Archiv der Kategorie: Zeitgeschichte & Gesellschaft

Christian C. Walther – Der zensierte Tag

Pünktlich zum dritten Jahrestag des Anschlags auf die Twin-Towers des WTC veröffentlicht der |Heyne|-Verlag das Buch „Der zensierte Tag“ von Christian C. Walther. Der Titel lässt es bereits vermuten, dass dieser von der offiziellen Darstellungsweise augenscheinlich nicht viel hält. Kritische Betrachtungsweisen zum 11. September 2001 gibt es mittlerweile zuhauf. Die meisten davon werden als Spinnerei von unter Paranoia leidenden Verschwörungstheoretikern geschmäht. Gelesen und diskutiert werden sie dennoch gern – wenn auch manchmal hinter vorgehaltener Hand. Fest steht: Die Vorgänge des denkwürdigen Tages sind noch nicht hinreichend erklärt, zu viele Lücken und Fragen tun sich weiterhin auf, daher ist der Untertitel „Wie man Menschen, Medien und Maschinen manipuliert“ recht passend gewählt.

Corpus Delicti

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Godman, Peter – Vatikan und Hitler, Der – Die geheimen Archive

Zu den unrühmlichsten Kapiteln der katholischen Kirchengeschichte gehört das Schweigen des Papstes Pius XII. zur Judenverfolgung im so genannten Dritten Reich. Zwar gibt es auch Stimmen in der Forschung, die Pius zugute halten, dass er durch geheime Hilfsaktionen das Leben Tausender Juden gerettet habe. Doch die Frage bleibt: Warum hat der mächtigste Mann der katholischen Kirche nichts gegen den Rassenwahn der Nationalsozialisten unternommen? Der neuseeländische Historiker Peter Godman geht in seinem Anfang 2004 bei |Droemer| erschienenen Buch „Der Vatikan und Hitler“ dieser Frage nach.

Wie Hitler, der ja selbst katholisch getauft war, zur Kirche stand, war kein Geheimnis. Auch seine Vorhaben zur „Selektion der Rassen“ waren hinlänglich bekannt. Darüber hinaus gab es auch Warnungen von engagierten Katholiken, besonders deutlich die der Karmeliternonne Edith Stein, die später in Auschwitz umkam. Sie schrieb 1933 in einem Brief an den Vorgänger von Papst Pius XII., Pius XI.: „Ist nicht diese Vergötzung der Rasse und der Staatsgewalt, die täglich durch Rundfunk den Massen eingehämmert wird, eine offene Häresie? Ist nicht der Vernichtungskampf gegen das jüdische Blut eine Schmähung der allerheiligsten Menschheit unseres Erlösers …?“ Doch im Vatikan arbeiteten an den maßgeblichen Stellen kaum Männer, die der Nonne Gehör schenkten. Dies wird deutlich durch Godmans Skizzierung der theologisch-politischen Charaktere in der engsten Umgebung des Papstes. Ein latenter Antisemitismus bei den Vertretern der Kurie tat ein Übriges.

Bevor Eugenio Pacelli 1939 Papst Pius XII. wurde, war er Staatssekretär von Papst Pius XI., in dessen Regierungszeit das Reichskonkordat fiel. Dieses sollte die katholische Kirche in Deutschland vor dem Totalitätsanspruch des nationalsozialistischen Regimes bewahren. In seinen letzten Lebensmonaten verfasste Papst Pius XI. die Enzyklika „Mit brennender Sorge“, die bisher als klare Verurteilung des Nationalsozialismus durch Pius XI. galt, des Papstes, der früher gegen die Nationalsozialisten recht milde verfuhr. Peter Godman zeigt, dass diese Enzyklika schon vom Papst sehr behutsam formuliert war – von „Häresie“ oder „Ketzerei“ etwa ist überhaupt nicht die Rede – , doch sie wurde von seinen Beratern noch weiter abgeschwächt.

Pacelli, von Haus aus Jurist, hatte das Reichskonkordat ausgearbeitet und war auch sonst ideell seinem Vorgänger eng verbunden. Godman legt dar, dass Papst Pius XI. die wahren Feinde der katholischen Christenheit ganz woanders sah als nun gerade im nationalsozialistischen Deutschland. Da war zunächst der Bolschewismus in der Sowjetunion, gegen den das totalitäre Regime in Deutschland ein Bollwerk zu sein versprach. Dann gab es auch noch die Protestanten, die er als „zersetzende Kraft“ bezeichnete, daneben noch Freimaurer, Liberale und Sozialisten, die die klerikale Ordnung unterwanderten. Pacelli sollte als Pius XII. im Jahr 1949 für die Mitgliedschaft in einer kommunistischen Partei die Exkommunikation androhen.

Wie wenig der deutsche Nationalsozialismus und sein Rassenwahn für die römische Kurie in den dreißiger Jahren zum Thema wurde, zeigt Godman am Beispiel des ehemaligen Kardinalstaatssekretärs Rafael Merry Del Val, der 1930 – wenige Monate vor seinem Tod – gegen „eine der abscheulichsten und bösartigsten Verirrungen unserer Zeit“ zu wüten begann. Gemeint waren weder Nationalsozialismus, Faschismus, noch Kommunismus, sondern – das Nacktbaden. Nach Merry Del Vals Tod wurde dessen „Vermächtnis“ eifrigst erfüllt. „Heiliges Offizium und Staatssekretariat begannen nun, mit einer Effizienz zusammenzuarbeiten, die ohne jeden Zweifel beweist, dass Kooperation durchaus möglich war“, schreibt Godman. Selbst in Berichten aus Deutschland, die Cesare Orsenigo, päpstlicher Nuntius in Berlin, an Rom sandte, wurde kein Thema häufiger behandelt als eben der Nudismus.

Godman zeigt die persönlichen, politischen und ideologischen Verflechtungen der Angehörigen der römischen Kurie und vor allem der beiden während des Faschismus und Nationalsozialismus herrschenden Päpste. Seine Recherchen belegen, dass es für Pius XI. und Pius XII. wenig Entschuldigungen für ihr Handeln gibt. Dennoch kommt Godman in seiner gut lesbaren und detailfreudigen Studie weitgehend ohne Häme aus. Ergänzt wird das Buch durch einen ausführlichen Anhang in Deutsch und Latein mit Auszügen aus vatikanischen Schriften jener Zeit. Godmans Werk ist ein für politisch und kirchengeschichtlich Interessierte unbedingt lesenswertes Buch.

_Doris Marszk_

Cornwell, John – Forschen für den Führer. Deutsche Naturwissenschaftler und der Zweite Weltkrieg

Eine unendliche (und traurige) Geschichte, erzählt in sieben lehrreichen Kapiteln: Wie konnte es geschehen, dass sich ausgerechnet Naturforscher, die für sich selbst in Anspruch nehmen, nur den reinen Fakten verpflichtet zu sein, bis auf wenige Ausnahmen so bereitwillig in den Dienst der Nazis und ihrer absurden, Menschen verachtenden, auf Pseudo-Wissenschaft basierenden Ideologie stellten?

Unter dem Kapiteltitel „Das wissenschaftliche Erbe der Weimarer Republik“ zeichnet Cornwell die Vorgeschichte der „Führer“-Forschung nach. Vor dem I. Weltkrieg war Deutschland ein Mekka der Naturwissenschaften, dessen Vertreter jeden zweiten Nobelpreis gewannen. Schon jetzt gab es hässliche Züge in der insgesamt erfolgreichen Forschergemeinde, war beispielsweise der Antisemitismus eine existente Größe. Doch im Vordergrund stand die Arbeit im Labor und am Zeichenbrett, echte Spinner und Fanatiker wurden erkannt und fachlich ausgehebelt.

Im Kapitel „Die neue Physik (1918-1933)“ greift Cornwell einen naturwissenschaftlichen Teilbereich heraus, um exemplarisch darzulegen, wie der „nationalsozialistischen“ Forschung das Fundament bereitet wurde. Der I. Weltkrieg und seine von der ersten deutschen Republik nie in den Griff bekommenen Folgen – Staatsbankrott, Inflation, politische und wirtschaftliche Dauerkrise, Massenarbeitslosigkeit – verschonte auch die akademische Elite nicht, schürte Konkurrenzneid, Zukunftsangst, Ellenbogeneinsatz. Die Sehnsucht nach der „guten, alten Zeit“ mit ihren klar gegliederten Autoritäts- und Kompetenzebenen ging gefährlich nahtlos in die Bereitschaft über, einen „Führer“ zu unterstützen, der hier Abhilfe versprach.

Damit waren „Nazi-Fanatismus, Willfährigkeit und Unterdrückung (1933-1939)“ freilich Tür und Tor geöffnet. Wissenschaftler sind keine Politiker und in dieser Beziehung tatsächlich oft weltfremd, deutsche Wissenschaftler um 1933 dazu autoritätsgläubig oder gar -hörig. Hinzu kamen die bei der Vergabe begehrter Stellen zu kurz gekommenen oder fachlich unfähigen Vertreter ihres Standes, die unter den Nazis Morgenluft witterten und sich bedingungslos in ein System integrierten, das ihnen den ersehnten Aufstieg ermöglichte. Unerfreuliche Begleiterscheinungen wie den erzwungenen Exodus jüdischer Kollegen blendete man deshalb aus oder begrüßte ihn sogar. Ebenso reagierte man auf den Aufstieg obskurer Nazi-Pseudo-Wissenschaften, die der echten Forschung schadeten und ihrem Ruf ernsten Schaden zufügten.

Nun brach sich „Die Wissenschaft der Vernichtung und Verteidigung (1939-1943)“ Bahn. Nach 1933 wurde allmählich deutlich, dass Hitler zielstrebig für einen neuen Krieg plante und die Wissenschaft als ein Instrument von vielen betrachtete, die ihm die dafür notwendigen militärischen Mittel entwickeln sollten. Die erzwungene Verklammerung von Ideologie und Forschung sorgte dafür, dass dies in Deutschland nur bedingt gelang.

Im Ausland klappte die Zusammenarbeit dagegen besser. „Die nationalsozialistische Atombombe (1941-1945)“ drohte und führte zur Entwicklung eines Gegen-Projekts, an dem sich – Treppenwitz der Geschichte – viele der von Hitler aus dem Land gejagten Physiker beteiligten. Cornwell schildert die eigentlich unlösbare moralische Zwickmühle, in der sich die Beteiligten sahen, als sie die gefährlichste Waffe aller Zeiten schufen, um einem skrupellosen Gegner zuvorzukommen.

Dieser gab unter dem Druck der feindlichen Übermacht in der zweiten Hälfte des Krieges jegliche Rücksicht und moralische Integrität auf. „Wissenschaft in der Hölle (1942-1945)“ zeigt deutsche Naturwissenschaftler als Kriminelle, die Sklavenarbeiter beim Bau wahnwitziger „Wunderwaffen“ einsetzten, grausame medizinische Menschenversuche durchführten und Methoden ersannen, die „Feinde“ des Regimes in Millionenzahl umzubringen.

1945 war dann der Tag der Abrechnung gekommen – scheinbar, denn tatsächlich gediehen nicht nur die Trittbrettfahrer, sondern auch die echten Verbrecher unter den deutschen Forschern „In Hitlers Schatten“ prächtig. Sie wurden gebraucht, um dem neuen Feind – den „Weltsozialismus“ – zu bekämpfen, waren auch sonst eine wertvolle Ressource und mussten daher bei Laune gehalten werden, um sie zur Mitarbeit zu bewegen.

So gibt es zum „Forschen für den Führer“ nicht nur eine Vorgeschichte, sondern auch eine ziemlich ungebrochene Fortsetzung: „Vom Kalten Krieg bis zum Krieg gegen den Terror“ zeigt die Naturwissenschaft auch nach 1945 permanent auf dem Kriegspfad. Die Erfahrungen der Nazi-Ära sowie die Neubeschäftigung vieler ihrer Repräsentanten mag dies mehr gefördert haben als es bisher klar war oder diskutiert werden wollte. Von Vergangenheitsbewältigung kaum eine Spur, so Cornwells Resümee, stattdessen wurde und wird verdrängt und nach altem Muster weitergemacht – mit den zu erwartenden Folgen für die Zukunft.

Adolf Hitler und seine Paladine waren an der Wissenschaft als Instrument für ihre wahnwitzigen Welteroberungspläne interessiert, aber zu dumm, ihre Möglichkeiten und Beschränkungen zu begreifen. Auf diesen kurzen Nenner lässt sich eine grundsätzliche These dieses faszinierenden Sachbuchs bringen. Tatsächlich klafft eine Lücke zwischen dem Selbstverständnis der Nazis als Repräsentanten des modernen Technik-Staates und der traurigen Realität, dass sie die wahren Genies des Landes längst in die Flucht geschlagen, aus ihren Stellen gedrängt oder gar eingesperrt und umgebracht hatten. Übrig blieben die mehr oder weniger fanatischen Mitläufer und Opportunisten, die um ihrer (oft obskuren) Forschungen und ihrer Karrieren willen bereit waren, die Prinzipien der Menschlichkeit aufzugeben.

Was den Verfasser zur einer echten Binsenweisheit bringt: Wissenschaftler sind auch nur Menschen. Intelligenz ist nicht identisch mit Weitsicht oder charakterlichen Qualitäten. So sollte es eigentlich sein, so war es manchmal. Vor allem ist sich in der Krise freilich jede/r selbst der/die Nächste.

Das Regime der Nazis bündelte unheilvoll diverse unschöne bis kriminelle Strömungen in Deutschland, die für sich allein genommen nur eine eingeschränkte Gefahr darstellten. Die Elemente, aus denen sich die Nazi-Wissenschaft zusammensetzte, waren schon lange da, wie uns John Cornwell überzeugend belegt. Sie wären ohne Hitler weiterhin präsent geblieben, aber sehr wahrscheinlich dort, wo sie hingehören: im politisch-gesellschaftlichen Abseits.

So aber wurde Nazi-Deutschland zum Schauplatz eines grausamen Planspiels: Was geschieht, wenn sowohl das Gesetz als auch die Moral außer Kraft gesetzt werden? Nicht nur die Forschung war davon betroffen. Sie fügt sich nur besser ins Gesamtbild, als dies womöglich bisher erkannt wurde.

John Cornwell legt seine Darstellung als Sachbuch mit Romanqualitäten an. Dies fördert zweifellos die Lesbarkeit, was angesichts des zunächst abschreckend wirkenden, weil „trockenen“ Themas wohl auch ratsam ist. Schon nach kurzer Lektüre bestätigt sich einmal mehr die alte Weisheit, dass es im Grunde kaum langweilige Geschichte/n gibt: Sie müssen nur interessant erzählt werden!

Das gelingt Cornwell, indem er die referierenden Passagen immer wieder mit biografischen Fallbeispielen durchsetzt und zusätzlich durch Anekdotisches auflockert. Das manchmal schwer verständliche Geschehen gewinnt auf diese Weise „Gesichter“. Dem Puristen mag dieses Vorgehen zu populistisch sein, aber es erfüllt seinen Zweck.

Ein informatives und gleichzeitig spannendes Sachbuch also. Der positive Eindruck wird allerdings durch die Tatsache verdunkelt, dass der Verfasser praktisch ausschließlich auf Sekundärliteratur zurückgreift und Quellen „aus zweiter Hand“ zitiert – eine aus der Sicht des Historikers zweifelhafte Methode, das „Forschen für den Führer“ eher als Zusammenfassung des Forschungsstandes denn als eigenständige Forschungsarbeit klassifiziert.

Tatsächlich ist John Cornwell als Historiker kein „Grundlagenforscher“, sondern in erster Linie Journalist mit dem Fachgebiet Wissenschaftsgeschichte. Als solcher darf er sich in der Tat darauf beschränken, die Ergebnisse von Kolleginnen und Kollegen zu raffen bzw. ein konzentriertes Gesamtbild aus ihnen zu destillieren. Unter dieser Prämisse erfüllt das Buch seine Aufgabe, zu informieren und zu unterhalten, allerdings vorbildlich.

Ekkehard Sauermann – Neue Welt-Kriegs-Ordnung

Der Autor des Buches, auf das nachfolgend Bezug genommen wird, ist Professor an der Humboldt-Universität in Berlin und seine Arbeit ist die wohl erste wirkliche politische Analyse der neuen Weltlage nach den Attentaten auf das World Trade Center, das als Standard- und Nachschlagewerk bezeichnet werden kann.

Die neue Weltordnung beginnt nicht mit den Anschlägen, sondern lange zuvor. Erstes Zeichen ihrer Effektivität war allerdings der Jugoslawienkrieg, wo die völkerrechtswidrige Komplizenschaft anderer Staaten von den USA erfolgreich eingefordert wurde und auch das heute noch funktionierende personifizierte antiserbische Feindbild vom „Diktator Milosevic“ aufgebaut wurde. Mit dem Verfahren gegen ihn ging es der USA vor allem darum, nachträglich eine Legitimation für den völkerrechtswidrigen Krieg gegen Jugoslawien zu erhalten. Zum anderen wird eine Verurteilung von Milosevic und anderen jugoslawischen Repräsentanten als Kriegsverbrecher ein Zeichen für die Zukunft setzen: Den Repräsentanten aller Staaten, die sich den USA in irgendeiner Weise entgegenstellen, wird damit vor Augen geführt, auf wessen Seite in jedem dieser Fälle das Recht ist, wer im Rahmen der „Neuen Weltordnung“ über das Völkerrecht bestimmt und mit welchen Nachdruck dieses „Recht“ gefunden und vollstreckt wird. Dass Milosevic und seine Staatsorgane die ihm von der NATO und der Bundesregierung angehängten Verbrechen größtenteils gar nicht verübt haben, will bis heute niemand wirklich wissen.

