Christoph Marzi – London (Die Uralten Metropolen 5)

Die Uralten Metropolen

Band 1: „Lycidas“
Band 2: „Lilith“
Band 3: „Lumen“
Band 4: „Somnia“
Band 5: „London“

Emily Laings Versuche, ein normaler Mensch zu sein, haben nicht funktioniert. Auch nicht in New York. Also ist sie nach London zurückgekehrt und bestreitet ihren Lebensunterhalt nun dadurch, daß sie verängstigten Kindern hilft, mit ihrer Angst umzugehen. Gerade kommt sie von einem solchen Termin zurück und freut sich auf das warme Abteil im Zug nach London. Doch der Zug kommt nicht.Und niemanden außer ihr scheint das zu stören! Als Emily ihren Nebenmann darauf anspricht, erhält sie eine ungeheuerliche Antwort: Der Mann hat keine Ahnung, was sie von ihm will. Denn eine Stadt namens London hat es nie gegeben …!

Wer die anderen Bände der Uralten Metropolen nicht gelesen hat, wird sich mit diesem neuen Roman des Zyklus schwer tun. Denn es kommen nicht nur jede Menge Figuren aus den Vorgängern vor – darunter natürlich sämtliche Protagonisten wie Wittgenstein, Lady Mina, Aurora Fitzrovia und viele andere – es wird auch immer wieder auf ihren Inhalt Bezug genommen. Manchmal sind die Ausführungen dazu etwas ausführlicher, manchmal aber auch nicht.

Auch die neue Geschichte als solche folgt der erfolgreichen Tradition ihrer Vorgänger. Marzis Hommage an seine literarischen Vorbilder – vor allem Dickens – findet hier wieder ihren Ausdruck, zum Beispiel in den beiden resoluten Damen Pumblechook und Pecksniff. Und ebenso ist es dem Autor wieder gelungen, seine neuen Figuren gänzlich undurchsichtig zu gestalten. Wenn der Leser nach dem letzten Satz das Buch zugklappt, weiß er von manchen, auf welche Seite sie gehören, aber beileibe nicht von allen.

Das trägt ebenso zur Spannung bei wie die Komplexität der Handlung. Denn es sind offenbar mehrere Parteien an den Geschehnissen beteiligt, und trotz aller Recherche gelingt es Emily, Wittgenstein und ihren Freunden nur teilweise, die Hintergründe herauszufinden. Abgesehen davon war die Uralte Metropole schon immer ein mehr oder weniger gefährliches Pflaster, was der Autor diesmal noch zu steigern wußte, indem er einige Orte verändert und damit Raum für Unvorhergesehenes geschaffen hat.

Dazu kommen all die neuen Ideen, die er in seine bereits bestehende Welt eingewoben hat. Manche, wie Picadilly Circus, bringen vor allem Farbe in die Geschichte, andere, wie der Augenmann, sind eher für die unheimliche, spannende Seite zuständig. Der Plot an sich war schließlich die ungewöhnlichste Idee von allen. Die Personifizierung einer Stadt zusammen mit einem psychologischen Problem war das bisher selbst aus Marzis Feder Ausgefallenste, das zu lesen ich das Vergnügen hatte.

Vor allem in Kombination mit seiner Gabe des sinnlichen Erzählens sind diese Einfälle ein Genuss. Christoph Marzi ist ein Meister darin, seine Geschichten auf eine Weise in Worte zu fassen, die den Leser so verzaubert, dass das Geschehen regelrecht erlebbar wird.

Bleibt zu sagen, dass auch dieser fünfte Band der „Uralten Metropolen“ eine wunderbare Lektüre war. Die meisten Zyklen, die mehr als vier Bände umfassen, fangen irgendwann an, sich auszuzehren und fade zu werden. Von den „Uralten Metropolen“ kann man das nicht behaupten. Das liegt zum einen an dem ungebrochenen Zauber dieser geheimnisvollen Parallelwelt, zum anderen an der unerschöpflich scheinenden Phantasie des Autors und seinem Geschick, alle seine Zutaten so gekonnt aufeinander abzustimmen und sprachlich so stimmungsvoll zu verpacken, dass das Ergebnis dem Leser auf der Zunge zergeht. Wer „Lycidas“, „Lilith“ und „Lumen“ mochte, dem wird auch „London“ gefallen. Allen, die noch nichts davon gelesen haben, sei dringend empfohlen, das nachzuholen.

Christoph Marzi lebt mit seiner Familie im Saarland und hat außer dem Zyklus der „Uralten Metropolen“ die Trilogie „Malfuria“ sowie eine Vielzahl weiterer Romane und Kurzgeschichten geschrieben. Sein nächster Roman mit dem Titel „Mitternacht“ ist für Februar 2017 angekündigt.

Broschiert 704 Seiten
ISBN-13: 978-3-453-31665-2

www.christoph-marzi.de
www.randomhouse.de/heyne

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