Charles de Lint – Grünmantel (Urban Fantasy)

Die Hilfe des Großen Gottes Pan

Mafiakiller treffen am Rande der kanadischen Wildnis auf den Einfluss der ältesten spirituellen Macht der Welt: die Verkörperung des Gottes Pan, des männlichen Prinzips in der Natur. (Das weibliche Prinzip ist in der Weißen Göttin verkörpert.) Pan tritt als Grünmantel auf, ein Mann in einem Kleid aus Laub, aber manchmal ein riesiger Hirsch oder ein Eber. Im Wald entscheidet sich, ob die Killer Toni Valenti und seine beiden weiblichen Schützlinge zur Strecke bringen.

Der Autor

Der 1951 geborene Kanadier Charles de Lint publizierte bereits 1979 seine erste Fantasy-Story und hat sich seitdem als einer der fleißigsten Autoren profiliert. Dabei verfasste er nicht nur Fantasy, sondern auch einen Horrorroman („Angel of Darkness“, unter Pseudonym) und einen SF-Roman mit dem Titel „Svaha“. Bei uns ist er bislang durch seine zwei Romane für Ph. J. Farmers „Dungeon“ und durch den Fantasy-Roman „Das kleine Volk“ (alle bei Heyne) bekannt geworden. Es wäre zu wünschen, dass sich seine Fangemeinde mit der Publikation von „Grünmantel“ vergrößert, um auch die anderen zauberhaften Romane „Yarrow“, „Moonheart“ und „Spirit Walk“ zu entdecken. Ein De-Lint-Buch ist immer ein Erlebnis, denn hier ist eine eigenständige Welt zu erforschen.

Werke auf Deutsch:

1) Grünmantel (1998)
2) Das kleine Land (1994):
Band 1: Das verborgene Volk
Band 2: Die vergessene Musik
3) Das Dungeon 3: Tal des Donners
4) Das Dungeon 5: Die verborgene Stadt

Handlung

Toni Valenti versteckt sich vor der Mafia, seinem früheren Arbeitgeber, und freundet sich mit Frankie, einer geschiedenen Frau, und ihrer Tochter Alice an. Valenti kämpft um sein Leben, unterstützt nur von wenigen Getreuen, verfolgt von den Killern.

Auch Frankie wird verfolgt. Sie hat kürzlich in der Lotterie eine Menge Geld gewonnen und damit ihr altes Elternhaus renoviert, um nun in Ruhe mit ihrer 14jährigen Tochter Alice leben zu können. Kaum haben sich die beiden mit ihrem Nachbar Toni anfreunden können, als auch schon ihr Ex-Ehemann Earl auftaucht und versucht, sie um ihr gewonnenes Geld zu bringen. Sie kann ihm entkommen und flüchtet mit Ali zu Toni, der den Ex verjagt. Ein riesiger Hirsch spielt dabei eine wichtige Rolle. Doch der Ex aktiviert die Mafia, die mit Toni eine alte Rechnung begleichen will.

Im Wald

Im nahen Wald entdecken Ali und Toni ein versteckt liegendes Dorf, New Wolding, in dem Grünmantel verehrt wird. Ein Panflötenspieler ruft den großen Hirsch an einem großen stehenden Stein herbei, und die Dörfler tanzen fast vergessene Tänze. Als Grünmantel erscheint, springt Ali auf seinen Rücken und verschwindet mit ihm in die Anderwelt.
In einem Ring aus Steinen stehend betrachtet sie die Welt einer anderen Zeit. Ihre Begleiterin Mally, ein Bindeglied zum Mysterium Pans, erklärt Ali die Zusammenhänge, bis Grünmantel sie wieder zurück in ihre eigene Welt bringt.

