Archiv der Kategorie: Thriller & Krimis

Klönne, Gisa – Wald ist Schweigen, Der

_Die Autorin_

Gisa Könne wurde 1964 geboren. Sie studierte Anglistik und arbeitet als Journalistin sowie als Dozentin für kreatives und journalistisches Schreiben. Sie veröffentlichte Kurzkrimis und ist Herausgeberin der Weihnachtskrimi-Anthologie „Leise rieselt der Schnee“. Gisa Könne lebt in Köln und schreibt an ihrem nächsten Roman.

_Story_

Inmitten einer idyliischen Forstlandschaft im Bergischen Land findet die junge Försterin Diana Westermann eine grausam entstellte Leiche, die bereits mehrere Tage tot sein muss und seither von Krähen zerfressen wurde. Westermann ist starr vor Schock und weiß nicht, was sie tun soll. Da wird ihr die Entscheidung von einem vorbeispazierenden älteren Ehepaar abgenommen, das den Fund schließlich der Polizei meldet. Der Fall wird der Kölner Kommissarin Judith Krieger übertragen, einer arg gebeutelten Beamtin, die nach dem Tod ihres Kollegen, den sie selber nicht mehr vereiteln konnte, in einer sehr schweren privaten und beruflichen Krise steckt. Der Mord an dem nackten Mann auf dem Hochsitz stellt für sie so etwas wie die letzte Chance zur Rehabilitation dar, doch nach wie vor fällt es ihr schwer, die schreckliche Erinnerung zu verdrängen.

Mit einer chronischen Müdigkeit und der Hilfe von massenhaft Zigaretten begibt sich die Kettenraucherin trotzdem an die Arbeit und ist überzeugt davon, dass die Lösung des Falles mit dem Aussteiger-Yoga-Aschram „Sonnenhof“ zusammenhängt. Dort treiben sich mehrere seltsame Gestalten herum, die allesamt ein Geheimnis mit sich herumzutragen scheinen. Doch Judith unterlaufen bei den Ermittlungen einige Fehler – ganz im Gegensatz zu ihrem ungeliebten neuen Kollegen Manfred Korzilius, der schließlich erste Erfolge vorweisen kann und als unerfahrener Beamter die langjährige Kommissarin in den Schatten stellt. Für Judith hat dies ernsthafte Folgen: Sie wird für einige Zeit vom Dienst suspendiert. Erst jetzt findet sie wieder zu ihrem alten Biss zurück und beginnt, den Fall auf eigene Faust zu ergründen. Doch bevor sie damit so recht voranschreiten kann, wird im Wald eine weitere Leiche entdeckt …

_Meine Meinung_

Ein ganz normaler Krimi, das scheint „Der Wald ist Schweigen“ auf den ersten Blick zu sein. Es gibt eine Leiche inmitten einer spektakulären Kulisse, einige merkwürdige und schweigsame Verdächtige und Polizisten, die weit und breit keine Spur sehen. Alles wie gehabt. Doch dieser Roman ist weitaus komplexer, als die Inhaltsangabe es vermuten lässt. Gisa Klönne setzt sich nämlich nicht nur mit den kriminellen Aspekten auseinander, sondern verleiht der Geschichte erst so richtig Leben, indem sie die einzelnen Menschenschicksale der beteiligten Akteure sehr genau beleuchtet. Vor allem das Portrait der Hauptfigur Judith Krieger ist ihr dabei sehr gut gelungen. Klönne beschreibt das Bild einer Frau, die auf dem besten Wege zum psychischen Wrack ist und in den normalsten Lebenssituationen oft nicht weiß, wie genau sie handeln soll. Im Bezug auf ihre Arbeit ist sie aufgrund der grausamen Geschehnisse in ihrer beruflichen Vergangenheit stark gehemmt und kaum in der Lage, im Außendienst zu arbeiten. Und durch den neuen Fall und die damit verbundenen Fehlgriffe wird sie in ihrem Selbstbewusstsein noch stärker eingeschränkt, was beinahe zum totalen Kollaps führt. Doch Judith fängt sich und zeigt sich kampfeslustig, bereit, ihrem seelischen Empfinden zu trotzen und ihren Frust zu bekämpfen – so lange, bis der nächste Rückschlag folgt.

Im Wechselspiel mit dem eigentlichen Mordfall entwickelt sich so ein menschliches Drama mit ungewissem Ende, weil die Autorin sich überhaupt nicht in die Karten schauen lässt. Die Frage, ob die Hauptperson an ihrem Schicksal und dessen Folgen zerbrechen wird, ist somit ein weiterer zentraler Punkt in diesem Roman, dem eine gleichrangige Wichtigkeit wie der Mordserie beigemessen wird.

Doch die Kommissarin ist nicht die einzige Dame, der das Leben übel mitgespielt hat. Auch Diana Westermann lebt sehr unglücklich, wird in ihrer beruflichen Rolle nicht akzeptiert, kann ein zerrüttetes Liebesleben vorweisen und wird in ihrem Befinden durch die jüngsten Ereignisse zurückgeworfen. Zu dieser Liste gesellt sich schließlich auch noch die junge Laura, die im Yoga-Aschram glaubt, ihr zeitweiliges Heil gefunden zu haben. Doch das naive Mädchen leidet weiterhin unter seiner Vergangenheit und der verkorksten Kindheit und kommt auch nicht so recht zur Ruhe. Das sind alleine schon drei (und gleichzeitig die wichtigsten) Personen, auf deren Psyche im Verlauf des Buches immer wieder genauer eingegangen wird, doch es ist nur eine Auswahl der vielen Charaktere, mit denen die Autorin ihr Buch ausschmückt.

Der Mordfall an sich soll natürlich nicht außen vor bleiben. Aber auch hier wirkt Gisa Klönne hinsichtlich des Spannungsaufbaus und der mehrfachen Wendungen als Krimi-Autorin sehr souverän. Durch die Verknüpfung der beiden Hauptelemente – Tragik und Spannung – gelingt es der Autorin problemlos, den Leser an das Buch zu fesseln, zumal der Schreibstil sehr frisch und umgangssprachlich gewählt wurde. Kurze Sätze und die Betonung bestimmter prägnanter Begriffe helfen, den stellenweise komplexen Inhalt leichter zu verdauen. So entspricht „Der Wald ist Schweigen“ ganz klar auch dem modernen Zeitgeist – schließlich spielt das Buch auch in der Jetztzeit – und ist für sämtliche Altersgruppen geeignet. Ein wichtiger Aspekt heutzutage!

Und „geeignet“ heißt in diesem Falle auch „sehr empfehlenswert“, denn solch intelligent inszenierte und genreübergreifende Geschichten bekommt man im Bereich von Thriller und Krimi nur selten geboten. Für Liebhaber der Materie sollte „Der Wald ist Schweigen“ daher ganz klar auf der Liste für die Vorweihnachtszeit stehen!

http://www.ullsteinbuchverlage.de/
|Siehe auch: [„Unter dem Eis“ 3047 |

Elrod, Patricia N. – Vampirdetektiv Jack Fleming

Das ist schon ein ziemlicher Schock, wenn man sich plötzlich an den Ufern des Lake Michigan wiederfindet und feststellt, dass man tot ist. Eigentlich ist es sogar ziemlich widersinnig. Nicht jedoch für Jack Fleming, dem genau das passiert: Irgendjemand im Chicago der 30er Jahre will ihm offensichtlich an die Gurgel und scheinbar ist ihm das auch gelungen. Doch Fleming steht wieder auf – dank einer Affäre und des dazugehörigen Blutaustausches mit der Vampirin Maureen. So ist er zwar dem Tod von der Schippe gesprungen, doch ist ihm dafür die Erinnerung an seine Todesnacht abhanden gekommen. Warum will das organisierte Verbrechen von Chicago ihn loswerden? Wer hat ihn umgebracht? Und was soll diese Blutliste sein, die die angeheuerten Schläger ihm abnehmen sollten?

Fleming beschließt, sich zunächst ein wenig an seinen neuen vampirischen Zustand zu gewöhnen (inklusive erster taktischer Besuche des berüchtigten Chicagoer Schlachthofs – schließlich ist er ein humanistischer Vampir) und dann seinen eigenen Mord aufzuklären. Immerhin ist er eigentlich Reporter, und verdeckte Machenschaften aufzudecken sein täglich Brot. Er erhält überraschende Hilfe von dem Privatschnüffler Escott, der allein durch penible Beobachtung auf Fleming und seinen außergewöhnlichen Zustand aufmerksam geworden ist und ihm seine Hilfe und seine Kontakte anbietet. Fleming nimmt dieses Angebot dankbar an und gemeinsam machen sich die beiden auf, das Geheimnis um den Mord an Fleming zu lösen und dessen verlorenes Gedächtnis wieder herzustellen. Und so wühlen sich Fleming und Escott durch die Unterwelt Chicagos und von einem Bandenboss zum nächsten, geraten in einige brenzlige Situationen, Verfolgungsjagden und Schießereien, logieren in illustren Kneipen und spielen – natürlich – Poker (und betrügen – das versteht sich wohl von selbst), bis sie nach kurzweiligen 250 Seiten endlich das Rätsel um die Blutliste gelöst haben. Ob sich der ganze Aufwand für zwei Blatt Papier tatsächlich gelohnt hat, bleibt abzuwarten, doch unterhaltsam war er allemal!

„Vampirdetektiv Jack Fleming“ von P. N. Elrod ist in seiner Plakativität ein ziemlich abstoßender Titel (das hat auch |Festa| schnell eingesehen und die Titel der Fortsetzungen mehr am US-Original orientiert), zeigt aber, worum es in dem Roman gehen soll. Autorin Elrod nimmt das Genre des Vampirromans und katapultiert ihren untoten Helden gnadenlos in eine hardboiled Detektivgeschichte à la Hammett und Chandler. Dabei bedient sie zunächst einmal eine ganze Reihe Klischees des Genres: Unser Held ist ein Reporter, die Story spielt im Chicago der 30er Jahre, es gibt eine schöne Frau (die unser Held, bevor der Roman zu Ende ist, natürlich mindestens einmal verführt haben muss), Männer haben dicke Kanonen und setzen sie gern ein. Es fehlt nur noch, dass die Hauptcharaktere Filzhüte tragen (immerhin sieht man einen auf dem Cover des Buches).

Doch Elrod hält die Fäden ihrer Handlung fest in der Hand und ihr Vampirkrimi droht nie wirklich, ins Klischee abzudriften. Stattdessen spielt sie mit viel Finesse mit den Eckpfeilern des Genres und streut eine ganze Reihe Anspielungen und Namen ein, die Fans der damaligen Pulp-Magazine sicher ein Begriff sein werden. Darüberhinaus präsentiert sie gerade mit den Hauptcharakteren Fleming und Escott zwei schillernde und unterhaltsame Figuren. Fleming akzeptiert seinen neuen Zustand mit trockener Ironie und findet schließlich sogar Gefallen daran, den bösen Bandenboss mit seinen vampirischen Tricks zu erschrecken (da er sich beispielsweise ganz dramatisch in Luft auflösen kann). Escott dagegen hat eine Theaterkarriere hinter sich, beweist Sinn für Theatralik und begegnet Fleming mit erfrischender Entspanntheit. Und auch wenn Elrod ziemlich unwahrscheinliche Haken schlägt, um die beiden zusammentreffen zu lassen, so verzeiht man ihr diesen Patzer recht schnell, da Fleming und Escott ein so effektives Paar abgeben.

