Archiv der Kategorie: Thriller & Krimis

Redmond, Patrick – Schützling, Der

Hinter Michael Turner liegt ein hartes Leben. Nach dem frühen Tod seiner Eltern wuchs er in Waisenhäusern auf, bis er zu einer Pflegefamilie kam. Doch auch dort fand er nie die Nähe und Wärme, nach der er sich sehnte.

Heute ist Michael Ende zwanzig und es scheint, dass ihn das Glück endlich erhört hat. Dem jungen Anwalt steht eine gute Karriere in einer renommierten Kanzlei bevor und er hat in seiner Verlobten Rebecca die große Liebe gefunden. Trotzdem fürchtet Michael, das Schicksal könnte eines Tages wieder erbarmungslos zuschlagen und ihm alles nehmen, wofür er lebt.

Bis zum Kauf eines eigenen Hauses ziehen er und Rebecca in eine Übergangswohnung. Bald schon lernen sie den Vermieter kennen. Max ist ein wohlhabender Mann Ende vierzig mit einer beeindruckenden Ausstrahlung. Von Anfang an zeigt er großes Interesse an Michael. Da auch er seine Kindheit in Waisenhäusern verbrachte, fühlt er sich ihm besonders verbunden. Es scheint, als sähe Max in Michael eine jüngere Version von sich selbst. Immer wieder spricht er Einladungen zum Essen aus und heißt ihn in seinem Landhaus willkommen. Dank seines Einflusses unterstützt er Michael sogar bei beruflichen Missgeschicken. Wann immer er Hilfe braucht, ist Max für ihn da. Schon bald sieht Michael in ihm mehr als einen Vermieter und guten Bekannten, sondern einen väterlichen Freund und Mentor.

Dennoch fühlt sich Michael hin und wieder unwohl durch Max‘ übertriebene Aufmerksamkeit. Auch Rebecca weiß nicht recht, was sie von dieser Männerfreundschaft halten soll. Je mehr Zeit Michael mit Max verbringt, desto mehr scheint er sich von ihr zu entfremden. Das Paar spürt, dass Max mit seiner besitzergreifenden Persönlichkeit Michael am liebsten für sich allein hätte – und dass er dafür zu allem bereit ist …

Die Ähnlichkeiten zu Redmonds erstem Roman [„Das Wunschspiel“ 1488 liegen auf der Hand. Auch hier dreht es sich um die Abhängigkeit von einem anderen Menschen und um den Preis, den man für die Erfüllung seiner Wünsche bezahlt.

Die Charaktere sind nicht ganz so herausragend wie im „Wunschspiel“, aber dennoch lebendig und überzeugend. Protagonist Michael hat keine besonderen Eigenschaften, eignet sich dadurch aber auch gut zur Identifikation. Er ist ein junger Mann mit einer schlimmen Vergangenheit, der durch seine einfache Art dem Leser schnell sympathisch wird. Man gönnt ihm sein Glück mit Rebecca und leidet entsprechend mit ihm, wenn das Schicksal es mal weniger gut meint. Michael ist ein erfolgreicher und sehr intelligenter Anwalt, aber dabei kein Streber. Auch ihm passieren Nachlässigkeiten und Unsauberheiten, er ist also trotz seines Ehrgeizes angenehm unperfekt. Auch in seinem Privatleben gibt es Schwächen, die man nur allzu gut nachvollziehen kann: Rebeccas Familie, bestehend aus ihren Eltern und ihrem Bruder, hat von Anfang an eine große Abneigung gegen Michael. Ihm geht es umgekehrt ebenso und jedes Treffen knistert nur so vor Feindseligkeiten und Anspannung. Diese Kleinigkeiten machen aus Michael eine Figur, in der der Leser sich selbst oder Menschen aus seinem Alltag auf Anhieb wiederfindet.

Ebenso verhält es sich mit Rebecca, die dem Bild einer durchschnittlichen jungen Frau entspricht. Sie träumt von einer Karriere als Künstlerin, was mangels Erfolg jedoch in weite Ferne rückt. Sie ist zerrissen zwischen der Zugehörigkeit zu ihrer Familie und ihrer Liebe zu Michael. Den Höhepunkt ihrer Krise erlebt sie, als sich Max in die Beziehung drängt und sie hilflos mitansehen muss, wie ihr Verlobter sich von ihr entfremdet. Ihre Gedanken und vor allem ihre Ängste werden dabei absolut nachvollziehbar geschildert, so dass sich der Leser ganz auf ihrer Seite fühlt.

Max dagegen ist ein sehr individueller Charakter. Der ältere Mann besitzt eine außergewöhnliche Ausstrahlung, angefangen mit seiner wohlklingenden Stimme bis hin zu seinem souveränen Auftreten in jeder Situation. Trotz seines Geldes schätzt er die einfachen Dinge des Lebens und seine Fürsorge gegenüber Michael erscheint zunächst wie ein Glücksfall. Von Beginn an ist nachvollziehbar, dass Michael von Max fasziniert ist und sich bei ihm gut aufgehoben fühlt. Erst allmählich kristallisiert sich heraus, dass Max in außergewöhnlichem Maße besitzergreifend ist – und dass ihm jedes Mittel recht ist, um seinen Willen durchzusetzen …

_Spannung vom Feinsten_

Für den Großteil der Faszination des Buches ist der geschickte Spannungsaufbau zuständig. Immer wieder spielt der Autor mit dem Leser und schickt ihn auf falsche Fährten. Mehrmals gibt es Hinweise darauf, dass Max seine Loyalität bloß vortäuscht. So wie der Leser zweifelt auch Michael, nur um dann wieder eines Besseren belehrt zu werden, indem Max eine einwandfreie Erklärung liefert. Diese Ambivalenz zwischen Maxens liebevoller Rolle als Vaterersatz für Michael und seinem manipulativen Wesen wächst sich zu einer sanften Bedrohung aus und zieht die Schlinge um Michael von Mal zu Mal enger.

Das komplizierte Verhältnis der beiden Männer zieht immer weitere Kreise. Bald sind nicht nur Rebecca, sondern auch ihre Familie, ihre Freundinnen und Michaels Kollegen und Vorgesetzte in die Geschichte verwickelt. Für Max ist es ein Leichtes, auf alles und jeden Einfluss zu nehmen und jeden Lebensbereich des Paares zu kontrollieren. Und so scheint am Ende eine Katastrophe unvermeidlich …

Durch den flüssige und sehr gut lesbaren Stil liest sich der knapp 500-Seiten-Schmöker wie in einem Rutsch. Es ist keine besondere Konzentration nötig, um der Geschichte zu folgen, so dass man den Roman bequem auf Zugfahrten, in Wartezimmern oder beim Essen lesen kann. Schwächen gibt es, wenn überhaupt, nur in der außergewöhnlichen Überzeugungskraft von Max, der scheinbar jeden Menschen mühelos um den Finger wickelt. Etwas störend ist auch die rasche Vertraulichkeit, als Max bei einem seiner ersten Zusammentreffen mit Rebecca sie direkt auf die Wange küsst, obwohl er bis dato nur den Status des Vermieters innehat. Das kennt man aus Hollywood-Filmen, so wie dort auch Ärzte schnell ihre Patienten beim Vornamen ansprechen, entspricht aber kaum der Realität.

Zeitweise ist der Verlauf der Handlung sehr vorhersehbar, bedingt durch das altbekannte Plotmuster: Ein Fremder tritt in das Leben des Protagonisten, mischt sich immer weiter ein und baut seinen Einfluss aus, um ihn zu isolieren und greift dabei zu den härtesten Mitteln. Dieser schematische Ablauf wird aber ausgeglichen durch das dramatische und – so viel darf verraten werden – angenehm ungeschönte Ende.

Wer unmittelbar davor „Das Wunschspiel“ gelesen hat, stört sich eventuell an den Ähnlichkeiten. Doch auch dann weiß „Der Schützling“ zu überzeugen und bietet jedem Thrillerfan je nach Anspruch und Erwartung solide bis hervorragende Unterhaltung.

_Fazit:_ Ein locker geschriebener und bis zum dramatischen Schluss sehr spannender Roman über Abhängigkeiten, Intrigen und zerstörerische Freundschaften. Wie schon im „Wunschspiel“ überzeugt Patrick Redmond den Leser mit interessanten und gut vorstellbaren Charakteren. Eine glatte Empfehlung für jeden Fan der Spannungsliteratur.

_Patrick Redmond_ wurde 1966 geboren. Bereits zu Schulzeiten wollte er Schriftsteller werden, doch auf Drängen seines Vaters schlug er eine juristische Laufbahn ein. Sein Debütroman „Das Wunschspiel“ stürmte auf Anhieb die Bestsellerlisten.

Sandford, John – Jagdpartie, Die

Die vier Direktoren – und eine weibliche Direktorin – der „Polaris“-Bank gehen auf Einladung ihres Vorstandsvorsitzenden gemeinsam auf die Jagd. Was auf den ersten Blick ein reines Wochenend-Vergnügen zu sein scheint, entpuppt sich als grimmiges Spiel um Macht und Geld. Der Vorstandsvorsitzende hat die Fusion mit einer Konkurrenz-Bank in die Wege geleitet; ein Deal, der ihm unendlich viel Geld bescheren, seinen Direktoren aber wahrscheinlich den Job kosten wird. Da ist es kaum verwunderlich, dass der Vorsitzende plötzlich mit einem Loch in der Brust im Wald aufgefunden wird – ein Jagdunfall ist es nicht gewesen …

Deputy Chief Lucas Davenport von der Mordkommission der Stadt Minneapolis steht vor fünf mächtigen, ungeduldigen Verdächtigen, was die Fahndung erheblich erschwert, zumal der Mörder seine Spuren gut verwischt hat. Weit ist die Polizei mit ihren Ermittlungen noch nicht gekommen, als die weibliche Direktorin plötzlich ebenfalls umgebracht wird. Zusätzlich abgelenkt wird Davenport, als seine ehemalige Verlobte beinahe einem Brandanschlag zum Opfer fällt. Womöglich will sich ein von dem Detective hinter Gitter gebrachter Verbrecher auf diese Weise an ihm rächen.

Trotz der Probleme trägt die Ermittlungsarbeit langsam Früchte. Wilson McDonald, einer der vier überlebenden „Polaris“-Direktoren, kann möglicherweise mit dem Mord in Verbindung gebracht werden. Die geplante Fusion würde seine Karriere auf jeden Fall beenden, und der grobschlächtige Mann, der seine Ehefrau brutal zu schlagen pflegt, ist niemand, der sich dies gefallen ließe.

Hellhörig werden Davenport und sein Team, als sie Hinweise finden, die McDonald mit einigen ungeklärten Mordfällen der Vergangenheit in Verbindung bringen. Und dann ist da noch die unerklärlich hohe Todesrate unter denen, die McDonald in den letzten Jahren beruflich in die Quere gekommen sind …

Bevor Davenport endgültige Klarheit gewinnen kann, überschlagen sich die Ereignisse: Audrey McDonald bringt ihren gewalttätigen Ehemann nach einer neuerlichen Attacke um – anscheinend in Notwehr, denn sie ist schwer verletzt. Davenport ist misstrauisch, denn in ihm steigt langsam der Verdacht auf, dass eher Audrey als ihr Gatte für die zahlreichen Todesfälle im Umfeld dieses seltsamen Ehepaares verantwortlich sein könnte …

Die Lösung dieses ausgezeichneten Thrillers soll an dieser Stelle nicht verraten werden; es wäre ungerecht, obwohl es das Vergnügen an der Lektüre nicht unbedingt schmälern würde. Autor John Sandford lässt die Katze selbst schon vor dem letzten Drittel des Romans aus dem Sack; nun verfolgt der Leser gespannt das Katz-und-Maus-Spiel zwischen Davenport und dem wahnsinnigen, aber gleichzeitig ebenso intelligenten wie rücksichtslosen Serienmörder.

Lucas Davenport ist nicht gerade das, was man eine Identifikationsfigur nennen würde. Er ist Polizist mit Leib und Seele und engagiert sich oft so intensiv, dass sein Privatleben ernsthaften Schaden nimmt. Dabei treten die weniger angenehmen Seiten seines Wesens zutage. In „Kalte Rache“, dem achten Teil der Davenport-Serie, tötet er überlegt und kaltblütig einen Kidnapper, der seine Verlobte gefangen hält. Diese gibt ihm daraufhin den Laufpass, was Davenport in eine depressive Phase treibt, die ihn zu Beginn von „Die Jagdpartie“ noch in ihrem Bann hält. Doch im Verlauf der Ermittlungen beginnt er eine Affäre mit der Polizistin Sherrill, die indes von Anfang an unter keinem guten Stern zu stehen scheint.

Die differenzierte Figurenzeichnung beschränkt sich nicht auf Davenport. Aber auch der Plot an sich lässt wieder einmal nichts zu wünschen übrig. Man erfährt einiges über das Geschäftsgebaren in den Vorstandsetagen moderner Bank-Konzerne, und da Sandford als Journalist etwas vom Recherchieren versteht und das Ergebnis als Schriftsteller gekonnt umzusetzen weiss, ist plausibel, was er schildert. Die Glaubwürdigkeit der Geschichte hängt an vielen Stellen davon ab – besonders in den ersten beiden Dritteln des Romans, als noch unklar ist, dass der Tod des Vorstandsvorsitzenden mit den internen Machtkämpfen an der Bankspitze nur mittelbar zu tun hat.

Zimperlich geht es in der Welt John Sandfords nicht zu. Gewalt und Verbrechen dienen jedoch nicht der vordergründigen Unterhaltung, sondern sind zweckgebunden: Serienmörder, allein dem Eigennutz verpflichtete Geschäftsleute, überlastete Polizei-Beamte – hier wird mit harten Bandagen gekämpft, und Sandfort schildert diesen Alltag nüchtern, fast dokumentarisch, verweist damit auf seine journalistischen Wurzeln (dazu unten mehr) und erhöht dadurch die Eindringlichkeit seiner Schilderungen.

