Charles de Lint – Yarrow. An Autumn Tale

Kreativer Kampf mit dem Ungeheuer

Cat Midhir hat sich einen guten Ruf als Autorin beliebter Fantasy-Romane erworben. Aber ihre Fans wissen nicht, dass Cats rätselhafte Anderwelt keineswegs eine Phantasie ist, sondern ein real existenter Ort, an dem sie nachts mit den leuchtenden Lords und der gehörnten Frau unter dem Silbermond wandert… (Amazon.de)

Charles de Lint hat bereits ein umfangreiches Oeuvre im Bereich der Urban Fantasy geschaffen. Darunter bildet „Yarrow“ aus dem Jahr 1986 eine besondere Perle. Denn hier spricht de Lint von sich selbst und seiner Lage als Schriftsteller.

Der Autor

Der 1951 geborene Kanadier Charles de Lint publizierte bereits 1979 seine erste Fantasy-Story und hat sich seitdem als einer der fleißigsten Autoren profiliert. Dabei verfasste er nicht nur Fantasy, sondern auch einen Horrorroman („Angel of Darkness“, unter Pseudonym) und einen SF-Roman mit dem Titel „Svaha“. Bei uns ist er bislang durch seine zwei Romane für Ph. J. Farmers „Dungeon“ und durch den Fantasy-Roman „Das kleine Volk“ (alle bei Heyne) bekannt geworden.

Es wäre zu wünschen, dass sich seine Fangemeinde vergrößert, um auch die anderen zauberhaften Romane „Into the Dream“, „Yarrow“, „Moonheart“, „Memory & Dream“ und „Spirit Walk“ zu entdecken. Inzwischen hat es De Lint zu seiner Spezialität gemacht, Kurzromane in Eigenherstellung und mit niedrigster Auflage zu Sammlerpreisen anzubieten.

Werke auf Deutsch:

1) Grünmantel (1998)
2) Das kleine Land (1994):
Band 1: Das verborgene Volk
Band 2: Die vergessene Musik
3) Das Dungeon 3: Tal des Donners
4) Das Dungeon 5: Die verborgene Stadt

Handlung

Caitlin Midhir ist eine junge Autorin von Fantasy-Geschichten, die von ihren wenigen Freunden kurz Cat genannt wird. Sie lebt in Ottawa, der kanadischen Hauptstadt, und gleichzeitig – und viel lieber – in der Anderwelt. In dieser grünen Landschaft leben ihre besten Freunde: der große Erzähler des Elfenvolkes, Kothlen, und sein hässliches, aber sympathisches Gegenteil, der Gnom Tiddy Mun.

Auch die geheimnisvolle Naturgottheit Mynfel lebt im verwunschenen Wald: Ihre Gestalt einer jungen Frau trägt ein imposantes Hirschgeweih, ihre Beine enden in Bocksfüßen. Sie ist eine Verkörperung Pans. Und, wie Cat später herausfindet, Mynfel bedeutet in der alten englischen Sprachen der Kräutersammler „Yarrow“ Allesheiler. (In der Botanik trägt „yarrow“ den Namen Achillea millefolium.) Alle sind Gestalten in Cats erfolgreichen Fantasy-Romanen.

Blockiert

Zu Beginn der Geschichte hat sie ein Problem: Seit drei Monaten fällt ihr nichts mehr ein: Schreibblockade. Sie kann sich nicht mehr in die Anderswelt träumen wie sonst, und da sie von dort ihre Ideen bezieht, kann sie den neuen Roman, den ein Verlag bestellt hat, nicht abliefern. Der Termindruck verstärkt ihre Schreibblockade nur noch, wie sie bei einem Besuch ihrer Agentin erkennen muss. „Mach mal Pause und geh unter Leute“, so lautet deren guter Rat, den Cat befolgt, weil sie nichts Besseres zu tun hat.