„Vampirdetektiv Jack Fleming“ erschien in den USA bereits 1990, doch hier hat sich erst der |Festa|-Verlag der Romane von Elrod angenommen und bringt sie nach und nach als deutsche Erstausgaben auf den Markt. Mittlerweile besteht die Serie „The Vampire Files“ in den USA aus elf Titeln – Elrod ist also eine fleißige Schreiberin. Und als Bonus bleibt ihre Vampirmythologie gleich, sodass in Zukunft auch Crossover mit ihrer anderen Vampirserie um Jonathan Barrett möglich sein werden. Überhaupt, Jonathan Barrett, Elrods zweite Vampireserie. Wo Jonathan mit seinem Zustand als Vampir zunächst endlos überfordert ist und sich bei jedem neuen Einschussloch panisch fragt, ob er nun sterben muss, nimmt Fleming die ganze Sache viel entspannter. Er findet sich recht problemlos mit den neuen Gegebenheiten ab, beschafft sich einen Schrankkoffer, lässt sich per Taxi zu den berühmten Chicagoer Schlachthöfen fahren und setzt die Vorteile seines Zustandes gnadenlos ein, ohne dessen Nachteile zu beweinen. In dem Sinne thematisiert und problematisiert „Vampirdetektiv Jack Fleming“ den Vampirismus an sich viel weniger, als es in den Jonathan Barrett-Büchern der Fall ist. Was durchaus vorteilhaft sein kann, wirkt Fleming doch damit viel weniger weinerlich als Barrett. Seine schroffe und doch liebenswerte Art wird ihm schnell viele Leserherzen bescheren.

„Vampirdetektiv Jack Fleming“ ist eher ein Krimi mit Vampir-Held als ein Vampirroman mit Krimielementen. Gruslig wird es also nie wirklich. Dafür spart Elrod nicht mit Motiven des Detektivromans und der entsprechenden Brutalität. Da gibt es Folterszenen und genüsslich beschriebene Schlägereien. Wem das zu blutig anmutet, der sollte sich lieber an Elrods gemächlichere Jonathan-Barrett-Serie halten. Alle anderen werden am finsteren und gewalttätigen Chicago sicher ihre Freude haben!

David Hewson – Villa der Schatten

Das geschieht:

Noch angeschlagen von seinem letzten Fall, der seinen Partner das Leben kostete und ihm selbst einige Schussverletzungen einbrachte, muss Kriminalpolizist Nic Costa einen bizarren Fall übernehmen: In einem kleines Moor unweit der italienischen Hauptstadt Rom findet ein US-amerikanisches Touristenpaar die Leiche einer jungen Frau mit durchschnittener Kehle. Der Schlamm hat Eleanor Jamieson perfekt konserviert, obwohl sie dort seit 16 Jahren liegt. Eigenartigerweise ist sie im Stil der römischen Antike gekleidet und trägt einen Stab bei sich, der dem uralten Kult des Gottes Dionysius zugeordnet werden kann.

Hat sich der Kult, dessen Riten Menschenopfer forderten, über zwei Jahrtausende halten können? Oder ließ ihn eine moderne Sekte wieder aufleben? Steckt gar ein banaler Gangsterkrieg hinter dem Mord? Eleanors Stiefvater entpuppt sich als ehemaliger Drogendealer, der sich zum Zeitpunkt des Verschwindens seiner Tochter mit dem brutalen Mafiaboss Emilio Neri angelegt hatte. Zudem ist Vergil Wallis ein Fachmann für die antike römische Geschichte, der wenig glaubhaft Unkenntnis über den Dionysius-Kult vorgibt. David Hewson – Villa der Schatten weiterlesen

Kellerman, Jonathan – Pathologe, Der

Jeremy Carrier hält sich für keinen besonderen Menschen – zumindest bis Jocelyn auftaucht und eine heftige Beziehung mit ihm beginnt. Doch dann wird Jocelyn brutal ermordet und Jeremy steht ganz oben auf der Liste der Verdächtigen.

Ein halbes Jahr später werden drei Protituierte ermordet, und wieder wird Jeremy, der sich gerade von dem Schock erholt hat, von der Polizei verdächtigt. Da tritt der Pathologe Arthur Chess an Jeremy heran und führt ihn in eine geheimnisvolle Gruppe ein. Nach dem abendlichen Treffen verschwindet Chess plötzlich, dafür erhält Jeremy merkwürdige Botschaften, die ihn wohl alle in eine Richtung stoßen sollen.

So beginnt Jeremy seine eigenen Nachforschungen, während die Polizei ihn noch immer verdächtigt und teilweise auch beschattet. Der Chirug Dirgrove erweckt sein Misstrauen, nachdem dieser seine neue Freundin Angela Rios belästigt. Jeremy findet heraus, dass Dirgroves Vater ein überführter Serienmörder gewesen ist.

Doch dann verschwindet Angela plötzlich spurlos. Dirgrove hat ein Alibi, denn er wurde von Jeremy bei einem heimlichen Stelldichein mit einer Internistin beobachtet, als andernorts eine weitere Prostituierte grausam ermordet wurde.

Wer ist der wahnsinnige Serienmörder, dessen Spur sich über fast alle Kontinente nachvollziehen lässt? Und in welchem Verhältnis steht dieser zu dem verstorbenen Serienmörder, der Dirgroves Vater war?

Ein besserer Titel für dieses Buch würde wohl „Die Sünden der Väter“ lauten. Kellerman stellt unbewiesene Theorien vor, die manch unbedarften Menschen erschrecken könnten. Und vor allem tut er zwei Dinge: Er erzählt schlecht und kennt sich offensichtlich nicht in dem Metier aus, über das er schreibt.

Nur so kann ich erklären, dass Jeremy Carrier im Klappentext und auch zwischendurch immer wieder als Psychologe betitelt wird, anderenorts dann wieder als Psychiater auftritt – zwei völlig verschiedene Berufszweige. Und wenn dann noch Freud herbeigezogen wird, zweifle ich daran, ob der Autor wusste, was er da alles zusammenmengte.

Kellermans Schreibstil ist noch mit viel Wohlwollen als provokant und schnodderig zu betiteln, seine Charakterzeichnungen schwanken zwischen archetypisch und unglaubhaft. Was er versucht, mit Trauer zu erklären, ist außerhalb des guten Geschmacks. Alles andere, Beschreibungen (die ohnehin das äußerliche Maß nie überschreiten), Erklärungen und Dialoge lassen den Roman langatmig und langweilig werden. Keineswegs Thrillereigenschaften.

Ich möchte es nicht beschreien, aber offensichtlich zehrt Jonathan Kellerman vom Ruf seiner Frau, der Krimikönigin Faye Kellerman, anders kann ich mir sein Renommé nicht erklären. Da sollte er das Schreiben wohl doch besser seiner Gemahlin überlassen.

Alles in allem ist „Der Pathologe“ ein mehr als enttäuschendes Buch, dessen Titel mal wieder irreführt. Das Klinikmilieu geht vollkommen unter, dafür gibt grauenhafte Figuren und eine zähe Handlung, die irgendwie nie wirklich weitergeht. Nicht zu empfehlen.

_Christel Scheja_
|Diese Rezension wurde mit freundlicher Genehmigung unseres Partnermagazins [X-Zine]http://www.x-zine.de/ veröffentlicht.|

Louis Weinert-Wilton – Die weiße Spinne

Weinert-Wilton Spinne Cover kleinDas geschieht:

Zwölf kleine gläserne Spinnen wurden dem Geschäftsmann Richard Irvine vor einem Jahr ins Haus geschickt. Kurze Zeit darauf war er tot, vor einen U-Bahnwaggon gestürzt, eine der besagten Spinnen krampfhaft umklammernd. Die anderen elf waren verschwunden, tauchen aber nach und nach wieder auf: Jedes Mal hält sie ein anderes Mordopfer in der Hand.

Scotland Yard setzt Inspektor Dawson, seinen besten Mann, auf den Fall an. Verbissen geht der alte Haudegen den schwachen Spuren nach. Seine Hauptverdächtige ist Muriel Irvine, Richards Witwe, die nach dem Tod des Gatten eine hohe Versicherungssumme einstrich. Dass sie leugnet, von den Spinnen zu wissen, wird ihr Verhängnis, denn Dawson weist ihr dies als Lüge nach. Bevor er seine Fahndung intensivieren kann, wird er allerdings umgebracht. In seiner Hand: eine der Spinnen!

Louis Weinert-Wilton – Die weiße Spinne weiterlesen

von Grote, Alexandra – Tod an der Place de la Bastille – Maurice LaBréas zweiter Fall

Relativ kurz nach dem Debüt ihres neuen Serienhelden Maurice LaBréa meldet sich Alexandra von Grote auch schon mit einem zweiten Band des Pariser Kriminalkommissars zurück. In „Tod an der Place de la Bastille“ setzt die Autorin die Lebensgeschichte des verwitweten Polizeibeamten und seiner Tochter Jenny fort und steigt einige Monate nach dem letzten wichtigen Mordfall von LaBréa wieder mit einem neuen Fall ins Geschehen ein. Dieses Mal hat von Grote sich allerdings für ein noch heftigeres Thema entschieden und setzt damit die Tendenz des letzten mit brutalen Morden gespickten Romans [„Mord in der Rue St. Lazare“ 1834 fort. In „Tod an der Place de las Bastille“ wird die Geschichte eines skrupellosen Sexualmörders erzählt, der vor keiner noch so perversen und abscheulichen Tat zurückschreckt.

_Story:_

Maurice LaBréa und seine Tochter Jenny haben sich mittlerweile ganz gut in Paris eingelebt, und von den anfänglichen Reibereien des Umzugs in die Weltstadt ist kaum noch etwas zu spüren. Besonders der Vater des jungen Mädchens fühlt sich pudelwohl und ist nach den Schrecken des zurückliegenden Mordes an einer Frau wieder so weit auf dem Damm, dass er sich auf eine Beziehung mit seiner Nachbarin Celine einlassen kann.

