Packender, ausgefeilter SF-Actionroman
Nach bitteren Erfahrungen durch schreckliche Kriege und angesichts der verseuchten Erde hat sich die Menschheit entschlossen, die Technik sehr restriktiv zu handhaben. Mit Erfolg. Seit Generationen herrscht Frieden.
Doch es gibt immer wieder Kräfte, die dieses Gleichgewicht stören und für die Freigabe des alten Wissens kämpfen. Und prompt taucht ein Paratwa auf, ein mörderisches Wesen aus der Vergangenheit, das man aus der Stasis geholt hat. Es besteht aus zwei identischen, geklonten Killern, die in unmittelbarem geistigen Kontakt miteinander stehen.
Sie sind unüberwindlich – jedenfalls für Menschen. Sie können nur durch andere Paratwa eliminiert werden. Womit ein Teufelskreis in Gang gesetzt wird. (Verlagsinfo)
Dieser Debütroman erhielt den Compton Crook Award der Baltimore Science Fiction Sociaety.
Der Autor
Christopher E. Hinz ((https://de.wikipedia.org/wiki/Christopher_Hinz)) (* 10. März 1951 in Reading) ist ein britischer Schriftsteller. Er ist am besten für seine Science-Fiction-Trilogie Paratwa bekannt. 1988 wurde sein Roman „Liege-Killer“ mit dem Compton Crook Award als bester Debütroman ausgezeichnet. (Quelle: Wikipedia.de)
Der PARATWA-Zyklus
Prequel: Binary Storm (2016)
• Killer aus dem Eis. Heyne 1997, ISBN 3-453-11902-9 (Liege-Killer. 1987).
• Ash Ock. Heyne 1997, ISBN 3-453-11903-7 (Ash Ock. 1989).
• Paratwa. Heyne 1997, ISBN 3-453-11904-5 (The Paratwa. 1991).
Hinz kehrte von Comic-Books zu SF-Romanen mit den Titeln „Spartan X“ (2012), „Refraction“ (2020) und „Starship Alchemon“ (2019) zurück.
Handlung
Das Jahr 2304. 200 Jahre nach dem globalen Atomkrieg suchen Plünderer, die sich als „Costeaus“ bezeichnen, in den Ruinen der irdischen Städte nach Verwertbarem. Denn die Altvorderen hatten angeblich eine hochentwickelte technische Zivilisation. Blöd nur, dass sie anno 2099 in einer Apokalypse endete. Heute sind die Polizisten Bronawitsch und Kelly als Patrouille vom Technologiekonzern E-Tech ausgeschickt worden, um in Philadelphia Costeau-Aktivitäten zu finden. Tatsächlich stoßen sie auf ein Loch in der Wand eines verlassenen Supermarkts, folgen den Spuren zu einem Loch im Boden: Es führt hinunter bis zu einer abgesoffener U-Bahn-Station.
Sie brauchen nicht lange zu suchen, um einen sechzig Meter langen Waggon zu finden, dessen Tür offensteht – vermutlich aufgebrochen. Erstaunlich ist vor allem die Temperatur im Inneren des Waggons: 60 Grad C unter Null! Kelly weiß, was das bedeutet: Stasisbehälter zur Kühlung von Körpern. Der Treibstoff für den Stromgenerator, der die Kühlung betreibt, kommt aus Ölwaggons. Was Bronawitsch beunruhigt: Die beiden Stasisbehälter sind geleert worden. Aber warum waren es zwei und nicht zehn oder so? Es gibt nur einen vorstellbaren Grund…
Koloniewelt Lamalan
Paula Marth wartet mit ihrem 15-jährigen Sohn Jerem auf das angesagte Gewitter in ihrer zylindrischen Kunstwelt. Das letzte liegt schon zwei Jahre zurück, und damals schickte sie Jerem ins Haus; heute darf er draußen bleiben und das Wunder bestaunen. Die Luft in ihrer Welt ist schwül geworden. Es ist die Stille vor dem Sturm. Auch beim Nachbarn Bob Max regt sich nichts. Moment mal: Da tauchen zwei gleich gekleidete Männer auf. Als sie Bob Max, den Schwarzmarkthändler, nicht vorfinden, steigen sie über den Zaun und kommen zu Paula. Paula ist Antiquitätenhändlerin, aber auf die eher diskrete Art.