Das Bündnis

Wenige Tage danach rücken die Mafiakiller Toni auf die Pelle. Toni hat Frankie inzwischen die Wahrheit über seine kriminelle Vergangenheit erzählt. Er erhofft sich mit Frankie eine gewaltfreie Zukunft, einen Neuanfang. Trotzdem stellt sich Frankie, ebenfalls eine Kämpfernatur, auf seine Seite und hilft ihm im entscheidenden Gefecht. Eine Rakete zerstört Tonis Haus. Als Frankie selbst ihren Ex-Mann töten könnte, tut sie es nicht, um sich nicht auf eine Stufe mit ihm zu stellen – eine Wandlung ist mit ihr vorgegangen. Toni tötet ihn für sie.

Die Anderwelt

Während des Gefechts beschwört Ali mit einem Feuer aus Knochen Grünmantel abermals herbei. Doch diesmal ist die Begegnung voller Gefahr, denn Grünmantel wird verfolgt von einer Hundemeute. In einer Vision der Anderwelt nimmt Alice diese Hunde als christliche Folterknechte wahr, die sie an einen Baum fesseln und sie zwingen wollen, dem „heidnischen Gott“ abzuschwören. Zum Glück erkennt sie, dass Pan jedem so erscheint, wie derjenige ihn sehen will: als Prinzip des Bösen, der Lust oder als Verkörperung von Leben, Kraft und Schönheit. So besiegt sie die Folterer und verjagt sie, bevor sie wieder in ihre eigene Welt zurückkehren kann.

Mein Eindruck

In dieser Szene wird deutlich, mit welchen inneren Dämonen Toni Valenti, die geschiedene Frankie und deren Feinde, die Mafiosi und ihr Ex-Mann, zu kämpfen haben. Alle sind der Musik Grünmantels ausgesetzt, doch jede(r) reagiert anders, mal mit Hass, mal mit Liebe. Ebenso reagiert der moderne westliche Mensch auf den Einfluss der Kräfte der Natur – wenn überhaupt, da viele von uns den Kontakt zu ihr verloren haben.

Die Übersetzung

Dem Übersetzer dieses Buches stellen sich besondere Schwierigkeiten. Da ist zum einen der authentisch klingende Slang der New Yorker Mafiosi sowie der kanadischen Gangster um Earl. Deren Ausdrucksweise ist oftmals brutal und sexistisch. Zum anderen ist da die beinahe romantisierte Welt der Fantasy um Grünmantel, die nicht kitschig erscheinen sollte.

Der Übersetzer Peter Pape ist es gelungen, beide Sprachebenen adäquat ins Deutsche zu übertragen. Leider unterlief dem Verlag im Klappentext ein Fehler: Nicht wie dort behauptet Toni Valenti, sondern alleine Alice und Mally entzünden das magische Feuer aus Knochen, das Grünmantel rufen soll.

Unterm Strich

„Grünmantel“ ist ein komplexes und dichtes Buch, das die wiederholte Lektüre lohnt. Die Charaktere, selbst die Nebenfiguren, sind fein herausgearbeitet und treiben die zweisträngige Handlung konsequent voran. Die Handlungsstränge sind stark miteinander verwoben, zeitlich wie auch räumlich. In diesem Geflecht von Beziehungen und Wechselwirkungen entsteht eine eigenständige, glaubwürdige Welt am Rande unserer akzeptierten Realität. Manche Szenen, wie die mit dem Grünen Mann, haben mir am besten gefallen.

De Lint betrachtete dieses Werk als eine Art Fortsetzung zu Lord Dunsanys Klassiker „The Blessing of Pan“ (1927). Dies verrät er im Nachwort, das in der deutschen Ausgabe fehlt. Andererseits kritisieren Leser das dämonisierte Christentum, das ein banales Klischee sei: Christen hätten das Mysterium (Pan) genommen und zum Sklaven ihres Denkens gemacht. Dieser zentrale Konflikt wird vom Autor nicht immer glücklich und nahtlos in die Erzählung übertragen.

Taschenbuch: 463 Seiten
Originaltitel: Greenmantle (1988)
Aus dem US-Englischen übertragen von Peter Pape.
ISBN-13: 978-3453126893

www.heyne.de

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