Der neue Frieden wird aber abrupt gestört, als die Abteilung des Kommissars auf einen Mann angesetzt wird, der eine unscheinbare Putzfrau übel zugerichtet, vergewaltigt und schließlich ermodet hat. Der Mörder hat lediglich ein Blatt mit der Abbildung eines ägyptischen Fußes sowie Spuren seines Spermas als Beweismaterial hinterlassen und den Haustürschlüssel vor die Türschwelle gelegt, damit das Opfer möglichst bald gefunden wird. LaBréa glaubt daran, dass der Mörder aus dem Umfeld der Dame stammt; als dann jedoch wenige Häuser weiter eine Studentin auf genau dieselbe Art und Weise umgebracht wird, wird dem Kommissar schnell klar, dass man es hier mit einem Serienkiller zu tun hat. Schon jetzt zieht die Polizei Parallelen zu Guy Georges, einem Sexualmörder, der vor einigen Jahren die Stadt in Atem gehalten hat. Damals waren die Ermittlungen seitens der Polizei vor allem deswegen erfolglos gewesen, weil die Bevölkerung infolge einer Pressesperre zu spät gewarnt wurde und der Mörder unbeobachtet weiter morden konnte. Doch dieses Mal will man geschickter vorgehen, alarmiert die Presse zunächst dennoch nicht, weil man sich sicher ist, dass der Aufruhr den Mörder nur noch weiter motivieren würde.

Als dann aber eine weitere Frau getötet wird, die Beamten jedoch weiterhin nicht den Hauch einer Spur haben, schmiedet LaBréa einen gefährlichen Plan: Seine Kollegin Claudine soll den Lockvogel des Mörders spielen und sich abends mit ausreichend Polizei in der Nähe und Funkkontakt zu ihren Kollegen an der Place de la Bastille herumtreiben. Da Claudine in Sachen Kampfsport Expertin ist, erhofft sich LaBréa, dass sie im Notfall den Mörder selber zur Strecke bringen kann. Der Plan geht aber nicht auf, eine weitere Frau stirbt und Claudine ist in höchster Gefahr – vom Mörder ist dennoch weit und breit keine Spur zu finden …

Wer den Vorgängerband gelesen hat, ist mit den Hauptcharakteren der Geschichte bereits vertraut – dem konservativen Kollegen Franck, der aufgeweckten Tochter Jenny, der liebevollen Celine, dem muffigen Polizeipräsidenten, der jede Aktion mit einem Zitat eines berühmten Dichters kommentiert, dem schrillen und stets bunt gekleideten Jean-Claude und natürlich dem arbeitswütigen Kommissar Maurice LaBréa. Diese Vorkenntnis wird dem Leser grundsätzlich hilfreich sein, ganz besonders aber zu Beginn des Buches, wo immer mal wieder Rückblicke in vergangene Szenarien vorgenommen werden, die man dementsprechend auch besser deuten und verstehen kann.

Andererseits steht „Tod in der Place de la Bastille“ als Geschichte ganz klar für sich. Heftig, erschreckend und ohne Blende erzählt die Autorin eine Geschichte, bei der man zwischendurch schon mal öfter tief Luft holen muss. Die Beschreibungen der einzelne Morde sind nämlich recht eklig und gehen sehr tief ins Detail. Messerstiche in Brustwarze, Vagina und Hals, dazu Blut- und Spermaspuren überall – von Grote weiß, wie man den Leser schockiert, benutzt dies jedoch glücklicherweise nicht als effektheischendes Mittel, um von einer eventuell belanglosen Geschichte abzulenken. Dieser Roman ist nämlich das genaue Gegenteil des Begriffes ‚langweilig‘ und bleibt bis zur (tatsächlich) letzten Seite spannend. Von Grote schildert die Morde dabei sowohl aus der Sicht des Täters als auch aus dem Blickwinkel der Ermittler und fügt diese beiden Seiten schließlich wunderbar zusammen. Bis zum letzten Kapitel wird nie zu viel verraten und genau so lange tappt der Leser auch im Dunkeln, was Motiv und Person der mordenden Bestie anbelangt.

In dem Moment, wo die Polizei endlich eine Spur zu haben glaubt und eine Kollegin an den Platz der Bastille schickt, legt von Grote allerdings erst so richtig los. Ich habe die letzten 250 Seiten bis tief in die Nacht hinein gelesen, und aufgrund der fesselnden Atmosphäre der Pariser Nacht wurde mir manchmal – ich gebe es zu – vor Schaudern ganz anders. Die Jagd auf den Mörder bzw. deren Darstellung ist der Autorin bis ins letzte Detail wirklich super gelungen, und wie sie schließlich die verschiedenen Charaktere in die Erzählung mit einbezieht, ist schon ganz große Klasse und in diesem Sinne noch einmal weitaus gelungen besser als im ersten Roman um Kommissar LaBréa.

Lediglich eine Schwachstelle hat „Tod an der Place de la Bastille“, und das ist das Hinzufügen einer Profilerin, die plötzlich in der Geschichte auftaucht und versucht, die Psyche des Mörders zu analysieren. Dabei ist leider nur ein ziemlich klischeehaftes, wenig tief greifendes Bild entstanden, das sich der Leser auch selber hätte machen können. Es bleibt lediglich bei einem unnötigen und letztendlich gescheiterten Versuch, das Phänomen hinter einer solchen Person zu beschreiben, und insgesamt bringt das die Handlung ganz und gar nicht voran.

Davon ist aber dann bei der Endbewertung wieder abzusehen. Als Krimi ist „Tod an der Place de la Bastille“ wirklich sehr empfehlenswert, besonders wenn man schon mit den einzelnen Charakteren schon vertraut ist. Die in Südfrankreich ansässige Autorin hat das Flair ihrer Wahlheimat erneut prima eingefangen und sich in Sachen Spannung noch einmal enorm steigern können. Meinetwegen darf es schon sehr bald wieder einen neuen Roman aus dem Umfeld von Kommissar LaBréa geben!

John Dickson Carr – Die Tür im Schott

Das geschieht:

In Mallingford, einem Dörflein in der englischen Grafschaft Kent, üben Sir John Farnleigh, Baronet von Mallingford und Soane, und seine Gattin, die liebliche Lady Molly, mit starker aber gütiger Hand das ihnen von Gott und König verliehene Privileg aus, dem Volk Führung und Schutz vor den zweifelhaften Segnungen des 20. Jahrhunderts angedeihen zu lassen. Die Idylle platzt, als den fernen USA ein Mann namens Patrick Gore auftaucht, der sich erdreistet, Sir John Titel, Besitz und sogar den Namen streitig zu machen!

Als Jüngling ein Satanist (!) und Wüstling, wurde dieser John Farnleigh 1912 vom Vater verstoßen und in die ehemaligen Kolonien. Eingeschifft wurde der missratene Spross auf einem Dampfer namens „Titanic“. Bevor deren Reise vorzeitig an einem Eisberg endete, lernte Jung-John einen heimatlosen Zirkus-Artisten gleichen Alters kennen und schätzen: den wahren Patrick Gore nämlich, der dem faszinierten Adelssohn vorschlug, die Identitäten zu tauschen, um die Karten ihrer zukünftigen Leben neu zu mischen. John Dickson Carr – Die Tür im Schott weiterlesen

Agatha Christie – Mord im Orientexpress

Auf der Zugfahrt von Istanbul nach Calais wird Mr. Ratchett erstochen. Sein Mörder muss sich unter den Passagieren befinden. Meisterdetektiv Hercule Poirot ist an Bord, beginnt die Anwesenden zu verhören und deckt ein unglaubliches Rachekomplott auf … – Zu Recht ein großer Klassiker der Kriminalliteratur, in dem kaum etwas geschieht, sondern viel geredet und spannend gelogen wird, bis Schicht um Schicht das eigentliche Geheimnis offengelegt ist.
Agatha Christie – Mord im Orientexpress weiterlesen

Walter Satterthwait – Eskapaden

Das geschieht:

Schloß Maplewhite in der englischen Grafschaft Devon ist im August des Jahres 1921 Schauplatz eines außergewöhnlichen Ereignisses: Lord Robert Purleigh, der Hausherr, lädt ein zur Séance mit dem berühmten Medium Madame Sosostris. Unter den illustren Gästen: Sir Arthur Conan Doyle, Schriftsteller und geistiger Vater des unsterblichen Sherlock Holmes, privat ein unverbesserlicher und recht leichtgläubiger Anhänger des Okkulten.

Dies trifft auf Harry Houdini, den außergewöhnlich begabten und maßlos von sich eingenommenen Zauber- und Entfesselungskünstler nicht zu. Er kennt die Tricks seiner Kolleginnen und Kollegen. In den letzten Jahren hat er sich verhasst gemacht, weil er falsche Magier und Medien entlarvt. Madame Sosostris‘ Karriere ist Houdini schon lange ein Dorn im Auge; sie will er auf Maplewhite beenden. Houdini ist außerdem auf der Flucht. Chin Soo, ein verärgerter Rivale, hat ihm den Tod geschworen. Houdini wird daher von Phil Beaumont vom Detektivbüro Pinkerton begleitet. Walter Satterthwait – Eskapaden weiterlesen

David Hewson – Die Strohpuppe

Das geschieht:

Einige tüchtige Schläge hat das Schicksal der armen Alison Fenway bereits versetzt. Im Vorjahr war sie in ihrer Heimatstadt Boston nur knapp einem Großfeuer entronnen, hatte dabei allerdings ihr ungeborenes Kind und kurz darauf den Verstand verloren. Nach mehreren im Sanatorium verbrachten Monaten schien ein Tapetenwechsel ratsam. Ein glücklicher Zufall fügte es, dass Alisons Gatte Miles, ein gebürtiger Brite, von einer alten Tante Priory High, ein feudales Landhaus in den südostenglischen Downs, geerbt hat. Seinem Job als Bänker kann er auch dort nachgehen, und Alison ist einverstanden; sie will nur gesund und vor allem endlich Mutter werden, was bei ihr durchaus zur fixen Idee geworden ist.

Beulah, das kleine Dorf in den Hügeln der Downs, ist ein seltsamer Ort, in dem in gewisser Weise die Uhr stehengeblieben ist. Hier hält man es noch nicht mit der christlichen Kirche, sondern mit den uralten Naturgottheiten, die von den keltischen Vorfahren der braven Bürger verehrt wurden. „Burning Man“ ist eines der orgiastischen Feste, die man in Beulah feiert, wobei eine Strohpuppe im Rahmen eines Erntedankes verbrannt wird. Alison glaubt allerdings, in der Asche des Scheiterhaufens einen menschlichen Fingerknochen gefunden zu haben, was ihr arges Kopfzerbrechen bereitet. David Hewson – Die Strohpuppe weiterlesen

Chabon, Michael – letzte Rätsel, Das

89 Jahre ist Meisterdetektiv im Ruhestand Sherlock Holmes in diesem Jahr 1944 alt – ein immer noch hellwacher Geist in einem gebrechlichen Körper. Auf seinem kleinen Ruhesitz in der englischen Grafschaft Sussex lebt er auch im fünften Jahr des II. Weltkriegs geruhsam und züchtet Bienen, als ihn eines schönen Tages eine seltsame Begegnung aus seinem Trott reißt: Linus Steinman gehört zu jenen jüdischen Waisenkindern, die aus Nazi-Deutschland gerettet werden konnten, indem sie ins Ausland verschickt wurden. Die erlebten Schrecken haben den Jungen stumm werden lassen. Umso gesprächiger ist dagegen Papagei Bruno, der stets auf Linus’ Schulter sitzt und seinen Herrn begleitet. Bruno singt Lieder und zitiert Gedichte. Vor allen krächzt er immer wieder lange Zahlenreihen in deutscher Sprache. Sie scheinen ohne Sinn zu sein.