Auch nach dem Inferno vom 11. September standen die Täter innerhalb von Minuten fest. Und obwohl die US-Regierung bis heute der Öffentlichkeit jeden Beweis für ihre Behauptung, Bin Laden sei es gewesen, schuldig geblieben ist, bestreitet die Friedensbewegung auch dieses Mal die Schuldzuweisung nicht, sondern ruft wieder nur nach anderen als militärischen Waffen zum gemeinsamen Kampf gegen den gemeinsamen Feind. Nachhilfeunterricht für die westlichen Bevölkerungen wäre dringend angeraten.

Nach dem Scheitern des Kommunismus sind natürlich die Ideologien des Islam die einzigen nennenswerten Kräfte, die sich der neuen Ordnung der globalisierten Welt – mit Amerika an der Spitze – entgegenstellen. Verschärft wird das Ganze von Ideen wie denen Huntingtons, der die Nachfolge von Oswald Spengler angetreten ist. Dieser war zwar kein Nationalsozialist, gehörte aber zu den geistigen Wegbereitern des Nationalsozialismus. In seinem „Untergang des Abendlandes“ ging er von acht Hochkulturen mit eigenen Zivilisationen aus, zwischen denen keine Verständigung oder Übergänge möglich seien. Deswegen sah er nur die Möglichkeit des Krieges als ewige Form höheren menschlichen Daseins und Deutschland wurde damals die Rolle zugewiesen, die letzte Entscheidungsschlacht für das Abendland zu führen.

Huntington setzt bei solchen Kulturmodelle an und befindet, dass der Westen kein heutiges Problem mit gewalttätigen islamistischen Minderheiten hat, sondern dass das Christentum und der Islam bereits seit 1400 Jahren im Krieg miteinander stünden. Der Konflikt liegt aber in der Ähnlichkeit der monotheistischen, missionarischen gemeinsamen Merkmale, in denen kein anderer Glaube gestattet ist. Die analogen Konzepte des „Dschihad“ und des „Kreuzzugs“ unterscheiden diese beiden Religionen zusammen mit dem Judentum von allen anderen Kulturen.

Die seit der Kolonialisierung Arabiens sich immer mehr zuspitzende Lage eskalierte endgültig mit der Einmischung des Westens in den afghanischen Bürgerkrieg durch die Sowjetunion und das militärische Engagement der USA im ersten Golfkrieg 1990/91, wo diese in einem inner-islamischen Konflikt intervenierte. In Huntingtons „Kampf der Kulturen“ geht es allerdings dennoch auch um machtpolitische und ökonomische Interessen. Der Golfkrieg war der erste um Ressourcen geführte Krieg zwischen Kulturen nach dem Kalten Krieg. Es ging darum, ob der Großteil der Erdölreserven der Welt von der saudi-arabischen und von Emirats-Regierungen kontrolliert würde, deren Sicherheit von der westlichen Militärmacht abhing, oder von unabhängigen antiwestlichen Regierungen.

Der im Kampf der Kulturen erscheinende islamische Fundamentalismus muss natürlich als Ergebnis der Begegnung mit dem Kolonialismus und Neo-Kolonialismus gesehen werden. Er steht am Ende der geschichtlichen Wirkung der ehemaligen Kolonialmächte und des Westens der letzten rund 150 Jahre, in denen das „islamische Haus“ gründlich umgeräumt wurde. Das Feindbild vom „Islamischen Fundamentalismus“ ist nur möglich, da der Islam als statische Religion und Kultur im Sinne von Rückständigkeit und Barbarei gesehen wird und die Einwirkung des „Westens“ als Vermittlung der „Moderne“. Das ist aber nicht tatsächlich so, denn es gibt in der arabischen Welt auch Marxisten, revolutionäre Demokraten, linke Liberale usw., und diese sind immer der eigentliche Feind der USA gewesen. Gegen diese Kräfte wurde der islamische Fundamentalismus durch die USA mobilisiert und aufgerüstet.

Die Militarisierung des islamischen Fundamentalismus ist eine besondere Leistung der Führung der USA in den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts gewesen. Auch die israelische Führung hatte den Islamismus, speziell die |Hamas|-Bewegung, zunächst begünstigt, weil sie die Hauptgefahr in den nationalistischen Kräften der PLO sah. Der israelische Geheimdienst Mossad hat in diese Richtung eine Reihe verdeckter Operationen durchgeführt und islamische Gruppen in einem solchen Ausmaß durchsetzt und unterwandert, dass – gerade auch in der Gegenwart – schwer auszumachen ist, wer die eigentlichen Drahtzieher terroristischer Aktionen von Palästinensern sind. Hier muss die gleiche Frage gestellt werden wie beim Anschlag vom 11. September, wer die eigentlichen Nutznießer sind. Die Rolle von Mossad und CIA bleibt immer verschwiegen.

Die alten Kolonialstaaten verteidigten – trotz UNO und Völkerrecht – das „Besitzrecht“ an ihren Kolonien, und die Länder der „Dritten Welt“ konnten ihr von der Weltgemeinschaft formal verbürgtes nationale Existenzrecht nur durch entschlossenen Widerstand durchsetzen. Die Rechtfertigung für barbarische Bombenkriege mit völkerrechtlich geächteten Splitterbomben gegen eine elendes und zerstörtes Land wie Afghanistan, das keinen Krieg erklärt hatte und überhaupt keinen Krieg führen wollte und sich auch kaum wehren kann, ist eine schwierige Aufgabe. Deswegen wird solch ein Land dann zum Hort von etwas außergewöhnlich Bösem gemacht, das die ganze Welt in tödlicher Weise gefährdet. Dieses Böse macht man in einer Person fest: Osama Bin Laden. Dieser wird von den |Taliban| beschützt und diese wiederum regieren über das afghanische Land. Also wird mit allen Mitteln das Land zerbombt, um die Taliban zu vernichten und damit wird auch Bin Laden getötet. Und dann hat man sein weltweites Netzwerk vernichtet. Ziemlich simpel, solche absurden Rechnungen.

In der Realität hatte Bin Laden nur eine geringe Rolle bei den Taliban gespielt und wurde von den USA zur Hauptfigur aufgewertet. Pervers ist natürlich, dass die Taliban in heutiger Form von den USA gegründet wurden, die mit CIA und Pakistans ISI den afghanischen Dschihad in einen globalen Krieg aller islamischen Staaten gegen die Sowjetunion verwandeln wollten. Der islamische Dschihad wurde von den USA und Saudi-Arabien zu einem bedeutenden Teil mit den Fonds finanziert, die der Drogenhandel im Goldenen Halbmond abwarf. Die US-Waffenlieferung an die Mudschaheddin wurden kontinuierlich erhöht und die CIA spielte bei der militärischen Ausbildung die Schlüsselrolle.

Es geht nicht nur ums Öl, sondern auch um den internationalen Drogenhandel, zwei Drittel des Opiums im Wert von mehreren Milliarden Dollar werden dort produziert. Mit diesem Drogenhandel wurden auch die Bosnische Moslemische Armee und die Kosovo-Befreiungsfront UCK finanziert und ausgerüstet. Auch in Tschetschenien wurden die Hauptführer der Rebellen, Schamil Basajew und Al Khattap, in CIA-geförderten Lagern in Afghanistan und Pakistan ausgebildet und indoktriniert. In grausamer Ironie wird aber der islamische Dschihad von der Regierung Bush als eine Bedrohung Amerikas dargestellt und für die terroristischen Anschläge auf das World Trade Center und das Pentagon verantwortlich gemacht. In der Realität sind dieselben Organisationen aber das Schlüsselinstrument der militärisch-geheimdienstlichen Operationen der USA auf dem Balkan und in der früheren Sowjetunion.

Der islamische Fundamentalismus in Gestalt der Taliban ist natürlich zu verurteilen. Er war das strengste islamische System in unserer Welt. Vor allem Frauen wurden unterdrückt wie nirgends. Sie durften ihre Häuser nicht verlassen, weswegen 25.000 Familien von Kriegerwitwen den Hungertod starben. 80 Prozent der Afghanen gehören allerdings der sunnitischen |Hanafi|-Sekte an, der liberalsten aller vier sunnitischen Schulen. Das Glaubenssystem ist dezentral organisiert. Seit Jahrhunderten wollte der traditionelle afghanische Islam deswegen ein Minimum an Staat. Auch sind die Sufi-Orden recht bedeutend, die sich schon seit dem Mittelalter in Reaktion auf Autorität und Gesetz bildeten. Die afghanischen Mullahs waren nicht dafür bekannt, dem Volk den Islam aufzuzwingen und haben sich 1979 auch nicht den radikalen Mudschaheddin-Parteien angeschlossen. Der Durchbruch des islamischen Fundamentalismus Afghanistans kam nicht aus der Historie des Landes, sondern vornehmlich aufgrund der US-Tätigkeiten.

In den Kämpfen gegen eine vom CIA militarisierte Taliban hatte die traditionelle islamische Führerschaft allerdings keine Chance und verlor die zahlreichen Bürgerkriegskämpfe innerhalb des Landes. Es war wie überall in der arabischen Welt. Der Genius der frühen muslimischen-arabischen Zivilisation – die multikulturelle und multireligiöse Vielfalt, die Vielvölkerei – wurde durch eine brutale Diktatur mit engstirniger Theologie, gegründet durch den Westen, ersetzt. Damit die USA dann diese Stellung ins Gegenteil verkehren und zum Beginn eines weltumspannenden Krieges zu machen konnten, mussten sie alle Elemente der Wahrheit herausfiltern, entfernen und ins Gegenteil umformen.

Wenn man jeden anklagte, der Bin Laden gefördert hat, dann würden die USA in enger Verbundenheit mit Saudi-Arabien und Pakistan auf der Anklagebank ganz vorne sitzen und die Taliban nur am Rande. Bin Laden zu finden – tot oder lebendig – war der größte und kostspieligste Misserfolg in der bekannten Militärgeschichte, geprägt von ungewöhnlicher Dummheit, Peinlichkeit und Lächerlichkeit und – angesichts der sinnlosen Vernichtung unschuldiger Menschen und ihrer Existenzgrundlagen – von äußerster Gewissenlosigkeit und Brutalität. Wenn es aber wirklich darum gegangen wäre, die entscheidende Brutstätte von Bin Laden zu treffen, dann hätten die USA Pakistan bombardieren müssen.

Tatsächlich schien der ehemalige CIA-Mann Bin Laden 1998 umgekippt zu sein, indem der den Dschihad gegen Amerika ausrief und versuchte, einen Dachverband „Internationale islamische Front für den Dschihad gegen Juden und Kreuzritter“ zu organisieren. Deren Manifest orientierte sich allerdings auf Aktionen im arabischen Raum, dessen islamische heilige Orte seit Jahren von den USA besetzt sind und dessen Reichtum geplündert wird. Auf diese Organisation aber bezieht sich interessanterweise das Feindbild der USA gar nicht, sondern sie wählten stattdessen ein ominöses Netzwerk „Al Quida“. Irgendwie scheint das bedrohlicher zu klingen, obwohl die Übersetzung einfach „die Datenbank“ bedeutet (wörtlich: die Basis von Daten). Hinter einer solchen Datei verbirgt sich für die Amerikaner eine streng geheime Terroristenorganisation. Sachlich ist das völlig abwegig, denn in dieser Datei sind lediglich alle Dschihadisten erfasst, die im Auftrag der USA gegen die Sowjetunion gekämpft hatten.

Unter Fachleuten ist auch die Einflussnahme einer Al Quida wie auch einer „Islamischen Front“ auf die begangenen Anschläge – speziell auch die des 11. September – mehr als umstritten. Vor allem gehört die weltweit funktionierende Kommandozentrale, die in Afghanistan gesessen habe, der Welt der Märchen an. Unsinnig ist es auch, eine Beteiligung der Taliban an internationalen Aktionen zu behaupten. Die Taliban hätten Bin Laden auch ausgeliefert, aber ihre Bedingung, dass ihr Regime dafür anerkannt würde, wurde nicht erfüllt. Der unbedeutende Bin Laden war längst zur Belastung für sie geworden.

Im Zuge der Neuen Weltordnung gilt es aber auch ebenso, den Blick von diesen Krisengebieten auf die Innenpolitik der westlichen Ländern zu werfen. Bush hat mit einem Ministerium für Heimatschutz und Staatssicherheit (Jahresbudget 38 Milliarden Dollar, über 170.000 Mitarbeiter) ein perfektioniertes Spitzel- und Denunziantensystem geschaffen, wo schätzungsweise 12 Millionen „Heimatschützer“ bei der Überwachung ihrer Nachbarn und Kollegen tätig sind. Nach dem Anschlag 2001 wurden neue Militärgerichte gegen terrorismusverdächtige Ausländer geschaffen. Solche Sondergerichte hat es bisher nur für die Aburteilung von Nazi-Saboteuren im Zweiten Weltkrieg gegeben. Die Öffentlichkeit wird völlig ausgeschaltet. Sie erfährt nicht, wer verhaftet wird (mittlerweile einige tausend in den USA lebende Araber und Angehörige anderer Volksgruppen), und das Strafmaß, der Ort und die Zeit der Verurteilung bleiben verborgen. Die Urteile gehen bis zur Todesstrafe. Während ansonsten bei Militärtribunalen Einstimmigkeit gefordert wird, reicht hier eine Mehrheitsentscheidung zur Verurteilung aus. Mit dieser Verordnung ist ein Standard eingeführt worden, der nur in Militärdiktaturen üblich ist. Die Sondergerichte können weltweit abgehalten werden. Weder Senatoren noch Mitglieder des Repräsentantenhauses wurden vor der Einführung von Bush zu diesen Gesetzen in irgendeiner Weise überhaupt konsultiert.

Eigentlich ist die imperiale Strategie der USA auch darin deutlich zu sehen, dass selbst nach dem Ende des Kalten Krieges amerikanische Truppen im Ausland stationiert bleiben. Nach dem Wegfall des Erzfeindes aus dem Kalten Krieg sind die Amerikaner auf ein monsterhaft konstruiertes Feindbild angewiesen, um die Strukturen zur endgültigen Durchsetzung der Weltvorherrschaft auszubauen. Jedem, der sich bemüht, die Hintergründe zu durchschauen, müsste das alles eigentlich ersichtlich sein. Aber die Manipulierung und Gedankenkontrolle funktionieren, die Masse fällt auf die ihren eigenen Interessen entgegenstehende Politik herein und glaubt an die konstruierten Lügengespinste. Von einem Krieg gegen den Terrorismus zu sprechen ist einfach nur Propaganda, solange der Krieg nicht wirklich gegen den Terrorismus zielt.

Unter Terrorismus versteht man neuerdings auch nur Handlungen, die gegen die USA und ihre Verbündeten begangen werden, die zahlreichen eigenen Terrorakte bleiben ausgeklammert. Diese eigenen Programme basieren auf nationalsozialistischen Vorbildern: Offiziere der deutschen Wehrmacht wurden um Rat gefragt und deren Handbücher benutzt, um weltweit aufständische und rebellierende Gruppen mittels counter-insurgency zu bekämpfen. Diese Aktionen aufzuzählen wäre zu mühsam. Es reicht von Kuba über Nicaragua – wo die illegale Gewalt der USA vom Weltgerichtshof erfolglos verurteilt wurde – bis hin zur Zerstörung der pharmazeutischen Fabrik im Sudan. So grausam der Anschlag aufs World Trade Center auch war, ist er kaum vergleichbar mit viel weiter reichenden Aktionen der USA zuvor.

Nur als Beispiel soll nochmals die Fabrik im Sudan dienen, die 90 Prozent der pharmazeutischen Medikamente im Sudan herstellte und aufgrund deren Fehlen dann nach vorsichtigen Schätzungen bereits innerhalb eines Jahres Zehntausende an den Folgen sterben mussten. Als unmittelbare weitere Folge dieser Bombardierung mussten die Hilfsorganisationen ihre Mitarbeiter evakuieren, weswegen nach Schätzungen der UNO zweieinhalb Millionen Menschen vom Hungertod bedroht sind. Solche Aktionen sind genauso terroristisch und verheerender wie der World-Trade-Anschlag. Der Unterschied ist allerdings, dass die Täter bekannt sind.

Wenn sich die Bürgerrechtsbewegungen angesichts der 11.-September-Attentate mit Kritik und Aktionen weiterhin so zurückhalten, verstärkt sich nur mehr der Kreislauf der Gewalt und sie helfen zudem den reaktionärsten Gruppen im politisch-ökonomischen Machtsystem, deren Pläne durchzusetzen, die der amerikanischen Bevölkerung und dem Ausland großen Schaden zufügen und sogar das Überleben der Menschheit bedrohen. Die in den USA herrschenden Gruppen haben den Kräften der „Anti-Kriegspartei“ ohnehin ebenso den Krieg erklärt, da diese der Verwirklichung ihrer aggressiven Ziele weit hinderlicher sind als irgendwelche „Terroristen“. Diese Machthaber haben der Vernunft und dem Gewissen den Krieg erklärt. Alle demokratischen und friedliebenden Gruppen, denen bisher noch nicht offen dieser Krieg erklärt wurde, müssen diese Situation begreifen und dürfen nicht abwarten, bis sie auch unmittelbar betroffen sind.