Die beiden Männer stellen sich nicht vor, betragen sich aber seltsam. Der eine grinst ständig und leitet das Gespräch, der andere mit den traurigen Augen hält sich im Hintergrund. Auf Jeremys neugierige Fragen hin geben sie zu, dass sie „freiwillige“ Sklaven seien. Was auch immer das heißen mag. Auf Anfrage führt Paula sie durch ihr Lager: alles funktionsfähig und älter als 175 Jahre. Aber sie hat offenbar nicht das, was die beiden „Sklaven“ suchen, so dass sie wieder gehen. Das Video der Überwachungskamera ist merkwürdig: Paula ist gut zu sehen und zu verstehen, aber der Grinser ist nur ein verschwommener Fleck und seine Sprache scheint aus Flüstern zu bestehen. Paula kapiert: Sie haben einen von E-Tech verbotenen AV-Scrambler benutzt.
Das angesagte Gewitter ist sehr laut und die Blitze sehr bunt. Der Regen erfrischt die beiden Marths, als sie auf ihrer Veranda zuschauen. Sie hören kaum, wie die beiden „Sklaven“ zu Bob Max zurückkehren. Sie werfen sich durch die Vorderfenster und stellen das Haus auf den Kopf, bis Bob Max herausgestürzt kommt. Paula und Jerem ducken sich hinter das Geländer der Veranda und sehen entsetzt zu, wie der Grinser Bob Max mit einer streng verbotenen Energiewaffe, einem sogenannten „Superei“, tötet. Dann gehen sie wieder. Da erinnert sich Paula an ein schreckliches Phänomen, das sie bislang für eine Legende gehalten hatte: „Es sind Paratwa“, telepathisch verbundene, geklonte Killer, die immer als Paar auftreten. Angstvoll drückt sie ihren Sohn an sich. Als Paula noch bei den Costeaus lebte, hörte sie von Paratwas. Aber das darf sie Jerem nie verraten. Er würde sie für eine Schlampe halten.
Irrya: E-Tech
Die E-Tech sorgt seit 200 Jahren für die Beachtung und Durchsetzung der restriktiven Gesetze für Technik und Wissenschaft. So ließ sie etwa alle noch nicht getöteten Paratwa in Stasis versetzen. Als der E-Tech-Direktor Rome Franco von seinem Sicherheitschef Pasha Haddad erfährt, dass auf der Koloniewelt Lamalan ein Paratwa einen Menschen mit einem Superei umgebracht habe, gerät er ein wenig in Panik und verhängt eine Nachrichtensperre. Er vermutet seine Gegner in der Bewegung „La Gloria de la Ciencia“ (Ruhm der Wissenschaft), die irdische Zustände wiederherstellen und alle Forschungsbeschränkungen abschaffen will.
Irrya: Trustkirche
Bischof Wokir von der Trustkirche lebt ebenfalls auf Irrya. Er empfängt das Paratwa, das von Lamalan kommt, in seinem verborgenen Kommandoraum, wo er eines der letzten vier Cezanne-Bilder sein Eigen nennt. Es ist von unschätzbarem Wert. Als das Paratwa eintritt, bemerken die beiden Klone das Bild sofort und wollen es haben. Der Bischof verweigert es ihnen und lässt sich über den Anschlag auf Lamalan Bericht erstatten. Alles lief wie geplant: Das Paratwa SOLLTE gesehen und gemeldet werden. Denn sonst wären die beiden Zeugen schon längst tot. Es war quasi eine Kampfansage im Hinblick auf die E-Tech.