Doch Linus und Bruno stehen unter Beobachtung. In der Pension der Pfarrersfrau Panicker, wo man sie einquartiert hat, behält sie Mr. Shane, angeblich ein Handelsvertreter, genau im Auge. Shane wird wiederum vom misstrauischen Mr. Parkins, einem weiteren Gast, beschattet. Dann verschwindet Bruno, Mr. Shane liegt mit zertrümmerten Schädel neben seinem Wagen und der junge taugenichtsige Reggie Panicker jr. gilt als Mörder. Das ist zu viel des Stresses für den schlichten Landpolizisten Bellows, der sich plötzlich des alten Detektivs in der Nachbarschaft erinnert, von dessen Können und Hilfsbereitschaft ihm sein Großvater früher so oft erzählte. Holmes mag zwar erst nicht aus seiner Höhle kommen, doch eigentlich weiß er schon länger, dass ihm seine Bienenzucht als intellektuelle Herausforderung nicht genügt. Sherlock Holmes will wieder sein Spiel beginnen lassen, nur: Kann er es noch nach so vielen Jahren des Pausierens …?

Sherlock Holmes ohne Dr. Watson? Ermittelt wird nicht im nebligen London der Königin Victoria, sondern auf dem Höhepunkt des Kriegs gegen Nazi-Deutschland in einem Nest irgendwo auf dem Land? Mr. Holmes ermittelt nicht in tausend Masken, sondern ist ein schwacher Greis, der sich vor einer gebrochenen Hüfte fürchtet? Kann denn so eine „untypische“ Sherlock-Holmes-Geschichte überhaupt funktionieren?

Das kann sie sogar sehr gut, wenn ein Schriftsteller wie Michael Chabon sie schreibt, der einerseits intelligent mit dem Holmes-Mythos spielt, während er ihn andererseits kundig & liebevoll fortspinnt und ihn in eine (sorgfältig übersetzte) Prosa gießt, von der selbst Arthur Conan Doyle nur träumen könnte. Der Plot ist klug ausgetüftelt, ansprechend kompliziert und wird schlüssig aufgelöst. Zudem ist er zeitgemäß, d. h. er rankt sich um das ernste Thema des Naziterrors, ohne dass darüber die Krimi-Atmosphäre leidet. Viel ruhiger, trockener Humor ist im Spiel, immer wieder gibt es Überraschungen. Das Kapitel mit der Lösung des Rätsels wird gar aus der Sicht des Pagageis erzählt …

„The Final Solution“: Der Titel erinnert an die Originalstory „The Final Problem“, in der sich Doyle 1893 seines Helden entledigen wollte, indem er ihn in einen Wasserfall stürzte. Durch viel Geld gelockt, ließ ihn der Schriftsteller Jahre später wieder auferstehen. 1917 verfasste er die chronologisch letzte Holmes-Geschichte („His Last Bow“; dt. u. a. „Seine Abschiedsvorstellung“), in der ein gealterter Detektiv ein letztes Mal aus dem Ruhestand zurückkehrt. Auch der müde & melancholisch gewordene Holmes dieser Erzählung fließt in Chabons Kurzroman ein.

Zum Roman gehören die auch in der deutschen Ausgabe abgedruckten Zeichnungen des Künstlers Jay Ryan. Schon die originalen Holmes-Geschichten waren berühmt für ihre Illustrationen; Sidney Paget war es beispielsweise, der Holmes zu jener hageren Gestalt mit Deerstalker und Meerschaumpfeife machte, in der man ihn noch heute sieht. Sie kommentieren einerseits das Geschehen, ironisieren und konterkarieren es jedoch auf einer zweiten Ebene, indem sie Elemente dieser Bilder so verfremden, dass sie nicht abbilden, sondern kommentieren.

Sherlock Holmes als Greis, den ein mysteriöser Fall zu neuem Leben erweckt: Das ist eine Geschichte, die sogar noch interessanter zu lesen ist als das eigentliche kriminelle bzw. kriminalistische Geschehen. Anfangs lernen wir einen Holmes (er wird vom Verfasser übrigens niemals mit seinem Namen, sondern stets als „der alte Mann“ angesprochen) kennen, dessen Welt klein geworden ist. Ungern verlässt er seine warme Stube, weil ihn seine Körperkräfte verlassen; Demenzattacken erschrecken ihn, er verkriecht sich in seine Bücher und bereitet sich auf den Tod vor.

Doch tief in Holmes schlummert immer noch der alte Spürhund. Er ist spannend und rührend, wie Chabon sein allmähliches Erwachen beschreibt. Es hat sich viel verändert in der Welt. Richtig bewusst wird es Holmes selbst erst, als er zum ersten Mal seit über zwanzig Jahren in das inzwischen von Görings Bombern und von Brauns Raketen verwüstete London zurückkehrt. Schritt für Schritt findet der eingerostete Meisterdetektiv zurück in seine alte Rolle. Er gewinnt an Vertrauen und Zuversicht und findet zurück zum intellektuellen Vergnügen, das er einst in die unsterblichen Worte fasste: „Das Spiel beginnt!“

Der Junge Linus Steinman erweist sich weniger als zweite Hauptfigur. Stattdessen fungiert er als Katalysator, der Holmes reaktiviert, indem er sein Interesse erregt – seit jeher das wirksamste Mittel, den auch im Alter immer noch informationshungrigen bzw. –gierigen Ermittler in Bewegung zu bringen. Linus ohne Bruno wäre Holmes zudem wahrscheinlich gar nicht aufgefallen. Ein Papagei, der scheinbar dummes Zeug plappert, hinter dem sich zufällig aufgeschnappte und brisante Geheiminformationen verstecken: Auf einer Liste von Plot-Klischees dürfte dieses sehr weit oben stehen. Chabon setzt es bewusst ein, zumal alle Beteiligten – Holmes lange eingeschlossen – bis zuletzt irren: Die von Bruno memorierten Zahlen verbergen kein militärisches Geheimnis, sondern ein schreckliches Verbrechen einer „final solution“, was sich auch als „Endlösung“ übersetzen lässt …

Michael Chabon wurde am 24. Mai 1963 in Washington, D. C./USA) geboren. Aufgewachsen ist er in Columbia/Maryland. Seine Kurzgeschichten erschienen in hoch gelobten Anthologien und renommierten Zeitungen & Zeitschriften sowie im „Playboy Magazine“. Noch erfolgreicher ist Chabon als Romanschriftsteller (u. a. „The Mysteries of Pittsburgh“; dt. „Die Geheimnisse von Pittsburgh“, “Wonderboys”). Für „The Amazing Adventures of Kavalier & Clay“ (dt. „Die unglaublichen Abenteuer von Kavalier & Clay“) wurde er 2000 mit dem PEN/Faulkner Award, dem Pulitzer-Preis, dem Los Angeles Times Book Prize und weiteren Preisen ausgezeichnet. Mit seiner Familie lebt und arbeitet der Autor in Berkeley, Kalifornien.

Michael Chabon hält eine angemessen nostalgisch und kauzig gestaltete Website: http://www.michaelchabon.com.

von Grote, Alexandra – Mord in der Rue St. Lazare – Maurice LaBréas erster Fall

Mit „Mord in der Rue St. Lazare“ beginnt Alexandra von Grote eine neue Krimireihe, in deren Mittelpunkt der Pariser Kriminalkomissar Maurice LaBréa steht. Hierbei handelt es sich um einen vom Schicksal geplagten Mann, dessen Frau erst vor einem halben Jahr und nur wegen einer fast schon lächerlich geringen Geldsumme überfallen und kaltblütig ermordet wurde. Alexandra von Grote schildert die Person des Kommissars und die stetigen Albträume, mit denen LaBréa ständig zu kämpfen hat – auch bei seinen Ermittlungen.

_Story:_

Nach wie vor klammert sich Kommissar LaBréa in seinen Träumen an die schrecklichen Visionen vom Verlust seiner Gattin Anne. Lediglich die Verantwortung seiner Tochter Jenny gegenüber treibt ihn dazu, sich seine Niedergeschlagenheit nicht anmerken zu lassen. In seinem Job wird Maurice LaBréa aber dennoch tagtäglich mit dem Tod konfrontiert, und jedes Mal keimen auch die Erinnerungen an den Tag, an dem Anne ermordet wurde, wieder auf. So auch in dem Moment, als Kommissar LaBréa die Leiche des brutal ermordeten und mit einem Golfschläger vollkommen entstellten Produzenten Molin auffindet. Einen Tag vor dieser Tat hat der Beamte Molin noch kurz kennen lernen können und schon dabei gemerkt, dass der Kerl ein sehr unangenehmer Zeitgenosse war.

Und genau dies vermutet die Pariser Polizei demnächst auch als Tatmotiv: Zwiste mit seinen Angestellten, die gerade erst mit den Dreharbeiten zum neuen Molin-Streifen „Mord in der Rue St. Lazare“ begonnen haben, und darüber hinaus Affären mit mehreren Karrieredamen in der Filmbranche, die Molin zum Verhängnis geworden sein könnten. LaBréa und sein Team, bestehend aus dem konservativen Franck, der seine Wochenenden auf der Pferderennbahn verbringt, und dem Paradiesvogel John-Marc, dem das Kollegium aufgrund seines schillernden Auftretens auch Kontakte zur Homosexuellen-Szene nachsagt, beginnen alsbald die Ermittlungen in diesem Fall und stoßen dabei auch auf eine ganze Reihe Verdächtiger.

Die erste Spur führt die Beamten direkt in das Team bei den Dreharbeiten, denn wie sich herausstellt, ist der kaltblütige Mord am Produzenten von „Mord in der Rue St. Lazare“ dem ursprünglichen und später abgeänderten Drehbuch nachempfunden worden. Als dann jedoch genau einen Tag später auch Molins Frau umgebracht wird, verliert die Kripo zunächst den Überblick. Dazu kommen einige seltsame Kontakte, deren Spur bis hin zu einem Chemiekonzern nach Kapstadt führen, an dem Molin ebenfalls beteiligt gewesen sein soll. Darüber hinaus rätseln LaBréa und seine Kollegen auch noch, ob es überhaupt einen direkten Zusammenhang zwischen den beiden Morden gibt. Bevor die Spuren jedoch im Sande verlaufen können, bekommt der Kommissar langsam aber sicher ein genaues Bild von den Affären, Betrügereien und Intrigen, in die Molin jahrelang verwickelt war, und kommt so dem Tatmotiv und den beteiligten Personen ebenso schleppend auf die Schliche wie es ihm gelingt, zu seiner Nachbarin Celine den ersten intensiveren zwischenmenschlichen Kontakt nach dem Tod seiner Frau aufzubauen.