Die Chance des weltumspannenden Kriegsabenteuers der USA liegt darin, dass sie übertrieben haben könnten. Die Familie Bush hat, wie Mathias Bröckers es aufzeigt, eine sehr merkwürdige Geschichte. Großvater Prescott Bush war Vermögensverwalter von Fitz Thyssen, einem der Hauptfinanziers von Hitler. Prescot wurde 1942 in den USA verurteilt. Georg Bush sen. hat als Chef der CIA in den 70er Jahren Saddam Hussein als starken Mann gegen den Iran aufgebaut. Als US-Präsident zog er gegen ihn in den Golfkrieg. Bush jr. hat das Geld für seine erste Ölfirma in den 70er Jahren von einem Vermögensverwalter der Bin-Laden-Familie erhalten. Im Januar 2001 hatte die frisch installierte Bush-Regierung FBI und CIA angewiesen, alle Untersuchungen in Sachen Bin Laden einzustellen. John O`Neill, Top-Bin-Laden-Fahnder, schmiss daher im Juli 2001 frustriert seinen Job. Er starb als Sicherheitschef im WTC. Dies nur als eines der unzähligen Verschwörungspuzzles.

Jedem ist klar, dass es in den Konflikten vornehmlich ums Öl geht. Die USA sind entschlossen, diese Ressourcen unter ihre Kontrolle zu bringen, potenzielle Konkurrenten auszuschalten, die Region politisch und militärisch für sich zu sichern und Transporte von den Ölfeldern zu den in Frage kommenden Häfen bereitzustellen. Die derzeitige Kampagne wird von einer Fraktion aus der Energiewirtschaft angeführt, zu der die Bush-Familie gehört. Zusammen mit den Rüstungsfirmen hat es diese Gruppierung geschafft, sowohl Bush sen. als auch seinen Sohn an die Spitze wählen zu lassen. Die Leute hinter Bush jun. sind diejenigen, die die amerikanische Administration führen.

Gedeckt durch den Krieg in Afghanistan, haben die USA inzwischen die weitreichende Kontrolle über jene drei islamischen Nationen bekommen, die in der Nähe der kaspischen Ölfelder liegen: Turkmenistan, Usbekistan, Kirgisien. Die ganze Region ist jetzt unter amerikanischer Herrschaft, sowohl politisch als auch militärisch. Alle potenziellen Konkurrenten, Russland und China eingeschlossen, sind beiseite gedrängt. Damit ist es nunmehr auch möglich, die lange geplante Erdöltrasse durch Afghanistan zu realisieren. Das reicht den USA aber längst nicht. Sie sind es gewohnt, mit militärischer Gewalt und Geld überall abhängige Regierungen zu installieren. Eine Pipeline um den Iran herum ist lang, eine mitten hindurch wäre viel kürzer. Dazu muss nur das Ayatollah-Regime beseitigt und durch eine pro-amerikanische Regierung ersetzt werden. Dies ist ebenso geplant wie es der jetzige Krieg gegen den Irak seit langer Zeit war, für den es keine schlüssigen Argumente gibt. Die Neue Weltordnung steht vor ihrem finalen Durchbruch mit dem Preis des unglaublichen Zivilisationsbruchs. Die „Achse des Bösen“-Liste ist lang und verspricht einen langen Krieg (und auch Atomerstschläge sind kein Tabu mehr, selbst nicht gegen Länder, die selbst nicht über Nuklearwaffen verfügen). Genannt werden als Angriffsziele neben Russland und China auch der Irak (inzwischen geschehen), Iran, Libyen, Syrien und Nordkorea. Pakistan natürlich ebenso, wenn es unsicher würde.

Mit dem Anschlag auf das World Trade Center und der dann verlangten „Antiterror-Allianz“ verschafften sich die USA den Freibrief, den sie benötigten. Mit dieser überraschend aus der Taufe gehobenen „Koalition“ ist ein Modell für die künftige Form der Weltbeherrschung geschaffen worden: uneingeschränkte Dominanz der USA, ohne bestimmte, gemeinsam festgelegte Prinzipien und Regeln – eine Art weltumspannender Absolutismus, wie er in religiösen Phantasien oder reaktionären Utopien beschrieben wird. Der faschistische Staatsrechtler Carl Schmitt hat 1922 in seiner „Politischen Theorie“ definiert: „Souverän ist, wer über den Ausnahmezustand entscheidet“. George W. Bush hat diesen über die gesamte Weltgesellschaft verhängt.

Die Souveränität einzelner Staaten wurde prinzipiell aufgehoben, insofern militärische Operationen gegen „Terroristen“ dies erforderlich erscheinen lassen. Die Kampagne gegen den internationalen Terrorismus stellt einen Eroberungskrieg mit vernichtenden Konsequenzen für die Zukunft der Menschheit dar. Dieser von den USA und Großbritannien geführte Kreuzzug verstößt gegen das Völkerrecht und stellt eine Verletzung des Wortlauts der Charta der Vereinten Nationen dar. Er ist nicht nur illegal, sondern kriminell. Er erfüllt den Tatbestand dessen, was bei den Nürnberger Prozessen als schwerstes Verbrechen galt: Verschwörung gegen den Weltfrieden. Die politischen und militärischen Machthaber der USA vergehen sich nicht nur am eigenen Volk und den vom Krieg unmittelbar betroffenen Völkern, sondern auch an jenen, deren Regierungen sie als Komplizen in ihre Kriegsverbrechen einspannen und zu Mitschuldigen werden lassen. Sie vergehen sich an der Weltgemeinschaft, an der Menschheit.

So weit mein Versuch, die politische Faktenlage aufzulisten. Hinsichtlich der Gegenentwürfe zur neoliberalisierten und globalisierten Welt setzt sich der Autor Professor Sauermann aber auch ausführlich mit Kritikern wie Noam Chomsky und Chalmers Johnson sowie mit Bassam Tibi, Samuel Huntington und Hardt/Negri auseinander. Eine mehr als wichtige Studie, gerichtet an alle Menschen auf der Welt, die noch den Mut und die Kraft haben, sich den destruktiven Kräften entgegenzustellen.

Ekkehard Sauermann – Neue Welt-Kriegs-Ordnung
Die Polarisierung nach dem 11. September 2001
579 Seiten, Paperback, |Atlantik| 2002
ISBN 3-926529-43-1

Sinn, Hans-Werner – Ist Deutschland noch zu retten?

Der Präsident des ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung hat ein fast 500 Seiten starkes Buch geschrieben. Beinhaltet es gute Ratschläge für eine kränkelnde Wirtschaft oder macht sich Sinn eher der sozialen Brandstiftung schuldig?
Eine Rezension aus der [Zeitschrift für Sozialökonomie,]http://www.sozialoekonomie.de/de/dept__3.html Folge 141, Juni 2004.

Ist Deutschland noch zu retten? Wer weiß. Wer aber wissen will, wo es demnächst langgeht, der kann sich bei Sinn schon mal vorab informieren: Für ihn ist der Arbeitsmarkt |im Würgegriff der … hemmungslosen Kartellpolitik der Gewerkschaften, die … herausgeholt haben, was nur eben ging. … Es geht auch nicht an, dass sich der Staat noch länger zum Komplizen der Gewerkschaften macht und ihre Hochlohnpolitik durch den Kündigungsschutz ermöglicht. …| Das kann so nicht bleiben, das stehen wir nicht durch.

Für völlig unzureichend hält Sinn die läppischen |…Vorschläge der Hartz-Kommission, die wenig bewirken und niemandem wehtun. Nein, wir brauchen viel stärkeren Tobak: Weniger Staat und weniger Steuern. …| Eine wirklich radikale Steuerreform. Steuern auf Kapitalerträge (z. B. Zinsen) verletzen für ihn das Postulat der Gerechtigkeit, weil sie diejenigen, die ihr Vermögen sparen, statt es sofort zu konsumieren, bestrafen und sind deshalb allenfalls mit 20 Prozent anzusetzen. Und weiter: |Zur Wiederherstellung der Wettbewerbsfähigkeit müssen die Stundenlöhne fallen.| Damit das besser durchgesetzt werden kann: |Der gesetzliche Kündigungsschutz muss fallen und … sollte nicht nur für Kleinbetriebe, sondern für alle Betriebe abgeschafft werden, denn … auf einem sich selbst überlassenen Arbeitsmarkt, der unter Konkurrenzbedingungen arbeitet, bedarf es keines besonderen Kündigungsschutzes, um Arbeitsplatzsicherheit herzustellen, denn auf einem solchen Markt herrscht Vollbeschäftigung.|

Unterstützt werden soll die Absenkung der |… künstlich hoch gehaltenen Löhne …| außerdem durch die Reduzierung der staatlichen Lohnersatzleistungen. Die für 2005 vorgesehene |Abschaffung der Arbeitslosenhilfe … reicht aber bei weitem nicht, denn die Sozialhilfe ist viel zu hoch …| Also runter damit um 33 Prozent. Allerdings darf man sich jetzt – so möglich – was dazuverdienen, was ja nicht so schwer sein kann, weil ja jetzt wieder alles boomt. Jedenfalls kommt es auf die Nachfrage ausdrücklich nicht an. Dies festzustellen, ist Sinn besonders wichtig und er widmet deshalb der Frage der Nachfrage ein extra Unterkapitel, in dem u. a. steht: |Nein, mehr gesamtwirtschaftliche Nachfrage und mehr Kaufkraft ist es wirklich nicht, was Deutschland braucht.| Alle, die das anders sehen, sind ökonomische Laien und heißen |Dr. Fritzchen Müller|.

Sinn bezeichnet sich selbst als |Arzt der „ökonomischen Schulmedizin“|, der in Abgrenzung zu |Homöopathen und Heilpraktikern … das Skalpell und harte Medikamente verordnet|, will für seine Kinder, denen er sein Buch auch widmet, ein |besseres, ein wirklich zukunftsfähiges Deutschland| und beruft sich u. a. auf Willy Brandt, der ihm doch sicher Recht gäbe, wenn er noch leben würde, meint er. Fairerweise sei zugestanden, dass die umfangreiche Schrift durchaus vielgestaltig ist und dass Sinn mit gar manchem tatsächlich Recht hat: So ist ihm vollumfänglich zuzustimmen, wenn er konstatiert, dass ganz offensichtlich aufgrund eines Kunstfehlers die Körperschaftssteuer seit 2001 fast komplett weggebrochen ist und seitdem Deutschland alleine deshalb mit jährlich 20-25 Mrd. Euro weniger auskommen muss, dass Subventionen der industriellen Vergangenheit (Kohle) idiotisch sind, dass im Rahmen der Neugestaltung der Rente Kinderaufzucht bzw. Kinderlosigkeit mit zu berücksichtigen ist, dass sich die Gewerkschaften in den 60ern und 70ern wohl besser um die Mitbeteiligung („Sparlohn“ statt „Barlohn“) als um die Mitbestimmung gekümmert hätten.

Sehr recht hat er auch, wenn er feststellt, |… dass man die wirtschaftliche Vereinigung der bei-den Landesteile als gescheitert ansehen kann|. Denn: |… die Regierung Kohl hat die wirtschaftliche Vereinigung mit absurden Versprechungen und irrealen Politikprogrammen vergeigt. Die Bürger der neuen Länder sind bettelarm in die Marktwirtschaft gekommen, weil versäumt wurde, das diffuse Volkseigentum des kommunistischen Staates in privatrechtliche Anspruchstitel umzuwandeln. Es ist der ökonomische Grundfehler der Vereinigungspolitik, … dass den neuen Bundesbürgern kein Eigentum am ehemals volkseigenen Vermögen zuerkannt, doch ein viel zu hoher Lohn versprochen wurde.| Per deutsch-deutscher Währungsunion wurden die ostdeutschen Löhne zunächst vervier- bzw. verfünffacht und anschließend in merkwürdiger Eintracht zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern nochmals verdreifacht. Damit war man dann die ostdeutsche Konkurrenz nachhaltig los: |Der historische Grund für das offenkundige Misslingen der deutschen Vereinigung liegt im Vorauseilen der Löhne vor der Produktivität…| Das Ergebnis ist eine Zuschussökonomie, die um fast 50 Prozent mehr verbraucht als sie selbst erzeugt und vom Westen alimentiert werden muss; ein Zustand, der weltweit einmalig und auch historisch ohne Beispiel ist.

Vor dem Hintergrund seiner Einsicht in die ostdeutsche Misere ist es absolut unverständlich, dass Sinn nun meint, auch für Gesamt- bzw. für Westdeutschland zu hohe Löhne erkennen zu müssen. Denn hier liegen die ökonomischen Fakten nicht nur anders, sondern genau anders herum! Alleine seit dem Fall der Mauer hat sich die Produktivität in Gesamtdeutschland – also das Verhältnis der erzeugten Güter und Dienstleistungen zur dafür eingesetzten Arbeitszeit – verdoppelt. Bekanntermaßen kann man das von den Löhnen nicht gerade sagen: Nachdem die (inflationsbereinigten) Reallöhne seit Kriegsende zwar zunehmend schwächer, aber eben doch immer angestiegen sind, ist seit Mitte bis Ende der 90er Jahre eine Tendenz zur Stagnation zu beobachten; Ergebnis der immer wieder angemahnten „Lohnzurückhaltung“, jeweils begründet mit der deutschen Wettbewerbsfähigkeit respektive der Standortfrage. Die Fähigkeit der Deutschen, das von ihnen Erzeugte auch wirklich selber nachzufragen und zu verbrauchen, wird also immer schwächer, diese Nachfragelücke und die solcherart induzierte Arbeitslosigkeit also immer größer. Was nimmt es da Wunder, dass das Wachstum zurückgeht und ebenfalls stagniert? Die deutsche Wachstumsschwäche ist eine Binnenschwäche. Das bestreitet übrigens auch niemand ernsthaft. Denn über die Erfolge im Exportbereich können wir uns nicht beklagen: Deutschland ist Weltmeister im Exportieren! Auch preisbereinigt ist der deutsche Export – u. a. als Ergebnis der „Lohnzurückhaltung“ – in den letzten fünf Jahren nochmals um fast 50 Prozent gestiegen. Kein Land auf der Welt – auch flächen- wie bevölkerungsmäßig viel größere nicht – exportiert mehr als unseres: Allein ein Zehntel des gesamten Welthandels bestreitet Deutschland ganz alleine. Doch damit nicht genug: Deutschland ist gleich noch mal Weltmeister; und zwar beim Exportüberschuss! Kein Land auf der Welt liefert an den Rest der Welt so viel mehr als es vom Rest dieser Welt einkauft. Besonders atemberaubend wirkt dieses Faktum vor dem Hintergrund der Tatsache, dass mit der ehemaligen DDR mitten in Deutschland ein Gebiet sitzt, das für sich genommen gewissermaßen Weltmeister im Importüberschuss (s. o.) ist, was den gesamtdeutschen Exportüberschuss logischerweise reduziert, der gesamtdeutschen Weltmeisterschaft im Exportüberschuss aber ganz offensichtlich gar keinen Abbruch tut. Der deutsche Exportüberschuss ist nun auch die Erklärung dafür, dass die durch die Nachfragelücke im Binnenbereich induzierte deutsche Arbeitslosigkeit nicht noch viel größer ist. Auch Sinn würde nicht bestreiten können, dass unsere Arbeitslosigkeit ohne die dramatischen Exportüberschüsse noch dramatisch höher wäre als ohnehin.

Was nun angesichts dieser Ausgangssituation Sinn will – und alle, die Sinn-gemäß argumentieren, wollen – ist Folgendes: Löhne und staatliche Lohnersatzleistungen werden gesenkt; bei Sinn also um bis zu 30 Prozent, und zwar dergestalt, dass die Absenkung bei den unteren Einkommen größer ausfällt als bei den höheren. „Stärkere Lohnspreizung“ heißt das. Dabei soll übrigens der Sinn der Absenkung der Sozialhilfe ausdrücklich darin bestehen, insbesondere auf die untersten Lohngruppen auszustrahlen; will meinen, den Druck auf sie zu erhöhen. Allerdings würden die Kapitaleinkommen dadurch zunehmen. Das müsse man in Kauf nehmen, weil Deutschland als Gesamtganzes dadurch gewinnt, stärker wächst als vorher. Wie das? Ist nicht die Konsumquote um so niedriger, je höher die Einkommen sind und andersrum und deshalb die aggregierte Gesamtnachfrage einer Volkswirtschaft um so niedriger, je stärker die Ungleichverteilung ist? Auch Sinn würde wohl kaum bestreiten, dass durch die von ihm vorgeschlagenen Lohnsenkungen die Binnennachfrage weiter geschwächt wird. Aber das macht ja nichts, weil wir jetzt unsere „Wettbewerbsfähigkeit“ wiedergewonnen haben. Will heißen: Die ja nun noch größere Nachfragelücke im Binnenbereich wird nunmehr komplett durch Exporte kompensiert; so lange, bis auf diese Art und Weise auch der letzte deutsche Arbeitslose in Lohn und Brot gekommen ist.

