem Ereignis. Reich bebildert mit Fotos aus dem dreistündigen Film und vielen Skizzen, ist der Band ein echter Augenschmaus.

Der Text hingegen ist lediglich die letzte Drehbuchfassung des Romans und daher wohl nur für echte Pratchett-Fans interessant oder jene, die von dem Film schlichtweg begeistert waren. Leider ist auf dem Schutzumschlag der deutschen Ausgabe kein Hinweis darauf zu lesen, dass nicht die komplette Geschichte erzählt wird. Für all jene also, die einfach das vollständige Abenteuer in gedruckter Form nachlesen wollen, ist die Taschenbuchausgabe des Romans empfehlenswerter und vor allem preisgünstiger. Dennoch macht es sehr viel Spaß, den Film anhand der Bilder und der Dialoge noch einmal Revue passieren zu lassen, und die Illustrationen sind von erstaunlich hoher Qualität. Darüber hinaus gibt es ein ausführliches Vorwort von Terry Pratchett selbst sowie von Drehbuchautor und Regisseur Vadim Jean.

Die Geschichte von „Schweinsgalopp“ ist recht originell und vor allem gespickt mit viel schwarzem Humor. Der TOD als Weihnachtsmann macht dabei eine urkomische und mehr als gute Figur und die Gags zünden selbst als rohe Drehbuch-Version glänzend. Ein Manko sind allerdings, wie schon im Film, die häufigen Szenenwechsel, die gerade das Lesen anstrengend gestalten. Auch für Nicht-Pratchett-Kenner ist das Buch aber verständlich und man hat sehr viel Freude an den skurrilen Ideen des Autors und seiner Scheibenwelt.

Die Aufmachung ist dem Verlag bestens gelungen. „Schweinsgalopp“ ist ein großformatiger Bildband, dessen Illustrationen auf dem edlen Hochglanzpapier bestens zur Geltung kommen. Und obwohl der Preis für ein derartiges Buch angemessen ist, dürften wohl nur echte Pratchett-Fans dafür so tief in die Tasche greifen.

Fazit: Ein liebevoll aufgemachter Bildband zum zweiteiligen Fernsehfilm mit vielen Farbfotos und einer Menge kunstvoller Skizzen der agierenden Personen. Leider gibt es als Text nur die letzte Drehbuchfassung, was nicht unbedingt für jedermann interessant ist. Hinzu kommt der stolze Preis, der allerdings für einen derart prunkvollen Band durchaus angemessen ist. Nichtsdestotrotz ist „Schweinsgalopp“ eine hervorragende und sehr humorvolle Parodie mit viel schwarzem Humor.

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_Florian Hilleberg_

Arto Paasilinna – Adams Pech, die Welt zu retten

Energiekrise, hinfort mit dir

Die Energiekrise ist in aller Munde, die Umweltverschmutzung und Klimaerwärmung spätestens seit den IPCC-Berichten ebenfalls, und genau dies will sich der Erfinder Aatami Rymättylä zunutze machen. Für ihn herrscht Saure-Gurken-Zeit. Seine Akku-AG läuft schlecht, die Aufträge und Reparaturen bleiben aus, da wirtschaftliche Flaute herrscht und niemand ihn beschäftigen will. Der Gerichtsvollzieher ist daher ein guter Bekannter Rymättyläs, aber vor allem seine Exfrauen und -freundinnen stehen permanent auf der Matte, da Aatami Rymättylä die Alimente für seine inzwischen sieben Kinder nicht zahlen kann. Doch eines Tages schafft er den Durchbruch, er erfindet einen leichten Akku auf organischer Basis, der viel leichter und handlicher ist als die herkömmlichen Bleiakkus, aber vor allem speichert sein neuer Akku viel mehr Energie. So trifft es Rymättylä nicht allzu schwer, als bei einer Explosion seine gesamte Werkstatt abbrennt und er selbst wegen vermeintlichen Versicherungsbetrugs im Gefängnis landet. Er hätte ohnehin nicht gewusst, wo er hätte unterkommen sollen, außerdem hat er im Gefängnis genügend Zeit, um seine Berechnungen für den neuen Akku zu verfeinern und zu überdenken.

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Tufts, Gayle – Weihnacht at Tiffany\’s

Gayle Tufts schafft es immer wieder, mit ihrem sympathischen Denglisch-Kauderwelsch die kulturellen Unterschiede zwischen ihrer Ex-Heimat Amerika und ihrer Neu-Heimat Deutschland herauszukehren. Dabei kriegen stets beide Seiten ihr Fett weg, Deutsche mit all ihren kulturellen Absonderlichkeiten genauso wie die den Deutschen in nichts nachstehenden Amerikaner. Auch beim Thema Weihnachten scheiden sich zwischen Amerika und Deutschland die Geister: Lebkuchen und Christkindlmarkt diesseits des Atlantiks, Lamettawahn und Kitschalarm auf der anderen Seite.

In „Weihnacht at Tiffany’s“ schildert Gayle Tufts nun also ihre Erfahrungen mit dem Weihnachtsfest beiderseits des Atlantiks, und wer Gayle Tufts kennt, der weiß, dass das keine trockene Angelegenheit ist, sondern reichlich Stoff zum Schmunzeln birgt. Dabei ist Gayle Tufts ein bekennender Weihnachts-Fan, und so liegt der Humor auch mehr im Kleinen, als dass Tufts sich eines unsentimentalen Brachial-Humors bedienen müsste, der in einem einzigen Rundumschlag alles an Weihnachten durch den Kakao zieht.

Dass Gayle Tufts das ganze Drumherum an Weihnachten sehr schätzt, lässt sie immer wieder deutlich werden. Sie ist mit den großen „Christmas Shows“ des amerikanischen Fernsehens groß geworden, und das hat ihre Weihnachtseinstellung sehr mitgeprägt, ohne dass sie dabei den Bezug zur Realität verloren hätte. Immer wieder streut sie Anekdoten ein, erzählt von ihren diversen Weihnachtserlebnissen in Deutschland und mit ihrer Familie in Amerika. Sie versteht es, die Komik der Situation herauszukehren, und das auf eine verschmitzte, schwarzhumorige Art, die sie sehr sympathisch wirken lässt.

Ein Teil des Buches schildert Gayles Tufts Erlebnisse während ihrer eigenen „Christmas Show“, die unter dem Titel „White Christmas“ vor einiger Zeit in Berlin lief. Sie berichtet von den Vorbereitungen, den Arbeiten vor und hinter der Bühne, und von den unterschiedlichen Dingen, die Weihnachten für die an der Show beteiligten Menschen bedeutet. Das ist für den Leser nicht zu jedem Zeitpunkt gleichermaßen interessant, vor allem, weil mir bei „Weihnacht at Tiffany’s“ die Gagdichte nicht ganz so hoch zu sein scheint, wie es noch bei [„Miss Amerika“ 2557 der Fall war.

Dennoch macht die Lektüre von „Weihnacht at Tiffany’s“ in der Summe wirklich Spaß. Dass nicht jede Seite vor Schenkelklopfern überquillt, sorgt immerhin auch dafür, dass Gayle Tufts mit ihrer Hommage an das Weihnachtsfest auch ein wenig weihnachtliche Stimmung hervorzaubert. Das Buch an einem verregneten Adventssonntag mit der Kuscheldecke auf dem Sofa zu lesen, trägt wirklich dazu bei, dem Leser ein bisschen weihnachtlich ums Herz werden zu lassen.

Zusätzlich serviert Gayle Tufts im Laufe des Buches immer wieder Auszüge aus dem „Holiday Songbook“: Weihnachtslieder, die in ihren Anekdoten eine Rolle spielen. Meistens ist einfach nur der englische Text abgedruckt, teilweise gibt’s eine Übersetzung von Gayle Tufts und in einigen wenigen Fällen hat sie die Texte in ihr ganz eigenes, so sympathisches Denglisch-Kauderwelsch umgedichtet.

Mit das Schönste an „Weihnacht at Tiffany’s“ aber sind „Gayles ultimative Christmas Top Ten“: die zehn besten Weihnachtssongs, die zehn besten Weihnachtsoutfits, zehn Dinge, die man Kindern auf keinen Fall schenken sollte, die zehn besten Weihnachtsfilme oder zehn Dinge, die man unbedingt an Weihnachten tun sollte – alles fundiert begründet und mit einen Augenzwinkern erzählt.

Mit dieser bunten Mischung aus Anekdoten, Songs und Gags schafft Gayle Tufts es in jedem Fall, dem Leser ein bisschen Weihnachtsstimmung zu bereiten – und das auf eine gleichermaßen charmante wie humorvolle Art. „Weihnacht at Tiffany’s“ ist schöne, locker-leichte Unterhaltungslektüre zur Weihnachtszeit.

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Keillor, Garrison – Nichts wie weg!