Wiedersehen

Sie schließt Freundschaft mit Peter, dem Buchhändler, und seinem Kumpel Ben, der heimlich ihr größter Verehrer ist. Er hat alles über sie und von ihr gelesen. Mit beiden kommt sie zu ihrem eigenen Erstaunen gut aus. Sie beichtet Peter ihre Probleme beim Träumen und Schreiben, doch findet sie bei ihm Trost und Unterstützung. Als sie auf seinem Sofa übernachtet, hat sie den ersten Traum seit drei Monaten. Die Anderwelt hat sie vermisst, klagt Tiddy Mun.

Zu ihrem Entsetzen und unendlichen Trauer erfährt sie, dass Kothlen, die Quelle all ihrer Geschichten, tot ist. Bei ihrer Rückkehr in die Hierwelt wird sie von Tiddy Mun begleitet. Peter traut seinen Augen nicht, als er ihn flüchtig sieht: Die Existenz einer Gestalt aus der Traumwelt anzuerkennen, käme einem Zertifikat für kompletten Wahnsinn gleich, denkt er. Cat ist schwer von ihm enttäuscht.

Widersacher

Wieder zu Hause, bemerkt sie einen Beobachter vor ihrem Haus. Prompt kann sie nicht mehr träumen, fühlt sie sich leer und beraubt. Kein Wunder: Der Typ da draußen ist ein Monster aus der Antike, ein Unsterblicher, der sich von der seelischen Lebensenergie der Menschen ernährt, insbesondere von ihren Träumen. Und Cat träumt die besten Träume von allen Bewohnern Ottawas.

Nach der ersten, von Peter, Ben und Freunden abgewehrten Attacke des Fremden erkennt Cat die Wahrheit. Das Monster ernährt sich schon seit Monaten von ihrer Traum-Energie, und es ist als dunkler Schatten sogar in ihre Anderswelt eingedrungen und hat Kothlen getötet. Fortan schläft sie nur noch bei Peter.

Entführt

Doch das verwundete Monster schafft sich neue Sklaven, an denen es sich nähren kann. Es wandelt den jungen Computerhändler Rick, ein echt egoistisches Arschloch, zu seinem Handlanger und Ausführungsorgan um. Rick tötet einen Freund Bens und entführt Cat, um sie seinem Herrn auszuliefern. Es entspinnt sich ein Kampf um die Herrschaft über Cats Psyche…

Mein Eindruck

„Yarrow“ bringt Elemente von Mythos und Fantasy in die moderne Zeit und in die Großstadt. Dabei gelingt es dem Autor, glaubwürdig realistische Charaktere zum Leben zu erwecken und sie in eine spannende Handlung einzubinden, die ihnen eine Weiterentwicklung ermöglicht. So ist dieser Roman kein Selbstzweck wie so viele seiner Art, sondern ein Trip in die Erkenntnis.

In einem tollen Showdown mit dem Widersacher erkennt Cat die Wahrheit über sich selbst: Sie ist Yarrow, und ihre Kraft kann sie aus der Anderwelt beziehen. Es gelingt ihr, die Psyche des Monsters in sich einzusperren und zu überleben. Mit der Hilfe der Freundschaft von Peter und der Liebe von Ben wird es ihr gelingen, das Monster vor dem Ausbruch zu bewahren. Dieses Ende macht Mut, sich mit der eigenen dunklen Seite zu arrangieren.

Dass die Botschaft „Der Mythos führt uns zu uns selbst“ lautet, tut dem Erfolg des Unterfangens, in den Inner Space zu reisen, keinen Abbruch. Schließlich haben uns die alten Mythen etwas Wertvolles mitzuteilen, wie man zum Beispiel an den zahlreichen Verarbeitungen der Artus-Sage ablesen kann.

Ich fand den Urban-Fantasy-Roman spannend, die Schilderungen stimmungsvoll und die Bewältigung des zentralen Konflikts nachdenklich machend. Am besten gefiel mir natürlich der positive Schluss mit seiner konstruktiven Botschaft. Schade, dass auch dieser De-Lint-Roman noch nicht übersetzt worden ist.

Taschenbuch: 264 Seiten
Originaltitel: Yarrow. An Autumn Tale
Sprache: Englisch
ISBN-13: 978-0312863937

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