Der Sinn-Plan funktioniert. Allerdings nur unter der Voraussetzung, dass der Rest der Welt es einfach so hinnimmt, dass wir dem Rest der Welt dann doppelt und dreifach so viele Exportprodukte um die Ohren hauen wie bislang schon der Fall, dass wir unseren Außenhandelsüberschuss immer weiter ausweiten und deshalb das Außenhandelsdefizit andernorts immer weiter zunimmt, dass wir unsere binnenbedingte Arbeitslosigkeit bis zum letzten Mann exportieren und sie deshalb entsprechend andernorts ebenfalls zunimmt, und dass das Ganze andernorts nicht als pure Aggression empfunden wird. Dann, aber nur dann, funktioniert der Sinn-Plan. Wenn es aber andernorts ebenfalls Experten gibt, die für ihre eigenen Volkswirtschaften ähnlich glorreiche Vorschläge machen wie Sinn für die unsere, wovon wir getrost ausgehen dürfen, dann funktioniert der Sinn-Plan natürlich nicht. Dann wäre auch andernorts außer einer stärkeren Ungleichverteilung von Einkommen und Vermögen und einer entsprechenden Ausweitung deflationärer Tendenzen nichts gewonnen und die deutsche Wettbewerbsfähigkeit in Relation zum Rest der Welt wäre völlig unverändert. Sinn müsste dann – konsequenterweise – erneut die verlorengegangene bzw. noch immer nicht wiederhergestellte Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft anmahnen. Und dreimal dürfen wir raten, welchen Lösungsvorschlag er uns dann unterbreiten würde. Ist Sinn noch zu retten?

Wer weiß. Was wir aber wissen, ist: So kann es nicht gehen. Ein John Maynard Keynes hätte im Rahmen des nach ihm benannten Planes einem Deutschland wie dem heutigen ganz eindeutig und unmissverständlich nicht etwa eine Absenkung, sondern im Gegenteil ein Anheben der Löhne empfohlen. Ja, ist der denn verrückt? Nein, keineswegs. Keynes wusste noch: So wie ein Land, das Importüberschüsse zeitigt, über seinen Verhältnissen lebt, so lebt ein Land mit Exportüberschüssen unter seinen Verhältnissen; und im Falle Deutschlands eben in dramatischer Größenordnung. Wenn dieser Situation nicht durch Lohnanhebung im Binnenbereich begegnet wird, dann bringt man die Menschen in diesem Land, die nämlich übrigens diese Exportüberschüsse erarbeitet haben, nicht nur um die vollständigen Früchte ihrer Arbeit, sondern man nimmt den Volkswirtschaften andernorts auch die Luft zum Atmen: Denn der solcherart andernorts erzwungene permanente Importüberschuss verhindert den Aufbau einer gesunden Binnenwirtschaft und zwingt in die Verschuldung und ihre Konsequenzen, weil dieser Importüberschuss nur finanziert werden kann mit geliehenem Kapital, welches aus den Überschussländern stammt.

Aber jetzt ist ja Globalisierung und entsprechend steht die Drohung der Abwanderung von Arbeitsplätzen im Raum. Diesbezüglich ist zunächst festzustellen, dass Deutschland ganz offensichtlich ein sehr guter Standort ist; und zwar auch und gerade für Investoren, die hierzulande, auch und gerade im internationalen Vergleich, sehr gute Gewinne erwirtschaften können, u. a. weil sie eben nicht (mehr) befürchten müssen, dass die Gewerkschaften bis zur Schmerzgrenze gehen. Aber es ist verständlicherweise noch verlockender, den VW in der Slowakei zum dortigen Lohnniveau zu schrauben, um ihn anschließend hierzulande zu deutschen Preisen zu verkaufen, auch wenn klar sein muss, dass das nicht sehr lange gut gehen kann. Es kann aber vor allem auch nicht angehen, dass – u. a. mit dem weinerlichen Argument, die Menschheit gehöre doch zusammen – sämtliche Dämme für Kapital und Güter eingerissen werden, um anschließend – nunmehr wieder hübsch in nationalstaatlicher Konkurrenz argumentierend – zu fordern, Steuern und Löhne zu senken, um „internationale Konkurrenzfähigkeit wiederherzustellen“. Und um spätestens dann, wenn man andernorts ebenfalls auf den Trichter gekommen ist, diese Forderung – mit derselben wohlfeilen Begründung – zu wiederholen. Dieser Trick ist schon mal probiert worden; nicht nur aufgrund der Lobby der Industrie, sondern auch und gerade auf Ratschlag der „Experten“. Es ging gründlich daneben. Man nannte das Weltwirtschaftskrise. Die Konsequenzen sind bekannt.

Eine der Konsequenzen war die Etablierung eines theoretischen Gegenentwurfes – Keynesianismus genannt – zur herrschenden Lehre, die nach dem Desaster eine Zeit lang auch recht kleinlaut war, weil ihre Gleichgewichts-Phantasmagorien mit der Realität ganz offensichtlich nichts zu tun haben. Weil aber die Borniertheit nicht ausstirbt, geht das jetzt alles wieder von vorne los. Wenn Bertolt Brecht Recht hatte mit seiner Feststellung, Geschichte wiederhole sich nicht, es sei denn als Farce, dann ist das ja jetzt wohl die Farce. Nein: Die Suppe, die global eingebrockt wurde, muss jetzt auch global wieder ausgelöffelt werden. Das demokratische Korrektiv des ökonomischen Systems, das alleine in der Lage ist, der permanenten Neigung zur Nachfragelücke dieses Systems entgegenzuwirken und es somit letztlich auch vor sich selbst zu schützen, ist durch den Globalisierungsprozess auf nationalstaatlicher Ebene verlorengegangen. Wenn jetzt schon die Überschussländer anfangen, ihre Löhne zu senken, dann gnade uns Gott. Wenn es uns aber gelingt, das demokratische Korrektiv des ökonomischen Systems ebenfalls zu globalisieren, dann sind wir noch zu retten, und Deutschland auch, und Sinn auch.

_Aus: |Zeitschrift für Sozialökonomie|, Folge 141, Juni 2004._
http://www.sozialoekonomie.de/de/dept__3.html

Irit Neidhardt (Hrsg.) – Mit dem Konflikt leben!? Berichte und Analysen von Linken aus Israel und Palästina

Angesichts den täglichen Nachrichten ist der Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern nicht ignorierbar. Auch in linken Zeitungen wird sich besonders stark mit der Thematik auseinandergesetzt, allerdings wurde dabei irgendwann auffällig, dass die berichtenden Journalisten im Grunde Deutsche sind, die noch nicht einmal selbst im betroffenen Land waren. Deswegen hatte die Zeitung „Jungle World“ Autoren aus linken israelischen und palästinensischen Gruppen gebeten, Beiträge aus ihrer Sicht zu verfassen. Erschienen sind diese nicht, denn überraschenderweise passten die Essays nicht zu den einseitigen Vorstellungen, die hierzulande propagiert werden. Dazu einige im Buch betrachtete Ansichten und Beispiele:

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Manfred Hobsch/Michael Petzel – Heinz Erhardt. Mopsfidel im Wirtschaftswunderland

Merkwürdige Mischung aus Biografie, zeithistorischer Betrachtung und Bilderbuch, das sich mit der Karriere des deutschen Komikers Heinz Erhardt (1909-1979) beschäftigt bzw. diese zelebriert. Die Gliederung ist z. T. schwer nachvollziehbar da sprunghaft, die Texte sind relativ knapp aber informativ. Das unschlagbare Plus des in jeder Hinsicht gewichtigen Werks sind seine Fotos, die in Auswahl und Wiedergabequalität schlicht Maßstäbe setzen.

Ein Komiker als Sinnbild einer Ära

Er war in den Augen seines Publikums und der zeitgenössischen Kritik ‚nur‘ ein Komiker, der Witze riss, die Deutschland mehrheitlich unterhielten. Tatsächlich muss man ihn als Multitalent werten: Heinz Erhardt (1909-1979) war Dichter, Komponist, Musiker, Sänger, Film- und Theaterschauspieler, Produzent und, und, und … – ein Workaholic, der hart für seinen Erfolg und an der scheinbaren Leichtigkeit seines Witzes arbeitete.

Obwohl er nicht sehr alt wurde und zudem ab 1971 nach einem Schlaganfall halb gelähmt und stumm zurückgezogen lebte, umspannt Erhardts Karriere knapp vierzig Jahre. Das vorliegende Werk nimmt davon jene beiden Jahrzehnte unter die Lupe, in denen der Künstler in der deutschen Unterhaltung quasi omnipräsent war und das Fundament eines Ruhmes legte, der bis auf den heutigen Tag nachwirkt und seinen Urheber unbestreitbar zum Kult werden ließ.

In den 1950er und 60er Jahren stand Heinz Erhardt auch als Schauspieler auf der Höhe seines Ruhms. Seine Filme wurden von einem Millionenpublikum gesehen. Es lohnt sich daher, einen Blick auf das Erhardtsche Schaffen zu werfen. Manfred Hobsch und Michael Petzel unternehmen den Versuch, dies anhand der ‚typischen‘ Filme dieser Ära darzustellen.

Ein Leben im Unterhaltungs-Dauerstress

„Heinz Erhardt“ wird eingeleitet durch eine kurze aber umfassende Biografie, die unter dem Titel „Aus dem Leben eines Komikers“ steht. Es folgt eine Art Ausblick („Papa Heinz wird es schon richten und Erhardts Ausflüge in den Wilden Westen“) auf den sich anschließenden Hauptteil, der in folgende Kapitel gegliedert ist:

„Vater, Mutter und neun Kinder (1958)“ berichtet auf den Seiten 60-182 (!) vom gleichnamigen Kinofilm, mit dem Erhardts Filmkarriere seinen eigentlichen Anfang nahm. Mit „Natürlich die Autofahrer (1959)“ setzte sich diese fort, um mit „Drillinge an Bord (1959)“ nach Ansicht der Kritik bereits ihren Höhepunkt zu erreichen.

„Der letzte Fußgänger (1960)“ zeigte den Komiker noch einmal in einer Hauptrolle, bevor „Freddy und der Millionär (1961)“ Erhardts ‚Abstieg‘ in größere und später immer kleinere Nebenrollen einläutete. „Der Ölprinz (1965)“ und „Das Vermächtnis der Inka (1965)“ informieren ausführlich über Erhardts kuriose Ausflüge in das Western- bzw. Abenteuer-Genre, in dem man ihn kaum vermutet hätte.

Ab S. 400 listet ein Lebenslauf Leben und Werk des Künstlers auf. Angesichts seiner Arbeitswut wundert es kaum, dass diese Aufstellung volle 18 Seiten umfasst. Auf noch einmal 100 Seiten folgt eine „Kommentierte Filmographie“, die Erhardts Kinoschaffen würdigt, sowie eine Liste der TV-Filme, in denen er auftrat. Für jeden Film finden die Mitwirkenden vor und hinter der Kamera Erwähnung. Es schließt sich eine Inhaltsangabe an, gefolgt von einigen Hintergrundinformationen und Zitaten aus zeitgenössischen Kritiken. Zu guter Letzt rundet eine Biografie der Werke von und über Heinz Erhardt das Werk ab.

Alte Fakten in neuem Blickwinkel

Was für ein Buch! 30 cm ist es hoch, 25 cm breit, 5 cm stark. Gewogen habe ich es nicht, aber auf dem Rücken liegend & den Bauch als Stütze nutzend lässt es sich nur kurz lesen. Ein Prachtband also, gedruckt auf edles und schweres Kunstdruckpapier, das vor allem die zahlreichen Bilder (s. u.) zur Geltung kommen lässt. Als Objekt des Buchdrucker-Kunsthandwerks ist er seinen stolzen Preis wert.

Der Textteil gibt bei näherer Betrachtung jedoch zu einiger Kritik Anlass. So ist zunächst darauf hinzuweisen, dass dieses Heinz-Erhardt-Buch seinen Vorgängern nichts grundsätzlich Neues beizufügen hat. Allenfalls Sekundärliteratur wurde für den Text ausgewertet, Primärquellen werden jedenfalls nicht angegeben.

„Mopsfidel im Wirtschaftswunderland“ ist dennoch kein lieblos aus Zitaten, Vorläuferliteratur & Hörensagen nachgebetetes Machwerk. Die Dichte der Erhardt-Informationen mag vergleichsweise gering sein, doch die Verfasser arbeiten intensiv mit ihnen. Sie schaffen daraus nicht das übliche Starporträt, sondern betten eine Vita in das historische Umfeld ein: Heinz Erhardt lebte nicht nur in den Jahren des deutschen Wirtschaftswunders, sondern er repräsentierte es auf seine Weise.

Weg von tradierten Vorurteilen

Dies wird nicht auf den ersten Blick ersichtlich bzw. wurde von der Erhardt als Galionsfigur (oder Hofnarr) des oder des Nachkriegs-Establishments nicht immer objektiv gewogenen Kritik in ein schiefes Licht gesetzt. Hobsch & Petzel arbeiten heraus, was Erhardt zur Verkörperung des Wirtschaftswunderlands werden ließ und wieso diese Schlüsse nicht selten auf historisch bedingten Missverständnissen und Vorurteilen basieren.

So einfach ist es tatsächlich nicht, die spezifische Erhardt-Komik zu ‚erklären‘. Der nüchterne Gegenwarts-Deutsche mag sich fragen, wer über solche harmlosen Witzchen lachen geschweige wie man darauf eine Karriere darauf gründen konnte. Ungeachtet dessen ist da Erhardts Kultstatus, der nach Ansicht der Verfasser eine tiefgründende Sehnsucht der angeblich so zynischen Gegenwartsgenerationen nach der alten = guten Zeit verrät, als Massenarbeitslosigkeit, Auflösung des sozialen Netzes u. a. Unerfreulichkeiten noch unbekannt waren.

Dieser spezifische Aspekt hält – neben der qualitätvollen, zunächst unauffälligen Hintergründigkeit zahlreicher Kalauer – den ‚Kult‘ Heinz Ehrhardt am Leben. Insofern waren Hobsch & Petzel gut beraten, das Schwergewicht ihrer Darstellung auf die 50er und 60er Jahre des 20. Jahrhunderts zu beschränken: Vorher und später war bzw. wurde auch Heinz Erhardt Opfer der Zeit- und Lebensumstände und war noch nicht bzw. nicht mehr die angenehm alltagsferne Lichtgestalt, die seinen zeitlosen Reiz ausmacht.

Weniger reden, mehr sagen!

Was an einem Werk dieser Preislage stört, ist das Fehlen eines konsequent gelegten roten Fadens. Es fallen viele unnötige Wiederholungen auf. Der Lebenslauf gegen Ende des Buches ist manchmal wortidentisch mit der Einleitungsbiografie. Auch die Vorschau auf die Filmbesprechungen nimmt außerordentlich viel von dem vorweg, was später noch einmal breit ausgewalzt wird.

Zwar interessant aber dem Konzept des Werkes widersprechend sind die eingestreuten Biografien diverser Erhardt-Kolleginnen und Kollegen. Die Auswahlmodalitäten bleiben unklar; Trude Herr als vierfache Filmpartnerin verdient zweifelsohne eine gesonderte Erwähnung, aber trifft dies auch auf Freddy Quinn, Harald Phillipp oder Erik Schuhmann zu? Ihre Viten sind nicht hilfreich in dem Bemühen, Heinz Erhardts Leben und Werk zu illustrieren.

Ein Aspekt des vorliegenden Werkes lässt indessen Negativkritik nachdrücklich verstummen: Hobsch & Petzel haben eine Fülle selten oder nie gesehener Fotos zusammengetragen. Ihr Buch wirkt über weite Strecken wie ein Heinz-Erhardt-Schrein. In allen Lebenslagen sieht man den Künstler, der – so machen diese Bilder deutlich – eigentlich immer ‚im Dienst‘ war: Stets gab Erhardt den Erhardt, sobald sich ein Fotograf zeigte.

Die Macht des Bildes

Wobei diese Abbildungen sich in Stand-, Arbeits- und Privatfotos unterteilen lassen. Allerdings sind die Grenzen fließend: Viele angebliche Arbeitsfotos verraten durch ihre Präzision den eigentlichen Zweck: Sie entstanden zu Werbezwecken für die Presse und vermitteln folglich ein geschöntes Bild von der Atelier- oder Außendreh-Realität. Hobsch & Petzel präsentieren manchmal ganze Fotoserien, die stets das identische Motiv mit nur variierten Körperhaltungen und Gesichtsausdrücken zeigen. Auch hier sehen wir Erhardt als Profi, der geduldig in seiner Rolle als Komiker posiert.

Dank ihres wahrlich königlichen Formats kommen die Fotos richtig zur Geltung. Sie sind zudem von einer Wiedergabequalität, die einfach nur staunen lässt. Schwarzweiße Schärfe, akkurat ausgeleuchtet – auch die Art des Fotografierens sagt viel über die Zeit aus, in der diese Bilder entstanden: Nicht einmal in der freien Natur duldete man ‚Unordnung‘; jeder Grashalm steht stramm, Staub und Steine sind ordentlich gefegt. Außenaufnahmen entwickeln eine seltsam Sterilität, in der sich sichtlich nur zahme, harmlose, ‚saubere‘ Unterhaltung entfalten kann. (Die wenigen farbigen Aufnahmen wirken dagegen allzu ‚natürlich‘.)