Aufgelockert wird der Ernst der Handlung durch wohl dosierten, knochentrockenen Humor, den Sandford zum ersten Mal in diesem Umfang einsetzt. Auch hier zeigt er sich als Meister, der die meisten Lacher erzielt, indem er zum Beispiel nur schildert, in welche Nöte Davenport gerät, als 24 Großmütter, die illegal Mohn gezogen und Opiumtee daraus gebraut haben, sich ihm gleichzeitig stellen wollen und sämtliche Kolleginnen und Kollegen sich aus dem Staub gemacht haben … Der Humor entsteht aus der Darstellung; er wird nicht herbeigezwungen und wirkt dadurch wesentlich stärker.

„Die Jagdpartie“ ist seit 1989 bereits das neunte Abenteuer, das John Sandford seinen Lucas Davenport bestehen lässt. Mit dieser Figur begann die schriftstellerische Karriere des Autors, der eigentlich John Camp heißt und 1944 in Iowa geboren wurde. Der junge Mann studierte zunächst Geschichte, leistete dann seinen Militärdienst in Korea und ging anschließend an die Universität zurück. Mit dem „Master’s Degree in Journalism“ in der Tasche arbeitete Camp zwischen 1970 und 1978 für die „Miami Herald Tribune“, wo er Seite an Seite mit seinen inzwischen ebenfalls als Thriller-Autoren zu Ruhm gekommenen Kollegen Carl Hiaasen und Edna Buchanan arbeitete. (In „Die Jagdpartie“ spielt Camp auf diese Zeit an und flicht einen Witz auf Kosten seines Freundes Hiaasen in die Handlung ein: S. 368 und 371.) Seine journalistische Laufbahn gipfelte Mitte der 80er Jahren im Gewinn des renommierten Pulitzer-Preises für eine Artikelserie, die ein Jahr im Leben einer modernen Farmer-Familie beschrieb. Einige Jahre später begann Camp, Romane zu schreiben – er debütierte gleich mit zwei Büchern, von denen das eine – unter dem Pseudonym „John Sandford“ veröffentlicht – den ersten Auftritt Lucas Davenport schilderte. Mit der Regelmäßigkeit eines Uhrwerks ließ Camp pro Jahr einen weiteren Davenport-Roman folgen, die im amerikanischen Original übrigens immer das Nomen „Prey“ – gleich „Opfer“ oder „Beute“ – im Titel tragen.

(Die biografischen Angaben sowie die Liste der Davenport-Romane wurden dem Sandford-Autoreninfo auf der immer empfehlenswerten Website www.kaliber38.de entnommen. John Sandford hat auch eine eigene Website, die bemerkenswert aktuell gehalten wird und unter www.johnsandford.org zu finden ist.)

Peace, David – 1974

„Red Riding Quartet“ nennt David Peace seine Tetralogie, die sich um das England der 70er und frühen 80er Jahre dreht. „1974“ ist deren erster Teil, der international viel Beachtung fand und von der Presse als eines der spektakulärsten Debüts der letzten Jahre gefeiert wird. „1974“ ist ein unglaublich harter Brocken – schwer verdaulich einerseits, absolut atemberaubend andererseits. Ein Krimi, der so düster und desillusionierend ist, dass es schwer fällt, Vergleiche zu ziehen.

Der Dezember 1974 ist ein harter Monat für den neuen Gerichtsreporter der Yorkshire Post in Leeds, Edward Dunford. Kaum hat er seinen Job angetreten, stirbt zunächst sein Vater. Doch auch beruflich kommt einiges auf ihn zu: Ein junges Mädchen, Clare Kemplay, wird vermisst gemeldet und wenige Tage später grausam zugerichtet und ermordet aufgefunden.

Dunford recherchiert in dem Fall, knüpft Beziehungen zwischen diesem Mord und zwei weiteren spurlos verschwundenen Mädchen. Er sucht nach Verbindungen zwischen den drei Fällen und sticht mit seinen Nachforschungen in ein Wespennest. Als dann auch noch Dunfords Kollege Barry Gannon bei einem „Autounfall“ ums Leben kommt, steht er plötzlich mitten in einem undurchsichtigen Dickicht aus Korruption und Vertuschung, in das nicht nur die Ermittlungsbehörden verstrickt sind, sondern auch einige hochrangige Persönlichkeiten der Stadt …

Aus der Masse der Kriminalromane sticht David Peace mit seinem Werk deutlich hervor. Bei Peace läuft vieles entgegen der gängigen Klischees. Hier sind die Polizisten die Bösen und die Journalisten die Guten, die ohne Furcht nach der Wahrheit suchen. Zeitlich überschneidet sich der Roman mit einem dunklen Kapitel in der Geschichte Yorkshires. Es war etwa zur gleichen Zeit, als der so genannte Yorkshire Ripper sein Unwesen trieb und vierzehn Frauen ermordete. Fünf Jahre lang lebten die Menschen in Yorkshire in der Furcht vor dem Ripper. Mit dieser Furcht ist auch der im Westen Yorkshires geborene David Peace aufgewachsen, so dass ein Teil des Romans sicherlich auch die Bewältigung dieser Ereignisse beinhaltet.

„1974“ ist ein Roman, wie man ihn so schnell vermutlich nicht wieder zu lesen bekommen wird. Ein |Krimi Noir|, wie er düsterer und beklemmender kaum sein könnte. Vergleiche lassen sich höchstens zu James Ellroy ziehen. Beide Autoren ähneln sich in gewissen Zügen. Beide stricken Geschichten, die ein undurchsichtiges Geflecht von Macht und Korruption, von Gewalt und Brutalität enthalten, und beide ziehen ihren düsteren, schwer durchdringbaren Plot mit einer ähnlichen Sprachgewalt und Faszination auf.

Peaces Stil wirk dabei etwas abgehackt und gewöhnungsbedürftig. Knappster Satzbau, Einwortsätze, eingestreute Songtitel und Schlagzeilen, die nebenbei im Radio laufen und den Geist der Zeit heraufbeschwören, Zitate, die stets wiederholt werden – Peaces sprachliche Mittel erscheinen schlicht, wirken aber umso eindringlicher. Man braucht eine gewisse Einlesezeit, um mit diesem Stil warm zu werden, aber dann beginnt er mit jeder Seite, sich machtvoller zu entfalten. Ähnlich schlicht und knapp, aber gleichzeitig sprachgewaltig wirkt auch James Ellroys [„L.A. Confidential“ 1187 auf mich.

Peace webt eine dichte Atmosphäre und baut einen kontinuierlich aufstrebenden Spannungsbogen auf, der den Leser nägelkauend weiterlesen lässt. Man kommt ab einem bestimmten Punkt nicht mehr von dem Buch los und will, von bösen Vorahnungen geplagt, möglichst bald wissen, wie sich Geschichte und Figuren weiterentwickeln.

Dabei fällt der Einstieg zunächst nicht ganz leicht. Peace verlangt dem Leser ein hohes Maß an Konzentration ab, weniger aufgrund des sprachlichen Stils, sondern mehr aufgrund der großen Mengen auftauchender Namen und Figuren. Gerade in den ersten Kapiteln haut Peace dem Leser die Namen um die Ohren, dass ihm Hören und Sehen vergeht. Peace treibt die Geschichte in einem geradezu halsbrecherischen Erzähltempo ihrem dunklen Höhepunkt entgegen und nimmt den Leser mit auf eine düstere Achterbahnfahrt. Alles in einen Zusammenhang einzuordnen, fällt dabei nicht immer ganz leicht. Peaces Romangebilde ist eben sehr komplex.

Ganz im Zeichen dieser Komplexität steht auch Peaces Umgang mit Klischees. Er stellt vieles auf den Kopf, vertauscht Gut und Böse und zeichnet kein Schwarzweiß-Gemälde. Auch Edward Dunford, der auf der Suche nach der Wahrheit hinter der Story ist, ist längst kein strahlender Held. Er hat einige unsympathische Züge und behandelt seine Mitmenschen nicht immer gerade nett, was sich besonders an seinem Umgang mit Frauen zeigt. Es gibt keine per Definition rein Guten, so wie es keine irgendwelchen Klischees entsprechenden Bösen gibt. Auch das lässt sich durchaus als Qualitätsmerkmal festhalten, denn es fordert den Leser.

„1974“ ist dabei nicht nur ein Krimi, sondern gleichermaßen eine Gesellschaftsstudie und ein Spiegel seiner Zeit. Mangelnde Moral in gut situierten Kreisen, die Käuflichkeit von so ziemlich jedem und das Interesse der Öffentlichkeit an grausamen Kapitalverbrechen, dessen Halbwertszeit sich nach dem medialen Unterhaltungswert der Meldung richtet.

Das Szenario, das Dunford durch seine Ermittlungen am Ende des Romans entblättert, ist gleichermaßen schockierend und düster. Man ahnt, dass der Antiheld Dunford kein gutes Ende nehmen wird und dass es auch für den Fall an sich kein Happyend geben kann. Alles gipfelt in einem außerordentlich blutigen Finale. Dunford verknüpft die unterschiedlichen Handlungsebenen, zieht die richtigen Schlüsse und steht am Ende vor der grausamen Wahrheit, ohne selbst genau zu wissen, wie er damit umgehen soll. Entsprechend düster, verstörend und bluttriefend fällt das Finale aus, und entsprechend düster ist auch der Abschied von Dunford.

Und ein kleines bisschen ist man am Ende auch froh, dass es vorüber ist, während man gleichzeitig bedauert, dass der Roman zu Ende ist. „1974“ ruft zwiespältige Gefühle hervor und verlangt dem Leser einiges ab. Dennoch blickt man erwartungsfroh nach vorn und wartet ungeduldig auf die Fortsetzung des „Red Riding Quartet“. Peace hat einfach eine packende und faszinierende Art, die zwar etwas anstrengend sein mag, aber eben auch so fesselnd ist, dass man davon nur schwer loskommt.

Kurzum: Preisauszeichnungen und überschwängliches Presselob hat David Peace sich redlich verdient. Sein Debütroman sticht aus der Masse der Kriminalliteratur äußerst positiv hervor. Ian Rankin sieht David Peace als „die Zukunft des Kriminalromans“. Wenn sich das bewahrheiten sollte, sieht die Zukunft des Kriminalromans in der Tat sehr gut aus. Peace weiß zu fesseln, inszeniert einen düsteren Plot und eine beklemmende Gesellschaftsstudie. „1974“ ist nicht nur ein ausgezeichneter Kriminalroman, sondern auch ein Stück Zeitgeschichte. Sprachlich wie inhaltlich ein harter, schwer verdaulicher Brocken, aber dafür einer, der garantiert im Gedächtnis haften bleibt und obendrein Lust auf die weiteren Teile des „Red Riding Quartet“ macht.

Redmond, Patrick – Wunschspiel, Das

England im Jahr 1954: Eigentlich ist es eine Ehre, im elitären Knabeninternat Kirkston Abbey aufgenommen zu werden. Allerdings herrschen dort auch strenge Regeln, Rivalität und eine brutale Hackordnung.

Auch der 14-jährige Jonathan ist hier nicht glücklich. Im Gegensatz zu vielen anderen Jungen stammt er aus eher einfachen Verhältnissen. Ältere Schüler machen sich einen Spaß daraus, ihn herumzustoßen und auch manch ein Lehrer lässt ihn spüren, dass er nicht erwünscht ist. Nur die Freundschaft zu drei Jungen macht die Schulzeit erträglich. Da sind zum einen die Zwillinge Stephen und Michael, die trotz ständiger Streitereien zusammenhalten wie Pech und Schwefel. Und da ist vor allem Nicholas Scott. Nicholas, dank Brille und schmächtiger Statur ebenfalls ein beliebtes Opfer, ist Jonathans engster Vertrauter.

Auch Richard Rokeby, der in ihre Klasse geht, ist ein Außenseiter. Aber im Gegensatz zu den anderen Jungs verzichtet er freiwillig auf Freundschaften. Gutaussehend, hochintelligent und voll zynischen Humors geht er seinen Weg allein. Niemand wagt es ihm zu widersprechen und selbst die Lehrer finden kein Mittel gegen seine beleidigende Höflichkeit. Viele Jungen bewundern ihn wegen seines Mutes und seiner selbstbewussten Ausstrahlung. Gerne wären sie sein Freund – doch Richard hat für alle anderen nur Verachtung übrig.

Umso verblüffter ist Jonathan, als Richard ihm eines Tages im Lateinunterricht aus der Verlegenheit hilft. Ersten zaghaften Gesprächen folgen vereinzelte Treffen, bis sich langsam aber sicher zwischen den beiden eine Freundschaft entwickelt. Jonathan ist stolz darauf, dass ihm alleine Richards Gunst gehört, auch wenn er nicht ganz begreift, warum Richard ausgerechnet ihn erwählt hat. Richard beschützt ihn vor den Angriffen der anderen Jungen und läd ihn sogar in den Ferien zu sich nach Hause ein. Hier beginnt Jonathan zu ahnen, dass sich einige dunkle Geheimnisse in Richards Vergangenheit befinden …

Zurück in der Schule sorgt Richard dafür, dass sich nicht nur Jonathans Feinde, sondern auch seine Freunde immer mehr von ihm abkapseln. Und dann ist da noch dieses seltsame Spiel, das angeblich Wünsche in Erfüllung gehen lässt. Immer tiefer gerät Jonathan in einen Strudel aus Abhängigkeit und Gewalt …

Die ersten dreihundert Seiten des Romans sind wahrlich atemberaubend. Einprägsame Charaktere, eine mitreißende Handlung, lebendige Dialoge und ein flüssiger Schreibstil machen das Buch zu einem „Pageturner“. Diese ersten beiden Drittel lesen sich in einem Rutsch weg, so dass man gar nicht merkt, wie dabei die Zeit vergeht.

Ein großes Plus des Romans sind die überzeugend dargestellten Charaktere. Der Leser ist sofort von der kalten, sterilen Atmosphäre des Internats gefangen genommen und kann nur zu gut Jonathans Einsamkeit dort nachvollziehen. Der junge Protagonist hat keine besonderen, markanten Eigenschaften, aber gerade deswegen passt er auf fast jeden Leser als Identifikationsfigur. Ein liebenswerter, etwas schüchterner, heranwachsener Junge, der sich in einer schwierigen Zeit behaupten muss. Ihm gehören die Symapthien des Lesers. Man muss nicht selber in einem Internat gewesen sein, um die Probleme dort zu verstehen. Jeder Leser wird sich an ähnliche Situationen aus dem eigenen Schülerleben erinnern können und erahnen, dass es den Jungen in Kikston Abbey noch schlimmer ergeht. Sowohl Lehrer als auch Schüler tragen unverhohlenen Standesdünkel nach außen. Jonathans Vater gehört mit seinem Beruf als Bankdirektor schon zur unspektakulären Garde. Wer sich den dominaten Schülern widersetzt, wird entweder zusammengeschlagen oder durch erniedrigenden Rituale gequält. Dazu kommt, dass die zentrale Handlung des Romans nicht in der heutigen Zeit, sondern in den Fünfzigerjahren spielt. Spießbürgertum und Tabus stehen an der Tagesordnung, Homosexualität wird strafrechtlich verfolgt. Es ist eine strenge, kalte Zeit, in der die Jungen leben und in der eine Freundschaft manchmal alles bedeutet – und jeden Preis wert zu sein scheint.