Alexandra von Grote ist unter anderem schon als Drehbuchautorin und Regisseurin tätig gewesen und hat sich ihre Erfahrungen in dieser Branche auch für den Auftakt ihrer neuen Krimiserie zunutze gemacht. Dementsprechend ist „Mord in der St. Lazare“ auch voll von Fachbegriffen rund um die Filmbranche und zudem mit einigem Hintergrundwissen im Hinblick auf technische Belange in der Kinoindustrie gespickt. Das verleiht dem Buch von Anfang an die nötige Authentizität bezüglich der inhaltlichen Materie, ohne dass das Ganze in irgendeiner Weise belehrend klingen würde. Erstaunlicherweise macht die Autorin dabei aber auch vor brutalen Fakten nicht Halt, schildert des Öfteren, mit welchen skrupellosen Methoden die Verantwortlichen teilweise umgehen, beschreibt den zweifelhaften Aufstieg so mancher Nachwuchsschauspielerin und stellt die Szenerie im Großen und Ganzen in ein sehr negatives und relativ düsteres Licht.

Doch dies ist nicht das einzige Fachgebiet der Autorin. Als Wahl-Französin ist es ihr auch fabelhaft gelungen, das besondere Flair, das die Stadt Paris umgibt, in der Atmosphäre der Erzählung zu verankern. Hier wird ein Stück französische Kultur, mit allem was dazu gehört, geboten, vom Wein über das Baguette bis hin zu den eigenwilligen Erscheinungsbildern der Hauptfiguren, die man getrost als ‚typisch französisch‘ bezeichnen darf. Die Erzählung um das ermordete Ehepaar kann von diesen Hintergrundinformationen bzw. vom Auffangen der speziellen Atmosphäre der „Stadt der Liebe“ merklich profitieren und bekommt so auch deutlich Farbe, und das noch bevor von Grote mit der eigentlichen Handlung so richtig losgelegt hat.

Sobald die Autorin den Leser aber dann mitten in die Umgebung der beiden seltsamen Mordfälle versetzt, legt sie ein sehr rasantes Erzähltempo vor und steuert in der Mitte des Buches schon auf eine partielle Auflösung zu – die aber dann später wieder komplett verworfen wird. Diesen Teil finde ich persönlich jedoch nicht so gelungen, denn somit schränkt von Grote den Kreis der möglichen Attentäter sehr stark ein. Ebenfalls weniger geglückt ist die Einbeziehung von bis kurz vor Schluss unerwähnten Fakten im Bezug auf die Verbindungen der Familie Mloin nach Südafrika. Dies hätte man schon von vorneherein in die Geschichte integrieren sollen, denn so wirkt das Ganze – obwohl es von Grote letztendlich prima gelingt, die Fäden allesamt zusammenlaufen zu lassen – ein wenig zu aufgesetzt und quasi an die eigentliche Story gehängt. Eigentlich steht der (oder die?) Mörder auf Seite 250 schon fest, dann folgt aber noch einmal ein kompletter Rundumschlag, der alles (und meiner Meinung nach auch zu viel) wieder über den Haufen wirft, und dessen Hintergründe zum Schluss hin auch nicht ganz aufgeklärt werden. Vielleicht geschieht dies ja in der ebenfalls schon veröffentlichten Fortsetzung …

Ansonsten gefällt die Geschichte aber sehr gut, zumal von Grote mit dem eigenwilligen und recht sturen Kommissar LaBréa einen wirklich guten Hauptcharakter eingeführt hat, dessen Charme alleine schon einen großen Reiz ausübt und die Lektüre des Buches zusätzlich belebt. Und sieht man mal von den leichten oben geschilderten Mängeln ab, ist „Mord in der Rue St. Lazare“ über alle Maße hinaus spannend, und das bis zur letzten Seite – und das ist doch genau das, was man von einem guten Krimi erwartet, oder?

Roszak, Theodore – Schattenlichter

Ob man einem Autor dieser Tage einen Gefallen tut, wenn man ihn auf dem Buchdeckel mit dem aktuell wohl faszinierendsten Bestseller-Autor Dan Brown vergleicht, möchte ich einmal in Fragen stellen. Das katapultiert die Erwartungshaltung an das jeweilige Buch nämlich direkt in schwindelerregende Höhen, die es aber im Regelfall nicht erreichen kann. Dies darf man im übertragenen Sinne auch auf „Schattenlichter“ von Theodore Roszak anwenden, denn das in den Vereinigten Staaten bereits als Kultroman verehrte Buch kann trotz der mysteriös erscheinenden Themenwahl und des hohen Potenzials seines Plots nicht mit der Spannungskurve eines Brownschen Schnitzeljagd-Thrillers konkurrieren, auch wenn man Roszak definitiv zugestehen muss, dass er eine Geschichte kreiert hat, die sich anregend und gewinnend lesen lässt.

_Story:_

Jonathan Gates, junger Filmstudent und Cineast, ist regelmäßiger Besucher des |Classic|, eines heruntergekommenen Underground-Kinos im Herzen von Los Angeles. Dort sieht er seinen ersten Max-Castle-Film. Castle – ursprünglich Maximilian von Kastell – war in den Zwanzigern ein begabter UFA-Regisseur, der später nach Hollywood übersiedelte, um sich dort mit zweitklassigen Horrorfilmen über Wasser zu halten. Doch richtig groß herauskommen konnte er nie, weshalb der Mann auch schnell wieder in Vergessenheit geriet.

Jonathan bekommt ein gänzlich anderes Bild von Castle und ist sich fortan sicher, dass er es hier mit allem zu tun hat, aber sicher nicht nur mit einem B-Movie-Regisseur. Castle war offenbar ein ganz außergewöhnlicher Filmemacher, der die Zuschauer mit subtilen Effekten in den Bann ziehen wollte. Das ist aber nicht die einzige Entdeckung, die Jonathan macht; zudem erfährt er von Castles Mitgliedschaft im „Orden der Sturmwaisen“. Hierbei handelt es sich um eine religiöse Vereinigung, deren Geschichte bis weit vor die Zeit Jesu Christi datiert, und die immer wieder dann an der Oberfläche erscheint, wenn von ‚Bewegten Bildern‘, also der Frühform des modernen Kinos, die Rede ist.

Der Orden existiert auch heute noch und bildet nach wie vor seine Schüler in den verschiedenen Arten des Filmhandwerks aus. Doch keiner versteht, was die Ursache dieser Arbeit und der Existenz des Ordens ist. Was bezwecken die Sturmwaisen? Welches Geheimnis verbergen sie? Jonathan macht sich auf, diesen mysteriösen Zusammenhängen nachzugehen und findet alsbald heraus, dass es sich hierbei um eine Verschwörung handelt, die seit Jahrhunderten andauert und nur ein Ziel verfolgt: Das Ende der Geschichte, so wie wir sie kennen …

Nun, Theodor Roszak wagt sich an eine sehr bizarre Materie heran, bezieht sich dabei aber über die Person des jungen Filmstudenten Jonathan Gates auf mehrere bekannte Verschwörungstheorien. Man merkt dem Buch an, dass der Autor sich sehr intensiv mit dem Stoff auseinandergesetzt hat, und nicht umsonst überschreitet „Schattenlichter“ deutlich die 800-Seiten-Marke. Aber in dieser übertriebenen Detailverliebtheit besteht auch die Schwäche dieses Romans, denn irgendwann artet die Angelegenheit so weit aus, dass von der anfangs durchaus noch formidablen Spannung mittendrin und gerade zum Ende nicht mehr viel übrig bleibt. Das Ziel, den Leser mit einer prinzipiell klug inszenierten Rahmenhandlung zu erreichen und ihn dabei für den mysteriösen Orden der Sturmwaisen zu begeistern, verfehlt Roszak zwar nicht ganz, denn immerhin bleibt man auf den ersten 150 Seiten noch ziemlich eifrig an der Lektüre. Doch mit wachsender Seitenzahl verliert „Schattenlichter“ den Wert eines unterhaltenden Romans. Roszak schweift zu häufig ab, und das jeweilige Rätsel oder der Kernpunkt des Mysteriösen wird dabei einfach zu oft aus den Augen verloren.

Stattdessen wird die Geschichte immer mehr zu einer Infoveranstaltung für Verschwörungstheoretiker. Die Katharer und der Vatikan werden erwähnt, das Nazi-Regime als Mitinitiator des Weltendes genannt und der Vatikan als hilflose Institution charakterisiert. Obwohl Roszak das Ganze sehr ausschweifend beschreibt, geht er aber nie so richtig in die Tiefe. Es gibt zahlreiche Stellen im Buch, an denen der Autor lange um ein Thema herumschreibt, aber einfach nie auf den Punkt kommen will – vielleicht ja, weil er vermutet, diesen mit zunehmender Seitenzahl und Handlungsverwirrung ohnehin schon irgendwo getroffen oder zumindest tangiert zu haben. Ich möchte behaupten, dass die Geschichte mit der Hälfte der Seiten wesentlich packender herübergekommen wäre und der Kern des Ganzen ohne Umschweife viel besser hätte beschrieben werden können.

Andererseits verläuft die Geschichte auch immer mehr in eine recht seltsame Richtung, und trotz der rätselhaften Geheimnisse um den Orden der Sturmwaisen weiß man einfach ab einer gewissen Stelle, auf welches Ende Roszak mit seine Erzählung abzielt. Dies ist dann auch der letzte Fakt, den es zu krisieren gilt. Hier wird so viel geschrieben, es kommen so viele Informationen zu den verschiedenen beteiligten Organisationen an die Oberfläche, die von jahrelanger Recherche zeugen, und schlussendlich kann man sich doch denken, wohin die Sache tendiert. Spätestens dann gibt man entnervt auf und liest den Rest des Buches nur noch, weil man ja bereits so weit gekommen ist. Und das kann ja nicht das Ziel eines Buches sein, schon gar nicht, wenn Konkurrenz wie Dan Brown im Hintergrund herumschwirrt …

Ich war zwischendurch auch mehrfach der Versuchung erlegen, aufzugeben, aber ich lese grundsätzlich jedes Buch zu Ende, und mit diesem Prinzip wollte ich auch bei „Schattenlichter“ nicht brechen. Aber zumindest kann ich jetzt mein Wissen weitergeben und die Geschichte, die ganze 14 Jahre gebraucht hat, bis sie ins Deutsche übersetzt wurde, als zweifelhaft spannend und ziemlich langatmig deklarieren. Zu viele Fakten und in Relation zur Seitenstärke zu wenig richtige Handlung – so lautet mein kurzes Fazit, untermauert dadurch, dass es im Hinblick auf religiöse Verschwörungen so viel besseren Stoff gibt, der hier vorzuziehen wäre. Wie war das noch mit Dan Brown? Nun, zumindest ist die Grundidee sehr gut: Ein Cineast, der über das Interesse für den klassischen Film zu einem scheinbar vergessenen, aber heute noch bedrohlichen Orden findet und dabei eine unglaubliche Entdeckung gemacht. Leider ist Roszak insgesamt zu weit übers Ziel geschossen und hat den wichtigsten Faktor der modernen Belletristik vergessen: Die Kunst, die Erzählung unterhaltsam zu gestalten. Als Kultbuch wird „Schattenlichter“ jedenfalls stark überbewertet.