Das Paratwa ist rastlos und frustriert, denn seine innere Qual und Energie verlangt nach einem lustvollen Ausgleich, dem „Flexen“. Der Bischof gewährt dieses Austoben – solange es diskret bleibt. Dann informiert er sein eigenes Gegenstück, einen Ash Ock namens Cordus. Cordus ist ein Kommandeur von Paratwas und führt die Trustkirche gegen die Vertreter der E-Tech. Ash Ocks haben die seltene Eigenschaft, dass sie sich aus ihrem Paar nach Belieben auskoppeln können. Dass sie sich ebenso tarnen können, versteht sich von selbst. Gerüchte zufolge existieren von einst fünf Exemplaren nur noch drei.
Irrya: Der Rat der Kolonien
Rome Franco erstattet einer Ratssitzung der 214 Kolonien im Orbit der Erde Bericht. Doch der Direktor für etwa eine Milliarde Menschen ist nur eines von fünf Ratsmitgliedern. Nu-Lin kann nach einem Unfall nur mithilfe von Sprachgeneratoren aus Lautsprechern in ihrem Unterkiefer artikulieren. Elliot Drake, der gute Verbindungen zu den ICN-Banken hat, besitzt die Statur eines Quarterbacks: zwei Meter groß und voller Muskeln. Lady Bonneville glänzt durch Abwesenheit, aber Augustus Arthwiler, der lamettabehängte Kommandeur der interkolonialen Wachtruppen, platzt gleich mit einem Hammer in die Sitzung: Wie kommt denn Franco dazu, eine derartige Bedrohung wie die Paratwas vor dem Rat geheimzuhalten? Dabei hat Franco noch keinen Piep gesagt.
Der erschütterte Franco konsultiert per Chat seinen Sicherheitschef, doch Haddad vermutet, dass die beiden Zeugen geplaudert hätten. Besorgt macht ihn allerdings, dass Arthwiler die Gefahr, die das Paratwa darstellt, unterschätzt: Was kann es schon gegen 150 Mio. Menschen auf Irrya ausrichten? In der Abstimmung gelingt es Arthwiller zu erreichen, dass die Wachtruppen und nicht die E-Tech die Ermittlung aufnehmen. Das bedeutet auch, dass die beiden Zeugen auf Lamalan von der E-Tech an die Wachtruppen überstellt werden sollen…
Lamalan
Paula und Jerem sind den ganzen Tag von idiotischen Bürokraten verhört worden, nun kommt auch noch Haddad mit einer unverschämten Behauptung: Paula habe entweder den Costeaus oder den Schwarzmarkthändlern, von denen sie ihre Antiquitäten beziehe, gesagt, dass sie ein Paratwa gesehen habe. (Denn das würde Arthwilers Informationsquelle erklären.) Paula leugnet hartnäckig und bekommt Angst.
Kaum ist sie freigelassen, spürt sie, dass sie verfolgt wird: Sie ist ja nicht blöd, sondern hat bei den Costeaus allerlei Tricks gelernt. Sie wendet sich an die Polizei auf dem Raumflughafen und bezeichnet ihre Verfolgerin als Räuberin. Als diese sich wehrt und einen Aufstand verursacht, verduften Paula und Jerem mit dem nächsten Taxi. Ihr Untertauchen erfreut Arthwiler nicht gerade: Er beschwert sich stinksauer bei Franco. Doch Paula und Jerem kommen nicht weit. Schon am nächsten Morgen dringt ein Sturmkommando des Alexander-Clans der Costeaus in ihr Versteck ein und verschleppt sie.
Nordkalifornien: Massaker
Mittlerweile hat das Paratwa auf der Kolonie Nordkalifornien den kompletten Tierbestand des Wildreservats ausgelöscht, nur um Spaß zu haben. Haddad klärt Franco darüber auf, dass dieses Verhalten „Flexen“ genannt werde. Die Killer haben nur einen Zeugen am Leben gelassen: Miles, den Parkwächter, einen Jungen, der seitdem traumatisiert ist. Das Paratwa hat die von Miles herbeigerufene Wächtertruppe vor seinen Augen massakriert.