Die zweite zentrale Gestalt des Romans ist natürlich der geheimnisvolle Richard. Obwohl dem Leser von Beginn an klar ist, dass von ihm das Unheil ausgeht, ist er doch gleichzeitig von ihm fasziniert. Richard besitzt einen trockenen, bissigen Humor, der jedem seiner Gegner den Wind aus den Segeln nimmt. Sein Selbstbewustsein und seine lässige Arroganz und vor allem das völlige Fehlen jedweder Anbiederung, sowohl gegenüber anderen Jungen als auch Autoritätspersonen, lassen auch den Leser nicht unberührt. Gleichzeitig fühlt man sogar etwas Sympathie für Richard, als er Jonathan unter seinen Schutz stellt.

Damit hat der Autor einen charakterlichen Volltreffer gelandet: Leser lieben weder die makellosen noch die unsymapthischen Figuren. Richard aber ist ein charmanter Bösewicht, der durch Witz und eine beneidenswerte Souveränität besticht, die ihn unangreifbar macht. Als beispielsweise der angesehene General Collinson eine Rede vor den Schülern hält, kündigt er halb im Scherz an, dass jeder, der etwas Besseres vorhabe, gehen dürfe. Alle lachen, weil diese Bemerkung nicht mehr als eine Floskel ist. Doch Richard schert sich nicht um gute Manieren oder Höflichkeit und verlässt demonstrativ den Saal. Die Lehrer sind aufgebracht, aber da Richard gegen keine feste Regel – sondern nur gegen die Ettikette – verstieß, entgeht er einer Bestrafung.

Für noch mehr Humor als Bewunderung sorgt die Szene, in der Richard es mit dem dümmlich-brutalen George Turner aufnimmt. Als George gerade einen Mitschüler drangsaliert, macht Richard ihm ein Kompliment wegen seiner angeblich schönen Augen. George ist dadurch verwirrter als es jede Beleidigung erreicht hätte. Richard geht noch weiter und fragt in die Klasse, ob jemand etwa der Meinung sei, George habe keinen schönen Augen. Natürlich wagt niemand zu widersprechen. George wird rot, was wiederum Richard laut erwähnt …
Zurück bleiben ein völlig verstörter George Turner und ein amüsierter Leser.

Dieser sowohl bewunderte als auch verachtete Junge wird vor den Augen des Lesers lebendig. Man hört förmlich den lakonischen Tonfall, in dem Richard seine Widersacher zurückweist, man sieht seinen überlegenen Blick und die Kälte in seinen Augen. Man sieht Richard mit Jonathans Augen. Wie ein Ertrinkender klammert sich der Junge an diesen überlegen Freund, der ihm ein nie gekanntes Selbstwertgefühl verleiht. Und gleichzeitig spürt man Jonathans Schaudern auf der Haut, wenn Richards glasiger Blick ins Leere schweift:
„Warum macht er dir solche Angst“, fragt James seinen Schlägerfreund und Stuart antwortet: „Ich weiß nicht, was er tun oder wie weit er gehen würde.“

Man ist hin- und hergerissen zwischen dem Verständnis für Jonathan, dass er sich auf diese gefährliche Freundschaft einlässt, und dem brennenden Wunsch, ihn vor einem Fehler zu bewahren, der sein Leben für immer verändern wird. Richard Rokeby wird für seine Ambivalenz geliebt und gehasst.

Trotz der Dominanz dieser beiden Charaktere sind die restlichen Figuren mehr als nur Staffage. Da ist der allseits beliebte Vertrauensschüler Paul Ellerson, der sich so überraschend das Leben nahm. Nicht nur Jonathan fragt sich, was der Grund gewesen sein mag … Da ist der junge, dynamische Geschichtslehrer Alan Stewart, den ein düsteres Geheimnis umgibt. Da sind die Zwillinge Michael und Stephen, die sich zwischen ihrem Widerwillen gegenüber Richard und ihrer Loyalität zu Jonathan entscheiden müssen. Und da ist Nicholas, dessen Treue zu seinem einstmals besten Freund auf eine harte Probe gestellt wird …

Sie alle verstricken sich in einem unauflösbaren Netz aus Lügen, Hass, Neid und Gewalt, das am Ende zum Tod mehrerer Menschen führen wird.

Die Handlung selber ist vom reinen Plot her zunächst bereits altbekannt: Zwei Außenseiter, die sich zusammentun, und gegenseitige Abhängigkeit sind hier die Schlagworte. Durch die lebendige Darstellung und die überzeugenden Charaktere gelingt es dem Autoren jedoch, den Leser trotz dieses leicht klischeebehafteten Themas bei der Stange zu halten.

Umso unerfreulicher ist dann die übertriebene Wendung, die der Roman nimmt, und die schließlich in einem überzogenen Schluss endet. Meiner Meinung nach hätte die zerstörerische Freundschaft zwischen Richard und Jonathan bereits gereicht, um zu einer Katatstrophe zu führen. Doch stattdessen kommen nach und nach noch übersinnliche Mächte ins Spiel. Zwar subtil angedeutet und immer mit der leisen Option, dass es sich doch um Zufall handelt – aber trotzdem überflüssig. Schade, denn diese Komponente wäre nicht nötig gewesen.

Ebenfalls schade ist das überhastete Ende, bei dem zu viele Dinge fast gleichzeitig geschehen und in Kürze abgehandelt werden. Mehrere Personen sterben in rascher Abfolge, so dass der Leser die Ereignisse kaum verdauen kann.

Unterm Strich bleibt dem Leser ein zu großen Teilen brillanter Thriller über Freundschaften und tödliche Versuchungen, wobei das Ende hinter den Erwartungen des furiosen ersten Teils zurückbleibt.

_Fazit:_ „Das Wunschspiel“ bietet dem Leser in den ersten zwei Dritteln atemberaubende Spannung, um dann leider etwas abzuflachen und mit einem leicht überzogenen Ende auszuklingen. Lebendige Dialoge, der flüssige Stil, sehr gut gezeichnete Charaktere und eine spannende Handlung sorgen für gute Unterhaltung, die nur durch den Schluss und die unnötige übersinnliche Komponente geschmälert wird. Trotz der leichten Schwächen ein absolut empfehlenswerter Thriller über zerstörerische Freundschaft und Abhängigkeiten und ein beeindruckendes Romandebüt.

_Patrick Redmond_ wurde 1966 geboren. Bereits zu Schulzeiten wollte er Schriftsteller werden, doch auf Drängen seines Vaters schlug er eine juristische Laufbahn ein. Sein Debütroman „Das Wunschspiel“ stürmte auf Anhieb die Bestsellerlisten. Inzwischen erschienen noch „Der Schützling“ und „Der Musterknabe“.

Hillerman, Tony – Dunkle Kanäle

„Dunkle Kanäle“ ist das aktuellste Buch aus der Feder des Erfolgsautors Tony Hillerman, der mich in der Vergangenheit bereits mit einigen Büchern begeistern konnte. Daran sollte sich mit dem neuesten Taschenbuchroman natürlich nichts ändern, auch wenn es dieses Mal etwas länger gedauert hat, bis ich mich mit dem Inhalt anfreunden konnte, weil Hillerman seinen Erzählstil und die gesamten Rahmenbedingungen schon ein wenig an die Moderne angepasst hat. Der Spannung schadet das aber natürlich nicht, wenngleich man dieses Mal ungewöhnlich schnell hinter die kriminellen Machenschaften blickt, die den etatmäßigen Cops Manuelito, Leaphorn und Chee das Leben schwer machen.

_Story:_

Ganze 176 Milliarden Dollar Abgaben für indianische Bodenschätze sind spurlos verschwunden, und keiner hat auch nur leiseste Ahnung davon, wie das für einen Treuhandfonds vorgesehene Geld abhanden kommen konnte. Die CIA setzt deshalb einen Agenten unter falschem Namen auf den Vorfall an, und der scheint auch schnell erste Erfolge bei seinen Ermittlungen zu erzielen – bis er kurz darauf von zwei Unbekannten aus dem Weg geräumt wird.

Das ruft den zur Border Patrol gewechselten weiblichen Officer Manuelito auf den Plan, auch wenn sie erst einmal in ganz anderer Sache ermittelt. Sie entdeckt nämlich, dass auf einem abgesperrten Gebiet, auf dem unter anderem nicht mehr verwendete Pipelines verlaufen, plötzlich wieder Aufbauarbeiten beginnen, kann sich aber erst nicht den genauen Zweck hinter dieser seltsamen Angelegenheit ausmalen. Und einen Zusammenhang zum Fund der Leiche des Agenten sieht Officer Manuelito auch nicht, bis sie dann Kontakt zu ihren ehemaligen Kollegen Jim Chee und Joe Leaphorn aufnimmt, die ebenfalls von den mysteriösen Vorfällen erfahren haben und sich infolgedessen auf den Weg ins Grenzgebiet machen.

Inzwischen nehmen die Ereignisse ihren Lauf. Bernie sieht sich mit einigen recht seltsamen Kontrollen seitens ihres Chefs konfrontiert, Chee gerät in Sorge, weil eine Schmugglerbande in Mexiko ein Foto von Bernie Manuelito bekommen hat, und während die Polizisten sich noch die Köpfe zerbrechen, was auf der abgesperrten Tuttle Ranch passiert, plant eine einflussreiche Gangsterbande einen riesigen Coup …

_Bewertung:_

Hillerman hat auch in diesem Buch an seinem recht verzwickten Stil festgehalten und lässt wiederum mehrere Handlungsstränge parallel und zunächst unabhängig voneinander ablaufen. So erzählt er von den Ereignissen an der mexikanischen Grenze, gibt einen Einblick in korrupte Staatsgeschäfte, beschreibt das innige Verhältnis zwischen Chee und Manuelito, auch wenn die beiden nicht in der Lage sind, ihre Gefühle füreinander auszusprechen, und lässt nebenbei auch wieder den schon länger berenteten Kommissar Leaphorn zu alter Form auflaufen. Gut gemacht, keine Frage, und dennoch ist die Geschichte dieses Mal schon weit im Voraus vorhersehbar oder zumindets in groben Zügen erahnbar, auch wenn Hillerman sich bis zum Ende noch einige vollkommen unerwartete Überraschungen aufgespart hat.

Das Glänzende an diesem Buch sind aber einmal mehr die drei Hauptdarsteller, auch wenn Joe Leaphorn hier nicht mehr ganz so zum Zuge kommt wie in vorangegangenen Geschichten. Mir gefällt vor allem die Rolle des dickköpfigen Cops Jim Chee, vielleicht aber auch, weil ich hier durchaus eigene Charakterzüge wiederentdecke. Auch die herzliche, stellenweise aber auch etwas tollpatschige Bernie Manuelito ist prima dargestellt, mit sämtlichen Stärken und Schwächen, die man auch einem Cop zugestehen muss. Besonders zum Schluss brilliert sie noch mit einem fabelhaften Charakterzug, zu dem ich aber an dieser Stelle nichts verraten möchte.

Zur Gesamtgeschichte sollte noch einmal kurz der etwas modernere Touch der Handlung erläutert werden. Der 11. September ist beispielsweise an manchen Stellen präsent, das neue Medienzeitalter blickt auch manchmal durch, aber auch die Wortwahl von Tony Hillerman tendiert sehr oft ins 21. Jahrhundert. Das soll aber nicht als Abschreckung verstanden werden, denn stilistisch hat sich im Grunde genommen nichts verändert, „Dunkle Kanäle“ ist also auch ein „echter Hillerman“.

Mit den Hillerman-Storys Vertraute sind übrigens klar im Vorteil, denn nicht selten gewährt der Autor Rückblicke in vergangene Bücher, wobei der davor erschienene Roman [„Das goldene Kalb“ 1429 speziell im Bezug auf die Beziehung zwischen Manuelito und Chee immer wieder ins Gedächtnis gerufen wird. Voraussetzung für das Verständnis der Handlung sind diese Geschichten aber dennoch nicht.

_Fazit:_

Zweifellos ist es Tony Hillerman wieder gelungen, eine packende und spannende Geschichte zu erzählen, in der er zeigt, dass er trotz seiner langjährigen Erfahrung als Schriftsteller mit der Zeit geht und vor modernen Elementen nicht Halt macht. Das macht ihn einerseits unberechenbarer, zweitens aber auch sympathischer, als Letztes und Wichtigstes aber auch glaubhafter in seinen Ausführungen. Nicht zuletzt deswegen kann ich „Dunkle Kanäle“ daher auch wieder nur weiterempfehlen. Oder anders gesagt: Der Meister des Ethno-Thrillers hat wieder zugeschlagen.