Heute sind solche Fotos selbst Dokumente geworden. Außerdem versetzen Hobsch & Petzel jenen Filmbuch-Autoren, die ihre Leser mit miserablen, verschwommenen, lieblos zusammengestoppelten ‚Starfotos‘ für dumm verkaufen, einen verdienten Doppeltritt in die Hintern. Sie übertreiben es hier und da, wenn sie schier endlose Serien oder Porträtstudien zum Abdruck bringen. Aber „Mopsfidel im Wirtschaftswunderland“ ist dennoch ein formal wie inhaltlich (in dieser Reihenfolge) gelungenes Buch, das dem Objekt seiner Darstellung nahe kommt, statt sich auf pubertäre Götzenverehrung oder das Wühlen nach schmutziger Privatwäsche zu verlassen.

Gebunden: 523 Seiten
Deutsche Erstausgabe (geb.): Juni 2004 (Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag)
http://www.schwarzkopf-verlag.net

Der Autor vergibt: (4.0/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (1 Stimmen, Durchschnitt: 5,00 von 5)

Heinz G. Konsalik – Der Arzt von Stalingrad / Das Herz der 6. Armee

Manchmal hat man Glück. Bei einem Remittendenverkauf konnte ich für zwei Euro einen echten Bestseller erwerben: Konsaliks „Der Arzt von Stalingrad / Das Herz der 6. Armee“. Der erste Roman des Doppelbandes markierte den Durchbruch des Autors, der auch heute noch als international erfolgreichster deutscher Autor angesehen wird.

Mir wurde dieser Roman empfohlen. Als Aufruf zur Humanität, auf wahren Tatsachen basierender Bericht über das Leben in russischen Gefangenenlagern wurde das Werk vielerorts angepriesen. Trivialliteratur mit einem wahren Kern, eine Landsergeschichte mit Ärzten – aber anscheinend eine verdammt gute. So war mein Eindruck, der mich dann auch zum Kauf animierte.

Nur entpuppte sich dieses Buch als ein unerträglich dem „Zeitgeist“ des kalten Krieges entsprechendes Machwerk, voller rassistischer, antikommunistischer, faschistischer sowie deutsche Kriegsverbrechen entschuldigender Inhalte. Eine braune Brühe, die ein Goebbels nicht besser hätte abschmecken können. Den deutschen Lesern, die nichts mit dem Nationalsozialismus mehr am Hut hatten, hat es seltsamerweise ebenfalls gemundet: Der große Erfolg des Buches mündete sogar in einer Verfilmung. Ideologisch ist das ein lupenreiner Trivialroman im Stile des Dritten Reiches. Dies trifft vor allem auf den „Arzt“ zu, das „Herz“ ist bei weitem nicht so durchsetzt mit Überbleibseln der Nazi-Ideologie wie dieser. Dieser Roman war jedoch bei weitem nicht so erfolgreich wie der „Arzt“, es ist fast schon zynisch, dass dieser der mit weitem Abstand erfolgreichste Roman Konsaliks ist.

Autorenportrait: Heinz Günter Konsalik (28.05.1921 – 02.10.1999)

Konsalik wurde am 28. Mai 1921 in Köln geboren. Er musste sein Studium der Medizin, Germanistik und Theaterwissenschaften abbrechen, da er in die Wehrmacht eingezogen wurde. Dort diente er seinen Fähigkeiten entsprechend als Kriegsberichterstatter, bis er in Russland schwer verwundet wurde. Was weitgehend unbekannt blieb ist, dass Konsalik Mitglied der GeStaPo war. Nach dem Krieg begann er 1951 eine Karriere als Schriftsteller. Seinen Durchbruch erzielte er 1956 mit dem „Arzt von Stalingrad“ – das mit einer Auflage von über 3,5 Millionen wohl meistgelesene Buch der Nachkriegszeit. Bevorzugtes Thema Konsaliks war der zweite Weltkrieg. Am 02. Oktober 1999 starb Konsalik an den Folgen eines Schlaganfalls und hinterließ neben seiner Lebensgefährtin Ke Gao und zwei Töchtern insgesamt 155 Romane mit einer Gesamtauflagenstärke von geschätzten 80-90 Millionen Exemplaren.

Das Geheimnis seines Erfolgs: „Dass ich so schreibe, wie mein Leser denkt und spricht. Darum hält mich die Literaturkritik für trivial. Ich würde nie einen Nobelpreis kriegen.“

Der Arzt von Stalingrad (1956)

In einem Gefangenenlager nahe Stalingrad kämpft der Stabsarzt Dr. Böhler mit seinen Helfern Dr. von Sellnow und Dr. Schultheiß um das Leben der unter unmenschlichen Bedingungen hausenden deutschen Kriegsgefangenen. Ihre Lage ist kritisch, denn Dr. von Sellnow hat ein Verhältnis mit der Lagerärztin Kasalinsskaja. Schlimmer noch ist die Liebschaft von Dr. Schultheiß: Er verliebt sich in die lungenkranke Janina, die ihm zur Pflege übergeben wird – sie ist die Geliebte des Lagerkommandanten Major Worotilow, von dessen Wohlwollen das Leben aller Gefangenen abhängt. Dr. Böhlers Können spricht sich herum, seine Kompetenz und menschliche Größe gewinnen die Herzen der Russen. Nachdem er einen kommunistischen Würdenträger gerettet hat, kann er vielen Gefangenen die Rückkehr nach Deutschland ermöglichen.

Ein Arzt- und Liebesroman vor einem grausamen Hintergrund? Durchaus, gemischt mit vielen Vorurteilen und Nazi-Ideologie – jede Seite dieses Romans zeigt, welch Geistes Kind der Autor ist. Die Handlung quillt nur so über von Beispielen, wie man sich laut Konsalik einen typischen Russen vorzustellen hat.

So gibt es zwei Typen von Russen: Den bösen, asiatischen Typus mit Schlitzaugen wie den Politkommissar Kuwakino oder den Chirurgen Professor Pawlowitsch. Der Erstere ist ein lüsterner Grabscher und brutal: Er reduziert gnadenlos Essensrationen und weidet sich an der Folterung von Gefangenen. Pawlowitsch ist inkompetent und hinterhältig, nachdem er den von dem Könner Böhler auf geniale Weise geretteten Patienten durch seine Inkompetenz verliert, arrangiert er es so, dass Böhler noch einmal geholt wird und ihm dann die Schuld zugeschoben wird. Zwar auch nur ein Russe, aber immerhin auf eine deutsche Kriegsschule gegangen, ist der zivilisiertere Major Worotilow, der auch nicht gerade eine gute Meinung über die beiden Erstgenannten hat:

„Ein Asiate, dachte Major Worotilow. In seinem Hals würgte der Ekel.“ (…) „Es fiel ihm schwer, zu dem kleinen, armseligen Juden ‚Genosse‘ zu sagen und ihn als seinesgleichen anzuerkennen. Aber er würgte es heraus, eingedenk der Ideologie, der er diente und die keine Rassen kannte, keine Hautfarben und keine Nationen, nur den Ruf der roten Fahne der Revolution.“

Dieser Rassismus ist jedoch vielmehr im Nationalsozialismus anzutreffen, der hier Worotilow in den Mund gelegt und damit bestätigt wird: Sogar die Russen erkennen, dass Asiaten die Minderwertigste aller Rassen sind. Die Juden kommen dabei keinen Deut besser weg. Doch auch Worotilow ist „nur“ ein Russe: „Er wurde steif und spürte Brutalität in sich aufsteigen. Das erschreckte ihn, aber er wehrte sich nicht dagegen. Es ist meine Natur, dachte er. Ich bin ein Russe!“ – genau, da kann man leider nichts dagegen machen, das ist „rassisch“ bedingt. So dachte man damals.

Worotilow wird als der „einsichtigste“ und menschlichste Russe beschrieben, der Rest ist weitgehend gemein oder triebhaft und dumm. Deshalb auch seine Bewunderung für die Kompetenz und den „Feingeist“ der Deutschen: „Im Herzen bewundern wir euch. Der Deutsche war oft der geschichtliche Lehrmeister der Russen.“

Kommissar Kuwakino legt Konsalik zudem noch seine Definition des Kommunismus in den Mund, der durch Nahrungsentzug stramme deutsche Soldaten zu Kommunisten machen will: „Wir werben durch Taten! Hunger erzeugt klare Köpfe! Wer nichts zu fressen hat, wird vernünftig! Das ist das ganze Geheimnis vom fruchtbaren Acker des Kommunismus. Je mehr Elend in der Welt, umso stärker die Partei! Satte Mägen revoltieren nicht!“

Konsalik wird auch zu Recht als Chauvinist bezeichnet: Sein Frauenbild ist geprägt von nationalsozialistischen Ideen und verfeinert mit eigenen Wunschträumen. Deutsche Krankenschwestern sind blond und anständig. Dr. Alexandra Kasalinsskaja, Janina Salja und die Küchenhilfe Bascha stehen für einige Stereotypen: So ist Janina die zarte Russin, die sich nach dem zivilisierten, deutschen Akademiker Dr. Schultheiß sehnt. Ganz anders Kasalinsskaja, eine Nymphomanin, die nichts lieber hat, als von Dr. von Sellnow hart gerammelt zu werden, der ihrer natürlichen Wildheit nicht widerstehen kann. Sie verkörpert die wilde, rauhe Schönheit Russlands. Hier möchte ich auch ein wenig den Wunsch als Vater des Gedankens unterstellen, auf alle Fälle war es recht unterhaltsam zu lesen. Als typisch triebhafte Russin wird auch die Küchenhilfe Bascha dargestellt, die bei jeder Gelegenheit, mehrmals am Tag, deutsche Gefangene vernascht und sie dafür mit ein bisschen Brot belohnt.

Dem vielzitierten Zeitgeist des Kalten Krieges entspricht auch die Charakterisierung der deutschen Ärzte, die edel, hilfreich und gut sowie natürlich Spitzenkönner sind. Hier fühlte ich mich an frühe vom ehemaligen Marineingenieur K. H. Scheer geschriebene Perry-Rhodan-Romane erinnert, auch hier waren die „Terraner“ quasi die „Deutschen“, allesamt „Spitzenkönner“. So auch Konsalik’s Dr. Böhler, der mit einem Taschenmesser, einem Faden und ein wenig Licht komplizierteste Operationen erfolgreich durchführt – ein klarer „MacGyver-Effekt“. Kein einziger Patient wird den deutschen Ärzten sterben, sie retten auch von den Russen als unheilbar abgeschriebene Fälle. Nebenher ist Böhler auch menschliches Vorbild: Er stellt das Wohl seiner Männer über sein eigenes, er gibt seine Chance nach Hause zu reisen auf, um einen unschuldigen SS-Arzt zu retten. Hier möchte ich auf ein Zitat verzichten, nur so viel: In schlimmen Zeiten geschehen schlimme Dinge, man hat zwar Unmenschliches getan, aber was soll man in solchen Zeiten schon dagegen tun? Eine der beliebtesten Ausflüchte und Verdrängungsmethoden – es war eben so, wie es war. Da konnte man nichts dagegen tun. Konsalik hebt dagegen Pflichtgefühl und Können der Ärzte hervor, und fragt, wie sich gerade die grausamen Russen als Richter über solche Männer aufspielen können.

Auch sonst malt Konsalik die Vergangenheit schön rosarot: Er erzählt von der Kameradschaft im Gefangenenlager, wo man sich brüderlich hilft und die knappe Nahrung teilt. Historisch belegt sind Fälle von Kannibalismus, Unterdrückung Schwächerer und dem nackten Kampf um das eigene Leben. Konsalik greift jedoch lieber den kommunistischen Spitzel auf, der von den Roten mit falschen Versprechungen zum Werkzeug gemacht wurde, der die Schande seiner eigenen Ehrlosigkeit nicht mehr ertragen kann und sich schließlich selbst richtet.

Es gibt in diesem Roman zahllose Beispiele, er besteht nahezu ausschließlich aus tendenziösen und anschaulichen Vergleichen, die deutsche Tugenden verdeutlichen und das Untermenschentum der Russen herausstellen. Das auch heute noch in aller Munde befindliche Klischee des polnischen Autodiebs legt Konsalik in abgewandelter Form dem russischen Dr. Kresin auch noch in den Mund: „Geklaut! Gibt es einen Russen, der nicht klaut?!“ Hier wurde medizinische Ausrüstung aus schnödem Eigennutz geklaut, und Bedürftige müssen deshalb sterben.

Der „Arzt von Stalingrad“ erzeugt bei der Leserschaft ein warmes, braunes Gefühl – ein wohlschmeckender Kakao für den, der ihn serviert haben möchte. Wer nur ein wenig über den Tassenrand hinausblickt, dem drängt sich eine ganz andere „braune“ Assoziation auf…

Das Herz der 6. Armee (1964)

Die 6. Armee kämpft in Stalingrad verbissen gegen den letzten schmalen Streifen Wolgaufer verteidigende Russen. Das Blatt wendet sich, als die russische Heeresgruppe Don unerwartet mit überlegenen Panzerverbänden die Front durchbricht und Stalingrad einkesselt. Der Arzt Dr. Körner erlebt das Sterben der ohne Winterkleidung erfrierenden, hungernden und verzweifelten deutschen Soldaten mit. Auf der anderen Seite der Front erlebt Major Kubowski ähnliches Grauen, unzählige Russen werden beim Angriff auf deutsche MG-Stellungen verheizt, er ist frisch verliebt in eine Krankenschwester und möchte einfach nur am Leben bleiben. In den Kriegswirren wird Körner von den eigenen Leuten zum Tode verurteilt, schließlich verpflegt er gemeinsam mit Kubowski’s Geliebter verwundete Soldaten beider Parteien.

„Das Herz der 6. Armee“ ist ein sentimentales Rührstück, in dem Konsalik’s Geisteshaltung stärker in den Hintergrund tritt und er auch kritisch die Leiden des russischen Soldaten betrachtet. Kameradschaft der Soldaten aller Nationen in der Blutmühle von Stalingrad – tapfere, einfache Männer, Helden, die den Irrsinn ausbaden müssen, den gewissenlose Vorgesetzte (Stalin, Hitler, Offiziere) zu verantworten haben. Überzeugend, klar und eingängig geschrieben. Auch dieser Roman bedient die Wünsche der Zuhörerschaft, er zieht seinen Reiz aus der oben genannten Form der Glorifizierung des einfachen, leidenden Soldaten. Obwohl auch das „Herz“ im politischen Grundtenor Konsaliks geschrieben ist, treten hier durchaus positive, kritischere Gedanken als purer Rassismus in Vordergrund, was den Roman sympathischer macht, wenn er bezeichnenderweise auch nicht annähernd den gigantischen Erfolg des „Arztes“ hatte.

Ein Musterbeispiel für Romane, die Konsalik zum „Anwalt“ des deutschen Soldaten machten. So war es, so grausam, und an allem waren Hitler, Stalin, verbohrte Nazi-Offiziere und der verfluchte Kommunismus schuld. Zwar grob vereinfacht, aber durchaus wahr – hier wird die von Stalingrad gepeinigte deutsche Seele gestreichelt, der Hass auf die primitiven Russen ist hier nicht mehr in dem Maße wie im „Arzt“ zu spüren. Überhaupt hat sich Konsalik im Laufe der Jahre entweder radikale Äußerungen verkniffen oder etwas mehr kritischen Abstand gewonnen. Das acht Jahre später erschienene „Herz“ ist nicht mehr so platt glorifizierend und zeigt auch mal feige Deutsche, die simulieren, um ausgeflogen zu werden.

Gleich geblieben sind die diesmal weniger derb ausgeprägten Liebesgeschichten, aber Konsalik wäre nicht Konsalik, wenn der Roman ohne Pathos wie plötzlich auftretende, leicht nationalsozialistisch inspirierte Ideale wie „Kameradschaft der Soldaten im Kampf“ und Ähnliches auskommen würde.

Fazit:

Man darf von Trivialliteratur nur eines erwarten: Dass sie unterhält. Das tut Konsalik, sogar sehr gut. Dabei bringt er jedoch so viele braune Ideale in seine Romane ein, dass ich die ohnehin sehr simpel und schematisch gestrickten Geschichten nicht wirklich genießen konnte. Er hat das Geheimnis seines Erfolgs selbst genannt: Er schreibt, was die Leser hören wollen und er schreibt es so, dass sie es verstehen. Einfach und eingängig. Bemerkenswert dabei der Unterschied zwischen den beiden Romanen: Ärze, Frauen, Liebe und Leid – dieselben Grundzutaten, einmal angerührt mit tiefbrauner Brühe, das andere Mal mit triefendem Pathos. Da das „Herz“ einige kritische Elemente und Erkenntnisse enthält, fand ich es durchaus lesens-, wenn auch nicht wirklich empfehlenswert.

Der „Arzt von Stalingrad“ war für mich erschreckend und lehrreich zugleich. So einfach kann man den harmlosen Otto Normalbürger dazu bringen, einmal kurz das Hirn abzuschalten, sich ganz altem Hass, Vorurteilen und Wünschen zu ergeben und geistig in den Reihen der braunen Bataillone mitzumarschieren. Überzeugt und dabei ganz und gar kein Nazi. Auf derselben Ebene gewann Hitler die Herzen von Millionen Deutschen.

Es mag ein zweifelhafter Trost sein, dass Konsalik auch Millionen von Nicht-Deutschen begeistert hat. Der „Arzt“ war sein großer Erfolg und prägte (leider) sicherlich das internationale Bild des Deutschen mit. Heute würde eine Neuerscheinung dieser Coleur wohl zu Stürmen der Entrüstung führen, damals entsprach sie jedoch genau der vorherrschenden Stimmung und wurde deshalb auch ein so großer Erfolg.