_Der Autor_

Theodore Roszak, 1933 geboren, ist Professor für Geschichte an der Universität Kalifornien. Neben zahlreichen Sachbüchern – darunter „Gegenkultur“, dem Standardwerk über die Protestbewegungen der 60er Jahre – hat er auch etliche Romane veröffentlicht, zuletzt „Die Memoiren der Elizabeth Frankenstein“. „Schattenlichter“ ist sein berühmtester Roman und gilt in den USA als Kultbuch.

|Originaltitel: Flicker, 1991
Übersetzt von Friedrich Mader
Paperback, ca. 896 Seiten, 13,5 x 20,6 cm|

Ian Fleming – James Bond 007: Moonraker

Das geschieht:

Er ist ein Kriegsheld, einer der erfolgreichsten Geschäftsmänner seiner Zeit, märchenhaft reich, ein Philanthrop, der mit Spendengeld um sich wirft. Jetzt finanziert und konstruiert Hugo Drax seinem britischen Heimatland sogar die modernste Rakete der Gegenwart, die Atombomben an jeden Ort der Erde tragen kann, wo Kommunistenpack oder anderer Abschaum sich gegen die freie Welt des Westens verschwören will.

„Moonraker“ ist für die auch in diesem Jahr 1955 notorisch klamme Regierung Ihrer Majestät ein Geschenk des Himmels. An der englischen Küste nahe Dover wird die Wunderrakete gebaut und in Stellung gebracht. Zwischenfälle sind unerwünscht. Umso peinlicher, dass ausgerechnet M, der die 00-Abteilung des Secret Service – zuständig für ganz besonders diffizile Geheimdienstaufgaben – leitet, den in seinem Lieblingsclub zockenden Drax als Falschspieler entlarvt. Guter Rat ist teuer, um einen Skandal zu vermeiden. So bittet M James Bond, Dienstnummer 007, um Hilfe. Ian Fleming – James Bond 007: Moonraker weiterlesen

Thomas F. Monteleone – Das Blut des Lammes

Vatikan – Stadt des Bösen

Pater Amerigo Ponti wird 1967 Mitglied der „Sonderkommission des Papstes“, einer Kommission, über die niemand auch nur Gerüchte zu spinnen wagt. Er soll etwas stehlen, eine geheimnisvolle Glasphiole, deren mysteriöser Inhalt Ponti in blankes Erstaunen versetzt. Als er die Phiole seinem Auftraggeber übergibt, wird ihm das Lebenslicht ausgepustet.

Nach diesem Prolog richtet Monteleone seine Kamera in das Jahr 1998, auf das Leben von Pater Peter Carenza. Der ist gutaussehend, hat eine wohlklingende Stimme, zeigt massig Einsatz und ist von idealistischer Intelligenz – einfach jeder liebt ihn. Er selbst ist mit seinem Leben zufrieden, bis plötzlich ein Blitz aus seinen Händen schießt und einen Jugendlichen tötet, der Peter gerade hatte überfallen wollen.

Thomas F. Monteleone – Das Blut des Lammes weiterlesen

Stone, Jonathan – Bittere Wahrheit

Dreißig Jahre arbeitet er als Polizeichef von Canaanville, einer Kleinstadt hoch im Norden des US-Staates New York: Winston Edwards, den man nicht ohne Grund den „Bären“ nennt, ein riesenhafter und poltriger Mann, aber gleichzeitig ein fabelhafter Detektiv, dem in seiner langen Laufbahn noch nie ein Mörder entkam. Edwards hasst Überraschungen, was Julian Palmer, einem neuen Mitarbeiter, trotz eines famosen Lebenslaufes einen schlechten Start beschert: Dem Vornamen zum Trotz entpuppt sich Palmer als Frau …

Julian ist Teilnehmerin eines Austauschprogramms der Polizei von New York, das Auszubildenden die Chance bietet, Alltagserfahrungen außerhalb der Stadt zu sammeln. Die junge Frau sucht den Kontrast und wagt buchstäblich den Sprung ins kalte Wasser: Canaanville liegt im „Schneegürtel“ des Staates und gilt als recht unwirtliches, wenn auch landschaftlich reizvolles Fleckchen.

Wider Erwarten gibt Edwards, der den Polizei-Dinosaurier eher spielt als verkörpert, der neuen Kollegin eine Chance. Seine wenigen Mitarbeiter haben das Pulver nicht erfunden und waren ihm bisher keine große Hilfe beim vielleicht schwersten Fall seiner Karriere. Sarah Langley, eine junge Kellnerin, wurde nicht nur ermordet, sondern auch mit psychotischer Sorgfalt in Stücke gehackt, und es gibt keinerlei Hinweise auf den Täter, geschweige denn einen Verdächtigen.

In seiner Not versucht es Edwards nun mit dem Übernatürlichen. Der Seher Wayne Hill behauptet, „Eingebungen“ zu haben, die endlich neue Spuren im Langley-Mord aufwerfen. Doch Hill ist ein undurchsichtiger und auch labiler Mann, der ebenso beeindruckt wie Misstrauen weckt. Seine sparsam und dramatisch preisgegebenen Visionen lassen ihn für die Polizei rasch selbst zum Tatverdächtigen aufsteigen.

Doch für Julian Palmer beginnt sich plötzlich eine ganz andere Spur abzuzeichnen: Sie führt zu Chief Edwards selbst, dessen Beziehung zu Sarah Langley wesentlich inniger gewesen zu sein scheint als bisher bekannt wurde. Aus dem Verdacht wird scheinbar Gewissheit, als sich Wayne Hill plötzlich als Dr. Ernest Tibor zu erkennen gibt, Hills Psychiater und gleichzeitig der Geliebte Sarah Langleys, der die Bluttat und Winston Edwards, den Mörder, als Augenzeuge miterleben musste.

Noch bevor die überraschte und entsetzte Julian sich auf die verheerende Situation einstellen kann, wartet Edwards mit einer neuen Sensation auf: Tibor ist ebenfalls nicht der, der zu sein er vorgibt, sondern Eugene Green, ein schizophrener Gelegenheitsdieb, der gemeinsam mit dem echten Wayne Hill von Dr. Tibor behandelt wurde. Er passt wunderbar als Täter in das Mordszenario, doch die Indizien deuten weiterhin ebenfalls auf Chief Edwards hin, der womöglich, wie Julian argwöhnt, die Gelegenheit beim Schopf ergreift, ein perfektes Verbrechen in ein noch perfekteres zu verwandeln.

Hilflos sieht sich Julian in einem unlösbaren inneren Konflikt gefangen. Denn auch die junge Frau hütet düstere Geheimnisse und ist seelisch alles andere als ausgeglichen. Als Kind musste sie hilflos die Ermordung des Vaters erleben; eine Untat, die ungesühnt blieb und Julian dazu trieb, zur Polizei zu gehen. Im eindrucksvollen Edwards fand sie die lange vermisste Vaterfigur – und mehr: Edwards, der sich in einer erloschenen Ehe gefangen fühlt, macht Julian kaum verhohlen Avancen, und sie ist bereit, darauf einzugehen.

Immer rettungsloser beginnen sich falsche und echte Spuren zu verwirren. Chief Edwards scheint durch massive Manipulationen von sich als Täter abzulenken. Julian entdeckt, dass er womöglich Estelle, seine gekränkte Gattin, deckt, die durchaus von der Affäre mit Sarah Langley wusste. Kurz darauf findet sie überzeugende Beweise, die Green entlasten; Edwards behauptet daraufhin, diesen nur verhaftet zu haben, um den wahren Täter in Sicherheit zu wiegen: Im Alibi des echten Dr. Tibor tut sich plötzlich eine entscheidende Lücke auf. Gleichzeitig gibt Green zu, den Mord selbst nie beobachtet zu haben.

Der überaus gelungene Start einer neuen Cop-Krimi-Reihe prunkt mit einer hervorragend geplotteten und zügig erzählten Handlung, präsentiert bekannte, aber mit echtem Leben gefüllte Figuren, spielt vor einer ebenfalls nicht wirklich neuen, aber ökonomisch eingesetzten Kulisse und wird gekrönt durch ein unerwartetes, wirklich spannendes und kluges Finale.

Viel mehr lässt sich über diesen Roman eigentlich nicht sagen, möchte man nicht gar zu viel vorab verraten; muss aber auch nicht sein, wenn einem als Lese-Veteranen so ein feines Stück Krimi-Handwerk unter die Finger kommt. Dass dem so ist und man sich in guten Händen fühlen darf, macht bereits die Lektüre der ersten Seiten klar. Das Figurenensemble ist übersichtlich, der Ort des Geschehens ebenfalls: Geschickt setzt sich Jung-Autor Stone nicht selbst unnötig unter Druck, meidet Action-Leerlauf oder bläht die Handlung mit forensischer Fantasy aus der Wunderwelt des Polizei-Labors auf. Insofern ist „Bittere Wahrheit“ das Exemplar einer selten gewordenen Spezies: ein klassischer Thriller, der nie vorgibt, etwas anderes zu wollen, als seine Leser zu unterhalten, ohne sie dabei für dumm zu verkaufen.

Beinahe ehrfürchtig verfolgt man aber vor allem die Meisterschaft, mit der Autor Stone seine Leser wieder und wieder in Verwirrung zu stürzen weiß. Praktisch auf jeder neuen Seite wird uns ein neuer Verdächtiger präsentiert, der einige Zeilen später entlastet wird, um sogleich erneut in den Mittelpunkt des Misstrauens zu rücken. Diesen bravourösen Balanceakt hält Stone über mehr als 200 Seiten durch, bis er endlich dem wahren Übeltäter die Maske vom Gesicht reißt. Wir ahnen es erfreut: Es erwartet uns erneut eine Überraschung!

Der erfreuliche Inhalt spiegelt sich (wohl unabsichtlich) in dem wirklich gelungenen Titelbild der deutschen Ausgabe wider. Das muss an dieser Stelle einmal hervorgehoben werden, weil gerade die Taschenbücher des |Blanvalet|-Verlags seit viel zu langer Zeit mit kreuzlangweiligen und nichts sagenden aber kostengünstigen Cover-Motiven aus Bildstöcken und ”Image-Bänken” versehen werden: Kunsthandwerk per Mouseklick und genauso sieht es auch aus! Doch hier passt das Bild einer windschiefen, halb zerfallenen und schneebedeckten Holzhaus-Ruine perfekt; nur das Tüpfelchen auf dem i, aber eines, das den Lesespaß abrundet, denn zumindest das Auge des echten Bücherfreundes ruht mit Wohlgefallen selbst auf einem für den raschen Konsum produzierten Taschenbuch, wenn es einen zweiten Blick wert ist!

Jonathan Stone hat seinem Debüt übrigens inzwischen eine Fortsetzung folgen lassen. In „Heat of Lies“ (2001; dt. „Kaltes Gewissen“, Blanvalet TB Nr. 35672) erleben wir eine ältere und erfahrene Julian Palmer, die an ihrer neuen Dienststätte nicht nur einen weiteren rätselhaften Mord aufklären muss, sondern auch ungebetenen Besuch von einem tief gefallenen Winston Edwards erhält.