José Giovanni – Das Loch

giovanni-loch-cover-kleinSechs Männer in einer Gefängniszelle. Alle haben sie nur einen Gedanken: hinaus! Sie schmieden einen bemerkenswerten Plan, der ihnen die Freiheit bringen soll. Minuziös und die stets misstrauischen Wärter im Nacken setzen sie ihn um. Doch unter ihnen befindet sich ein Verräter … – Ungemein spannender, auch kongenial verfilmter Krimiklassiker aus Frankreich, der seine besondere Eindringlichkeit dem einschlägigen „Fachwissen“ des Verfassers verdankt, der selbst viele Jahre einsitzen musste und die Gefängniswelt als Mikrokosmos mit ureigenen Regeln beschreibt.
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Catherine Aird – Das Pendel des Todes

aird-pendel-cover-kleinIn einem kleinen englischen Städtchen endet ein prominenter Unternehmer unter einer tonnenschweren Marmorskulptur. Die Kriminalpolizei ermittelt rasch, dass hier kein Unfall vorliegt … – Krimi der klassischen angelsächsischen Art. Die Geschichte vom originell ausgeklügelten, ‚unmöglichen‘ Mord in einem fest verschlossenen Raum wird durchaus modern erzählt. Der knochentrockene Wortwitz erinnert an die berühmte Dalziel/Pascoe-Serie von Reginald Hill: ein kleines Meisterwerk, das hier der Wiederentdeckung harrt.
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Huston, Charlie – Prügelknabe, Der

Was dabei herauskommt, wenn Drehbuchautoren anfangen Romane zu schreiben, sieht man an „Der Prügelknabe“ von Charlie Huston: Ein Buch, das verständlicherweise wie geschaffen dafür ist, verfilmt zu werden. Kein Wunder also, dass die Filmrechte zu Hustons Debütroman schon verkauft sind. Doch funktioniert das Buch als eigenständiger Roman genauso gut wie als möglicher Film? Oder ist es als Vorlage für den Film eher Mittel zum Zweck?

„Der Prügelknabe“ erzählt die Geschichte des sympathischen Verlierers Hank. Nachdem er aufgrund einer schweren Sportverletzung seine hoffnungsvolle Baseballkarriere an den Nagel hängen musste, zog es Hank von Kalifornien nach New York. Dort führt er ein bescheidenes Leben als dem Alkohol arg zugeneigter Barkeeper. Alles in allem eine unspektakuläre Existenz – bis er eines Abends in der Bar von zwei Russen übel zugerichtet wird. Einige Tage später wird Hank aus dem Krankenhaus entlassen, um eine Niere ärmer und den (zugegebenermaßen vom Arzt aufgezwungenen) Vorsatz, sein Leben zu ändern, reicher.

Hank soll dem Alkohol entsagen (was ihm verständlicherweise nicht ganz leicht fällt) und sich von den Strapazen der Nieren-OP erholen, doch Ruhe ist ihm nicht vergönnt. Kaum ist er zu Hause angekommen, tauchen die beiden Russen wieder auf. Dass die Sache offenbar mit seinem Nachbarn Russ zu tun hat, dämmert ihm, als dessen Bude von einem Haufen Gangstertypen durchwühlt wird.

Russ ist derweil untergetaucht, während Hank brav dessen Katze hütet. Was Hank allerdings nicht ahnt, ist, dass in dem Käfig, mit dem Russ vor seiner Abreise vor Hanks Tür stand, nicht nur die Katze war, sondern auch ein ominöser Schlüssel. Und auf den sind plötzlich eine Menge Leute scharf. Für Hank ist dies der Beginn einer Odyssee kreuz und quer durch den New Yorker Großstadtdschungel. Skrupellose Gangster, korrupte Polizisten, die Russenmafia – alle sind sie hinter Hank her, und der lernt in den folgenden Tagen eine Menge einzustecken …

„Der Prügelknabe“ ist eine recht rasante Geschichte. Ohne viel Umschweife steigt Huston direkt ins Geschehen ein, keine Worte werden verschwendet, keine Zeile ist zu viel. Hustons Erzählstil ist ein Stil der schnellen Schnitte und der sprunghaften Überleitungen. Kurze, knappe Sätze, schnelle Wortwechsel und ein hohes Erzähltempo sind die markantesten Eigenschaften des Romans. Huston wechselt schnell von einer Szene zur nächsten, springt, ohne den Leser lang und breit darauf vorzubereiten, in der Handlung vor und zurück und dokumentiert die Dialoge als rasante Wortwechsel, bei denen man als Leser schon mal hier und da nachdenken muss, wer jetzt eigentlich was gesagt hat.

Das wirkt manchmal ein wenig abgehackt und hastig, zum Handlungsbogen passt dieser direkte Erzählstil aber dennoch sehr gut. Huston konzentriert sich auf Hanks Odyssee durch New York. Es gibt nur eine Handvoll Nebenfiguren, deren Charakterisierung aber stets oberflächlich bleibt. Umso detaillierter setzt Huston sich mit seinem Protagonisten auseinander. Hank, der auf den ersten Seiten noch einen etwas asozialen und unsympathischen Eindruck hinterlässt, wächst dem Leser schnell ans Herz. Hank wirkt natürlich und glaubwürdig. Eine gescheiterte Existenz, die irgendwie ihre Lebensziele aus den Augen verloren hat, so wie Menschen nun einmal Ziele aus den Augen verlieren. Er hatte Pech und hat sich zwischenzeitlich damit abgefunden. So wie Hank sind viele Menschen, und das macht ihn als Protagonisten so großartig. Man kann sich in ihn hineinversetzen, findet sich vielleicht sogar ein Stück weit in ihm wieder. Das lässt die Geschichte authentisch wirken und fesselt den Leser in Anbetracht der Dinge, die Hank erlebt, umso mehr.

Zugegeben, was Hank in „Der Prügelknabe“ so alles erlebt, das mag auf Ottonormalverbraucher doch recht unwahrscheinlich wirken. Es ist nun einmal eine actiongeladene Thrillergeschichte, authentische Hauptfigur hin oder her. Hank hat alle möglichen Leute an den Hacken, von denen der eine skrupelloser als der andere ist. Aber Hank bleibt in all diesem Trubel so erfrischend normal, dass die Geschichte auf ihre Art wirklich glaubwürdig erscheint. Er glaubt anfangs beharrlich an ein Missverständnis, glaubt, dass sich schon alles aufklären wird, wenn Russ erst einmal zurückkommt und er glaubt, dass er den Gangstern schon irgendwie begreiflich machen kann, dass er der Falsche ist, doch so einfach ist das natürlich nicht. Hank hat niemanden, den er um Hilfe bitten kann, und steht ziemlich allein vor dem ganzen Schlammassel.

Ein wenig naiv wirkt er, wie er, stets begleitet von Russ‘ Katze Bud (um deren Wohlergehen er sich permanent und geradezu rührend sorgt), durch die Geschichte stolpert. Dieser Umstand hat schon eine gewisse schwarzhumorige Seite, die auch an anderen Stellen des Romans gelegentlich wieder aufblitzt. So knallhart, wie die Geschichte verläuft, so komische Momente hat sie eben auch immer wieder mal, wenngleich der Humor dahinter eher ein unterschwelliger, indirekter ist.

Hank entwickelt sich innerhalb der Geschehnisse weiter, und auch das durchaus glaubwürdig. Zunehmend frustriert darüber, für alle nur der titelstiftende Prügelknabe zu sein und dementsprechend einstecken zu müssen, obwohl er sich das augenblicklich gesundheitlich gar nicht leisten kann, wird Hank mit der Zeit hart im Nehmen. Er beginnt das Spielchen mitzuspielen und entwickelt sich dabei zu einem durchaus ernst zu nehmenden Gegenspieler. Und dann wird das, was im Roman innerhalb weniger Tage passiert, richtig spannend und temporeich.

So rasant wie „Der Prügelknabe“ daherkommt, so blutig ist er teilweise auch. Das, was manche der Figuren an Kaltblütigkeit und Brutalität auffahren, ist nicht unbedingt für die zartesten Gemüter geeignet. Besonders im Gedächtnis bleiben da die Szenen, die mit Nähten und Wunden zu tun haben, denn einmal ist es Hank, der durch eher unsachgemäßes Fädenziehen an seiner OP-Wunde zum Reden gebracht werden soll, ein anderes Mal ist es Hank, der mit Nadel und Faden versucht, Russ‘ Schädel zusammenzuflicken. Alles nicht unbedingt appetitlich in all seiner Deutlichkeit und Detailliertheit. Sehr deutlich ist Huston auch sprachlich. Es wird viel geflucht, der Ton ist derbe, teils vulgär – wie man es von einer echten New Yorker Gangstergeschichte nun einmal erwartet.

Im Klappentext fällt übrigens das gefährliche Wort |Kultroman|. Kultromane lassen sich natürlich nicht durch Klappentexte zu eben solchen machen, insofern bin ich bei dieser Vokabel immer äußerst skeptisch. Es werden allerhand Vergleiche gezogen (Tarantino, Hitchcock, „The Big Lebowski“, „Der Marathon-Mann“, „American Psycho“). Nicht alles zwangsläufig nachvollziehbar, aber die Zielgruppe lässt sich damit immerhin recht ordentlich einkreisen. Meine These ist eigentlich immer die, dass Bücher, auf denen Dinge wie |“der perfekte Kultroman“| stehen, niemals genau das werden können. Schließlich wird Kultstatus nur durch die Resonanz des Publikums erzeugt und nicht durch den Willen des Verlags. Kult geht die merkwürdigsten und unvorhersehbarsten Wege. Ob „Der Prügelknabe“ also jemals in irgendeiner Weise „Kultstatus“ erreichen wird, kann einzig und allein die Zeit zeigen.

Woran der Verlag aber ruhig noch einmal arbeiten dürfte, ist das Lektorat. „Der Prügelknabe“ enthält eine ganze Reihe nervtötender und überflüssiger Fehler, die eigentlich vor der Veröffentlichung ausgemerzt gehören. Da gibt es nicht nur Tippfehler (über die man eventuell noch hinwegsehen könnte), sondern durchaus auch mal Wortdreher und vertauschte Namen und das sind dann Fehler, die wirklich stören.

Ansonsten gibt es abschließend kaum Negatives festzuhalten. Charlie Huston ist ein rasantes, spannendes und ernst zu nehmendes Romandebüt gelungen, mit einem Protagonisten, der dem Leser schnell ans Herz wächst. Er skizziert eine intensive, nervenaufreibende Odyssee durch New York, die zu verfolgen bis zur letzten Seite Freude bereitet. Der sprunghafte, teils etwas abgehackte Erzählstil mit den rasanten Wortwechseln erfordert zwar eine gewisse Konzentration und mag hier und da etwas stören, passt aber gut zum Inhalt.

Wem „Der Prügelknabe“ gefallen hat, der darf sich obendrein auf zwei weitere Bücher um den sympathischen Verlierertypen Hank freuen, denn Huston hat die Geschichte als Trilogie geschrieben, deren zweiter Teil („Der Gejagte“) in diesem Monat in die Buchläden kommt.

Rankin, Ian – zweite Zeichen, Das

Ein ganz normaler Montag im Leben von John Rebus, Detective Inspector bei der Mordkommission der schottischen Metropole Edinburgh. Gerade hat ihn die Freundin verlassen, sein publicitygieriger Chef will ihn für eine Antidrogen-Kampagne zwangsrekrutieren, und selbstverständlich regnet es wieder in Strömen – da passt es gut ins Bild, dass Rebus in die übel beleumundete Siedlung Pilmuir gerufen wird. Dort stehen die meisten Gebäude leer und warten darauf abgerissen zu werden – theoretisch jedenfalls, denn tatsächlich haben sich in den Ruinen Hausbesetzer eingenistet, deren bloße Anwesenheit den Stadtvätern schon lange ein Dorn im Auge ist.

Der junge Herumtreiber Ronnie McGrath ist offensichtlich an einer Überdosis Heroin gestorben – kein ungewöhnliches Ende in Pilmuir. Doch Rankin fällt auf, dass der Körper des Toten mit Blutergüssen übersät ist, und später wird der Polizeiarzt entdecken, dass Ronnies „Stoff“ reichlich mit Rattengift versetzt wurde. In einem Nebenraum irritiert den Inspector ein sorgfältig an die Wand gemaltes Pentagramm – wurde Ronnie ein Opfer satanistischer Umtriebe? Seiner Freundin Tracy weiß davon angeblich nichts, aber sie gibt immerhin zu, dass sich Ronnie in den letzten Wochen seines Lebens verfolgt fühlte.

Rebus dreht sich bei seinen Ermittlungen im Kreis. Überrascht muss er erfahren, dass in Edinburgh mindestens sechs okkultistische Gruppen bekannt sind. Doch die Spuren weisen auch in andere Richtungen: Ronnies Bruder ist Polizist und deckte dessen illegale Aktivitäten. Noch beunruhigender sind die Verbindungen, die Rebus zwischen dem Ermordeten und jener Gruppe vermögender und einflussreicher Geschäftsleute entdeckt, von denen die erwähnte Antidrogen-Kampagne finanziert wird. Sie gehören einer neuen Generation an: Junge, skrupellose, erfolgreiche Finanzhaie sind es, die hart arbeiten und sich in ihrer knappen Freizeit amüsieren wollen – und im Beruf wie im Privatleben ist das Gesetz etwas, über das sie sich jederzeit erhaben fühlen!

Das bekommt Rebus zu spüren, als er der Wahrheit zu nahe kommt. Seine unsichtbaren Gegner fädeln ein Komplott ein, um den lästigen und ihnen allmählich gefährlich werdenden Spielverderber auszuschalten. Doch sie haben Rebus unterschätzt – und sie wissen nichts von Ronnies Vermächtnis, das dieser als Lebensversicherung an einem ganz besonderen Ort verborgen hält …

„Das zweite Zeichen“ ist – wie der Zufall so spielt – nicht nur der deutsche Titel des im Original viel anschaulicher „Verstecken & Suchen“ betitelten Romans, sondern markiert tatsächlich den zweiten Auftritt von John Rebus, Polizist in Edinburgh, der nun definitiv ansetzt, seinen Siegeszug auch durch die hiesige Krimi-Szene anzutreten.

In Großbritannien ist Rebus schon lange Stammgast in den Bestseller-Listen. Zwar geht es gar finster und notorisch depressiv zu in Ian Rankins Edinburgh, aber wenn man schon glaubt, nun geht’s nicht mehr, kommt doch irgendwo ein Lichtlein in Gestalt des berühmten britischen Humors her. Die Welt ist schlecht, das Leben hart, aber das heißt noch lange nicht, dass man beidem keine komischen Seiten abgewinnen könnte!

Dazu kommen die ungewöhnlichen Fälle, mit denen Rankin seinen Inspektor von der traurigen Gestalt konfrontiert. Sie sind beinahe überkompliziert, „gothic“ und ziemlich abgedreht; das wird sich in den weiteren Bänden der Serie sogar noch steigern. Weil Rankin aber den Überblick behält und sein Garn zu spinnen weiß, entsteht stets eine höllisch spannende und rasante Geschichte daraus.