Taschenbuch: 816 Seiten
ISBN-13: 978-3404259441

www.luebbe.de

Ted van Baarda, Markus Osterrieder, Markus Osterrieder, Jürgen Erdmenger, Ramon Brüll – Die Jahrhundertillusion

„Die Jahrhundertillusion: Wilsons Selbstbestimmungsrecht der Völker, Steiners Kritik und die Frage der nationalen Minderheiten heute“ ist eine Zusammenstellung verschiedener Autoren zu einem sehr wichtigen Thema, wofür Rupert Neudeck, Gründer der Hilfsorganisation Cap Anamur, ein Vorwort schrieb. Das Wichtigste dabei – deswegen auch der Haupttitel des Buches – ist eine völlig neue Bewertung der Einschätzung von Staaten an sich. Unhinterfragt nehmen wir das bislang immer so hin. Dabei ist ein Nationalstaat unseres Verständnisses etwas recht Junges. Staaten waren im Grunde bis zur großen Änderung nach dem 1. Weltkrieg keine Nationalstaaten wie heutzutage. Schon immer lebten in den Ländern überall verschiedene Völker mit entsprechenden Mehrheiten und Minderheiten. Solange es Herrscher gab – Kaiser, Könige oder sonst etwas – war die Herrschaftsfrage eine andere Sache als später, nachdem die Demokratien oder andere Formen von Volksherrschaft an ihre Stelle traten. Selbst heute – wenn wir genau hinschauen – ist die Frage, was eine Nation oder ein Volk ausmacht, von Land zu Land völlig anders geregelt. Bei uns Deutschen ist die deutsche Abstammung wichtig – egal, wo man geboren wird. In anderen Ländern ist Abstammung unwichtig, es zählt, wo man geboren wurde und dazwischen gibt es noch verschiedene Mischformen.

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Lothar-Günther Buchheim – Der Abschied

Der Buchumschlag lässt schon erahnen, dass es wohl um tiefsinnige Rekapitulation der Vergangenheit zweier vom Seekrieg gezeichneter und geprägter Männer geht. Auch hier gilt wieder die Devise, dass Buchheim selbst, wie schon bei „Das Boot“ und dem inoffiziellen zweiten Teil „Die Festung“, das Werk als „fiktiv, aber nicht erfunden“ tituliert. Den Leser erwartet ein sehr zäher, fast 600-seitiger Reisebericht einer Fahrt, die irgendwann – so oder so ähnlich – um 1980 stattgefunden haben muss. Buchheim reist mit dem „Alten“ ein letztes Mal auf einem zivilen Schiff nach Südafrika. Es ist seine letzte Fahrt als aktiver Kapitän und Buchheim ist als sein Gast an Bord.

Der Autor

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Barth, Claudia – Über alles in der Welt – Esoterik und Leitkultur

Wir kennen solche kritischen Bücher, wo alles Esoterische als tendenziell faschistisch diffamiert wird, und winken meist müde bis stark verärgert ab. Dieses Buch bildet keine Ausnahme und dennoch ist es anders als die einschlägig bekannten diffamierenden Texte.

Die junge Autorin greift in keinem Satz aggressiv unter der Gürtellinie an, sondern rezipiert im Detail, was man vorfindet, wenn man gut recherchiert. Und sie hat hervorragend recherchiert. {Der Lektor wackelt mit dem Koppe ein Naja, sacht aber nüschte.} Natürlich muss ihrer Grundannahme widersprochen werden, dass Esoterik grundsätzlich entpolitisiere und deswegen kein soziales Engagement mehr beinhalten könne, und natürlich auch, dass alles was an monotheistischer Religionskritik geäußert wird – vor allem jüdisch-christlicher Prägung – deswegen schon faschistisch infiziert sei. Sicher gibt es solche Bezüge – die man aber nicht so überzogen thematisieren und gleichsetzen muss mit menschenverachtenden Ideologien -, die jeder Esoteriker kennen und nicht einfach die Augen verschließen sollte. Claudia Barth liefert dafür die historischen Fakten und Zusammenhänge auf eine durchaus neue und interessante Art, die lesenswert erscheint. Sie steht in der Tradition der antifaschistischen Linken und untersucht Esoterik deswegen auf spezifisch deutsche Ausprägungen. Die Fakten aus der Zeit vor und während des 3. Reiches sollte man einfach kennen und im zweiten Teil vergleicht sie die damaligen Strömungen mit denen unserer heutigen Zeit.

Sie unterliegt dabei auch sehr merkwürdigen Annahmen, indem sie angesehene Wissenschaftler wie Fritjof Capra oder Rupert Sheldrake zu Sozialdarwinisten macht oder sogar einmal mehr das „Zentrum einer experimentellen Gesellschaftsgestaltung“ (ZEGG) bei Berlin zu einer „braun“ gefärbten Sekte abstempelt. Letztere Befürchtungen wären ganz einfach auszuräumen, wenn man diese sogenannte Sekte einfach mal besuchen würde und sich anschaut, was da real passiert, anstatt nur in Anschuldigungen nachzulesen.

Einige Kritiken erscheinen zutreffend: Zum Beispiel die Kritik an der hierarchischen Form und dem Geschichtsbild der „systemischen Familientherapie“, wie sie Bert Hellinger betreibt. Auch die Entmystifizierung von Tibet und seinem Buddhismus erscheint notwendig. Nicht, um den tibetischen Buddhismus zu diskreditieren, aber der Mythos eines friedlichen Volkes ist geschichtlich gesehen einfach unrichtig. Solche Fakten sollte man kennen, wenn man ernsthaft mitreden möchte.

Obwohl die Autorin also zu den Gegnern von Esoterik zählt und überall Faschismus wittert, bleibt das Buch spannend, informativ und kann empfohlen werden, da es sich nicht auf dem gewohnt platten Feindbild-Niveau des „Wir vernichten euch und schlagen euch die Fresse ein“ bewegt. {Nachtrag des Lektors: Ja, an die Sorte AntiFas kann ich mich noch vom letzten WGT erinnern, auf dem ich war. Die hatten sich ihre Meinung geBILDet und radikal wie gehabt „nachgeschlagen“, allerdings nicht in Büchern.}

|Ursprünglich erschienen im Magazin [AHA]http://www.aha-zeitschrift.de
Ausgabe 02/2004|

Michael Hesemann – Geheimakte John F. Kennedy

_Quo Vadis – Ein Überblick zum Fall Kennedy_
John Fitzgerald Kennedy dürfte den Meisten wegen seines berühmten Spruches an der Berliner Mauer „Ick bin ain Berlina“ bekannt sein – und natürlich wegen seines gewaltsamen Ablebens, das damals am denkwürdigen 22. November im Jahre 1963 weltweit für Furore sorgte. Der amerikanische Präsident war allseits beliebt – zumindest beim Volk, aber wohl doch nicht in allen Kreisen, bis hoch in die Ämter seiner eigenen Regierung. Das Attentat in Dallas/Texas gilt heute als DER Startschuss für den Vietnam-Krieg, den Kennedy seinerzeit unter keinen Umständen billigen wollte. Seine Liberalität war sein Todesurteil. Michael Hesemann greift die losen Fäden der Geschichte und des Mythos Kennedy noch einmal auf und fügt sie in diesem Buch zusammen.

Nein, Präsident Kennedy hatte wahrlich nicht nur Freunde, sondern auch überaus zahlreiche und mächtige Feinde: Waffenlobby, CIA, Mafia, Exil-Kubaner – um nur die Wichtigsten zu nennen. Vor allem die CIA hatte allen Grund zur Freude über seinen Tod, hatte er doch kurz zuvor ihre Zerschlagung angedroht, was gleichzusetzen mit einer Quasiauflösung des Dienstes gewesen wäre, sprich: erheblichem Machtverlust. Sie waren nicht die Einzigen, die davon profitierten, dass nach den tödlichen Schüssen beinahe im Vorbeigehen und noch am gleichen Tag des Attentats sein Vize Lyndon B. Johnson buchstäblich on-the-fly vereidigt wurde und Kennedys bereits eingeleitete Reformen sofort stoppte. Doch schon die Vorbereitung des Präsidentenbesuchs in Dallas bringt bei genauerer Betrachtung Erstaunliches zu Tage:

Kurz vorher wurde beispielsweise – vollkommen ungewöhnlich – die Fahrtroute der Kolonne gravierend geändert, sodass der offene Wagen des Präsidenten zwangsläufig an der Stelle der tödlichen Schüsse sehr langsam fahren musste. Ein Unding. Die ursprünglich geplante Route hätte ihn erst gar nicht auf den Präsentierteller des Dealey Plaza geführt, doch sein Sicherheitsschef – der dies nach eigenen Angaben niemals zugelassen hätte – wurde kurzerhand an einen anderen Einsatzort abberufen. Der ganze Einsatz des Sicherheitspersonals beim Präsidentenbesuch ist scheinbar ziemlich schief und stümperhaft gelaufen und weist einige Unstimmigkeiten auf, die man nur mit vorsätzlicher Absicht erklären kann. Offiziell fielen bei diesem Hinterhalt drei Schuss und diese allesamt aus den 5. Stock eines Schulbuchlagers hinter der Wagenkolonne des Präsidenten. Zeugen behaupten etwas anderes – sowohl was die Anzahl der Schüsse, als auch die Position der mutmaßlichen Schützen angeht – und auch ein von einem anwesenden Zuschauer aufgenommener Amateurfilm zeigt, dass der tödliche Kopftreffer von vorn kam und nicht von hinten.

Die Geschichte von der „magischen Kugel“, die Kennedy letztendlich getötet haben soll, gehört zu den lächerlichsten Chimären in der Geschichte der Neuzeit – und fast alle haben sie geglaubt. Denn um die vielfältigen Einschüsse und dieser 3-Schuss-Theorie widersprechenden Verletzungen Kennedys und seiner Mitfahrer zu erklären, dichtete man dem Projektil Fähigkeiten an, die der Physik und der Logik Hohn sprechen. Die Autopsie wurde hastig, mehr als mangelhaft durchgeführt und dokumentiert, Teile des Berichts darüber verschwanden oder wurden offensichtlich manipuliert, doch die mit der Klärung beauftragte Kommission nahm offensichtlich keinen Anstoß an solchen ‚Kleinigkeiten‘ wie Plausibilität und Physik. Die Warren-Kommission tat im Gegenteil augenfällig ihr Bestes, sich möglichst schnell auf einen Attentäter zu einigen: Lee Harvey Oswald – der konnte als Leiche ja auch schlecht widersprechen. Bekannterweise wurde Oswald kurz nach dem Attentat von einem angeblichen, irren Fanatiker liquidiert, welcher später unter ebenfalls äußerst mysteriösen Umständen verstarb. Solcherlei ‚ungeklärtes, plötzliches Ableben‘ (böse Zungen mögen es auch ‚Mord‘ nennen) potenzieller Petzen war kein Einzelfall, sondern eher die Regel.

Auch massenhaft der offiziellen Darstellung widersprechende, aber sehr glaubwürdige, unabhängige Zeugenaussagen, welche mehrere Schüsse aus einer ganz anderen Richtung als dem fraglichen Schulbuchlager wahrgenommen haben, wurden ignoriert, oder die betreffenden Zeugen unter Druck gesetzt, diffamiert oder gar peu à peu aus dem Weg geräumt. Summa summarum beläuft sich der Bodycount in diesem Zusammenhang auf 42 am Fall mehr oder weniger beteiligter Menschen (hauptsächlich Augenzeugen), die unter teils kuriosen Arten ihr Leben aushauchten. Zeugen zu beeinflussen oder zu beseitigen, Tatsachen zu verdrehen, Akten verschwinden zu lassen und die gesamte Sache möglichst in Nebel zu hüllen, zieht sich wie ein roter Faden durch den Fall Kennedy. Im Laufe der Zeit wankten die offiziellen Darstellungsversuche vom „alleinigen Einzeltäter“ Lee Harvey Oswald immer mehr und es kamen berechtigte Zweifel auf, dass Oswald überhaupt abgedrückt hatte – seine Verstrickung in diese tief verschachtelte Geschichte ist hinlänglich erwiesen, doch ist er auch der Täter gewesen?

Die Begleitumstände lassen das fragwürdig erscheinen und legen eher den Schluss nahe, dass er ein simples Bauernopfer war. Das Gewehr, dass er zur Tat angeblich verwendet hat, war ein Uralt-Prügel und alles andere als ein Präzisionsgewehr, doch soll er in knapp sieben Sekunden auf dreihundert Meter drei Schuss treffsicher abgefeuert haben. So ein Kunststück bringen selbst Scharfschützen mit besseren Gewehren kaum fertig. Zudem war das Zielfernrohr nachweislich defekt und er als mieser Schütze bekannt. Selbst wenn er es fertig gebracht haben sollte, so bleibt immer noch der bildliche Beweis des Amateurfilmers, dass der tödliche Treffer von vorne in Kennedys Schädel eindrang. Das spricht für noch mindestens einen weiteren Heckenschützen, der die Kolonne von vorn unter Feuer nahm. Wahrscheinlicher ist, dass es sogar eher drei Gunmen waren. Wieder belegen Zeugenaussagen, dass dem tatsächlich so war. Doch all das wurde geflissentlich übersehen.

Der Staatsanwalt von New Orleans – Jim Garrison – war Jahre später der Einzige, der sich getraute, den Fall noch einmal weitreichend und minutiös aufzurollen, weil es himmelschreiende Ungereimtheiten und Anzeichen für eine Verschwörung im großen Stil im Abschlussbericht der Kommission gab. Sein hartnäckiges Engagement war offensichtlich zu weitreichend für einige Gestalten. Er hatte geradewegs in ein Wespennest gestochen. Trotzdem man ihn versuchte, öffentlich zu diffamieren und sogar offen zu bedrohen, brachte er es bis zum Prozess und auf zwei Bücher zum Thema. Mehr als die Öffentlichkeit aufzurütteln, konnte er aber nicht bewirken, der Prozess gegen einige der mutmaßlichen Verschwörer endete aufgrund einer formaljuristischen Spitzfindigkeit mit einem – recht zweifelhaften – Freispruch. Auf diesem Stoff basierend, schuf Oliver Stone 1992 den Film „JFK – Tatort Dallas“ mit Kevin Costner in der Hauptrolle, der kurioserweise schon im Vorfeld durch eine Hetzkampagne niedergemacht wurde, jedoch das Interesse am Mordfall Kennedy in der Öffentlichkeit wieder entfachte.

Garrisons geradezu inquisitorischem Ermittlungseifer damals und auch dem ambitionierten Film Oliver Stones ist es jedoch zu verdanken, dass die amerikanische Regierung heutzutage immerhin – gezwungenermaßen zwar – „die Möglichkeit eines Komplotts“ offiziell einräumt, jedoch weiterhin stur an Oswald als Täter festhält – allen gegenteiligen Indizien, die in all den Jahren auftauchten und zusammengetragen wurden, zum Trotz. Der Mord und die weitreichende Vertuschung der Vorgänge sind längst Legende und alle Sachverhalte bei weitem nicht zufrieden stellend geklärt, nicht zuletzt deswegen, weil aufschlussreiche Akten weiterhin unter fadenscheinigen Vorwänden von offizieller Seite unter Verschluss gehalten werden. Das Mauern geht also auch jetzt, vierzig Jahre nach dem Attentat, munter weiter.

_Qui Bono – Kritik_
Die Konsequenzen des Anschlags ziehen bis zur Jetztzeit ihre Kreise und selbst einige der heute im Amt Sitzenden waren damals schon offensichtlich mehr oder weniger involviert. George Herbert W. Bush Senior beispielsweise. Das jedenfalls recherchiert Hesemann aus Akten aus der aktiven CIA-Zeit des Ex-Präsidenten und Daddys des aktuellen Chefs des Weißen Hauses. Obwohl es mittlerweile ja en vogue ist, auf den Bush-Clan einzuprügeln, nimmt dieses Kapitel nicht viel Platz ein. Bush Senior war wohl nur ein kleines Rad im Getriebe der damaligen Vorgänge – eins von vielen. Als treibende Kraft hinter allem macht Hesemann hauptsächlich die CIA und auch andere Gruppierungen aus, die sich zusammenschlossen, um den bei ihnen so verhassten liberalen Präsidenten über die Klinge springen zu lassen. Genüsslich zerpflückt er die Einzeltäter-Theorie und nimmt CIA, Mafia, Waffenlobby und die Exilkubaner aufs Korn– ja selbst die Freimaurer kriegen ihr Fett weg. Letzteres ist ein recht neuer Aspekt und gar nicht mal so abwegig, muss aber heikle Spekulation bleiben. Dennoch interessant hergeleitet.