Garrison Keillor kehrt zurück nach Lake Wobegon, der Kleinstadt irgendwo im US-Staat Minnesota, die es leider aufgrund gewisser historischer Fehlentscheidungen nicht auf die Landkarte geschafft hat. So bleiben die Bürger meist unter sich, was ihnen nur lieb ist, je weiter die Schere zwischen Gegenwart und Fortschritt schließt.

Viel zu rasch schreitet das Leben nämlich nach Ansicht vor allem der älteren Einwohner voran. Das kann nichts Gutes bringen, denn Sicherheit bietet allein das Festhalten am Bewährten. Gibt es darüber hinaus Fragen, so stehen für die Lutheraner Pastor Ingquist und für die Katholiker Pater Emil bereit, denn die Bibel kennt Rat für alle Lebensprobleme, auch wenn die Konfessionen die Kenntnis der eigentlichen Wahrheit für sich beanspruchen; besonders Pater Emil hat viel von einem frühchristlichen Missionar an sich.

Aber so wird es gewünscht in Lake Wobegon: Man unterwirft sich den Autoritäten, die deshalb gefälligst Respektspersonen zu bleiben haben. Der Mensch ist schwach, der Versuchungen gibt es viele. Lebensfreude gilt daher als verdächtig. Spaß ist gestattet, wenn die Arbeit getan ist und er von besagten Autoritäten geprüft und freigegeben wurde. Dem echten Bürger von Lake Wobegon ist er trotzdem unheimlich, zumal er oder sie in dieser Stadt niemals ohne Aufsicht bleibt.

Lake Wobegon ist ein Aquarium, dessen Fische die vertraute Umgebung höchst ungern verlassen. Die Krebsbachs, Thorvaldsons, Lundbergs oder Bunsens sind nicht einfach nur Familien, sondern Dynastien, die auf eine anderthalb Jahrhunderte alte Geschichte zurückblicken – eine Zeit, die sie gemeinsam verbracht haben, was zu endlos verflochtenen Stammbäumen geführt hat, die freilich von den älteren Angehörigen problemlos hinuntergebetet werden können.

So geschieht für Außenstehende quasi rein gar nichts in Lake Wobegon, was von den Bürgern freilich gänzlich anders beurteilt wird. Aus diesem Kontrast entsteht die aus dem ersten „Lake Wobegon“-Band (Goldmann-TB Nr. 42234) bekannte und beliebte Komik, in die sich Wiedersehensfreude mischt, treffen wir doch alle lieb gewonnenen, weil skurrilen und verschrobenen Gestalten wieder und lernen sogar einige neu kennen.

„Es war eine stille Woche in Lake Wobegon“ – So beginnt jede der 36 in diesem Band versammelten Erzählungen. Sie tragen zunächst abschreckende Titel wie „Ein Glas Wendy-Bier“, „Hühner“ oder „Das Hochhaus“, die von Banalitäten künden und rührseligen ‚Auf-dem-Land-ist-alles-besser-‚Kitsch androhen. Einerseits zutreffend, andererseits weit gefehlt. Jawohl, es geht um Kleinigkeiten wie den Genuss eines sehr speziellen Biers, das Problem, ein geköpftes Huhn einzufangen, die Wahl eines neuen Wohnsitzes bzw. die trickreiche Verhinderung derselben. Für die Bürger von Lake Wobegon sind dies aber lebenswichtige Fragen. Verfasser Keillor weiß dies. Er nimmt seine Figuren ernst und stellt sie niemals bloß – eine angenehme Abwechslung in einer Gegenwart, die zunehmend Humor mit Klamauk und Schadenfreude gleichsetzt.

Doch hier haben wir es mit echtem Humor zu tun – leise schleicht er sich heran, um den Leser umso heftiger ins Zwerchfell zu springen. Fast sachlich – als echter Chronist eben – beschreibt der Verfasser sein Städtchen und dessen Bewohner. Der Witz entsteht aus dem Widerspruch, der daraus entsteht, dass die Menschen in Lake Wobegon eine sehr exotische Weltsicht haben. Reizvoll ist dabei, dass sie zwar Hinterwäldler, aber keine Rednecks sind, sondern eigenwillige Querdenker. Sie finden für Probleme, die im Grunde keine sind, Lösungen, mit denen man so nie gerechnet hätte.

Wobei hinter dem scheinbar Banalen immer wieder die Realität durchschimmert. Selbstverständlich kann man sich das Lachen nicht verbeißen, wenn Pater Emil wieder einmal seine sündhaften Schäfchen strammstehen lässt. Doch man erkennt auch die Tricks, derer er sich in Vertretung seiner Kirche dabei bedient: Religion à la Lake Wobegon ist auch ein Produkt taktisch eingesetzter Manipulation – natürlich nur zum Besten der Betroffenen, was freilich das Perfide des Systems um so deutlicher werden lässt.

Solche Regeln, die meist Einschränkungen sind, prägen generell das Leben in Lake Wobegon und machen es erst zu dem seltsamen Ort, über den wir, die wir dort nicht leben (müssen), uns so amüsieren. Da ist es nur gut und gerecht, dass auch jene, die an den Strippen ziehen, von der Lex Lake Wobegon nicht ausgenommen sind. Ob Pater, Polizist oder Schuldirektor – sie fangen sich ebenso häufig in den Fallstricken. Das Dorfleben ist da unerbittlich.

Dieser Humor ist still aber stets gegenwärtig. Man kann den Verfasser nur aus tiefem Herzen bewundern, mit welcher Kunst er Wort an Wort, Satz an Satz setzt, ohne die Lake-Wobegon-Atmosphäre jemals zu zerstreuen. Stattdessen macht er sein Publikum süchtig. Man möchte immer weiter und neue Geschichten lesen. Kein Wunder, dass Garrison Keillor sie – glückliches Amerika! – in seiner schon klassischen Radioshow „A Prairie Home Companion“ (s. u.) immer wieder erzählen muss.

Garrison Keillor wurde 1942 im Städtchen Anoka geboren. Es dauerte lange, bis er seinem geliebten und verhassten Heimatstaat entkam. Zunächst schaffte er es jedenfalls nur bis zur Universität von Minnesota, wo er auch seinen Abschluss im Fach Journalismus machte. Hier war es auch, wo er seine lebenslange Liebe zum Radio entdeckte und erste Features über den Äther schickte.

1969 wurde Keillor Journalist und arbeitete für den „New Yorker“. Fünf Jahre später schrieb er einen Artikel über die dortige Oper. Dies inspirierte ihn dazu, zum Radio zu wechseln, wo er eine Liveshow ins Leben rief: „A Prairie Home Companion“ wurde vor Publikum aus einem Theatersaal ausgestrahlt. 13 Jahre lief die Show, dann wechselte Keillor nach New York und startete „The American Radio Company“. Nach vier höchst erfolgreichen Jahren nannte er das Programm wieder „A Prairie Home Companion“. 2006 setzte Regisseur Robert Altman ihm im gleichnamigen Film – seinem letzten – (dt. „Robert Altman’s Last Radio Show“) ein würdiges Denkmal. Allerdings läuft die Show in Wirklichkeit weiter. (Dazu gibt es eine fabelhafte Website: http://prairiehome.publicradio.org.)

Als Schriftsteller hat Keillor bisher Bücher mit geistreichen und amüsanten Geschichten gefüllt, die längst nicht nur um Lake Wobegan, sondern um die generellen Höhen und Tiefen des Lebens kreisen. Dazu kommen drei Kinderbücher, Gedichte und Hörbücher. Garrison Keillor lebt in New York. Er ist verheiratet mit der Violinistin Jenny Lind Nilsson, mit der er eine Tochter hat.

Garrison Keillor findet man im Internet u. a. unter http://www.mindspring.com/~celestia/keillor.

Wilson, Robert Anton – Cosmic Trigger 3: Mein Leben nach dem Tod

Am 11. Januar dieses Jahres starb Robert Anton Wilson, bekannt für seine anarchistische und verquere Literatur. Just ist nun die deutsche Übersetzung von Wilsons \“Cosmic Trigger 3\“ erschienen, und just trägt das Buch den Untertitel \“Mein Leben nach dem Tod\“. Das ist doch mal eine interessante Synchronizität!

\“Cosmic Trigger 3\“ erschien in Originalsprache im Jahr 1995. Das Buch ist anders als die übrigen Werke Wilsons. Es ist – trotz Wilsons unverkennbaren Zynismus\‘ – ein nachdenkliches Buch. 1994 starb Wilsons Freund und Kollege Robert Shea an Krebs. (Zur Erinnerung: Mit Shea schrieb Wilson die \“Illuminatus!\“-Trilogie, mit der beide Schriftsteller bekannt wurden.) Wilson schreibt nun in \“Cosmic Trigger 3\“ über den Tod seines Freundes, und über seinen eigenen. Angeblich, so hieß es in einem der zahlreichen \“Weltverschwörungsforen\“ im Internet, sei Wilson 1995 verstorben. Verblüfft über den eigenen Tod, nimmt sich Wilson dieses Gerücht zum Anlass, über seinen eigenen Tod zu schreiben. Im Sinne seiner eigenen Weltbildentwürfe schließt Wilson letztlich nicht völlig aus, dass er sich über seinen eigenen Tod nicht auch von einem Gerücht eines Besseren belehren lassen könnte. Es folgt die typisch Wilson\’sche Bearbeitung: Generierung und Vermischung von Fakt und Fiktion – Guerilla-Ontologie eben.