Mit „Das zweite Zeichen“, im Original bereits 1991 erschienen, beweist Rankin ungewöhnlichen Scharfblick: Spätestens als im Kino der „Fight Club“ erfolgreich lief, musste sich die Gesellschaft in den sogenannten Industrieländern der unangenehmen Gewissheit stellen, dass unter denen, die nicht unter die Räder der Globalisierung geraten sind, sondern wirtschaftlich definitiv zu den Gewinnern gehören, eine Generation herangewachsen ist, die sich langweilt mit dem, was sich für schnöden Mammon kaufen lässt, und auch in der bizarrsten Extremsportart den ersehnten Kick nicht mehr findet.

Hier setzt Rankin an. Er hatte allerdings zusätzlich eine solide Basis für seine böse Geschichte vom menschlichen Treibgut, das die Satten und Unbarmherzigen im wahrsten Sinn des Wortes befriedigen muss: Großbritannien im Jahre 1991 war ein durch den Steinzeit-Kapitalismus der Ära Margareth Thatcher zerrüttetes Land, in dem die Kluft zwischen Arm und Reich nicht nur immer größer, sondern das Verantwortungsgefühl der Privilegierten für die (unschuldig) weniger Begünstigten praktisch auf den Nullpunkt gefallen war. An dieses Phänomen konnten wir uns weltweit inzwischen gewöhnen; man denke nur an die verelendeten Länder des ehemaligen Ostblocks, deren Jugend – so denkt man manchmal – hauptsächlich deshalb heranwächst, um der Pornoindustrie des Westens den regelmäßigen Nachschub an Darsteller/inne/n zu sichern. Insofern hat „Das zweite Zeichen“ nichts von seiner Aktualität verloren.

Rebus selbst hat sich verändert. Fröhlicher ist er nicht geworden. Allerdings verliert Rankin auch kein Wort mehr über die Psychosen seines Helden, die auf eine brutale militärische „Spezialausbildung“ bei einer Elite-Fallschirmjäger-Einheit zurückgehen. Bei seinem Debüt drohte Rebus daran noch endgültig zu zerbrechen, aber nachdem die Figur ihre „Serientauglichkeit“ unter Beweis gestellt hatte, ließ Rankin Rebus’ geistige Defekte offensichtlich stillschweigend fallen. Er wird aber trotzdem nie auf dem Tisch tanzen, denn dafür präsentiert ihm die Welt – repräsentiert durch seine Heimatstadt Edinburgh – immer wieder neue Beweise dafür, wie schlecht sie (geworden) ist. In dieser Beziehung ist Rebus Deutschlands Lieblings-Kommissar Kurt Wallander durchaus ein Bruder im Geiste (der richtige sitzt ja als verurteilter Drogendealer im Gefängnis – ein weiterer Nagel zu Rebus’ Sarg …) – nur eben mit Humor.

Ian Rankin, geboren 1960 im schottischen Fife, lebte zwar mit seiner Familie lange in Südfrankreich, konnte sich dort aber offensichtlich gut an seine Jahre in Edinburgh und später London erinnern. Sein erstes John-Rebus-Abenteuer veröffentlichte er 1987; da sich der Erfolg rasch einstellte, ließ Rankin seinem Debüt weitere John-Rebus-Abenteuer folgen, die inzwischen ihren Weg nach Deutschland gefunden haben; kurioserweise in chronologischer Reihenfolge als Taschenbuch die älteren Bände, während die aktuellen Rebus-Thriller gebunden geadelt werden, um die angefütterten Krimi-Freunde besser zur Kasse zu bitten. In seiner schottischen Heimat, aber auch im gesamten britischen Inselreich hat Rankin dank Rebus inzwischen längst Kultstatus erreicht. Dazu trägt in nicht geringem Maße die höchst erfolgreiche TV-Serie „Inspector Rebus“ bei, die das Schottische Fernsehen seit 2000 ausstrahlt. Wer weiß; vielleicht erbarmt sich ja auch hierzulande ein (wahrscheinlich privater) Sender, der noch eine Sendepause zwischen zwei Verkaufsshows füllen muss …

Ford, G. M. – Erbarmungslos

Wer mein Arbeitszimmer beguckt, muss mich mittlerweile für einen arg morbiden Menschen halten. Aus jeder Ecke lugen Serienkiller und wetzen ihre vom menschlichen Hang zum Perversen determinierten Mordinstrumente. Das Blut von tausend Opfern müsste längst die Regalhölzer aus fester Eiche brutal aufgeweicht haben, die Todesschreie müssten mir in den Ohren gellen, während ich doch scheinbar ach so ruhig diese Zeilen schreibe. Dabei läuft es mir kalt den Rücken runter – warum sind so viele Menschen begierig, derlei Romane zuhauf aus den Buchläden zu schleifen und sich einem blutdurstigen Mörder in die Arme zu werfen …

Diese Frage erörtere ich hier natürlich nicht – ich höre bis zu meinem Schreibtisch das Aufatmen! -, aber es ist doch bezeichnend, dass Jahr um Jahr in die breite Phalanx profilierter und frisch hineingewachsener Autoren und Autorinnen neue Epigonen eine Schneise schlagen und sich am Schnitzel-Handwerk versuchen wollen. G. M. Ford (Ein Name wie zwei Automarken! Wenn seine Romane nicht rasant sind, dann weiß ich’s nicht …) ist eines dieser aufstrebenden Jungtalente (das wage ich einmal ohne nähere Verifizierung zu schreiben, denn der Verlag hält sich ungewohnt bedeckt bei Fords Vita: „G. M. Ford unterrichtete einige Zeit Creative Writing in Washington, heute lebt er als freier Schriftsteller in Seattle …“ Ford könnte also auch ein Pseudonym für Irgendwen sein oder raschen Schrittes auf die Hundert zugehen). Mit „Erbarmungslos“ (recht frei übersetzt aus dem Original: „Fury“; der Titel „Wut“ hat eine gewisse Bedeutung) legt er sein Erstlingswerk vor.

Ein vor den Augen der Öffentlichkeit (und somit auch möglicher Arbeitgeber) in Ungnade gefallener Journalist namens Frank Corso steigt in einen alten Fall ein, der ihn vor einigen Jahren bereits in Atem gehalten hat: Der als „Müllmann“ in Seattle und Umgebung bekannt gewordene Serienvergewaltiger und Killer ließ seine acht Opfer allesamt auf Müllbergen zurück. Der Fall schien 1998 aufgeklärt, als Walter Leroy Himes hinter Gitter gebracht werden konnte; die Beweise waren sogar stichhaltig genug, um die Todesstrafe in wenigen Tagen vollstrecken zu können.

Da meldet sich eine Zeugin von damals, die ihre Aussage vor den Leuten der Seattle Sun widerruft; ein Fall für Corso, dem eine letzte Chance vor die Füße gelegt wird. Er nimmt an und greift die losen Fäden auf, die ihn bereits vor Jahren an der Täterschaft von Himes zweifeln ließen. Gemeinsam mit der Fotografin Meg Dougherty, die ihm auf Schritt und Tritt folgen wird, auch wenn sie sich anfangs recht widerwillig geriert, hängt er sich an die wagen Spuren. Dabei darf er nicht auf die Unterstützung der örtlichen Polizei zählen, im Gegenteil, Densmore ist ein richtig schmieriger Polizist, der Corso am liebsten in hohem Bogen aus der Stadt werfen würde. Also forscht Corso auf eigene Faust weiter, was dem notorischen Einzelgänger sicherlich auch sehr nahe liegt.

Na ja, ganz so einzelgängerisch ist Corso nicht, Dougherty (wie sie liebreizend genannt wird) kommt ihm näher; oder war es umgekehrt? Jedenfalls bleibt ein solches koitales Intermezzo natürlich nicht aus, zudem Corso sich seiner haarigen Ex-Frau mit Händen und Füßen erwehren muss. Das alles gestaltet sich zaghaft turbulent und nimmt etwa in der Mitte des Buches, so bei Seite 200 von 386, etwas Fahrt auf, ohne dass der Thriller dem vorbelasteten Namen des Autors alle Ehre machen würde.

Zum Ende hin, als Himes mehr oder weniger errettet wird, nimmt die Handlung noch eine durchaus logische Wendung, denn ein Mitläufer hat sich in die Serienmorde eingeklinkt und möchte unauffällig an der fremden Täterschaft partizipieren. Corso ist der Einzige, dem ein Lichtlein aufgeht, die Polizei dagegen ist bequem und mit dem Erreichten zufrieden (eigentlich auch wieder nicht, denn Ford stellt es so dar, dass wohl alle Himes gerne hingerichtet gesehen hätten – nur Corso will Gerechtigkeit …)

Da hinterlässt uns Ford ein zwiespältiges Buch: Die Spannung ist ja doch vorhanden, aber der Einstieg in die Handlung will nicht so recht marschieren. Das dümpelt stattdessen fade dahin, wenn Corsos Werdegang in Ansätzen aufgedröselt wird – wen interessiert’s, fragte ich mich irgendwann, trägt es doch weder zur Geschichte entscheidend bei, noch verleiht die maue Fehlleistung von Corso ihm so viel Profil, dass sein Charakter an Schärfe gewinnt. Er bleibt blass. Und reiht sich damit in die Gruppe derjenigen ein, die uns Ford ansonsten noch präsentiert: Meg Dougherty – okay, ein nettes Mädchen, aber grau im Teint und schmal hinter Corsos Rücken versteckt. Die übrigen Statisten sind eben nur Randfiguren, deren Leben für den Leser unscheinbar, unnahbar bleibt. Austauschbare Figuren in einem von Corso dominierten Spiel. Wenn dem aber so ist, dann hätte Corso eine kräftige Persönlichkeit sein müssen. Dazu fehlen ihm die Klasse, das Charisma, die Lebensgeschichte, standfeste moralische Grundsätze.

Er ist beliebig, auch wenn ihm Ford an einer Stelle ein starkes Stück in den Mund legt, als die Sprache auf den elektrischen Stuhl kommt und ein Opfer, dem die Flammen zwanzig Zentimeter aus den Ohren schossen: „Lasst die Kids ein paar Dutzend Mal zusehen, wie Kriminelle sich als Bunsenbrenner präsentieren, dann kreuzen garantiert sehr viel weniger von diesen kleinen Scheißern mit Kanonen in der Schule auf … Weil Sachen wie intellektuelle Gewissheit, moralische Entrüstung und rechtschaffene Empörung die Motoren der Gesellschaft sind. Selbstzufriedene Toleranz hat noch nie irgendetwas bewirkt, außer den Blick auf das zu vernebeln, was falsch und was richtig ist.“ Hoppla, starker Tobak und gar nicht politisch korrekt, Mister Ford. Derart verkürzt unters Volk geschleuderte philosophische Exzerpte aus dem Bauch eines Thrillerautoren sind natürlich gefährliches Brot, weil sie ohne nachgehende Erläuterung gar nichts erklären, sondern nur ein brüchiges Statement abgeben. Damit ist niemandem gedient, das sind Stammtisch-Parolen auf gediegenem Niveau, mehr nicht.

Möchte ich G. M. Ford das noch durchgehen lassen, so muss ich ihm den aus verschiedenen Versatzstücken des Krimilehrbuchs erstellten Roman ankreiden: Es wirkt wie bessere Flickschusterei, aus dem Schubfach mit den Motiven nehme ich den psychopathischen Serienmörder, das Fach mit den Hauptdarstellern bevorratet einen beziehungslosen, halbwegs gescheiterten Schnüffler (oder Journalist, was in der propagierten Form auf dasselbe hinausläuft), die Schublade der Begleitpersonen hält eine erst einmal distanzierte, geziemend forsche Frau bereit, und so weiter. Sodann verkürze ich die Sprache, sobald Tempo die Erzählung vorantreiben soll: „Wald ließ den Umschlag los. Corso ließ ihn gegen sein Bein fallen. Wald öffnete den Mund, um etwas zu sagen, überlegte es sich anders. Drückte auf den Knopf.“ Wenn dieses stilistische Mittel gekonnt eingesetzt wird, fühlt sich der Leser in den Sog der Geschichte hineingezogen. Bei Ford liest es sich dagegen aufgesetzt, weil er wahllos damit hantiert.

Sind das Auswirkungen des „Creative Writing“? – Könnte sein. Dann sollte Ford aber schnellstens einige seiner eigenen Kurse selbst belegen, um sich noch den letzten Schliff zu verpassen.

Ach, und wenn man schon irgendwie hip sein will, dann sollte ein US-Autor wie Ford nach all den Jahren auch kapiert haben, dass sich |Lynyrd Skynyrd| so und nicht anders schreiben. Aber man kann natürlich auch zusammengeschaufeltes Second-Hand-Wissen als eigene Schlaumeierheiten verkaufen – blöd nur, wenn man sein Unwissen dann durch Fehler selbst offen legt. (Okay, als Uralt-Fan reagiere ich hier wahrscheinlich etwas überreizt …)

„Erbarmungslos“ ist für einen Thriller-Erstling nicht schlecht, aber das Sujet hat bessere Kriminalromane gesehen, mit tafferen Ermittlern und Serienmördern mit mehr Kontur. G. M. Ford muss beim nächsten Buch einen Zahn zulegen, um nicht gleich nach der ersten Runde abgehängt zu werden.

|Originaltitel: Fury
Aus dem Amerikanischen von Marie-Luise Bezzenberger|

_Karl-Georg Müller_
|Diese Rezension wurde mit freundlicher Genehmigung unseres Partnermagazins [X-Zine]http://www.x-zine.de veröffentlicht.|

Smith, Jonathan – Fenster zur Nacht

In den Jahren 1987 bis 1994 wurde der Autor Jonathan Smith selbst Opfer eines Persönlichkeitsdiebstahls, das vorliegende Buch ist aus dieser Erfahrung heraus entstanden, doch kann der Leser nur mutmaßen, wie weit die autobiografischen Bezüge reichen …

_Ich bin du und du bist niemand_

Patrick Balfour steht in der Mitte seines Lebens und kann auf weitreichende Erfolge zurückblicken: Er ist nicht nur Direktor einer Schule mit ausgezeichnetem Ruf, sondern auch Autor von historischen Bestsellern. Einzig sein Familienleben droht auseinander zu brechen, denn nach der Affäre mit seiner Lektorin Liz existiert Patricks Ehe eigentlich nur noch auf dem Papier. Seine Ehefrau Caroline und er haben sich praktisch nichts mehr zu sagen, außerdem verbringt Patrick mehr Zeit in seiner Wohnung in der Schule als in seinem Haus bei Caroline. Doch eines Tages bricht Patrick Balfours nahezu heile Welt in sich zusammen. Er wird beschuldigt, an einer Tankstelle Benzin gestohlen und in seiner Wohnung pädophile Fotos aufgenommen zu haben. Seine Alibis sind recht dünn, sodass Patrick Balfour sich unverhofft in Untersuchungshaft wiederfindet.