Den anderen Aspiranten auf die Täterschaft kann man mit belegbaren Facts schon eher zu Leibe rücken, viel Neues hat Hesemann aber nicht zu bieten – die meisten Erkenntnisse stützen sich auf die Ermittlungsarbeit von Jim Garrison und rekapitulieren sie nur noch einmal zusammenfassend. Zeugenaussagen, Protokolle und der berühmte „Zapruder“-Film (benannt nach Abraham Zapruder, der das Attentat mit seiner Super8-Kamera filmte, dessen Bilder später um die Welt gingen) sind unlängst bekannt, wenn auch vielleicht nicht in unseren Landen. Vieles von dem, was er schreibt, kommt in dieser oder abgewandelter Form auch im oben erwähnten Film von Oliver Stone vor, den Hesemann auch mehr als einmal lobt – da gebe ich ihm Recht, der Film ist um einiges verdaulicher als die Literatur. Nicht dass der Schreibstil etwa langweilig wäre, nein, es ist nur verdammt schwer, die ganzen Namen der Beteiligten keinem Gesicht zuordnen zu können. Es gibt eine Menge Namen und Ämter zu verdauen, quasi ein Who-is-Who aus Wirtschaft, Politik und Geheimdienst dieser Zeit. Oftmals verwirrend für jemanden, der sich noch nie zuvor damit auseinander gesetzt hat und somit, denke ich, recht schwere Kost.

Hesemann verknüpft aber auch die derzeitige Großwetterlage Amerikas mit den damaligen Ereignissen, sind doch viele der Handelnden ehedem zu Amt und Würden gelangt und haben den Lauf der Geschichte in der Folge maßgeblich beeinflusst. Ein vordergründig ziemlich wackeliges Argument, denn jede geschichtliche Begebenheit zieht unweigerlich einen Rattenschwanz an Kausalitäten hinter sich her, inwiefern das steuerbar ist, sei dahingestellt. Erstaunlich jedoch, abgesehen vom Wie, dass die alten Seilschaften (oder deren Zöglinge) zum Teil immer noch an den Fäden ziehen bzw. in Machtpositionen sitzen; Kennedys Beseitigung hat diese Entwicklung auf jeden Fall begünstigt und beschleunigt – wenn nicht gar erst ermöglicht -, insofern muss man ihm beipflichten. Unstrittig ist auch die These des Komplotts, denn eine solche Vertuschungsaktion entspricht nicht der Handschrift eines verblendeten Einzeltäters, sondern erfordert eine Menge Leute und setzt eine komplizierte Planung, Logistik und hohe Machtposition voraus, etwas in diesem groß angelegten Stil durchzuziehen. Die Indizien, die gegen Oswald als Todesschützen sprechen, waren und sind erdrückend. Das dokumentiert Hesemann auch mit zahlreichen Quelltexten, Fotos und Schaubildern, die trotz ihrer Brisanz bemerkenswerterweise frei zugänglich sind und zum Nachdenken anregen.

_Status Quo – Fazit_
Durch die Gnade der späteren Veröffentlichung im Jahre 2003 ist das Buch natürlich um einige Erkenntnisse reicher als ältere Publikationen und illustriert, wie Verschleierungstaktik seit jeher zur amerikanischen Politik gehörte und gehört. Notfalls geht man dabei auch über die Leiche des eigenen Präsidenten. Diese Einsicht ist nicht gerade neu und wird zähneknischend nun auch von offizieller Seite bestätigt – halbwegs jedenfalls. Publikationen wie diese geraten schnell unter Beschuss und der Grat zwischen Phantasterei und wirklicher Enthüllung ist denkbar schmal. Hesemann geht den sicheren Weg und resümiert hauptsächlich den Tathergang und Hintergründe, wie sie allgemein hin schon als erwiesen angesehen werden – basierend auf der Vorarbeit von Jim Garrison – und reichert die ohnehin dichte Indizienkette gegen die Verschwörer mit einigen eigenen Theorien an. Die leitet er gut her, sie entbehren nicht einer gewissen Logik. Letztendliche Gewissheit aber kann man wohl nur erlangen, wenn die derzeit noch unter Verschluss gehaltenen Akten tatsächlich irgendwann der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Wenn. So sicher ist das nämlich nicht. Unterm Strich bleiben eine sehr detaillierte Zusammenfassung zum aktuellen Stand der Dinge im Mordfall Kennedy und eine prima Ergänzung/Nachschlagewerk zum Film Oliver Stones.

McCoy, Alfred W. – CIA und das Heroin, Die. Weltpolitik durch Drogenhandel

Was haben Drogen und internationale Politik miteinander zu tun? Wie ist der weltweite Anstieg des Drogenkonsums zu erklären? Das sind nur zwei der vielen Fragen, die in diesem über 800 Seiten starken Buch beantwortet werden.

Die Allianz zwischen Drogenwirtschaft und CIA baut auf einer langen Geschichte internationalen Drogenhandels auf. Sie beginnt mit dem Schlafmohn und dem Opium, dem „Ahnherr aller illegalen Drogen“ in der Antike. Damals wurde Opium lokal gehandelt, seit dem 17. Jahrhundert wurde es eine Welthandelsware, seit dem 20. Jahrhundert ist es als illegales Heroin gewinnbringender denn je.

Mit einer einmaligen Fülle an Fakten (Quellen- und Stichwortverzeichnis umfassen 150 Seiten) wird eine auf den ersten Blick befremdliche These belegt: Die rigide Antidrogenpolitik reagiert nicht auf weltweite Kriminalität – sondern im Gegenteil: sie schürt diese. In nie gekanntem Maße werden Verbrechen durch immer härteren Kampf gegen Kriminalität erzeugt. Zum Beispiel: „Nachdem die Häftlingsrate in den USA über ein halbes Jahrhundert lang stetig bei 100 Gefängnisinsassen auf 100.000 Einwohnern gelegen hatte, stieg sie, in die Höhe getrieben von immer höheren gesetzlichen Mindeststrafen für Drogenvergehen, von 138 Inhaftierten 1980 auf 702 im Jahr 2002 an…“ (S. 66). Außerdem senken Antidrogengesetze nicht den Konsum, sondern erschweren nur Anbau- und Handelskonditionen. In vielen Gebieten der Erde ist Drogenanbau die einzige Basis zum Überleben, und solange der Westen diese Armut erzwingt, sind alle Bemühungen gegen die Drogeninflation in der 1. Welt reine Sisyphusarbeit.

Aus irgendeinem bescheuerten Grund wird die US-Außenpolitik gern „pragmatisch“ genannt. Aber nichts liegt ferner, als dem Machtkampf der CIA Scharfblick und das Bedenken der langfristigen Folgen des eigenen Tuns zu unterstellen. Diese ach so ‚pragmatische‘ Machtpolitik verbraucht Bündnisse schneller, als neue geschlossen werden. Die CIA findet ‚Freunde‘, die für sich selbst und die CIA um lokale Macht kämpfen. Dafür brauchen sie mehr Ressourcen. Der Schlüssel sind Drogenanbau und -handel, in den Andenländern Südamerikas genauso wie in Zentralasien und Südostasien. Die CIA, internationaler Hauptarm der US-Politik, kann nicht alle strategischen Bündnisse weltweit selbst finanzieren, und das Kräftegleichgewicht kippt immer wieder, wenn ihre Partner eigene Interessen verfolgen – was sie früher oder später tun. Ein Beispiel unter vielen sind die Taliban in Afghanistan.

Umfangreich schildert McCoy die Entwicklung des Drogenhandels seit der Kolonialzeit. Eine neue Phase begann mit dem Kalten Krieg. Denn ab jetzt ging es nicht mehr nur um Profit, sondern der Kampf um ideologische Vorherrschaft in den Regionen kam hinzu und machte das Abhängigkeitsgefüge noch komplexer. Wirtschaft konnte Konkurrenz vertragen, der American Way of Life nie, und so eskalierten die aus politischen Gründen geführten Territorialkämpfe. Heute sind 50 (fünfzig!) US-Regierungsbehörden in den Handel mit Drogen involviert, in Anbau, Herstellung und Transport – auch ins eigene Land.
Die CIA macht mit Heroin Politik, indem sie ihren Einfluss auf den internationalen Drogenhandel zur Durchsetzung amerikanischer Interessen in aller Welt einsetzt: Drogenpolitik ist das Mittel, um Macht zu sichern. Destabilisierung von Regionen und Ländern und Kriege sind Begleiterscheinungen. McCoy, Professor an der Universität Wisconsin, zeigt die Dimensionen und Mechanismen. Es ist keine Verschwörung, kein unter Druck entwickelter finsterer Plan, der da verfolgt wird. Es ist ein Einblick in die Mechanismen einer Weltmacht.

Beispiele:
Der US-Geheimdienst kooperierte im 2. Weltkrieg mit der Mafia in Italien, in den Nachkriegsjahren mit korsischen Verbrechersyndikaten in Marseille, um dort die Macht der gewählten Kommunisten zu brechen. Mit Erfolg. Mit Bedacht legte die CIA das Fundament für die über zwanzigjährige Dominanz der Korsen-Connection im expandierenden US-Heroingeschäft.
Den Krieg in Nicaragua finanzierten CIA und Contras durch Drogenschmuggel. Das wurde in den USA zum Skandal, als sich Bürger aus L.A. über die Crack-Schwemme beschwerten, die mit CIA-Hilfe in den Markt gepumpt wurde. Die Polizei hatte Beweise, doch nichts passierte – zu viele Freunde in Regierungsnähe.
Seit dem Sieg der USA über die afghanischen Taliban blüht dort der Mohnanbau wie nie zuvor: Das Land gilt heute als die erste Opium-Monokultur der Welt mit historischen Rekordernten.

Versuche der CIA, das Buch zu verhindern, scheiterten.

_Knut Gierdahl_
für das Magazin [AHA]http://www.aha-zeitschrift.de

Bröckers, Mathias – Hauß, Andreas – Fakten, Fälschungen und die unterdrückten Beweise des 11.9.

Zugleich ein Kommentar.

Wenn man der gleichgeschalteten und sich selbst schulterbeklopfenden Massenmedien-Berichterstattung die letzten zwei Jahre gefolgt ist, so hat man vermutlich inzwischen das „Märchen von Osama und den 19 Räubern“ tiefeninhaliert und durch beständiges Nachkäuen aus dem Reich der Mythen in die Welt der Wahrheiten empor gehoben. Die Geburtshelfer dieser herrlich simplifizierenden und wunderbar schwarz-weiß gemalten Feindbild-Projektion üben sich – unabhängig ihrer vorherigen Äußerungen und Einstellungen; Wendehals-Journalismus vom Feinsten – seither massiv bemüht darum, jedwede anders geartete Sichtweise als „Verschwörungstheorie“ zu degradieren und zumindest ins Lächerliche zu ziehen. Es zeigt sich allerdings ganz deutlich, dass gerade die konstruierte Mogelpackung, welche die amerikanische Regierung und ihre Medienpropaganda (eigentlich recht schlampig, aber erstaunlich effektiv) erschaffen haben, nichts anderes präsentiert als eben eine waschechte Verschwörungstheorie. Im Zuge des verzweifelten Selbstverteidigungsversuches der ‚etablierten‘ Presse macht diese auch bei verdienten und zweifelsfrei fachkundigen Persönlichkeiten wie Andreas von Bülow keine Ausnahmen (siehe Kommentar und Link am Ende des Textes) und scheut nicht davor zurück, ausgesprochen persönlich und aufbrausend zu reagieren (ein Fest für jeden Psychoanalytiker) oder mit dem immer wieder wirksamen Spott und Hohn aufzufahren, natürlich bar jeder wirklichen Argumentationslinie. Damit würdigen sie sich selbst allerdings nur noch mehr herab, als sie dies durch ihr Todesurteil über den investigativen Journalismus ohnehin schon tun.

Besonders angetan hat es ihnen aber der Sturmdränger Mathias Bröckers, der zehn Jahre den Kulturteil der taz leitete, für „Die Zeit“ und „Die Woche“ tätig war und insbesondere der Netzgemeinschaft durch seine Artikelserie und verschiedene Kommentare im Web-Magazin [Telepolis]http://heise.de/tp/ bekannt sein dürfte. Im September 2002 erschien bei Zweitausendeins sein Buch „Verschwörungen, Verschwörungstheorien und die Geheimnisse des 11.9.“, das inzwischen in die 33. Auflage ging und dessen Verkaufszahlen sich direkt hinter Bohlen’s Machwerk „Nichts als die Wahrheit“ bewegten – nur bekam man davon nichts mit, denn Bücher von Zweitausendeins gibt es eben nur dort zu kaufen, daher tauchen sie auch in keiner Verkaufsstatistik und damit auch in keiner Bestsellerliste auf.

Gemeinsam mit Andreas Hauß vom [Internationalen Institut für Medienanalyse und Friedensforschung]http://www.medienanalyse-international.de hat sich Bröckers nun an eine Bestandsaufnahme der Untersuchungen zur Akte 9/11 gemacht, und Ende Juli haben sie ihre gemeinsame Anklageschrift „Fakten, Fälschungen und die unterdrückten Beweise des 11.9.“ veröffentlicht, die natürlich direkt wieder in unsachlichster Weise und peinlicher Selbstbloßstellung von den Massenmedien verbellt wird. Die ersten beiden Auflagen waren bereits vor Erscheinen ausverkauft und Zweitausendeins rotiert im Blätterwald, um mit dem Interessenansturm mitzuhalten. Gemäß einer aktuellen Umfrage der ZEIT ist jeder Fünfte in Deutschland davon überzeugt, dass die US-Regierung bei den Anschlägen die Finger im Spiel hatte, bei den Unterdreißigjährigen ist es gar jeder Dritte. Knapp 70 Prozent der Deutschen gehen davon aus, dass sie über die wahren Details nicht vollständig informiert werden. Wie sieht es aktuell in Amerika damit aus? Diese Information kann man gleich auf der ersten Seite des neuen Buches nachlesen, und da fällt dem Rezensenten geradezu das Frühstück aus dem Gesicht: „Nach einer CBS-Umfrage im Februar 2003 halten mittlerweile 42 Prozent der Amerikanerinnen und Amerikaner Saddam Hussein für den Hauptverantwortlichen der Anschläge und die Flugzeugentführer mehrheitlich für Iraker. Und im März antworteten bei einer CNN-Umfrage auf die Frage, ob Saddam Hussein in diese Anschläge ‚persönlich involviert‘ sei, 72 Prozent mit einem ’sehr wahrscheinlich oder wahrscheinlich‘.“ Man beachte die in Zusammenhang gebrachten Namen und Herkunftsländer – ich glaube, die dressierten Nationalhymnensänger verwechseln da etwas sehr Grundlegendes, aber wer kann bei den ganzen Kriegen für Frieden und Freiheit schon die einzelnen Protagonisten und Länder auseinander halten, nicht wahr, zumal die so angenehm handliche „Achse des Bösen“ diverse Kleinigkeiten ohnehin nivelliert.

„Fakten, Fälschungen und die unterdrückten Beweise des 11.9.“ ist nun keine aufgewärmte Version des Vorgängerbuches, sondern zum einen ein kritischer Blick auf die aktuelle Sachlage zum 11.9., zum andren ist die Schwerpunktsetzung auch anders gelagert als bei Bröckers Einzelarbeit. Bis auf die jeweils von Bröckers allein verfasste Einleitung und das Nachwort „Lügen haben kurze Beine“ bleiben die gemeinsam Feder führenden Autoren dicht an den Ereignissen des 11.9. selbst. Somit wird diesmal weitgehend auf Exkurse zum „Weg des Geldes“, zur Vergangenheit derzeitiger politischer Entscheidungsträger, zu Verflechtungen zwischen den Geheimdiensten oder zu Vorgängen in Afghanistan und Pakistan verzichtet. Anhand einer beeindruckenden Fülle von – nicht selten sofort wieder verschwundenen oder ignorierten – Medienberichten aus aller Welt, größtenteils aus den sog. „renommierten“ und „seriösen“ Fachblättern, trägt das Autorenteam eine völlig andere Darstellung der Ereignisse zusammen und stellt wie bereits vor einem Jahr eine schier endlose Zahl von Fragen, die noch immer nicht beantwortet wurden. Die Unmenge an offensichtlichen Halbwahrheiten, Lügen und Unstimmigkeiten lässt den Leser schwindlig werden; an einigen Stellen empfiehlt es sich wirklich, Bröckers Vorgängerbuch oder seine Artikelserie gelesen zu haben, um den Überblick zu behalten. Und dass, so eine resultierende Feststellung der Beobachtungen, von offizieller wie auch Presseseite aus kein wirkliches Interesse an tieferer Wahrheitssuche besteht, wird bereits an Unstimmigkeiten und schlichtweg blankem Unsinn deutlich, der durch die Medienlandschaft ventiliert wurde und bereits bei oberflächlicher Betrachtung als Humbug oder Propaganda-Ente enttarnt werden kann. Die Autoren nehmen auch weitestgehend Abstand von allzu verzweigten Verschwörungszusammenhängen, Vermutungen und Hypothesen, sondern hangeln sich knallhart an den immer wieder reproduzierten ‚Fakten‘ entlang, die sie bloßstellen und in Widerspruch zur Wirklichkeit setzen; der Schritt von Verschwörungstheorien zu Verschwörungsfakten ist längst vollzogen.