Synchronizität oder Zufall? Ganz gleich, wie man diese Verquickung bewertet, sie ist für das Werkverständnis nicht uninteressant, denn sie ermöglicht einen zusätzlichen Zugang zu Wilsons nicht immer einfacher Schreibweise. \“Cosmic Trigger 3\“ thematisiert diesmal die Erzeugung subjektiver Realität und ihre \“Ontologisierung\“ in der objektiven Welt auf eine besondere Art und Weise. Wilsons Bezugssystem, aus dem er seine Anekdoten und Beispiele herleitet, ist die \“Welt des schönen Scheins\“, wie es Schiller nannte, die Kunst.

Nach sechsunddreißig praktischen Kapiteln folgt ein theoretisches: Wilson \“erlöst\“ den Leser von der geballten Fülle seiner konkreten Beispiele und schreibt vom allgemein philosophischen Prinzip besagter Realitätserzeugung durch \“ästhetische Masken\“. Es geht um die künstlerische Inszenierung von Welt, mit der man es schaffen könne, \“echte\“ Realität zu erzeugen. Dieser Ansatz ist nun bei weitem nicht mehr so skurril wie manche Anekdote in \“Cosmic Trigger 3\“ auf den ersten Blick vermitteln mag, dieser Ansatz zeugt von der Möglichkeit eines ernsthaften In-Beziehung-Setzens von kulturell erzeugten Werken und agierendem Subjekt. Die künstlerischen \“Weisen der Welterzeugung\“, von denen Wilson spricht, erinnern stark an eine ästhetische Theorie, die zum Beispiel bei Nelson Goodman ihresgleichen findet.

\“Cosmic Trigger 3\“ ist anders. Es markiert eine besondere Phase in Wilsons Leben und Schreiben. Es bedient sich nicht außerordentlich ungewöhnlicher Sujets, besitzt doch aber innerhalb Wilsons Werk einen besonderen Stellenwert. Die deutsche Ausgabe von \“Cosmic Trigger 3: Mein Leben nach dem Tod\“ ist im |Phänomen|-Verlag erschienen. Das Buch selbst präsentiert sich als \“künstlerische Maske\“: Der Maler Tate Tränensohn hüllte es in eines seiner abstrakten Ölgemälde.

http://www.phaenomen-verlag.de/

Eckenga, Fritz – Prima ist der Klimawandel auch für den Gemüsehandel

Fritz Eckenga, Humorist aus dem Ruhrgebiet, hat wieder zur Feder gegriffen, um einige heitere Gedanken zur Zeit festzuhalten. Und weil die moderne Welt schon so prosaisch ist, hat er sie in Gedichten in klassischen Formen beschrieben. Der Vers „Prima ist der Klimawandel auch für den Gemüsehandel“ aus dem Titel stammt aus dem ersten Gedicht, doch darf man sich nicht täuschen lassen. Eckenga bedient sich nicht nur solcher Knittelverse, sondern er übt sich auch in verschlungeneren Reimschemata und schreckt auch nicht vor großen Formen wie dem Sonett zurück.

Thematisch steigt er zu immer bedeutenderen Gefilden empor. Er beginnt bei Alltagsbeobachtungen, gelangt über die persönliche Lebensführung zum Zusammenleben in Staat und Gesellschaft und erreicht schließlich den Gipfel: Fußball. Ansonsten gibt es keinen roten Faden, Eckenga ist offenkundig mit offenen Augen und Ohren durch die Welt gegangen, hat das Skurrile im Alltag entdeckt und sich seinen Reim darauf gemacht. Einige der Beobachtungen sind im Bild festgehalten, so der Merchandisingstand der Polizei mit Minihandfesseln für einen Euro, der Schalkefan, der friedlich und besoffen in einem Durchgang schlummert, oder die Ankündigung vom Tag der offenen Tür im Knast (Generationen von Komikern hatten die Vision, nun ist es Wirklichkeit geworden.). Auch große Ereignisse wie die Papstwahl 2005 und die Fußball-WM 2006 erhalten eine Nachbetrachtung. Und nicht zuletzt bekommen einige unangenehme Zeitgenossen ihr Fett weg, etwa jener von jeglicher Fachkompetenz unbelastete Unweltminister, der mit viel heißer Luft zur Erderwärmung beiträgt.

Aber nicht nur durch das Wort, sondern auch mit dem Wort amüsiert Fritz Eckenga seine Leser. Da ist zunächst natürlich das Zusammentreffen teilweise banaler Allerweltsgeschichten mit der feinen Sprache und den klassischen Versen. Immer wieder wechselt der Autor von einer gewählten Ausdrucksweise in Umgangssprache oder vom Hochdeutschen ins Ruhrgebietsplatt und hält auf diese Art Stimmungen und Mentalitäten fest. Höhepunkte dieser Sprachvirtuosität sind u. a. zwei Gedichte, die Aussprüche von Franz Müntefering zwischen autoritärer Berechnung und jovialer Kumpelhaftigkeit auseinandernehmen. Eckenga verschränkt seine Anmerkungen mit Originalzitaten, bis man glaubt, Münteferings schnarrende Stimme mit dem rollenden R tatsächlich zu hören. Oder das Werk ‚Blindverkostung‘, das den Leser mit der leicht überkandidelten Sprache der Weinkenner erst in die Irre führt, bevor es sehr eindrücklich eine ganz andere Geruchskulisse präsentiert. Oder ‚Beim Läuten der Zwiebel‘, die Abrechnung mit dem Doppelmoralisten Günter Grass, wenn ganz nebenbei noch die Phrasen seiner Anhänger karikiert werden.

Natürlich befinden sich nicht alle Gedichte auf gleich hohem Niveau. Neben sehr gelungenen Beispielen intelligenter Unterhaltung stehen auch einige Poeme, mit denen der Autor scheinbar krampfhaft das Papier vollgeschrieben hat, wie er in ‚Alle Farben Frau‘ selbstironisch durchblicken lässt. Aber insgesamt ist „Prima ist der Klimawandel auch für den Gemüsehandel“ ein empfehlenswertes Büchlein für zwischendurch, das den Leser mit seinem Humor und seiner Freude an der Sprache schmunzeln und manchmal laut lachen lässt.

http://www.eckenga.de
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Fforde, Jasper – Fall Jane Eyre, Der

Es gibt Romane, die lassen sich in keine Schublade pressen. „Der Fall Jane Eyre“ von Jasper Fforde ist so einer. Ein Roman mit Agenten und Bösewichten, aber dennoch kein Thriller. Ein Roman mit Zeitreisen und verrückten Erfindungen, aber dennoch keine Science-Fiction – „Der Fall Jane Eyre“ scheint in seinem ganz eigenen Kosmos zu schweben – surreal, schräg, spannend und witzig zugleich.

Thursday Next ist Geheimagentin bei den SpecOps, dem Special Operations Network, das sich in viele Einheiten unterteilt. Thursday arbeitet für SO-27, die LiteraturAgenten, auch LitAgs genannt. Die LitAgs befassen sich mit allen Verbrechen auf dem stetig lukrativer werdenden Literaturmarkt und spüren Fälschungen und gestohlene Erstausgaben auf. Eigentlich ist das kein allzu aufregender Beruf, wäre da nicht der geniale Oberschurke Acheron Hades.

Hades erregt einiges Aufsehen durch den spektakulären Raub von Charles Dickens‘ „Martin Chuzzlewit“-Original-Manuskript und die anschließende Entführung eines Protagonisten aus dem Text. Die LitAgs um Thursday Next können nur tatenlos zuschauen.

Doch das ist erst der Anfang. Wenig später entführt Hades Jane Eyre aus dem gleichnamigen [Roman 2740 von Charlotte Brontë, um ein horrendes Lösegeld von den englischen Behörden zu erpressen. Für die englische Literatur ein absoluter Super-Gau, den Thursday und ihre Kollegen unbedingt verhindern müssen. „Jane Eyre“ ohne Jane Eyre ist schließlich eine Katastrophe sondergleichen, und dabei hat das Vereinigte Königreich mit dem seit 130 Jahren tobenden Krim-Krieg doch schon genug Ärger am Hals. Unerschrocken macht Thursday Next sich daran, Jane Eyre und damit ein Denkmal der englischen Literatur zu retten …

„Der Fall Jane Eyre“ entwirft schon ein für sich genommen interessantes Ausgangsszenario einer parallelen Gegenwart. Einiges ist anders im Großbritannien von Jasper Fforde als in unserer Welt: England kämpft seit 130 Jahren mit den Russen um die Krim und Wales hat sich als autonome Republik von den Briten abgespalten. Für spezielle polizeiliche Aufgaben gibt es mit den SpecOps einen großen Apparat für geheimdienstliche Operationen, bei dem manche Abteilungen dermaßen geheim sind, dass die linke Hand nicht weiß, was die rechte gerade tut.