Auf Kaution darf Patrick das Gefängnis schließlich wieder verlassen, doch scheint die Polizei weiterhin von seiner Schuld überzeugt zu sein. Auch die Fotos von „ihm“ an der Tankstelle sprechen gegen ihn, bei dem aufgezeichneten Benzindieb kann es sich nur um einen guten Doppelgänger handeln, doch wie sind die Fotos von dem kleinen Jungen in Patricks Wohnung entstanden? Für Patrick Balfour beginnt das Rätselraten; kann es ein neidischer Kollege sein, der ihm an den Kragen möchte? Wie denkt jemand, der ihm diese Verbrechen anhängen möchte? Und wem kann er nun noch trauen? Soll er mit seiner Frau sprechen oder doch eher mit der ehemaligen Geliebten?

Als verdächtige Botschaften von seinem Widersacher in Patricks Postfach in der Schule auftauchen, scheint der Kreis der Verdächtigen sich weiter einzugrenzen. Doch handelt es sich tatsächlich um ein Ränkespiel innerhalb des Lehrerkollegiums? Zu diesen Sorgen gesellen sich schließlich noch Probleme mit Patricks Tochter Alice, die mehr Zeit in ihr Theaterspiel investiert als in die Schule und die ihren Eltern gegenüber immer abweisender reagiert. Was ist bloß los an Patricks Schule?

_Zerbrechende Idylle_

Zu Beginn des Buches begegnet uns Patrick Balfour, der uns als erfolgreicher Schuldirektor und Bestsellerautor vorgestellt wird, doch dauert es nicht lange, bis er mit der Polizei und ihren Anschuldigungen konfrontiert wird. Völlig unverhofft sieht Patrick Balfour sich Inspector Bevan gegenüber, der Beweisfotos besitzt, die den bekannten Schuldirektor schwer belasten können. Doch wie kann dies sein? Balfour weiß weder von dem Benzindiebstahl noch von den pornografischen Fotos. Nachdem er wieder auf freiem Fuß ist, beginnt für Balfour das Nachdenken. Langsam ahnt der Leser, dass Patrick Balfour mehr Feinde hat, als auf den ersten Blick offensichtlich war. Schnell fallen ihm aus dem Lehrerkollegium einige Namen ein, die durchaus für einen solchen Persönlichkeitsdiebstahl in Frage kämen. Balfour durchdenkt nicht nur gewissenhaft mögliche Tatmotive, sondern versucht sogar, wie sein Feind zu denken. Bei diesen Gedankenexperimenten bemerkt Balfour schnell, wie der Täter vorgegangen sein kann, doch kristallisiert sich immer noch niemand heraus, der für die Botschaften, den Diebstahl und die Fotos verantwortlich gemacht werden kann.

Jonathan Smith inszeniert ein interessantes Psychospiel, indem er Patrick Balfours Gedanken, seiner Ungewissheit und seinen Zweifeln viel Raum gibt. Patrick versucht sogar, sich in den Täter hineinzuversetzen und erschreckenderweise gelingt ihm diese Identifikation äußerst gut. In seinen Gedanken kommt er so seinem Widersacher sehr nah, nur einige wenige Wissenslücken bleiben, die Balfour sich nicht erklären kann. Der Leser ist zu jedem Zeitpunkt mitten im Geschehen und hat Anteil an jedem Gedanken, den Patrick Balfour fasst; hier merkt man der Erzählung an, dass der Autor weiß, wovon er schreibt und dass er diese Gedanken selbst schon gehabt haben muss. In das Opfer eines Persönlichkeitsdiebstahls kann man sich wohl nur schwer hineinversetzen; viele Ideen, die Patrick Balfour kamen, erschienen mir etwas absurd, doch aus Jonathan Smiths eigener Erfahrung heraus wirken sie dennoch realistisch.

Leider hält sich Smith an etlichen Stellen mit zu ausschweifenden Erzählungen auf, springt ohne Überleitung in Patricks Vergangenheit und berichtet ausführlich von seiner Affäre zu Liz oder auch von seinem und Carolines Kennenlernen. Diese Exkurse stellen zwar den Hauptprotagonisten besser vor und helfen uns dabei, uns ein gutes Bild von ihm zu machen, dennoch bremsen sie den Spannungsaufbau arg aus, der gerade zu Anfang zunächst gelungen schien. Über weite Strecken passiert nicht mehr, als dass Patrick Balfour immer neue Nachrichten in sein Postfach gelegt bekommt und über mögliche Täter nachdenkt.

Dem Buch fehlt eine wirklich packende und spannungsgeladene Rahmengeschichte, die dem Roman seine Brisanz verliehen hätte. Zu schnell erhält Patrick Balfour den Rückhalt seiner Familie und auch Inspector Bevan schlägt sich bald auf seine Seite, sodass die drohende Gefahr zu sehr in den Hintergrund gedrängt wird. Balfour wird dadurch früh zu einem bemitleidenswerten Opfer, um das man nicht wirklich fürchten muss. Von Psychothriller war in diesem Buch daher bedauerlicherweise nur wenig zu spüren. Der Autor verspielt leider viel Potenzial, denn aus diesem Thema hätte gerade Jonathan Smith aus seiner eigenen Erfahrung heraus einen gut durchdachten und spannenden Thriller schreiben müssen.

Jonathan Smith ist die Gratwanderung zwischen interessanten psychologischen Gedankenspielen und stetig wachsender Gefahr leider nicht gelungen, zu sehr legt er seinen Schwerpunkt auf die Suche nach dem Täter und vergisst dabei völlig, den Spannungsbogen steigen zu lassen und zwischendurch Situationen einzustreuen, die die Handlung bedrohlicher gestaltet hätten. Besonders der Mittelteil des Buches zieht sich dadurch lang hin. Am Ende schafft Smith es zwar, mit einer kleinen Überraschung aufzuwarten, allerdings verpufft auch bei der Auflösung viel Spannung.

Insgesamt ist das „Fenster zur Nacht“ zügig durchgelesen und weiß stellenweise auch zu unterhalten, doch erhält es nicht die Faszination, die ich mir von einem Autor erwartet hätte, der selbst über Jahre hinweg Opfer eines Persönlichkeitsdiebstahls geworden ist und daher viele eigene Erfahrungen in die Geschichte hätte einfließen lassen können. Manchmal hatte ich das Gefühl, dass Jonathan Smith absichtlich nicht allzu viel von sich preisgeben wollte, denn die beschriebene Situation muss in Wirklichkeit viel bedrohlicher (gewesen) sein, als sie sich dem Leser darstellt. Durch die weitschweifenden Gedankenmonologe Patrick Balfours schleppt sich die Geschichte träge dahin, ohne wirklich Spannung aufzubauen; leider führt dies auch dazu, dass man dem Hauptcharakter recht gleichgültig gegenüber steht. So bleibt am Ende doch eher ein mittelmäßiger Eindruck, weiterempfehlen würde ich dieses Buch daher nicht.

Koontz, Dean R. – Kalt

Es gibt Worte, die rufen bestimmte Bilder hervor. Bei mir gehören dazu unter anderem auch „Verfolgungsjagd“ und „Roadmovie“. Bei „Verfolgungsjagd“ hat man schnell Bilder von aufregenden Verfolgungen in Autos oder zu Fuß vor Auten, bei welchen der eine unentwegt hinter dem anderen her ist. „Roadmovie“ erinnert andererseits an Filme wie „Easy Rider“, „Thelma and Louise“ oder „Wild at Heart“, wobei das Wort selbst tatsächlich einen Film impliziert.
Der Klappentext von Dean Koontz‘ Roman „Kalt“ wirbt damit, dass es sich bei dem Buch um „Eine gnadenlose Verfolgungsjagd und ein fantastisches Roadmovie“ handeln würde. Und tatsächlich werden die Helden des Romans gnadenlos verfolgt, es geschieht „fantastisches“ und ein gutes Stück des Buches fliehen sie über die Straße und erleben entlang der Straße ihre Abenteuer. Was fehlt, sind der Film und die Jagd. Dies mag jetzt pedantisch erscheinen, ist aber symptomatisch für die Aufmachung des Buches. Der Klappentext ist zwar teilweise falsch, gibt aber genug preis, um etwa die Hälfte des Buches zu verraten. Der deutsche Titel hat relativ wenig mit dem Buch zu tun und bezieht sich wohl als eine Art Wortspiel darauf, dass der eigentliche Bösewicht „Kalt“-blütig agiert und außerdem die Helden den Nordpol besuchen. Oder vielleicht soll er sich auch an bekannte Horrorromane mit Einworttiteln anlehnen und damit die Verkaufszahlen in die Höhe schnellen lassen. Was schade ist, da der Originaltitel „By the Light of the Moon“ (Beim Licht des Mondes) wesentlich besser zum Buch passt und auch als Satz zentrale Bedeutung für die Akteure erlangt. Und warum gerade ein Insekt für das Cover-Bild gewählt wurde, vermag vermutlich nur der Designer zu sagen – besonders bei dem Titel.

Wenigstens hat man darauf verzichtet, das Buch als Horrorroman, Thriller oder Science-Fiction zu bezeichnen, denn dies wird dem Roman nicht gerecht, weil dieser sich mit dem etwas kitschigen Schluss in das Genre der Superhelden begibt.
Dabei fängt die Geschichte mit einem Schwall an gewaltigen Bildern an, die zwischen Kitsch („Der verblichene Tag war inzwischen in der Erde, im Asphalt vergraben. Dem Auge entzogen, aber spürbar, spukte sein Geist durch das nächtliche Arizona: ein heißer Geist, der träge von jedem Zoll des Bodens aufstieg …“) und Detektivbüro-Sprache („Die zeitgenössische Kultur passte Dylan O´Conner etwa so gut wie ein dreifingriger Handschuh …“) hin und her schwanken.
Nachdem man jedoch erfahren hat, dass es sich bei dem Charakter, aus dessen Perspektive der Roman begonnen wird, um einen Künstler namens Dylan O´Connor handelt, der in der Welt nur die wunderbarsten Bilder wahrnimmt, wird klar, dass diese Sprache als Stilmittel gedacht ist, um die Perspektiven der Akteure zu verdeutlichen. Denn der zweite Hauptakteur, die Comidiene Jill Jackson, sieht die Welt mit anderen Augen, und diese Sichtweise wird dem Leser auch vermittelt. Besonders interessant wird das Buch jedoch immer dann, wenn Dylans Bruder, der autistische Shepard, in das Geschehen einbezogen wird, denn Koontz hat sich große Mühe gegeben, die Probleme, die Shepard selbst mit der Welt und vor allem seine Begleiter Dylan und Jill während der Flucht mit ihm haben, herauszuarbeiten.
Immer wieder sagt er seine Mantras auf, begibt sich in eine Ecke, um die Welt auszuschließen und gibt sinnlose Dinge von sich, die aber mit der Zeit Bedeutung gewinnen. So wird auch ein guter Teil der Spannung während der Szenen, in denen es tatsächlich um den Konflikt mit den Verfolgern geht, daraus gewonnen, dass Shepard nicht angemessen auf die Situation reagieren kann und damit sich und seine Begleiter in Gefahr bringt.
Dieses Stilmittel hat aber zwischenzeitlich auch den Effekt, dass es die Handlung in die Länge zieht und man versucht ist, Teile des sich nur geringfügig ändernden Dialoges zwischen Shepard und Dylan zu überspringen. Genauso gehen die Übercharakterisierungen der Protagonisten irgendwann ein wenig auf die Nerven, da man das Gefühl bekommt, dass die Personen nur existieren, um ihre Neurosen auszuleben.

Wie vielleicht auffällt, hat sich diese Rezension bisher wenig mit dem tatsächlichen Inhalt des Romans beschäftigt. Dies liegt nicht daran, dass es dem Buch an Spannung mangelt, sondern daran, dass der Inhalt bereits überwiegend auf dem Klappentext beschrieben wird:
Ein verrückter Wissenschaftler injiziert drei Personen gegen ihren Willen ein Mittel, welches sie verändert und dazu führt, dass sie dank des Mittels besondere Fähigkeiten entwickeln und sich gezwungen sehen, anderen zu helfen. Das Mittel hatte bei vorherigen Testpersonen zu brutalen Übergriffen geführt, weswegen einige Mörder auf die neuen Probanden angesetzt werden. Diese Söldner tauchen tatsächlich einmal im Buch als echte Bedrohung auf, verschwinden jedoch die meiste Zeit hinter der Action, die die guten Taten mit sich bringen. Nicht wirklich überraschend, war die Auswahl der drei Helden nicht zufällig, da der Wissenschaftler zu zweien von ihnen eine ihnen bis dahin nicht bekannte Beziehung hatte. Und nachdem man noch ein paar Dinge erledigt hat, ist alles gut und man ist mit sich und den bisher am Körper eingetretenen Veränderungen im Reinen.

Wie bereits geschrieben, ist der Roman tatsächlich spannend und diese Zusammenfassung wird der Spannung nicht gerecht, aber die eigentliche Spannung liegt auch nicht in der Geschichte, sondern in den Akteuren, die das Buch lesenswert machen. Herauszuheben ist dabei noch die Figur des Wissenschaftlers, welcher in seiner selbstanklagenden Art tatsächlich hassenswerter ist als so mancher manische Psychopath, besonders nachdem man schließlich erfahren hat, was wirklich hinter seinen Selbstanklagen steckt. Daher kann ich den Roman durchaus als Ferienlektüre empfehlen.

|Orginaltitel: A Maze of Death
übersetzt von Yoma Cap, überarbeitet von Alexander Martin|

_Peter Singewald_
|Diese Rezension wurde mit freundlicher Genehmigung unseres Partnermagazins [X-Zine]http://www.x-zine.de veröffentlicht.|

Rainer Wekwerth – Das Hades-Labyrinth

Der Autor:

Rainer Wekwerth wurde 1959 geboren und hat bereits unter einem Pseudonym mehrere Buchtitel veröffentlicht. Heute lebt der Mann in Stuttgart und hat just mit „Das Hades-Labyrinth“ sein neuestes Werk auf den Markt gebracht. Nähere Informationen zu diesem Thriller-Autor sind unserem Interview mit ihm zu entnehmen.