Ich möchte ein wenig die betrachteten Details umreißen, die letztlich keinen anderen Schluss zulassen als den, dass demokratische Regierungen ihr Volk an der Nase herumzuführen versuchen. Nach der lesenswerten und wichtigen Einleitung widmen sich Hauß & Bröckers zunächst der allzu schnell verkündeten ‚Wahrheit‘ von Osama und den 19 Räubern, insbesondere sehen sie sich die 19 Übeltäter einmal genauer an.
Wenn dann belegbar nachgewiesen wird, dass die allzu schnell präsentierte und noch immer unveränderte Liste mindestens sechs lebende Personen (wie unschicklich für Selbstmordattentäter) enthält, die sich teils nie in den USA aufhielten; dass es von einigen der benannten ‚Terroristen‘ Doppel- und Dreifachgänger zu geben scheint; dass mit diesen präsentierten Listen so einiges im Argen liegt und die Originaldokumente noch immer unter Verschluss sind; dass so mancher der mutmaßlichen Terroristen in US-Militäreinrichtungen ausgebildet wurde; dass die meisten Attentäter – neben einigen hundert andren arabischem Schülern – in der gleichen Flugschule in Florida ausgebildet wurden, die zudem einem Freund von Gouverneur Jeb Bush gehört (der übrigens persönlich direkt nach den Anschlägen sämtliche Flugschulunterlagen mit einer Transportmaschine abholte); und dass sich verschiedene Geheimdienste an diesem Ort praktisch seit Jahrzehnten die Klinke in die Hand geben und die verdächtigten Personen seit geraumer Zeit unter geheimdienstlicher Observierung standen – nun, dann ist offensichtlich (sic) einiges faul im Staate von „BrainWashington“ und unmöglicher Begrenztheit.

Sodann widmen sie sich den fehlenden oder stets als Indizien angeführten Beweisen rund um den 11.9.: Fragen zum Verbleib von Attentäter-Leichen, zu den offenkundig falschen Passagierlisten, zu den ominösen und für die Rekonstruktion des Tathergangs wesentlichen Handy-Anrufen und weiteren angeblichen Telefonaten zeigen, dass hier „Beweise, die nichts beweisen“ konstruiert wurden.

„Eine kurze Geschichte des Nichtfliegens“ untersucht, warum während des gesamten Ablaufs keinerlei Einsatztruppen auftauchten, nicht einmal über der best gesicherten Lufthoheit der Welt. Ein akribisch dargelegter Zeitablauf sowie das genaue Flugverhalten der Entführer und verschiedene Aussagen von offizieller Seite und aus den Einsatzzentralen offenbaren so manche Unstimmigkeit, um nicht zu sagen: völlig absurde Zufälle. Statt dessen tauchen seltsame Flugzeuge auf, die eigentlich gar nicht hätten vor Ort sein dürfen – und nähere Betrachtungen legen nahe, dass wohl ein wenig „ferngesteuert“ nachgeholfen wurde.

Aber nicht nur die Militärs waren ausgesprochen untätig (natürlich muss inzwischen eine absurde „Inkompetenztheorie“ dafür herhalten), auch die Entscheidungsträger der Regierung haben sich genüsslich im Nasebohren geübt in der kritischen Zeitphase. Und so fragen sich die Autoren: „Wer tat was wann am 11.9.?“ Der dargelegte Zeitplan zaubert ein paar hübsche Fragezeichen über des Lesers Haupt. Sehr hilfreich ist hier eine tabellarische „Timeline“.

Es stellt sich die Frage nach dem „Vorauswissen“ der involvierten Dienste und Persönlichkeiten, und dieser Frage gehen Bröckers & Hauß natürlich nach, wobei sie auch hier nicht abschweifen und dicht am Geschehen und seiner Vorgeschichte bleiben. Zufällig zuvor stattgefundene Terror-Simulationen im Pentagon und bei der CIA werden unter die Lupe genommen, ebenso zufällige Neubaumaßnahmen genau im betroffenen Pentagonflügel oder einige sehr interessante, natürlich ebenso zufällige, Zusammentreffen unmittelbar vor oder während des 11.9.

Mohamed Atta (oder zumindest einer seiner Inkarnationen) und seinem Umfeld widmet sich das nächste Kapitel, wobei dessen Verflechtungen mit allerlei geheimdienstlichen Organisationen in Pakistan, Deutschland und den USA von Interesse sind. In diesem Zusammenhang wird die bereits oben erwähnte Flugschule in Venice bedeutsam und damit komme ich auf den dem Buch beigefügten Dokumentarfilm „Mohamed Atta and the Venice Flying Circus“ zu sprechen. Faszinierenderweise gelang es dem Autor und Freien Journalisten Daniel Hopsicker nicht, dieses brisante und vor Ort recherchierte Material in der Presse unterzubringen, nicht einmal die „Yellow Press“ zeigte sich interessiert, was ich wiederum ausgesprochen interessant finde. Ohne Letztbearbeitung, aber immerhin mit deutschen Untertiteln versehen, liegt die 60-minütige Dokumentation auf SVCD bei und fügt somit dem Buch die noch fehlender Prise hautnahen Investigations-Journalismus‘ bei.

Das Kapitel „Nichtermittlungen“ nimmt sich der „Elefantenspuren“ fabrizierter Beweise an, aber ebenso der Liste von zurückgehaltenen oder merkwürdigerweise verschwundenen Beweisen, die bislang Hörensagen bleiben müssen. Die blockierten Ermittlungsversuche und Ergebnisse eher suspekter Ermittlungsausschüsse werden ebenfalls beleuchtet.

Im umfangreichen Nachwort zieht Bröckers noch einmal Resümee, zeigt weitere Ergebnisse heutigen Wissensstandes auf, widmet sich der Vorgeschichte des „Dschihad Inc. – made in USA“, präsentiert sodann drei mögliche Szenarien, die das vorgelegte Material zusammenfassend erklärbar machen, und schließt mit einigen Gedanken zu Europas Rolle in den US-amerikanischen Strategien (die übrigens in der nunmehr Wirklichkeit gewordenen Fassung bereits seit etlichen Jahren ausgearbeitet und zu Papier gebracht waren).

Zum Anhang gilt es noch einige Sätze zu verlieren: Neben dem Register findet sich ein Quell- und Belegverzeichnis, das zum Großteil aus Internetadressen besteht. Dies wurde natürlich sofort von der Mainstream-Presse als Beweis dafür angeführt, dass das Buch blanker Unsinn sein muss (ebenso wie beim Vorgänger), was aber natürlich selbst wiederum Quatsch ist. Da es sich in erster Linie um Berichte der „seriösen“ Pressewelt handelt, spielt es wohl kaum eine Rolle, ob man auf das Druckwerk verweist, das sich der geneigte Leser erst mühevoll zusammensuchen müsste, oder ob man direkt auf den identischen Inhalt im Web verlinkt. Faktisch macht das keinen Unterschied, es hat für die „Verbrennt ihn!“-Brüller nur den deutlichen Nachteil, dass jeder Leser sich, sofern die Artikel noch online sind oder die Datenbank von google Kopien gespeichert hat, unmittelbar mit den Originalquellen auseinander setzen kann. Es sei denn natürlich, die Meister der amtlichen Verschwörungstheorie-Theorie unterstellten, dass gelangweilte Hacker die online-Inhalte von SPIEGEL, ZEIT, FAZ, TIMES etc. massiv verändert hätten, nicht wahr.

Abschließend findet sich im Buch noch eine Abschrift des deutschen Wortlautes zum beigelegten Dokumentarfilm; zum einen zur besseren Handhabe, zum andren für jene Leser, die Probleme mit der SVCD haben sollten.

Was im Gesamtbild bleibt, ist eine fabelhaft geschriebene und sauber recherchierte, aber zugleich geradezu erschreckende Anklageschrift und Beweisführung (bzw. -widerlegung), ein Appell an den gesunden Menschenverstand, an demokratische Rechte, eine Bloßstellung von Informationsbetrug, Amtsmissbrauch, Lug und Trug und politischem Verrat auf höchsten Ebenen, die zusammen mit dem Vorgängerbuch jedes politische Weltbild erschüttern dürfte und für einen aufgeklärten und demokratisch-rechtlich überzeugten Bürger, der nicht länger tumber Spielball ihn ausnutzender und irreführender Kräfte sein will und dem „Pearl Harbor des 21. Jahrhunderts“ keine weitere Chance gibt, schlichtweg zur Pflichtlektüre gehört. Punkt.

[Hintergrundinfos im Interview mit Dr. Andreas von Bülow 12/2001]http://www.broeckers.com/buelow.htm
(25 Jahre Bundestagsmitglied, u.a. in der Parlamentarischen Kontrollkommission für die Geheimdienste; Staatssekretär im Verteidigungsministerium; Bundesminister für Forschung & Technologie; heute Rechtsanwalt in Bonn. – Witzigerweise urteilte ausgerechnet der SPIEGEL vor dem 11.9. über Bülow’s ‚Verschwörungsbuch‘: „Das ist eine eingehend dokumentierte, bissige Kritik an den Machenschaften der CIA und anderer West-Dienste.“ Wie’s danach aussah, ist ja allgemein bekannt bzw. wurde weiter oben ausgeführt.)

[Reaktionen – Pressestimmen – Kommentare]http://www.broeckers.com/reaktionen.htm

[Homepage von Mathias Bröckers]http://www.broeckers.com

[Internationales Institut für Medienanalyse und Friedensforschung]http://www.medienanalyse-international.de

[Infoseite von Daniel Hopsicker]http://www.madcowprod.com/

[SteinbergRecherche]http://www.steinbergrecherche.com (speziell unter „Texte“)

[Faktensammlung von GEHU]http://home.debitel.net/user/andreas.bunkahle/default.htm

[Themenseite bei Muslim Markt]http://www.muslim-markt.de/wtc/antiterrorspezial.htm

[UnansweredQuestions.org]http://unansweredquestions.org/

Für Interessierte gibt es nur die Möglichkeit, das Buch direkt bei [Zweitausendeins]http://www.zweitausendeins.de zu beziehen oder z. B. über die Amazon-Gebrauchtanbieter zu bestellen (2001 liefert auch von dort aus).

Peter Priskil , Beate Mittmann – Kriegsverbrechen der Amerikaner und ihrer Vasallen gegen den Irak und 6000 Jahre Menschheitsgeschich

Zehn Jahre nach der Erstveröffentlichung erfolgt zum politisch richtigen und notwendigen Zeitpunkt die vierte aktualisierte und stark erweiterte Auflage dieses brisanten Buches. Kriegsverbrecher in Washington waren dabei, zugunsten des US-Monoimperialismus den Irak restlos zu zerstören, was im Grunde bereits 1991 begann und mit bislang 1,5 Millionen Toten bereits jetzt den ersten neuzeitlichen Genozid des von den Türken an Armeniern begangenen Völkermords erreicht hat. Die Begründung, mit dem der aktuelle politische Coup gegen den Irak ausgelöst wurde, lieferte der 11. September 2001 – keiner versteht zwar, was das mit dem Irak zu tun haben solle – und die Herausgeber dieses Enthüllungsberichtes halten es zudem für sehr wahrscheinlich, dass die Angriffe auf das World Trade Center auch selbst inszeniert worden sein könnten und erinnern an die Art des von den Nazis gelegten Reichstagsbrands [oder an Pearl Harbor; Anm. d. Lektors].

Peter Priskil , Beate Mittmann – Kriegsverbrechen der Amerikaner und ihrer Vasallen gegen den Irak und 6000 Jahre Menschheitsgeschich weiterlesen

Grobe-Hagel, Karl – Krieg gegen Terror? El Qaeda, Afghanistan und der Kreuzzug der USA

Der Autor schreibt seit 30 Jahren für die „Frankfurter Rundschau“ und geht davon aus, dass Kriege noch nie wegen Religionen stattfanden, sondern solches immer der Deckmantel für ganz andere Interessen ist. Nach dem ersten Entsetzen und der daraus erfolgten weltweiten US-Solidarität haben die USA aber sehr schnell unverblümt ihr wahres Interesse gezeigt: das der absoluten Weltherrschaft mit den Mitteln bis hin zum atomaren Erstschlag, selbst gegen nicht nuklear gerüstete Staaten. Nicht weniger perfide sind biologische und chemische Waffen, deren Herstellung, Lagerung, Kühlung und Sicherheit so kompliziert sind, dass sie im kriegszerstörten Irak sowieso nicht vorhanden sein konnten. Wohl aber in den USA, aus deren Labors die postalisch verschickten Milzbrand-Erreger, die die Bevölkerung in Atem hielten, stammten. Neben diesen doch brisanten Feststellungen gelingt es dem Autor, eine Neutralität zu wahren, die den meisten anderen Berichterstattern fehlt. Es ist nämlich nicht einfach, in diesen Konflikten keine Position zu ergreifen. Grobe-Hagel führt lediglich die Fakten der Realität auf. Wichtig ist das Buch vor allem, weil es intensiv auf die politische Situation Afghanistans eingeht und auch detailliert die jetzige Regierung analysiert. Die zukünftigen Kriegsziele der USA von Irak (mittlerweile schon erfolgt), Iran, Nordkorea und was da sonst alles noch in Planung ist, werden am Ende kurz angerissen. Lesenswert, da derartige Informationen entweder sowieso kaum zugänglich sind oder aber leider die Durchschnittsbevölkerung erst gar nicht interessieren.

_Berthold Röth_
für die Zeitschrift [AHA]http://www.aha-zeitschrift.de
Ausgabe 04/2003 (August/September)

Wer an einer ausführlicheren inhaltlichen Darstellung interessiert ist, möge sich dazu die Buchbesprechung in der [TAZ]http://www.taz.de/pt/2002/10/15/a0208.nf/textdruck besehen. [Anm. d. Lektors]

Baecker, Dirk / Krieg, Peter / Simon, Fritz B. (Hrsg.) – Terror im System – Der 11. September 2001 und die Folgen

„Terror im System“ zeigt, wie und aus welchen Gründen der Westen weiterhin seine eigene Rolle beim Anschlag vom 11. September verdrängt. Durch den 11.9. zerplatzte der westliche Traum von Frieden und Sicherheit und es wurde deutlich, dass Terror gerade für die Länder der „Ersten Welt“ eine Gefahr darstellt, die nicht gebannt werden kann (höchstens eingedämmt). Wie kam es zu diesem Konflikt? Worin besteht er? Wie könnte er wirklich gelöst werden oder zumindest reguliert? Die Autoren des Sammelbandes legen erstmals eine systemische Analyse des Terrors als globalem Phänomen vor.

Gemeinsam ist allen Autoren (es sind insgesamt zwölf) der systemtheoretische Hintergrund bei der Erörterung verschiedenster Aspekte globalen Terrors; angefangen bei der Frage, was Terror(ismus) ist, über politische Aspekte und Auswirkungen auf die Weltpolitik, Djihad und Menschenrechte, die „ewige Gerechtigkeit“, bis hin zum Schock für die Gesellschaft und die Rolle der Medien (die nicht nur eine abbildende ist). Das Buch ist auch ohne Vorwissen über Systemtheorie für interessierte Laien gut verständlich und kein trockener Stoff.

Das wichtigste ist m.E., dass durch die systemische Betrachtungsweise neue Standpunkte zum Terrorismus möglich sind: eine kritische Position zum Terror und Kritik an den Vergeltungsmaßnahmen der cowboymäßig agierenden Weltmacht USA. Oder keines von beidem. Je nachdem. Nachdem Bushs Slogan „Wer nicht für uns ist, ist gegen uns“ zum Paradigma erhoben wurde, war Kritik egal welcher Art zugleich eine Kampfansage an die gesamte westliche Welt. Durch dieses Buch wird Terrorismus als Teil des (Welt-)Gesellschafts-Ganzen verständlich. Es stellen sich Fragen nach wechselseitigen Bedingtheiten und Folgen, die zuvor verschleiert wurden. Nach Ansicht von Simon z.B. ist es schädlich, einen Krieg gegen den Terrorismus zu führen. Begründung: „Kriege sind Systeme, die sich durch die gegenseitigen Grausamkeiten der Kontrahenten die Gründe für ihre Fortsetzung selbst liefern.“

Ein Jahr ist vergangen, seit am 11. September 2001 die Doppeltürme des New Yorker Wold-Trade-Centers in sich zusammensackten. In nachdenklicher Distanz zum damaligen Geschehen versucht dieses Buch, das zunächst Unfassbare fassbar zu machen. Es zeigt sich, dass der Westen noch(?) nicht gelernt hat, seine eigene Rolle in den globalen Zusammenhängen dieses Anschlages angemessen zu bewerten und die entsprechenden Konsequenzen zu ziehen. Dafür liefert der Band Hinweise und Ansätze für ein angemessenes Verständnis.
Ziel des Bandes sei es, so Baecker, „die Ambivalenz jedes Urteils, also auch des Urteils gegen den Krieg, herauszuarbeiten, um auf diese Art und Weise Material zur Reflexion möglicher Beobachtungen zu beschaffen und so überhaupt erst einmal Mut zur Beobachtung (und nicht zum wie immer erschrockenen Augenverschließen) zu machen.“
Diese bewusste Vieldeutigkeit drückt sich in unterschiedlichen Bewertungen der Autoren aus: Der französische Philosoph Alain Badiou liefert eine Begriffs-Analyse von Terrorismus: „Es ist bemerkenswert, wie es dazu kommen konnte, dass das Wort ‚Terrorismus‘, das eindeutig eine bestimmte Form der Ausübung der Staatsgewalt charakterisiert, nach und nach genau das Gegenteil bezeichnete (…)“, wundert sich der Autor. Am Ende seiner semantischen Entwicklung sei „Terrorismus“ heute im Grunde eine propagandistische Vokabel. „Sie enthebt aller vernünftigen Untersuchung der politischen Situationen, ihrer Ursachen und Konsequenzen.“

Insgesamt kein Buch mit glatten schnellen Antworten, dafür mit vielen Fragen für Selbst-Denker.

Knut Gierdahl
Chefredakteur der [AHA-Zeitschrift]http://www.aha-zeitschrift.de