Als graue Eminenz im Hintergrund zieht der Konzern |Goliath Corporation| viele Fäden. Der Konzern mischt heimlich in politischen Dingen mit und redet auch den SpecOps immer wieder in ihre Arbeit rein. Wirtschaftliche und politische Interessen werden verschmolzen. Vor diesem Hintergrund versucht Thursday Next im beruflichen Alltag dennoch ihren Kopf durchzusetzen und das Richtige zu tun. Sie ist Geheimagentin sowie Krim-Veteranin und dementsprechend hartgesotten. Selbst vor temporalen Anomalien hat sie keine Angst, ist ihr Vater doch ein ausgestoßener Agent der ChronoGarde, der SpecOps-Abteilung, die nicht nur sprichwörtlich dazu in der Lage ist, die Zeit stillstehen zu lassen.

Thurdays Erzrivale Acheron Hades ist ein Superschurke, wie er im Buche steht. Intelligent, gerissen, skrupellos und mit besonderen Fähigkeiten gesegnet, ist Hades die größte Herausforderung, der sich Thursday in ihrer Laufbahn als Geheimagentin stellen muss. Doch Thursday weiß diese Herausforderung anzunehmen. Um Hades‘ Spur zu verfolgen, lässt sie sich von London in ihre alte Heimat Swindon versetzen, wo sie auch ihre alte Liebe Landen wiedertrifft, was sie auch privat auf Trab hält.

Und so muss Thursday sich gleichzeitig mit ihrer Vergangenheit und ihren Erlebnissen im Krim-Krieg auseinandersetzen und Jane Eyre retten, indem sie Hades zur Strecke bringt. Der Weg zu diesem Ziel stellt sich als ziemlich beschwerlich heraus, und Fforde schildert im Verlauf der Handlung so manche verrückte Begebenheit, die Thursday zu meistern hat.

Fforde verknüpft eine ganze Reihe schräger Ideen zu einem spannenden Plot, der gleichzeitig eine liebevolle Hommage an die Literatur ist. Das Leben in Thursday Nexts England zeichnet sich durch eine enorme Liebe der Menschen zur Literatur aus. Sie durchzieht den Alltag der Menschen wie ein roter Faden und ist von hoher gesellschaftlicher Bedeutung. Die Kultur ist nicht bloß Unterhaltung und Zerstreuung am Rande, sondern Teil des täglichen Lebens. Es gibt Automaten, die nach Münzeinwurf literarische Texte rezitieren, und ein Theater, das jeden Abend das gleiche Shakespeare-Stück spielt, dessen Darsteller zuvor aus dem Publikum rekrutiert wurden.

Wer gerne liest, dem wird Ffordes Welt gefallen, und wer darüber hinaus offen für Skurriles ist, der wird an dem Buch eine ganze Meng Spaß haben. Fforde schreibt gleichermaßen gewitzt wie intelligent, erfreut den Leser in jedem Kapitel aufs Neue mit seinen schrägen Einfällen und fügt dabei den Plot zu einem wunderbar stimmigen Ganzen zusammen.

Zwar hat man auch mal den Eindruck, Fforde wäre kurz davor, den Bogen zu überspannen (der Zeitenstrudel, in den Thursday und ihr Kollege geraten, ist dann doch schon eine extrem schräge Angelegenheit), dennoch führt er den Plot gelungen zu Ende und liefert dem Leser obendrein einen spannenden Showdown. Er führt am Schluss die losen Enden logisch zusammen, und jede Komponente des Romans ergibt ihren Sinn und findet ihren Platz.

„Der Fall Jane Eyre“ dürfte ein herrlicher Lesespaß für all diejenigen sein, die offen für schräge Ideen sind und schon Spaß an den Werken von Autoren wie Douglas Adams oder Matt Ruff hatten. Jasper Fforde hat eine lesenswerte und unterhaltsame Mischung aus Thriller, Science-Fiction und Satire geschaffen, die in keine Schublade passt: Gewitzt, intelligent und spannend zugleich, gespickt mit sympathischen Hauptfiguren und herrlich schrägen Einfällen, hat Jasper Fforde eine liebens- und lesenswerte Hommage an die Literatur abgeliefert.

http://www.dtv.de

|Siehe ergänzend dazu auch unsere [Rezension 2715 zur Hörbuchfassung von |Patmos|.|

Guillaume, André de – Weltherrschaft für Anfänger

(Keine Angst, weder das Buch noch diese Rezension sind so ganz ernst gemeint.)

„Was will uns der Dichter damit sagen?“ André de Guillaume hat in seinem Büchlein „Weltherrschaft für Anfänger“ eine kleine Anleitung zur Gewinnung der Macht vorgelegt, bei der man sich nie ganz sicher ist, ob es ein Ratgeber, ein ironisches Enthüllungsbuch oder eine Satire sein soll. Angelegt ist das Buch als eine Sammlung kompakter Tipps, Kurzporträts berühmter Machtmenschen und natürlich der beliebten Hitlisten (etwa zur Vorbereitung ‚Zehn Jobs, die Sie zur Weltherrschaft führen können‘). Das und die flüchtigen Karikaturen deuten am ehesten auf eine Satire hin, wenn dieser Eindruck nicht geschickt von dem zwar launigen, aber in der Sache unbeirrt ernsthaften Tonfall der Ratschläge konterkariert würde.

De Guillaume zieht seine Unterweisungen chronologisch für einen Herrschaftsablauf auf. Er beginnt bei den Voraussetzungen, die man schon mitbringen sollte, leitet über die Jugend und die Vorbereitung und Durchführung der Machtübernahme zur Ausübung und Sicherung der Herrschaft und schließlich zur Planung des nicht unbedingt freiwilligen Abgangs. Zynisch lässt er sich über erforderliche Maßnahmen wie Mord, Untreue und natürlich allerlei Lumpereien rund ums Geld aus. Misstrauen gegen jedermann ist selbstverständlich unerlässlich. In einem merkwürdigen Gegensatz dazu stehen die Empfehlungen, den Reichtum und die Ergebenheit der Umgebung genüsslich auszukosten. Das ist zumindest gut beobachtet, denn egal wie arm ein Land ist: Die hohen Herren haben noch nie Not gelitten. In einer Art Nachwort berichtet de Guillaume von einem eigenen misslungenen Putschversuch in einem kleinen Inselstaat namens Cashman (!) Islands. Offenbar ist der Autor hier seinem eigenen Ratschlag gefolgt, sich als angehender Diktator eine interessante Vita zuzulegen.

„Was will uns der Dichter damit sagen?“ Strategien zur tatsächlichen Erlangung der Weltherrschaft verlieren natürlich schlagartig ihren Wert, sobald sie veröffentlicht sind – zumal es ja auch nicht unbegrenzt viele Weltenherrscher geben kann. Als Ratgeber zur Machtgewinnung im kleinen, im beruflichen und gesellschaftlichen Umfeld hilft das Buch höchstens ansatzweise, da es fast nur politische Macht betrachtet. (Nun gut, sehr machtbewusste Menschen, die zwischen den Zeilen lesen können, werden schon den einen oder anderen Hinweis erhalten.) Es hilft auch nicht wirklich, die eigene Regierung besser zu durchschauen, da es sich nur vereinzelt mit den Intrigen demokratischer Regime auseinandersetzt und in Diktaturen ohnehin verboten sein dürfte.

Um noch stärker als humorvolles politisches Aufklärungsbuch zu funktionieren, fokussiert sich „Weltherrschaft für Anfänger“ also zu stark auf typische Diktaturen. Deren Bevölkerungen dürften auch ohne Buch nur zu gut um ihre Situation wissen. Einen subversiven Charme könnte das Buch gewinnen, wenn de Guillaume noch etwas ausführlicher die Aushebelung der Demokratie durch gewählte Regierungen beschrieben hätte, z. B. durch Desinformation via staatlicher Medien, den diskreten Aufbau von Nichtregierungsorganisationen, deren Forderungen man dann als „guter Demokrat“ entgegenkommt, oder die Instrumentalisierung der Wissenschaft (Geschichtsschreibung, Energiefragen) durch Bestechung statt Bedrohung.