John Connolly – In tiefer Finsternis [Charlie Parker 3]

Ein Privatdetektiv stößt auf einen kriminellen Sektenchef, dessen ‚Kirche‘ eng mit terroristischen Neo-Nazis und fanatischen Fundamentalisten zusammenarbeitet. Der unheilige Bund gedenkt sich nicht in seine selbst auferlegte Mission zur „Reinigung“ der sündhaften Gesellschaft pfuschen zu lassen und tritt zum mörderischen Gegenangriff an … – Enorm spannender, wie immer sehr düsterer (dritter) Thriller der Charlie Parker-Serie, der vor dem Hintergrund des US-amerikanischen Sektenwesens spielt und diese Kulisse recht dramatisch wenn auch um des Spektakulären (hoffentlich) arg überspitzt nutzt.
John Connolly – In tiefer Finsternis [Charlie Parker 3] weiterlesen

Connelly, Michael – Rückkehr des Poeten, Die

Acht Jahre konnte er seine Verfolger narren und galt als tot: Mehr als genug Zeit für den Ex-FBI-Agenten und Serienmörder Jim Backus, genannt „der Poet“, um ein neues Mordkomplott anzuzetteln. Bei seinem ersten Auftritt hatten ihn ein Journalist und seine Schülerin, die FBI-Agentin Rachel Walling, daran gehindert, sein sadistisches Spiel zum geplanten Ende zu bringen. Das will Backus nun wieder aufnehmen und sich gleichzeitig an Walling rächen.

Ebenfalls in sein Visier gerät der Ex-Polizist Terry McCaleb, der nach einer Herztransplantation „ehrenamtlich“ als Profiler arbeitet und dem Poeten dabei bedrohlich nahe gekommen ist. Als McCaleb nach einem Herzanfall stirbt, glaubt seine Witwe nicht an einen natürlichen Tod. Sie bittet den Privatdetektiv Hieronymus „Harry“ Bosch, einen Freund ihres Gatten, um Hilfe und Aufklärung.

Unabhängig voneinander beginnen Walling und Bosch nach Backus zu fahnden. Die Agentin ist beim FBI in Ungnade gefallen, seit ihr der Poet entkam. Bosch trauert seiner Polizeimarke hinterher, da ohne die damit verbundenen Privilegien seine Nachforschungen nur zögerlich vorankommen. Doch recht zeitig kreuzen sich die Spuren der beiden Ermittler: Backus hat dafür gesorgt, wie er überhaupt im Hintergrund lauert und seine nur ihm logischen Intrigen spinnt. In der Wüste von Nevada hat er ein Leichenfeld angelegt, das Entsetzen auslösen soll und ein weiteres Rätsel einleitet, dessen Lösung auch die Lösung des Falls bedeutet. Bosch und Walling lassen sich auf den bizarren Wettstreit ein, obwohl sie nur zu genau wissen, dass der Einsatz in diesem „Spiel“ ihr eigenes Leben ist …

Wieder einmal kehrt Harry Bosch dorthin zurück, wo die ganz bösen Schurken ihr Unwesen treiben. Wenn es dieses Mal ein bisschen länger als sonst dauert, sich in der Bosch-Chronik zurecht zu finden, so liegt dies nicht am Verfasser, sondern am Heyne-Verlag, der – aus welchen Gründen auch immer – diesen zehnten vor dem neunten Teil („Lost Light“, 2003; dt. „Letzte Warnung“) erscheinen lässt. So verwirrt es zunächst, dass Harry Vater geworden ist und nicht mehr für das Los Angeles Police Department arbeitet, sondern als Privatdetektiv Schurken jagt.

Hat man dies verinnerlicht, zieht einen die Handlung umgehend in ihren Bann. Sie ist einerseits recht komplex als Schnitzeljagd über ganze US-Bundesstaaten angelegt, die ein irrer aber genialer Serienkiller (Gibt es eigentlich auch andere?) inszeniert, um sein Ego zu befriedigen. Temporeich und unter eingehender Schilderung traditioneller sowie moderner Fahndungsmethoden wird das an sich wenig originelle Geschehen vorangetrieben. Parallel verläuft es zunächst, bis Harry Bosch und Rachel Walling einander treffen, danach geht es gemeinsam weiter.

Der Unterhaltungsfaktor ist enorm, weil Michael Connelly sein Handwerk versteht. Man darf sich allerdings nicht dazu verleiten lassen, die Handlung zu überdenken. Dann kommen allerlei unschöne Fragen auf, welche die Logik des Ganzen in Frage stellen. Was hat es beispielsweise mit Backus’ grandiosem Plan eigentlich auf sich? Der Aufwand ist enorm, die Vorbereitung gewaltig, aber die Umsetzung eher kümmerlich. Auch wenn der Wahnsinn Backus beutelt, so gäbe es sicherlich einfachere Methoden, mit seinen Gegnern zu „spielen“.

Zudem muss immer wieder der Zufall einspringen, damit sich Bosch & Walling im gewaltigen Spinnennetz des Poeten nicht heillos verirren. Auf diese Lösung greift Connelly ein wenig zu oft zurück, was auf eine allgemeine Schwäche des Plots hinweist. Einen echten Schnitzer leistet sich der Autor, als er für eine „überraschende“ Coda, die dem eigentlichen Finale folgt, einen ganzen Handlungsstrang neu deutet; dies ist weder nötig noch nachvollziehbar.

Viel Zeit investiert der Verfasser in die Schaffung eines „Connellyversums“. „Die Rückkehr des Poeten“ ist das reinste Gipfeltreffen bekannter Connelly-Figuren. Das Buch ist nicht nur die Fortsetzung von „Der Poet“ („The Poet“, 1996) mit Jim Backus und Rachel Walling in ihren ersten Auftritten, sondern gleichzeitig der zehnte Harry-Bosch-Roman seit 1992, der wiederum Bezug nimmt auf das gemeinsame Agieren von Bosch und Terry McCaleb in „Dunkler als die Nacht“ („A Darkness More Than Night“, 2001). Es kommt sogar zu einem „Gastauftritt“ von Cassie Black, der Meisterdiebin aus „Im Schatten des Mondes“ („Void Moon“, 2000).

Darüber hinaus spielt Connelly mit Fiktion und Gegenwart. Terry McCalebs erstes Abenteuer „Das zweite Herz“ („Bloodwork“, 1997) wurde 2002 von und mit Clint Eastwood in der Titelrolle verfilmt. Dies lässt Connelly in die Handlung einfließen und nutzt die Gelegenheit, einige Seitenhiebe auf Hollywoods Drang zur Veränderung von Filmvorlagen zu landen. Rachel Walling liest während eines Fluges im Buch „Der Poet“, das aber nicht Connelly, sondern dessen Romanfigur Jack McEvoy geschrieben hat. So etwas ist witzig dort, wo es gelingt, weil es sich elegant in die Handlung integriert. Weniger amüsant findet man es, wenn es aufgesetzt wirkt: Die Cassie-Black-Episode hat mit der eigentlichen Handlung nicht das Geringste zu tun und das merkt der Leser auch.

Quo vadis, Harry Bosch? Jeder Schriftsteller kennt das Problem, einen altgedienten Helden lang laufender Serien „frisch“ zu halten. Nach neun Romanen kennt man als Leser Bosch im Grunde in- und auswendig. Gestartet ist er einst als vietnamkriegsgeschädigter Kriminalist mit durchaus pathologischen Zügen. Der „alte“ Bosch eckte prinzipiell überall dort an, wo es gilt, diplomatisch und kompromissbereit aufzutreten: bei den Vorgesetzten, dem Establishment, der Politik, den Medien. Doch geradezu masochistisch legte sich Bosch immer wieder mit denen an, die ihm bei seinem Kreuzzug gegen das Böse – Connelly hat ihn nicht ohne Grund nach dem flämischen Maler apokalyptischer Höllenspektakel benannt – in die Quere kamen.

Diesen Aspekt des Bosch-Charakters hat der Verfasser längst gedämpft – das musste er, denn der Harry Bosch aus „The Black Echo“ (1992; dt. „Schwarzes Echo“) hätte sicherlich nicht bis zum zehnten Fall durchgehalten. Aber inzwischen fehlt etwas; der kantige Harry ist milde geworden. Seinen Attacken gegen arrogante FBI-Beamte fehlt der Biss, weil diese nie wirklich gefährlich wirken. Auch Rachel Walling hat Bosch eigentlich sogleich auf seine Seite gezogen. Der Verlust seiner Dienstmarke behindert ihn nicht wirklich, wie Connelly es mehrfach behauptet.

Dem bisher einsamen Helden eine Familie anzudichten, ist ein bekannter Trick serieller Unterhaltung. Die daraus resultierenden Konflikte ergeben reichlich Stoff für viele, viele Seiten, die sich wie auf Seifenschaum quasi von selbst schreiben. Harry Bosch will ein guter Vater sein aber seine Ex-Gefährtin lässt ihn nicht – so what? Connelly gelingt es, einen neuen Aspekt der Bosch-Figur zu kreieren, aber wollen wir diesen wirklich kennen lernen? Nun, in [„The Closers“ 1561 (2005) kehrt Bosch zu seinen Wurzeln und zum LAPD zurück. Gleichzeitig verzichtet Connelly auf die Ich-Perspektive und schildert Bosch wieder in der dritten Person; eine gute Entscheidung, da unserem Harry allzu große Nähe einfach nicht bekommt.

Rachel Walling gibt das Yin zu Harry Bosch’ Yang. So ist das halt im Mainstream-Thriller, wo sich zum männlichen Helden eine weibliche Figur gesellen muss (sowie mindestens ein „Buddy“, der für komische Einlagen zuständig ist). Schließlich braucht es (offenbar) eine Lovestory, um möglichst viele Leser/innen zufrieden zu stellen. Also fallen auch Harry und Rachel irgendwann übereinander her – eine Szene, die ebenso zu erwarten war wie augenscheinlich so fehl am Platze ist, dass sie Connelly womöglich nachträglich auf Anraten seines Verlags eingebaut hat. Ansonsten müht sich Rachel wacker an Harrys Seite. Sie wurde vom Schicksal ebenfalls tüchtig durch die Mangel gedreht, ohne dass dies den Leser allerdings für sie einnimmt. Im Finale versagt sie natürlich im entscheidenden Moment und muss sich von Bosch vor dem Poeten retten lassen.

Jim Backus, der Poet, wirkt wie schon gesagt niemals wie die düstere Bedrohung, die Connelly in ihm sah und die ihn veranlasste, diese Figur ein zweites Mal aufzugreifen. Doch er übertreibt es mit einem Serienkiller, der sich durch die ganze Welt metzelt und dabei einem absurden „Plan“ folgt, der womöglich nicht einmal in seinem kranken Hirn aufgeht. Der Poet ist nur überzeugend, solange uns nur die Folgen seiner Untaten präsentiert werden und er sich auf kurze Auftritte beschränkt. Je mehr wir dann über Backus erfahren, desto nachhaltiger verflüchtigt sich die Faszination. Schließlich bleibt nur der irre Bösewicht, der mit dem Helden raufen und dabei möglichst malerisch zu Tode kommen muss.