Irrya: Wiedererweckung
Mitten in der Nacht wird Franco vom Sicherheitschef geweckt: Er soll sofort ins Datenarchiv kommen. Mittlerweile haben sich die Ereignisse überschlagen. Im Datenarchiv haben Haddad und sein Programmierer Begelman ein Programm aus der Zeit vor der Apokalypse anno 2099 gefunden. Die eine Hälfte des Programms stellt ethische Fragen, die andere ist offenbar ein Turing-Test. Als Franco sich als E-Tech-Direktor zu erkennen gibt und sein Paratwa-Problem erwähnt, wird ihm Zugriff gewährt: Er soll eine ganz bestimmte Stasiskapsel öffnen. Diese befindet sich auf der Kolonie Shaoyang. Haddad erwähnt wenig später, die Kapsel sei inzwischen eingetroffen. Klar, dass Franco beim Öffnen dabei sein will.
Die Stasiskapsel wird von geschultem Personal geöffnet. Laut Archivakte befindet sich ein Banker von 60 Jahren darin, aber es sind zwei Menschen, die unterschiedlicher nicht sein könnten: ein Riese und ein Zwerg. Der Zwerg ist zuerst wach und stellt sich als der zu Witzen neigende Nick vor, der andere, schweigsame, sei Gillian. Franco beginn zu lächeln: Sie sind kein Paratwa, ganz im Gegenteil, Nick stellt sich als ein Typ vor, der zusammen mit Gillian bis anno 2097 Paratwas gejagt und erledigt habe.
Nick sagt, das von Franco beschriebene Zwillingspaar klinge nach einem Produkt aus den Terminus-Laboren und sei auf einer Gefährlichkeitsskala von zehn bei vier einzustufen. Es gebe also noch Hoffnung: Das Paratwa zu terminieren, dürfte etwa einen Monat dauern und ein paar tausend Leben kosten. Und wie sieht es mit Bezahlung und etwa zu essen aus? Nick sagt, er habe seit 210 Jahren nichts mehr zu essen bekommen…
Mein Eindruck
Franco fragt sich, warum das Paratwa ausgerechnet jetzt auftaucht, um die Kolonien in Gefahr zu bringen. Das ist auch genau die Frage, die den Roman großenteils zu einer Ermittlung macht, die für Spannung sorgt. Schließlich stellt sich heraus, dass die großen, im Kolonie-Rat vertretenen Verbände der Kolonien – die Banken, die Kirche und schließlich auch die Militärpolizei selbst – durch eine Verschwörung miteinander verbunden sind, die das Ende der Restriktionen zum Ziel hat, die E-Tech 200 Jahre lang verwaltet und aufrechterhalten hat.
Der Grund für diesen Aufstand liegt in der Erwartung, dass in nur 56 Jahren all die Paratwas, die mit den Siedlerschiffen zu den Sternen geflogen sind, zurückkehren werden. Um eine von Paratwa-Königen wie Cordus kontrollierte Menschheit vorzufinden, versteht sich.
Zeitschlösser
Doch Erkenntnisse sind ja schön und gut, doch sie beseitigen die Bedrohung nicht. Franco kann auf die beiden Paratwajäger Nick und Gillian nicht verzichten. Sie stammen aus der Kryostasis und werden Franco mithilfe eines Zeitschlosses zugänglich gemacht. Besonders Gillian wird zu meiner Freude besonders tief und nachvollziehbar geschildert. Er ist der Actionheld dieses ersten Romans des Paratwa-Zyklus‘.
Er weiß, wie man ein Paratwa enttarnen kann. Da es sich durch psychische Überlagerung mit einem beliebigen Menschen verbinden kann – eine Art feindliche Übernahme -, lässt es sich durch das unbewaffnete Auge nicht entdecken. Die Lösung: Man muss einem Teil-Paratwa äußerste Pein bereiten, die dann der andere Teil ebenfalls empfindet, welcher sich dann durch entsprechendes Verhalten verrät. Diese und viele weitere Methoden sind also nichts für Zimperliesen. Franco fragt sich, warum Gillian so ein effizienter Paratwa-Killer ist – und es schon im 21. Jahrhundert war. Die Antwort auf diese brisante Frage erfolgt im zweiten Finale.