Wahrscheinlich muss man „Weltherrschaft für Anfänger“ als Unterhaltungsbuch mit einem gallig-zynischen Humor nehmen, das einem vorführt, was menschenmöglich ist. Wenn das Buch dem Leser hilft, weniger übertriebenen Respekt vor den Mächtigen zu haben sowie Karrieristen und Ehrgeizlinge im Alltag besser einzuschätzen, dann hat es neben der kurzweiligen Lektüre auf jeden Fall seinen Nutzen bewiesen.

http://www.bastei-luebbe.de

McCall Smith, Alexander – verschmähten Schriften des Professor von Igelfeld, Die

Einen Platz in der Reihe der skurrilsten Romantitel hat Alexander McCall Smith mit seinem aktuellen Werk „Die verschmähten Schriften des Professor von Igelfeld“ in jedem Fall verdient. Der Inhalt steht dem Titel in Sachen Skurrilität im Grunde in nichts nach. Wir Deutschen dürfen es mal wieder über uns ergehen lassen, dass ein Brite sich über uns lustig macht. Wie gut, dass McCall Smith wenigstens Schotte ist und nicht Engländer …

Doch so schlimm zieht McCall Smith auch schon wieder nicht über deutsche Gepflogenheiten her. Objekt seine Spottes ist eben in erster Linie besagter Professor von Igelfeld, und der hat sich den Spott ob seiner Verschrobenheit redlich verdient.

Professor Moritz-Maria von Igelfeld ist eine Koryphäe auf dem Gebiet der romanischen Philologie. Er ist der vielgepriesene Autor des über 1000-seitigen Standardwerks „Portugiesische unregelmäßige Verben“ – ein Werk, das in der Philologie an sich und in der Wissenschaft ganz allgemein seinesgleichen sucht. Dennoch führt Professor von Igelfeld ein akademisches Schattendasein. So unübertroffen sein Werk auch sein mag, es ist in mindestens gleichem Umfang auch unverkäuflich. Und so kämpft von Igelfeld mit dem unermüdlichen Eifer eines Don Quijote um Anerkennung und Wertschätzung.

Mit einem zielsicheren Gespür für Fettnäpfchen und einem nicht immer ganz so fein ausgeprägten Sinn für den Umgang mit anderen Menschen, kämpft er gegen die Bedeutungslosigkeit seines eigenen Schaffens und nicht zuletzt gegen die Intrigen, die sein Regensburger Kollege Detlef Amadeus Unterholzer stets zu spinnen scheint. Von Igelfeld ist eine Ausgeburt deutscher Tugenden und akademischer Werte, stets darum bemüht, dass ihm die Ehre zuteil wird, die er verdient zu haben glaubt.

Alexander McCall Smith skizziert das wissenschaftliche Wirken und Leben des Professor von Igelfeld in insgesamt fünfzehn Episoden. Die englische Originalausgabe erschien 2003 in drei einzelnen Bänden, die für die deutsche Ausgabe zu einem Buch zusammengefasst wurden.

„Die verschmähten Schriften des Professor von Igelfeld“ ist ein durchweg humoristisches Werk, das vor allem auf den ersten Blick schwierig in einen zeitlichen Kontext einzuordnen ist. Von Igelfeld und seine beiden Kollegen Florianus Prinzel und Detlef Amadeus Unterholzer haben selbstverständlich in Heidelberg studiert, und so bekommen die Geschichten einen Anstrich von deutschem Studententum und Burschenschaften. Man ordnet das Ganze im ersten Moment irgendwo in Richtung 19. Jahrhundert ein und hat das Gefühl, McCall Smith hätte sich von Mark Twains „Bummel durch Europa“ inspirieren lassen hat, in dem Mark Twain mit einem Augenzwinkern die Erlebnisse seiner Deutschlandreise schildert, die ihn unter anderem in Heidelberger Studentenkreise geführt hat.

Umso überraschter ist man, wenn man dann im weiteren Verlauf auf immer mehr Anzeichen stößt, die belegen, dass von Igelfeld eine Figur der Gegenwart sein soll. Das verleiht dem ganzen Buch eine recht eigenartige Note, denn von Igelfelds ganze Art und Weise, sein hölzernes Benehmen, sein ständiges Schielen auf Ansehen und Ehre passen doch ins 19. Jahrhundert sehr viel besser als in die heutige Zeit. Und obwohl es ja gerade diese Züge seiner Persönlichkeit sind, welche die Lektüre würzen (allem voran seine chronische Überschätzung der eigenen Bedeutung für den Fortbestand von Kultur und Wissenschaft), so wirkt dieser Gegensatz doch etwas unstimmig.

Dennoch hat man gerade zu Beginn der Lektüre durchaus so manchen Anlass nicht nur zu schmunzeln, sondern herzhaft zu lachen. McCall Smith hat durchaus ein Händchen für die humoristische Betrachtung seiner Figuren und zieht so manche Begebenheit durch von Igelfelds sonderbare Eigenarten so herrlich ins Lächerliche, dass man wirklich seinen Spaß hat.

Sehr amüsant liest sich beispielsweise eine Episode um ein Duell, das von Igelfeld für seinen unsportlichen Kommilitonen Florianus Prinzel mit hartgesottenen Burschenschaftlern organisiert, in dem Glauben, Prinzel sei der geborene Athlet. Auch von Igelfelds Erlebnisse als vermeintlicher Veterinärmediziner und Dachshund-Experte in Amerika lesen sich sehr unterhaltsam, ebenso wie die Geschehnisse während mehrerer Arbeitsaufenthalte in Italien. Von Igelfeld hat ein Talent dafür, sich selbst in die unmöglichsten Situationen zu manövrieren, und zu beobachten, wie er immer wieder versucht, einen möglichst ehrenvollen Abgang zu machen, ist schon sehr komisch.

Dennoch schlägt man das Buch am Ende mit gemischten Gefühlen zu. Von Igelfelds steife, hölzerne Art ist zwar ganz lustig, lässt sich aber auch nicht als endloses Gagfeuerwerk strapazieren. Hat man anfangs noch seine helle Freude an der Absurdität der Figur von Igelfeld an sich und dem Augenzwinkern, mit dem McCall Smith ihn beschreibt, so zieht sich die Lektüre im Laufe der Zeit doch immer mehr in die Länge. Es gibt zwar immer noch Stellen, über die man herzhaft lachen kann, doch tendenziell wird es zum Ende hin dünner. Der Humor nutzt sich ab und man kommt gerade im dritten Teil des Buches zum unausweichlichen Schluss, dass die Figur des Moritz-Maria von Igelfeld allein eben doch nicht genug hergibt, um damit 447 Seiten zu füllen. Hätte der dritte Buchteil komplett gefehlt, ich hätte ihn keine Sekunde vermisst.

Unterm Strich sind „Die verschmähten Schriften des Professor von Igelfeld“ ein nicht ganz ungetrübtes Lesevergnügen. Zwar versteht Alexander McCall Smith sich auf eine gewitzte, augenzwinkernde Erzählweise mit einer teils wirklich herrlich absurden Note, dennoch nutzt sich der Humor mit der Zeit etwas ab. Weniger wäre hier mehr gewesen, denn hätte McCall Smith sich auf etwa die Hälfte der Episoden beschränkt, hätte man von vorne bis hinten genüsslich durchlachen können.

So ist die Lektüre eben doch nicht von Anfang bis Ende unterhaltsam, und zum Ende hin macht sich etwas Unmut breit. Ebenso nimmt man McCall Smith auch in zunehmenden Maße die Unstimmigkeit zwischen den dem 19. Jahrhundert entliehenen Figuren und dem Umfeld der modernen Welt krumm. Solange man viel zu lachen hat und durchweg gut unterhalten wird, stört man sich an solchen Aspekten nicht so leicht, hat man aber Zeit, sich um solche Dinge den Kopf zu zerbrechen, weil der Plot müde vor sich hinplätschert, wird ein kleiner Makel schnell zum Störfaktor.

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Jochen Malmsheimer – Halt mal, Schatz. Alles über Planung, Kiellegung, Stapellauf und Betrieb eines Babys

Grade beim oft zu Unrecht als „Hechel-Seminar“ geschmähten Geburtsvorbereitungskurs wird werdenden Eltern gern die ein oder andere sinnvolle Literatur ans nervös pochende Herz gelegt. Dass die Damen von der hebenden Zunft allerdings doch mehr Humor und Selbstironie besitzen, als man ihnen gemeinhin zugesteht, bewies der dort in Form eines thematisch zum Kurs passenden, von CD vorgespielten Ausschnittes eines Comedy-Bühnenprogramms, zu welchem auch eine entsprechende Print-Version existiert. Mit dem vielsagenden Titel: „Halt mal, Schatz – Alles über Planung, Kiellegung, Stapellauf und Betrieb eines Babys“ präsentierte der (leider!) fast ausschließlich im Ruhrpott bekannte Kabarettist Jochen Malmsheimer 2002 im |Knaur|-Verlag sein erstes und bislang einziges Buch über die Freuden und Leiden des Kinderkriegens und -habens.