Nein, ein Höhepunkt der Harry-Bosch-Serie ist Michael Connelly mit „Die Rückkehr des Poeten“ nicht gelungen. Wenn man auch diese Episode empfehlen kann, so liegt es daran, dass auch ein mittelmäßiger Connelly noch weit über den meisten seiner schreibenden Kollegen steht. Was vor allem fehlt, das ist die Intensität, mit der Harry Bosch auf die beruflichen und privaten Schrecken dieser Welt reagiert. Er ist ein bisschen zu sehr mit sich im Reinen; bleibt zu hoffen, dass sich dies zukünftig wieder ändert.

Michael Connelly wurde 1956 in Philadelphia geboren. Der „Entdeckung“ der Bücher von Raymond Chandler verdankte der Journalismus-Student der University of Florida den Entschluss, sich selbst als Schriftsteller zu versuchen. Zunächst arbeitete Connelly nach seinem Abschluss 1980 für diverse Zeitungen in Florida. Er profilierte sich als Polizeireporter. Seine Arbeit gefiel und fiel auf; nach einigen Jahren heuerte die „Los Angeles Times“, eines der größten Blätter des Landes, Connelly an.

Nach drei Jahren in Los Angeles verfasste Connelly „The Black Echo“ (dt. „Schwarzes Echo“), den ersten Harry-Bosch-Roman, der teilweise auf Fakten beruht. Der Neuling gewann den „Edgar Award“ der „Mystery Writers of America“ und hatte es geschafft.

Michael Connelly arbeitet auch für das Fernsehen, hier u. a. als Mitschöpfer, Drehbuchautor und Berater der kurzlebigen Cybercrime-Serie „Level 9“ (2000). Mit seiner Familie lebt der Schriftsteller in Florida. Über das Connellyversum informiert stets aktuell die Website http://www.michaelconnelly.com.

Die Harry Bosch-Serie …

… erscheint gebunden bzw. als Taschenbuch im Wilhelm-Heyne-Verlag:

01. [Schwarzes Echo 958 („The Black Echo“, 1992)
02. Schwarzes Eis („The Black Ice“, 1993)
03. Die Frau im Beton („The Concrete Blonde“, 1994)
04. Der letzte Coyote („The Last Coyote“, 1995)
05. Das Comeback („Trunk Music“, 1997)
06. [Schwarze Engel 1192 („Angel’s Flight“, 1999)
07. [Dunkler als die Nacht 1193 („A Darkness More Than Light“, 2001)
08. [Kein Engel so rein 334 („City of Bones“, 2002)
09. Letzte Warnung („Lost Light“, 2003)
10. Die Rückkehr des Poeten („The Narrows“, 2004)
11. [The Closers 1561 (2005, noch kein dt. Titel)

Mary Higgins Clark – Hab Acht auf meine Schritte

Mary Higgins Clark hat sich schon seit langem einen Namen als Grand Dame der Spannungsliteratur gemacht, ihre erfolgreichen Romane zeichnen sich meist durch ausgeklügelte Plots mit psychologischem Hintergrund aus, die sich vom oft anzutreffenden Mittelmaß erfreulich abheben. Auch in ihrem aktuellen Thriller „Hab Acht auf meine Schritte“ versetzt Mary Higgins Clark sich und ihre Leser in die Rolle eines unschuldigen Opfers, mit dem es mitzufühlen gilt. In den letzten 25 Jahren hat die berühmte Autorin über 20 Kriminalromane veröffentlicht, die überwiegend zu internationalen Bestsellern avancierten.

Mary Higgins Clark – Hab Acht auf meine Schritte weiterlesen

Hoffmann, Bernd – Katharer Schriften, Die

_Der Autor:_

Bernd Hoffmann, geboren 1962 in Horn, untermauert seine Theorie der geheimnisvollen Katharer Schriften und des heiligen Grals mit vielen historisch verbürgten Gegebenheiten, etwa der politischen Situation in Italien und Deutschland, dem Jesuiten-Orden und schließlich der Reise der Italia, die am 25. Mai 1928 vor Grönland abstürzte und von der weder Gepäck noch Überlebende geborgen werden konnten. Der Autor erzählt eine ungewöhnliche Geschichte, in der sich Abenteuer und historischer Mystizismus mischen. Er lässt seinen Ermittler tief in die Welt der Geheimbünde eintauchen und zeigt faszinierende Aspekte der frühen Christenheit auf. Ein spannender Roman, der seine Leser in die Vergangenheit entführt und die Zeit vergessen lässt.

Von Bernd Hoffmann erschien 2003 „Das Gemälde“, ein historischer Krimi um ein verschollenes Kandinsky-Bild.

_Das Buch:_

Im Berlin des Jahres 1928 arbeitet der Archäologe Dr. Julius Weymann an der Übersetzung und Restauration einiger mysteriöser und anscheinend sehr wichtiger Schriftrollen. Kurz darauf begeht er Selbstmord.

Adalbert von Grolitz, ein junger Geschäftsmann und ein Bekannter Weymanns, misstraut der Zeitungsmeldung über dessen Tod und vermutet Mord hinter Weymanns plötzlichem Ableben. Bei seinen Recherchen stößt er auf eine Verbindung zur Prieuré de Sion, eines tausend Jahre alten Geheimbundes, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, die Dokumente des von der katholischen Kirche vernichteten Katharer-Ordens zu schützen und zu bewahren. Diese Schriftrollen sind seit Weymanns Tod verschwunden und es wird bald deutlich, dass sie in den falschen Händen einen großen politischen und gesellschaftlichen Schaden anrichten können.
Adalbert von Grolitz wird auf Wunsch seines Berliner Verbindungsmannes Kessler in die Schweiz geschickt, wo man die geheimen Dokumente vermutet.

Sein Weg führt ihn nach Grindelwald in die Gegen des Eiger-Bergmassivs. Dort trifft er auf seinen neuen Verbindungsmann Max Strickler, der ihm nach und nach mehr über den Inhalt der mysteriösen Schriften erzählt. Gemeinsam kommen sie der Spur einer geheimnisvollen Seilschaft unter der Führung eines Ordensbruders auf die Spur und entdecken so den Aufenthaltsort der gestohlenen Dokumente.

Dieser verbirgt sich mitten in einem Höhlensystem und ist von einer mit Sprengzündern ausgestatteten Wand geschützt. Von Grolitz und Strickler bleibt nichts anderes übrig, als weitere Leute für ihre Mission zu gewinnen, die aber gleichzeitig nicht zu viel von der wahren Begebenheit wissen dürfen. Mit einem kleinen Team erfahrener Alpinisten planen sie den Abtransport der Schriften, was jedoch nicht unbeobachtet gelingt, denn die Ordensbrüder sind ihnen immer einen Schritt voraus und schrecken mittlerweile auch vor keiner Methode mehr zurück …

_Meine Meinung:_

Es ist schon fast unheimlich, mit welchem Erzähltempo Bernd Hoffmann in diesem Roman loslegt, und wie viele verschiedene Aspekte er schon auf den ersten fünfzig Seiten berücksichtigt. Der Autor schildert so zum einen die Brisanz der nationalen Zeitgeschichte und das Aufkeimen der Nationalsozialisten, die es unter anderem auch auf den linksgerichteten Großunternehmer von Grolitz abgesehen haben, andererseits aber natürlich auch die unheimlichen Enthüllungen, die sich hinter den Katharer Schriften verbergen, wobei er die Geschichte schon noch eine ganze Weile lang unter einem Schleier des Geheimnisvollen verhüllt und erst nach und nach Details freigibt.

Hoffmann hat sich wirklich sehr intensiv mit der Theorie der Katharer auseinandergesetzt und deren Vermutung, dass Jesus die Kreuzigung überlebt hat und nach Frankreich fliehen konnte, um dort ein abgeschiedenes aber friedliches Leben mit Familie zu führen, bis ins letzte Detail in den Roman einfließen lassen. Selbst der größte Zweifler wird hier nach und nach erkennen, dass diese Theorie zwar einerseits ziemlich weit hergeholt scheint, andererseits aber so logisch und schlüssig dargestellt wird, dass man auch gut glauben könnte, dass es tatsächlich so gewesen ist und die vielen Mysterien um den Tod Jesu an den Haaren herbeigezogen wurde. Und was dabei herumkommt, ist wirklich sehr interessant und spannt den Bogen um die Entstehung der Kirche über die Tempelritter und den heiligen Gral bis hin zur politisch sehr brisanten Situation des dritten Jahrzehnts in Italien und Deutschland, alles vergepackt in eine unglaublich spannende Abenteuergeschichte, deren Reiz vor allem auf dem historischen Mystizismus beruht.

Ich muss zugeben, dass ich lange überlegt habe, aus welcher Richtung ich diese Rezension angehen sollte, und bin dabei in Versuchung gekommen, das tatsächliche Mysterium dieses Romans genauer zu beschreiben und Kernpunkte der Story nachzuerzählen. Doch genau damit würde man dem Buch einen erheblichen Teil der Spannung nehmen und schon zu weit vorgreifen. „Die Katharer Schriften“ ist jedoch ein Werk, das man erleben muss, in dessen faszinierende Theorien man eintauchen muss, denn nur so wird man auch erkennen können, welche Auswirkungen die Geschichte für den Verlauf der Weltgeschichte gehabt hätte, hätte sie tatsächlich den hier als wahrhaftig dargestellten Verlauf genommen. Das mag dem rational denkenden Menschen möglicherweise schwerer fallen als dem träumerischen Charakter, aber darin liegt ja zu einem gewissen Teil auch das Verlockende hinter den Katharer Schriften. Man muss sich auf einen Prozess einlassen, der einem mit wachsender Dauer immer suspekter, vielleicht als gläubigem Christen auch unangenehmer erscheinen mag, weil man ja schließlich keine Zweifel an seinem Glauben duldet.

Und all das ist ja letztlich auch nur ein Nebeneffekt dieser mitreißend geschriebenen und in Hinsicht auf das stetig hohe Spannungslevel intelligent strukturierten Abenteuergeschichte. „Die Katharer Schriften“ zählt jedenfalls, das steht für mich bereits jetzt fest, zu den besten Büchern, die ich je gelesen habe, nicht zuletzt, weil es einfach Spekulationen und Gedankengänge in mir geweckt hat, die zwar vom Verstand abgelehnt werden mögen, aber trotzdem nicht abgelegt werden können – auch jetzt nicht, wo das Buch längst beiseite gelegt wurde. Daher möchte ich diesen Bericht mit einem lautstarken Applaus für Bernd Hoffmann beschließen, der es geschafft hat, mich stunden- und tagelang in eine ganz andere Welt abtauchen zu lassen. „Die Katharer Schriften“ ist definiv ein Buch, das man so schnell nicht mehr vergessen wird.