So etwas wie Familie
Durch seine Bekanntschaft mit Paula und Jerem geht Gillian eine dauerhafte Verantwortung ein, die ihn dazu bringt, größere Risiken als gewohnt einzugehen. Paula und Jerem sind es denn auch, die ihm bei seinem finalen Kampf mit dem Paratwa zur Seite stehen. Denn die angeheuerten Söldner von der Piratensippe der Costeaus erweisen sich – trotz ihrer harten Ausbildung durch Gillian in den Anti-Paratwa-Kampftechniken – als nur bedingt fähig, es mit dem Paratwa aufzunehmen.
Franco ist bei seiner Archivsuche auf ein zweites Programm gestoßen und hat es für einen simplen Turing-Test gehalten. Doch in der Stunde der Not entdeckt sein Programmierer hier ein zweites Zeitschloss: Nur Franco bzw. ein E-Tech-Direktor kann die Prüffragen beantworten. Geknackt gibt es den Standort für die geheime Paratwa-zentrale auf der Erdoberfläche preis. Die Frage lautet allerdings, wie man dorthin gelangt. Nur Nick und Gillian scheinen die Antwort auf diese Frage zu kennen. Dort kommt es jedenfalls zu einem zweiten Showdown.
Die Übersetzung
S. 27: „dass diese beiden von keinem dieser Welten kamen“: Da „Welt“ weiblich ist, muss es korrekt „von keiner dieser Welten“ heißen.
S. 128: „Irryan“ statt „Irrya“.
S. 148: „unglaubig“ statt „ungläubig“.
S. 198: „Der Elevator“: Eins-zu-eins-Übersetzung von „Fahrstuhl, Lift“.
S. 206: „Ich werde[n] das Superei…“: Das N ist überflüssig.
S. 226: „um Haddads Leute[n] davor Angst einzujagen.“ Das N fehlt.
S. 237: „dass Gillian versuchen würde[n]…“: Das N ist überflüssig.
S. 240: „Jackett-asche“: Falsche Silbentrennung von „Jackett-Tasche“.
S. 261: [Sheila]: „Du weißt deine Worte gut zu setzen, Frau.“ // „Zu gut“, grollte er. – Fehlende Absatztrennung.
S. 265: „Es gab eine ICN-Anleihe über 630 Milliarden an die Westjemen AG.“ Auf S. 199 waren es noch 630 MILLIONEN [Krediteinheiten] gewesen.
Ich lasse einige Fehler unerwähnt, aber folgende sind typisch:
S. 437: „Und [ich] schwöre bei E-Tech…“ Das nicht ganz unwichtige Wörtchen „ich“ fehlt.
S. 555: „Empodekles“ statt „Empedokles“.
S. 556: „…die sofortige Ergebung von Bischof Wokir unter die E-Tech-Behörden.“ Diese krumme Deutsch soll wohl Folgendes bedeuten: „Bischof Wokir [der enttarnt worden ist] soll sich den Agenten der E-Tech-Behörde ergeben.“
Solche Buchstabendreher, Lücken und Stilfehler sind durchgehend im Text zu finden, was die Lektüre nicht gerade zum reinen Vergnügen macht.
Unterm Strich
Die meisten SF-Action-Romane haben in der Mitte einen Durchhänger. Die Spannung des Anfangs trägt die Handlung nur bis einem gewissen Punkt, und im letzten Drittel freut sich der Leser auf das Finale. Diese Grundstruktur existiert zwar auch hier, doch der Autor bedient sich gewisser Tricks, um die Delle in der Mitte gar nicht erst aufkommen zu lassen. Erstens sind da die zwei Zeitschlösser, die neue Infos liefern und Akteure freisetzen.
Zweitens bleibt bis zum Schluss der Verräter im Kolonie-Rat zu enttarnen. Drittens gibt es immer wieder Actionszenen, und Gillians Finale ist natürlich mit maximale Spannung aufgeladen: Was können zwei Zivilisten wie Paula und Jerem beitragen, um einen Profi wie Gillian das Duell mit den beiden Killern überleben zu lassen?