Handlung:

Daniel Fischer hat alles verloren. Sein Körper ist schwer gezeichnet von den schwerwiegenden Ereignissen, die gerade erst zurückliegen, seine Frau hat ihn verlassen, weil Daniel seinem ‚alten‘ Leben aufgrund der grausamen Erfahrungen nicht mehr nachgehen kann, und wegen seiner Verletzungen ist es ihm auch nicht mehr möglich, seinem Job als Gesetzeshüter nachzugehen. Doch was ist geschehen?

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Kinkel, Tanja – Götterdämmerung

Ein guter amerikanischer Thriller aus deutschen Landen, Götterdämmerung soll genau so etwas sein. Pharmakonzerne, CIA, ein investigativer Journalist und eine schöne junge Frau, die es eigentlich gar nicht geben kann. Da grüßen die bekannten Thrillerautoren, aber Tanja Kinkel kann über weite Teile gut mit ihnen mithalten.

Dies ist die Geschichte von Neil LaHaye, einem Journalisten und Schriftsteller, der einmal mit investigativen Büchern unter anderem über die Krebsopfer von Atombombenversuchen berühmt wurde. Das letzte Buch war über Guantanamo, und das war gar nicht nett. Deswegen ist er jetzt verrufen, deswegen hat er seine Frau verloren – die leider die Stabschefin eines Senators ist. Dann kommt ihm ein neues Thema auf die Tastatur: AIDS. Und dort findet er die Spur eines genialen Wissenschaftlers, des Exilkubaners Victor Sanchez. Sein journalistischer Spürsinn springt an, er geht auf die Suche.
In Alaska sitzt am anderen Ende eines medizinischen Chats Beatrice Sanchez, die Tochter des Genies. Die beiden beginnen einen lebendigen Austausch von Wissen und flirten auch ein bisschen miteinander. Neil ist aber auch sonst nicht untätig, fährt nach Miami, wo Sanchez früher wohnte und interviewt einen alten Freund. Währenddessen entdeckt Beatrice auch eine ganze Menge über sich, denn ihre Herkunft und ihre Lichtallergie, die ihr immer wieder eingeredet wurde, sind nicht ganz so echt.
Bald begegnen sich die beiden auch, und irgendwann explodiert die ganze Geschichte in ein Finale, das dem Buch den Namen gab: Götterdämmerung.

Tanja Kinkel hat da eine Geschichte geschrieben, die vielleicht nicht an Dan Brown in Sachen Spannung heranreichen kann, aber auch in hohem Tempo gelesen werden möchte. Schicht auf Schicht wird eine Überraschung auf die andere gestapelt, manchmal mit feiner Klinge, manchmal mit der schweren Keule werden die Schichten zerstört und damit dem Leser aufgezeigt. Das ist alles sehr lesbar, nicht allzu oft humorvoll, aber insgesamt stimmig. Allein, die Glaubwürdigkeit ist doch in vielem beschädigt, zu weit hergeholt die eine oder andere Tatsache, vor allem zu abgedreht das Ende, denn diese Götterdämmerung nimmt nicht wie erhofft den Atem, sondern wirkt irgendwie künstlich angedockt. Nebenbei gibt es zwischendurch das eine oder andere Detail, das nicht so ganz aufgeklärt wird – was hat es zum Beispiel mit dem zweiten auffälligen Ford auf sich? Warum ist es dieses Auto?
Das vielleicht unbrauchbarste ist die völlige Offenheit, die am Ende bleibt – kein Zweifel, es ist völlig in Ordnung, ein offenes Ende zu schreiben, aber damit fällt Beatrice zumindest hinten runter; was ist mit dieser zweiten Hauptfigur, was kann ihr passiert sein? Über die letzten sechzig Seiten kommt sie nicht vor, da stimmt doch etwas im Handwerk nicht, oder?
Vielleicht ist das noch der kleine Unterschied zu den angelsächsischen Thrillerautoren, die bleiben da doch etwas stimmiger. Ein spannendes Buch, das sein Geld durchaus lohnt, denn 500 Seiten gute Spannung sind ja schon etwas, aber kein Buch, das man nie mehr vergisst.

_Holger Hennig_
|Diese Rezension wurde mit freundlicher Genehmigung unseres Partnermagazins [X-Zine]http://www.x-zine.de/ veröffentlicht.|

[Verlagsseite zum Buch]http://www.droemer-knaur.de/sixcms/detail.php?id=20578

William L. DeAndrea – Schneeblind

deandrea-schneeblind-cover-kleinIn einem abgelegenen Berghaus wird ein heikler Deal besprochen. Der Gastgeber wird umgebracht, der Mörder/die Mörderin muss sich unter den Anwesenden befinden, weshalb der ebenfalls anwesende ‚Problemlöser‘ Matt Cobb provisorisch ermittelt … – Mit dem sechsten Roman der Cobb-Serie beweist Autor DeAndrea, dass sich der klassische Whodunit mit der Krimi-Gegenwart verknüpfen lässt. Das Ergebnis ist genrefest aber letztlich doch ein wenig kalkuliert und arm an Spannung.
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Philip MacDonald – Die Totenliste

Eine Liste mit zehn Namen: Engländer aus allen gesellschaftlichen Schichten vom Landarbeiter bis zum Adligen, Gemeinsamkeiten gibt es nicht. Warum also übergibt Adrian Messenger, der viel gelesene Romane über große Verbrechen schreibt, diese Liste seinem Kriegskameraden und Freund George Firth, Leiter des Criminal Investigation Department von Scotland Yard, und bittet ihn eindringlich, Nachforschungen über den Verbleib der Männer anstellen zu lassen? Einer Gräueltat sei er auf der Spur, mehr lässt sich Messenger nicht entlocken. Nun wird er auf ewig schweigen: Den Absturz des Flugzeugs, das ihn zu weiteren Recherchen in die USA bringen soll, überlebt er nur kurze Zeit. Mit ihm im Wasser des Atlantik treibt der einzige Überlebende: Raoul St. Denis ist ein Journalist, der Messengers letzte, im Delirium gestammelten Worte überliefert.

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Max Allan Collins – CSI Miami: In der Hitze der Nacht

In Miami tötet ein Unbekannter planmäßig prominente Gangleader und löst damit einen Bandenkrieg aus, den er durch weitere Morde immer wieder anheizt. Horatio Caine und die Spezialisten vom CSI-Team bemühen sich verzweifelt, die wenigen Indizien zu einer Spur zum Täter zusammenzusetzen. Erste Hinweise deuten auf einen Verräter in hohen Polizeikreisen, was die Arbeit zusätzlich gefährlich werden lässt … – Krimi nach der erfolgreichen TV-Serie „CSI Miami“: kein drittklassiger Drehbuch-Verschnitt, sondern ein eigenständiger ‚Fall‘, verfasst von einem Genreprofi, der den Ton des Originals trifft und seine Leser zu unterhalten vermag. Max Allan Collins – CSI Miami: In der Hitze der Nacht weiterlesen

Martin, Julia Wallis – Tanz mit dem ungebetenen Gast

Lyndle Hall im Naturschutzpark Northumberland an der Grenze zu Schottland ist ein Ort, an dem es quasi spuken |muss|: Einsam mitten im düsteren, feuchten Moor gelegen und dort schon im Mittelalter erbaut, ist der gewaltige Bau – mehr Trutzburg als Gutshof – heute zu einer halb verfallenen, eigentlich unbewohnbaren Ruine heruntergekommen. Doch die letzten Nachfahren der einst mächtigen und reichen Familie Herrol harren stur in dem alten Gemäuer aus: Claudia, die herrische Dame des Hauses, und ihr Gatte Francis, der gleichzeitig ihr Cousin ist. Der zweifelhaften Verbindung entsprang Sohn Nicholas, der schon seit frühester Kindheit zwischen Lyndle Hall und der Nervenklinik Broughton pendelt.

Zu allem Überfluss beginnen nun auch böse Geister aus dem Jenseits den jungen Mann zu piesacken: Aus dem Nichts erscheinen üble Bissmale auf seinem Körper. Da die Attacken immer heftiger werden, wendet sich die ratlose Mutter an das „British Institute for Paranormal Research“ in Edinburgh. Dort versucht man seit Jahren eher schlecht als recht dem Übernatürlichen auf die Spur zu kommen und reagiert sehr interessiert auf Claudias Bitte, ihr einen Spezialisten zu schicken. Aus trauriger Erfahrung klug und misstrauisch geworden, schickt das Institut Dr. Audrah Sidows, die spezialisiert darauf ist, scheinbare parapsychologische Phänomene und Schwindler zu entlarven. Weil sie in den vielen Jahren ihrer Tätigkeit nie einen echten Spuk entdecken konnte, hat sie nun ihre Kündigung eingereicht: Lyndle Hall wird ihr letzter Hausbesuch sein.

In Lyndle beginnen sich zur selben Zeit sehr irdische Mächte zu formieren. Die Polizei, verkörpert durch Detective Inspector Tate, bemüht sich, die junge Studentin Ginny Mulholland zu finden. Sie war einer Einladung Nicholas Herrols gefolgt, sich als Haushaltshilfe in Lyndle Hall zu verdingen. Seitdem ist sie verschollen – ebenso wie Francis, der Hausherr, mit dem sie nach Auskunft Claudias durchgebrannt ist. Tate mag dem nicht recht Glauben schenken und vermutet eher eine Bluttat des inzwischen völlig irre gewordenen Nicholas‘.

Ginny Mulhollands Verschwinden hat die Aufmerksamkeit der Medien erregt – und den mysteriösen John Cranmer nach Lyndle gelockt. Dieser hat sich einen Namen als Medium gemacht und rühmt sich seiner Kontakte zum Jenseits. Zu gern würde er mit der Polizei zusammenarbeiten und erregt durch seinen Eifer Tates Misstrauen. Aber Cranmer ist gerissen, und niemand weiß dies besser als Audrah Sidows, die ihm schon lange auf die Schliche kommen möchte. Denn er kennt Audrahs gut gehütetes Geheimnis: Vor acht Jahren verschwand ihr Gatte Lars während eines Waldspaziergangs, während er praktisch neben ihr lief – er wurde nie gefunden, und seitdem hofft Audrah insgeheim auf Hilfe aus dem Geisterreich. Cranmer reizt und quält sie mit Andeutungen, die vorgeblich auf seine Sehergabe zurückgehen und gerade so viel Wahrheit enthalten, dass ihm wissenschaftlich oder juristisch nicht beizukommen ist.

Die Situation verwirrt sich weiter, als unweit von Lyndle Hall die junge Rachel Harvey aufgegriffen wird. Sie hat von einer Tante ein Cottage geerbt und dort nun einen Geist gesehen, wie sie behauptet. Solche Neuigkeiten sind Wasser auf die Mühlen von Marion Thomas, die vor zwei Jahren ihre Tochter bei einem tragischen Unglück verloren hat. Die Mutter vermutet allerdings einen vertuschten Mord und terrorisiert die Behörden und die Presse mit ihrem zur fixen Idee geronnenen Verdacht. Da sich der berühmte Cranmer in Lyndle aufhält, beschließt Marion, ihn dort aufzusuchen und um Hilfe zu bitten.

In Lyndle Hall sind die Dinge inzwischen dramatisch in Bewegung geraten. Der emsige Tate hat sich einen Durchsuchungsbefehl beschafft und findet tatsächlich die Leiche einer unter bizarren Umständen umgekommenen jungen Frau – sie muss allerdings schon viele, viele Jahre dort gelegen haben. Der nächste Leichenfund folgt kurze Zeit später, doch auch dieses Opfer ist keineswegs die viel gesuchte Ginny. Das wahre Geheimnis von Lyndle Hall ist höchst komplex; die Beteiligten werden noch manche unschöne Überraschung erleben, bis es endlich gelüftet ist …

Dass die wahren Ausgeburten der Hölle auf dieser Welt in der Regel dem menschlichen Geist entspringen, ist heute eine allseits bekannte und auch akzeptierte Tatsache. Allerdings gibt es da eine Nische oder besser gesagt ein Reservat, in dem einige Fabeltiere aus der Frühzeit der Vernunft bis ins 3. Jahrtausend überleben konnten: das Jenseits oder das Reich der Geister, wo sich die Seelen der Verstorbenen mit Dämonen aller Art und Bosheit ein Stelldichein geben. Wenn sie sich dort langweilen, kommen sie gern auf einen Sprung in diese Welt und geben sich mal kryptisch, mal finster. Auf jeden Fall sind sie schwer zu verstehen und noch schwieriger zu fassen, was praktisch für eine bestimmte Sorte Mensch ist, die sich als Mittler zwischen den Sphären versteht, um auf diese Weise Ruhm oder Geld zu erlangen oder wenigstens die eigene Mittelmäßigkeit zu überwinden.

Alle hier skizzierten Typen treffen wir in „Tanz mit dem ungebetenen Gast“ wieder. Geradezu didaktisch stellt sie uns Julia Wallis Martin vor. Dies geschieht in der ersten Hälfte ihres neuen, im Original wie in der Übersetzung anscheinend gleichzeitig erscheinenden Werkes mit dem dieser Autorin eigenen Geschick, eine spannende Handlung nicht nur erfinden, sondern zügig und einfallsreich und mit vielen unerwarteten Hakenschlägen einem furiosen Höhepunkt zuzutreiben. Das Ganze spielt in einer liebevoll gestalteten Kulisse, die ohne Angst vor dem Klischee (und wohl auch ein wenig ironisch) mit allen Requisiten ausgestattet wurde, die uns die klassische Gespenstergeschichte lieb und teuer werden lässt.

Der Abstecher ins Phantastische überrascht dabei nur im ersten Augenblick. Wie immer bei Martin steht im Mittelpunkt der Mensch, der keine Geister braucht, um sich und den Seinen das Leben schwer zu machen. Deshalb folgt in der zweiten Hälfte die „logische“ Auflösung aller seltsamen Ereignisse, die sich beim „Tanz“ zugetragen haben. Dies sei an dieser Stelle verraten, ohne dass dadurch dem Leser die Spannung genommen werde; eine echte Überraschung ist es ohnehin nicht, da Wallis selbst diese Katze frühzeitig aus dem Sack lässt.

Überhaupt sind zur zweiten Hälfte von „Tanz mit dem ungebetenen Gast“ einige kritische Anmerkungen zu machen. Martin verfängt sich dort sichtlich im Geflecht ihrer Handlung, das sie selbst so kunstvoll gewoben hat. Vielleicht hätte sie besser nicht das gesamte Handbuch des Okkulten und einen Crashkurs in Küchen-Psychologie zu einem einzigen, dazu nicht sehr umfangreichen Roman verarbeitet. Die Erklärungen für das scheinbar Übernatürliche sind jede für sich überzeugend. In ihrer Gesamtheit und vor allem im Zusammenspiel stellen sie die Geduld des Lesers indes auf manche Probe. Und während ihn die Thriller-Maschine zunächst gut geölt und wie auf Schienen dem Höhepunkt entgegenträgt, schaut er im Finale unter die weit geöffnete Motorhaube: Nun wird allzu offensichtlich, wie die Geschichte konstruiert ist, und das mindert den Spaß an der Reise.

Viel macht Martin im Detail wieder wett. Unter die Haut geht auf jeden Fall die Figur der Marion Thomas, die über den Tod ihrer Tochter gemüts- oder gar geisteskrank geworden ist, an ein simples Unglück als Erklärung weder glauben kann noch will und stattdessen Gott und die Welt verfolgt und bedrängt auf der Suche nach einem Schuldigen, den es nicht gibt – ein Kabinettstück echten psychologischen Thrills, auch wenn diese Marion Thomas mit der eigentlichen Geschichte streng genommen gar nichts zu tun hat. Sie existiert allein zu dem Zweck, die Figur des Mediums Cranmer stärker zu konturieren. Dabei kann dieser auch ohne rasendes Muttertier sehr gut bestehen. Ist er ein geltungssüchtiger Lügner, oder hat er doch einen Draht nach drüben? Auch als im Finale erklärt und erläutert wird, bis des Lesers Kopf raucht und die Geister in hellen Scharen zurück in die Twilight Zone fliehen, bleibt ein Rest Ungewissheit: ein kluger Schachzug der Autorin. Solche Offenheit hätte man sich öfter gewünscht; nicht weil Martin die Geistergläubigen dieser Welt so unbarmherzig zaust – denen kann eine Dosis gesunder Realitätssinn (oder ein tüchtiger Tritt in den Hintern) eigentlich niemals schaden -, sondern um der Geschichte willen.

So muss Julia Wallis Martin letztlich vor demselben Problem kapitulieren, das seit jeher auch Autoren größeren Kalibers zu schaffen macht: Das Grauen im Angesicht des Übernatürlichen ist schwierig heraufzubeschwören und ein flüchtiges Gut. Erklärungen lassen es dahinschmelzen wie Butter unter der Sonne. Doch der Leser einer fiktiven Geschichte wie der vom „Tanz mit dem ungebetenen Gast“ will nicht belehrt, sondern unterhalten werden. Daher ist er bereit zu billigen, was er in der Realität verlacht. Werden seine Illusionen gar zu unbarmherzig zerstört, stellt sich kein zufriedener „Aha!“-Effekt, sondern Enttäuschung ein – und genau das geschieht hier und fügt dem Roman unnötigen Schaden zu.

Jungstedt, Mari – Den du nicht siehst

_Sommer in Gotland_

Helena Hillerström und ihr Lebensgefährte Per Bergdal machen Kurzurlaub in ihrem Ferienhaus auf Gotland und feiern mit Freunden eine kleine Party, zu der auch Helenas guter Freund Kristian Nordström eingeladen ist. Als sie ausgelassen mit Kristian zu tanzen beginnt, entreißt Per seine Freundin aus Kristians Armen und zerrt sie auf die Veranda. Dort schlägt er sie und beendet damit die zunächst so heitere Party. Als Helena am nächsten Morgen vor Per erwacht, geht sie mit ihrem Labradorhund Spencer am Strand spazieren. Im Nebel sieht sie nicht, wie sich ihr Mörder langsam nähert … Kurz darauf findet ein Spaziergänger ihre Leiche im Wald.

Nun beginnen für Anders Knutas und seine Kollegen von der Gotländer Polizei die Ermittlungsarbeiten. Zunächst wird Per Bergdal als Tatverdächtiger festgenommen, auch wenn Knutas an dessen Unschuld glaubt. Doch als die zweite Frauenleiche entdeckt wird, während Bergdal in Untersuchungshaft sitzt, muss von einem Serientäter ausgegangen werden, der sich noch in Freiheit aufhält.

Der Journalist Johann Berg ist zusammen mit seinem Kameramann Peter Bylund nach Gotland gereist, um vor Ort über die Morde zu berichten. Dabei lernt er Emma Winarve kennen, eine gute Freundin Helenas, die noch unter dem Verlust ihrer Freundin leidet. Während Johann sich Hals über Kopf in Emma verliebt, beginnt es in deren Ehe zu kriseln.

Als die dritte Frau brutal ermordet wird, gerät Knutas immer mehr unter Druck, die Touristensaison auf der malerischen Ferieninsel steht bevor, doch wächst die Angst unter der Bevölkerung, sodass die Urlauber auszubleiben drohen …

_Eine Schnitzeljagd_

Mit „Den du nicht siehst“ hat Mari Jungstedt einen spannenden und temporeichen Debütroman vorgelegt, der auf vielversprechende Fortsetzungen hoffen lässt. Ähnlich wie ihr schwedischer Kriminalautorkollege Henning Mankell verschwendet auch Jungstedt anfangs keine Zeit, kurz stellt sie das erste Opfer vor, um dann auch sogleich den Mörder zuschlagen zu lassen. So gibt es im gesamten Buch keine einzige Durststrecke, stetig baut Jungstedt mehr Spannung auf, indem sie ihren Lesern nach und nach immer mehr Details über den Mörder präsentiert, die zum Miträtseln animieren und dem Leser tatsächlich schon früh die nötigen Informationen zuspielen, um den Mörder etwa auf der Hälfte des Buches zu entlarven. An dieser Stelle merkt man dann auch, dass die Autorin ihre Schnitzeljagd noch nicht so ausgefeilt inszeniert wie erfahrene Kriminalautoren, die ihre Leser gekonnt an der Nase herumführen können.

In diesem Roman sind es also nicht die ganz subtilen Hinweise, die den Täter erahnen lassen, sondern konkrete Informationen, die schnell in die richtige Richtung weisen. Auch streut Jungstedt zwischendurch kursiv gedruckte Abschnitte ein, die uns in die Gedanken des Serienmörders hineinversetzen und seine Motive und Teile seiner Vergangenheit erkennen lassen. Während Anders Knutas und seine Kollegen also lange im Unklaren gelassen werden über die Verbindungen zwischen den Opfern, ahnt der Leser bereits den Zusammenhang und ist dem Ermittlungsstand der Polizei dadurch meist weit voraus. Knutas tappt lange Zeit im Dunkeln, da die Polizei nur wenige Spuren finden kann und dem Tatmotiv und Mörder kaum auf die Schliche kommt. An mancher Stelle hätte ich mir diese Schnitzeljagd etwas raffinierter gewünscht, denn den ermittelnden Beamten werden zu wenige Beweisstücke geliefert, um wirklich intensiv nach dem Mörder fahnden zu können.

Den Spannungsbogen lässt die Autorin geschickt ansteigen, denn nach dem ersten Mord werden zunächst einige interessant erscheinende Personen vorgestellt und ein paar falsche Fährten ausgelegt, bevor es dann auch bald zum zweiten Mord kommt. Mari Jungstedt verschwendet wirklich keine Zeit, schreibt nur kurze Kapitel und lässt genau im richtigen Moment den nächsten Mord geschehen, um ihre Leser so sehr an das Buch zu fesseln, dass einem beim Lesen die Finger kribbeln und das Herz zu rasen beginnt. Die Autorin lässt eine dermaßen spannungsgeladene und düstere Stimmung aufkommen, dass man gebannt ist von der Erzählung und das drohende Unglück spüren kann.

_Aufkeimende Liebe_

Umrahmt wird die spannende Kriminalgeschichte von dem Kennenlernen zwischen Emma Winarve und Johann Berg, die sich im Laufe der Ermittlungen und von Johanns Nachforschungen für seine Fernsehberichte begegnen und sogleich ihre gegenseitige Anziehung spüren. Doch Emma ist verheiratet und Mutter von zwei kleinen Kindern, sodass ihr schlechtes Gewissen sie zunächst von Johann fernhält und an ihrer Ehe festhalten lässt. Aber gerade die schrecklichen Ereignisse sind es, bei denen ihr fürsorglicher Ehemann Olle ihr nicht genügend Rückhalt geben kann, sodass Emma sich in Johanns Arme flüchtet. Mari Jungstedt nimmt sich viel Zeit, um diese beiden Personen, ihre Gedanken und Gefühle vorzustellen.

Auf der einen Seite haben wir den ehrgeizigen Journalisten Johann Berg, der sich seinen geheimen Informanten zunutze macht, um als Erster brisante Details veröffentlichen zu können, die die Polizei aus ermittlungstechnischen Gründen gerne zurückhalten würde. Johann handelt hier teilweise sehr rücksichtslos und ist nur auf seine eigene Karriere bedacht, die er egoistisch vorantreiben will. Erst als er Emma kennen lernt und sich in sie verliebt, zeigt er seine menschlichen Charakterzüge. Auf der anderen Seite haben wir die einst so glückliche Emma Winarve, der nach dem Mord an ihrer besten Freundin zum ersten Mal bewusst zu werden scheint, dass ihre Ehe ihre besten Tage offensichtlich schon gesehen hat. Erst die tragischen Ereignisse und die Begegnung mit Johann rütteln sie auf und lassen sie nachdenklich werden; Jungstedt beschreibt gekonnt Emmas zwiespältige Gefühle und lässt bis zum Schluss offen, für welchen Mann Emma sich entscheiden wird.

Gegen Johanns und Emmas detailreiche Vorstellungen rückt Anders Knutas fast schon in den Hintergrund, obwohl er die Ermittlungen leitet und somit eine zentrale Stellung einnimmt. Doch auch Knutas erhält seinen Raum in dieser Erzählung, er wird uns sehr realistisch präsentiert, mit einem ausgefüllten Privatleben, einer verständnisvollen Ehefrau und mit aufkeimenden Zweifeln und einer Verzweiflung angesichts der schrecklichen Geschehnisse auf der idyllischen Ferieninsel. Knutas ist ein Hauptkommissar, der trotz seiner Arbeit immer Mensch geblieben ist. In seiner Darstellung gefällt Knutas gut, sodass ich gern mehr über ihn lesen möchte.

In ihren Ausführungen offenbart Mari Jungstedt ein Talent für Personenbeschreibungen und die realistische Wiedergabe menschlicher Gefühle. Besonders eindrucksvoll gelingen ihr die Schilderungen von Emmas Trauer, die sich in vielen Passagen wiederfindet, beispielsweise in dieser: |“Im Moment musste sie alle Kraft aufwenden, um durchzuhalten. Um nicht zusammenzubrechen. Sie musste sich um die Kinder kümmern. Um Sara und Filip. […] Aber wie sollte Emma das alles schaffen? Natürlich würde der Schock irgendwann abklingen. Würde die Trauer weniger greifbar sein, aber sie vermisste Helena so sehr, dass es wehtat. Und damit würde sie nicht so schnell fertig werden. Und wie sollte sie verarbeiten, was hier passiert war? Dass ihre allerbeste Freundin auf eine Weise ermordet worden war, die sonst nur in Filmen vorkam?“| In diesen Momenten kann der Leser Emmas Trauer und Verzweiflung praktisch selbst mitfühlen, man möchte Emma in den Arm nehmen und trösten, so sehr lässt Jungstedt uns trotz der an sich so schnörkellosen Sprache Anteil haben an den Gefühlen ihrer Protagonisten.

_Ein beachtliches Debüt_

„Den du nicht siehst“ ist ein temporeicher Kriminalroman, der seine Leser gekonnt fesseln kann, sodass man nicht umhin kommt, das Buch so schnell wie nur irgend möglich durchzulesen. Mit fast zittrigen Händen hält man den Roman, während es einem kalt den Rücken herunterläuft, weil man das drohende Unglück fast schon körperlich spürt. Mari Jungstedt weiß ihre Leser mitzureißen und zu unterhalten, sie baut eine bedrohliche Atmosphäre auf und entwickelt glaubwürdige Charaktere, mit denen man fühlt und über die man mehr lesen möchte. Die Schnitzeljagd ist nicht ganz so ausgefeilt, wie man sich das gewünscht hätte; leider schafft Jungstedt es nicht, den passionierten Krimileser an der Nase herumzuführen, denn mit seinem ersten Tipp kann man den Mörder korrekt entlarven. Dennoch bleibt „Den du nicht siehst“ ein beachtlicher Erstlingsroman, der auf mehr hoffen lässt.

John MacLachlan Gray – Der menschliche Dämon

Inhalt

London ist 1852 ein Schmelztiegel unzähliger Menschen, die meist mehr schlecht als recht ihr Leben fristen. Unter ihnen: Edmund Whitty, Sonderberichterstatter des „Falcon“, ein überarbeiteter, unterbezahlter, verschuldeter Zeilenschinder, der Tragödien, spektakuläre Unfälle und Verbrechen publizistisch ausschlachtet. Die ständige Jagd nach der nächsten Sensation hat ihn zermürbt, den Katzenjammer betäubt er mit Alkohol und Drogen, Schuldeneintreiber jagen ihn.

Lange hat der Frauenmörder „Chokee Bill“ die finsteren Gassen der Slums unsicher gemacht. Jetzt wartet er in der Todeszelle auf den Henker. Allerdings leugnet er, ein Serienmörder zu sein. Whitty besucht Bill – eigentlich William Ryan –, hört seine Geschichte und wird nachdenklich. Zwar glaubt er dem Mann nicht unbedingt, aber er braucht dringend eine neue Story. John MacLachlan Gray – Der menschliche Dämon weiterlesen