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Kuttner, Sarah – anstrengende Daueranwesenheit der Gegenwart, Die

Sarah Kuttner, ihres Zeichens arbeitslose TV-Moderatorin, veröffentlichte bereits 2006 ein Büchlein mit ihren gesammelten Kolumnen aus |SZ| und |Musikexpress| unter dem Titel „Das oblatendünne Eis des halben Zweidrittelwissens“. Anscheinend mit so viel Erfolg, dass der |Fischer|-Verlag ein Jahr später die Fortsetzung „Die anstrengende Daueranwesenheit der Gegenwart“ auf den Markt wirft.

Das Konzept bleibt gleich. Neben ein paar netten Schwarzweißkollagen finden sich im ersten Teil des Buches die |SZ|-Kolumnen, im zweiten Teil die Kolumnen aus dem |Musikexpress|. Während das Schriftwerk aus der |Süddeutschen| sehr viel Alltägliches und damals aktuelle Ereignisse verarbeitet, geht es in den |Musikexpress|-Kolumnen zumeist um popkulturelles Gedankengut. Wesentlich interessanter ist allerdings Ersteres, was auch daran liegt, dass Kuttner nicht einfach nur drauflos schreibt, sondern von der |SZ|-Redaktion ernste bis sinnentleerte Fragen gestellt bekommt und darauf eigentlich immer sinnentleert antwortet. Der Leser bekommt den Humor der kurzzeitigen Moderatorin in kleinen Häppchen serviert, während die |Musikexpress|-Kolumnen ab und an etwas langatmig werden können – auch wenn sie normalerweise nicht über zweieinhalb Seiten hinausgehen.

Nun ist es mit Madame Kuttner so: Entweder mag man sie oder man mag sie nicht. Ihr Humor ist sicherlich gewöhnungsbedürftig. Eloquent, manchmal richtig doof und vor allem simpel mit viel Wortwitz. Kuttner blödelt nicht wirklich ladylike, aber genau das macht oft den Reiz aus, dass sie Dinge sagt, die man aus dem Mund einer Frau so nicht erwarten würde. Trotz allem hält sie noch ein gewisses Niveau, indem sie Wissen und ein sicheres Händchen für gehobeneren Wortschatz beweist.

Was den einen oder anderen sicher stören wird, ist Kuttners Hang zur totalen Sinnlosigkeit. Sehr oft bastelt sie sich etwas zusammen, das einzig und alleine ihrer Fantasie entspringt. Während ihre Kolumnen über weite Strecke einen gewissen satirischen Hauch haben, fehlt dieser an solchen Stellen gänzlich.

Eine weitere Frage, die bleibt, ist, ob es überhaupt notwendig war, eine Fortsetzung zu „Das oblatendünne Eis des halben Zweidrittelwissens“ herauszubringen. Das „Pilotbuch“ sprudelte damals angenehm frisch, doch in „Die anstrengende Daueranwesenheit der Gegenwart“ hat man das Gefühl, dass Frau Kuttner abgebaut hat. Ihr Gebabbel ist nicht mehr so witzig und wirkt stellenweise geradezu angestrengt. Abgesehen davon ist das Konzept des Buches natürlich nicht neu und wird durch einen zweiten Band sicherlich nicht interessanter.

Für den eingefleischten Kuttner-Fan ist das Buch sicherlich ein Muss, doch wer die junge Dame nur „irgendwie witzig“ findet, der sollte lieber zu „Das oblatendünne Eis des halben Zweidrittelwissens“ greifen und vergessen, dass „Die anstrengende Daueranwesenheit der Gegenwart“ überhaupt existiert. Es ist halt nicht nur bei Fernsehserien so, das nicht alles, was einmal funktioniert hat, unbedingt einer Neuauflage bedarf.

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Safier, Daniel – Mieses Karma

Das Leben nach dem Tod birgt schon seit Urzeiten eine Faszination, der sich kaum jemand entziehen kann. Die Anhänger der unterschiedlichen Religionen haben verschiedene Vorstellungen vom Leben nach dem Tod – aber dass die Möglichkeit besteht, als Ameise wiedergeboren zu werden, um genug Karma für das Nirwana zu sammeln, das kann man sich wohl nur schwer vorstellen; umso größer ist Kim Langes Überraschung, als ihr genau das widerfährt.

Kim ist eine berühmte Talkshowmoderatorin, die auf dem Gipfel ihrer Karriere steht, als sie zum Deutschen Fernsehpreis fährt. Auch wenn sie durch die Verleihung den fünften Geburtstag ihrer Tochter Lilly verpasst und Kim sich endgültig eingestehen muss, dass ihre Ehe zu Alex gescheitert ist, und auch wenn sie von Versace versehentlich das falsche Kleid für die Preisverleihung zugeschickt bekommt (und dann einen hochnotpeinlichen Moment überstehen muss), so hat dieser denkwürdige Tag doch immerhin (im wahrsten Sinne des Wortes) einen Höhepunkt, nämlich den großartigen Sex mit ihrem gutaussehenden Kollegen Daniel Kohn.

Doch als Kim nach dem Sex auf das Dach des Hotels steigt, um dort frische Luft zu schnappen, passiert das Undenkbare: Das Waschbecken einer russischen Raumstation fällt ihr auf den Kopf und Kim stirbt bei diesem Unfall.

Doch damit ist die Geschichte noch lange nicht vorbei, denn nachdem ihr Leben an ihr vorbeigezogen ist und sie ein helles Licht gesehen hat, von dem sie zurückgestoßen wurde, steht sie Buddha gegenüber, der ihr in Form einer Ameise erscheint und ihr eröffnet, dass nun ihr Leben nach dem Tod begonnen hat – als Ameise. Denn Kim war zu Lebzeiten alles andere als nett zu ihren Mitmenschen, und so bleibt ihr das Nirwana verschlossen, bis sie genug gutes Karma gesammelt hat, um schlussendlich ins Nirwana aufsteigen zu können.

So findet sich Kim plötzlich inmitten einer Horde fleißiger Ameisen wieder, die gerade dabei sind, ein klebriges Gummibärchen zu transportieren. Doch ganz so leicht ist das Leben als Ameise nicht, denn Kim stirbt einige Tode als Ameise, wird aber immer wieder neugeboren. Langsam gewöhnt sie sich fast an das ständige Sterben und Wiedergeborenwerden, zumal sie im berühmten Casanova einen Leidgenossen gefunden hat, der ebenfalls seine Sünden als Ameise abarbeiten muss. Gemeinsam beschließen sie, gutes Karma zu sammeln, um die Reinkarnationsleiter aufzusteigen.

Und tatsächlich, bald werden sie wiedergeboren – als Meerschweinchen. Passenderweise leben die beiden als Meerschweinchen bei Kims Familie, die noch in tiefer Trauer wegen Kims Tode ist. Doch muss Kim erkennen, dass ihre ehemals beste Freundin Nina, die schon immer ein Auge auf Alex geworfen hatte, bereits in den Startlöchern steht, um Kims Platz einzunehmen. Die Zeit eilt also, denn Kim möchte auf jeden Fall verhindern, dass Nina sich in ihre Familie einschleicht. Ein guter Plan muss also her, was aber gar nicht so einfach ist als Meerschweinchen …

Daniel Safier erzählt eine Geschichte, wie sie schräger und absurder kaum sein könnte. Wir lernen die rücksichtslose Kim Lange kennen, die für ihre Karriere über Leichen geht und diese Sünden im Tode büßen muss. Besonders herzerfrischend ist allerdings die Figur des Casanova, der inzwischen seit etwa 200 Jahren sein Nach-Leben als Ameise fristet und gar nicht daran denkt, gutes Karma zu sammeln. Doch als er Kim kennen lernt, wird sein Ehrgeiz plötzlich angestachelt und die beiden schließen sich als grandioses Karma-Sammel-Team zusammen, auch wenn sie noch gar nicht wissen, was am Ende der Reinkarnationsleiter auf sie warten wird, denn Buddha hält sich mit seinen Informationen sehr bedeckt, wenn er nach erneutem Ableben bei den beiden auftaucht und ihnen einen guten Spruch für den weiteren Weg mitgibt.

So ganz kann Casanova sich an die merkwürdigen Zeiten ohne Kutsche nicht gewöhnen, vieles ist ihm fremd, aber als er sich dann in Kims Widersacherin Nina verliebt, ist er wieder ganz in seinem Element und unterstützt Kim bei ihren Racheplänen mit voller Kraft. Allerdings sind Rachepläne natürlich schwer vereinbar mit dem Sammeln von gutem Karma, und so sterben die beiden einen Tod nach dem anderen und müssen sich immer spitzfindigere Pläne ausdenken, um ihr zwischendurch gewonnenes Karma nicht wieder zu verlieren.

Safiers Geschichte wird immer abgedrehter, immer witziger und immer erfrischender, denn obwohl Kim und Casanova meist aus ziemlich eigennützigen Motiven handeln, so wünscht man ihnen doch von ganzem Herzen Erfolg bei ihrer Mission. Denn obwohl Nina merkwürdigerweise – wie Kim zähneknirschend eingestehen muss – ihrer Familie offensichtlich besser tut als sie selbst, sammelt sie beim Leser doch kaum Sympathiepunkte, weil Casanova und Kim absolut im Mittelpunkt der gesamten Romanhandlung stehen.

Mit großem Tempo, viel Wortwitz und ohne Atempause erzählt Safier die Geschichte von Kim Lange und Casanova, die sich beherzt auf den Weg die Reinkarnationsleiter hinaufmachen und dabei die kuriosesten Abenteuer zu überstehen haben. Denn wer hätte sich vorher wohl ausmalen können, dass sie als Versuchsmeerschweinchen in einem Tierlabor landen und dort einen Affenaufstand anzetteln würden, oder dass Kim als Kuh dafür sorgt, dass alle ihre „Mit-Kälber“ eingeschläfert werden und sie dadurch wieder einiges Karma verliert. Am abgefahrensten wird die Geschichte aber, wenn Kim und Casanova als tierisches Duo Infernale versuchen, die Hochzeit zwischen Alex und Nina zu verhindern.

Selten habe ich bei einem Roman so sehr geschmunzelt, gelacht und mich königlich amüsiert wie bei diesem. Daniel Safier beweist unglaublich viel Einfallsreichtum, Wortwitz, Ironie, Humor und Sprachgefühl, dass es ein absolutes Vergnügen ist, „Mieses Karma“ zu verschlingen. Und auch wenn manche Szenen vielleicht etwas weichgespült sind, so bin ich schon jetzt sehr gespannt auf den nächsten Roman von Daniel Safier, den ich mit Sicherheit wieder lesen und dann hoffentlich genauso gut unterhalten werde wie dieses Mal.

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Keillor, Garrison – Lake Wobegon

Irgendwo im US-Staat Michigan liegt der Städtchen Lake Wobegon. Man wird es auf Karten nicht finden, denn aufgrund der Unfähigkeit einiger Landvermesser wurde es dort niemals eingezeichnet. Eigentlich gibt es Lake Wobegon also nicht, was den meisten Einwohnern sogar recht ist, denn hier lebt ein eigenwilliger Menschenschlag. Die Nachfahren norwegischer und deutscher Einwanderer haben sich an dieser Stelle im 19. Jahrhundert niedergelassen. Zwar fühlen sie sich als Amerikaner, aber die Namen und gewisse Gewohnheiten ihrer europäischen Ahnen haben überlebt. Tatsächlich scheint in Lake Wobegon sogar die Zeit stehen geblieben zu sein, Vergangenheit und Gegenwart verschwimmen, die Überlieferung lebt, während die Zukunft bestenfalls als bedrohlich gilt.

Die Tugenden der Alten werden in Lake Wobegon in Ehren gehalten. Harte Arbeit, ein christlicher Glaube, Sparsamkeit und der gesundes Misstrauen jeglichem Vergnügen gegenüber bestimmen das Denken und Handeln. So ist es immer gewesen, so hat es zu bleiben – und basta! Außenstehenden gelten sie als kauzige Hinterwäldler, was absolut zutreffend ist. Die Bürger von Lake Wobegon sind eine verschworene Gemeinschaft. Dafür zahlen sie freilich einen hohen Preis: Geheimnisse gibt es nicht in dieser Stadt. Trotzdem ist der Schein für die Bürger wichtiger als das Sein – geradezu lebenswichtig. Sie selbst würden das allerdings entrüstet zurückweisen, denn Eitelkeit gilt als schwere Sünde, und Pastor Ingqvist (für die Lutheraner) und Pater Emil (für die Katholiken) sind stets zur Stelle, die aus der Reihe getanzten Schäflein zur Herde zurückzutreiben.

Der Alltag von Lake Wobegon macht das Leben schwer für Außenseiter, zu denen sich unser Autor zählt. Fantasie und Freidenkertum sind ungern gesehen in einer Welt, die von zahlreichen geschriebenen und unzähligen ungeschriebenen Regeln bestimmt wird, deren Sinn niemals hinterfragt werden darf. Doch egal ob andressiertes oder echtes Heimatgefühl: Lake Wobegon ist nicht nur ein Ort, sondern auch eine Geisteshaltung, die man niemals wieder aus dem Kopf bekommt, selbst wenn man bis ans Ende dieser Welt flieht!

Die Geschichten aus bzw. um Lake Wobegon sind keine (auto-)biografischen Reminiszenzen des Garrison Keillor – jedenfalls keine unmittelbaren, da es diese Kleinstadt (leider?) gar nicht gibt. Der Autor hat sie und ihre im buchstäblichen Sinn unglaublichen Bewohner erfunden. Ursprünglich erzählte er sie im Radio, denn Keillor ist ein unerschütterlicher Jünger und Wahrer einer im Schwinden begriffenen Kunst, die sich um das gesprochene Wort ohne Bilder rankt.

Wieso er so viele Hörer damit fesseln konnte, wird uns schon nach der Lektüre weniger Absätze klar: Auch wenn der Menschheit nachgesagt wird, sie verblöde allmählich im Zeitalter des Privatfernsehens (und überhaupt), so erkennen viele Männer und Frauen eben doch richtigen Humor, wenn er ihnen unter die Augen (bzw. vor die Ohren) kommt.

Lake-Wobegon-Geschichten basieren nicht auf billigen, schnellen Comedian-Kalauern. Der Witz ist echt und hart erarbeitet. Immer wieder fragt man sich bewundernd, wie lange Garrison an diesen (übrigens fabelhaft übersetzten) Perlen echten Witzes wohl gefeilt haben mag. Auf mehr als 400 eng bedruckten Seiten findet sich praktisch kein Absatz, der vor geistreichen Gags, scharfsinnigen Beobachtungen oder wunderbaren Wortspielen nicht überquillt.

Für sein fiktives Fleckchen fadenscheiniger Idylle entwirft Keillor nicht nur eine bis ins Detail stimmige Topografie. Es gibt auch eine Lake-Wobegon-Chronik, die mehr als anderthalb Jahrhundert zurückreicht und mit zwerchfellerschütternder Logik belegt, wieso die Einheimischen geworden sind, was sie nun so überzeugend darstellen: Hinterwäldler-Adel mit Leib & Seele. Sie werden vom Verfasser niemals bloßgestellt; man lacht mit den Menschen aus Lake Wobegan, nicht über sie.

Humor und Tragik sind enge Verwandte. Charles Chaplin hat das begriffen; seine Filme, die beides gekonnt mischen, sind deshalb ewige Klassiker. Auch Keillor strebt nicht „nur“ nach dem Gelächter seiner Leser. Lake Wobegon geht uns auch deshalb so ans Herz (und an die Nieren), weil der Verfasser unter den Schrullen und Eigenheiten seiner Bürger jederzeit den hässlichen Alltag in der Provinz durchschimmern lässt. Oder anders ausgedrückt: Über Lake Wobegon zu lesen, bereitet ein Heidenvergnügen, aber dort leben würde man wohl lieber nicht. Das scheinbar glückliche, weil einfache Landleben ist bei näherer Betrachtung auch eine Schlangengrube, eine Falle, eine Sackgasse. Wo jede/r jede/n kennt, gibt es kaum Geheimnisse. Doch wir alle benötigen unsere Privatsphäre, unsere Freiräume. Die existieren nicht in Lake Wobegon – nicht einmal hinter der eigenen Tür, denn dort regieren die unzähligen Vorschriften und Regeln, die sich die Bürger selbst auferlegen, ohne deren Sinn zu hinterfragen.

Wobei „Hinterfragen“ ohnehin als verdächtige Mode der Gegenwart und damit als potenzielle List des Teufels gilt. Die Kirche ist Keillor offenkundig ein besonderer Dorn im Auge, wobei er keine Konfession ausspart. In seinen zum Lachen und Weinen gleichzeitig reizenden Kapiteln über die Eskapaden der Lutheraner und Katholiken von Lake Wobegan läuft er zur Höchstform auf. Selten wurde der Unterschied zwischen dem Glauben und dem, was der Mensch daraus gemacht hat – die Kirche/n nämlich – auf so unterhaltsame wie unbarmherzige Weise bloßgestellt. In Lake Wobegon wollen die Kirchgänger Feuer und Schwefel schmecken, sonst sind sie mit der Predigt unzufrieden. Andere heilige Kühe, die gleich reihenweise geschlachtet werden, sind die Erziehung und Schule, Sexualität und Ehe, Arbeit und Freizeit … Es gibt praktisch keinen Aspekt des menschlichen Kleinstadtalltags, den Keillor nicht berücksichtigen würde.

Da hat sich anscheinend eine Menge aufgestaut in unserem Verfasser, der in einer kleinen Stadt namens Anoka, gelegen ebenfalls in Minnesota, geboren wurde und aufgewachsen ist. Lake Wobegon ist in vielem ein Spiegel, in dem auch Keillor selbst in verschiedenen Lebensaltern immer wieder sichtbar wird. Er muss ein Außenseiter gewesen sein, der sich dem Kodex der Provinz nicht unterwerfen wollte und dafür seinen Preis zahlen musste.

Dies wird wiederum in schreiend komischen Episoden verpackt. Was es ihn wirklich gekostet haben könnte, lässt ein weiteres Alter Ego in seinen „95 Thesen“ erkennen, die sich an Martin Luther orientieren. Hier wird die Kritik an der hinterwäldlerischen Verbohrtheit und ihren Folgen zwar wiederum in elegante Worte gekleidet, sie kommt aber auch in Gestalt echter Vorwürfe daher – und die haben es in sich! Da mag sich so mancher Leser sogar hierzulande erkennen, denn Lake Wobegon – da trifft der Klappentext ins Schwarze – ist überall.

Garrison Keillor wurde 1942 wie gesagt im Städtchen Anoka geboren. Es dauerte lange, bis er seinem geliebten und verhassten Heimatstaat entkam. Zunächst schaffte er es jedenfalls nur bis zur Universität von Minnesota, wo er auch seinen Abschluss im Fach Journalismus machte. Hier war es auch, wo er seine lebenslange Liebe zum Radio entdeckte und erste Features über den Äther schickte. 1969 wurde Keillor Journalist und arbeitete für den „New Yorker“. Fünf Jahre später schrieb er einen Artikel über die dortige Oper. Dies inspirierte ihn, zum Radio zu wechseln, wo er eine Liveshow ins Leben rief: „A Prairie Home Companion“ wurde vor Publikum aus einem Theatersaal ausgestrahlt. 13 Jahre lief die Show, dann wechselte Keillor nach New York und startete „The American Radio Company“. Nach vier höchst erfolgreichen Jahren nannte er das Programm wieder „A Prairie Home Companion“. Es läuft noch heute.

Als Schriftsteller hat Keillor bisher acht Bücher mit geistreichen und amüsanten Geschichten gefüllt, die längst nicht nur um Lake Wobegon, sondern um die generellen Höhen und Tiefen des Lebens kreisen. Dazu kommen drei Kinderbücher, Gedichte und Hörbücher. Garrison Keillor lebt in New York. Er ist verheiratet mit der Violinistin Jenny Lind Nilsson, mit der er eine Tochter hat.

Garrison Keillor findet man im Internet u. a. unter http://www.mindspring.com/~celestia/keillor.

Originaltitel: Lake Wobegon Days (New York : Viking, Penguin 1985)
Übersetzung: Christa Eigner u. Alexandra Auer

http://www.goldmann-verlag.de

Douglas Adams – Der lange dunkle Fünfuhrtee der Seele (Dirk Gently’s Holistische Detektei)

Dirk Gently, der holistische Privatdetektiv, schlittert durch den merkwürdigen Tod eines neuen Mandanten wieder in einen skurrilen Fall. Erneut gerät er an Polizisten, die ihn schon kennen und nicht mögen, plagt sich mit seinem chronischen Geldmangel und einem kaputten Kühlschrank herum und schließlich noch mit einem rabiaten goldenen Adler. Auch Kate Schechter, eine in London lebende Journalistin, hat eine Pechsträhne. Als sie nach diversen Widrigkeiten endlich am Flughafen Heathrow ankommt, fliegt sie mitsamt dem Schalter und einem sturen Fluggast in die Luft. Bei ihren anschließenden Recherchen nach dem verschwundenen Mann gerät sie an Dirk Gently und in eine haarsträubende Geschichte.

Die Hauptfigur des Romans ist der Privatdetektiv Gently, den der Leser schon aus [„Der Elektrische Mönch“ 3097 kennt. „Der lange dunkle Fünfuhrtee der Seele“ ist allerdings keine Fortsetzung, sondern ein eigenständiger Roman. Das sehr individuelle Romanpersonal umfasst nordische Gottheiten, eine praktisch veranlagte Journalistin, einen Psychologen, der sich selbst der beste Patient sein könnte, ein fernsehsüchtiges Kind und ein typisches Yuppiepaar. Die Charaktere sind größtenteils recht schräg, wie es für Adams typisch ist.

Wie schon im ersten Buch mit Dirk Gently ist die Handlung Nebensache. Während jedoch im Vorgänger einiges noch nachvollzogen werden konnte, dient die Handlung in „Fünfuhrtee“ nur noch dazu, den Zeitgeist aufs Korn zu nehmen. Der Geschichte fehlt jede Logik, alles ist sinnlos absurd. Adams schildert erneut seine Sicht auf diese Zeit durch witzig-überspannte Gedanken zu alltäglichen Situationen, die jeder Leser kennt. Natürlich gibt es auch wieder den bekannten Sprachwitz, aber vor allem sehr viel Absurdes.

Die ebenso irre wie wirre Handlung beleuchtet das Leben der nordischen Götter, die in dieser Welt zurechtkommen müssen. Auch sie können sich den Zeichen der Zeit nicht entziehen: Donnergott Thor wird von Schwindel, Schuldgefühlen und allerhand Modekrankheiten geplagt, gegen die in der Fernsehwerbung Mittel angepriesen werden. Odin ist ein müder alter Mann, der mit einem Anwalt einen Vertrag abschließt, damit ihm ein gemütliches Dasein als umhegter Patient in einer Privatklinik garantiert ist. Fast alle Götter haben Alkohol- und Psychoprobleme, denn die Menschen, von deren Welt sie abhängen, glauben nicht mehr an sie.

Wer sich nicht an der völlig konfusen und von Zufällen vorangetriebenen Handlung stört, kann sich am bewährten Witz von Adams erfreuen. Einer der Höhepunkte der Geschichte ist sicher die Fähigkeit des Autors, zahlreiche Begriffe für unfreundlich herumlungernde Kellner zu finden. Aber auch die Situationen, die sich aus der Überschneidung der Welt der nordischen Götter mit jener der Menschen aus dem heutigen London ergeben, bieten gute Unterhaltung, zum Beispiel wenn Gently einen goldenen Adler in seiner Küche durchs Schlüsselloch ausspionieren will:

|“Zuerst meinte er, er könne gar nichts sehen, es sei offenbar von irgendwas verstopft. Ein leichtes Flackern und Glänzen ganz dicht an der anderen Seite enthüllte ihm dann plötzlich die erschreckende Wahrheit, dass auch der Adler ein Auge am Schlüsselloch hatte und zu ihm hinüberspähte.“|

Zwar kommt die Geschichte abrupt zum Ende und wirkt so, als habe Adams das Buch eben beenden müssen, doch wer sich für absurde Ideen und bissige Beschreibungen des Alltags begeistern kann, wird sich bei dieser Zeitgeistsatire gut unterhalten.

Taschenbuch: ‎288 Seiten

http://www.douglasadams.com/
http://www.heyne.de

_Maren Rhea Fanenbruck-Pelgrim_

Christopher Moore – Ein todsicherer Job

Der Tod – der Schnitter, Vollstrecker, Sensenmann, Klapperbein, Gevatter Tod … alles nur symbolische Namen für einen unausweichlichen Zustand, das Ende und den Anfang der biologischen Kette. Oft wird der Tod personifiziert in Filmen und in der Literatur, egal ob nun auf philosophische Art und Weise oder gar ins Dramatische hineingehend.

In der „bildlichen“ Kunst wird der Tod oft als Skelett mit schwarzem Kapuzenmantel und einer Sense gezeigt. Die Vergänglichkeit des Lebens wird hier mit Vanitas-Symbolen dargestellt. Die Sense trennt die Seele vom Körper, das Skelett soll die Vergänglichkeit des Körpers erklären.

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Dietmar Bittrich – Das Weihnachtshasser-Buch

Alle Jahre wieder – Weihnachten, Fest der Liebe, Fest der Kaufhäuser, Fest des Kommerzes. Jedes Jahr wieder die gleiche Diskussion, mit welchem wertvollen Stück man seinen Liebsten eine Freude macht, welche dekorativen Gegenstände man verwendet, um im Lichterwettstreit mit den Nachbarn siegreich von Dannen zu ziehen, wer wo wann was kocht und wo das große Weihnachtsgansschlachtfeld ausgebreitet werden darf.

Nun, Weihnachten ist in den Augen vieler heutzutage verkommen. Besinnlich ist das Fest schon lange nicht mehr, friedlich in den meisten Familien nur so lange, wie man den ganz Kleinen ein gutes Vorbild sein muss, und was den Sinn bzw. die Ursache des Festes betrifft, ist sich manch einer ebenfalls nicht im Klaren darüber, warum wir überhaupt Weihnachten feiern. Sicher, hier wird reichlich schwarzgemalt, aber ist Weihnachten grob umschrieben nicht genau das, was in den vorangehenden Zeilen geschrieben steht?

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