Bedrohte Demokratie
Obwohl er die Charakterisierung der Figuren bis auf ein paar kennzeichnende Eigenheiten, Dialoge und Handlungen reduziert, gelingt dem Autor doch ein umfassendes Panorama des Lebens in den L5-Kolonien zu Anfang des 24. Jahrhunderts. Franco, der Leiter von E-Tech-Aufsichtsbehörde, überblickt eine lebendige, weil demokratische Gesellschaft, die sogar Rebellen wie die Costeaus tolerieren kann, ohne in eine Diktatur umzukippen. Es ist ein interessanter Multi-Kulti-Mix, der die Vorurteile des Leser infragestellt.
Nun tritt mit einem ersten Killerpaar von Paratwas die größte Bedrohung dieser fragilen Ordnung auf. Weil sie sich mit jedem x-beliebigen Gesicht (durch psychische Überlagerung, s.o.) tarnen können, können Paratwas wie die Terroristen im 20. und 21. Jahrhundert sie Angst und Schrecken verbreiten, vor allem aber Chaos. Dieses bietet die Chance für das Versagen der Aufsichtsbehörde und den Aufstieg weniger demokratischer Verbände. Was jetzt ans Tageslicht kommt, sind Intrigen und dubiose Finanztransaktionen, die in die falsche Richtung fließen (ähnlich wie in Qatar), um die Feinde der E-Tech zu fördern: die „La Gloria de la Ciencia“. Diese klingt in ihrem Bündnis mit der Trustkirche wie eine Kombination aus katholischer Kirche und Inquisition, mit entsprechend finsteren Absichten.
Meine Lektüre
Ich habe diesen Auftaktband in wenigen Tagen mit Vergnügen gelesen, denn wie gesagt, wird diesmal der Durchhänger in der Mitte ausgeglichen. Der finale Kampf mit dem Paratwa wird von Gillian schon früh vorbereitet. Er findet Mitstreiter bei den Costeaus, denn die Polzisten sind untauglich, und bringt den Piraten die nötigen Kniffe bei, um es mit der Hauptwaffe der Paratwas, dem Superei, aufzunehmen: Man stelle sich einen tödlichen Laserstrahl vor, der sich wie ein Lasso handhaben lässt.
Ebenso viel Mühe hat sich der Autor mit seiner Erfindung der Paratwas gegeben: Woher kommen sie, welche Typen gibt es, warum sind so schlecht zu erkennen und wie kann man sie enttarnen und bekämpfen? Für jede dieses grundlegenden Fragen hat der Autor eine plausible Antwort ausgearbeitet: „Elementar, mein lieber Watson!“
Besonders die Technik der psychischen Überlagerung ist nicht ganz einfach zu verstehen, aber diese Information erklärt dem Leser eine Menge, was die Bedrohung und den Erfolg der Terroristen anbelangt. Es ist, als wäre der islamische Staat überall und könne sich jederzeit in Gestalt bislang unbescholtener Bürger manifestieren, um Akte des Terrors zu begehen.
Ausblick
Wie schon erwähnt, sind Paratwas auch an Bord der Siedlerschiffe gewesen. Die auf Irrya zurückgebliebenen Menschen haben von diesen Schiffen Notsignale und schreckliche Botschaften von Kämpfen, Gefechten und Morden aufgefangen. Am Schluss des ersten Bandes ist klar, dass die siegreichen Paratwas in exakt 56 Jahren zur Erde zurückkehren werden. Bis dahin muss die Erde ihre Kolonien darauf vorbereitet haben oder untergehen.
Für die vielen ärgerlichen Stil- und Druckfehler gibt es Punktabzug.
Taschenbuch: 590 Seiten
Originaltitel: Liege Killer, 1987
Aus dem Englischen von Dagmar Kreye
ISBN-13: 9783453119024
www.heyne.de
Der Autor vergibt: